Was ist der Mensch? Theologische Anthropologie (1) - Bildungsnetz

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Was ist der Mensch? Theologische Anthropologie (1) - Bildungsnetz
Was ist der Mensch?
Theologische Anthropologie (1)

              Raffael, Die Schule von Athen (1510-1511),
              Vatikanische Museen
Was ist der Mensch? Theologische Anthropologie (1) - Bildungsnetz
Vorbemerkungen: Was ist der Mensch?
                                                                                                                       Themenseite Mensch
•   Was macht den Menschen aus? Zunächst einmal die simple Tatsache, dass er überhaupt in der Lage ist, diese Frage zu formulieren. Der Mensch
    zeichnet sich gegenüber anderen Lebenswesen, mit denen er sich die Erde und deren natürliche Prozesse als Lebensraum teilt, dass er eine Idee
    von sich hat.
•   Das Nachdenken über sich (als Spezies) setzt die Fähigkeit voraus, sich von sich selbst zu distanzieren. Dieses Kunststück kann immer nur
    fragmentarisch gelingen. Der Mensch bleibt immer ein Teil der Natur, auch wenn es ihm gelingt, sich ihr gegenüberzustellen, um sie in seinem
    Sinne zu kontrollieren. Sein Blick auf die allgemeinen Merkmale des Menschseins wird immer durch seine eigene Selbstbezüglichkeit getrübt
    bleiben.
•   Seit der Antike geht es bei der Frage nach dem Menschen um seine offensichtlichen Defizite und seine Potenziale, um angesichts dieser Defizite
    ein gelingendes Leben führen zu können. Diese Ambivalenz der menschlichen Eigenschaften prägt das Menschenbild bis in die Gegenwart und
    beeinflusst bzw. Prognosen für die Zukunft der Menschheit.
•   Wissenschaftliches Nachdenken über das Wesen des Menschen, den Sinn des Lebens und der begründeten Hoffnung auf eine bessere Welt fragt
    dementsprechend nach der Breite des Spielraums zwischen Bestimmung und erstrebter Selbstverwirklichung (Determinismus und Freiheit).
    Voraussetzung aller Anthropologie ist das Wissen des Menschen um seine Endlichkeit und die Unverfügbarkeit des Zeitpunkts seines natürlichen
    Todes.
•   Das Klären dieser Frage ist notwendig zur Ausbildung einer Ethik: Nur wenn ich weiß, wozu der Mensch überhaupt in der Lage ist, kann ich seine
    Entscheidungen und Handlungen ethisch beurteilen.            © Markus Sasse, RFB 2020                                                  2
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•   In dem Augenblick, in dem sich der Mensch selbst als Mängelexemplar erkennt, versteht er sich als
    Lebewesen, das nicht nur Teil der Natur ist, sondern aus den natürlichen Ressourcen etwas erschafft, das
    die Mängel wenigstens teilweise kompensiert. Dies betrifft die Mängel, die etwas mit der natürlichen        homo
    Beschaffenheit des menschlichen Körpers zu tun haben (Kleidung, Schutz der Neugeborenen,
    Werkzeuge zur Jagd, Zubereitung von Essen) sowie Probleme, die etwas mit den vorhandenen                   sapiens
    Lebensbedingungen zu tun haben (Wohnen, Daseinsvorsorge, Arbeitsteilung). Die nichtkontrollierbaren
    Anteile der Natur werden als Bedrohung erfahren.
•   Seit etwa 70.000 v.Chr. vollzog sich eine Entwicklung, die man als kognitive Revolution bezeichnen kann.
    Die gedanklichen Leistungen des Menschen (Erinnerung, Sprache, Legenden- und Mythenbildung,
    Symbole und Rituale) erhöhen sich erheblich und führen zu komplexer werdenden Sozialstrukturen und
    Erweiterung des Lebensraums.
•   Ein weiterer erheblicher Entwicklungsschub vollzog sich durch die Entstehung der Landwirtschaft (früher
    als neolithische Revolution bezeichnet)       Hierbei geht es um einen Wechsel der menschlichen
    Lebensweise während der Jungsteinzeit (ab ca. 9500 v.Chr., in bestimmten Regionen erheblich früher).
    Merkmale sind die Domestizierung von Pflanzen und Tieren, Sesshaftigkeit, Vorratshaltung,
    Keramikherstellung, Errichtung von Tempeln.
•   Die Kompensation geschieht also durch Technik aber auch durch soziale Organisation (Stadt, Staat,
    Gesellschaft) und den damit verbundenen Kulturtechniken (Schrift, Zeitmessung). Beides verlangt ein
    immer höheres Maß an Kommunikation. Bereits die frühesten Kulturen haben dafür gesorgt, dass die
    erlangten Kompetenzen nicht wieder verloren gehen.          © Markus Sasse, RFB 2020                             3
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Philosophie     •   Das Besondere der griechischen Philosophie im Unterschied zu den altorientalischen
                    Wissenskulturen, liegt nicht in der Menge des Wissens, sondern darin, dass hier das Denken
                    zum Gegenstand des Denkens gemacht wurde. Lange bevor die Sophisten den Menschen
                    zum zentralen Gegenstand philosophischen Denkens gemacht haben, formulierten die
                    Naturphilosophen eine implizite Anthropologie dadurch, wie sie ihre Perspektiven auf die
                    Wirklichkeit ordneten. Bereits Thales von Milet unterscheidet bei seiner Frage nach dem
                    Urgrund der         Natur    zwischen   einer   wahrnehmbaren   Wirklichkeit   und   einer   nicht
                    wahrnehmbaren Ursache derselben, welche die Regeln für die wahrnehmbare Wirklichkeit
                    vorgibt.
                •   Ob man diese Art zu denken bereits als frühe Form von Metaphysik bezeichnen kann, ist
                    umstritten. Deutlich aber ist, dass sich Thales und die auf ihn folgenden Naturphilosophen
                    als Menschen verstanden, die sich in einer Weise zur Natur in ein Verhältnis setzten, die weit
                    über die Bewältigung lebenspraktischer Probleme hinausging. Sie erklärten die Natur und die
                    Abhängigkeit des Menschen. Dies geschah durch die sprachliche und mathematische
                    Formulierung der Abhängigkeiten, durch Kritik an den Götterbildern der Mythen und durch
                    das Aufstellen von Lebensregeln, die der Ordnung der Welt entsprechen.

                               © Markus Sasse, RFB 2020                                                      4
   Pythagoras
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Natur und Kultur
•   Der Mensch existiert im Unterschied zu den anderen Lebewesen in zwei Welten.
      (1) Er ist Teil der Natur und von ihren Gesetzmäßigkeiten abhängig.
      (2) Durch den Gebrauch der Vernunft kann der Mensch die von der Natur vorgegebenen
          Bedingungen für sich nutzen und gestalten (Kultur). Entscheidend ist dabei seine
          Fähigkeit zur Kommunikation in Zahlen und Sprache.
•   Der Mensch hat durch die Art, wie er denkt und kommuniziert, Anteil an der
    nichtwahrnehmbaren Wirklichkeit. Er strebt nach Höherem. Das bedeutet, dass er durch das
    Bilden von Begriffen, die das Leben und Wirken des Sprechenden überdauern, den
    Gedanken der Ewigkeit antizipiert. Es geht ihm also um das, was bleibt, nicht um Ziele, die
    genauso vergänglich sind wie seine natürliche Gestalt. Bei diesem Streben, das man als
    Philosophieren bezeichnen kann, wird der Mensch immer wieder durch seine natürliche
    Existenz bedroht. Dazu gehört nicht nur die äußere Bedrohung durch natürliche Phänomene
    angesichts der Verletzlichkeit des menschlichen Körpers, sondern vor allem die inneren
    menschlichen Triebe und Neigungen.
•   Das Natürliche, das der denkende Mensch zu einem gewissen Teil und in einem bestimmten
    zeitlichen Rahmen für sich überwunden zu haben glaubt, erhält dadurch in der griechischen
    Philosophie eine negative Bewertung: Auch als vernunftbegabtes Tier (animal rationale, zoon
    logon echon nach Aristoteles) bleibt der Mensch ein Tier.   © Markus Sasse, RFB 2020          5
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Der Mensch ist
        das Maß aller                            Protagoras (480-410 v.Chr.) und
            Dinge.                               die anthropologische Wende der
                                                 Sophisten
                                                   „Der Mensch ist das Maß aller Dinge. Derjenigen, die sind, so wie sie
                                                   sind. Derjenigen, die nicht sind, so wie sie nicht sind.“ (zitiert von Platon
                                                   in "Theaitetos", 152a)

Der sog. homo-mensura-Satz des Sophisten Protagoras fordert eine veränderte die Sicht auf den Menschen in mehrfacher Hinsicht:
(1) Nicht der abstrakte und theoretische Mensch ist Gegenstand der Philosophie, sondern der konkrete Mensch in seinen Beziehungen und
    Handlungen. Damit verbindet sich die Ablehnung der Metaphysik, die zwischen der Erscheinung und dem durch Denken ermittelbaren Wesen
    unterscheidet.
(2) Vom einzelnen Menschen ausgehend werden die Dinge betrachtet. Da ihm die Dinge ausschließlich in seiner menschlichen Perspektive
    zugänglich sind, ist objektives Wissen nicht möglich. Dies führt zu Subjektivismus und Relativismus.
(3) Die sophistische Unterscheidung von physis (Natur) und nomos (menschliche Konvention) betont die Wandelbarkeit der menschlichen Kultur.
    Dies entspricht dem moralischen Skeptizismus der Sophisten.

                                                                © Markus Sasse, RFB 2020                                           6
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Der handelnde
                                                        Mensch:
                                                      Die ethische
                 Sokrates
                                                        Wende                                                   Platon und Aristoteles

•   Als Reaktion auf die sophistische Herausforderung vollziehen Sokrates, Platon und Aristoteles eine erneute Wende – diesmal in Richtung Ethik:
    Philosophie geht es nicht um Selbstoptimierung angesichts der natürlichen Voraussetzungen und kulturellen Herausforderungen, sondern um die
    Frage nach dem guten Handeln.
•   Erfahrungsbezogener Ausgangspunkt ist dabei ebenfalls die Erkenntnis der menschlichen Defizite. Angesichts der Frage, wie diese Defizite
    behoben oder gemildert werden können, entwickeln sie ihre unterschiedlichen Anthropologien. Ihr Ziel ist jedoch kein sophistischer Subjektivismus
    und Relativismus, sondern die Formulierung allgemeingültiger Handlungsanweisungen, die dem Wesen des Menschen entsprechen.
•   Sokrates sucht dabei die Wahrheit im konfrontativen Gespräch, Platon im Reich der Ideen und Aristoteles auf der Ebene der Erfahrung.
•   Antike Philosophen (aber auch die Verfasser der biblischen Texte) formulieren die menschlichen Defizite in ähnlicher Weise (Destruktivität,
    Selbstdestruktivität, animalische Triebe). In der Frage nach den menschlichen Potenzialen und den damit verbundenen Lösungsmöglichkeiten
    gehen sie unterschiedliche Wege.

                                                              © Markus Sasse, RFB 2020                                                      7
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Menschliche Defizite: homo homini lupus
                                            •    Mit dieser Formulierung („Der Mensch ist des Menschen Wolf.“)
                                                 lassen die menschlichen Defizite aber auch die menschlichen
                                                 Potenziale inhaltlich bündeln.

                                            •    Bekannt geworden ist die Formulierung durch den englischen
                                                 Staatstheoretiker   Thomas       Hobbes   (1599-1679)    in   seinem
                                                 Hauptwerk „Leviathan“. Allerdings begegnet der Gedanke, den
                                                 Menschen in seinem Sozialverhalten mit dem Wolf zu vergleichen,
                                                 bereits in der antiken Literatur – erstmals belegt beim römischen
                                                 Dichter Plautus (254-184 v.Chr.).

                                            •    Vorausgesetzt wird die Unterscheidung von Natur und Kultur: Der
                                                 Mensch besitzt negative natürliche Eigenschaften, die durch
                                                 kulturelle   Errungenschaften       bewältigt   werden        können.
                                                 Anknüpfungspunkt für die Bewältigung ist die natürliche Eigenschaft
                                                 der Gemeinschaftsfähigkeit (beim Wolf Rudelbildung). Die Wahl der
Römisches Mosaik, Pompei
                                                 Metapher (Wolf) orientiert sich an der Fähigkeit zur Domestizierung
                                                 (Hund).

                              © Markus Sasse, RFB 2020                                                         8
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Menschliche Defizite: Destruktivität und
                 Selbstdestruktivität

„Wie der Mensch auf der einen Seite, in diese
Staats- und Rechtsgemeinschaft eingebunden, von
allen lebenden Wesen das höchste ist, so ist er auf
der anderen Seite, losgelöst von seinen ethischen
und rechtlichen Bindungen, das niederste von allen“   Aristoteles

(Aristoteles, Politische Schriften 1,2 1253a,31ff.)
                           © Markus Sasse, RFB 2020                 9
Was ist der Mensch? Theologische Anthropologie (1) - Bildungsnetz
„… der Mensch aber verfügt von Natur über
                         Waffen, durch seine technische Begabung und
                         Tüchtigkeit, die sich nur zu leicht wider die Natur
                         missbrauchen lassen.“ (Aristoteles, ebd.)

                         „Vom Menschen droht dem Menschen eine tägliche
                         Gefahr.“ (Seneca, Briefe an Lucilius 103,1ff.)

                         „Einen Menschen befriedigt es, einen Menschen zu
                         verderben“
                         (Seneca, ebd.)
                                       © Markus Sasse, RFB 2020            10
Seneca-Statue, Cordoba
Menschliche Defizite: Sterblichkeit

                                                             Das     römische      Mosaik     (heute      im
                                                             Thermenmuseum in Rom) verbindet die
                                                             berühmte Inschrift am Apollotempel von
                                                             Delphi mit der Erkenntnis der Sterblichkeit
                                                             des     Menschen          (memento        mori).
                                                             Angesichts des unausweichlichen Todes
                                                             gilt   es   die    Zeit    zu   nutzen,     zur
                                                             Selbsterkenntnis zu erlangen.

 Erkenne dich selbst!
              © Markus Sasse, RFB 2020                                                              11
                    Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Roman-mosaic-know-thyself.jpg (gemeinfrei)
Menschliche Defizite: Schwäche
                                   Leib-Seele-Dualismus (Platon)
                                   „Der Körper ist das Grab der Seele.“ (Gorgias 493a 2-3)
                                   Soma = Körper / Sema = Grab
                                   „[Die Seele] ist an ihren Körper gefesselt und mit ihm verwachsen,
                                   gezwungen die Wirklichkeit durch den Körper zu sehen wie durch
                                   Gitterstäbe, anstatt durch ihre eigene ungehinderte Sicht.“
                                   (Phaidon 82e)

Platons Leib-Seele-Dualismus hat erhebliche Auswirkungen für die Entwicklung des christlich geprägten Menschenbildes.
•   Charakteristisch für das gesamte Denken Platons ist die Abwertung des sinnlich Erfahrbarem. Das Sein ist das Unveränderliche. Alles was man
    wahrnehmen kann, unterliegt dem Prozess der Veränderung und der Vergänglichkeit. Der Weg zur Erkenntnis führt für Platon also nicht über die
    Beobachtung des Wahrnehmbaren, sondern über das reine Denken.

                                                              © Markus Sasse, RFB 2020                                                 12
•   Der Körper des Menschen ist ein Leib. Das bedeutet, er ist offen dafür, mit einer Seele
    versehen zu werden – im Unterschied zu nicht belebten Körpern. Der Leib ist allerdings
    Veränderung und Verfall unterworfen im Unterschied zur unsterblichen Seele.
•   Die Seele ist mit dem Körper verbunden und wird durch ihn an ihrer Entfaltung gehindert.
    Dies betrifft die Erkenntnis der Wirklichkeit sowie die Handlungsentscheidungen.
•   Platon unterscheidet drei Seelenteile (Vernunft, Mut und Begierde), denen er die Tugenden
    und entsprechend der jeweiligen Begabung die Rolle des Einzelnen im Staat zuordnet.         Platon-Büste, Vatikanische
                                                                                                Museen

                                    © Markus Sasse, RFB 2020                                                 13
Menschliche Potenziale: Seele
                               „Und solange wir leben, werden wir, wie sich zeigt, nur dann dem Erkennen am
                               nächsten sein, wenn wir so viel wie möglich nichts mit dem Leibe zu schaffen noch
                               gemein haben, was nicht höchst nötig ist, und wenn wir mit seiner Natur uns nicht
                               anfüllen, sondern uns von ihm rein halten, bis der Gott selbst uns befreit. Und so
                               rein der Torheit des Leibes entledigt, werden wir wahrscheinlich mit eben solchen
                               zusammen sein und durch uns selbst alles Ungetrübte erkennen, und dies ist eben
                               wohl das Wahre.“ (Phaidon 67a)

•   Für Platon ist der Mensch ein Geistwesen, dem es um das Erkennen der Wahrheit gehen sollte. Das Körperliche ist dagegen zu vernachlässigen.
    Durch die Konzentration auf den Seelenteil Vernunft (philosophische Bildung) kann die Seele den Körper beherrschen – als Überwindung der
    sinnlich wahrnehmbaren Wirklichkeit. Befreit vom Körper erinnert sich die Seele an ihre Kenntnisse im Urzustand und kann dadurch ein am
    Guten orientiertes Leben führen.
•   Mit der unsterblichen Seele ist in den vergänglichen Körper etwas hineingelegt, das eine schrittweise Annäherung an das wahre Sein ermöglicht.
•   Dementsprechend orientiert sich Platon am einzelnen Menschen, der an seiner philosophischen Selbstoptimierung arbeitet. Die Gesellschaft und
    der Staat sind nur Mittel zum Zweck und der Schwäche des einzelnen Menschen geschuldet.
                                                               © Markus Sasse, RFB 2020                                                    14
Menschliche Potenziale:
                       zoon logon echon und
                          zoon politikon
„Es ist offensichtlich, dass der Staat ein Werk der Natur ist und der Mensch
von Natur aus ein staatenbildendes Lebewesen.“
„Wie im Samen der ganze Baum veranlagt ist, so ist im Menschen der Staat
veranlagt.“ (Aristoteles, Politische Schriften 1,2 1253a,21f.)

•   Für Aristoteles ist der Mensch ein vernunftbegabtes Wesen (zoon logon echon; lateinisch: animal rationale), das im Unterschied zu anderen
    Lebewesen über Sprache verfügt und damit in der Lage ist, sich in Gemeinschaft mit anderen Menschen zu verwirklichen.
•   Der Mensch ist wegen dieser Voraussetzung ein Gemeinschaft bildendes Wesen (zoon politikon). Der Staat ist in der natürlichen Ausstattung
    des Menschen angelegt – anders als bei Platon.
•   Aristoteles lehnt die platonische Trennung von Leib und Seele ab. Sie ist die Form, die sich im Körper verwirklicht hat, und daher untrennbar
    mit ihm verbunden. Der Körper ist das Werkzeug der Seele.
•   Auch Aristoteles vertritt eine Dreiteilung der Seele, orientiert sich dabei an der Natur: vegetative Seele, Sinnenseele, Vernunft (Pflanzen; Tiere,
    Mensch).
                                                                © Markus Sasse, RFB 2020                                                        15
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