Welt APRIL-JULI2021 C5178 - Nordkirche weltweit
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Schwerpunkt In eigener Sache Aus dem Inhalt Editorial Soziale Utopie: Menschen bedingungs- gedeckter Tisch für alle los einladen 4 23 Fotos: C. Plautz (1), F. Magaard (1), N. Steen (1), J. Ostermann-Ohno (1), S. Lorberg-Fehring (1), S. Gröticke (1), U. Gerstner (1), www.adpic.de (1), wikimedia (3), C. Wenn (1), Um Bedürftige im Lockdown Die Suppenküche in Bad Do- Liebe Leser*innen, mit Essen zu versorgen, öff- beran existiert seit 13 Jahren. nete der Husumer Pastor Frie- Barbara Niehaus erzählt, war- wie sehr wir uns nach Tisch- demann Magaard die Kirche. um sie ihr so am Herzen liegt. gemeinschaften sehnen, wird gerade in dieser Zeit spürbar. Geht Gemeinschaft Beim Essen zeigt sich Wieder in einer größeren Run- digital? Zusammengehörigkeit de sitzen können, an einem ge- 9 26 deckten Tisch miteinander essen Ja, meint Nora Steen. Die In El Salvador wird das Essen und lachen, sich über Alltaghürden und -freuden, ach, Geschichte Gottes mit den als Gemeinschaftserlebnis über alles, was einen gerade bewegt, unterhalten zu kön- Menschen ereignet sich auch nach dem Gottesdienst zele- nen – wie schön wäre das. Aber es wird noch Zeit brau- in neuen Lebensräumen. briert, weiß Christine Böhm. chen, bis das wieder uneingeschränkt möglich sein wird. Dennoch oder gerade deshalb steht das Sehnsuchtsthema Eine neue Rubrik Gemeinsam essen Hier haben alle am im Mittelpunkt dieser Ausgabe. Tischgemeinschaften als #Mission Decolonize reißt Grenzen nieder Tisch Platz grundlegendes menschliches Bedürfnis spielen in allen 12 Bischof 27 wird sich kritisch mit Kulturen eine wichtige Rolle – und kann Kulturen mitei- der Geschichte von Tilman Jeremias hat Uta Gerstner wohnt in der nander verbinden. Beim gemeinsamen Essen entsteht Mission und Koloni- 2015 mit Geflüchteten erlebt, Hausgemeinschaft Brot & sofort eine Nähe und „man erzählt sich viel eher, wo der alismus und ihren Auswirkungen auseinandersetzen. wie gemeinsame Mahlzeiten Rosen mit Geflüchteten. Hier Schuh wirklich drückt“, erfährt Prince Ossai Okeke, der Das ist ein Thema, mit dem sich das Zentrum für Mission Fremdheit überwinden können. steht der Tisch im Mittelpunkt. in Hamburg Treffen mit internationalen Gemeinden und Ökumene der Nordkirche bereits seit längerer Zeit organisiert. Aber Tischgemeinschaften fördern nicht nur befasst. Durch die neue Rubrik wollen wir Sie und Euch „Man erzählt sich, Der Ort, an dem neue die Gemeinschaft, sondern sind existenziell notwendig. als Leser*innen in diesen Prozess mit einbeziehen und wo der Schuh drückt“ Politik entstehen sollte Als viele „Tafeln“ wegen des Lockdowns schließen muss- zum Mitdiskutieren einladen. Diese Rubrik wird in loser Folge in den nächsten Ausgaben der Zeitschrift weltbe- 14 Über das Geheimnis gelunge- ner Tischgemeinschaften mit Der Runde Tisch in Ostberlin war eine Institution. Werner 29 ten, haben Engagierte in Husum und Bad Doberan sofort gehandelt und neue Wege gefunden, um bestehende wegt fortgesetzt. Bitte schreiben Sie uns gern Ihre Essensgemeinschaften aufrecht zu erhalten. internationalen Gemeinden Krätschell gehörte zu den Mit- Gedanken und Meinung zum Thema. Wir freuen uns Alle sollen satt werden und am Tisch Platz nehmen spricht Prince Ossai Okeke. initiator*innen. über Beiträge unter dem Stichwort: #Mission Decolonize dürfen, ohne Ausnahme. Wie wichtig es ist, das öffentlich an die Redaktion (Adresse siehe unten). sichtbar zu machen, zeigt das Sonntagsritual „conviven- Es wachsen Beziehungen Runder Tisch für cia“ der Kirchengemeinde Santa Ana in El Salvador: Dort Wie andere Missionswerke hat nun auch das Zent- und Erinnerungen Visionen trifft man sich nach dem Gottesdienst zum gemeinsamen 16 rum für Mission und Ökumene die Erscheinungsfre- Essen auf dem Kirchplatz. Für die Initiatoren ein Symbol quenz der Zeitschrift weltbewegt geändert. Sie wird ab dieser Ausgabe nun dreimal im Jahr erscheinen. In Indien ist das Festmahl zen- tral und stärkt Gemeinschaften. In welcher Welt wollen wir le- ben? Das ist das Thema bei den 30 dafür, „dass kein Mensch ausgeschlossen werden darf“. Nicht geplant war die zeitliche Verzögerung. Ein Es kann aber auch trennen, „Ökumenischen Tischgemein- Ich wünsche viel Freude beim Lesen! Cyberangriff hat das Internet und Mailsystem des Zen- weiß der Arzt John Oommen. schaften“ in der Nordkirche. trums für Mission und Ökumene über mehrere Wochen Ihre lahmgelegt sowie den Zugriff auf Daten verhindert. Aufbruch zu etwas Welt.Mahl.Zeit Davon war auch die Produktion der Zeitschrift betrof- Neuem Unter diesem Motto hat Silke 19 35 fen. Aus diesem Grund erhalten Sie die Zeitschrift erst zu diesem Zeitpunkt. Es braucht mehr solche inter- Leng Konzepte für Gemein- religiösen Tische wie die mit den initiiert und verrät, wie Imamen und Pastor*innen!, die Mahlzeiten gelingen kön- PS: Ihre Meinung interessiert uns. Deshalb schreiben Sie uns gern! so Sönke Lorberg-Fehring. nen. weltbewegt-Post-Anschrift: Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit, Postfach 52 03 54, 22593 Hamburg, Telefon 040 88181-0, Fax -210, E-Mail: info@nordkirche-weltweit.de IMPRESSUM: weltbewegt (breklumer sonntagsblatt fürs Haus) erscheint dreimal jährlich. HERAUSGEBER UND V ERLEGER: Zentrum für Mission und Öku- DRUCK, VERTRIEB UND VERARBEITUNG: Druckzentrum Neumünster, JAHRESBEITRAG: 15,– Euro, SPENDENKONTO: IBAN DE77 5206 0410 0000 1113 33 mene – Nordkirche weltweit, Breklum und Hamburg. Das Zentrum für Mission und Ökumene ist ein Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. EVANGELISCHE BANK, BIC GENODEF1EK1. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Autors/der Autorin und nicht unbedingt die Ansicht des DIREKTOR: Pastor Dr. Christian Wollmann (V.i.S.d.P.), REDAKTION: Ulrike Plautz, GESTALTUNG: Christiane Wenn, KONZEPT: Andreas Salomon-Prym, SCHLUSS herausgebenden Werkes wieder. Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu b earbeiten und gegebenenfalls zu kürzen. Gendergerechte Sprache KORREKTUR: Hedwig Gafga, ADRESSE: Agathe-Lasch-Weg 16, 22605 H amburg, Telefon 040 88181-0, Fax: 040 88181-210, w ww.nordkirche-weltweit.de. wenden wir in dieser Publikation an, indem wir das sogenannte Gendersternchen (*) in einem Wort benutzen. Gedruckt auf TCF – total chlorfrei gebleichtem Papier. 2 weltbewegt weltbewegt 3
Schwerpunkt Der gedeckte Tisch verspricht eine soziale Utopie Was bedeuten die Psalmworte vom bereiteten Tisch in einer Realität, die derzeit von einer Pandemie geprägt ist? Als in Husum die „Tafel“ wegen des Lockdowns schließen musste, öffnete die Gemeinde kurzerhand ihre Kirche und verteilte Essen an Bedürftige, damit es nicht nur bei den Worten bleibt. Ein Gewinn für alle. Friedemann Magaard D as Bibelwort vom gedeckten Tisch gehört zum innersten Kanon jüdisch-christlicher Tradition. Konfis lernen den Psalm vom Guten Hirten, und selbst Deutschland sind über anderthalb Millionen Menschen angewiesen auf die Angebote der Tafeln, Tendenz stei- gend. Als sich coronabedingt der erste Lockdown im jene Alte, deren Gedächtnis verschüttet scheint, tragen März 2020 über das Land legte, schloss die Tafel in der tief im Herzen: „Der Herr ist mein Hirte“. Der Vertrau- Kreisstadt Husum von einem Tag zum anderen ihre enspsalm. Gott sorgt für dich. Grüne Weiden, frisches Türen, wie fast überall. Die Lebensmittelausgabe hatte Wasser, Schutz in dunklen Tälern. Und dass er dir den bis dahin zweimal pro Woche die Türen in den Keller- Tisch deckt. So weit, so klar. Aber Gott schenkt offenbar räumen des örtlichen Diakonischen Werkes geöffnet, als mehr als nur die Versorgung. Er bereitet den Tisch im Gemeinschaftsprojekt von Diakonie und Arbeiterwohl- Angesicht der Feinde. In diesem Festmahl wird beides fahrt. Die Räumlichkeiten ließen einen Tafel-Betrieb zugleich in Szene gesetzt: Die Einladung und die mit den gebotenen Abstandsregeln nicht mehr zu. Abgrenzung. Spannungen bleiben nicht außen vor, Zudem mussten sich etliche Helferinnen zurückziehen, sondern sind hineingemalt in das Gemälde vom weil sie wegen Lebensalter oder Vorerkrankungen zu gedeckten Tisch, den Gott mir bereitet. den Risikogruppen gehörten, die sich zurückzuziehen Der poetische Gehalt dessen, was bei dem Wort hatten. Covid 19 trifft die Ärmsten besonders hart. Wer „Tisch“ mitklingt, ist reich. Wer sich dort absichtsvoll bereitet ihnen einen Tisch? mit anderen zusammensetzt, erprobt das Politische. Gemeinsame Verantwortung für Lösungen, die über das Die Kirchengemeinde erwachte aus ihrer unmittelbare Interesse hinausreichen. Die bis zur Gren- pandemischen Erstarrung ze strapazierte Metapher vom runden Tisch. Der Anspruch an ein Gespräch unter Gleichen. Ein Zustand, 48 Stunden benötigten die in der Zusammenarbeit der Hierarchien zumindest für eine Zeit aussetzt und bereits erfahrenen Vertreter von Diakonie und Kirchen- einen gemeinsamen Blick ermöglicht. Manche haben zu gemeinde, um nahtlos eine alternative Ausgabe zu orga- viel Vernebelung und Vertröstung erfahren an ver- nisieren. Kein einziger Ausgabetermin musste ausfallen. meintlich runden Tischen - und fordern provokant ecki- Fortan befand sich die Lebensmittelausgabe der Husu- ge Tische, die dem Schmerz Recht geben und dem Schrei mer Tafel in dem schönsten Raum der Stadt, in der klas- der Misshandelten Raum. Am Küchentisch fühle ich sizistischen Marienkirche am Markt. Die Antwort auf mich zuhause, spüre geborgene Alltäglichkeit. Die Tafel diese konkrete soziale Krise fanden Diakonie und Kir- steht dagegen für die große Geste, für das Festmahl. che miteinander. Sie führte direkt ins Herz des geistli- Daran nehmen jahrhundertealte aristokratisch-starre chen Lebens. Fanden ab sofort keine Gottesdienste mehr Traditionen Platz – oder aber die große bunte Mensch- in dem Kirchenraum statt, so war das Gotteshaus doch heitsfamilie, wenn sie dereinst kommen werden von erfüllt. Kein Abendmahl, keine Gemeinschaft am Tisch Osten, Westen, von Norden und Süden und dann zu des Herrn. Und doch bleibt das Bild vom Gründonners- Tische liegen werden im Reiche Gottes (Lukas 13,29). tag 2020 unvergessen. Die „communio sanctorum“, (die Gemeinschaft der Heiligen, d. Red.) fand sich diesmal Covid 19 trifft die Ärmsten besonders hart. ein als „communio pauperum“. Die Gemeinschaft der Abb: F. Magaard (1) Wer bereitet ihnen den Tisch? Armen und derer, die sie nicht vergessen, wurde sinn- bildlich zur Gemeinschaft der Heiligen, unabhängig von „Allmählich fing der Im rauen sozialpolitischen Alltag der Bundesrepublik religiösem Dialekt. Die Kunden der Tafel empfingen vor Kirchenraum an Deutschland steht „die Tafel“ auch für die Versorgung dem Marienaltar das, was nährt, sorgsam gepackt in 150 Fortsetzung sich zu verwandeln.“ der Ärmsten mit Lebensmitteln. In diesem reichen Papiertüten auf großen Tischen. Seite 6 44 weltbewegt weltbewegt weltbewegt 5
Schwerpunkt Schwerpunkt Wer rettete hier wen? Für die Bedürftigen riss die Unterstützung in schwerer Zeit nicht ab. Das war wich- tig. Die Kirchengemeinde aber erwachte aus der pande- mischen Erstarrung in die Aktion. Sie nährte ihr geistli- ches Herz durch die sozialdiakonische Tat. Es tut gut, etwas zu tun, was tatsächlich Not wendet. Allmählich fing der Kirchraum an sich zu verwandeln. Der Duft von Bananen und Brot. Die Sakristei als Depot für Mehl und H-Milch. Fest installierte Regalsysteme unter der Orgelempore. Kühlschränke und Kühltruhen neben den Kirchenbänken. All dies erzählte die Geschichte einer Kirche, die die Türen öffnet und das Herz für Gottes- kinder in Not, die den Tisch deckt für die Ärmsten. Eine Botschaft, die in die Gemeinde hineinwirkte, auch als Gottesdienste und Trauerfeiern längst wieder Alltag waren in St. Marien, und die zugleich wirksam wurde in der Stadt. Ein Team von über 80 Ehrenamtlichen unter- stützt das bewährte Tafel-Team. Die neun Husumer Ser- viceclubs engagierten sich Seite an Seite und gemeinsam mit Helfenden der Kirchengemeinde, über viele Monate hin. Eine neue Qualität des Gemeinsinns. Die Koopera- tion von Diakonie und Kirche lädt zur Zusammenarbeit in der ganzen Stadt. Nach einem halben Jahr und vor Beginn der kalten Jahreszeit zog die Tafel weiter, in die Husumer Friedenskirche. Die gemeinsame Arbeit ver- stetigt sich dort. Wer eine Tischgemeinschaft in Gerechtigkeit Wie segensreich die Tafeln sind, so skandalös erlebt, schaut verändert auf die Welt der Zustand, der sie notwendig macht „Du bereitest mir einen Tisch im Angesicht meiner ausgabe zum Gottesdienst, und der politische Wider- Bunte Tischge- Feinde“. Armut wurde in Husum ansichtig, wurde zur Der Tisch verspricht eine soziale Utopie. Es blitzt etwas spruch gegen Ausbeutung und Entfremdung zum Stoßge- meinschaften Gott bereitet einen Tisch, im Angesicht meiner Feinde. öffentlichen Anschauung, wenn sich eine lange Schlange auf. So wäre es, wenn wir im Gottesreich zusammenlebten. bet und zum Credo: Ich glaube an die Gerechtigkeit im – auch für Das Vertrauenslied vom Guten Hirten singt vom Schutz von der Kirchentür über den Marktplatz zog. Die bibli- Das macht Lust auf mehr, in aller Gebrochenheit, ohne die Reich Gottes und an die Kraft der Gerechtigkeit unter uns. Kinder eine Friedemann inmitten großer Spannung. Die Einladung an den Tisch sche Einladung an Gottes Tafel ist nicht der Beginn wir das Faszinierende nicht bekommen werden. Auch in Der Einspruch gegen die Gewöhnung an Altersarmut und Vision, die sie Magaard ist Pastor des Herrn erfolgt als Widerspruch, seine Gäste nehmen eines Happyends. Die Spannung bleibt. Die Schere zwi- der legendären Tischgemeinschaft Jesu, am Vorabend sei- Obdachlosigkeit, und dass es eben nun mal so sei, dass es sich gerne der Kirchenge- Platz als Akt des Widerstands. Die Lebensmittelausgabe schen Arm und Reich wird öffentlich, und sie tut weh. nes Todes, kommt ja alles zusammen. Verbunden mit dem Arme immer gäbe. Als wäre da eine Naturgesetzlichkeit, ausmalen. meinde Husum. der Tafel ist ein Skandal. Die Verantwortlichen werden Die Probleme sind nicht aufgelöst, sondern erst jetzt Heiligsten. Gestärkt in der Gemeinschaft. Ausgesetzt dem nach der nicht alle Menschen teilhaben könnten an einem nicht müde, dies zu wiederholen: So segensreich diese richtig sichtbar. Mit der Ausgabe der Lebensmittel Verrat und der Spaltung. Nicht einmal dann, wenn Jesus Leben in Würde. Dass es anders sein kann, dafür gibt sich Unter dem Titel Einrichtung ist, so skandalös ist der Zustand, der eine kommt die Geschichte nicht ans Ende, sondern fängt die Tür ins Himmlische eröffnet und das Mahl einsetzt, Christus in unsere Mitte. Wer von der sozialen Utopie „Seelenfutter“ ver- Lebensmittelausgabe notwendig macht. Die Tafeln wen- eigentlich erst an. Die Wahrnehmung der Helfenden aus regiert der Friede, es wäre ja auch zu schön. Auf den Kuss, einer Tischgemeinschaft in Gerechtigkeit erst einmal ge- öffentlicht der Autor den konkrete Not. Das zumeist bürgerliche Unterstüt- Gemeinde und Serviceclubs. Der Austausch hinterher. der alles zerstört, folgt die rohe Gewalt auf dem Fuße. Und schmeckt hat, schaut verändert auf die Welt, wie sie ist. im eigenen Podcast zungsteam in der Marienkirche schaute der Armut offen Und die Haltung, die sich verändert. Über dem Mund- doch ruft uns Gottes Geist immer wieder zurück in die Gott sorgt für dich. Grüne Weiden, frisches Wasser, Foto und Abb.: ZMÖ-Bildarchiv zusammen mit der ins Gesicht. Armut zeigt sich in der Hilflosigkeit, wenn Naseschutz lächeln die Augen, das steht oben auf der Mahlgemeinschaft, die uns geheimnisvoll verbindet mit Schutz in dunklen Tälern. Der gedeckte Tisch. So weit, so Publizistin Susanne es gilt sich in eine Namensliste für das Gesundheitsamt Agenda. „Willkommen, schön dass Sie da sind“. Die der Quelle aller Liebe. Im Singen und Beten, verbunden klar. Aber Gott schenkt mehr als nur die Versorgung. Er Garsoffky seit einem einzutragen. „Können Sie für mich schreiben?“ Anal- warmherzige Begrüßung als Konzept. Das Tablett mit mit den Engeln und allen himmlischen Kräften und mit schenkt Würde. Jene, die es böse mit dir meinen, werden Jahr wöchentlich phabetismus kennt auch in Husum keine Nationalität. Wasser in der Sommerwärme vor der Tür. Die Deeska- allen, die vor uns waren, erwächst unter uns eine neue erkennen: Du bist ein geliebtes Kind. Du musst dich nicht Einsichten und Armut ist multikulti, spricht hochdeutsch, manchmal lation, wenn auch mal die Nerven durchgehen. Hier ist Wirklichkeit: Teilhabe an einer himmlischen Tischge- klein machen. Schon gar nicht verstecken. Gottes Schutz Gedanken zu platt, spricht russisch, arabisch. Armut ist verschämt, ist jede willkommen. Wir halten uns aus, in aller Unter- meinschaft in Liebe und Gerechtigkeit. Weil das möglich ist über dir. Geh aufrecht zu dem Tisch, den Gott dir deckt. lyrischen und unsicher. Manchmal aufbrausend, wenn es um den ers- schiedlichkeit. Was uns verbindet, ist weit stärker, als ist, im Altarraum, mit Brot und Kelch, muss es auch Komm ohne Angst und ohne Scham. Alles ist bereit. Gott biblischen Texten. ten Platz in der Schlange geht. die Kräfte, die uns auseinandertreiben. möglich sein im Alltag. Und dann wird die Lebensmittel- sei Dank! 6 weltbewegt weltbewegt 7
Schwerpunkt Es ist ein Wunder, welche „Mehr essen beim Abend- Geht Gemeinschaft digital? Menschen sich in St. Pauli mahl ... und mehr beten Die Geschichte Gottes mit uns Menschen ereignet sich auch beim gemeinsamen Abend- beim Essen!“ in neuen Lebensräumen. mahl versammeln Nora Steen Sieghard Wilm Dorothee Sölle D er schönste Satz, den ich als Pastor in der St. Pauli Kirche sagen darf, ist die Einladung zum Abend- mahl: „Kommt, denn es ist alles bereit. Schmecket und A uch die Theologie des Abendmahls hat sich verän- dert. Die Eucharistie sollten wir, das haben Frauen in den letzten Jahren an vielen Stellen angemahnt, wie- seht, wie freundlich der HERR ist.“ Ich darf im Namen Gottes sonntags alle um seinen Tisch versammeln. Wenn ich das einfache Fladenbrot und der mit ihrem Ursprung im jüdischen Gemeinschafts- mahl verbinden, es ist ein Mahl zum Sattwerden und nicht nur eine Symbolhandlung. Auf dem Kirchentag in G emeinschaft! Eine Grundkon- stante kirchlicher Arbeit. Zu- mindest, bevor eine globale Pandemie Und nun ist diese bislang unhin- terfragte Selbstverständlichkeit in weite Ferne gerückt. Nach und nach talisierung festgehalten: „Die Digita- lisierung der Gesellschaft führt dazu, dass durch digitale Räume den silbernen Kelch reiche, dann staune ich über die Men- Stuttgart wurde die Parole formuliert „Mehr essen beim jegliche Formen von Zusammenkünf- wurden seit dem Frühjahr 2020 des- neue Formen von Gemeinde entste- schen, die sich im Halbkreis versammelt haben. Da steht Abendmahl und mehr beten beim Essen.“ Es ist wichtig, ten erschwert, zeitweise auch unmög- halb digitale Möglichkeiten ent- hen. Nicht physische Nähe, sondern der Lehrer, dessen Mutter gerade gestorben ist. Daneben dass das Abendmahl eine integrative Funktion hat und lich gemacht hat. deckt, Gemeinschaft zu erleben und Kommunikation ist für sie wesent- eine Tauffamilie. Ein Mann, der mehrere Jahre im Gefäng- Randgruppen wie Obdachlose einbezieht, es hat was mit Eine Kirche, ohne dass Menschen in den Kirchengemeinden auspro- lich. Die evangelische Kirche respek- nis war, steht neben dem Geschäftsmann mit Familienbe- geteilter Freude zu tun. Der Brotsegen und der Becher- mit Leib und Seele zusammenkom- biert. Gottesdienste per Telefonkon- tiert und fördert diese neuen Gestal- trieb. Die jungen Gesichter der Konfirmanden finden sich segen sind Segenshandlungen, in denen der Leib Christi men? Ohne Gottesdienste mit Ge- ferenz, Übertragung von Gottes- ten von Gemeinde.“ Ein verstärkter in der Runde und reife Menschen, denen sich die Kiezjahre geteilt wird. Und das Essen ist nicht einfach Nahrungs- sang, Segnungen und: Abendmahl? diensten auf die Plattform Youtube, Fokus auf Kommunikation also, ins Gesicht geschrieben haben. Ureinwohner und Men- aufnahme, sondern immer auch ein Stück Selbstunter- Nach nun über einem Jahr Pandemie Konfi-Unterricht via Zoom. wenn physische Nähe nicht gegeben schen mit kulturellen Wurzeln in anderen Kontinenten, brechung in Erinnerung an die Schöpfung, die wir zu mutet die Vorstellung nahezu gro- ist? ganz bürgerliche Leute sind da und andere, die viele Expe- loben lernen können. tesk an, dass wir einmal alle aus Seelsorge und Ansprache In eine ähnliche Richtung geht rimente im Leben hinter sich haben oder noch vor sich. Der Ritus hat etwas mit der Freude am Essen zu tun, einem Kelch getrunken und uns zum suchen viele im Internet Horst Gorski in seinem Essay „Theo- Manchmal kommen Überraschungsgäste, die nach der ich betone das gegen die protestantische Tradition, die oft Abschlussgebet an den Händen ge- logie in der digitalen Welt“. Er ermu- durchgemachten Nacht ins Kirchenschiff gehen, manch- durch eine falsche Sündenideologie, ihre angstvolle Trauer halten haben. Die Erfahrungen mit virtuellen Ge- tigt dazu, die teils unüberschaubare mal Musicalbesucher aus Schwaben. und den ihr eigenen Individualismus geprägt ist. Wir Ja, die Pandemie hat uns als evan- meinschaftsformen sind natürlich Komplexität des digitalen Raums als Was ich vor Gottes Altar an Vielfalt sehe, das ist für haben noch viel zu tun, aber „wir decken schon mal den gelische Kirche in unserem Kern oft sehr verschieden. Vieles fehlt im einen pneumatologisch ermöglichten mich ein Wunder. Tisch“ und erinnern uns, dass die Privilegien der Satten getroffen. Denn leibhaftige Präsenz digitalen Raum. Körperliche Nähe, Gestaltungsraum zu interpretieren: von Paulus und der ursprünglichen Jesus-Gemeinschaft in allen Dimensionen ist doch un- Raumeindrücke, Gerüche, Atmo- „Eine neue Offenheit für den Hei- (Auszug aus: Sieghard Wilm, St. Pauli meine Freiheit, nicht geduldet wurden: die Gerechtigkeit ist nicht nur eine ser Hauptgeschäft. Da verwundert sphäre, um nur einiges zu nennen. ligen Geist kann den Raum schaffen, Claudius Verlag, München, 2020) Sache der Einzelnen. Sie gehört ins Herz der Jesus- es nicht, dass immer mal wieder Dennoch hat spätestens Corona um die Erfahrung Gottes in den un- Gemeinschaft. Sie soll in unserem gemeinsamen Got- Stimmen laut wurden, die fragten: deutlich gemacht, dass wir uns auf durchschaubaren Prozessen der digi- tesdienst aufleuchten. Wo ist Kirche, jetzt, in der Pandemie? Dauer nicht aus dem digitalen Raum talen Welt zu interpretieren.“ (Pasto- Wie auch. Genau das, was uns aus- zurückziehen können, wollen wir raltheologie 107. Jg., S. 187 – 211, 2018). Predigt bei der Ökume- macht, können wir nur unter stren- Menschen dort erreichen, wo sie Der digitale Raum als Spielfeld nischen Mahlfeier der gen Auflagen weiterführen. Und nach kirchlichen Sinnangeboten für neue Formen von Begegnung und Initiative der Kirche von trotzdem geschieht so viel, das meiste suchen. Kommunikation, getragen von dem unten (IKvu) auf dem im Verborgenen. Gerade im Bereich Dass der digitale Raum nicht Vertrauen, dass der Heilige Geist Katholikentag 2000 in der Seelsorge. erst seit Corona für viele Menschen sowieso wirkt, wo er will? Wieso das Hamburg (Auszug aus der Gemeinschaft leben, dazu sind der entscheidende Ort ist, in dem sie nicht einfach einmal ausprobieren? Publikation der IKvu) wir Christ*innen aufgefordert. Hin- nach Seelsorge, Trost oder Anspra- Schließlich geht es um nichts Gerin- eingestellt in die Gemeinschaft der che suchen, ist nicht neu. Also sind geres als die Geschichte Gottes mit Glaubenden von dem, der Zentrum wir dazu aufgefordert, uns zualler- uns Menschen, die in allen Lebens- und Kern ist: Jesus Christus. In aller erst zum digitalen Raum zu verhal- räumen der jeweiligen Zeit Gestalt Verschiedenheit geeint in dem Glau- ten. Billigen wir ihm zu, dass sich gewinnen will. ben daran, dass die Botschaft von dort tatsächlich Gemeinschaft er- Dafür ist jetzt in der Zeit der Pan- Foto: C. Wenn (1) Kreuz und Auferstehung uns mitein- eignet? Welche Qualität hat für uns demie vielfältig Bedarf und Glaube ander über alle kulturellen, regiona- eine digitale Begegnung? wird in vielfältigen Bezügen prakti- len und ethnischen Grenzen hinweg Bereits 2014 wurde von der EKD- ziert. Besonders brisant wird es aller- Fortsetzung verbindet. Synode folgendes zum Thema Digi- dings, wenn es um unsere intimste Seite 10 88 weltbewegt weltbewegt weltbewegt 9
Schwerpunkt und heiligste Form der christlichen eben keine Wandlung der Substanz digitalen Abendmahlsfeier wirklich Christus exempel fur tregt.“ (Mar- den, in denen weder Weizen für das sondern im Pazifik geboren worden. Gemeinschaft geht, das Abendmahl. gibt, kann es nicht daran liegen, in theologisch verantwortlich han- tin Luther: Wider die himmlischen Brot noch Trauben für den Wein Und kommt zu dem Schluss, dass es in welcher Nähe beziehungsweise Dis- deln, kann ein Zitat Martin Luthers Propheten, von den Bildern und wachsen? Dies ist im Kern natürlich dem Fall nicht Brot und Wein, son- Digitale Abendmahlsfeiern tanz Brot und Wein sich zum Altar deutlich entlasten. 1525 gab es Sakrament. WA 18) eine Frage nach der Inkulturation des dern Kokosnussfleisch und Kokos- einfach einmal ausprobieren befinden, damit Christus gegenwär- divergente Diskussionen, wie genau Digitale Gemeinschaft und so- Christentums in andere kulturelle und nusswasser geworden wäre. Und so tig ist. Entscheidend ist die Gemein- das Abendmahl nun zu feiern sei, gar eine digitale Abendmahlsfeier geographische Kontexte. In Uganda gibt es viele andere Beispiele für kon- Es ist hier nicht der Ort, die Abend- schaft beim Abendmahl, die digital also mit welchem Brot und welchem einmal auszuprobieren, ist somit wird beispielsweise Bananensaft statt textualisierte Abendmahlsfeiern, de- mahlsdiskussion theologisch in Gän- um den Tisch des Herrn versammel- Wein. Ironisch schlug er vor, das die allemal bessere Wahl als es von Wein ausgeteilt, in Burundi ist es Jo- nen wohl niemand von uns ernsthaft ze zu entfalten. Ein Blick in Luthers te Gemeinde!“ Dennoch bleiben Fra- Abendmahl ganz bleiben zu lassen, Anfang an zu lassen, weil zu viele hannisbeerschorle und im Sudan steht ihre theologische Tiefe absprechen Fotos: ZMÖ-Bildarchiv (1), epd-Bild (1) Kleinen Katechismus ist aber schnell gen offen: Entspricht eine Feier zu bis man alle Sachfragen geklärt Unsicherheiten aufscheinen. die Maniokwurzel für den Leib Chris- würde. getan und zudem aufschlussreich. Hause der angemessenen Würde hätte: „Item wey wyr nicht wissen ti. Im Pazifik spielt die Kokosnuss eine Diesem Denken der kontextuellen Die zentralen Funktionen des Abend- einer Abendmahlsfeier? Was, wenn und der Text nicht gibt, ob es rot Bananensaft statt Wein, zentrale Rolle und hat 1985 zu der Ent- Theologien folgend, könnten auch di- mahls sind für ihn die Vergebung der unterschiedliches Brot oder gar odder blanck weyn gewesen, ob es Maniok statt Weizenbrot wicklung einer interessanten kontex- gitale Gemeinde- und Abendmahls- Sünden und die Stärkung im Glau- unterschiedliche Getränke verwen- semlen odder gersten brot gewesen tuellen Theologie durch den Theolo- formen für die Menschen im 21. Jahr- ben. Unabdingbarer Bestandteil da- det werden? Können die Gaben noch sey, Werden wyr ynn dem zweyffel Ebenso hilfreich ist ein Blick in die gen Sione Amanaki Havea von der hundert relevant und sogar nötig wer- für: Das tatsächlich leibliche Essen als Gaben erlebt werden, wenn ich sie die weyl mussen das abentmal las- weltweite Ökumene. Natürlich trat Insel Tonga geführt. Havea fragte nach den. Für die weltweite ökumenische und Trinken und die Einsetzungs- mir selbst bereitstelle? Im Blick auf sen anstehen, bis wyrs gewis wer- und tritt immer wieder die Frage auf: den Lebensmitteln, mit denen Jesus Gemeinschaft könnten sich durch Di- worte. Beides muss untrennbar zu- all die berechtigten Zweifel und den, da wir ia kein eusserlich ding Wie, oder besser womit, kann das wohl seine Botschaft veranschaulicht gitalisierung unserer Lebenswelt ganz sammengehören und sich in Gleich- Unsicherheiten, ob wir bei einer umb eyn har anders machen denn Abendmahl in Ländern gefeiert wer- hätte, wäre er nicht im Nahen Osten, neue Beziehungsstrukturen entwi- zeitigkeit ereignen. Denn nur durch ckeln, die durch sporadische Besuchs- das Wort wird das Stück Brot zum kontakte durch offizielle kirchliche Leib, nur durch das Wort wird der Delegationen überhaupt nicht abge- Schluck Wein zum Blut Christi. Das bildet werden können. Insbesondere Wort und die Einsetzung zeitlich von- die jüngeren Generationen könnten einander zu trennen, würde zu einem hier neue Wege für die Partner- Erinnerungsmahl führen, das aus schaftsarbeit finden, die das wertvolle Sicht der reformierten Kirche sicher- Gut unserer langjährigen internatio- lich möglich, für uns als Lutheraner*- nalen Beziehungen bewahren und in innen aber unserem Abendmahlsver- neuer Weise weiter entwickeln kön- ständnis genuin nicht entspricht. nen. Relevant für unsere Fragestel- Ich persönlich sehe den digitalen lung ist genau dieses lutherische Er- Raum nicht als Allheilmittel. Die fordernis der Gleichzeitigkeit. Denn wirkliche, analoge Begegnung ist noch bei Abendmahlsfeiern im digitalen immer erstrebenswert, denn der Raum, zum Beispiel in Form von christliche Glaube ist ohne die ihr Videokonferenzen oder bei der Teil- innewohnende Leiblichkeit nicht denk- nahme an Live-Streams von Gottes- „Der digitale bar. Gott wurde Mensch, um uns nah diensten, ist genau diese gegeben und Raum ist kein zu sein. Ein Segen ohne Berührung, ein somit theologisch durchaus zu recht- Allheilmittel . . ., Abendmahl ohne geteilten Kelch – das fertigen. Auch die räumliche Distanz dennoch haben ist auf Dauer schmerzhaft und die phy- Nora Steen sei kein Problem, so Ralf-Peter Rei- wir die Aufgabe sische Nähe dauerhaft nicht ersetzbar. ist theologische mann, Internetbeauftragter der in unserer Zeit Dennoch haben wir den Auftrag, je in Leiterin des Evangelischen Kirche im Rheinland: Wege und unserer Zeit Wege und Formen zu Christian Jensen „Wenn der omnipräsente Christus Formen zu suchen, Menschen mit der Botschaft Kollegs der selbst zum Abendmahl einlädt, kann suchen, Jesu zu erreichen. Wie gut, dass sich so Evangelisch-Luthe- seine Gegenwart nicht auf eine Menschen mit viele kreativ auf den Weg machen, auch rischen Kirche in bestimmte räumliche Reichweite um der Botschaft im digitalen Raum. Wir dürfen ge- Norddeutschland den Altar beschränkt sein. Da es Jesu zu spannt sein, was sich in Zukunft daraus in Breklum. nach protestantischem Verständnis erreichen.“ noch weiter entwickeln wird! 10 weltbewegt weltbewegt 11
Schwerpunkt Das gemeinsame Essen reißt Grenzen nieder Als 2015 Geflüchtete aus Syrien nach Rostock kamen, schwand das anfängliche Fremd- heitsgefühl mit der ersten Mahlzeit. Das zeigt, wie zentral das Essen an einem Tisch für die Begegnung ist. Das Thema Essen sollte in der Kirche viel mehr Beachtung finden, vor allem in der weltweiten Ökumene. Tilman Jeremias Empfang der syrischen Geflüchteten E s ist Freitagabend gegen halb zehn im September 2015. Das Telefon klingelt, „Rostock hilft“ meldet sich. Etwa 35 Geflüchtete seien an diesem Abend noch ein Mitternachtsmahl, das nicht eben in den zeitlichen Rhythmus der Pfarrfamilie mit Schulkindern passt, aber köstlich schmeckt, die Gespräche vertieft und uns mit 2015 in Rostock. Damals half ohne Unterkunft – das Pfarrhaus die letzte Möglichkeit, den dramatischen Fluchtgeschichten unserer Gäste ver- das Begrü- es ginge nur um wenige Nächte. Die Stadt sei völlig über- traut macht. ßungsmahl, fordert: Hunderte Geflüchtete kämen jeden Tag an, um Das gemeinsame Essen reißt die Grenzen nieder, die „das erste Eis mit der Fähre weiter nach Schweden zu fahren. Ob wir wir zwischen uns gespürt haben. Als Gastgeber sind wir zu brechen“, so nicht helfen könnten? Schon zehn Minuten später stehen in der ersten Nacht die Beschenkten. Wir können nun die Erfahrung die ersten jungen Leute vor der Tür und schleppen Feld- viel eher nachempfinden, welche Einschränkung es für des Autors. betten in die eilig leergeräumten Gemeinderäume. Wenig viele Geflüchtete bedeutet, in ihren Einrichtungen nicht später kommen die Geflüchteten an, verunsichert, zöger- selbst kochen zu können. Zusammen zu essen zeigt, dass lich. Zeitgleich bevölkern auch mehrere Freiwillige die wir im basalen Bedürfnis der Nahrungsaufnahme als Seelischer Hunger wird eher gestillt, wenn Gemeindeküche, rühren kurz darauf in großen Töpfen, Menschen gleich sind, unabhängig von kulturellen oder auch der leibliche im Blick ist als hätten sie sich wochenlang auf diesen Abend vorberei- religiösen Unterschieden. Von hier aus ist es nicht weit zu Jesus. Er verwandelte tet. Und darum ist es richtig, in der Ökumene viel über Man sollte die Bibel nicht hungrig lesen. Denn in der Menschen durch gemeinsames Essen. Geradezu autoritär Natürlich sind da die Sprachbarrieren. Natürlich passt das Essen nachzudenken und zu sprechen. Als Gastge- Schrift wird viel getafelt. Idealtypisch dafür steht Abra- klingt seine Selbsteinladung Zachäus gegenüber: „Ich muss die junge Familie nicht in den großen Kreis der syrischen bende hilft uns das sorgfältig vorbereitete Begrüßungs- ham, der die sprichwörtliche orientalische Gastfreund- heute in deinem Haus einkehren.“ (Lukas 19,5) Wider- jungen Männer und wir sind froh, dass sie am Tag drauf mahl, das erste Eis zu brechen. Als Gäste mögen uns schaft lebt, als drei unbekannte Männer vor seinem Zelt spruch zwecklos. Ausgerechnet der betrügerische Kollabo- eine neue Bleibe findet. Natürlich ist es nichts für uns All- Europäer in Tansania die langen, eher formalen Begrü- auftauchen, mitten in der Mittagshitze (Genesis 18). Sofort rateur ist Jesu Einkehradresse in Jericho, sehr zum Missfal- tägliches, dass die neuen Gäste im christlichen Gemeinde- ßungsrituale befremden; manchmal ist es mit hängen- erhalten sie das lebenswichtige Wasser, ihre Füße werden len der dortigen Schriftgelehrten. Zachäus ändert sein raum zunächst einmal ihr muslimisches Abendgebet ver- dem Magen durchaus eine Zumutung, noch eine Stun- gewaschen und ihnen wird ein Schattenplatz unter dem Leben radikal, ohne ein einziges Wort Jesu. Jesus kehrt bei richten möchten. Eher schon gewöhnlich, dass alle mög- de Andacht in der Kirche frommen Herzens mitzuverfol- Baum angeboten. Nachdem die elementaren Bedürfnisse ihm ein und isst mit ihm; das reicht zur Lebenswende des lichst schnell das WLAN-Passwort haben wollen. gen. Sicher ist es nicht leicht für uns zu ertragen, dass die der fremden Gäste erfüllt sind, verspricht Abraham einen Zachäus. Doch als das vorsichtige Abtasten, das große Chaos Frauen unser Mahl in stundenlanger Arbeit vorbereitet „Bissen Brot“, damit die Gäste ihre Herzen laben können. Jesus missachtet Reinheitsvorschriften, isst mit Huren an diesem Abend, das erste Fremdheitsgefühl verschwin- haben, am offenen Feuer, in einer Lehmhütte ohne Dieser Bissen erweist sich nicht nur als das frisch gebacke- und Leprakranken. Seine Tischgemeinschaften sind es, die den, als dampfend das Abendessen auf dem Tisch steht – Abzug. Noch schwerer erträglich, dass sie, während wir, ne Brot, sondern besteht im zubereiteten eilig geschlachte- Frustrierte erfreuen, Ausgegrenzte einbeziehen, seelisch eines der zahlreichen Wunder ehrenamtlichen Engage- Frauen und Männer aus der Mecklenburgischen Partner- ten Kalb, Milch und Butter. Übrigens bleibt Abraham wie und körperlich Versehrte heil machen. Damit sind sie ments in unserer Gemeinde. Am Tisch rücken wir zu- kirche, es uns mit den gastgebenden Männern schme- traditionelle Tansanierinnen ehrfürchtig stehen, während Vorwegnahmen des großen Festmahls Gottes in dessen sammen, was 2015 noch ohne jede Infektionsangst ging. cken lassen, stehend dabei zuschauen. Aber spätestens es sich die Gäste gut gehen lassen. Reich. Ja, das Festmahl ist auch in den Predigten Jesu be- Plötzlich sprechen doch einige Englisch. Die Gäste lassen wenn das Büffet aufgebaut ist, löst sich die Stimmung, wir Diese Gastfreundschaft lässt Abraham seinen Gästen vorzugtes Bild für dieses Reich. es sich dankbar schmecken. Und wir sind jetzt ebenso lachen und kommen einander näher. Und es ist nicht zuteilwerden, ohne zu ahnen, dass er soeben Besuch von Darum sollte das kirchengemeindliche Budget für Fotos: B. Wüstneck/dpa (1), C. Wenn (1) dankbar, an diesem und den folgenden Tagen Teil der überraschend, dass gerade die Nahrung selbst, die Früch- Gott selbst erhalten hat und dies zudem mit der unfassba- Essen und Trinken nicht zu klein sein. Der Gottesdienst großen Willkommenskultur dieses besonderen Herbstes te des Landes oder die Zubereitung des gerade genosse- ren Botschaft, dass er und seine Frau Sara nun doch noch wird rund, wenn er wie im ersten Christentum im gemein- sein zu können. nen Mahles, willkommene niedrigschwellige Einstiegs- Eltern werden sollen und Gottes Verheißung vom großen samen Mahl mündet. Die kirchlichen Flüchtlingscafés sind Tilman Jeremias themen in ein Gespräch darstellen. Das gemeinsame Volk wahr werden kann. Ohne es zu wissen, hat Abraham gelebte Nächstenliebe. Seelischer Hunger wird leichter ist Bischof im Zusammen essen zeigt, dass wir in unseren Essen ist nicht etwa nur lästige Pflicht beim Partnertref- Engel beherbergt (Hebräer 13,2). Solche Gastfreundschaft gestillt, wenn auch der leibliche im Blick ist. Als Mensch, Sprengel Mecklen- Bedürfnissen gleich sind fen, Hilfe, um zum vermeintlich Eigentlichen zu kom- kann erleben, wer in der Ökumene unterwegs ist, nicht nur der selbst sehr gern isst, gefällt mir der Kirchengemeinde- burg und Pommern men, den Gesprächen oder Gottesdiensten. Nein, es ist in arabischen Ländern. In Kasachstan haben wir gehört, ratsbeschluss meiner ehemaligen Rostocker Gemeinde: der Evangelisch- Wie schön, dass die Gäste sich schon am Tag darauf selbst wesentliches Element der Partnerschaft. Ist es doch dass Gäste im Haus puren Segen Gottes bedeuten. Sie Lasst uns mehr miteinander essen und dabei immer genü- Lutherischen revanchieren können, ihrerseits syrisch und afghanisch die Tischgemeinschaft, die ein zentrales Glaubenssymbol bekommen diesen Adel dadurch zu spüren, dass alles auf gend Plätze frei haben für Menschen, die sich einladen las- Kirche in Nord- kochen, wenn auch so manche Zutat fehlt. Wieder ist es darstellt. den Tisch kommt, was das Haus zu bieten hat. sen, woher auch immer sie kommen. deutschland. 12 weltbewegt weltbewegt 13
„Um den Gast zu ehren, bietet man ihm in unserer Schwerpunkt Tradition Essen an“. Zum Foto: In Nigeria gehören Egusi-Suppe und Eba zu den beliebten Gerichten. „Man erzählt sich eher, wo der Schuh anzunehmen, auch wenn man dann nur eine Kleinigkeit isst. Der Gast ist in unserer Tradition heilig. Dazu ge- hört, dass man ihm Essen anbietet, um ihn zu ehren. wirklich drückt“ Wegen der Corona-Pandemie ist zurzeit eine wirkliche Tischgemeinschaft mit mehreren Menschen nicht mög- Was ist das Geheimnis gelungener Tischgemeinschaften, welche Bedeutung lich. Wie gehen Sie damit um? haben sie für die Zusammenarbeit mit internationalen Gemeinden? Darüber Das fehlt natürlich sehr und es wäre schön, wenn wir uns bald wieder anders begegnen können. Bis dahin muss man spricht Pastor Prince Ossai Okeke mit Ulrike Plautz. kreativ werden. Zu Beginn des ersten Lockdowns hatten wir eine Veran- staltung. Das gemeinsame Treffen mit internationalen Gemeinden in Hamburg und Kiel hatten wir, Hauke Hat die Tischgemeinschaft im Rahmen Ihrer Arbeit eine daran, wie es dem anderen wirklich geht und was ihn Christiansen vom Kirchenamt, Pastorin Annette Reimers- besondere Bedeutung? Wenn ja, welche? bewegt. Wir sind schließlich nicht nur als Funktionsträger Avenarius, Ökumenebeauftragte in Hamburg und ich, Prince Ossai Okeke: Bei unseren Treffen spielt das ge- unterwegs, sondern begegnen uns vor allem erst einmal schon lange geplant. Wir wollten also unbedingt, dass meinsame Essen immer eine große Rolle. So rate ich als Menschen. dieses Treffen stattfindet, trotz der Situation. Und es sollte meinen deutschen Kolleginnen und Kollegen: Wenn ihr wie immer ein gemeinsames Essen geben. So haben wir für eine Veranstaltung mit internationalen Gemeinden plant, Für ein gelungenes Gespräch braucht es also diesen Tag bei einem afrikanischen Restaurant in Hamburg dann bitte das Essen nicht vergessen. Dabei geht es ja Zeit und eine bestimmte Form von sinnlicher das Essen bestellt und zu den Teilnehmenden bringen nicht in erster Linie darum satt zu werden. Es geht um Erfahrung, wie sie beim Essen entsteht ... lassen. Alle waren begeistert und wir konnten gemeinsam Fotos: Prince Ossai Okeke (1), Wikimedia (1), eine andere Qualität der Begegnung, die dann entsteht, Das sind die besten Voraussetzungen, damit sich ein essen, wenn auch nur am Bildschirm. Trotz der Distanz wenn man gemeinsam beim Essen am Tisch sitzt. Das ist ganzheitliches Gespräch entwickeln kann. war ein Verbundenheitsgefühl da. Jetzt, wo auch die mei- ja etwas ganz anderes, als wenn einer vorne steht und die sten Restaurants geschlossen haben, ist das leider so anderen hören zu. Das gemeinsame Essen fördert sofort Ist das gemeinsame Essen auch eine Form der Wert- nicht möglich. Wir müssen sehen, wie sich die Situation die Nähe zu den anderen, es entwickelt sich ein anderes schätzung dem Gast gegenüber? weiterentwickelt. Gemeinschaftsgefühl. Auf jeden Fall. Als meine Frau und ich in Nigeria waren, wurden wir bei unseren Besuchen jedes Mal zum Essen In diesen Corona-Zeiten wird deutlich, wie wichtig die Warum wirkt sich das gemeinsame Essen so sehr auf eingeladen. Das ist ganz normal. Meine Frau, die Deutsche gemeinsame Mahlzeit ist, oder? den Umgang miteinander aus? Was ist das Geheimnis? ist, war zum ersten Mal im Land und anfangs irritiert. Ja, das ist für uns wirklich zentral. Wenn man am Tisch zum Essen zusammenkommt, verlässt Natürlich hatte sie nicht bei jedem Besuch Hunger. man die rein formale Ebene und es kann sich etwas anderes Ich habe sie dann trotzdem gebeten, die Einladung Hat für Sie eine Tischgemeinschaft auch eine spi- Utopie sein, wo zu einem großen Gastmahl die entwickeln. Es gelingt besser, auch einmal locker zu sein, rituelle Bedeutung? Ausgestoßenen und Outsider eingeladen werden. die Gespräche kommen leichter in Gang und man geht Es gibt in der Bibel un- Nicht zu vergessen die Geschichte vom letzten Abend- offener miteinander um. Und: es wird mehr gelacht. Ein zählige Geschichten, in mahl. Am Tisch beim gemeinsamen Essen ist für wichtiger, nicht zu unterschätzender Faktor. Wenn wir der das gemeinsame Es- Jesus der Raum, das anzusprechen, was schwer ist, Prince Ossai Okeke so zusammensitzen, können wir auf ganz andere Weise sen eine zentrale Rolle was ihn bewegt und bedrückt. ist Pastor in Ham- über das reden, was gelungen ist oder über Probleme. spielt. Am Tisch ereignet burg und Referent Es entsteht eine Situation, in der man sich eher erzählt, sich in biblischen Er- „Tischgemeinschaften“ lautet das Motto für das Jahr der für die Zusam- wo denn der Schuh wirklich drückt. Vertrauen wächst, wo zählungen viel. Dabei be- Ökumene. Was wünschen Sie sich in dem Zusammenhang menarbeit der Menschen spüren, dass das Gegenüber ehrlich ist und gegnen sich zum Bei- für Ihre kirchliche Arbeit? Nordkirche mit einen respektiert. Ich erinnere mich an ein gemeinsames spiel Menschen, die Ich wünsche mir natürlich, dass es erst einmal irgendwann Internationalen Essen mit Pastorinnen und Pastoren. Bald brach das Eis sonst nicht zusammen- wieder möglich sein wird, mit vielen anderen Menschen Gemeinden im und einige erzählten, dass es manchmal Situationen gibt, kommen würden. Die zusammen zu essen und dass wir in der Kirche noch Rahmen Inter- in denen auch sie sich überfordert fühlen, wenn sie immer Tischgemeinschaft kann viele lebendige Tischgemeinschaften erleben werden. Ich kultureller Öff- ständig auf Probleme von anderen eingehen müssen. Sie ein Ort des Feierns wünsche mir vor allem, dass wir diese Essen mit den nung sowie Vor- trauten sich mit einem Mal ehrlich über eigene Schwächen sein. Sie kann ein Ort internationalen Gemeinden viel häufiger auch gemeinsam sitzender des und Verletzlichkeiten zu sprechen, mussten nicht stark der Versöhnung oder vorbereiten, dass sich mehr Akteure aus allen Bereichen African Christian sein und konnten sich dann auch gegenseitig unterstützen. der Vergebung sein, bei beteiligen. Es muss nicht immer alles perfekt sein, man Council Hamburg In solchen Momenten denke ich: Wow, wie schön, dass der zum Beispiel die kann ruhig mehr improvisieren. Aber egal wie es zustande e.V. (Dachverband das möglich ist. Das gehört für mich zu einer gelungenen Wiederkehr eines ver- kommt: die Tischgemeinschaft hat eine sehr verbindende Afrikanischer Tischgemeinschaft, dass Raum da ist, um aufeinander lorenen Sohnes gefei- Kraft, auch über Grenzen hinweg. In Nigeria würde man Das Gespräch Gemeinden in zu achten und wirklich zuzuhören. Dass man nicht nur ert wird. Sie kann sagen: Das gemeinsame Essen öffnet die Tür zum Herzen führte Ulrike Hamburg). Interesse daran hat, was das Gegenüber tut, sondern auch ein Ort sozialer der anderen. Plautz. 14 weltbewegt „Zu einer gelungenen Tischgemeinschaft gehört, weltbewegt 15 dass Raum da ist, um wirklich zuzuhören.“
Schwerpunkt Durch ein gemeinsames Mahl wachsen Beziehungen und Erinnerungen In einer anderen Erzäh- Zur Hochzeit, In Indien ist das Festessen das wichtigste Element einer lung ist Jesus bei Simon zu wie hier in Feier und stärkt die Gemeinschaft. Es kann aber auch Gast, bei einem, der als Araku Valley, Bei den Adivasi, der indigenen Bevöl- Pharisäer zur Opposition gehören vor Grenzen markieren, zum Beispiel die des Kastensystems. kerungsgruppe, mit der ich zusam- und damit zu seinen Haupt- allem unzählig Sie gilt es zu überwinden, nach dem Vorbild der Bibel. menarbeite, ist bei der Eheschließung kritikern gehört. Allen ste- viele Gäste, die Zeremonie zwar wichtig, aber hen die Haare zu Berge. manchmal sind John Oommen noch wichtiger ist das große Fest- Essenseinladungen können es tausend, mahl, bei der das ganze Dorf zum ja auch geschickt gelegte manchmal W enn ich über das Thema Tisch- gemeinschaften nachdenke, tau- chen aus den Nischen meiner Er- Männer zuerst, während die Frauen dienten. Diese Norm hatten meine Eltern sofort geändert. Das nahmen Gastgeber wird. Dann gibt es unter Bäumen, aufgestapelt auf Bambus- rahmen, riesige Berge von dampfen- Fallen sein … . Dann taucht auch noch eine Frau auf, die als „Sünderin“ bezeich- doppelt so viele. innerung die verschiedensten Bilder wir als Kinder ganz selbstverständ- dem heißem Reis, dazu duftende net wird, und betritt diesen von auf. Einige möchte ich beschreiben. lich hin ohne uns bewusst zu sein, Linsen und Fleischcurry. Aus allen Die Tischgemeinschaft zeigt, leeren Magen zu füllen. Es ist auch Männern dominierten, scheinheili- Ein Abendessen in meiner Kind- dass wir diese gemeinsamen Mahl- Richtungen kommen Menschen in dass wir zusammen gehören eine öffentliche Erklärung, die zeigt, gen Raum. Sie tut das Undenkbare. heit: Ich bin als viertes von fünf Kin- zeiten der Initiative meiner Eltern zu ihrer bunten Festtagskleidung die dass wir eins sind, dass wir zusam- Indem sie Jesus die Füße mit ihren dern aufgewachsen. Mein Vater war verdanken hatten und sie damit gewundenen Bergpfade hinunter ins Die Wirkung von Tischgemeinschaf- men gehören, dass wir uns gegensei- Tränen wäscht, stellt sie alle Moral- Pastor und meine Mutter Lehrerin, Gleichberechtigung vorgelebt hatten. Dorf, um gemeinsam zu feiern. Wäh- ten: Gemeinsame Mahlzeiten können tig so akzeptieren wie wir sind, auch vorstellungen auf den Kopf und än- die nach der Geburt der Kinder Und noch etwas hatte sich mir einge- rend alle unter Bäumen im Gras auch das Gegenteil von gemein- und gerade in unserer Verschieden- dert das sorgfältig ausgefeilte Selbst- beschlossen hatte, ihre Karriere auf- prägt: Im Hintergrund des Esszim- hocken, um das köstliche Essen zu schaftsbildend sein und Grenzen zie- heit. verständnis des Gastgebers. zugeben, um für uns da zu sein. Ich mers sehe ich noch die grüne Pappta- genießen, hört man hundertfach Ge- hen. Allein dadurch, dass man ent- Diese Bedeutung eines gemein- Jesus sitzt bei einer Mahlzeit im sehe uns als Familie am Tisch beim fel an der Wand auf der steht: „Chris- sprächsfetzen, ausgelassene Men- scheidet, wer kommen darf und wer samen Mahles ist natürlich auch Poli- vertrauten Kreis seiner Jünger. Er gemeinsamen Abendessen. Uns war tus ist das Haupt dieses Hauses; ein schen, die miteinander reden und nicht. Was es bedeutet vom Tisch ver- tikern bewusst. So lassen sich einige weiß, dass seine Zeit abgelaufen ist. Von den damals gar nicht bewusst, dass das in unsichtbarer Gast bei jeder Mahlzeit. lachen. Ein Fest des Lebens. scheucht zu werden, erfahren zum vor Wahlen publikumswirksam bei Dann steht er auf, kniet vor jedem gemeinsamen der Kindheit meiner Eltern unmög- Der stille Zuhörer jedes Gesprächs“. Die Feiern in der Gemeinde: An- Beispiel obdachlose Kinder, wenn sie einem Essen mit Dalits (die innerhalb seiner Jünger und wäscht ihnen die Essen zehrt die lich gewesen wäre. Denn in ihren Das fasst die Erinnerung noch besser lässe für gemeinsame Feiern gibt es vor einem Stadtrestaurant betteln des indischen Kastensystems zu den Füße. Völlig inakzeptabel und bei- Gemeinschaft Elternhäusern galten noch ganz zusammen als die langsam verblas- immer wieder. Als 2010 eine Schule und von den Eigentümern verjagt Unberührbaren gehören, d. Red.) ab- spiellos. Der Guru wäscht nicht die noch lange andere Regeln: Damals aßen die senden Bilder. für die indigene Bevölkerung einge- werden oder Dorfkinder, die wegge- lichten. Nach den Wahlen bleibt für Füße seiner Shishyas. Aber Jesus tut Hochzeitsessen auf demLand: weiht werden sollte, die von Bewoh- schickt werden, wenn Stadtbewohner sie dann aber alles wieder beim Alten es. Er wäscht die Füße von Johannes Zur Hochzeit gehören vor nern aus den umliegenden 16 Berg- im Wald picknicken und glauben, und sie essen nur noch mit Ihresglei- und Petrus und von Judas! Und weist allem unzählig viele Gäste. dörfern betrieben wurde, lud die dieser Raum gehöre nun ihnen. chen. ihnen damit den Weg. Zugleich liegt Manchmal sind es tausend, Gemeinde zu einer großen Feier ein. Es gibt noch ein trennendes Ele- Gemeinsame Mahlzeiten können schmerzhafter Verrat in der Luft. manchmal sogar das Doppel- Natürlich mit einem gemeinsamen ment. Die Ursachen dafür liegen Grenzen überwinden: Es gibt aber Denn einer, der mit am Tisch sitzt, te. Je mehr, desto besser. Ein Festessen! Jede Familie steuerte dazu nicht in der Ausgrenzung der Armen, vor allem unzählige Beispiele, wo das hat sich gegen ihn erhoben. Und Statussymbol für die Reichen ein Maß Reis und zwanzig Rupien sondern in unsrer Kultur. In unserer gemeinsame Mahl Ausdruck einer doch wäscht er auch diesem den Fuß. und die Mittelschicht. Man- bei. Ich war für die Beschaffung der Tradition hängt viel davon ab, wer wirklichen Gemeinschaft ist und sie Dann nimmt Jesus Brot und Wein, Fotos: J. Ostermann-Ohno (1), B. R. Prasanna (1), C. Wenn (1) che Haushalte müssen ihre Fleischzulage zuständig. Es kamen das Essen gekocht hat. Denn die obe- stärkt. Hier ist der Ort, wo Menschen das gewöhnliche Essen, das auf dem Dr. John ganzen Ersparnisse dafürver- 2 200 Menschen. Wir haben zusam- ren Kasten essen keine Lebensmittel, zusammen kommen, die sich vorher Tisch steht, und macht es zu einem Oommen ist Arzt, wenden, um alle Gäste ver- men getanzt, Lieder gesungen, Reden die von einer Person der unteren nie gekannt haben, sich fremd oder ewigen Symbol, für uns. Indem er stellvertretender köstigen zu können. Aber die gehalten … . Dann setzte man sich, Kaste gekocht oder sogar nur berührt sogar feindlich gesinnt waren. Das uns einlädt, das Brot zu brechen und Leiter des Gemeinschaft zehrt davon. um zu essen. 2 200 Gäste! Zuerst wurde. Wenn man also will, dass die habe ich in meinem Leben sehr oft den Wein für diejenigen zu vergie- christlichen Ehen und Beerdigungen sind aßen die Frauen und Kinder, dann höheren Klassen zum Essen kom- erfahren dürfen. Dazu kommen mir ßen, die Schmerzen haben, die zu Krankenhauses in oft die einzigen Gelegenhei- kamen die Männer an die Reihe. men, braucht man einen Brahmanen- natürlich auch Geschichten aus der den Verletzten und Verlorenen gehö- Bissamcuttack / ten, bei denen alle zusam- Immer wieder ging der Reis aus. Koch, der es zubereitet. In den Bibel in den Sinn. ren. Das zeigt: Es sind die kleinen, Odisha. Zudem menkommen. In der kleinen Aber niemand hatte Angst leer aus- Gemeinde-Programmen, die wir aus- Zum Beispiel die Hochzeit von die gewöhnlichen Dinge, die eine viel engagiert er sich Stadt, in der wir leben, ist es zugehen. Denn auf den Holzfeuern führen, wissen wir natürlich auch Kanaa. Der Wein ist ausgegangen. tiefere und größere Bedeutung ha- als Leiter der ein Affront oder eine Belei- wurde immer wieder Reis nachge- von dieser Regel. Aber wir lehnen sie Jesus übernimmt häusliche Verant- ben, als wir manchmal glauben. Das Abteilung für digung für die Familie, wenn kocht, solange, bis alle satt waren. ab und sagen dann: „Wer das Essen wortung und tut etwas, was im Ver- sollte uns immer bewusst sein. In Gesundheitsver- man eine Hochzeitseinladung Aus Wasser wurde zwar kein Wein, nicht in der Form respektiert, wie wir gleich zu seiner sonstigen Mission einer Tischgemeinschaft teilen wir sorgung für annimmt, aber nicht zum aber aus der gemeinsamen Reismahl- es zubereiten, der muss eben wegblei- eher trivial erscheint, aber gerade nicht nur Reis, Fleisch oder Brot, Dorfentwick- Essen erscheint. Selbst wenn zeit wuchsen Beziehungen – und ben.“ Wenn wir gemeinsam essen, hilft, eine Familienkrise zu lösen. sondern auch uns selbst. lungsprogramme man nur einer unter 2 000 ist. wertvolle Erinnerungen. dann geht es ja nicht nur darum, den Und Wasser wird zu Wein. Übersetzung: Ulrike Plautz in der Region. 16 weltbewegt weltbewegt weltbewegt 17 17
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