Wilde Wälder magazin - Robin Wood

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Wilde Wälder magazin - Robin Wood
Leben heißt handeln         3.50 € · ISSN 1437-7543 · Nr. 153/2.2022

                                                  magazin

                       Wilde Wälder
                        schützen

Tropenwald:
Endlich auf die
Lieferkette

Energie:
Ofen aus!
                       Russland muss den Krieg in
                       der Ukraine sofort beenden!
Wilde Wälder magazin - Robin Wood
inhalt

                                                                      tatorte

                                                                     6 Stoppt den Krieg in der Ukraine
                                                                     7 Berlin: Rollback für die Energiewende verhindern

                                                     Seite 6
    Foto: ROBIN WOOD/Moritz Heck

                                                                    Seite 8

                                                     tatorte

        Berlin: Für den Schutz der Wälder – auf ins Stadion    8
       Brüssel: Waldzerstörung in den Karpaten stoppen!        8
               St. Andreasberg: Wälder statt Holzfabriken       9
             Berlin: Mehr Fortschritt wagen ist gescheitert   10
              Wels: Stoppt das Verbrennen von Waldholz!       10
                Hamburg: Keine fossilen Scheinlösungen!        11
                              Köln/Bonn: Züge statt Flüge      11

                                                                    Foto: Nina Neuscheler/ROBIN WOOD

                                                    Seite 12

                                                                     wald

                                                                     12 40 Jahre und keine Spur von Midlifecrisis: ROBIN WOOD
                                                                        bleibt aktiv für den Wald!

    Foto: ROBIN WOOD/Moritz Heck

4            Nr. 153/2.22
Wilde Wälder magazin - Robin Wood
inhalt

                                                                     wald

                                                                     14   Europas letzten Urwäldern droht die Kettensäge
                                                                     16   Kein Handel mit russischem Holz
                                                                     19   Weiter auf dem Holzweg
                                                                     21   Neuer Bericht: Future on Fire

                                                                     tropenwald

                                                                     22 „Entwaldungsfreie Lieferketten“ – es geht um mehr
                                                                        als um den Wald

                                                      Seite 16
Foto: iStock/Natalya Bosyak

                                                                     Seite 34

                                                      energie

                                                   Ofen aus!   26
                                 Stromspeicher selbst bauen    28
                        Energiespartipps: Heizkosten senken    29
            Lützerath: Oberverwaltungsgericht entscheidet –    31
                                             RWE enteignet
                             Interview: Neues aus Pödelwitz    32
              Energiecharta-Vertrag: Bodyguard der Fossilen    34

                                                                    Foto: Uwe Hiksch

Foto: Mirko Boll/ROBIN WOOD

                                                     Heftmitte

                                                                     internes
                                                                     37 Spenden statt Geschenke
                                                                     37 Impressum
                                                                     38 Clara Tempel unterstützt ab April 2022 die Aktiven

                                                                     Heftmitte: ROBIN WOOD-Jahresbericht 2021

                                                                                                           Nr. 153/2.22   aa   5
Wilde Wälder magazin - Robin Wood
tatorte

                   40
                   Jahre:

                   Wald
                    ist
                   Leben

                       Foto: Olav Kirst

2   Nr. 153/2.22
Wilde Wälder magazin - Robin Wood
editorial

Die Redaktion engagiert sich seit vielen Jahren für den Schutz der Wälder

Liebe Leserinnen und Leser!
wir lieben den Wald – seit 40 Jahren. Im November 2022              der Ukraine zutiefst erschüttert. Putin muss diesen Angriff
feiert ROBIN WOOD Geburtstag und der Schutz der Wälder              sofort stoppen und zur Verantwortung gezogen werden!
ist heute noch genauso aktuell wie bei der Gründung des             Aber es kann nicht sein, dass der Krieg Russlands gegen die
Vereins. Die Aktivist*innen der ersten Stunde besetzten             Ukraine, die Bundesregierung und die Energiewirtschaft
die großen Schlote der bundesdeutschen Kraftwerke. Ihre             dazu verleitet wieder auf Kohle- und Atomenergie zu setzen,
ungefilterten Abgase versauerten die deutschen Wälder und           in Terminals für fossiles Flüssiggas (LNG) zu investieren
sogar schwedische Seen. Der engagierte Einsatz von ROBIN            und das Verfeuern von Holz auszuweiten. ROBIN WOOD
WOOD hatte Erfolg: In die Kamine der Dreckschleudern                wird sich gegen diese energiepolitische Rolle rückwärts
wurden Filteranlagen eingebaut. Aber das Waldsterben und            engagieren, denn fossile Energien finanzieren und treiben
damit unser Kampf für die Wälder ging weiter. Denn längst           Kriege, menschliches Leid und Unterdrückung weltweit. Wir
setzten den Wäldern vor allem die Stickstoffemissionen zu:          fordern, dass zum Schutz von Klima, Artenvielfalt und Ver-
Vor der Industrie liegen bei diesen Emissionen der Straßen-         sorgungssicherheit die Energiewende noch zügiger vorange-
verkehr und an die Spitze die konventionelle Massentierhal-         trieben werden muss.
tung. Der Klimawandel und seine Extremwetterereignisse
machen den Wäldern heute mehr denn je zu schaffen. Und die          Für das Bekämpfen der Klimakrise und des weltweiten
konventionelle, intensive Forstwirtschaft verschlimmert die         Artensterbens ist dieses Jahrzehnt das Entscheidende. Diese
Lage. Lesen Sie mehr dazu auf Seite 12 und 13.                      Krisen bedrohen das Leben auf unserem Planeten. Schon
                                                                    jetzt kostet der Klimawandel unzählige Menschen das Leben,
Seit 40 Jahren setzt sich ROBIN WOOD dafür ein, aus den             zerstört Lebensgrundlagen, ist Fluchtursache und steigert
fossilen Energieträgern auszusteigen. Wir müssen Energie            die Gefahr von Kriegen. Deshalb gibt es zu einer Energie-
sparsam einsetzen, wir müssen Energie dezentral erzeugen            wende und zum Schutz der Artenvielfalt und unserer Wälder
und wir müssen auf 100 Prozent Erneuerbare Energien                 keine Alternative.
umsteigen. Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat uns
überdeutlich vor Augen geführt, wie fatal unsere Abhän-             Bleiben Sie zuversichtlich und aktiv!
gigkeit von schmutzigen, fossilen Energien wie Kohle und            Alles Gute wünscht Ihnen für die Magazin-Redaktion
Gas ist. Wir sind vom unermesslichen Leid der Menschen in           mit herzlichen Grüßen Ihre Christiane Weitzel

                                                                                                            Nr. 153/2.22          3
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tatorte

                                                                                                      Fotos: ROBIN WOOD/Moritz Heck

    Der russische Präsident Wladimir Putin muss diesen völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine sofort stoppen und
    sein Militär abziehen!

    Stoppt den Krieg in der Ukraine!
    24.Februar 2022: ROBIN WOOD verurteilt den völkerrechts-          verschaffen, rief ROBIN WOOD mit zur Kundgebung „Stoppt
    widrigen Angriff auf die Ukraine. Der russische Präsident         den Krieg – Frieden für die Ukraine und ganz Europa“ am 3.
    Wladimir Putin muss diesen Angriff sofort stoppen und sein        März in Berlin auf.
    Militär aus dem Land abziehen. Die Bundesregierung muss           „Mit Bestürzung haben wir am 24. Februar früh die Nach-
    gemeinsam mit den Regierungen der anderen EU-Staaten              richten gehört: In Europa herrscht Krieg! Putins Angriff auf
    entschlossen nach einer Konfliktlösung suchen, den Men-           die Ukraine ist beispiellos und durch nichts zu rechtfertigen.
    schen in der Ukraine humanitäre Hilfe anbieten und Flüch-         Der Einmarsch ist ein Bruch mit dem Völkerrecht und ein
    tende aufnehmen. Um diesen Forderungen mehr Geltung zu            Angriff auf die Menschenrechte“, sagte Jonathan Schultz,
                                                                      ROBIN WOOD-Vorstandssprecher. „Putin muss den Ab-
                                                                      zug russischer Truppen unverzüglich vornehmen und an
                                                                      den Verhandlungstisch zurückkehren. Waffen lösen keine
                                                                      Krisen, Panzer bringen keinen Frieden, Militarisierung und
                                                                      Aufrüstung sind kein Ausweg – für Niemanden.“

                                                                      ROBIN WOOD forderte, dass alles getan wird, um eine dip-
                                                                      lomatische Lösung zu erreichen und den Weg des Friedens
                                                                      zu gehen. „Es geht nicht um das Militär, die Nato und die EU
                                                                      – es geht um Menschen. Es sind Menschen, die jetzt verletzt
                                                                      werden. Menschen, die sterben. Menschen, denen Angehö-
                                                                      rige und Freund*innen genommen werden, in Luhansk und
                                                                      Donezk und in der ganzen Ukraine“, so Schultz. „Wir stellen
                                                                      uns an die Seite der Menschen in der Ukraine und reihen
                                                                      uns ein in die Anti-Kriegs-Bewegung in Deutschland, in der
                                                                      Ukraine, in Russland und weltweit.“

                                                                      ROBIN WOOD setzt sich für gewaltfreie Konfliktlösungen
                                                                      ein. Unser Einsatz für Umwelt- und Klimagerechtigkeit ist
                                                                      immer auch ein Einsatz für den Frieden.

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Wilde Wälder magazin - Robin Wood
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Rollback für die Energiewende verhindern
Berlin, 3. März 2022: Zur Kundgebung „Stoppt den Krieg –
Frieden für die Ukraine und ganz Europa“ in Berlin warnte
ROBIN WOOD die Bundesregierung und die Energiewirt-
schaft davor, auf Kohle- und Atomenergie zu setzen, in
Terminals für fossiles Flüssiggas (LNG) zu investieren und
das Verfeuern von Holz auszuweiten. Dies wären unverant-
wortliche Rückschritte für die Energiewende in Deutschland.
Aus Sicht von ROBIN WOOD ist es vielmehr notwendig, die
Abhängigkeit von allen fossilen Energieträgern zügig zu be-
enden und sämtliche Atomanlagen sofort stillzulegen. Auch
aus sicherheitspolitischen Gründen ist nun die Beschleuni-
gung einer kohlenstofffreien, klimafreundlichen Energie-
wende dringend geboten.
„Der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine bringt
unglaubliches Leid, Tod und Zerstörung. Es ist richtig, in
dieser Situation die energiewirtschaftlichen Beziehungen
zu Russland zu kappen. Aber es wäre fatal, sich jetzt an die
alte Energieindustrie zu klammern, die mit ihrer Kohle- und
Atompolitik jahrzehntelang die Energiewende ausgebremst
hat“, sagte Ronja Heise, ROBIN WOOD-Energiereferentin.

Seit dem Angriff des russischen Militärs auf die Ukraine
überschlagen sich die Ereignisse – mit weitreichenden Fol-
gen auch für die Energiepolitik in Deutschland:
                                                                   Verbrennungstechnologie zur nächsten zu wechseln, die
•    Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte in seiner Regie-           ebenso viel oder mehr Kohlendioxid pro Energieeinheit
    rungserklärung Ende Februar den Bau zweier LNG-Ter-            verursacht, beschleunigt zugleich zwei tödliche Krisen:
    minals in Deutschland an. Aufgrund von Bauzeiten und           die Klimakatastrophe und das Artensterben.
    dem begrenzten Angebot von LNG ist diese Maßnahme
    jedoch ungeeignet, Energie-Engpässe zu verhindern.         Fossile Energien finanzieren und treiben Kriege, mensch-
    Für den Klimaschutz wäre die Entscheidung desaströs.       liches Leid und Unterdrückung weltweit. Die Klimakrise
                                                               kostet Leben und Gesundheit unzähliger Menschen, das hat
•   Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärte, im       der jüngste IPCC-Report äußerst deutlich gemacht. Es ist kei-
    Notfall Kohlekraftwerke länger laufen lassen zu wollen.    ne Lösung, fossiles Gas aus Russland durch Gas oder Kohle
    Ähnliche Stimmen kamen aus mehreren Landesregie-           aus anderen Regionen zu ersetzen. Auch Atomkraft ist kein
    rungen. Der Energiekonzern Vattenfall stoppte bereits      Beitrag zu Klimaschutz und Versorgungssicherheit, sondern
    die Vorbereitungen zum Rückbau des Kohlekraftwerks         ein hochgefährlicher, energiepolitischer Irrweg.
    Moorburg in Hamburg. Doch jede zusätzliche Tonne
    Kohle, die verbrannt wird, heizt die Klimakatastrophe      „Wir dürfen unsere überlebenswichtigen Ökosysteme nicht
    weiter an.                                                 dem Krieg preisgeben. Holz zu verfeuern, katapultiert uns an
                                                               tödliche Kipp-Punkte. Es ruiniert das Klima und die Arten-
•   Auch eine Laufzeitverlängerung für die drei noch am        vielfalt“, sagt Jana Ballenthien, ROBIN WOOD-Waldreferen-
    Netz befindlichen Atomkraftwerke ist nun plötzlich         tin.
    kein Tabu mehr. CSU-Chef Markus Söder warf sich als
    einer der Ersten für die hochriskante Atomenergie in die   Statt nun 100 Milliarden Euro in die Aufrüstung zu stecken,
    Bresche. Die FDP in Schleswig-Holstein forderte sogar      fordert ROBIN WOOD ein umfassendes Förderprogramm für
    zu prüfen, das stillgelegte Atomkraftwerk Brokdorf         Energieeffizienz und -suffizienz. Notwendig sind Maßnah-
    wieder zu reaktivieren. Den Atomausstieg rückgängig        men zur systematischen Reduktion des Strom- und Wärme-
    zu machen, würde – sofern dies überhaupt umsetzbar         verbrauchs. Die energetische Sanierung von Häusern, die
    wäre – den Atommüllberg vergrößern sowie Leben und         Produktion erneuerbarer Wärme und insbesondere der Um-
    Gesundheit vieler Menschen gefährden.                      bau von Fernwärmenetzen müssen schneller vorangetrieben
                                                               und durch sozialpolitische Maßnahmen flankiert werden.
•   Die Holz- und Biomasse-Branche machte Druck, Holz
    als Ersatz für russisches Gas zu nutzen. Nun von einer                                         Ute Bertrand, Hamburg

                                                                                                         Nr. 153/2.22          7
Wilde Wälder magazin - Robin Wood
tatorte

    Für den Schutz der Wälder – auf
    ins Fußballstadion
    Berlin, 2. Februar 2022: Am Morgen des 2. Februar trafen wir uns mit                                   nichtung für EU-Konsum!“. Aus der Luft wirkte
    Vertreter*innen der Deutschen Umwelthilfe, Germanwatch, OroVerde                                       das riesige Banner im Vergleich zu der gepflegten
    und dem WWF-Deutschland auf einem Berliner Fußballplatz. Norma-                                        grünen Wiese verschwindend klein.
    lerweise kickt hier der Fußballclub Lichtenberg 47, heute waren wir mit
    einem fast 20 Meter breiten Banner auf dem Platz: „Stoppt Waldver-                                     Mit über zwei Meter hohen Buchstaben legten wir
                                                                                                           den Spruch „Alle 90 Sekunden gerodet: 1 Fußball-
                                                                                                           feld“ auf den Rasen – eine traurige Wahrheit. Al-

                                                                        Foto: Nina Neuscheler/ROBIN WOOD
                                                                                                           lein für den Rohstoffhunger Europas wird auf der
                                                                                                           ganzen Welt Regenwald abgeholzt: Im Zeitraum
                                                                                                           eines einzigen Fußballspiels wird Wald der Größe
                                                                                                           von 60 Fußballfeldern für EU-Importe gerodet!
                                                                                                           Deshalb waren wir hier auf dem Fußballplatz und
                                                                                                           aus diesem Grund flog eine ROBIN WOOD-Ak-
                                                                                                           tivistin trotz Wind ihre Drohne in die Höhe, um
                                                                                                           diese gigantische Fläche darzustellen.
                                                                                                           Doch unsere Fotos und Videos waren nur der
                                                                                                           Teil einer noch größeren Kampagne. Europaweit
                                                                                                           veranstalteten Umweltschützer*innen aus 14 Län-
                                                                                                           dern Aktionen unter dem Motto #Together4Fo-
                                                                                                           rests. Denn genau dieser Zusammenhalt ist nötig,
                                                                                                           um etwas zu verändern.
                                                                                                           Ein EU-weites Lieferkettengesetz ist auf dem Weg.
                                                                                                           Doch um dieses wirklich entwaldungsfrei zu
                                                                                                           gestalten und mögliche Schlupflöcher vor der Ver-
                                                                                                           abschiedung zu schließen, braucht es uns!

                                                                                                               Moritz Heck, ROBIN WOOD-FÖJ, Hamburg

    Waldzerstörung in den Karpaten stoppen!
    Brüssel, 28. Februar 2022: Die Zerstörung wertvoller Natura    Rumänien und Fern aus Belgien, forderte von der EU-Kom-
    2000-Wälder in den rumänischen Karpaten geht – trotz           mission das 2020 begonnene Verfahren zügig voranzu-
    eines laufenden Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kom-      treiben und den Fall vor den Europäischen Gerichtshof zu
    mission gegen die rumänische Regierung – unvermindert          bringen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen,
    weiter. Ein Bündnis aus sieben Waldnaturschutzorganisa-        überreichten Vertreter*innen des Bündnisses der EU-Kom-
    tionen, darunter ROBIN WOOD, EuroNatur, Agent Green aus        mission in Brüssel ihre Forderungen zusammen mit einem
                                                                   neuen Kurzfilm über die Problematik. Der Film, den ROBIN
                                                                   WOOD für das NGO-Bündnis drehte, zeigt symbolisch, wie
                                                                   die Ur- und Naturwälder der EU zu Grabe getragen werden
                              Foto: Moritz Heck
                                                                   und kritisiert die unzureichende Durchsetzung der Natura
                                                                   2000-Gesetzgebung.
                                                                   In Rumänien liegen die größten zusammenhängenden Bu-
                                                                   chenwälder Europas – ein wertvolles Weltnaturerbe. Die EU
                                                                   hat sie als Natura-2000-Gebiete unter Schutz gestellt. Doch
                                                                   in der Praxis wird ihr Schutz nicht durchgesetzt. Wenn das
                                                                   Natura 2000-Schutzkonzept Europas wertvollste und größte
                                                                   Ur- und Naturwaldflächen nicht retten kann, droht das Kon-
                                                                   zept als Ganzes zu scheitern. Die Beerdigung der wertvollen
                                                                   Wälder Europas ist in vollem Gange.
                                                                   Den Kurzfilm „An Artistic Act to Act“ finden Sie hier:
                                    Foto: ROBIN WOOD/Moritz Heck   https://bit.ly/3JFc0kj

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Wilde Wälder magazin - Robin Wood
Foto: ROBIN WOOD/Moritz Heck                                                                             tatorte

Wälder statt Holzfabriken!
St. Andreasberg, 20. März 2022: Die jährlichen Wald-         bislang viel zu wenig Wälder unter Schutz. Dabei sieht die EU-
zustandsberichte der Bundesregierung und der Länder          Biodiversitätsstrategie, die gefährdete, wildlebende heimische
sind seit vielen Jahren alarmierend. Die drei Hitze- und     Pflanzen- und Tierarten und deren Lebensräume wirksam schüt-
Dürrejahre 2018 bis 2020 haben besonders deutlich ge-        zen soll, einen strikten Schutz für zehn Prozent aller Landflächen
zeigt, wie anfällig vor allem die naturfernen Fichten- und   bis 2030 vor. Um das zu erreichen, müssten hierzulande viel
Kiefernforste sind: Über fünf Prozent der Fichten und        mehr Waldflächen als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Bisher
mehr als ein Prozent der Kiefern sind hierzulande allein     wird die Waldpolitik von Bund und Länder aber nicht einmal
in dieser Zeit abgestorben. Im Harz sind die großflächig     den eigenen Anforderungen gerecht. Deutschland hatte sich vor
abgestorbenen Fichtenbestände unübersehbar. Der Harz,        anderthalb Jahrzehnten das wenig ambitionierte Ziel gesetzt, bis
als beliebtes Ausflugsziel weit über die Grenzen Deutsch-    2020 mindestens fünf Prozent der Waldflächen einer natürlichen
lands hinweg bekannt, ist damit zum Symbol einer ver-        Entwicklung ohne forstliche Eingriffe zu überlassen. Bis 2019
fehlten Waldpolitik geworden.                                waren es gerade einmal 2,8 Prozent.

„Wertvolle Wälder statt Holzfabriken“, forderten die RO-     Die neue Bundesregierung steht vor jahrzehntelangen Versäum-
BIN WOOD-Aktivist*innen daher auf einem großen Ban-          nissen, die zum miserablen Zustand der Wälder geführt haben.
ner, das sie im Oberharz bei St. Andreasberg entrollten.     Sie muss jetzt dringend – auch gegen Widerstände der Forst- und
Die Perspektive der Waldpolitik müsse sich grundlegend       Agrarlobby – eine ökologische Waldwende durchsetzen.
ändern: weg von der einseitigen Ausrichtung auf Profite
aus dem Holzverkauf hin zu einer Wertschätzung der                                                    Ute Bertrand, Hamburg
komplexen Ökosystemleistungen des Waldes. Gerade
angesichts von Klimakrise und Artensterben sind natur-
nahe Wälder wichtiger denn je.
Mit bei der Aktion vor Ort war auch Lutz Fähser, Waldex-
perte und „Vater“ des Lübecker Konzepts zur naturnahen
                                                             Foto: ROBIN WOOD/Eberhard Linckh

Waldbewirtschaftung. „Wir stehen hier im Hochharz
vor absterbenden Waldflächen – tote Fichten so weit das
Auge reicht. Wir sind Zeuge eines wirklich epochalen
Wandels der Natur durch den Klimawandel. Aber keine
Panik, bitte lasst die Natur machen! Hier stirbt nicht der
Wald, sondern einzelne Bäume und die nächste Wald-
generation wartet schon. Auf diese Vielfalt und diese
Zusammenhänge weist ROBIN WOOD schon seit 40
Jahren hin!“

Im Nationalpark Harz gibt es jetzt die Chance, dass dort,
wo früher öde Fichten-Monokulturen standen, nun              Eine ökologische Waldwende forderten Lutz Fähser und Aktive von
wilder Wald nachwächst. Doch in Deutschland stehen           ROBIN WOOD im Harz zum Tag des Waldes 2022

                                                                                                            Nr. 153/2.22          9
Wilde Wälder magazin - Robin Wood
tatorte

     Mehr Fortschritt wagen ist gescheitert
     Berlin, 18. März 2022: Die neue Bundesregierung war seit                                       sprühten dort mit Kreide den Slogan „Mehr Fortschritt wa-
     100 Tagen im Amt. Aus diesem Anlass protestierte ROBIN                                         gen? Fail!“ auf den Boden.
     WOOD gegen den drohenden klimapolitischen Rollback
     insbesondere im Verkehrs- und Energiesektor und forderte                                       Die Treibhausgasemissionen stiegen hierzulande im
     ein wirksames Klimaschutz-Sofortprogramm. Dazu zogen                                           vergangenen Jahr laut aktueller Klimabilanz des Umwelt-
     die Aktivist*innen vor das Bundeskanzleramt in Berlin und                                      bundesamtes um 4,5 Prozent. Der Verkehrssektor verfehlte
                                                                                                    das gesetzliche Klimaziel bereits zum zweiten Mal in Folge,
                                                                                                    insbesondere aufgrund des zunehmenden Güterverkehrs.
     Foto: ROBIN WOOD

                                                                                                    Tatsächlich fiele die Bilanz sogar noch schlechter aus, wenn
                                                                                                    darin auch der internationale und nicht nur der innerdeut-
                                                                                                    sche Flugverkehr berücksichtigt würde. Der Energiesektor
                                                                                                    verzeichnete ebenfalls eine absolute Zunahme der Emissio-
                                                                                                    nen im Vergleich zu 2020. Auch der Gebäudesektor verpass-
                                                                                                    te erneut das für ihn definierte Klimaziel.

                                                                                                    In Folge des Ukraine-Kriegs droht der Klimaschutz weiter ins
                                                                                                    Hintertreffen zu geraten, so dass die Klimabilanz für 2022 so-
                                                                                                    gar noch schlechter ausfallen dürfte: Angesichts steigender
                                                                                                    Benzinpreise kommen aus der Bundesregierung Forderun-
                                                                                                    gen nach Tankrabatten. Bundeskanzler Olaf Scholz macht
                                                                                                    sich zudem dafür stark, dass Milliarden-Beträge in neue
                                                                                                    Flüssiggas-Häfen investiert werden, obwohl dadurch fossile
                                                                                                    Abhängigkeiten über Jahrzehnte hinweg zementiert würden.
                                                                                                    Zudem wird mit einer verstärkten Nutzung von Kohlekraft-
                                                                                                    werken in den kommenden Monaten und Jahren gerechnet.

     Stoppt das Verbrennen von Waldholz!
     Wels, 6. April 2022: Aktivist*innen von ROBIN WOOD aus                                         Viele Holzkraftwerke und Holzpelletfabriken in Europa ver-
     Deutschland und dem Clean Air Committee aus den Nieder-                                        wenden, entgegen ihrer Behauptung der Nutzung von Rest-
     landen protestierten bei der European Pellet Conference                                        holz und Sägeabfällen, offenbar jetzt schon direkt aus dem
     2022 gegen die Verbrennung von Holz in Großkraftwerken.                                        Wald geschlagenes Stammholz, wie der Anfang April von
     Sie hängten ein Banner mit der Aufschrift “Don’t burn our                                      der Forest Defenders Alliance veröffentlichter Report offen
     forests for Energy!“ in die Bäume vor dem Haupteingang der                                     legte. Der Biomasseverband und der Waldverband Öster­
     Stadthalle in Wels, in der die renommierte Konferenz stattfand.                                reichs fordern hingegen „Holzreserven zur Überwindung
                                                                                                    der Energiekrise“ als Alternative zu fossilen Energieträgern
                                                                                                    aus Russland durch „verstärkte Waldpflegemaßnahme“ zu
                                                                                                    verwenden.

                                                                                                    Doch mehr Wald abzuholzen und zu verbrennen, hilft nicht
                                                                 Foto: ROBIN WOOD/Eberhard Linckh

                                                                                                    bei der Bewältigung der Energiekrise, sondern befeuert die
                                                                                                    weltweite Klimakrise. Europa nutzt derzeit 80 Prozent des
                                                                                                    jährlich nachwachsenden Holzes. Etwa die Hälfte davon
                                                                                                    wird sofort verbrannt, weitere 30 bis 35 Prozent werden für
                                                                                                    kurzlebige Produkte verwendet, die innerhalb von ein bis
                                                                                                    zwei Jahren als CO2-Emission enden. Wollten wir nur zehn
                                                                                                    Prozent der fossilen Energieträger, die wir aus Russland im-
                                                                                                    portieren, durch Energie aus Holz ersetzen, müssten wir 60
                                                                                                    Prozent mehr Holz verbrennen.
                                                                                                    Die Aktiven machten sich für einen Stopp der Subventionen
                                                                                                    für die Holzverbrennung stark. Das Geld müsse unbedingt
     Gegen das Verbrennen von Holz in Großkraftwerken: Protest in                                   in den Ausbau tatsächlich Erneuerbarer Energien wie Solar-
     Foto:Bäumen
     den   ROBIN WOOD/Eberhard   Linckh in Wels/Österreich
                 vor der Pelletkonferenz                                                            und Windenergie oder Wärmepumpen investiert werden.

10                      Nr. 153/2.22
tatorte

Keine fossilen Scheinlösungen
Hamburg, 8. April 2022: Anlässlich des „LNG and Future Fuels    Die DUH hat mit Rechtsgutachten nachgewiesen, dass die
Forums“ demonstrierte ein Bündnis aus Umweltgruppen vor         geplanten Terminals in Stade, Brunsbüttel sowie das Uniper-
dem Konferenzort gegen Scheinlösungen beim Klimaschutz          Projekt in Wilhelmshaven an den vorgeschlagenen Standor-
und die Schaffung neuer fossiler Abhängigkeiten. Diskus-        ten nicht genehmigungsfähig sind. Grund dafür sind neben
sionsgegenstand des Forums waren künftige Antriebsmög-          störfallrechtlichen auch naturschutzrechtliche Gründe.
lichkeiten für die Schifffahrt, zu denen laut Programm auch
LNG und weitere, auf fossilen Energieträgern basierende
Ansätze gehören. Durch den Angriffskrieg Russlands gegen
die Ukraine droht Deutschland in weitere fossile Abhängig-
keiten zu rutschen.

Das Bündnis, dem neben ROBIN WOOD und der Deutschen
Umwelthilfe (DUH), das Klimabündnis gegen LNG und die
BUND-Landesverbände Hamburg, Schleswig-Holstein und
Niedersachsen angehören, kritisierte das Festhalten an fossi-
len Geschäftsmodellen und den damit einhergehenden Wild-
wuchs an neuen LNG-Importterminalplänen in Deutschland.
Die deutsche LNG-Debatte würde ohne den Blick auf die
besonders starke Klimaschädlichkeit von LNG und die Ge-
fahr der Importe von Fracking-Erdgas geführt. Stattdessen
forderte das Bündnis, jetzt konsequent auf Einsparung, Er-
neuerbare Energien und Energieeffizienz zu setzen.                  Foto: BUND Hamburg

Züge statt Flüge
Köln, 11. April 2022: Zu Beginn der Reisezeit über die Osterferien
warnte ROBIN WOOD mit einer Protestaktion am Flughafen
Köln/Bonn vor einem starken Wiederanstieg des Flugverkehrs.
Die Aktivist*innen demonstrierten in der Abflughalle für ein
Verbot von Kurzstreckenflügen und den Ausbau klimafreund-
licher Reisealternativen.
Trotz der noch hohen Infektionszahlen erreichen die Fluggast-
zahlen global gesehen aktuell wieder mehr als 80 Prozent des
Niveaus vor der Pandemie. Allein der Flughafen Köln/Bonn
                                                                                                            Fotos: ROBIN WOOD
erwartete 450.000 Flugreisende über die Osterferien. Fehl-
geleitete Subventionen sowie ein irreführendes Marketing der
Flugindustrie führen dazu, dass Fliegen für die meisten Reisen-
den attraktiv gemacht wird und der massive Klimaschaden stark
unterschätzt wird. Wichtige politische Instrumente für eine
Reduktion des Flugverkehrs, vor allem eine Kerosinsteuer, fehlen
bislang. Das Aus für Kurzstreckenverbindungen, die mit einer
Bahnalternative von vier Stunden ersetzbar sind, würde pro Jahr
mehr als eine Million Tonnen CO2 einsparen.

Tatsächlich profitiert die Flugindustrie jedoch von massiven
Subventionen durch Steuergelder. Der Flughafen Köln/Bonn
ist ein besonders drastisches Beispiel: Zwischen 2014 und 2017
verzichtete der öffentlich finanzierte Flughafen auf einen großen
Teil der fälligen Nutzungsgebühren und verschenkte so rund
130 Millionen Euro vor allem an Billig-Airlines. Auch während
der Corona-Pandemie wurde der Flughafen mit Steuergeldern in           Für ein Verbot von Kurzstreckenflügen: ROBIN WOOD-Ak-
Millionenhöhe subventioniert, weitestgehend ohne Auflagen.             tive im Gespräch mit Fluggästen am Köln/Bonner-Flughafen

                                                                                                            Nr. 153/2.22          11
wald

     März 2022: Auch 40 Jahren nach Gründung von ROBIN WOOD geht
     es den bundesdeutschen Wäldern schlecht. Deshalb forderten die
     Aktivist*innen mit einer spektakulären Aktion zum Tag des Waldes
     im Harz „Wertvolle Wälder statt Holzfabriken“!                     Foto: Moritz Heck/ROBIN WOOD

12            Nr. 153/2.22
wald

40 Jahre und keine Spur von Midlifecrisis
ROBIN WOOD bleibt aktiv
für den Wald!
Juchu, ROBIN WOOD wird 40 Jahre            Deshalb haben wir in unserem Geburts-     und gleichzeitig die Richtung benennt,
alt! Ein kleiner Verein, im November       tagsjahr den Tag des Waldes 2022 ge-      in die es gehen sollte. Beeindruckend
1982 in Bremen angetreten, um die          nutzt und unsere Forderungen weithin      war der Moment, als die Harzer Schmal-
Wälder zu retten. Unermüdlich in der       öffentlich bei einer Aktion transpor-     spurbahn an uns und unserem Banner
Sache aktiv und dabei immer vielfäl-       tiert: Wir sind mit Aktiven und alten     vorbeifuhr und ihr ausgedehntes Hupen
tig. Das war nur durch Hunderte von        Freund*innen in den Harz gefahren.        hören ließ. Am nächsten Tag fuhr eine
ehrenamtlich Aktiven und durch Ihre        An einen Ort, der wie kaum ein anderer    ROBIN WOOD-Aktive mit eben dieser
Unterstützung möglich. Unsere Arbeit       für das derzeitige Waldsterben und für    Bahn auf den Brocken. Ein Schaffner
ist heute so wichtig wie eh und je.        eine verfehlte Waldpolitik in Deutsch-    erkannte sie an ihrem grünen Pulli und
                                           land steht. Abgestorbene Fichten-         erzählte ihr, wie sehr ihn die Aktion
Die Ursachen der Waldschäden der           plantagen soweit das Auge reicht. Ein     gefreut hätte.
80er Jahre des letzten Jahrhunderts        schockierendes, apokalyptisches Bild
haben wir gemeinsam bekämpft und           selbst für Hartgesottene.                 Die ROBIN WOOD-Aktiven erlebten den
auf unserem Weg Erfolge erzielt. Ent-                                                Tag mit guten alten Freunden: Rudolf
schwefelungsanlagen sind inzwischen        Doch wir wären nicht ROBIN WOOD,          Fenner, der 29 Jahre Waldreferent bei
in allen Schloten Pflicht. Doch den        wenn wir nicht am Boden der abge-         ROBIN WOOD war und Forstamtsleiter
Wäldern in Deutschland geht es heute       storbenen Plantagen schon den neuen,      i.R. Lutz Fähser, den eine 40-jährige
schlechter als je zuvor. Die Emissionen,   vielfältigeren und widerstandsfä-         Geschichte mit ROBIN WOOD verbindet.
vor allem der Stickstoff aus der Land-     higeren Wald sprießen sähen. Jede         Gemeinsam stellten wir unsere Forde-
wirtschaft, der Klimawandel und seine      abgestorbene Plantage birgt die Hoff-     rungen an die Politik und feierten unser
Extremwetterereignisse setzen den          nung auf mehr Struktur im Wald der        Geburtstagsjahr. Zeugnis davon sind ein
Wäldern zu.                                Zukunft. Und so spannten wir während      Aktionsvideo, einige Kurzinterviews und
                                           unserer Exkursion an verschiedenen        Glückwünsche, die Sie auf unserem You-
Die intensive Forstwirtschaft tut ein      Orten im Harz unser 12 Meter langes       Tube-Kanal in der Playliste „Wald“ finden.
Übriges. Ein unzureichendes Waldge-        und 4 Meter hohes Banner: “Wertvolle
setz, ein Defizit an Schutzgebieten und    Wälder statt Holzfabriken!“ Eine Forde-        Jana Ballenthien, ROBIN WOOD-
eine für die Wälder ungebührliche Art      rung, die ausdrückt, was falsch läuft,                            Waldreferentin
Profit zu erwirtschaften, schwächen die
Wälder zusätzlich. Im April 2022 wurde
bekannt, dass die Schadflächen nach
den drei Dürresommern 2018 bis 2020
fast doppelt so hoch sind wie bisher von
der Bundesregierung angenommen.
Und der Druck auf die Wälder erhöht
sich weiter. Der Bedarf an Papier, Bau-
holz und Brennholz ist gestiegen. Etwa
ein Drittel des geernteten Holzes wird
aktuell verbrannt. Tendenz steigend.

Doch wir bleiben dran! Die neue
Bundesregierung will dringend nötige
Reformen in der Waldpolitik in Gang
setzen: An das Waldgesetz wolle man
ran, das Verbrennen von Holz in
Kraftwerken stehe zur Debatte. ROBIN
WOOD wird diese Ankündigungen
und Pläne kritisch kommentieren und        1983 im Schwarzwald: Die ROBIN WOOD-Aktiven machten mit einer spektakulären
begleiten.                                 Aktion auf das Waldsterben aufmerksam

                                                                                                          Nr. 153/2.22   aa       13
wald

     Europas letzten Urwäldern droht
     die Kettensäge - immer noch!
     Mit spektakulären Aktionen hat ROBIN WOOD mit seinen          •   Endlich: Die EU-Kommission leitet ein Vertragsverlet-
     Partner*innen vor Ort Druck gemacht, dass die rumäni-             zungsverfahren gegen Rumänien ein, da die rumänische
     schen Buchenwälder nicht den Kettensägen zum Opfer                Regierung die Buchenurwälder nur unzureichend vor
     fallen. Unser Protest hat erreicht, dass die EU gegen Ru-         Abholzung schützt. Und die Nationalstraße, die quer
     mänien ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengt. Aber           durch die einmalige Naturlandschaft der rumänischen
     noch geht der Waldfrevel in den Karpaten weiter. Hier folgt       Karpaten führen sollte, wird nicht gebaut.
     eine Chronologie des Kampfes für die Natur- und Urwälder
     Rumäniens und Europas.                                        •   Dann folgt Corona und bremst uns aus. Aktionen
                                                                       müssen abgesagt werden, die Welt scheint stillzustehen,
                                                                       wartet, was kommt, wie es weiter geht.
     Frühjahr 2019:
                                                                   •   Was weitergeht, ohne das wir es mit bekommen, sind
     •   ROBIN WOOD-Aktive besuchen die Karpaten in Ru-                die illegalen Einschläge in der karpatischen Buchen-
         mänien. Der Anblick macht fassungslos: Uralte Baum-           wälder.
         riesen fallen den Kettensägen zum Opfer. Selbst unter
         Schutz stehende Wälder werden radikal abgeholzt für       •   Wir erweitern unsere Kampagne um die Petition „Euro-
         Spanplatten und Holzschnitzel.                                päischen letzte Urwälder retten!“. Die Karpaten aber
                                                                       bleiben im Blick, denn der Präzedenzfall ist gleichbe-
     •   Start der ROBIN WOOD-Kampagne: Rumäniens Ur­                  deutend für alle Wälder innerhalb der EU, die aufgrund
         wälder retten!                                                der Natura2000 unter Schutz stehen.

     •   Bei einer Aktion vor der rumänischen Botschaft in         •   Rumänien erlässt ein paar „Gesetzchen“, die EU scheint
         Berlin rückt ROBIN WOOD mit der Kettensäge an. Als            vorerst befriedet. Gemeinsam mit unseren Partnern
         Waldarbeitende verkleidet setzen Aktivist*innen mit           lässt ROBIN WOOD nicht locker!
         Säge und Baumstamm das Roden der Wälder ins Bild.
                                                                   Oktober 2021:
     Juli 2019:
                                                                   •   Erneut werden Journalist*innen in den rumänischen
     •   Über ein tiefes Tal im Nationalpark Domogled-Valea            Karpaten angegriffen. Wir sind bestürzt, als wir erfah-
         Cernei in Rumänien spannen wir ein 50 Meter langes            ren, dass ein Mob von 20 Menschen Waldnaturschützer
         Banner. Mit dieser spektakulären Kletteraktion machen         angreift. Unsere Solidarität und unser Mitgefühl sind
         wir der rumänischen Regierung klar: Wir lassen nicht          bei den Menschen in Rumänien, die sich gegen die
         locker. Unser Protest richtet sich gegen den geplanten        Holzmafia stellen. Das EU-Verletzungsverfahren gegen
         Ausbau einer Nationalstraße mitten durch den Natio-           Rumänien gerät ins Stocken.
         nalpark und die Kernzone des UNESCO-Weltnaturerbe-
         Gebietes.                                                 Februar 2022:

     Oktober 2019:                                                 •   Wir drehen einen Kunstfilm, tragen darin die Buchenwäl-
                                                                       der zu Grabe und übergeben den Film der EU Kommission!
     •   Der Waldrancher Raducu Gorcioaia und der Forstin­
         spektors Liviu Pop werden grausam ermordet.               Herzlichen Dank an alle, die unsere Kampagne: „Rumä-
                                                                   niens Wälder retten“ möglich gemacht haben! Bitte helfen
     Februar 2020:                                                 Sie weiterhin mit Ihrer Spende, mit Ihrer Unterschrift oder
                                                                   bei Aktionen die letzte Urwälder Europas zu retten und die
     •   Zur Waldkonferenz der EU ist ROBIN WOOD vertreten         Kettensägen dauerhaft zum Schweigen zu bringen. Und
         durch eine bärige Protestaktion. In Brüssel platzieren    schauen Sie sich auch den ROBIN WOOD-Film: „An Artistic
         wir unser gewaltiges Banner vor dem Hauptsitz der EU-     Act to Act auf unserem Youtube-Kanal, youtube.com/
         Kommission. „SAVE EUROPEAN PRIMARY FORESTS!”–             robinwoodvideo im Internet an.
         „Rettet Europas Urwälder!“ – unsere Forderung ist für
         die Konferenzteilnehmenden unübersehbar.                            Jana Ballenthien, ROBIN WOOD-Waldreferentin
                                                                                                      wald@robinwood.de

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Foto: Stephan Röhl/ROBIN WOOD                                                                            Foto: Rudolf Fenner

                                                                               Foto: ROBIN WOOD
 2019, Berlin                                                                        Frühjahr 2019: Kahlschlag in rumänischen Wäldern
                                             Foto: Knut Hildebrandt

                                                                      Foto: ROBIN WOOD/Eberhard Linckh

                     2019: Hier sollte eine Na-
                     tionalstraße mitten durch
                     streng geschützte Gebiete
                     gebaut werden

                                                                                            2019: Nationalpark Domogled-Valea Cernei in Rumänien
 Foto: ROBIN WOOD/Minierva Vincza

                                                                                                                            Februar 2022
                                                                                                         Foto: ROBIN WOOD

Februar 2020, Brüssel
                                                                                                                            Foto: ROBIN WOOD/Eberhard Linckh

                                                                                                                                                        Nr. 153/2.22   aa   15
tatorte

     Kein Handel
     mit russischem Holz
     Der Krieg in der Ukraine schockiert        hängte, um die russische Holzverarbei-     die Einfuhr aller Arten von russischem
     uns alle zutiefst. Neben dem unsäg-        tung zu unterstützen. Seit Beginn des      und weißrussischem Holz und Holz-
     lichen direkten Leid der Menschen hat      Kriegs kam jedoch auch der restliche       produkten einschließlich aller Papier-
     der Krieg auch Auswirkungen auf alle       Import und Export von Holz und Holz-       produkte, Möbel und Möbelteile,
     Bereiche des sozialen und wirtschaft-      produkten zwischen der Europäischen        Pellets und Schnittholz zu verbieten.
     lichen Lebens. Auch die Wälder und         Union und Russland weitestgehend           Zumindest die drei großen Zertifizierer
     der Holzhandel sind davon betroffen.       zum Erliegen.                              für Holz, FSC, PEFC und SPB, entschie-
                                                                                           den sich am 8. bzw. 9. März, Holz und
     Schon immer zogen Kriege die Wälder        Bereits am 2. März kündige Stora Enzo,     Holzprodukte aus Russland und Bela-
     in Mitleidenschaft. Sei es, weil sie für   das zweitgrößte Forstunternehmen der       rus von ihren zertifizierten Produkten
     den Hunger der Rüstungsindustrie           Welt, an, die Produktion und den Ver-      auszuschließen.
     gebraucht wurden oder weil sie von         kauf in Russland und auch alle Ex- und
     gegnerischen Kriegsparteien zerstört       Importe nach und aus Russland bis auf      Am 11. März veröffentlichte die
     wurden. Manchmal waren sie die letzte      Weiteres einzustellen. Einen Tag später,   Organisation Earthside eine Recher-
     verbliebene Quelle an Nahrungsmit-         am 3. März, schlossen sich das Möbel-      che, nach der „russische Oligarchen
     teln und Rohstoffen der kriegsgebeutel-    unternehmen IKEA und das größte            mit engen, seit langem bestehenden
     ten Bevölkerung. Schon immer nutzen        genossenschaftlich organisierte Forst-     Verbindungen zu Wladimir Putin
     auch Flüchtende ihren Schutz.              und Papierunternehmen Europas, die         hinter den größten Holzeinschlags-
                                                Metsä Group, mit ähnlich lautenden         unternehmen und Exporteuren von
     Anfang Januar verhängte Putin ein          Mitteilungen an.                           Holzprodukten des Landes stehen.“
     Exportverbot für Rundholz                                                             Die „Unternehmen (…) gehören zu den
                                                Am 9. März zog der größte Papier-          größten Exporteuren von russischem
     Russland ist bzw. war der größte Holz-     konzern Europas, UPM, nach. Er hatte       Holz nach Europa, in die USA und nach
     exporteur der Welt. Nach Recherchen        bereits am 3. März den Export nach         Japan. Ihr Schnittholz, Sperrholz und
     von Wood Resources International           Russland gestoppt. Eine Woche später       Papier wird von großen Einzelhandels-
     exportierte Russland 2020 rund 15 Mio.     entschied UPM den Einkauf russischen       ketten wie Leroy Merlin verkauft, in
     Kubikmeter Rundholz. Das entspricht        Holzes einzustellen. Die vier Unter-       hochkarätigen Bauprojekten wie für
     annähernd 12 Prozent des weltweit ge-      nehmen blieben vorerst die einzigen,       die Olympischen Spiele in London und
     handelten Rundholzes.                      die sich zu dieser vorbildlich schnellen   dem Trump Tower Toronto sowie in
     Seit Anfang des Jahres 2022 brach die-     Reaktion entschieden. Daran änderte        der Verpackung von Mars und Kitkat-
     ser Markt ein, da Präsident Putin schon    auch der Aufruf von 120 Umwelt- und        Süßigkeiten verwendet. Gemeinsam
     zum 1. Januar ein Exportverbot ver-        Menschenrechtsorganisationen nichts,       kontrollieren diese mit Oligarchen

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                                                                                                     Foto: iStock/Natalya Bosyak

verbundenen Unternehmen russische         sen aus Belarus unter Strafe zu stellen.   einem Politikum das Ökosystem Wald
Wälder, die zusammen so groß sind wie     Erst am 8. April wurden derartige Re-      im Krieg werden kann.
Frankreich. Wälder, in denen wertvolle    gelungen auch für Holz und Holzpro-
Wildtiere wie sibirische Tiger, Luchse    dukte aus Russland entschieden. Die        Der Wald als Zufluchtsort?
und Braunbären leben. Viele der hier      Umbrüche im Holzhandel verursachten
vorgestellten Lieferanten und Käufer      bereits Anfang März einen Preisanstieg     Viele Flüchtende, die in den letzten Mo-
wurden bereits wegen illegaler oder       in Österreich und Deutschland von          naten hinter der ukrainischen Grenze
zerstörerischer Abholzung hochwerti-      Holz von rund 20 Prozent.                  in den polnischen Wäldern Zuflucht
ger Wälder in Russland oder wegen des                                                suchten, fühlten sich dort keinesfalls
Kaufs von illegalem russischem Holz       Die ukrainischen Wälder für die            sicher. Nicht möglich? Doch!
aufgedeckt.“ Diese Recherche machte       russische Armee?                           Und zwar erlebten das all die Men-
klar, dass der freiwillige Handelsver-                                               schen, die auf der Flucht aus Afgha-
zicht einzelner Unternehmen nicht         Ein gänzlich anderes die Wälder be-        nistan, Syrien und anderen außer-
ausreicht, damit die Holzbranche nicht    treffendes, verstörendes Dokument          europäisches Ländern waren und sind.
in Putins Kriegskasse einzahlt.           veröffentlichte der ukrainische Ge-        Sie frieren und leiden in den Wäldern
                                          heimdienst am 16. März: Danach plane       Polens, nachdem sie die belarussisch-
Am 11. März schlug das russische          Russland eine massive Abholzung der        polnische Grenze übertreten haben. Sie
Industrie- und Handelsministerium         ukrainischen Wälder, um Platz für Be-      harren dort aus und es ist unter Strafe
höchst selbst vor, die Ausfuhr von Holz   festigungen, Verteidigungsanlagen und      gestellt, ihnen Essen, Medizin und
und holzverwandten Produkten wie          andere militärische Zwecke zu schaf-       andere Hilfe zukommen zu lassen.
Rohstoffen für die Papier- und Sperr-     fen und den Erlös aus dem Holz dem
holzproduktion in „unfreundliche          russischen Verteidigungsministerium        Denn so wundervoll und richtig die un-
Länder“ bis zum Ende dieses Jahres        zur Verfügung zu stellen. „Das letzte      endliche Hilfsbereitschaft gegenüber
zu verbieten. So war die Europäische      Mal, dass dies auf dem Territorium der     den flüchtenden Menschen aus der
Union in ihrer schleppenden Entschei-     Ukraine geschah, war während der           Ukraine ist, so unbarmherzig und un-
dungsfindung aus dem Schneider.           Nazi-Besetzung“, so das Direktorat des     menschlich tritt die „Festung Europa“
Die Europäische Kommission und die        ukrainischen Geheimdienstes, „als die      Menschen gegenüber auf, die aus an-
national zuständigen Behörden aus         Invasoren materielle und natürliche        deren Kriegs- und Krisengebieten über
27 europäischen Ländern, die meisten      Werte zerstörten und exportierten.“        die Route Belarus-Polen bei uns Zu-
davon EU-Mitgliedstaaten, rangen sich     Ein Ökozid sei geplant. Das Dokument       flucht suchen. Die wenigen Aktivist*in-
dann am 16. März durch, zumindest die     konnte nicht eindeutig auf Echtheit        nen, die trotz der drohenden Strafen
Einfuhr von Holz und Holzerzeugnis-       überprüft werden, zeigt aber, zu welch     helfen, sind die wahren Held*innen der

                                                                                                          Nr. 153/2.22             17
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                                                                                                                     Holzmangels durch eine Steigerung des

                                                                                    Foto: iStock/Tatjana Strilchuk
                                                                                                                     Abholzens anderer wertvoller Wälder,
                                                                                                                     z.B. in den Karpaten oder in Skandina-
                                                                                                                     vien. Im schlimmsten Fall verlieren wir
                                                                                                                     zeitgleich auch die russischen Wälder
                                                                                                                     an die Rüstungsindustrie.
                                                                                                                     Schon immer haben die Wälder unter
                                                                                                                     den Kriegen gelitten. Und die mutwil-
                                                                                                                     lige Zerstörung von Ökosystemen der
                                                                                                                     gegnerische Kriegspartei ist altbekann-
                                                                                                                     te, traurige Praxis. Doch was uns und
                                                                                                                     die Wälder noch grundlegender und
                                                                                                                     weitreichender treffen wird, ist der
                                                                                                                     mögliche Trend, aufgrund des Wegfalls
                                                                                                                     von russischem Gas die großindustriel-
                                                                                                                     le Verbrennung von Wäldern voran-
                                                                                                                     zutreiben. Mit unserer ROBIN WOOD-
                                                                                                                     Kampagne gegen das Verfeuern von
     Geflüchtetenarbeit Polens. Die Grenz-     und Klima ließ bei der Vorstellung der                                Wäldern zeigen wir schon lange, wie
     wälder Polens sind stumme Zeugen          Novelle des Erneuerbaren-Energien-                                    hoch der Druck auf die Wälder weltweit
     dieser fortwährenden europäischen         Gesetzes am 3. März verlautbaren, es                                  durch den europäischen Energiehun-
     Menschenverachtung.                       könne kurzfristig zu einer Stärkung der                               ger ist.
                                               Bioenergie kommen.
     Der Wald und die Energiepolitik           Die EU reagierte hingegen in ihrem am                                 Der Zusammenhang zwischen steigen-
                                               3. März mit einem aufgrund der russi-                                 den Abholzungen und Kahlschlägen
     Mit dem Überfall der russischen Armee     schen Invasion der Ukraine erstellten                                 und dem Bedarf an Energieholz ist im
     auf die Ukraine ging auch ein Ruck        Energieplans dagegen einigermaßen                                     letzten Jahrzehnt unübersehbar. Wir
     durch die europäische Energiepolitik.     besonnen – kein Ruf nach Kohle- oder                                  dürfen das CO2 unserer Wälder nicht
     Die Abhängigkeit von russischem           Atomenergie. Die EU bleibt bei Gas,                                   noch beschleunigter in die Atmosphäre
     Gas wurde schlagartig zum Problem.        Gas und nochmals Gas und nennt als                                    blasen, wertvolle Habitate zerstören
     Schnell wurden Rufe nach einem Stopp      weitere Maßnahme den Ausbau der                                       und uns der Klimaminderungsleistung
     des Kohleausstiegs und gar nach einer     Erneuerbaren Energien. Biomasse oder                                  der Wälder entledigen!
     Rückkehr zum Atomzeitalter laut. Die      gar Energieholz werden nicht explizit                                 Wenn wir diesem Trend jetzt keinen
     ersten praktischen Schritte der Bundes-   genannt. Für den privaten Sektor ist                                  Riegel vorschieben, hat Putin einen er-
     regierung verhießen nichts Gutes: Flüs-   jedoch schon eine starke Zunahme an                                   heblichen und über Jahrzehnte hinweg
     siggasterminals in deutschen Häfen        Brennholzkäufen und Pelletkäufen                                      wirkenden Beitrag dazu geleistete,
     und Habecks Besuch in Katar zemen-        auszumachen. Viele Hausbesitzende                                     unsere Klimaziele zu verfehlen und
     tierten klima- und artenschädliche        füllen bereist jetzt, also weitaus früher                             den Planeten an zuheizen. Ein erster
     Wärme- und Energiestrategien, soziale     als sonst, ihre Holzlager für den nächs-                              wichtiger Schritt wäre es, Holz in der
     Ungleichheiten und die Abhängigkeit       ten Winter.                                                           Erneuerbaren-Energie- Richtlinie der
     von despotischen und menschen-                                                                                  EU nicht mehr als erneuerbare Energie
     rechtsverletzenden Staaten. Dem Aus-      Krieg und Wald - ein Fazit                                            und damit nicht mehr als förderungs-
     bau von Erneuerbaren Energien wurde                                                                             würdig zu bewerten. Der Krieg darf
     unterdes weit weniger Raum einge-         Der Krieg Russlands in der Ukraine wir-                               nicht vor dem Hintergrund einer seit
     räumt. Und dazu – als könne es immer      belt den Holzmarkt Europas durchein-                                  Jahrzehnten vermasselten Energie-
     noch schlimmer kommen – wurde der         ander. Russland als größter Holzexpor-                                und Wärmewende dazu führen, dass
     Rohstoff Holz von der Energieholzlobby    teur der Welt, ist raus aus dem Geschäft                              nun unsere Wälder verfeuert werden.
     mit Nachdruck als Austauschstoff für      – zumindest aus dem europäischen.                                     Gerade auch in Kriegszeiten müssen
     Gas und Kohle ins Gespräch gebracht.      Das ist richtig so. Angesichts eines in                               wir in Europa jetzt die richtigen Signale
                                               Europa tobenden Kriege sollten Preis-                                 senden, dass auch dem Artensterben
     Die österreichische Holz- und Bio-        steigerungen beim wertvollen Rohstoff                                 und der Klimakrise strikt begegnet
     massebranche reagierte schon am 2.        Holz tragbar sein. Was diese Markt-                                   wird. Unsere Wälder müssen deshalb
     März mit einer gemeinsamen Presse-        verschiebung konkret für die Wälder                                   unantastbar werden für die Verbren-
     mitteilung. Sie forderte einen massiven   bedeutet, kann bisher nur gemutmaßt                                   nungskessel der Kraftwerke – für den
     Ausbau der Biomasse, unterstützt          werden. Im besten Falle wird global                                   Frieden!
     durch staatliche Subventionen von         deutlich sparsamer mit dem Rohstoff
     zwei Milliarden Euro. Und das deutsche    Holz umgegangen. Wahrscheinlicher                                       Jana Ballenthien, ROBIN WOOD-
     Bundesministerium für Wirtschaft          ist die schnelle Kompensation des                                     Waldreferentin, wald@robinwood.de

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Wels, 6. April 2022: Protest gegen die klima-, arten- und gesundheitsschädliche Holzverbrennung vor der international führenden
Pellet-Konferenz in Österreich

Weiter auf dem Holzweg
Vor etwa einem Jahr startete ROBIN WOOD eine Petition,             verbrennt Vattenfall in den Kraftwerken Märkisches Viertel
die sich gegen die Verbrennung von Biomasse in Großkraft-          und Moabit. Nun plant das Unternehmen, seine Produktion
werken in Deutschland richtet. Dank Ihrer Unterstützung            bis 2027 auf fast das Sechsfache, nämlich 450.000 Tonnen,
haben wir inzwischen weit mehr als 75.000 Unterschriften           zu steigern. Doch woher soll die Holzbiomasse für Berlin
gesammelt! Und unsere Kampagne hat erste Erfolge: So               und all die vielen anderen Standorte kommen?
ist der Ausbau des Tiefstack-Kraftwerks in Hamburg erst
einmal gestoppt! Doch an anderen Standorten gehen die              Die Holzheizwerke Cuxhaven GmbH baut bereits seit 2020
Planungen für die Verbrennung von Holzbiomasse weiter              ein neues Holzkraftwerk auf dem Cuxhavener Hafenge-
oder nehmen Fahrt auf. ROBIN WOOD bleibt dran! Auch                lände. Woher das Holz dafür kommen soll, ist unklar. Klar
auf EU-Ebene sind wir weiter aktiv, denn die Richtlinien zur       ist aber, dass die Lage am Hafen besonders gut für Schiffs-
Holznutzung werden dort für alle Mitgliedsstaaten geregelt.        importe geeignet ist. Damit würden wir weiter Wälder in
                                                                   anderen Ländern für unseren Energie- und Wärmehunger
Als wir die Petition gegen die Verbrennung von Holz in             zerstören. Trotz der Bedenken eines breiten Protestbündnis-
Großkraftwerken starteten, lag unser Schwerpunkt auf der           ses gegen das Holzheizwerk wird weitergebaut. Deshalb ver-
geplanten Umrüstung der Kohlekraftwerke in Hamburg und             anstalteten wir Anfang des Jahres mit dem BUND Cuxhaven,
Wilhelmshaven. Seitdem hat sich viel getan. Die Umrüstung          Parents for Future Cuxhaven, Fridays for Future Cuxhaven,
des Tiefstack-Kraftwerks in Hamburg ist ins Stocken geraten        den Grünen, der Deutschen Umwelthilfe, Biofuelwatch aus
und liegt seit fast einem Jahr auf Eis. Was wir nun brau-          Großbritannien und Save Estonian Forests eine Onlinekonfe-
chen, ist eine klare Aussage, dass diese Pläne nicht weiter        renz und luden die Kraftwerkbetreiber, Politiker*innen und
verfolgt werden. Aber die Biomasseunternehmen erwägen              die Menschen vor Ort ein, das Thema zu diskutieren. Viele
weitere Standorte für die Verbrennung von Holzbiomasse in          Interessierte, auch aus der Lokalpolitik, ein Mitglied des Eu-
Deutschland, z.B. in Cuxhaven, Duisburg, Bremen, Mann-             ropäischen Parlaments und selbst der zukünftige Betreiber
heim, Hannover und Berlin.                                         nahmen an der Onlinekonferenz teil und diskutierten rege.
                                                                   Die Behauptung des Betreibers, dass Holzverbrennung in
Berlin plant klimaneutral zu werden. Im Rahmen dessen hat          Cuxhaven nachhaltig sei, konnten leicht widerlegt werden.
die Stadt im vergangenen Jahr eine Vereinbarung mit Vat-
tenfall unterzeichnet, die vorsieht, dass das Unternehmen          Auch in Duisburg brodelt es. Das Kohlekraftwerk Walsum
die Stadt in den nächsten zehn Jahren mit Energie aus „nach-       10, das seit 2013 in Betrieb ist, soll nach dem Kohleverstro-
haltiger“ Biomasse versorgt. Bereits 88.000 Tonnen Holz            mungsbeendigungsgesetz bald schließen. Die Eigentümer

                                                                                                               Nr. 153/2.22          19
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     überlegen sich Alternativen. Eine davon ist die Umrüstung        betreibt, haben wir glücklicherweise einige Mitglieder des
     auf Holzbiomasse. Im Februar veranstalteten wir dazu eine        EU-Parlaments auf unserer Seite und auch einige Kommis-
     Onlinekonferenz und luden Umweltverbände sowie Vertre-           sionsmitglieder kommen ins Grübeln. Unsere zuständigen
     ter*innen der politischen Parteien aus Duisburg ein. Schnell     Minister*innen im Europäischen Rat werden von uns durch
     war klar, dass niemand die Umrüstung auf Holzbiomasse für        Briefe und Gespräche beraten und wir legen Hoffnung auf
     eine gute Lösung hält. Wir beschlossen einen offenen Brief       eine progressive Position Deutschlands als Mitgliedstaat.
     an den Treuhänder zu schreiben, der das Unternehmen nach         Aktuell sind wir dabei, auch die nationalen Entscheidungs-
     finanziellen Problemen übernommen hatte. In unserem              träger, allen voran Bundesumweltministerin Steffi Lemke
     Brief warnten wir den Treuhänder vor den Auswirkungen            und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, an ihre
     der Verbrennung von Holzbiomasse und forderten ihn auf,          Verantwortung zu erinnern. Wir konfrontieren sie mit dem
     diese Pläne sofort zu stoppen.                                   Stand der Forschung und den Bildern, die die zerstörerische
                                                                      Energieholzproduktion verdeutlichen.
     Zusätzlich zu den von ROBIN WOOD organisierten Online-
     konferenzen wurde unsere Waldreferentin Jana Ballenthien         Am 6. April fuhren ROBIN WOOD-Aktive nach Österreich.
     zu verschiedenen Veranstaltungen zum Thema Wald und              Dort fand die nach eigener Aussage führende internationale
     Biomasseverbrennung eingeladen, z.B. zum renommierten            Pellet Konferenz, die “European Pellet Conference“ statt. Die
     Alternativen Bioökonomiegipfel des denkhausbremen und            deutsche Pelletindustrie und auch der weltgrößte Pelletpro-
     zu einer Veranstaltung von WeMove gegen das Verfeuern            duzent Enviva waren vor Ort. ROBIN WOOD protestierte zu-
     unserer Wälder, an der über 100 Menschen teilnahmen. Es          sammen mit dem niederländischen „Comité Schone Lucht“
     ist motivierend zu sehen, wie viele Menschen wir so errei-       und Unterstützer*innen aus Wien vor dem Haupteingang
     chen konnten. Tag für Tag entlarven wir den Mythos, dass         mit einer augenfälligen Kletteraktion mit großem gelben
     die Verbrennung von Biomasse klimafreundlich ist.                Banner. Wir signalisierten: An unserem Protest kommt ihr
                                                                      nicht vorbei, auch nicht in Österreich, einem Land, in dem
     Wir sind weiterhin auf EU-Ebene aktiv                            der Protest gegen die klima-, arten- und gesundheitsschäd-
                                                                      liche Holzverbrennung erst startet.
     Die Verbrennung von Holzbiomasse wird auf EU-Ebene im
     Rahmen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) als eine        Future on Fire: In ganz Europa wird wertvolles Stamm-
     erneuerbare Energiequelle betrachtet. Dadurch können             holz weiterhin verbrannt
     die EU-Staaten sie auf ihre Ziele für Erneuerbare Energien
     anrechnen und die Holzverbrennung subventionieren, was           Unsere Aktion in Österreich kam zum richtigen Zeitpunkt.
     die Kosten für Biomasseunternehmen massiv senkt – eine           Einen Tag zuvor veröffentlichten wir mit der Forest Defen-
     Katastrophe für unsere Wälder, unsere Gesundheit und             ders Alliance, einem transatlantischen Zusammenschluss
     unseren Planeten! Im Jahr 2021 schlug die Europäische            von Waldnaturschutzorganisationen, zu denen ROBIN
     Kommission eine Überarbeitung der Erneuerbare-Ener-              WOOD gehört, den Report „Future no Fire – How the EU
     gien-Richtlinie vor, um sie an den europäischen Green Deal       Burns Trees in the Name of Renewable Energy“. Darin finden
     anzupassen. Dies war unsere Chance, etwas zu bewegen.            sich zahlreiche Fotos der Holzlager von Holzbiomasse-
     Seitdem setzen wir uns, gemeinsam mit einem Netzwerk             kraftwerken und Pelletproduktionsstätten in ganz Europa.
     aus Bündnispartner*innen aus anderen EU-Ländern, dafür           Nirgendwo, aber wirklich nirgendwo wurden Sägereste oder
     ein, dass die Verbrennung von Holzbiomasse als Form der          Restholz vorgefunden. In ganz Europa landet wertvolles
     Erneuerbaren Energie aus der Richtlinie gestrichen wird.         Stammholz in den Öfen. Die Legende der Nachhaltigkeit der
     Obwohl die Biomasseindustrie eine starke Lobbyarbeit             Holzverbrennung durch das Verbrennen von nicht anders
                                                                      nutzbaren Resten ist mit diesem Report ein für allemal wi-
                                                                      derlegt. Europa und Deutschland – hört auf, unsere Wälder
                                                                      zu verfeuern!

                                                                      Engagieren Sie sich gemeinsam mit ROBIN WOOD für unse-
                                                                      re Wälder. Unterstützen Sie unsere Kampagnen. Beteiligen
                                                                      Sie sich an unseren Aktionen, entweder vor Ort oder über
                                                                      die sozialen Medien. Informieren Sie andere über die Holz-
                                                                      biomasse-Problematik. Treten Sie mit den Mitgliedern des
                                                                      Europäischen Parlaments aus Ihrem Bundesland in Kontakt
                                                                      und fordern Sie sie auf, gegen die Holzbiomasseverbrennung
                                                                      zu stimmen. Denn gemeinsam sind wir stark!

      Foto: Ole V. Wagner                                                      Patricia Ngati & Jana Ballenthien, ROBIN WOOD
                                                                                         Hamburg, patricia.ngati@robinwood.de
     Eine Katastrophe für die Wälder: Die EU stuft die Holzverbren-                                         wald@robinwood.de
     nung als Erneuerbare Energie ein

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Neuer Bericht: Future on Fire                                    Foto: Ole V. Wagner

Die Verbrennung von Bäumen zur Gewinnung vermeint-
lich Erneuerbarer Energie ist aufgrund ihrer Auswirkungen
auf das Klima und das Ökosystem zunehmend umstritten.
Anfang April veröffentlichte die Forest Defenders Alliance,
ein transatlantischer Zusammenschluss von Waldnatur-
schutzorganisationen, zu denen ROBIN WOOD gehört,
den Report „Future no Fire – How the EU burns trees in the
name of Renewable Energy“. Die Autor*innen haben darin
die Verwendung von Baumstämmen („Stammholz“) in
mehreren Holzkraftwerken und Holzpelletfabriken in der
EU anhand von Satellitenbildern und Fotos vor Ort unter-
sucht. Für die deutschen Standorte hat sie ROBIN WOOD
dabei unterstützt.

Trotz der Behauptung, dass vornehmlich Sägespäne und
andere Holzabfälle als Brennstoff genutzt würden, be-
weisen die Recherchen, dass auch ganze Baumstämme
verbrannt werden. Diese Praxis, so warnen Wissen-
schaftler*innen, erhöht die Treibhausgasemissionen und
schädigt die Wälder. Mit mehr als 405 Millionen Tonnen
CO2-Emissionen pro Jahr, die im Rahmen der EU-Politik für
erneuerbare Energien als „Null“ gezählt werden, emittiert
die Bioenergie etwa so viel CO2, wie die gesamten gemelde-
ten Emissionen von Polen oder Italien. Holz, das direkt aus
den Wäldern stammt, ist dabei die größte Brennstoffquelle,
und etwa die Hälfte des in der EU geernteten Holzes wird
zur Energiegewinnung verbrannt. Außerdem importiert
die EU zunehmend Holzpellets und Hackschnitzel aus den
USA, Kanada, Russland, dem Baltikum und dem globalen
Süden, wo riesige Holzpelletfabriken für die Abholzung
natürlicher Wälder verantwortlich sind.
Deutschland ist noch nicht im Big Business der indust-
riellen Verbrennung von Holz. Dennoch lagern an den
vereinzelten Holzbiomassekraftwerken riesige Berge von
Baumstämmen. Für eine höhere Nachfrage müssen mehr
Bäume gefällt werden – das würde die europäischen Wäl-
der gefährden. Die Bilder in diesem Bericht sind ein klarer
Beweis dafür, dass die Biomasse- und Pelletindustrie in der
EU, auch in den neuesten Anlagen, bei weitem nicht nur
Sägewerksrückstände oder kleine Äste aus dem Holzein-
schlag verwendet, sondern auch Stammholz – genau wie
die berüchtigten Pelletproduzenten in weniger regulierten
Regionen wie den USA, Kanada und Russland.

Die EU-Bioenergiepolitik versagt hier und stellt jedes Jahr
Milliarden für eine Industrie bereit, die die Klimaziele und
die Ziele zum Erhalt der Biodiversität der EU eindeutig
untergräbt. Um der Wälder und des Klimas Willen ist es an
der Zeit, dass die EU die Waldbiomasse aus der Richtlinie
für erneuerbare Energien herausnimmt.

Den kompletten Report finden Sie hier im Internet:
https://forestdefenders.eu/wp-content/uploads/2022/04/
FDA-Future-on-Fire-April-5-2022_final.pdf                      2021: Protest in Kopenhagen gegen das industrielle Verbrennen von Holz

                                                                                                           Nr. 153/2.22             21
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