BILDUNGSCHANCEN ERMÖGLICHEN - "Aufklärung und Bildung sind der höchste Schatz eines Volkes."

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BILDUNGSCHANCEN ERMÖGLICHEN - "Aufklärung und Bildung sind der höchste Schatz eines Volkes."
BILDUNGSCHANCEN ERMÖGLICHEN
                                      Newsletter März 2018

„Aufklärung und Bildung
sind der höchste Schatz
eines Volkes.“
Dr. Arthur Pfungst
(1864 -1912)
BILDUNGSCHANCEN ERMÖGLICHEN - "Aufklärung und Bildung sind der höchste Schatz eines Volkes."
EDITORIAL

            Liebe Freunde der Dr. Arthur Pfungst-Stiftung,
            erhöht der frühzeitige Erwerb der Lesekompetenz in der Grundschule die
            Wahrscheinlichkeit der späteren Aufnahme eines Studiums?
            Eine bewusst provozierende Fragestellung, die jedoch nicht so weit hergeholt
            ist, da der Erwerb von Bildung neben persönlichen Fähigkeiten nach wie
            vor wesentlich durch die Rahmenbedingungen in Schule und Elternhaus
            mitbestimmt wird, wie Sie in dieser Ausgabe erfahren.
            Sie erhalten einen Einblick in das Praxisprojekt „Lesekompetenz“ an der Goethe-
            Universität Frankfurt am Main sowie die wichtigsten Änderungen zum neuen
            Urheberrecht. Lesen Sie, wie die Nutznießer des Praxisprojekts zu eigenen
            Urhebern werden.

            Ihr Maximilian Graeve
            Dr. Arthur Pfungst-Stiftung
            Geschäftsführung

                                                                                              2
BILDUNGSCHANCEN ERMÖGLICHEN - "Aufklärung und Bildung sind der höchste Schatz eines Volkes."
AUS DER STIFTUNG
Lesekompetenz: Der entscheidende Bildungsbaustein für Grundschüler
Ein Praxisprojekt zur Leseförderung in der Grundschule der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Sabrina Bieser, ehemalige Stipendiatin der Stiftung, hat im Rahmen ihres Studiums Lehramt an Förderschulen an dem Projekt teilgenommen und
Leseförderungen an einer Frankfurter Grundschule durchgeführt. Nachfolgend berichtet sie von ihren Erfahrungen.

Bericht                                                                             Kurz vorgestellt
                                                                                    Name: 		                 Sabrina Bieser
                                „Eine gezielte und regelmäßige                      Alter: 		                25 Jahre
                                Leseförderung,         durchgeführt   von           Studienabschluss:        1. Staatsexamen Förderschullehramt, 2017
                                Professionellen, findet bedauerlicherweise          Hochschule: 		           Universität Frankfurt am Main
                                viel zu selten statt.“                              Förderschwerpunkte:      Emotionale & soziale Entwicklung, Lernen
                                                                                    Unterrichtsfach:         Deutsch
                                Sabrina Bieser, ehemaliger Stipendiatin der Dr.
                                Arthur Pfungst-Stiftung                             derzeitige Tätigkeit:    Antritt einer Referendariatsstelle

1. Lesekompetenz als Weichenstellung für Bildungserfolg                              darstellte, welcher es kognitiv noch nicht zulässt sich auf die
   Der erfolgreiche Erwerb der Lesekompetenz, stellt in unserer                      Inhaltsebene zu konzentrieren, ermöglichen die Lesebaumbücher
   Gesellschaft eine der wichtigsten Weichen für den schulischen                     dennoch ein Lesegenuss. Ich denke es ist von großer Bedeutung
   und den damit eng verbundenen späteren beruflichen Erfolg. Es                     Kindern zu zeigen, dass Lesen vor allem ein Genusserlebnis sein
   wird unterschätzt, welche negativen Auswirkungen eine geringe                     kann, um sie zu motivieren, die großen und nötigen Anstrengungen
   Lesekompetenz in allen schulischen Bereichen hat. Der erfolgreiche                beim Erwerb der Lesekompetenz auf sich zu nehmen.
   Erwerb der basalen Lesefähigkeiten im Grundschulalter ist leider
   keine Selbstverständlichkeit. Gerade Kinder, welche Deutsch 3. Hörbuchaufnahme als Lesemotivation
   als Zweitsprache lernen, sind vielerlei Herausforderungen im                      Die Leseflüssigkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hierzu
   schulischen Alltag ausgesetzt. Meiner Ansicht nach wird das                       zählt nach Rosebrock die exakte Dekodierung von Wörtern,
   deutsche Schulsystem gerade Kindern mit Deutsch als Zweitsprache                  die Automatisierung der Dekodierprozesse, eine angemessene
   oft nicht gerecht, wodurch Bildungsbenachteiligung erzeugt und                    Lesegeschwindigkeit sowie die Fähigkeit sinngemäß zu betonen.
   durch das System reproduziert                                                                                     Gerade die Automatisierung kann
   wird.                               Eckdaten zum Projekt der Goethe-Universität                                   vor allem durch wiederholtes
                                                                                                                     und regelmäßiges Üben erreicht
                                       • Das Projekt findet seit dem Schuljahr 2005/ 2006 in Kooperation mit
2. Ablauf der Leseförderung               den Staatlichen Schulämtern Offenbach und Frankfurt an jeweils vier        werden, was für Kinder jedoch
   Zweimal wöchentlich habe ich           Grundschulen (2. Klasse) statt.                                            demotivierend wahrgenommen
   mit vier Grundschulkindern • Aufgaben der Studierenden: Lese-Fördermaßnahmen zweimal                              wird. Zur Motivationssteigerung
   der zweiten Klasse die                 wöchentlich in Kleingruppen (4-5 Kinder) während eines Schuljahres         habe ich deshalb mit den Kindern
   Leseförderung durchgeführt.            durchführen. Vorbereitung durch ein projektbegleitendes Seminar und        ein Hörbuch aufgenommen.
                                          Evaluation der eigenen Förderung.
   Diese       fand      während                                                                                     Hierzu habe ich eines der
   der      Unterrichtszeit     in • Zentrale Bausteine des Leseförderprogrammes: Erhebung der                       Lesebaumbücher als Dialog mit
                                          Lernausgangslage, Erstellung eines Förderplanes, Konzeption des
   einem separaten Raum                   Förderunterrichtes, Förderung von Lesetechniken, Lesefertigkeiten,         Erzähler umgeschrieben und die
   statt. Die Übungs- und                 Lesemotivation, sprachlichen Fähigkeiten und Textverständniss.             verschiedenen Rollen auf die
   Fördermaterialien wurden von Weitere Informationen unter:                                                         Leseniveaus der Kinder angepasst.
   der Universität bereitgestellt.     www.uni-frankfurt.de/50294368/Lesefoerderung-GS                               Dadurch, dass die Kinder sich selbst
   Nach einer anfänglichen                                                                                           hören konnten und einen riesigen
   Lernstandserhebung habe ich, meist in Einzelförderung, mit den                    Spaß hatten, sich selbst aufzunehmen, wurden viele Textpassagen
   Kindern lesen geübt. Der Fokus lag hier vor allem auf der Förderung               gerne mehrmals gelesen. Zudem wurde mit den Kindern zusammen
   der Leseflüssigkeit, da diese, neben sprachlichem Verständnis,                    erarbeitet, welche Geräusche zum Text passen. Diese wurden im
   ausschlaggebend für das Verstehen eines Textes ist. Hier wurde vor                Anschluss von mir zu einem Hörbuch zusammengeschnitten. Zum
   allem auf Wort- und Satzebene gearbeitet. Sehr hilfreich waren                    Abschluss des Projektes haben wir der gesamten Klasse das Hörbuch
   hierbei die Materialien vom Lesebaum-Verlag e.K., der kleine Bücher               vorgespielt. Die Kinder waren sehr stolz auf ihr Hörbuch und es
   mit zusätzlichen Bildern für unterschiedliche Lesekompetenzstufen                 war schön zu sehen, dass sie Lesen mit etwas tollem und einem
   anbietet. Da für die Kinder Lesen ein sehr mühsamer Prozess                       Erfolgserlebnis verbinden.
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BILDUNGSCHANCEN ERMÖGLICHEN - "Aufklärung und Bildung sind der höchste Schatz eines Volkes."
AUS STUDIUM UND WISSENSCHAFT
Bildungsungleichheit in Deutschland besteht weiterhin
Seit dem "PISA-Schock" hat sich im deutschen Bildungssystem einiges verbessert. Doch wie aktuelle Studien bestätigen bleibt die
Chancengerechtigkeit die zentrale Herausforderung: Noch immer entscheidet in Deutschland die sozioökonomische Herkunft über
Schulerfolg und Bildungschancen.
Bildungsungleichheit besteht, wenn Kinder oder Erwachsene durch soziale Barrieren und durch schichtspezifische Sprachentwicklung in der
Entfaltung ihrer Bildungsmöglichkeiten beeinträchtigt sind (vgl. Becker 2017)1. „So sind trotz Schulpflicht, Massenbildung, Bildungsreformen
und Bildungsexpansionen der Zugang zu höherer Bildung und Erwerb anerkannter Bildungsabschlüsse nicht für alle Sozialgruppen in gleichem
Maße möglich" (Becker 2017)2. Die soziale Herkunft bestimmt den Zugang zu Bildung. Deshalb fordern viele Bildungswissenschaftler und
Politiker einen Wandel grundlegender Rahmenbedingungen des deutschen Bildungssystems.
In Bezug auf die Aufnahme eines Studiums zeigt der aktuelle
Bildungsbericht, dass die Herkunft der Eltern die Wahrscheinlichkeit,              Haben Vater oder Mutter studiert, beginnen von
ein Studium aufzunehmen, erheblich beeinflusst. „Obgleich
wesentliche soziale Filterungsprozesse bereits in der Schullaufbahn                      100                            100
erfolgen, zeigen Studienberechtigte aus einem nicht akademischen                   Akademikerkindern          Nicht-Akademikerkindern
Elternhaus bei gleicher Schulleistung eine geringere Studierneigung
(Bildungsbericht 2016)3.“ Ein positiver Trend zeichnet sich bei dem
Erwerb des Hochschulzugangs ab: „Während 2002 nur 38,2 Prozent
der Schulabgänger das Recht auf ein Hochschulstudium erwarben,
gelingt dies heute 52,2 Prozent“ (Chancenspiegel 2017)4. „Die Chancen
benachteiligter Schüler haben sich ebenfalls verbessert, bleiben aber
die große Herausforderung für die Schulpolitik. Dies gilt vor allem für
den Zusammenhang von Bildungserfolg und sozialer Herkunft. Trotz
leichter Verbesserungen liegen Neuntklässler aus sozioökonomisch                    74 ein Studium,                21 ein Studium,
schwächeren Milieus in ihrer Lesekompetenz immer noch mehr als                     63 schließen es ab.            15 schließen es ab.
zwei Schuljahre hinter ihren Klassenkameraden aus privilegierten
                                                                                                                         Quelle: Chancenspiegel
Milieus zurück“, berichtet der aktuelle Chancenspiegel.
Informiertheit und Unterstützung sind entscheidend für die Berufs- und Studienwahl
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) unterstützt bei der Aufnahme eines Studiums, sodass Studienkosten für BAföG-Berechtigte
zumindest zu einem Teil abdeckt sind. Docht trotz möglicher Studienförderung spielen finanzielle Gründe eine wesentliche Rolle bei der
Entscheidung für oder gegen ein Studium, wie die Studie Best Up5 zeigt. Laut Bildungsbericht nehmen 62 Prozent der Studienberechtigten aus
einem nicht akademischen Elternhaus aus finanziellen Gründen kein Studium auf. Aufgrund fehlender Hochschulerfahrungen und mangelnder
Informationen würden Nichtakademikerkinder und deren Eltern die Studienkosten häufig zu hoch einschätzen und aus Angst vor Schulden erst
gar kein Studium anstreben.
In Nichtakademikerfamilien fehlen an vielen Stellen Informationen aus erster Hand“, sagt die Gründerin der gemeinnützigen Organisation
„ArbeiterKind.de“6, Katja Urbatsch. Deshalb würden Eltern ohne akademischen Bildungshintergrund einen Studienwunsch ihres Kindes häufig
nicht unterstützen, sodass ein Herausbewegen aus gewohnten familiären schichtspezifischen Strukturen eher selten ist. „Ein Studium ist für sie
nicht greifbar, weil sie keine eigenen Erfahrungswerte haben“, sagt Urbatsch. Da Auszubildende bereits sofort ein Gehalt bekommen, erscheine
ein Studium für viele Nichtakademikerkinder wenig sinnvoll. Vielen sei jedoch nicht bewusst, welche Vorteile ein Studium gegenüber einer
Berufsausbildung habe. Akademikerkinder hätten dagegen bereits Anknüpfungspunkte: „Ihre Eltern sind Vorbilder in Sachen Studium und
unterstützen ihre Kinder aktiv dabei, ebenfalls zu studieren.“ Zudem verdienen Eltern mit einem geringeren Bildungsniveau deutlich weniger
als studierte Eltern, sodass sie das Studium ihrer Kinder nicht in dem Maße zusätzlich unterstützen können wie Eltern mit einem höheren
Einkommen.
Die Forschungsstudie Best Up zeigt: Die Bereitstellung von wissenschaftlichen Informationen zu Finanzierungsmöglichkeiten und Nutzen
eines Studiums sowie den tatsächlichen Kosten können soziale Ungleichheit reduzieren. Außerdem helfen konkrete Informationen zum BAföG
und dessen Rückzahlung, den Verdienstmöglichkeiten in akademischen Berufen sowie zum Arbeitslosigkeitsrisiko. Forschungsergebnissen
zufolge fällt letzteres bei einem abgeschlossenen Studium geringer aus als bei einer absolvierten Berufsausbildung. Durchschnittsgehälter bei
Hochschulabsolventen sind zudem deutlich höher. Für Abiturienten aus einem nicht akademischen Elternhaus sind diese Informationen sowie
Informationen zur Berufswahl entscheidend für die Aufnahme eines Hochschulstudiums.
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BILDUNGSCHANCEN ERMÖGLICHEN - "Aufklärung und Bildung sind der höchste Schatz eines Volkes."
Fortsetzung: Bildungsungleichheit in Deutschland besteht weiterhin

Ansätze zur Reduzierung sozioökonomischer Differenzen
Von wissenschaftlicher Seite gibt es unterschiedliche Ansätze, um                  „Gleiche Bildungschancen – d. h. gleiche Chancen für
Bildungsungleichheit zu begegnen und einzudämmen. Wir möchten                      alle, eine Bildung und Ausbildung zu erhalten, die den
nachfolgend verschiedene Beispielmaßnahmen vorstellen.                             individuellen Fähigkeiten und Leistungen entspricht
                                                                                   – sind ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit“, sagen
Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus Hurrelmann hält beispielsweise                    Bildungswissenschaftler Rainer Geißler und Sonja
Informationen alleine für nicht ausreichend. Informationen zur                     Weber-Menges8.
Berufs- und Studienwahl an Gymnasien seien wertvoll, würden aber
nur einzelnen Kindern von Nichtakademikern helfen. Um möglichst
viele Nichtakademikerkinder zu erreichen „muss man spätestens in            Vier Prozent der Studierenden erhalten ein Stipendium
der Grundschule ansetzen, damit der Einfluss der sozialen Herkunft          Nur vier Prozent aller Studierenden in Deutschland erhalten
zukünftig nicht mehr so bedeutsam ist“, sagt Prof. Dr. Hurrelmann.          regelmäßig ein Stipendium, davon überwiegend Akademikerkinder
Langfristig könne nur ein grundlegender struktureller Wandel des            (21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks9).
Bildungssystems Bildungsgerechtigkeit schaffen. Im Hinblick auf             Studien zufolge entscheidet auch hier oft die soziale Herkunft und
Chancengleichheit seien der Krippenausbau und eine ausreichende             nicht die Begabung. So zeigt die 20. Sozialerhebung10, dass unter
Anzahl an Kindergartenplätzen, wie durch die Veröffentlichung der           den Studierenden der Herkunftsgruppe „niedrig“ (max. ein Elternteil
Ergebnisse der ersten PISA-Studie aus dem Jahr 2000 angestoßen,             mit einem nicht-akademischen Berufsabschluss) der Anteil der
bereits die richtigen Schritte. Allerdings: „Die Familie bleibt der         Studierenden, die ein Stipendium erhalten, nur 2,8 % beträgt. Der
wichtigste Lernort.“ Daher sei es so wichtig, auch die Eltern zu schulen.   Erhalt eines Stipendiums nimmt mit steigendem Bildungsniveau der
Zusammen mit Adolf Timm und Eva Jermer hat Prof. Dr. Hurrelmann             Eltern zu. So erhalten von den Studierenden, deren Eltern beide über
das bundesweit einzigartige Programm „Die Gesetze des Schulerfolgs          einen akademischem Abschluss verfügen, 5,8 % ein Stipendium.
(GdS)“7 ins Leben gerufen. Eltern können bei diesem Training lernen,        Auch andere Studien (vgl. Middendorff et al., 200911) zeigen, dass
wie sie ihre Kinder bereits ab dem Vorschulalter durch ihr Verhalten        Studierende aus Akademikerfamilien anteilig häufiger zu den
unterstützen können. „Eltern sind und bleiben die wichtigsten               Stipendiat(inn)en gehören.
Karriereberater ihrer Kinder“, erklärt Bildungsexperte Hurrelmann.

Der Ausbau der Ganztagsschulen scheint mehreren Studien
zufolge zudem ein weiteres geeignetes Mittel zu sein, um                        Stipendienprogramm: Dr. Arthur Pfungst-Stiftung
Chancengerechtigkeit im deutschen Schulsystem zu erreichen. Das
Thema Ganztagsschule rückte gerade durch die von Studien wie                  Die Dr. Arthur Pfungst-Stiftung unterstützt gezielt Studierende
PISA oder TIMSS diagnostizierte Bildungsmisere immer mehr in den              aus Nichtakademikerfamilien (Bedürftigkeit) mit entsprechenden
politischen und wissenschaftlichen Fokus. Bundesweit ist demnach              Leistungen (Begabung). Die Stiftung fördert damit den Zugang
beim Ganztagsausbau ein Aufwärtstrend zu beobachten. Lernte 2002              zu Bildung, mit dem Ziel, „BILDUNGSCHANCEN zu ERMÖGLICHEN“
nur einer von zehn Schülern an einer Ganztagsschule, sind es laut             und vergibt Stipendien an Studierende, die sich aufgrund
aktuellem Chancenspiegel heute knapp vier von zehn. Gerade der                ihrer Herkunft und finanziellen Situation kein Studium leisten
gebundene Ganztag, wo Schüler über den gesamten Tag gemeinsam                 können. Die Vergabe der Stipendien erfolgt zudem unter den
als Klassenverband unterrichtet werden, biete laut Bildungsforschung          Voraussetzungen der Geradlinigkeit und Zielgerichtetheit
gute Rahmenbedingungen dafür, alle Schüler individuell optimal                im Hinblick auf den gewählten Studiengang und den
zu fördern. „Der gebundene Ganztag kann potenziell am ehesten                 Studienabschluss. Die Förderung erfolgt deutschlandweit in allen
die Nachteile derjenigen Kinder ausgleichen, die in ihren Familien            Fachrichtungen, unabhängig von Nationalität und Konfession
nur geringe Unterstützung erfahren“, so der Chancenspiegel. Jörg              der Studierenden. Der Anteil der geförderten Studierenden mit
Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, fordert deshalb einen              nichtakademischem Elternhaus ist überproportional hoch.
Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz: „Bessere Chancen
für alle Schüler gibt es nur, wenn Bund und Länder mehr in die
Schulsysteme investieren und gemeinsame Qualitätsstandards für              Weiterführende Informationen:
ganztägige und inklusive Schulen vereinbaren."                              www.bildungsbericht.de
                                                                            www.chancen-spiegel.de
                                                                            www.best-up.eu
                                                                                                                                                 5
WAS UNS NOCH BEWEGT ...
Neues Urheberrecht für die Wissenschaft: Studierende und Lehrende profitieren
Am 1. März 2018 ist das neue Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) in Kraft getreten. Es reformiert die Regelungen zur Nutzung
urheberrechtlich geschützter Werke für Bildung und Forschung. Ziel des Gesetzentwurfs ist es, bestimmte zeitgemäße Nutzungsmöglichkeiten
der digitalen Welt zu ermöglichen und dabei einen Mindestzugang sicher zu stellen. Die Neuregelung ist zunächst auf fünf Jahre befristet. Nach
vier Jahren wird das Gesetz hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Wissenschaft und Verlagslandschaft evaluiert.2, 3

Was ändert sich für Studenten, Hochschullehrer und                      Was bedeutet „Werk“?
Wissenschaftler?                                                        „Das Urheberrecht schützt nicht die Idee, sondern nur das durch die
Hochschullehrer können mit dem UrhWissG Auszüge aus                     persönlich-geistige Schöpfung entstandene Werk. Damit ein Werk
urheberrechtlich geschützten Werken in elektronischer Form oder         entstehen kann, wird ein Urheber benötigt. Dieser gibt seiner Idee eine
als Kopiervorlage unkompliziert und rechtssicher für Studierende        durch die menschlichen Sinne wahrnehmbare Form. Die Form zeichnet
zur Verfügung stellen. Die Neuregelung sieht eine Gesamtvergütung       sich durch eine nicht zufällige oder naturgegebene Anordnung aus,
der Nutzung von Werken in digitalen Semesterapparaten vor. Eine         sondern folgt erkennbar dem Willen des Urhebers.“1
Einzelerfassung und -abrechnung der Nutzungen ist demnach nicht
                                                                        Was bedeutet „Verwertung“?
mehr erforderlich.                                                      „Der Urheber ist in Besitz der alleinigen Verwertungsrechte und kann
Eine vollständige Bereitstellung ist bei einzelnen Beiträgen aus        diese selber wahrnehmen oder ggf. als Nutzungsrechte an sogenannte
Fachzeitschriften oder wissenschaftlichen Zeitschriften, Werken         Verwerter übertragen. Unter den Begriff Verwertung fallen
geringen Umfangs, Abbildungen und vergriffenen Werken erlaubt.          unter anderem Nutzungsarten wie Vervielfältigung, Verbreitung,
Nicht mehr erlaubt ist das Einstellen von Artikeln aus (Tages- und      Ausstellung, öffentliche Wiedergabe und Bearbeitung des Werkes.
Wochen-) Zeitungen und Publikumszeitschriften.                          Der Urheber muss jeder dieser Verwertungen zustimmen, in der Regel
Wissenschaftler können künftig große Mengen an Texten mit               werden dafür Verträge aufgesetzt.“1
entsprechender Software analysieren (sog. Text- und Datamining),
ohne zuvor jeden einzelnen Autor oder Verlag um Erlaubnis zu bitten.   Welche Werke sind urheberrechtlich geschützt?
Bibliotheken können Kopien von wissenschaftlichen Artikeln auf          • Sprachwerke,          wie     Schriftwerke,     Reden      und
Einzelbestellung digital versenden.2, 3                                    Computerprogramme
                                                                        • Musik- und Filmwerke
Was ist das Urheberrecht?                                               • pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst
„Das Urheberrecht beinhaltet die gesetzlichen Regelungen zur • Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der
Nutzung und zum Schutz der geistigen Schöpfung. Gleichzeitig soll          Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher
dadurch auch eine angemessene Vergütung für die Verwertung des             Werke
Werkes gewährleistet werden.“   1                                       • Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie
                                                                           Lichtbildwerke geschaffen werden
Was bedeutet „Urheber“?                                                 • Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie
„Als Urheber wird der Schöpfer eines Werkes bezeichnet. Dieser Begriff     Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische
umfasst somit Autoren, Komponisten, Choreografen, Designer, Maler,         Darstellungen
Bildhauer, Erfinder und Programmierer sowie weitere Berufsgruppen,
die aufgrund von produktiver und kreativer Arbeit ein Werk geschaffen Dies gilt auch für Texte, Werke und sonstige Dokumente, die im
haben. Dem Urheber obliegt das Recht, über die Verwertung seines Internet zu finden sind.
                                                                                               1

Werkes zu entscheiden. Jeder, der seine eigene und persönliche Idee in
eine erfassbare Form bringt, ist ein Urheber. Weshalb auch die Werke
von Kindern und Menschen mit Handicap unter das Urheberrecht             „Der Urheberrechtsschutz erlischt 70 Jahre nach dem Tod
fallen können. Deren Rechte werden dann vom gesetzlichen Vormund         des Autors. Bestimmte amtliche Werke, z.B. Gesetzestexte,
wahrgenommen.“1                                                          genießen keinen Urheberrechtsschutz. Private Normwerke
                                                                         oder wissenschaftliche Veröffentlichungen aus öffentlichen
Quellen und weiterführende Informationen unter:                          Institutionen sind geschützt. In der Regel kann das Urheberrecht
1
  www.urheberrecht.de                                                    nicht übertragen werden. Allerdings ist es durch ein Testament
2
  Bundesministeriums für Bildung und Forschung: www.bmbf.de;             vererbbar. Rechtsgeschäfte über das Urheberrecht können aber
3
  eCampus Universität Bonn: www.ecampus-services.uni-bonn.de/de/         trotzdem in Form von Nutzungsrechten zustande kommen.“1
nachrichten/neues-urheberrechtsgesetz

                                                                                                                                             6
LITERATURNACHWEIS
Zum Artikel "Bildungsungleichheit in Deutschland besteht weiterhin"
1, 2
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3
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    Bertelsmann Stiftung (2017). Bessere Chancen für Schüler, aber Unterschiede zwischen Bundesländern wachsen. Chancenspiegel 2017.
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    Peter, F. et al. (2016). Informationen zum Studium verringern soziale Unterschiede bei der Studienabsicht von AbiturientInnen. In: DIW
    Wochenbericht, Nr. 26/2016, S. 555-565. URL: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.537256.de/16-26-1.pdf
    (Stand: 01.03.2018).
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    Arbeiterkind.de: Für alle, die als Erste in ihrer Familie studieren, URL: http://www.arbeiterkind.de (Stand: 01.03.2018).
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    GdS Elterntraining Adolf Timm e. K.: Die Gesetze des Schulerfolgs (GdS). Programm zur Bildungspartnerschaft von Eltern, Erziehern und
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    phil/sozialwissenschaften/soziologie/mitarbeiter/geissler/bildungsungleichheit-eine_deutsche_altlast.pdf (Stand: 01.03.2018).
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    Middendorff, E. et al. (2017). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016. 21. Sozialerhebung des
    Deutschen Studentenwerks. URL: http://www.sozialerhebung.de/download/21/Soz21_hauptbericht.pdf (Stand: 01.03.2018).
10
    Middendorff, E. et al. (2013). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des
    Deutschen Studentenwerks. URL: https://www.bmbf.de/pub/20._Sozialerhebung_2012_Langfassung.pdf (Stand: 01.03.2018).
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    unter allen Geförderten der elf Begabtenförderungswerke im Oktober 2008. Hannover: HIS Hochschul-Informations-System,
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BILDNACHWEIS
Titelbild: © Privat; Seite 2: © Kathrin Herold; Seite 3: © Privat

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Redaktion: Nadine Zeidler, Maximilian Graeve (verantwortlich)
Text und Gestaltung: Nadine Zeidler

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