70.Jahr Heft12 Dezember2017 - Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung
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Zeitschrift der Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung 70. Jahr Heft 12 Dezember 2017 LANDESDELEGIERTENVERSAMMLUNG: D i s k u s s i o n e n - Wa h l e n - A b s t i m m u n g e n
HLZ 12/2017 2 Zeitschrift der GEW Hessen für Erziehung, Bildung, Forschung ISSN 0935-0489 I M P R E S S U M Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Landesverband Hessen Zimmerweg 12 60325 Frankfurt/Main Telefon (0 69) 971 2930 Fax (0 69) 97 12 93 93 E-Mail: info@gew-hessen.de Homepage: www.gew-hessen.de Verantwortlicher Redakteur: Harald Freiling Klingenberger Str. 13 60599 Frankfurt am Main Telefon (0 69) 636269 Fax (069) 6313775 E-Mail: freiling.hlz@t-online.de Mitarbeit: Christoph Baumann (Bildung), Tobias Cepok (Hoch- schule), Dr. Franziska Conrad (Aus- und Fortbildung), Holger Giebel, Angela Scheffels (Mitbestimmung), Michael Köditz (Sozialpädagogik), Annette Loycke (Recht), Andrea Gergen (Aus- und Fortbildung), Ka- rola Stötzel (Weiterbildung), Gerd Turk (Tarifpolitik und Gewerkschaften) Gestaltung: Harald Knöfel, Michael Heckert † Titelthema: Harald Freiling Illustrationen: Thomas Plaßmann (S. 15, 21, 27, 35), Dieter Tonn (S. 19, 33), Ruth Ullenboom (S. 4) Fotos, soweit nicht angegeben: Joyce Abrahams (Titel, S.3, 6-16), GEW (S. 5), Kay Herschelmann (S. 24) Verlag: Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Niederstedter Weg 5 61348 Bad Homburg Anzeigenverwaltung: Mensch und Leben Verlagsgesellschaft mbH Die Fachtagung der GEW-Bezirksver- Bildung (Prof. Tim Engartner), die Rol- Peter Vollrath-Kühne bände Frankfurt und Südhessen und des le von Stiftungen in Schulen (Matthias Postfach 19 44 GEW-Landesverbands findet am Sams- Holland-Letz) sowie die Auswirkungen 61289 Bad Homburg tag, dem 17. 2. 2018 von 9.30 bis 17.30 der Ökonomisierung und Individualisie- Telefon (06172) 95 83-0, Fax: (06172) 9583-21 E-Mail: mlverlag@wsth.de Uhr im DGB-Haus in Frankfurt statt. rung auf die Elementarpädagogik (Prof. Damit setzt die GEW die Auseinander- Thilo Naumann). Erfüllungsort und Gerichtsstand: Bad Homburg setzung mit der Ökonomisierung des Bildungswesens fort. Schwerpunkte der • Weitere Infos in dieser HLZ, S. 17 Bezugspreis: Jahresabonnement 12,90 Euro (9 Ausgaben, ein- Fachtagung sind der Wert öffentlicher • Anmeldung: info@gew-frankfurt.de schließlich Porto); Einzelheft 1,50 Euro. Die Kosten sind für die Mitglieder der GEW Hessen im Beitrag enthalten. Zuschriften: Aus dem Inhalt Rubriken Einzelbeiträge Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird keine Haftung übernommen. Im Falle einer Ver- 4 Spot(t)light 17 Werbung und Sponsoring öffentlichung behält sich die Redaktion Kürzungen 5 Meldungen 18 GEW diskutiert über die Reform vor. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen 25 Tarifrecht: Änderungen im Jahr 2018 der Hessischen Verfassung nicht mit der Meinung der GEW oder der Redaktion übereinstimmen. 25 Briefe 20 Schulgeld an Privatschulen 34 Recht: Arbeitszeugnis 22 Silvia Gingold: Klage gegen das 36 Jubilarinnen und Jubilare Landesamt für Verfassungsschutz Redaktionsschluss: 37 Magazin 24 GEW-Kongress: Berufsverbote und Jeweils am 5. des Vormonats Unvereinbarkeitsbeschlüsse Titelthema: GEWerkschaftstag 2017 26 Kompetenzorientierte Lehrpläne Nachdruck: 28 Neusprech: Vor und nach der Wahl Fotomechanische Wiedergabe, sonstige Vervielfälti- 6 Debatten, Wahlen, Beschlüsse gungen sowie Übersetzungen des Text- und Anzei- 29 Mehr Personal für die Hochschulen! 10 Wichtige Beschlüsse im Überblick genteils, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher 30 Max-Traeger-Debatte geht weiter Genehmigung der Redaktion und des Verlages. 14 Hier spricht die Basis: 32 Google und andere Datenkraken Druck: HLZ befragt die Delegierten Druckerei und Verlag Gutenberg Riemann GmbH 16 Verabschiedung von Jochen Nagel 40 lea-Programm Werner-Heisenberg-Str. 7, 34123 Kassel
3 HLZ 12/2017 KOMMENTAR Belastungen abbauen Rund 300 Delegierte aus den Kreis- und Bezirks- gungsverhältnisse und Angebote von fragwürdiger verbänden, den Fach- und Personengruppen von der Qualität. Deshalb gilt für die GEW Hessen wie bisher: Jungen GEW bis zu den Seniorinnen und Senioren Bildung muss in öffentlicher Verantwortung bleiben! haben auf der Landesdelegiertenversammlung (LDV) Die LDV hat in ihren Beschlüssen klare Maßstä- der GEW in Bad Soden drei Tage lang diskutiert und be für gewerkschaftliches Handeln gesetzt: „Kin- gestritten und dem neu gewählten Landesvorstand dertagesstätten, Schulen, Hochschulen und Wei- klare Aufträge gegeben. terbildungseinrichtungen müssen für gelingende Wie so oft geht es um die Frage, was uns, was der Bildungsarbeit menschenfreundliche Lernbedingun- Gesellschaft gute Bildung wert ist, in den Kitas, in gen bieten können. Dazu gehören eine umfassende den Schulen, in der Weiterbildung, an den Hochschu- Versorgung mit professionellem Personal, eine ange- len und bei den freien Trägern. Die jahrelange, dra- messene räumliche und materielle Ausstattung und matische Unterfinanzierung des Bildungswesens, so Planungssicherheit.“ Deshalb kämpft die GEW weiter sagte es die LDV gleich am ersten Tag, „muss durch dafür, dass marode Schulgebäude, Kitas und Hoch- eine deutlich verbesserte finanzielle Ausstattung von schulen saniert und von Schadstoffen befreit werden. Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen und Wei- Im nächsten Jahr wird in Hessen gewählt. In die- terbildungseinrichtungen beendet werden“. sem Jahr wird die GEW Hessen im Bündnis mit El- Die Folgen der Unterfinanzierung treffen Kinder, tern und Schülerinnen und Schülern ihre Positionen Jugendliche und junge Erwachsene und die Beschäf- und Forderungen lautstark einbringen: tigten in gleichem Maß. Kinder und Jugendliche wer- • für eine deutliche Reduzierung der Arbeitszeit in den um Teilhabemöglichkeiten und individuelle Ent- allen Bildungsbereichen und an den Schulen für eine wicklungschancen gebracht. Die Beschäftigten leiden deutliche Reduzierung der Pflichtstundenzahl unter Arbeitsdruck, Überlastung und drohender Ab- • gegen die Abwertung und Dequalifizierung aller wertung ihrer Arbeit. Die steigende Arbeitsbelastung pädagogischen Professionen der Lehrkräfte wurde nicht nur in den entsprechen- • für eine Reduzierung der Klassen- und Gruppen- den Anträgen thematisiert, sondern beherrschte auch größen in Schule und Kitas und für eine bessere Be- die Diskussion über die Inklusion oder den Ausbau treuungsrelation an Hochschulen der Ganztagsschulen. Deshalb gibt es für den neu- Wir werden unsere erfolgreiche Kampagne „A13 en Landesvorstand einen ganz klaren Arbeitsauftrag, für alle“ fortsetzen, denn sie ist auch ein Beitrag zur die Arbeitsbelastung verstärkt in den Mittelpunkt der Bekämpfung des Lehrkräftemangels. Arbeit zu stellen und aus den verabschiedeten und Für all diese notwendigen Verbesserungen braucht den aus Zeitgründen nicht mehr behandelten Anträ- der Staat mehr Geld. Dafür reichen konjunkturell ge eine Strategie zur Reduzierung von Arbeitszeit und bedingte Mehreinnahmen nicht aus. Deshalb strei- Arbeitsbelastung zu entwickeln. ten wir weiter für eine gerechtere Verteilungspoli- Gerne weichen die Kommunen und das Land Hes- tik. Wahlkampfversprechen für mehr Geld für die sen unter der „Finanzierungsnot“ auf freie Träger Bildung reichen nicht aus. Es müssen Taten folgen. aus, um sich von Kosten zu entlasten. Statt die Schu- len mit ausreichenden Mitteln auszustatten und ih- Birgit Koch und Maike Wiedwald nen den Weg zu einer echten Ganztagsschule zu ermöglichen, sollen freie Träger im „Pakt für den Nachmittag“ mit Personal ohne Tarifbindung die Kosten senken. Die Folge sind prekäre Beschäfti- Birgit Koch und Maike Wiedwald wurden mit 88 % der Stimmen „im Tandem“ zu neuen gleichberechtigten Vor- sitzenden der GEW gewählt. Alle Wahlergebnisse und die Beschlüsse im Überblick findet man in dieser HLZ auf den Seiten 6 bis 16.
SPOT(T)LIGHT HLZ 12/2017 4 Ich bin Oberstufe Lehrer nur mit großer Anstrengung und mühsamer Verachtung grüßen. Im Zuge ihrer sensiblen Differenzierungsarbeit haben sie schnell begriffen, dass es an unserer Schule Studienräte, also qua- lifizierte Oberstufenlehrer, und so eine Wenn Schüler und Schülerinnen un- entgegendämmert, Verzeihung, entge- Art angelernte Grundschullehrer gibt. serer Anstalt im Berliner Kiez die Hür- genfiebert. Weisungsbefugt für SEK II sind natür- de in die Oberstufe genommen haben, Da sich die Abiturienten nun der lich nur die echten Lehrer. Allerdings scheint mit etlichen von ihnen eine wahren Reife und Menschwerdung mit erdreisten sich diese besseren Kinder- wundersame Wandlung vor sich zu Riesenschritten nähern und manche mit gärtner immer mal wieder, die Oberstu- gehen. Ganz offensichtlich haben sie dem Öffnen der Tür in den Klassen- fenschüler auf bestimmte Verhaltensre- das plumpe und unkleidsame Verpup- raum der Elften meinen, ihre Promo- geln anzusprechen. Wie lächerlich. „Ich pungsstadium des schnöden Mittelstu- tionsurkunde bereits in der Tasche zu bin Oberstufe!“ Und deshalb hast du fenschülers hinter sich gelassen und haben, beginnen sie ihr soziales Um- mir gar nichts mehr zu sagen! Das war flattern jetzt als Schmetterlingsinkar- feld sehr feinsinnig zu differenzieren. vielleicht früher, als du noch gut genug nation des reinen und wahren Intellekts Auf einmal verdient die Sek I, der eini- dafür warst, mir die Nase zu putzen und durch die ruhigen Hallen ihres Oberstu- ge mit knapper Müh’ und Not und di- die Schuhe zuzubinden… fenbereichs – hin und wieder aufge- versen geschenkten Punkten entronnen Und wenn ich gar im Sekretariat schreckt durch respektlose Haupt- und sind, nur noch tödliche Verachtung. Die per Handy meinen Autoverkauf tätige, Realschüler, die frech die Flure entlang- Würmer und Engerlinge der Mittelstu- was ficht es dich an. Es gab und gibt trampeln, obwohl es natürlich offiziell fe, die lautstark und unsortiert durch immer Menschen mit Privilegien, und strikt verboten ist, dort zu laufen und die Schule wabern und die Türen ver- wenn ich mich nicht herabgelassen hät- Geräusche von sich zu geben, wo un- stopfen, sollen doch bitte nicht im sel- te, diese Schule zu besuchen, hättest du sere Oberstufe ihren höheren Weihen ben Wiesengrund rauchen, in dem die kleiner minderbemittelter Hauptschul- gelehrten und gelehrigen Schmetterlin- pauker ja noch nicht einmal einen Job! ge der Oberstufe tiefsinnigen Ge- Nur der Gnade meines unregelmä- danken nachhängen. Auch ßigen Schulbesuchs (ich habe schließ- sollten die „Parfüm-und- lich noch genug andere Interessen wie Make-up-geilen Mittel- Führerscheinprüfung, nächtliche Sze- stufler“ eigene Schmink ne-Erkundungen und experimentel- räume bevölkern, damit le Rauschmittelstudien) habt Ihr Eure sie die Toi letten nicht für Oberstufe doch letztendlich zu verdan- die wissenschaftsbeflissenen ken. Ohne uns befändet Ihr Euch nur und leicht entnervten Oberstu- in einer Bildungswüste dritten Grades. fenschülerinnen blockieren, deren Hätte ich mein gutbürgerliches Gym- Zeit weitaus wertvoller und nur nasium nach drei Versuchen nicht ver- knapp bemessen ist. Der gemei- lassen, um Euch mit meiner Präsenz zu ne Mittelstufenschüler lässt den beehren, würdet Ihr Euch doch nur mit Prinzipalen unserer Schule gefäl- den trostlosen und gewalttätigen Pro- ligst den Vortritt in der Mensa, dukten Eurer Kiezschule herumquälen, wenn sie speisen wollen die ich aus der Ferne mit mitleidigem – falls die respektlos Lächeln bedenke. Aber ich, ich!!! hebe kreischenden Siebt Euer Niveau um Meilen! Meine Leistun- klässler nicht wieder gen und mein Arbeitsverhalten entspre- alles kahlgefressen ha- chen zwar nicht unbedingt dem hohen ben. Die hohen gymna- Prestige, dessen ich mich hier zu erfreu- sialen Leistungsanforde- en meine, aber was macht das schon! rungen zehren an Kraft und „Ich bin Oberstufe!“ Gesundheit unserer SEK II- Und in den gymnasialen Wandel- Schmetterlinge, deshalb brau- hallen schreitet dann, andächtig in He- chen sie viel mehr morgendli- gels und Schleiermachers Gedankengut chen Schlaf (was kümmert einen vertieft, zwischen leise plätschernden freien Geist der Unterrichtsbeginn Springbrunnen und dekorativen Hän- um 8.00 Uhr früh; das mag für einen gepflanzen unser intellektueller Nach- OSRAM-Schichtarbeiter interessant wuchs, ungestört und feinfühlig geför- sein, aber doch nicht für ein Genie) dert. In geistreiche philosophische und und viele attestierte Krankheitstage, um ethische Diskurse verstrickt mit Studi- ihre hinfälligen Körper wieder zum Un- endirektoren, Magistern und Doktoren, terrichtsbesuch zu motivieren. die ihre Kinder lieber auf Dahlemer No- Die Oberstufe besuchen zu dürfen, belschulen schicken... ist etwas ganz Besonderes, so dass sie Vom Sozialneid zerfressen auch ihre ehemaligen Lehrerinnen und Ihre Gabriele Frydrych
5 HLZ 12/2017 mELDUNGEN Gewerkschaften: Protest GEW-Aktionstag: gegen Medaille für Koch A13 für alle! In Offenen Briefen protestierten der Am Montag, dem 13. November, de- DGB Hessen-Thüringen sowie die Ein- monstrierten Kolleginnen und Kollegen zelgewerkschaften ver.di, IG Metall und in ganz Hessen in dezentralen Aktionen GEW gegen die Verleihung der Wil- für die Forderung „A13 für alle“. Anlass helm-Leuschner-Medaille an den ehe- war der „Erste Tag der unbezahlten maligen Ministerpräsidenten Roland Arbeit“ als der Tag, an dem die nach Koch (HLZ S. 16). Der Name Wilhelm A12 besoldeten Grundschullehrerinnen Leuschner sei für die Gewerkschaften und Grundschullehrer im Vergleich zur untrennbar mit seinem Kampf im Wi- Besoldung aller anderen Lehrämter nach derstand gegen den Nationalsozialis- A13 „ohne Bezahlung“ arbeiten – und das mus und für die gewerkschaftliche und bis zum Ende des Jahres. Mit Plakaten, gesellschaftliche Einheit verbunden. Elternbriefen, dem gemeinsamen Lied ten sie vor den Schulämtern, in Heppen- Der Name Roland Koch stehe für die „Drum auf…“ (HLZ S. 13) bekräftigten heim unter dem Motto „Ab jetzt ,gerne‘ Gewerkschaften in Hessen nach wie vor sie öffentlich ihre Forderung nach einer ohne Geld ...“. In den Schulen im Main- für den Austritt aus der Tarifgemein- gerechten Bezahlung. In Kassel gab es Kinzig-Kreis wurde „das Märchen von schaft der Länder, für ein beispielloses einen „pädagogischen Leichenschmaus“ der gerechten Besoldung der Grund- Programm zum Sozialabbau, für eine als „Abgesang auf die hessische Bil- schullehrkräfte“ öffentlich vorgelesen. „schmutzige Unterschriftenkampagne dungspolitik im Grundschulbereich“, in • Weitere Informationen und zahlreiche gegen die doppelte Staatsbürgerschaft“ Marburg (Foto) und Frankfurt protestier- Fotos: www.gew-hessen.de. sowie für Gehaltskürzungen und Ar- beitszeitverlängerung für Beamtinnen und Beamte. Wiesbaden: Bündnis Die DGB-Region Rhein-Main und „Schulen sanieren sofort!“ andere Initiativen und Verbände riefen für den Tag der Preisverleihung am 1. Über 4.000 Unterschriften übergaben Dezember zu einer Demonstration vor die Vertreterinnen und Vertreter dem Kurhaus in Wiesbaden auf. eines breiten Bündnisses für die schnelle Sanierung der Wiesbadener Schulen (HLZ 11/2017) an die Stadt Paradise Papers: verordnetenvorsteherin Christa Gabriel. Geld ist genug da! Schülerinnen und Schüler der Hafen- schule im Stadtteil Schierstein und der Die GEW Hessen verlangt angesichts Fritz-Gansberg-Schule waren mitge- des mit den „Panama Papers“ verbun- kommen, um für den dringend erfor- denen neuen Skandals um Steuerver- derlichen Neubau ihrer Schulen zu de- meidung und Steuerhinterziehung eine monstrieren. Wie Lilian Pürthner und Homepage der GEW, die die Missstän- andere Ausrichtung in der Steuerpoli- Jean Velten für das Bündnis erklärten, de eindrücklich dokumentiert: „Nur die tik. Die stellvertretende Vorsitzende Ka- müsse die Stadt mindestens 20 Millio- Gerüche können wir auf diesem Weg rola Stötzel verwies auf die zunehmend nen Euro im Jahr aufwenden, um auch noch nicht transportieren.“ Insgesamt ungleiche Verteilung von Einkommen nur den Status quo zu erhalten. wird der Sanierungsbedarf an Wiesba- und Vermögen in Deutschland, an der GEW-Vertreter Michael Zeitz ver- dener Schulen auf über 400 Millionen „die Steuerpolitik einen gewaltigen An- wies auf die „Gammelgalerie“ auf der Euro geschätzt. teil“ habe: „Aber ein Teil der durch Steuergeschenke beglückten Reichen und Superreichen kriegt den Hals ein- Kassel: Initiative Nachgefragt GEW-Bezirksverband Südhessen fach nicht voll und nutzt offensicht- lich jede sich bietende legale und ille- Als „kleinen Erfolg“ wertet die Kasse- Am 20. Februar 2018 findet in Darm- gale Möglichkeit, sich auf Kosten der ler Initiative „Nachgefragt“, dass der stadt im „Alten Schalthaus“ (Roden- umstrittene ehemalige Mitarbeiter des steinweg 2) die Bezirksdelegiertenver- Allgemeinheit weiter zu bereichern.“ hessischen Verfassungsschutzes And- sammlung des GEW-Bezirksverbands Um bei Bildungsausgaben wenigs- reas Temme, der sich am Tag der Er- Südhessen statt. Die Meldung der De- tens auf das Durchschnittsniveau der mordung von Halit Yozgat durch den legierten soll bis zum 12.12.2017 er- OECD-Länder zu kommen, sind nach NSU in dessen Internetcafé aufhielt, folgen, Antragsschluss ist der 4.1.2018 Berechnungen der GEW Hessen rund 25 Milliarden Euro an zusätzlichen aus dem Dezernat Beamtenversor- für satzungsändernde Anträge und der Mitteln erforderlich. Die Forderung gung des Regierungspräsidiums Kas- 18.1.2018 für alle anderen Anträge. Auf nach Verteilungsgerechtigkeit und aus- sel abgezogen wurde. Die Initiative der Tagesordnung stehen unter ande- reichenden Mitteln für Bundesländer hatte ihren Protest damit begründet, rem der Geschäftsbericht und die Ent- und Kommunen ist auch Gegenstand dass Temme an diesem Arbeitsplatz lastung des Vorstandes, die Beratung eines Beschlusses der Landesdelegier- mit sensiblen Personaldaten von Be- des Haushalts und die Wahl der Mitglie- tenversammlung (HLZ S.10-13). amtinnen und Beamten befasst war. der des geschäftsführenden Vorstands.
T ite l thema : Lande s de l egiertenver s amm l u ng HLZ 12/2017 6 Marode Schulbauten sanieren! Zum Beispiel: Wilhelm-Leuschner-Schule Darmstadt „Es sieht ziemlich voll aus.“ Mit diesen Worten stellte Wal- ter Schäfer vom Tagungspräsidium die Beschlussfähigkeit der 32. ordentlichen Landesdelegiertenversammlung (LDV) der GEW Hessen fest, bevor dann die Mandatsprüfungskom- mission noch einmal ganz genau nachzählte. Katja Pohl und Andreas Stähler gaben in Bad Soden am Taunus für den gastgebenden GEW-Kreisverband einen kleinen Einblick in die Besonderheiten „des flächenmäßig kleinsten Landkrei- ses in Deutschland im Speckgürtel der Stadt Frankfurt“ mit dem Finanzplatz Eschborn und „einem überdurchschnittli- Präsidium mit Walter Schäfer, Heike Lühmann und Dorothee Jeckel chen Mietpreisniveau“. Auch die guten Ergebnisse des GEW- (von links), nicht auf dem Foto: Thomas Sachs und Birte Kleber Kreisverbands Main-Taunus bei den Personalratswahlen, der Ginkgo-Baum im Kurpark und die Zeit, die der leidenschaft- sicht ausübten. Erster inhaltlicher Punkt war die Aussprache liche Pädagoge und Widerstandskämpfer Ernest Jouhy in Bad über den Geschäftsbericht, der auf über 170 Seiten die Ar- Soden verbachte, fanden Erwähnung. beit der Vorsitzenden, der Geschäftsstelle, der Schatzmeiste- Birgit Koch und Jochen Nagel begrüßten als bisheriges rin, der Landesrechtsstelle, der HLZ-Redaktion und aller Re- Vorsitzendentandem die Delegierten. Auf eine Einladung der ferate und Fach- und Personengruppen in den letzten drei Vertreterinnen und Vertreter der politischen Parteien sowie Jahren bilanziert. örtlicher und regionaler Prominenz hatte die GEW Hessen In ihrer mündlichen Ergänzung setzte Birgit Koch deutli- wie auch in den Vorjahren verzichtet, um mehr Zeit für die che Akzente auf das Thema Abschiebungen und Armutsbe- Beratung der zahlreichen inhaltlichen Anträge zu gewinnen. kämpfung. Fluchtursachen bekämpfen, das heißt für sie und Sie erinnerten an die zeitraubenden Auftritte von Politike- die GEW vor allem Armutsbekämpfung. Und die sei auch im rinnen und Politikern auf dem Bundesgewerkschaftstag in eigenen Land erforderlich, wie der jüngste Armutsbericht mit Freiburg. Mit herzlichem Beifall begrüßten die Delegierten deprimierenden Zahlen zur wachsenden Zahl von Kindern in die aus der Türkei geflohenen türkischen Gewerkschafterin- Armut verdeutliche. Die Bekämpfung von Kinderarbeit, aber nen Dilek Çolak (Foto: Mitte) und Meryem Çaĝ (Foto: links), auch die Sanierung von Schulen und ein besserer Personal- die in Hessen Schutz vor Verfolgung suchen. schlüssel an Kitas seien jedoch nur möglich mit einer ande- ren Einnahmepolitik des Staates: „Dies war und ist eine zen- trale Forderung der GEW Hessen.“ Die GEW kann – so Birgit Koch – in ihrem ureigenen Bereich erfreuliche Erfolge ver- buchen, die aber nur durch entsprechende Aktivitäten und Aktionen erreicht werden konnten: „Dabei waren wir oft auf uns gestellt, aber vieles war auch nur im DGB und mit ge- sellschaftlichen Bündnissen durchsetzbar.“ Sie verwies auf den 12-wöchigen Streik im Sozial- und Erziehungsdienst, den Lehrerstreik 2015 und den Tarifabschluss 2017, die viel- fältigen Aktionen der GEW für das Recht geflüchteter Men- Am Anfang der LDV erhoben sich die Delegierten von ih- schen auf eine gute Bildung und für gelingende Inklusion: ren Plätzen, um der seit der letzten LDV im November 2014 „Die zusätzlichen Lehrerstellen für Intensivklassen hätte es verstorbenen Mitglieder zu gedenken. Zu den namentlich ge- ohne die GEW nicht gegeben.“ Sie forderte die Landesregie- würdigten verstorbenen Kolleginnen und Kollegen gehörten rung angesichts des massiven Lehrermangels in Hessen auf, unter anderen der im Alter von 93 Jahren verstorbene Karl das „Märchen von der demografischen Rendite“ zu beerdi- Manderla, der die Arbeit der GEW über ein halbes Jahrhun- gen. Hessen müsse jetzt handeln, ansonsten werde nicht nur dert als verlässlicher Chronist begleitete, die Kita-Leiterin Berlin um Lehrerinnen und Lehrer aus Hessen buhlen. Dazu im Frankfurter Gallus-Viertel Petra Erasmi (52), der frühere gehöre auch die Fortsetzung der Kampagne für eine bessere stellvertretende GEW-Bundesvorsitzende Gerd Köhler (72), Bezahlung der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer. der frühere Vorsitzende der GEW Südhessen Rainer Claus Ulrike Noll berichtete in der Ergänzung zum Geschäfts- (78), die Wiesbadener Kollegin Barbara Lambrecht (70), ohne bericht über die Arbeit des Bündnisses gegen Berufsverbote, die „ein Erster Mai in Wiesbaden undenkbar war“, und Klaus das den Anstoß für die bundesweite Tagung in Kassel gege- Fankhänel vom GEW-Kreisverband Dieburg (64). ben hatte (HLZ S. 24). Die stellvertretende Landesvorsitzen- Danach übernahm das Präsidium mit Thomas Sachs (BV de Karola Stötzel thematisierte die Mitgliederentwicklung Frankfurt), Heike Lühmann (BV Nordhessen), Walter Schä- und forderte energische Schritte zur Mitgliederwerbung: „Die fer (BV Mittelhessen), Dorothee Jeckel (BV Südhessen) und Zahlen sind nicht dramatisch, aber eben auch nicht durch- Birte Kleber (Landesvorstand) die Versammlungsleitung, die gehend erfreulich.“ Fragen zum Geschäftsbericht betrafen sie für die gesamte Dauer mit großer Souveränität und Um- die Besetzung einer von der außerordentlichen Landesde-
7 HLZ 12/2017 Titelthema legiertenversammlung 2015 beschlossenen Referentenstelle lobte in seinem Revisionsbericht die Transparenz der Buch- und die Aktivitäten der GEW Hessen zur Umbenennung der führung. Er sprach sich für eine stärkere Digitalisierung der Max-Traeger-Stiftung der GEW (HLZ S. 30). Arbeitsprozesse aus, um die Effizienz der Arbeit zu erhöhen. Nach den Regularien der LDV steht am Anfang der An- Bei einer Enthaltung stimmte die LDV der Entlastung der tragsberatungen die Behandlung der satzungsändernden Schatzmeisterin und des Landesvorstands zu. Anträge. Hier lag nur ein Antrag vor, wonach „alle für die Bei der Vorstellung des Haushaltsplans für die Jahre 2018 Öffentlichkeit bestimmten Beschlüsse der GEW Hessen un- bis 2020 betonte Ulrike Noll, dass die Einnahmeentwicklung verzüglich auf der Website der GEW zu veröffentlichen“ sind. auf der Grundlage eines leichten Mitgliederrückgangs „vor- Der Antrag, dies in der Satzung zu verankern, erhielt kei- sichtig und zurückhaltend“ prognostiziert werde – eine Ein- ne Mehrheit. Allerdings gab es viel Beifall für die Auffor- schätzung, die nicht von allen Delegierten geteilt wurde. So derung, dies im nächsten Landesvorstand aufzugreifen und wies Bernd Engelhardt vom BV Frankfurt auf die Tatsache einen handhabbaren Vorschlag zu machen, der nicht nur ei- hin, dass die Beiträge neuer, jüngerer Mitglieder niedriger ner formalen Verpflichtung gerecht wird, sondern die Auf- sind als die älterer Kolleginnen und Kollegen, die altersbe- findbarkeit von Beschlüssen und inhaltlichen Positionen der dingt aus der GEW ausscheiden. Lob gab es für Ulrike Noll GEW Hessen für Mitglieder und die interessierte Öffentlich- vor allem auch für die Verhandlungen mit dem GEW-Haupt- keit sicherstellt. „Da ist noch viel Luft nach oben“, meinte vorstand, die zur Zahlung ausstehender Rechnungen aus HLZ-Redakteur Harald Freiling aufgrund seiner Erfahrungen dem Kampffonds führten. In der Diskussion über die Haus- mit der Öffentlichkeitsarbeit der GEW. haltsansätze der Fach- und Personengruppen beschrieb Ulri- ke Noll ihre Rolle als „politische Schatzmeisterin“. Sie werde sich immer dafür einsetzen, dass „keine sinnvolle politische Vorstand wird einstimmig entlastet Aktion, dass keine sinnvolle gewerkschaftliche Initiative am Ulrike Noll stellte den Kassenbericht vor und erhielt viel Geld scheitern wird“. Die LDV dankte der Schatzmeisterin mit Lob für ihre sorgfältige und akribische Arbeit – ein Lob, das großem Beifall und einer breiten Zustimmung zum Haushalt sie zugleich auch an Reinhold Kern als Buchhalter weiter- (1 Gegenstimme, 7 Enthaltungen). gab. Insgesamt endeten alle Haushaltsabschlüsse der letzten Den Einstieg in die Beratungen der Anträge machte eine drei Jahre mit einem Überschuss und führten damit zu einer grundsätzliche Debatte zur Bildungspolitik. Bildung habe zwar Erhöhung der freien Rücklage. Auch Revisor Bernd Vogeler auch im Bundestagswahlkampf eine große Rolle gespielt, doch Wahl der Mitglieder des geschäftsführenden Vorstands Kandidatinnen gül- un- Enthal- Funktion ja nein und Kandidaten tig gültig tung Vorsitz Birgit Koch 268 10 235 21 12 (im Tandem) Maike Wiedwald stellvertretender Tony Schwarz 280 1 250 19 11 Vorsitzender stellvertretende Karola Stötzel 283 2 227 31 25 Vorsitzende Peter Eickelmann 66 - Schatzmeister/in 283 11 45 Ulrike Noll / Jochen Nagel 172 - HLZ-Redakteur Harald Freiling nein: 0 Enthaltungen: 1 * Leitung der Reinhard Besse nein: 0 Enthaltungen: 0 * Das neue Vorsitzendenteam wurde mit großen Mehrheiten gewähl Landesrechtsstelle Karola Stötzel, Birgit Koch, Maike Wiedwald und Tony Schwarz Schule Christoph Baumann und Bildung Juliane Kothe nein: 0 Enthaltungen: 2 * (Team) Stefan Edelmann Hochschule und Dr. Simone Claar nein: 0 Enthaltungen: 0 * Forschung (Team) Wolfgang Richter-Girard Sozialpädagogik Moni Frobel nein: 1 Enthaltungen: 0 (Team) Annette Karsten Weiterbildung und Bildungsmarkt Tarif, Besoldung Markus Heberling und Beamtenrecht Carmen Ludwig nein: 0 Enthaltungen: 0 * Diskussionsbeitrag: Carmen Ludwig, Regionalverband Hochschule (Team) Peter Zeichner Mitbestimmung u. Birthe Kleber gewerkschaftliche nein: 0 Enthaltungen: 0 * Angela Scheffels Bildung (Team) Aus- und Andrea Gergen nein: 0 Enthaltungen: 0 * Fortbildung (Team) Christina Nickel * Die Wahl erfolgte in offener Abstimmung. kursiv: Kolleginnen und Kollegen, die in dieser Funktion erstmals in den geschäfts- führenden Vorstand gewählt wurden Antrag zur Geschäftsordnung: Thilo Hartmann, Offenbach-Land
Titelthema HLZ 12/2017 8 gehe es dabei vorrangig um Bildung „als Beitrag zur Verbes- AStA der Hochschule, die Personalratsarbeit im Studiensemi- serung internationaler Wettbewerbsbedingungen“. Der Aus- nar bis zur Arbeit im Vorsitzendenteam des Bezirksverbands richtung von Bildungseinrichtungen an „Employability“ und Frankfurt. Sie arbeitete auch als Schulsozialarbeiterin und Verwertungsinteressen stellt die GEW in einem Beschluss ihre lernte dort, „warum die Ganztagsschule gerade für benach- Vorstellungen von pädagogischer Arbeit als „Beziehungsar- teiligte Kinder und Jugendliche so wichtig ist“. Seit mehreren beit“ entgegen. In diesem Kontext betonte die GEW die Be- Jahren arbeitet die Gymnasiallehrerin für Biologie und Sport deutung der pädagogischen Freiheit und der Mitbestimmungs- an einer Integrierten Gesamtschule „und das ganz bewusst“. rechte des pädagogischen Personals (Im Wortlaut: HLZ S.10). Sie versprach, sich weiterhin „mit großer Leidenschaft“ für Konkrete Forderungen formulierte die LDV in den Be- „Eine Schule für alle“ einzusetzen, denn nur so könne der schlüssen zum Lehrkräftemangel in Hessen (Im Wortlaut: Weg zu einer gleichberechtigten Teilhabe geebnet werden: HLZ S.11) und zum Thema Schulsanierungen. Druckfrisch „Ungleichheit ist kein Naturgesetz, sondern Folge einer fal- lag dazu die HLZ 11/2017 auf den Tischen der Delegierten. schen Politik.“ Als weiteren Schwerpunkt ihrer zukünftigen Berichte aus den Schulen machten deutlich, dass auch hier Arbeit als Landesvorsitzende beschrieb Maike Wiedwald die Beteiligung der Beschäftigten unabdingbar ist, damit Sanie- Auseinandersetzung mit der AfD, deren Wahlerfolge uns rungsmaßnahmen, Umbauten und Neubauten in Einklang mit „das Gruseln lehren sollten“. Die engagierten Vorstellungs- den pädagogischen Notwendigkeiten stehen und alle Belange reden belohnten die Delegierten mit einem überzeugenden des Arbeits- und Gesundheitsschutzes beachtet werden. Die Vertrauensbeweis. Das Tandem wurde in geheimer Abstim- Delegierten aus dem Kreisverband Wiesbaden warben noch mung mit großer Mehrheit gewählt (HLZ S. 7). einmal nachdrücklich für die Unterstützung der Petition des Am Freitagvormittag rief der Wahlausschuss zunächst die Bündnisses „Schulen sanieren sofort“. Es sei „skandalös“, Wahl der beiden gleichberechtigten stellvertretenden Vorsit- so Michael Zeitz vom Kreisvorsitzendenteam, dass „es der zenden auf. Tony Schwarz (44) setzte die Akzente für seine Stadt mit der höchsten Porsche- und Landroverdichte nicht Kandidatur als stellvertretender Landesvorsitzender durch ei- erlaubt ist, Kredite aufzunehmen, um die Sanierung der ma- nen biografischen Rückblick. Seine antimilitaristische Hal- roden Schulen in Angriff zu nehmen, weil sie sich dem Dik- tung sei vor allem während des Zivildienstes und aufgrund tat der Schwarzen Null unterwirft“. der rechtswidrigen Kriegseinsätze der rot-grünen Koalition im Jugoslawienkrieg gewachsen: „Da hießen Militäreinsätze plötzlich humanitäre Intervention und Bombenangriffe wa- Große Zustimmung für neues Vorsitzendenteam ren Kollateralschäden.“ Zur GEW und zur Personalratsarbeit Letzter Tagesordnungspunkt am ersten Kongresstag war die fand er während des Referendariats und danach erging es ihm Neuwahl der Landesvorsitzenden. Der langjährige Vorsitzen- wie vielen anderen im Saal: „Man geht in eine GEW-Veran- de Jochen Nagel, der zuletzt 2014 im Tandem mit Birgit Koch staltung, macht den Mund auf und kommt mit einem Amt für dieses Amt gewählt worden war, stand wie angekündigt heraus.“ Auf das erste Amt folgten weitere im GEW-Kreis- für diese Funktion nicht mehr zur Verfügung. Schon im Vor- verband Bergstraße, im Gesamtpersonalrat Bergstraße-Oden- feld der LDV hatten zahlreiche Kreis- und Bezirksverbände wald, seit 2012 als dessen Vorsitzender, und als Mitglied im ihre Unterstützung für die Kandidatur von Birgit Koch und Vorsitzendenteam des GEW-Bezirksverbands Südhessen. Auf Maike Wiedwald als neuem Tandem erklärt. Maike Wiedwald das Referendariat an einem Gymnasium folgte ein befristeter ist seit 2014 eine der beiden stellvertretenden Vorsitzenden. Arbeitsvertrag, danach die Einstellung an einer Haupt- und Birgit Koch (57) aus Kassel ist erst seit 2002 im Schuldienst Realschule, wo er in einer SchuB-Klasse wertvolle pädago- des Landes (Deutsch und evangelische Religion) und war vor- gische Erfahrungen sammelte: „Das sieht man, was auch für her als Lehrerin und Betriebsrätin bei privaten Bildungsträ- benachteiligte Jugendliche in einer kleinen Lerngruppe und gern beschäftigt. Sie ist Mitglied im Bezirksvorsitzendenteam mit tatkräftiger Unterstützung durch eine Sozialpädagogin der GEW Nordhessen und ebenfalls im Team Vorsitzende des möglich ist.“ Als Schwerpunkte „neben dem gewerkschaftli- Gesamtpersonalrats der Lehrerinnen und Lehrer in Kassel. In chen Kerngeschäft“ nannte Tony Schwarz Themen, die auch ihrer Vorstellungsrede setzte sie die Schwerpunkte auf die in der GEW gelegentlich als Nischenthemen gelten: Mitar- Themen Bildungsfinanzierung und Inklusion und das Recht beit der Gewerkschaften in der Friedensbewegung, Kampf ge- geflüchteter Menschen auf Bildung „vom ersten Tag an“. Sie gen Rechtsextremismus, Unterstützung für geflüchtete Men- wolle sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Verfol- schen und Aktionen gegen Abschiebungen: „Dahinter stehe gung der Gewerkschaften insbesondere in der Türkei been- ich voll und ganz.“ det wird und geflüchtete Kolleginnen und Kollegen Aufnah- Karola Stötzel (55) trat zur Wiederwahl als stellvertreten- me und Unterstützung auch in Hessen erfahren. de Vorsitzende an. Sie fand auf dem Höhepunkt des Kampfes Maike Wiedwald (50) aus Frankfurt beschrieb die Eck- von Honorarkräften der Volkshochschule Frankfurt zur GEW: punkte ihrer Politisierung über den Fachbereichsrat und den „Ein aktiver Gewerkschaftssekretär namens Hajo Dröll hat mich und andere verführt, in die GEW einzutreten.“ Im Lauf der Auseinandersetzung wurde sie – von einer grünen De- zernentin – trotz ihrer Mitgliedschaft im Personalrat fristlos gekündigt. Sie gehörte zu den Initiatorinnen und Initiatoren des ersten Hartz-Tribunals in der Bundesrepublik, das den Auftakt zu einer langen Auseinandersetzung um die Agenda- politik bildete. In diesem Zusammenhang berichtete sie über das Vermögen der Familien Klatten und Quandt, die 2014 al- lein aus BMW-Dividenden ein Jahreseinkommen von knapp einer Milliarde Euro erzielten. Selbst bei einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf 80 % blieben ihnen immer noch 200
9 HLZ 12/2017 Titelthema Millionen übrig: „Also mir würde das ausreichen!“ Als be- sonderen Schwerpunkt ihrer Arbeit in den letzten drei Jahren nannte Karola Stötzel den zwölfwöchigen Streik der Erziehe- rinnen und Erzieher für eine Aufwertung ihrer Arbeit – ein Kampf „zwischen Begeisterung, Kreativität, Frustration und Trotz“, der letztlich zu einem unbefriedigenden Ergebnis ge- führt habe, da es den Arbeitgebern gelang, die Öffentlichkeit und insbesondere die Eltern in den Kitas für ihre Blockade zu instrumentalisieren. „Damit das nicht noch einmal pas- siert, brauchen wir bei der nächsten Kampagne eine intensi- ve Begleitung durch die klare Aussage: Geld ist genug da.“ Auch Tony Schwarz und Karola Stötzel wurden mit gro- ßen Mehrheiten gewählt (HLZ S. 7). Anders als bei allen anderen Wahlfunktionen gab es bei der Funktion des Schatzmeisters oder der Schatzmeisterin al- 20 Pflichtstunden sind genug ternative Kandidaturen. Die bisherige Schatzmeisterin Ulrike Sehr viel Raum nahm die Debatte über die Arbeitszeit der Noll kandidierte im Team mit dem bisherigen Landesvorsit- Lehrerinnen und Lehrer ein. Dass die Arbeitsbelastungen zenden Jochen Nagel, dessen Kandidatur nicht unumstritten kaum noch zu schultern sind und ein krank machendes Aus- war. Er solle, so gaben mehrere Delegierte zu Protokoll, sich maß angenommen haben, war in allen Wortmeldungen zu „in die zweite Reihe zurückziehen“, um den Eindruck zu ver- hören. Strittig war hier vorrangig die Frage, wie die Kampf- meiden, er wolle auch weiterhin an verantwortlicher Position kraft und Mobilisierungsfähigkeit der GEW gestärkt werden Einfluss auf die Geschicke der GEW nehmen. Kritik an der kann und welche Schritte auf dem Weg zu einer deutlichen bisherigen Arbeit von Ulrike Noll gab es nicht. Aus den Rei- Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung und der Arbeitsbe- hen der Kritikerinnen und Kritiker der Bewerbung von Jochen lastung durch zu große Lerngruppen und zusätzliche Aufga- Nagel war Peter Eickelmann vorgeschlagen worden, der das ben zu gehen sind. Ein Antrag des Kreisverbands Gießen mit Amt in der letzten Wahlperiode zunächst im Team mit Ulri- kurzfristigen Forderungen und der langfristigen Zielvorstel- ke Noll ausgeübt, dann aber während der Amtszeit zurückge- lung, dass die Unterrichtverpflichtung für alle Lehrkräfte auf treten war. Jochen Nagel betonte ausdrücklich, dass für ihn 20 Stunden reduziert wird, wurde schließlich angenommen: „das Kapitel als Landesvorsitzender mit dem heutigen Tag für Hessen scheinbar utopisch, in anderen europäischen Län- geschlossen ist“, dass er aber gern seine Erfahrungen auch in dern eine Selbstverständlichkeit. Auf jeden Fall ergab sich Finanzfragen weiter in die Arbeit der GEW einbringen möch- aus der Debatte ein eindeutiger Arbeitsauftrag an den neu te. Ulrike Noll erinnerte daran, dass sie wiederholt auf die gewählten Landesvorstand, der Forderung nach Arbeitszeit- Grenzen ehrenamtlicher Arbeit neben ihrem Hauptberuf als reduzierung und Belastungsabbau eine klare Priorität ein- stellvertretende Schulleiterin hingewiesen und Unterstützung zuräumen (Im Wortlaut: HLZ S.11). in einem Team eingefordert hatte. Peter Eickelmann, der seit Einige Delegierte waren bei Tagungsbeginn am Samstag vielen Jahren auch Schatzmeister des Bezirksverbands Süd- noch etwas müde, denn bei der Feier zu Ehren von Jochen hessen ist, wies auf seine langjährigen Erfahrungen in die- Nagel, der sich nach sechs Jahren als stellvertretender Lan- sem Bereich hin und betonte die Notwendigkeit der Unab- desvorsitzender (1996 bis 2002) und 15 Jahren als Landesvor- hängigkeit der Schatzmeistertätigkeit von den Debatten und sitzender (2002 bis 2017) aus der ersten Reihe verabschiedete, Beschlüssen des geschäftsführenden Vorstands. Bei der ge- hatten sie am Freitagabend noch lange getanzt und geklönt. heimen Wahl stimmte eine deutliche Mehrheit der Delegier- Aber es erwartete sie noch einmal ein straffes Arbeitspensum ten für das Team aus Ulrike Noll und Jochen Nagel (HLZ S.7) mit intensiven, spannenden und zum Teil auch hoch kontro- Reinhold Besse wurde einstimmig als Leiter der Landes- versen Debatten über die vorliegenden Anträge. Beschlossen rechtsstelle wiedergewählt, Harald Freiling ebenfalls ein- wurden grundsätzliche Anträge zu den Arbeitsbedingungen stimmig bei einer Enthaltung als Schriftleiter der HLZ. Mit der Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe, bei freien den Wahlen zu den Referaten Tarif, Besoldung und Beam- Trägern und in der frühen Bildung, zur Lehrverpflichtung an tenrecht, Schule und Bildung, Aus- und Fortbildung, Hoch- hessischen Hochschulen und zur Tarifautonomie. In einem schule und Forschung, Sozialpädagogik und Mitbestimmung weiteren Grundsatzbeschluss bekräftigte die GEW Hessen ihr und gewerkschaftliche Bildungsarbeit komplettierte die LDV Bekenntnis zu den Grundsätzen der UN-Behindertenrechts- den geschäftsführenden Vorstand (HLZ S.7). Erstmals seit konvention und forderte „energische Schritte zur Umsetzung der Erweiterung der Referate konnte das Referat Weiterbil- des Menschenrechts auf inklusive Bildung in Schulen und dung und Bildungsmarkt nicht besetzt werden. Hans-Georg Hochschulen“ (Im Wortlaut: HLZ S.13). Klindt, der diese Funktion bis 2016 ausgeübt hatte, mach- Alle Beschlüsse sind in vollem Wortlaut auf der Homepage te deutlich, dass die prekäre Beschäftigung in der Weiter- der GEW Hessen verfügbar und dort nachzulesen. bildung ein ehrenamtliches Engagement in dieser Funktion Die LDV endete mit abschließenden Worten des neu ge- sehr schwer mache. Der frühere GEW-Weiterbildungssekre- wählten Vorsitzendentandems Birgit Koch und Maike Wied- tär Hajo Dröll sprach die Hoffnung aus, dass sich die Situ- wald und Standing Ovations für den Landesgeschäftsführer ation auf dem Weiterbildungsmarkt, der in höchstem Maße Ulrich Märtin und alle Beschäftigten der Landesgeschäftsstel- konjunkturabhängig ist, auch wieder ändern könne. le der GEW, die die LDV mit großem Zeitaufwand und gro- Die inhaltlichen Beratungen der LDV konzentrierten sich ßem Einsatz fast ein Jahr lang vorbereitet und für eine per- am zweiten Verhandlungstag auf Beschlüsse zur Reform der fekte und angenehme Durchführung gesorgt hatten. hessischen Verfassung (HLZ S.18), zur Bildungsfinanzierung und zur Tarifpolitik (Im Wortlaut: HLZ S.10). Harald Freiling, HLZ-Redakteur
D ie wi c htig s ten B e s c h l ü s s e HLZ 12/2017 10 Gegen den neoliberalen Mainstream (DS 13) Investitionsprogramm Gute Bildung (DS 12) In einer ausführlichen Stellungnahme bezieht die GEW Hessen Madlen Krawatzek (Foto unten links) begründete den Antrag der Stellung gegen „den herrschenden bildungspolitischen Main- Jungen GEW zur Bildungsfinanzierung unter anderem mit der stream“, dem es ausschließlich „um betriebswirtschaftliche Ef- Ausssicht auf eine Jamaika-Koalititon, die zwar mehr Geld für fizienz, Konkurrenz und Verwertbarkeit“ geht und der „Bildung Bildung verspreche, aber auch die Rechte von Arbeitnehmerin- – vom Kindergarten über die Schulen und Hochschulen bis zur nen und Arbeitnehmer auszuhöhlen drohe. Aufgabe der Gewerk- Weiterbildung – auf die Vermittlung instrumenteller Fertigkeiten schaften ist es, „mit Hilfe von Lobbyarbeit, gezielten politischen (‚Kompetenzen‘) verengt.“ Diesem „Mainstream“ setzt die GEW Aktionen und in enger Kooperation mit gleichgesinnten gesell- ihre Vorstellungen entgegen. schaftlichen Bewegungen für eine Verbesserung der Lebens- und (..) Kinder, Jugendliche und junge Menschen (…) brauchen Arbeitsbedingungen zu kämpfen“. Außerdem gelte es, „gesell- Zeit für ihre persönliche Entwicklung, für spielerisches Er- schaftliche Ursachen, die rechte Strömungen salonfähig machen proben und kreatives Gestalten, für gründliches Nachden- und soziale Spaltung befördern, zu bekämpfen und zu beheben“. ken und kritisches Prüfen sowie für die Entwicklung von Die GEW fordert von einer neuen Bundesregierung Urteilsfähigkeit. Lernstress durch immer neue Vorgaben und • ein flächendeckendes Programm für Bildungsausgaben eine von „Testeritis“ und permanenter Selbstoptimierung un- von mindestens 55 Milliarden Euro pro Jahr ter anderem durch sogenannte Kompetenzraster beherrschte • Ausbau von Ganztagsschulen im Sinne der gewerkschaft- Lernatmosphäre behindern Bildung. (…) Die Forderung nach lichen Forderungen (...) „Modernisierung“ und „Digitalisierung“ der Schule zielt auf • dauerhafte Finanzierung der Bildungsaufgaben durch den unkritische Anwendung, und verfehlt Wesentliches, nämlich Bund und die Länder Wissen und Fähigkeiten, die den kritischen Blick schärfen • Einführung einer Ausbildungsplatzgarantie und der Beherrschbarkeit der Technik dienen. Derart ausge- • kostenfreier Zugang zu Bildung für alle richtet und auf allen Ebenen immer mehr durch ein „Teaching • Reform des BAföG (Anpassung der Freibeträge, Bedarfs- to the Test“ bestimmt, bleibt Bildung in ihrer ethischen und sätze und Sozialpauschalen, elternunabhängig und darle- emanzipatorischen Funktion auf der Strecke. (…) hensfrei) Bildungsarbeit ist Beziehungsarbeit und viel mehr als • Rechtsanspruch auf Fortbildungen „Lernberatung“. Das von neoliberaler Seite propagierte Leit- • langfristige Maßnahmen zur Integration von Geflüchte- bild der Lehrkraft als „Lernberaterin“ oder „Lernberater“ ten (...) durch Fachpersonal mit Tarifbindung (...) kommt scheinbar fortschrittlich daher, ist aber eine massi- ve Abwertung des Berufes, der eine gehaltsmäßige Abwer- Die GEW als Tarifgewerkschaft stärken (B 1) tung zwingend folgt, die in Hessen von der schwarz-grü- nen Landesregierung teilweise auch schon durchgesetzt ist. Der Streik der verbeamteten Lehrkräfte 2015, die damit ver- Um ihrer Verantwortung für die heranwachsende Generation bundenen kreativen Aktionen und die Proteste gegen die Maß- gerecht werden zu können, brauchen Lehrerinnen und Leh- regelung der Streikteilnehmerinnen und Streikteilnehmer, die rer an Schulen und Hochschulen pädagogische Freiheit und schließlich zu deren Aussetzung führte, haben mit dazu beige- tragen, dass die Tariferhöhungen für 2017 und 2018 zwar zeit- mehr Mitbestimmungsrechte. Für die hessische GEW ist die verschoben, aber inhaltsgleich auf die Beamtinnen und Beamten pädagogische Freiheit in Schule und Hochschule ein hohes übertragen wurden und die Pflichtstundenerhöhung von 2004 Gut, das durch normierende Methoden, die im Gleichschritt wenigstens teilweise zurückgenommen wurde. Die GEW wird die angewendet werden sollen, zunehmend in Gefahr gerät. Die Kampagne „Bildung braucht bessere Bedingungen!“ im Wahljahr Rechte der Gesamtkonferenz müssen wahrgenommen, ange- 2018 fortsetzen. Weiter heißt es in dem Beschluss unter anderem: wendet und gestärkt werden, damit Schulentwicklung als de- • Wir halten grundsätzlich am Ziel der Rückkehr in die TdL mokratischer Prozess gestaltet und nicht „Top down“ ange- fest. Dies schließt die Prüfung und Diskussion weitergehender ordnet werden kann. Der Begriff der „Führung“ stammt aus Forderungen in Zusammenhang mit der anstehenden Auf- vordemokratischer Zeit und ist nicht geeignet für Schulen nahme von Verhandlungen zu einer „Lehrkräfte-Entgeltord- und Hochschulen in der Demokratie. (...) nung Hessen“ im März 2018 nicht aus. (…) • Nach dem Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Madlen Krawatzek begründet den Antrag der Jungen GEW (DS 12) Kassel, das mit einer eindeutigen Erklärung zur Rechtmä- ßigkeit des Beamtenstreiks endete, sind die Klagen der GEW beim Bundesverfassungsgericht nach wie vor anhängig. (…) Da davon auszugehen ist, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung dem Klagebegehren auf die „vollen Koalitionsrechte“ (Streikrecht) der Beamtinnen und Beamten nicht stattgeben wird, wird der Gang zum Europäischen Ge- richtshof mit großer Wahrscheinlichkeit notwendig werden. • Für das kommende Jahr steht die Entgelttarifrunde des Öffentlichen Dienstes (TVöD) bevor. Die GEW Hessen wird nach besten Kräften die Kolleginnen und Kollegen des So- zial- und Erziehungsdienstes in den Regionen – auch perso- nell – unterstützen. (...) Die GEW Hessen wird die Entgeltrun- de des TVöD nutzen, um ihre Argumente für die dringende Reform des Hessischen Kinderförderungsgesetzes (HessKiföG) und für bessere Arbeitsbedingungen in Kitas (kleinere Grup- pen, besserer Fachkraftschlüssel, Erhöhung der anrechenba-
11 HLZ 12/2017 G E W H e s s en Konsequent gegen Lehrkräftemangel (C 1) Die GEW fordert konsequente Maßnahmen gegen den Lehrkräf- temangel an hessischen Schulen, der nicht „mit kurzatmigen Be- helfsmaßnahmen“ zu beheben sei: Der Lehrkräftemangel an hessischen Schulen ist nicht vom Himmel gefallen. Er ist vielmehr Ergebnis einer jahrzehn- telangen Politik einer systematischen Abwertung der Ar- beit von Lehrerinnen und Lehrern durch Nullrunden, gerin- ge Gehaltserhöhungen und überhöhte Arbeitszeiten durch die hessische Landesregierung. Er ist Ergebnis vollkommen falscher Prognosen und des Ignorierens statistischer Daten zugunsten politischen Wunschdenkens. (…) Notwendig ist neben einer Gleichbewertung des Lehramts für Grundschu- len durch Besoldung nach A13 (im Tarifbereich nach E13) eine dauerhafte Wiederaufwertung der Arbeit der Lehrkräfte in den Schulen, Dies bedeutet beispielsweise eine deutliche Reduzierung der Arbeitszeit und eine inhalts- und zeitglei- che Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten. Darüber hinaus ist eine schrittweise Reduzie- Silvia Bausum und Steve Kothe von der Fachgruppe Sozialpädagogische rung der Gehaltsabwertung seit der Operation „Düstere Zu- Berufe arbeiten bei der Frankfurter Lehrerkooperative des ASB. kunft“ notwendig. Notwendig ist eine Anhebung der Ausbil- dungsplätze im Studium und eine Abschaffung des Numerus ren, mittelbaren pädagogischen Zeiten, Leitungsfreistellung) Clausus sowie eine Anhebung der Plätze im Vorbereitungs- sowie eine deutliche Anhebung der Fördermittel des Landes dienst mit deutlicher Erhöhung der Bezüge der Anwärterin- für den qualitativen Ausbau der Kita-Qualität in die Diskus- nen und Anwärter. (...) sion zu bringen. Dazu entwickelt die GEW Hessen entspre- chendes Kampagnenmaterial zur Bildungsfinanzierung, das an die Kolleginnen und Kollegen vor Ort, aber auch an El- Langfristig nicht mehr als 20 Pflichtstunden! (B 3) tern und die breitere Öffentlichkeit gegeben werden kann. (…) Die GEW Hessen bekräftigt in einem Beschluss ihre bisheri- • Die von der öffentlichen Hand an die freien Träger verge- gen Forderungen zur Besoldung der Lehrkräfte und zur Redu- benen Aufgaben (sind) nach den Bedingungen des TVöD zu zierung der Arbeitsbelastung und der Arbeitszeit der Lehrkräf- refinanzieren und öffentliche Gelder nur an tarifgebundene te. Sie fordert: Träger zu vergeben. Dazu arbeitet die GEW mit der Schwes- • vollständige Übernahme der Tarifergebnisse ab 2009 tergewerkschaft ver.di regional im „Netzwerk der sozialen • in einem ersten Schritt die vollständige Rücknahme der Arbeit Frankfurt“ und in bundesweiten Zusammenschlüssen Pflichtstundenerhöhung von 2004 zusammen. Das gemeinsame Ziel dieser Initiativen ist es, den • vollständige Rücknahme der Streichung des Urlaubsgel- TVöD zur Leitwährung in der sozialen Arbeit zu machen. Die des und der Kürzung des Weihnachtsgeldes GEW Hessen unterstützt dabei aktiv betriebliche Tarifinitiati- • Besoldung A 13 für alle Grundschullehrkräfte ven der Beschäftigten und ihre Protest- und Streikaktionen. • Rückkehr des Landes Hessen in die Tarifgemeinschaft der Ausdrücklich erklärt die GEW in diesem Antrag ihre Absicht, Länder (TdL) auch im Wahljahr 2018 die Forderung der Grundschullehrkräf- te nach gleicher Eingangsbesoldung unter dem Motto „A13 für • Abschaffung des Lebensarbeitszeitkontos alle!“ weiter zu unterstützen. In einem gesonderten Beschluss zur • Pflichtstundenreduzierung für Schwerbehinderte Stärkung der Tarifautonomie (B 2) kritisiert die GEW die „Auf- • Erhöhung der Schuldeputate und belastungsorientierte nahme eines Vollverschleierungsverbots“ in den Tarifvertrag Hes- Anrechnung von Tätigkeiten im Rahmen der Pflichtstunden sen als „Tabubruch“ und bezeichnet „die Verknüpfung tariflicher • Neuregelung der Entlastung bei Einsatz in der gymnasi- und politischer Themen als Angriff auf die Tarifautonomie“: alen Oberstufe und bei Unterricht nach 20 Uhr (Änderung Die Gewerkschaften schwächen sich selbst, wenn sie politisch aus den 90er Jahren zurücknehmen) fragwürdigen Anliegen der Landesregierung den Schein von • keine zusätzliche Pflichtstunde für Lehrkräfte ohne Lehr- Legitimität verleihen, indem sie ihnen in Tarifverhandlun- amt gen zustimmen. Eine solche Instrumentalisierung durch die Langfristig fordert die GEW in diesem Beschluss „maximal 20 Landespolitik muss unterbunden werden, auch um zu ver- Pflichtstunden für alle Lehrkräfte“. Weitere Anträge zur Arbeits- hindern, dass sie sich in der Zukunft fortsetzt oder gar in- zeit, unter anderem zum allgemeinen Arbeitszeitgesetz und zur tensiviert. Unabhängig davon, wie man politisch zur Frage Auswertung der Erfahrungen mit der gerichtlichen Überprüfung des „Vollverschleierungsverbots“ steht, ist es aus Sicht der der Lehrerarbeitszeit in Niedersachsen wurden zur Vorbereitung GEW Hessen unzulässig, die berechtigten Interessen der Be- einer umfassenden Kampagne zur Reduzierung der Arbeitsbelas- schäftigten mit dieser politischen Frage zu vermischen. (..) tung an Schulen an den Landesvorstand überwiesen. Die GEW Hessen wird Schritte zur rechtlichen Klärung der Frage der Zulässigkeit eines tarifvertraglichen Verbots der Vollverschleierung unternehmen. Alle Beschlüsse wurden aus Platzgründen zum Teil erheb- In einem weiteren Antrag fordert die GEW Hessen die „Aufnah- lich gekürzt. Den vollständigen Wortlaut aller Beschlüsse me aller Beschäftigten des Landes in den Tarifvertrag, insbeson- findet man auf der Homepage der GEW unter der jeweili- dere der studentischen Beschäftigten an Hochschulen.“ gen Antragsnummer: www.gew-hessen.de > Aktuell
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