AKTIV.IST.IN FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE - NETZWERK FRAUENRECHTE - Amnesty International Österreich

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AKTIV.IST.IN
FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE
NETZWERK FRAUENRECHTE          AMNESTY-INFO 3 / MÄRZ 2019

SÜDAFRIKA
Nohnle Mbhuthuma:
bedroht, weil sie gegen
Titanabbau kämpft

IRAN
„Ein Jahr der Schande“

SETZ DICH EIN
für polnische Aktivistinnen
gegen Rassismus
für Eren Keskin
AKTIV.IST.IN FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE - NETZWERK FRAUENRECHTE - Amnesty International Österreich
AKTIVISTIN NR. 149 / AMNESTY-
NETZWERK FRAUENRECHTE
MÄRZ 2019                               Liebe Unterstützer*innen!
                                        Liebe Amnesty-Freund*innen!
                                           70 Jahre nach Verkündung der Allge-           Unsere aktuelle Petition zum Frauen-
                                        meinen Erklärung der Menschenrechte          tag setzt sich ein für Frauen in Polen,
                                        sind ihre Werte mehr denn je in Gefahr       die bei einer rechtsextremen Demo
                                        - auch in Österreich und in Europa. In       friedlich für Toleranz und gegen Rassis-
              WEB                       Ländern wie Italien, Österreich, Ungarn      mus protestierten, dafür angegriffen
    frauenrechte.amnesty.at             oder Polen werden bisher als selbstver-      und beschimpft wurden. Völlig unfass-
             E-MAIL                     ständlich erachtete Rechte in Frage ge-      bar - sie erhielten noch Anzeigen wegen
   frauenrechte@amnesty.at              stellt.                                      „Störung einer Versammlung“.
           FACEBOOK                        Selbst hunderte politische Analysen           Über einen ganz besonderen Fall von
 amnestynetzwerkfrauenrechte            könne diese verstörende Entwicklung          Mut und Hartnäckigkeit in Südafrika be-
            TWITTER                     nicht schlüssig erklären. Amnesty äu-        richten wir in dieser Ausgabe. Seit gut
       @AIFrauenrechte                  ßerte sich in den vergangenen 20 Jah-        zehn Jahren kämpft Nohnle Mbuthuma
                                        ren nicht annähernd so oft zu bereits er-    mit ihrer Gemeinde gegen eine projek-
         SPENDENKONTO
                                        folgten oder geplanten Menschen-             tierte Titanmine. Diese würde mit einem
         BIC: GIBAATWWXXX
    IBAN: AT142011100000316326          rechtsverletzungen in Europa wie im          riesigen Tagbau den ganzen Landstrich
             lautend auf                letzten Jahr. Diese Ausgabe der              verwüsten. In den letzten Monaten
       AMNESTY INTERNATIONAL            AKT.IVIST.IN ist nur ein Beweis dafür.       konnten die Aktivisti*innen Teilerfolge
             ÖSTERREICH                    In Österreich kritisierte die Organisa-   verbuchen. Doch Nohnle bezahlt für ih-
         Verwendungszweck               tion nicht nur die populistische Intru-      ren Mut mit Morddrohungen. Vier Men-
      NETZWERK FRAUENRECHTE             mentalisierung der Frauenmorde im            schen, die gegen die Titanmine aktiv
      Spenden an Amnesty sind           Jänner und die Angriffe des Inneminis-       waren, wurden bereits ermordet.
        steuerlich absetzbar            ters auf die Europäische Menschen-               Ebenfalls Bewunderung und solidari-
                                        rechtskonvention. Amnesty nannte in          tät verdient die kurdisch-türkische Men-
                                        einer Stellungnahme das geplante Sozi-       schenrechtsanwältin Erin Keskin, die
                                        alhilfegesetz ein „Verarmungsgesetz“,        seit vielen Jahren mit Anklagen einge-
                                        das dem Recht auf soziale Sicherheit         deckt wird und der aktuell 12 Jahre
                                        widerspricht.                                Haft drohen.
                                           Mit der Dublin-Verordnung praktiziert
                                        die EU ein kaputtes System, das Men-               Wir wünschen dir einen bewussten
                                        schen im Mittelmeer ertrinken lässt,                und motivierenden Frauentag am
                                        weil Länder Geflüchtete nicht mehr auf-                 8. März und danken für deine
                                        nehmen und Rettungsaktionen extrem                                     Unterstützung.
                                        einschränken.                                         Das Amnesty-Netzwerk Frauenrechte

                     3 POLEN. Bestraft für ihren Einsatz für Toleranz        14 ISRAEL/BESETZTE GEBIETE
                                                                                TripAdvisor soll sich aus Palästina zurückziehen
                     5 GUTE NACHRICHTEN. Erfolge
                                                                             15 PALÄSTINENSISCHE AUTONOMIEGEBIETE
      INHALT

                     6 SÜDAFRIKA                                                Aktivistin Suha Jbara in Gefahr
                       Bedroht, weil sie gegen Titanabbau kämpft
                                                                             16 ÜBER UNS. Tätigkeitsbericht 2018
                     8 IRAN.
                       2018 - Massenverhaftungen von Protestierenden
                                                                             18 DIES & DAS. Kurzmeldungen
                     10 TÜRKEI                                               19 - 23 APPELLBRIEFE. Bitte absenden!
                        Juristische Schikanen gegen Eren Keskin
                                                                             27 FRAUENTAG. Theaterstück „Zeitungsweiber“
                     11 ÖSTERREICH
                        Amnesty kritisiert österreichische Politik           28 AMNESTY ACADEMY. IMPRESSUM

                     12 EUROPÄISCHE UNION
                        lässt Menschen auf dem Meer im Stich

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AKTIV.IST.IN FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE - NETZWERK FRAUENRECHTE - Amnesty International Österreich
POLEN:BESTRAFT FÜR IHREN

                                                                                                                         © Grzegorz Żukowski
            EINSATZ FÜR TOLERANZ
14 Frauen demonstrieren in Warschau              wegen ihres friedlichen Protests. Sie treten,
friedlich gegen Rassismus – und werden           schlagen, würgen und bespucken sie.
dafür beschimpft und angegriffen. Weder          Einige Demonstrierende und Organisator*in-
die Polizei noch die Regierung beschützen        nen der Veranstaltung versuchen vergeblich,
die Demonstrantinnen. Wie kann das sein?         die Frauen zu beschützen. Eine Demonstran-
                                                 tin wird zu Fall gebracht, verliert das Be-
Am 11. November 2017, dem polnischen             wusstsein und muss medizinisch versorgt
Unabhängigkeitstag, stellen sich 14 Frauen       werden.
mit einem Banner auf die Straße nahe der         Eine Aktivistin habe anschließend die Polizei
Poniatowski-Brücke. Inmitten einer Demons-       angerufen, um den Vorfall zu melden, so die
tration, deren Teilnehmer*innen rassistische     Angaben der Frauen. Die Beamt*innen seien
Parolen schreien und ein „weißes Polen und       erst nach etwa einer halben Stunde gekom-
Europa“ fordern, erheben sie ihre Stimmen        men, als die Angreifer*innen schon weiterge-
für Toleranz und gegenseitigen Respekt.          zogen waren. Sie hätten die Daten der Frau-
„Stoppt Faschismus“ steht auf dem Banner         en aufgenommen und sie gefragt, warum sie
geschrieben.                                     überhaupt zur Demonstration gekommen sei-
Jedes Jahr am 11. November gehen die             en. Die Polizist*innen hätten impliziert, dass
Menschen in Warschau auf die Straßen. Sie        der friedliche Protest eine Provokation gewe-
feiern Polens Unabhängigkeit im Jahr 1918        sen sei.
nach der jahrzehntelangen Teilung des Staa-
tes durch Preußen, Österreich-Ungarn und         UNTERSUCHUNG EINGESTELLT. Nach dem Vorfall            AKTION ZUM
Russland. Doch neben offiziellen Feierlich-      reichten die 14 Frauen (sechs von ihnen auf        INTERNATIONALEN
keiten finden an diesem Tag auch Märsche         dem Foto oben) von der Poniatowski-Brücke        FRAUENTAG AM 8. MÄRZ
nationalistischer Organisationen statt – so      eine Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft
auch am 11. November 2017 nahe der Po-           wegen schwerer Körperverletzung ein. Als
niatowski-Brücke.                                Beweismaterial legten sie Videos und Fotos
Die Situation eskaliert schnell. Die teils be-   von der Demonstration und ärztliche Doku-
trunkenen Teilnehmer*innen des nationalisti-     mentationen der erlittenen Verletzungen vor.
schen Marsches beschimpfen die 14 Frauen         Doch am 31. September 2018 entschied die

                                                                                                                         3
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MÄRZ 2019
POLEN: BESTRAFT FÜR IHREN EINSATZ FÜR TOLERANZ

      SETZ DICH EIN!
        Bitte schick den
    Appellbrief an den Justiz-
    minister noch im März ab
     und fordere Aufklärung.

                                    Staatsanwaltschaft, die Untersuchung der At-        Untersuchung des Angriffs einzustellen, er-
                                    tacke gegen die Frauen einzustellen, da das         hoben die Frauen Einspruch. Sie warten bis
                                    Verfahren von keinem öffentlichen Interesse         heute auf ein Urteil.
                                    sei. Die Angreifer*innen hätten lediglich ih-
                                    ren Unmut darüber geäußert, dass die Frau-          STRAFE WEGEN FRIEDLICHEN PROTESTS. Das Vor-
                                    en ihre Marschroute blockierten.                    gehen gegen die Demonstrantinnen in Polen
                                    Doch damit nicht genug. Anstatt die für den         ist kein Einzelfall: Amnesty beobachtet und
                                    Angriff Verantwortlichen zu ermitteln und zur       kritisiert, dass friedlich Demonstrierende in
                                                                                        autoritären und illiberalen Staaten auf der
                                                                                        ganzen Welt diffamiert, überwacht und sogar
                                                                                        inhaftiert werden. Oft versagt die Polizei da-
                                                                                        bei, Teilnehmer*innen von Demonstrationen
                                                                                        vor Hass und Gewalt zu schützen. Die Reak-
                                                                                        tionen der polnischen Regierung und Polizei
                                                                                        sind besorgniserregend – nicht nur für die
                                                                                        Betroffenen, sondern für alle Menschen in
                                                                                        Polen: Anstatt den Vorfall gründlich zu unter-
                                                                                        suchen, wird ein friedlicher Protest als „Stör-
                                                                                        aktion“ dargestellt und die Organisatorinnen
                                                                                        werden strafrechtlich verfolgt.
                                                                                        Polen hat eine lange Protesttradition: Die
                                                                                        Menschen haben in der Vergangenheit im-
                                                                                        mer wieder auf den Straßen friedlich für ihre
                                                                                        Rechte demonstriert – und so die Gesell-
                                                                                        schaft und die Geschichte des Landes verän-
                                                                                        dert. Seit 2016 demonstrieren die Menschen
                                                                                        in Polen gegen repressive Gesetze, die die
                                                                                        Frauenrechte einschränken und die Unab-
                                    Rechenschaft zu ziehen, verurteilten die Be-        hängigkeit der Justiz unterwandern.
       Weder die Polizei noch die
      anderen Demonstrierenden      hörden neun der 14 Frauen wegen „Störung            Amnesty-Recherchen haben gezeigt, dass
halfen den angegriffenen Frauen.    einer rechtmäßigen Versammlung“ zu Geld-            friedlich Demonstrierende mit restriktiven
     © Tomasz Stępień/OKO.press     strafen. Zudem müssen sie die Gerichtskos-          Maßnahmen konfrontiert sind, die ihr Recht
                                    ten tragen. Und alles nur, weil sie friedlich ih-   auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit
                                    re Meinung geäußert und ein Zeichen gegen           verletzen: Hunderte befinden sich in Polizei-
                                    Rassismus, Intoleranz und Faschismus ge-            gewahrsam und müssen langwierige Ge-
                                    setzt haben.                                        richtsverfahren durchlaufen. Hinzu kommt,
                                    „Ich kann nicht glauben, dass in Warschau,          dass Schikanen oder Gewalt durch rechtsex-
                                    einer Stadt, die während des Warschauer             treme oder nationalistische Gruppen von den
                                    Aufstands [1944] von Faschisten dem Erd-            Behörden routinemäßig toleriert werden, so-
                                    boden gleichgemacht wurde, wieder Fa-               lange sie sich gegen Gegendemonstrierende
                                    schist*innen durch das Stadtzentrum mar-            richten. Im Gegensatz dazu wird friedlichen
                                    schieren und jemand für den Versuch, sie zu         regierungskritischen Protestierenden häufig
                                    stoppen, verurteilt wird“, sagte die Anwältin       mit groben Polizeimaßnahmen und Strafver-
                                    der Frauen. Gegen die Entscheidung, die             folgung begegnet.

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AKTIV.IST.IN FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE - NETZWERK FRAUENRECHTE - Amnesty International Österreich
GUTE NACHRICHTEN

                                                                                                        Danke allen, die sich
                                                                                                        eingesetzt haben!

                                                  auf der Grundlage einer Entscheidung der
                                                  zuständigen Stellen für die Umsetzung des
© privat

                                                  Gemeinsamen Aktionsplans gegen strafbare
                                                  Handlungen im Zusammenhang mit rechts-
                                                  widriger Besetzung von Land (Plan de Acción
                                                  Conjunta para Hechos Punibles de Invasión
                                                  de Inmueble Ajeno). Somit drohte 200 Fami-
                                                  lien der Guahory unmittelbar die Vertreibung.
                                                  Doch nach der Veröffentlichung einer Urgent
                                                  Action zu dem Fall sahen die Behörden von
                                                  der Umsetzung des Plans ab und die Polizei-
                                                  kräfte wurden wieder abgezogen.

CHINA: KEINE EINSCHÜCHTERUNGEN MEHR
GEGEN NI YULAN.                                     VERFAHREN WEGEN „AUFWIEGELUNG“ GEGEN AMNESTY IN
Ni Yulan setzt sich seit Jahren für die Opfer       INDIEN EINGESTELLT
von Zwangsräumungen in Peking ein. Wegen
ihres Aktivismus wurde sie von den chinesi-         Am 8. Jänner entschied das zustän-         der Einreichung dieser politisch moti-
schen Behörden mehrfach inhaftiert, schika-         dige Gericht von Bengaluru, das Ver-       vierten Beschwerde dazu gesagt
niert und eingeschüchtert. 2002 wurde Ni            fahren gegen Amnesty International         hat.“
Yulan auf einer Polizeidienststelle so schwer       Indien wegen „Aufwiegelung“ einzu-         Die Beschwerde bezog sich auf eine
gefoltert, dass sie seitdem im Rollstuhl sitzt.     stellen. Amnesty begrüßt die Ent-          Veranstaltung zu Menschenrechtsver-
Seit ihrer Freilassung wurden Ni Yulan und          scheidung, mit der ein skandalöser         letzungen in Jammu und Kaschmir,
ihre Familie immer wieder aus ihrer Woh-            Versuch, die Meinungsfreiheit zu er-       die vermeintlich „staatsfeindlich“ ge-
nung vertrieben beziehungsweise daran ge-           sticken, abgewehrt wurde.                  wesen sei: Sie umfasste eine ganze
hindert eine Wohnung zu mieten.                     Das Verfahren gegen Amnesty Inter-         Reihe von Straftaten, die angeblich
Seit ihrem letzten Umzug haben die Ein-             national Indien lief seit dem 15. Au-      begangen wurden, darunter Aufwie-
schüchterungen der Polizei jedoch aufgehört,        gust 2016. Vorausgegangen war eine         gelung, rechtswidrige Versammlung,
und Ni Yulan betonte, dass der internationale       Beschwerde seitens der studenti-           Randalieren und das Schüren von
Einsatz zu ihrem Fall zu dieser Verbesserung        schen Gruppe Akhil Bharatiya Vidy-         Feindseligkeit.
beigetragen hat.                                    arthi Parishad (ABVP), einer Gruppie-      Das Gericht nahm den Abschlussbe-
                                                    rung, die der nationalistischen Hin-       richt der Stadtpolizei von Bengaluru
PARAGUAY: VERTREIBUNG VON 200 FAMILIEN              du-Organisation Rashtriya Swayam-          vom Juli 2017 an. Dieser bestätigt,
ABGEWENDET                                          sevak Sangh nahesteht.                     dass die Untersuchungen der Polizei
                                                    „Angesichts früherer Urteile des           keinerlei Hinweise auf die vorgewor-
200 Familien der kleinbäuerlichen Gemein-           Obersten Gerichtshofs, in denen der        fenen Straftaten ergeben haben.
schaft Guahory im Departamento Caaguazú             Straftatbestand der Aufwiegelung de-       „Wir wurden als ‚anti-national‘ be-
im Osten Paraguays droht nicht mehr unmit-          finiert worden war, hätte dieses Ver-      schimpft und kriminalisiert, nur weil
telbar die Vertreibung. Der Aktionsplan, in         fahren erst gar nicht eröffnet werden      wir uns gegen Menschenrechtsverlet-
dessen Rahmen häufig rechtswidrige                  dürfen“, sagt Aakar Patel, Geschäfts-      zungen einsetzen“, sagt Aakar Patel.
Zwangsräumungen durchgeführt werden, soll           führer von Amnesty International In-       „Wir verteidigen Werte wie Gerechtig-
in ihrer Gemeinde doch nicht umgesetzt wer-         dien. „Es war eine Verschwendung           keit, Gleichbehandlung und Freiheit,
den.                                                öffentlicher Mittel und gleichzeitig ei-   die laut Verfassung für alle in Indien
Am 13. Juli waren etwa 400 Polizeikräfte in         ne Ablenkung von tatsächlichen Pro-        gelten. Dabei lassen wir uns von de-
der kleinbäuerlichen Gemeinde Guahory sta-          blemen. Das jetzige Urteil bestätigt al-   nen, die uns zum Schweigen bringen
tioniert worden. Dieser Polizeieinsatz erfolgte     les, was Amnesty International seit        wollen, nicht einschüchtern.“

                                                                                                                                   5
AKTIV.IST.IN FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE - NETZWERK FRAUENRECHTE - Amnesty International Österreich
SÜDAFRIKA MÄRZ 2019
BEDROHT, WEIL SIE GEGEN TITANABBAU
KÄMPFT

SÜDAFRIKA. Nohnle Mbuthuma widersetzt sich mit ihrer Gemeinde seit Jahren einem
Bergbauprojekt, das den Menschen ihre Lebensgrundlagen zerstören würde. Sie legt
sich mit der eigenen Regierung an und erhält deshalb Morddrohungen.

                                      In Xolobeni im Pondoland am Ostkap wehren         Aktivist*innen auf einer „Abschussliste“ stün-
                                      sich die Bewohner*innen seit Jahren gegen         den.
                                      einen Bergbaukonzern, der dort Titan abbau-       Eine besonders Hartnäckige von ihnen ist die
                                      en will. Eine Tochtergesellschaft des australi-   39-jährige Nonhle Mbuthuma, Mutter eines
                                                                                        kleinen Sohnes und jetzt Vorsitzende des
                                                                                        ACC, die den Kampf um den Bestand der
                                                                                        jahrhundertealten Kulturlandschaft weiter-
                                                                                        führt.

                                                                                        BERGBAU WÜRDE KULTUR UND LANDSCHAFT ZERSTÖ-
                                                                                        REN. Die sozialen und ökologischen Konse-
                                                                                        quenzen des Titan-Abbaus wären verhee-
                                                                                        rend, betont Nonhle Mbuthuma. Die noch
                                                                                        unberührten Sanddünen an der Küste wür-
                                                                                        den abgetragen und Wasser aus den Flüssen
                                                                                        gepumpt. Rund 5.000 Menschen würden ge-
                                                                                        waltsam vertrieben. Sie würden ihr Zuhause,
                                                                                        ihren Lebensunterhalt und ihre kulturelle
                                                                                        Identität verlieren.
                                                                                        Wegen ihres Einsatzes für Nachhaltigkeit wird
                                                                                        Nonhle Mbuthuma ständig eingeschüchtert
                                                                                        und bedroht. Es wurde sogar versucht, sie zu
                                                                                        ermorden. Heute kann sie sich nur mehr in
                                                                                        Begleitung eines Bodyguards bewegen.
                                                                                        Manchmal muss sie auch untertauchen.
                                                                                        Denn ihr Name steht als Nummer eins auf
                                                                                        der Todesliste. Vier Menschen, die sich öf-
                                                                                        fentlich gegen die Mine engagierten, wurden
    Nohnle Mbuthuma möchte die        schen Bergbauunternehmens MRC, Trans-             bereits ermordet. Keiner der Morde wurde
    Natur und Kultur in der Region    world Energy and Minerals (TEM), hatte 2008       bisher aufgeklärt.
      durch nachhaltige Landwirt-     das Recht beantragt, Titan im Bezirk uMgun-
     schaft und sanften Tourismus     gundlovu an der Wild Coast in der Provinz         EIN ERSTER ERFOLG. Im Kampf gegen den Titan-
                          erhalten.
    © Amnesty International (auch     Eastern Cape zu gewinnen.                         abbau konnte das ACC einen ersten großen
                         Coverfoto)                                                     Erfolg verbuchen: Das regionale Höchstge-
                                      AKTIVIST ERMORDET. 2016 wurde der Land-           richt entschied im November 2018, die Ab-
                                      rechtsaktivist und Vorsitzende des Amadiba        baugenehmigung dürfe nur mit „der vollen
                                      Crisis Committee (ACC), Sikhosiphi Rhadebe,       und informierten Zustimmung“ der betroffe-
                                      erschossen. Bis heute wurde sein Tod noch         nen Gemeinde erteilt werden. Die Geschäfts-
                                      nicht aufgeklärt. Kurz vor seiner Ermordung       führerin von Amnesty International Südafrika,
                                      hatte er erfahren, dass die Namen von ACC-        Shenilla Mohamed, sagte: „Das Urteil ist eine

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AKTIV.IST.IN FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE - NETZWERK FRAUENRECHTE - Amnesty International Österreich
klare Botschaft, dass multinationale Bergbau-
unternehmen die Rechte der Menschen bei
der Jagd nach Profit nicht mit Füßen treten
können. Die Regierung muss das Urteil res-
pektieren und sicherstellen, dass bei der Er-
teilung künftiger Bergbaulizenzen die Zustim-
mung der indigenen Völker nach umfassen-
der Information eingeholt wird.“

ERSTMALS DIE REGIERUNG VERKLAGT. Ende Novem-
ber besuchte Nohnle Mbuthuma Amnesty
Österreich und berichtete vom Kampf ihrer
Gemeinde gegen die Titanmine: „Wir fühlen
uns von der Regierung im Stich gelassen.“
Deshalb richten sich die Aktivitäten auch
nicht vordringlich gegen den australischen        International setzte sich ebenfalls gegen das
                                                  Autobahnprojekt ein.                              Das bahnbrechende Urteil zur
Bergbaukonzern, sondern gegen die eigene                                                            erforderlichen Zustimmung
Regierung. Also wurde die Klage auch gegen        Gebaut werden sollte der gigantomanische          der Bürger*innen feierten die
die Regierung eingebracht – eine erste dieser     Highway vom österreichischen Konzern Stra-        betroffenen Gemeinden über-
Art in Südafrika. „Der Staat darf nicht über      bag, der einen Vertrag mit der südafrikani-       schwänglich.         © ACC
die Menschen und unser Land bestimmen“,           schen Straßenagentur Sanral geschlossen
so Nohnle. Allerdings gab sie sich keinen Illu-   hatte. Am 3. Februar 2019 berichtete die
sionen hin, dass das Urteil nicht angefochten     „Wiener Zeitung“, die Strabag habe den Ver-
würde. Inzwischen hat der zuständige Minis-       trag mit Sanral gekündigt.
ter bereits angekündigt, Einspruch zu erhe-
ben. Er versucht, gegen den Willen der Be-        FÜR SANFTE ENTWICKLUNG. Der kämpferischen
troffenen mit Polizeieinsatz eine Volksbefra-     Aktivistin Nonhle Mbuthuma wird immer wie-
gung durchzuführen.                               der vorgeworfen, sie agiere gegen Fortschritt
                                                  und Entwicklung. Tatsächlich setzt sie sich für
AUTOBAHNBAU GEBREMST. Und noch einen Sieg         sanften Tourismus und ökologische Landwirt-
konnte das Amadiba Crisis Committee verbu-        schaft ein.
chen. Für eine Autobahn mit der größten Brü-      Was die Menschen in der fruchtbaren Region
cke in ganz Afrika mitten durch unberührtes       tatsächlich bräuchten, sei Unterstützung bei
Gebiet entlang der Küste hatten die Bauarbei-     der Vermarktung ihrer agrarischen Produkte.
ten bereits begonnen. Während die Regierung       Unter anderem durch ausreichende kleinräu-             SETZ DICH EIN!
behauptete, diese würde die Entwicklung för-      mige Zufahrtsstraßen. Aber, so Nohnle: „Die              Bitte schick den
dern, sehen die Bewohner*innen der Region         Regierung sieht nur das schnelle Geld.“             Appellbrief für den Schutz
sie als Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen                                                                von Nohnle Mbuthuma
und nur dem Titanabbau dienlich. Sie reagier-        Amnesty setzte sich im Dezember 2018 im              möglichst bald ab.
ten mit Protesten und Blockaden. Amnesty                Briefmarathon weltweit für Nohnle ein.

                                                                                                                                    7
AKTIV.IST.IN FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE - NETZWERK FRAUENRECHTE - Amnesty International Österreich
IRAN MÄRZ 2019
IRAN: 2018 WAR EIN „JAHR DER SCHANDE“

Mit gnadenloser Repression und mehr als 7000 Verhafteten - Frauenrechtler*innen, religiöse und
ethnische Minderheiten, Studierende, Journalist*innen - reagierte die Regierung auf die
Proteste vor einem Jahr.

                                   Ein Jahr, nachdem Iranerinnen und Iraner ge-    worden, neun von ihnen sind im Gefängnis
                                   gen die wirtschaftliche Misere, gegen Korrup-   unter ungeklärten Umständen ums Leben ge-
                                   tion und Bevormundung auf die Strasse gin-      kommen.
                                   gen, zieht Amnesty International eine nieder-   „2018 wird als 'Jahr der Schande' in die irani-
                                   schmetternde Bilanz: In einer beispiellosen     sche Geschichte eingehen. Während des gan-
                                   Repressionskampagne zur Niederschlagung         zen Jahres hat die Regierung versucht, die
                                   der Proteste sind über 7000 Personen verhaf-    Proteste zu ersticken, indem sie die Mei-
                                                                                   nungs- und Versammlungsfreiheit noch stär-
                                                                                   ker eingeschränkt und Massenverhaftungen
                                                                                   von Demonstrierenden vorgenommen hat“,
                                                                                   urteilt Philip Luther, Verantwortlicher für Re-
                                                                                   search und Advocacy zu Nahost und Nord-
                                                                                   afrika.
                                                                                   Ins Fadenkreuz genommen wurden neben
                                                                                   Medienschaffenden und Studierenden auch
                                                                                   Personen, die über den Messenger-Dienst Te-
                                                                                   legram Informationen über die Demonstratio-
                                                                                   nen verbreitet hatten. Mindestens 112 Frau-
                                                                                   enrechtsverteidigerinnen wurden verhaftet
                                                                                   oder verblieben in Haft, unter ihnen auch mu-
                                                                                   tige Frauen, welche eine Protestbewegung ge-
                                                                                   gen den Verschleierungszwang starteten. Be-
                                                                                   troffene berichteten von offensichtlich unfai-
                                                                                   ren Prozessen, Einzelhaft, Folter und Miss-
                                                                                   handlung.
     Demonstration für bessere     tet worden, unter ihnen Vertreter*innen reli-
Arbeitsrechte in der Stahlverar-   giöser und ethnischer Minderheiten, Gewerk-     PROTESTE GEGEN HIJAB-ZWANG. Im Laufe des Jah-
 beitung in der iranischen Stadt
          Ahvaz im Januar 2018     schafter*innen, Frauenrechtsaktivistinnen,      res 2018 schlossen sich mutige Frauenrecht-
  © Iranian Labour News Agency     Journalist*innen und Studierende.               lerinnen im ganzen Land einer beispiellosen
                                   Die von Amnesty International im Jänner         Protestbewegung gegen die demütigenden
                                   2019 veröffentlichten neuen Zahlen zeigen       und diskriminierenden Gesetze des Hijab
                                   das Ausmaß der Repression, mit der das ira-     (Verschleierung) im Iran an. Frauen gingen
                                   nische Regime auf die Ende Dezember 2017        auf die Straße und standen erhöht auf Contai-
    FOLGE UNS AUF                  ausgebrochenen landesweiten Proteste rea-       nern, Schaltkästen, Stufen etc. im öffentli-
                                   gierte.                                         chen Raum. Dabei schwenkten sie still ihre
          FACEBOOK                                                                 an die Enden von Stöcken gebundenen Kopf-
         amnestynetz-
                                   MASSENVERHAFTUNG VON DEMONSTRIERENDEN. Min-     tücher. Die Behörden reagierten erbittert - die
         werkfrauenrechte
                                   destens 26 Demonstrierende wurden erschos-      mit gewaltsamen Übergriffen, Verhaftungen,
                                   sen und Hunderte zu Gefängnis- und Prügel-      Folter und anderen Misshandlungen. Einige
         TWITTER
                                   strafen verurteilt. Im Laufe des Jahres 2018    wurden nach grob ungerechten Prozessen zu
         @AIFrauenrechte
                                   sind mindestens 7000 Menschen verhaftet         Haftstrafen verurteilt.

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AKTIV.IST.IN FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE - NETZWERK FRAUENRECHTE - Amnesty International Österreich
Regierungen, die
                                                                                                          mit dem Iran im
                                                                                                          Dialog stehen,
                                                                                                          dürfen nicht
                                                       schen Behörden eine besonders unheilvolle          schweigen,
                                                       Razzia gegen Frauenrechtlerinnen durch. An-
                                                       statt Frauen grausam zu bestrafen, weil sie ih-
                                                                                                          während die
                                                       re Rechte einfordern, sollten die Behörden         Repressionen
                                                       der grassierenden und verwurzelten Diskrimi-
                                                       nierung und Gewalt, der sie ausgesetzt sind,
                                                                                                          immer schlimmer
                                                       ein Ende setzen", sagte Philip Luther.             werden.
                                                       Ebenso repressiv gingen und gehen die Si-
                                                                                                          Philip Luther, Direktor für
                                                       cherheits- und Justizorgane gegen Umweltak-
                                                                                                          Research und Advocacy zu Nahost
                                                       tivist*innen und Forscher*innen sowie gegen        und Nordafrika
                                                       demonstrierende Arbeiter*innen und Gewerk-
                                                       schaftsmitglieder vor.

                                                       VERSTÄRKTE UNTERDRÜCKUNG RELIGIÖSER UND ETH-
                                                       NISCHER MINDERHEITEN. 2018 stand auch im
                                                       Zeichen einer verschärften Repression gegen
                                                       religiöse und ethnische Minderheiten. Beson-
                                                       ders betroffen waren nach einer friedlichen
Eine Frau protestiert friedlich gegen den verpflich-
tenden Hijab in Karaj, Provinz Alborz.                 Demonstration im Februar Angehörige des
© White Wednesdays CampaignDas Amnesty-                größten Sufi-Ordens (Gonabadi Derwische):
                                                       Über 200 Personen wurden zu insgesamt
Shaparak Shajarizadeh wurde wegen ihres                1080 Jahren Haft und 5995 Peitschenhieben
friedlichen Protestes gegen den erzwungenen            verurteilt. Mohammed Salas wurde zum Tode
Hijab zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, von           verurteilt und hingerichtet.
denen 18 ausgesetzt wurden. Sie floh aus               Auch mindestens 171 Christ*innen sind 2018
dem Iran, nachdem sie gegen Kaution entlas-            aufgrund ihrer friedlichen Ausübung ihres
sen wurde. In Medieninterviews beschrieb sie,          Glaubens verhaftet worden. Ebenso Angehöri-
wie sie Folter und anderen Misshandlungen              ge der verfolgten religiösen Minderheit der
in Einzelhaft ausgesetzt war und ihr der Zu-           Baha’i und Angehörige der ahwazischen, kur-
gang zu ihrer Anwältin verweigert wurde.               dischen, aserbaidschanischen, turkmeni-
Nasrin Sotoudeh, eine prominente Menschen-             schen und belutschischen Minderheiten.
rechtsanwältin und Frauenrechtlerin, die Sha-
parak Shajarizadeh vertrat, wurde selbst am            AMNESTY INTERNATIONAL FORDERT all jene Regie-
13. Juni 2018 verhaftet, weil sie Demonstran-          rungen, welche in einem Dialog mit Iran ste-
tinnen gegen den Hijabzwang verteidigt hatte.          hen, auf, die beispiellose Repression mit kla-
Sie ist mehrerer Vergehen gegen die nationale          ren Worten anzuprangern und die Freilassung
Sicherheit angeklagt. Ihr drohen mehr als              all jener zu fordern, die allein aufgrund des-
zehn Jahre Gefängnis, zusätzlich zu der fünf-          sen in Haft sind, weil sie ihre Rechte auf freie
jährigen Haftstrafe, die sie bereits für ihre Ar-      Meinungsäußerung, Versammlung oder Reli-
beit gegen die Todesstrafe verbüßt.                    gionsfreiheit wahrgenommen haben.
„Im Laufe des Jahres 2018 führten die irani-

                                                                                                                                        9
AKTIV.IST.IN FRAUENRECHTE SIND MENSCHENRECHTE - NETZWERK FRAUENRECHTE - Amnesty International Österreich
JURISTISCHE SCHIKANEN
                                                                     GEGEN EREN KESKIN BEENDEN

                                                                                      steht. Seit dem Putschversuch im Juli 2016
                                                                                      geht die türkische Regierung mit noch größe-
                                                                                      rer Härte als zuvor gegen kritische Stimmen
                                                                                      im Land vor. Für ihre systematische Verfol-
                                                                                      gung von Regierungskritiker*innen nutzte die
                                 Die Menschenrechtsverteidigerin und
                                                                                      Regierung zunächst ihre weitreichenden Be-
                                 Rechtsanwältin Eren Keskin setzt sich seit
                                                                                      fugnisse auf Grundlage des nach dem
                                 Jahrzehnten unbeirrt für die Menschenrech-
                                                                                      Putschversuch ausgerufenen Ausnahmezu-
                                 te in der Türkei ein.
                                                                                      stands. Obwohl der Ausnahmezustand im Juli
                                                                                      2018 endete, hat sich die Menschenrechtssi-
                                 Sie unterstützt Frauen, die Opfer sexualisierter
                                                                                      tuation seitdem nicht wesentlich verbessert.
                                 Gewalt wurden, Angehörige von Minderheiten
                                                                                      Denn die türkischen Behörden haben den
                                 und erhebt ihre Stimme immer wieder für die
                                                                                      Ausnahmezustand genutzt, um die Auswei-
                                 Meinungsfreiheit.
                                                                                      tung ihrer Befugnisse langfristig zu sichern,
                                 Wegen ihrer Unterstützung für eine prokurdi-
                                                                                      kritische Stimmen mundtot zu machen und
                                 sche Zeitung drohen Eren Keskin nun lange
                                                                                      grundlegende Rechte einzuschränken.
                                 Haftstrafen. Aus Solidarität mit der Zeitung
                                                                                      Besonders betroffen von Repressalien sind
                                 „Özgür Gündem“, die immer wieder Repres-
                                                                                      diejenigen, die sich für die Opfer von Men-
                                 sionen ausgesetzt war und im Oktober 2016
                                                                                      schenrechtverletzungen und für einen besse-
                                 verboten wurde, hatte Eren Keskin von 2013
                                                                                      ren Menschenrechtsschutz in der Türkei ein-
                                 bis Anfang 2016 symbolisch die Funktion der
                                                                                      setzen: Menschenrechtsverteidiger*innen
                                 Chefredakteurin übernommen.
                                                                                      werden mit Gewalt bedroht, willkürlich straf-
                                 Obwohl sie diese Funktion nie praktisch aus-
                                                                                      rechtlich verfolgt und inhaftiert.
                                 geübt hat und keinen Einfluss auf redaktionel-
                                                                                      Eren Keskin ist Rechtsanwältin und eine re-
                                 le Entscheidungen hatte, haben die Behörden
     SETZ DICH EIN!              gegen sie 129 Gerichtsverfahren eingeleitet,
                                                                                      nommierte türkische Menschenrechtsverteidi-
       Bitte schick den                                                               gerin. Sie ist führendes Mitglied der Men-
                                 zumeist wegen einzelner während ihrer Zeit
 Appellbrief an Justizminister                                                        schenrechtsorganisation İHD und hat zudem
                                 als Chefredakteurin in der Zeitung erschiene-
   Abdülhamit Gül noch im                                                             eine Organisation gegründet, die Opfern von
                                 ner Artikel. Dazu kommen noch weitere Ver-
           März ab.                                                                   sexueller Belästigung und Vergewaltigung in
                                 fahren aufgrund politischer Meinungsäuße-
                                                                                      Polizeihaft oder im Gefängnis Rechtshilfe bie-
                                 rungen.
                                                                                      tet. Während ihres jahrzehntelangen Einsatzes
                                                                                      für die Menschenrechte wurde Eren Keskin
                                 MINDESTENS 12 JAHRE HAFT DROHEN. In einzelnen
                                                                                      bereits mehrfach aufgrund missliebiger Äuße-
                                 der „Özgür Gündem“-Verfahren sind bereits
                                                                                      rungen angeklagt und verurteilt, erhielt immer
                                 in erster Instanz Urteile ergangen. Die dabei
                                                                                      wieder Morddrohungen und war physischen
                                 verhängten Strafen beliefen sich bis Jänner
                                                                                      Angriffen ausgesetzt.
                                 2019 bereits auf insgesamt zwölf Jahre und
                                 sechs Monate Haft sowie hohe Geldstrafen.
                                                                                      FORDERE JETZT vom türkischen Justizminister
                                 Sollte sie rechtskräftig verurteilt und inhaftiert
                                                                                      Abdülhamit Gül, die juristischen Schikanen
                                 werden, wäre dies ein schwerer Schlag für
                                                                                      gegen Eren Keskin zu beenden, damit sie ihre
                                 den Menschenrechtsschutz in der Türkei und
                                                                                      Menschenrechtsarbeit ungehindert und ohne
                                 für all diejenigen Opfer von Menschenrechts-
                                                                                      Angst vor Repressalien fortführen kann!
                                 verletzungen, denen Eren Keskin zur Seite

10
AMNESTY ZUR ÖSTERREICHISCHEN
  REGIERUNGSPOLITIK

ÖSTERREICH: Amnesty Österreich äußert schwere Bedenken zu Regierungsvor-
haben und menschenrechtlich gefährlichen Aussagen von Politikern.

ZUM SOZIALHILFEGESETZ. Amnesty International       rechtlich verpflichtet. Dass die Regierung nun
Österreich bezeichnete in ihrer Stellungnahme      dieses fundamentale Prinzip anlässlich dieser
Anfang Jänner das geplante neue Sozialhilfege-     entsetzlichen Mordfälle in Frage stellt, zeigt
setz als „Verarmungsgesetz“ und kritisiert ge-     wieder einmal, dass die Regierung lieber ty-
plante Regelungen. Es werde für mehr Armut         pisch populistische Antworten geben will, an-
in Österreich sorgen. Es widerspricht dem          statt an nachhaltigen Lösungen für alle Men-       REDEN WIR ÜBER
Recht auf soziale Sicherheit und dem Recht         schen in Österreich zu arbeiten“, sagt Patzelt.    MENSCHENRECHTE
auf ein Leben in Würde.
Die geplanten Regelungen könnten die Situati-      ZUR MENSCHENRECHTSKONVENTION. Zu den Äuße-         Die Diskussion über Menschen-
on für armutsgefährdete Kinder und Jugendli-       rungen des Inneministers zur Europäischen          rechte in Österreich ist voll im
che, Menschen mit geringer Schulbildung oder       Menschenrechtskonvention sagt Annemarie            Gange. Was haben Menschen-
                                                                                                      rechte mit unserem Alltag zu
geringen Sprachkenntnissen sowie Straf-            Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty Inter-
                                                                                                      tun? Leben wir sie? Wie gut sind
täter*innen gravierend verschlechtern.             national Österreich: „Die Aussagen von Innen-
                                                                                                      Menschenrechte in unserem per-
                                                   minister Herbert Kickl sind der beste Beweis       sönlichen Umfeld umgesetzt?
ZU DEN FRAUENMORDEN. Amnesty Österreich kriti-     dafür, dass Menschenrechte aktueller und           Gehen wir respektvoll miteinan-
sierte die Forderung von Bundeskanzler Se-         wichtiger sind als je zuvor,                       der um? Wie hat sich unsere Ge-
bastian Kurz und Innenminister Herbert Kickl       Sie führen vor Augen, wie visionär und zeitlos     meinschaft verändert?
nach verstärkter Abschiebung straffällig gewor-    die Menschenrechtskonvention ist: Sie ist der      Amnesty International begrüßt,
dener Asylwerber anlässlich der erschrecken-       absolute Anker unseres Zusammenlebens. Sie         dass das Thema Menschenrech-
den Häufung von Frauenmorden im Jänner in          garantiert, dass alle Menschen in Freiheit, Wür-   te die Menschen in Österreich
Österreich. Den Stopp von Projekten für Ge-        de und gleichberechtigt leben können. Wer          bewegt und möchte mit einem
waltprävention und Schutzsystemen für Frauen       glaubt, als Minister seine eigene politische       Pilotprojekt dazu anregen, diese
durch die Bundesregierung in den vergange-         Ideologie über die Grundrechte aller Menschen      und ähnliche Fragen über die
                                                                                                      Menschenrechte im lokalen Kon-
nen Monaten bezeichnet Generalsekretär             stellen zu können, hat jeglichen Bezug zu sei-
                                                                                                      text zu diskutieren.
Heinz Patzelt als kurzsichtig und verfehlt: „Die   nem Auftrag verloren. Menschenrechte neh-
Häufung von Frauenmorden in den vergange-          men Regierungen und Machthabende in die            Amnesty sucht nach Personen,
nen Tagen ist entsetzlich und erfordert Maß-       Pflicht. Sie sind ein wichtiger Schutzmechanis-    die gerne ehrenamtlich die Auf-
nahmen, mit denen solche Straftaten verhin-        mus und garantieren, dass arrogante                gabe der „Regional Buddies“
dert werden können. Darunter fallen Gewalt-        Politiker*innen im Machtrausch der Bevölke-        übernehmen möchten. Ein „Re-
prävention und wirksame Schutzsysteme für          rung nicht einfach ihre Grundrechte entziehen      gional Buddy“ hat die Aufgabe,
Frauen. Genau solche Maßnahmen hat die             können. In Zeiten, in denen ein Minister die       Gespräche zu moderieren und
Bundesregierung in den vergangenen Monaten         Basis für unser Zusammenleben in Frage stellt,     andere dabei zu unterstützen,
gestoppt. Die Forderung nach verschärften Ab-      zeigt sich, wie wichtig es ist, dass die Men-      Menschenrechtsthemen im loka-
schiebungen für straffällig gewordene Asylbe-      schenrechte allen Menschen in Österreich per       len oder regionalen Kontext zu
rechtigte geht am Kern des Problems vorbei         Verfassung garantiert werden. Die Aufgabe al-      diskutieren. Um den Einstieg zu
                                                                                                      erleichtern, vermitteln
und ist ein klarer Bruch mit der Verfassung.       ler Minister*innen in Österreich ist dafür zu
                                                                                                      Expert*innen bei Amnesty Öster-
Kein Mensch darf in ein Land abgeschoben           sorgen, dass kein Mensch diskriminiert wird
                                                                                                      reich bei einem Training die
werden, wo ihm Folter oder Todesgefahr dro-        und dass alle Menschen gleich behandelt wer-       wichtigsten Methoden.
hen. Dieses Prinzip ist ein Grundelement euro-     den – von der Bäuerin in Vorarlberg über den       Anmeldung bei
päischer Humanität, das alle Menschen              Geflüchteten aus Syrien bis zum Studenten in       aktivwerden@amnesty.at.
schützt. Zu ihm hat sich Österreich völker-        Graz.“

                                                                                                                                 11
MÄRZ 2019
„KAPUTTES SYSTEM“ LÄSST MENSCHEN

                                                                                                                                   EUROPA
AUF DEM MEER IM STICH
Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen dringend etwas gegen das
System tun, das Staaten aktiv davon abhält, Menschen auf der Flucht und
Migrant*innen in Seenot zu helfen.

                                       Der im Jänner veröffentlichte Amnesty-Bericht     neu eintreffenden Asylsuchenden gleichmäßig
                                       „Cut adrift in the Mediterranean“ zeigt auf,      verteilt. Dies hat ernste Konsequenzen für die
                                       wie Europa die Grenzkontrolle den libyschen       Länder an den EU-Außengrenzen, die dafür
                                       Behörden überlässt und wie innerhalb              verantwortlich sind, Asylanträge zu bearbei-
                                       Europas ein System geschaffen wurde, das          ten, Asylsuchende unterzubringen, erfolgrei-
                                       die Verantwortung für Asylsuchende nicht ge-      che Bewerber*innen zu integrieren und abge-
                                       recht verteilt. Dies führt immer wieder dazu,     wiesene Asylsuchende in ihr Herkunftsland
                                       dass Asylsuchende und Migrant*innen ein-          zurückzuführen.
                                       fach im Mittelmeer zurückgelassen werden. In      Die Regierungen der EU-Länder haben eine
                                       dem Bericht werden außerdem Maßnahmen             Reihe von Maßnahmen eingeführt, um die
                                                     aufgezeigt, mit denen Situationen   Überquerung des Mittelmeers zu verhindern.
     Das System funktioniert weder                   wie das Anlegeverbot für Schiffe    Darunter fällt die Unterstützung für die liby-
      für die EU-Grenzstaaten noch                   der NGOs Sea-Watch und Sea-         sche Küstenwache, damit diese schutzsu-
                                                     Eye sowie das Auslaufverbot für     chende Menschen aufgreift, und Erschwe-
               für die Menschen, die                 ein Schiff der NGO Proactiva        rung der Arbeit von NGOs, die Such- und
          entweder auf See zurück-                   Open Arms verhindert werden         Rettungseinsätze durchführen.
            gelassen werden oder in                  können.
     EU-Ländern mit schwerfälligen                   „Die Situation ist beschämend:      RETTUNGSORGANISATIONEN WERDEN ABGEWIESEN.
                                                     Rettungsschiffe werden zurück-      Ziel dieser Strategie ist es, Menschen aus
                    und überforderten
                                                     gehalten, um Frauen, Männer         Europa fernzuhalten – und das, obwohl Liby-
           Asylsystemen festsitzen.                  und Kinder wochenlang auf ho-       en nicht die Kapazität hat, Rettungseinsätze
                                                     her See ausharren zu lassen,        zu koordinieren, und obwohl es völkerrecht-
          Matteo de Bellis, Experte für Asyl und
                                                     während die politisch Verantwort-   lich verboten ist, aus Seenot gerettete Men-
           Migration bei Amnesty International
                                                     lichen noch wetteifern, wer am      schen an ein Land zu übergeben, in dem ih-
                                                     wenigsten Menschen einreisen        nen – wie in Libyen – Folter, Erpressung oder
                                       lässt und am wenigsten Hilfe bereitstellt. Das    Vergewaltigung drohen.
                                       darf sich nie wieder wiederholen“, sagt Matteo    Manche EU-Länder lassen ihre eigene Marine
                                       de Bellis, Experte für Asyl und Migration bei     entweder gar keine oder kaum noch Patrouil-
                                       Amnesty International. „Die europäischen Re-      len fahren, um die Anzahl von Menschen zu
                                       gierungen müssen dringend Maßnahmen er-           reduzieren, die in ihren Häfen an Land ge-
                                       greifen, um ein kaputtes System zu reparie-       hen. Einige Rettungsorganisationen, die da-
                                       ren. Das System funktioniert weder für die        raufhin aktiv geworden sind, werden an vielen
                                       EU-Grenzstaaten noch für die Menschen, die        Häfen regelmäßig abgewiesen, insbesondere
                                       entweder auf See zurückgelassen werden            in Italien und Malta. Einige EU-Länder haben
                                       oder in EU-Ländern mit schwerfälligen und         sogar unbegründete Strafverfahren gegen die-
                                       überforderten Asylsystemen festsitzen.“           se Organisationen eingeleitet oder bürokrati-
                                                                                         sche Hürden aufgebaut, um sie an ihren Ret-
                                    EUROPAWEITER MECHANISMUS GEFORDERT. Es exis-         tungseinsätzen zu hindern.
                                    tiert bisher kein europaweiter Mechanismus,          Ein Beispiel: die Intervention der spanischen
                                    der die Verantwortung für die Aufnahme von           Seefahrtsbehörden, die ein Auslaufverbot für

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das Rettungsschiff Open Arms der Hilfsorga-      Open Arms der Hilfsorganisation Proactiva         Die Crew der Hilfsorganisation
nisation Proactiva Open Arms verhängt ha-        Open Arms daran hindern, in das zentrale          Sea-Eye rettet Ende Dezember
ben. Sie haben damit verhindert, dass Men-       Mittelmeer aufzubrechen.                          2018 17 Menschen in einem
                                                                                                   Holzboot im Mittelmeer
schen im zentralen Mittelmeer gerettet wer-      In Malta durften in der zweiten Jännerwoche
                                                                                                   © Alexander Draheim/Sea-Eye
den – obwohl sie in der Verwaltungsverord-       endlich 49 Menschen von Bord gehen, die 19
nung auf die Mängel im System hingewiesen        Tage lang auf den Schiffen Sea-Watch 3 und
und deutlich gemacht haben, dass die Mittel-     Professor Albrecht Penck – von der Hilfsorga-
meerstaaten gegen das internationale See-        nisation Sea Eye – ausgeharrt hatten.
recht und die entsprechenden Standards ver-      Die Bestimmungen des europäischen Asylsys-
stoßen und dass es die Hilfsorganisationen       tems (das sogenannte Dublin-System) halten
und Asylsuchenden sind, die den Preis dafür      Staaten davon ab, angekommene Asylsu-
zahlen.                                          chende zügig an Land gehen zu lassen. Diese
                                                 Bestimmungen legen fest, welches Land für
NICHT LÄNGER DIE AUGEN VERSCHLIESSEN. „Vor-      die Bearbeitung eines Asylantrags verantwort-
schläge für eine Reform des derzeitigen Sys-     lich ist.
tems und für vorübergehende Notlösungen          In der Regel ist für einen Asylantrag das Land
sind bisher von einigen Seiten blockiert wor-    verantwortlich, in das die asylsuchende Per-
den. Doch im Vorfeld der Europawahlen im         son in die EU eingereist ist. Dort muss der
Mai können wir immer noch etwas erreichen“,      oder die Asylsuchende während des Prozes-
sagt Matteo de Bellis.                           ses untergebracht und später im Erfolgsfall in-
„Europäische Entscheidungstragende dürfen        tegriert bzw. bei abgewiesenem Antrag in das
vor den Menschen in Seenot nicht länger die      Herkunftsland zurückgeführt werden.
Augen verschließen und die Migrationsdebat-      Im Jahr 2017 schlug das Europaparlament ei-
te für ihre eigenen politischen Zwecke nutzen.   ne radikale Reform der Dublin-Verordnung
Stattdessen müssen sie sich dringend auf ei-     vor, um einen verbindlichen Mechanismus
ne schnell umsetzbare, transparente und dem      einzuführen, der Menschen, die vor Gewalt
Völkerrecht entsprechende Ausschiffungspoli-     und Verfolgung fliehen, gerecht auf alle EU-
tik einigen und ein System beschließen, das      Staaten aufteilen sollte.
die Verantwortung für Asylsuchende gerecht       Doch letztlich konnte man sich innerhalb des
auf alle EU-Staaten verteilt.“                   Europäischen Rates nicht auf die Reform eini-
                                                 gen, da einige europäische Länder sich dage-
DUBLIN-SYSTEM GEFÄHRDET SCHUTZSUCHENDE. Am       genstemmten, Verantwortung für Asylsuchen-
Montag, den 14. Jänner, wurde bekannt, dass      de zu übernehmen.
die spanischen Behörden das Rettungsschiff

                                                                                                                               13
TRIPADVISOR SOLL SICH AUS ILLEGALEN
SIEDLUNGEN IN PALÄSTINA ZURÜCKZIEHEN

ISRAEL/BESETZTE PALÄSTINENSISCHE GEBIETE. Mit seinem umfangreichen touristischen
Angebot stärkt TripAdvisor die Siedlungswirtschaft und trägt zur Siedlungsexpansion bei.

                                     „Lerne wie ein Soldat zu schießen, ein Kamel        ihre Entstehung stellt ein Kriegsverbrechen dar.
                                     zu reiten oder eine Tour durch historische Stät-    Die Siedlungen befinden sich auf gestohlenem
                                     ten zu machen - alles auf gestohlenem Land!         palästinensischem Land. Sie sollten keine Tou-
                                     Dank der Hilfe von TripAdvisor sind dies alles      ristenziele sein.
                                     Aktivitäten, die Sie unternehmen können,            Seit 1967, als Israel das Westjordanland, ein-
                                                                                         schließlich Ost-Jerusalem, eroberte und be-
                                                                                         setzte, hat die israelische Regierung die Schaf-
                                                                                         fung und Erweiterung von Siedlungen geför-
                                                                                         dert.

                                                                                         SIEDLUNGEN HABEN VERHEERENDE AUSWIRKUNGEN
                                                                                         auf ein breites Spektrum der Menschenrechte
                                                                                         des palästinensischen Volkes, einschließlich
                                                                                         seines Rechts auf einen angemessenen Le-
                                                                                         bensstandard, auf Wohnen, Gesundheit, Frei-
                                                                                         zügigkeit und Bildung. Die Existenz von Sied-
                                                                                         lungen lähmt auch die palästinensische Wirt-
                                                                                         schaft. Indem TripAdvisor den Tourismus in die
                                                                                         Siedlungen treibt, trägt es zu diesen Men-
                                                                                         schenrechtsverletzungen bei.
                                                                                         TripAdvisor steht im Mittelpunkt dieser Kampa-
                                                                                         gne, da das Unternehmen in israelischen Sied-
                                                                                         lungen eine relative Bedeutung für die Touris-
                                                                                         musbranche hat: TripAdvisor ist die meistbe-
                                                                                         suchte Online-Tourismus-Website ausländi-
                                                                                         scher Besucher in Israel; und es wirbt für mehr
                                                                                         Angebote (mindestens 70) in mehr Siedlungen
   Die israelische Regierung ver-    wenn Sie eine der vielen illegalen israelischen     (27) als jedes andere digitale Tourismusunter-
trieb hunderte Palästinenser*in-     Siedlungen besuchen.“                               nehmen - mit Ausnahme von Airbnb, das sich
    nen, um die alten Ruinen von     TripAdvisor listet mehr als 70 verschiedene Im-     im November 2018 verpflichtete, die meisten
      Susya/Susiya im Süden des
       Westjordanlandes zu einer     mobilien, Aktivitäten und Attraktionen in illega-   seiner Angebote in Siedlungen zu entfernen.
Touristenattraktion und Siedlung     len israelischen Siedlungen in den besetzten
                     auszubauen.     palästinensischen Gebieten (OPT) auf. Damit         Online-Aktion: Bitte Stephen Kaufer, CEO von
           © Amnesty International
                                     stärkt TripAdvisor die Siedlungswirtschaft und      TripAdvisor Inc., die Auflistung oder Förderung
                                     trägt zur Siedlungsexpansion bei. Die Förde-        von Immobilien, Aktivitäten und Attraktionen in
                                     rung von Siedlungen als Tourismusziel durch         illegalen israelischen Siedlungen oder von
                                     das Unternehmen trägt dazu bei, sie zu "nor-        Siedlern in den besetzten palästinensischen
                                     malisieren" und in der Öffentlichkeit zu legiti-    Gebieten einzustellen.
                                     mieren. Siedlungen sind völkerrechtlich illegal -   amnesty.org/en/get-involved/take-action

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ISRAEL/BESETZTE PALÄSTINENSISCHE GEBIETE MÄRZ 2019
  AKTIVISTIN SUHA JBARAIN GEFAHR

Suha Jbara, Aktivistin für soziale Gerechtigkeit, droht eine Anklage, die sich
auf unter Folter erzwungene Informationen stützt.

 Am 9. Januar wurde Suha Jbara freigelassen.       dass diese weder rechtzeitig erfolgten, noch ef-
Sie verbrachte mehr als zwei Monate in Haft        fektiv waren. Ein Gerichtsmediziner untersuch-
und gibt an, während dieser Zeit von Verhörbe-     te Suha Jbara erst fünf Wochen nachdem sie
amt*innen gefoltert worden zu sein. Die Akti-      erstmals Foltervorwürfe erhoben hatte. Zudem
vistin war 26 Tage im Hungerstreik. Die Verle-     glaubt Amnesty International, dass die Unter-
sung der Anklage hatte noch nicht stattgefun-      suchungen möglicherweise nicht unparteiisch
den.                                               und unabhängig waren. Auf ein Schreiben, das
Am 3. November 2018 wurde Suha Jbara das           Amnesty International aufgrund dieser Beden-
erste Mal festgenommen und für 67 Tage in-         ken im Dezember 2018 an den Generalstaats-
haftiert. Eigenen Angaben zufolge wurde sie in     anwalt gerichtet hatte, gab es bisher noch kei-
dieser Zeit bei ihren Verhören gefoltert. Am 22.   ne Reaktion.
November 2018 trat sie aus Protest gegen ihre                                                            SETZ DICH EIN!
willkürliche Inhaftierung und Folter durch die     GLAUBWÜRDIGE BEWEISE FEHLEN. Die Staatsanwalt-           Bitte schick den
palästinensischen Sicherheitskräfte in den         schaft hat bisher keinerlei glaubwürdigen Be-       Appellbrief bis Mitte März
Hungerstreik. Nachdem sich ihr Gesundheits-        weise gegen Suha Jbara vorgelegt. Ihr droht         ab und fordere Aufklärung
zustand extrem verschlechtert hatte, wurde sie     nun eine Anklage, die sich auf unter Folter er-      über die Foltervorwürfe.
am 11. Dezember in ein Krankenhaus in Jeri-        zwungene Informationen stützt.
cho (Westjordanland) gebracht. Trotz ihres         Suha Jbara ist 31 Jahre alt, trägt die Verantwor-
schlechten Zustands machte man Suha Jbara          tung für drei Kinder und hat die palästinensi-
mit Handschellen an ihrem Krankenhausbett          sche, US-amerikanische und panamaische
fest. Nach einer Übereinkunft zwischen ihrem       Staatsangehörigkeit. Sie ist eine Aktivistin für
Rechtsbeistand und der Generalstaatsanwalt-        soziale Gerechtigkeit und an islamischen Wohl-
schaft beendete sie am 17. Dezember ihren          tätigkeitsorganisationen beteiligt. Sie engagiert
Hungerstreik. Am 9. Januar 2019 wurde sie          sich zudem bei der Unterstützung der Familien
dann aus dem Al-Najjah-Krankenhaus in Na-          palästinensischer Gefangener in Israel. Am 3.
blus, in das sie verlegt worden war, entlassen     November 2018 wurde sie in ihrem Haus in
und musste nicht wieder ins Gefängnis zurück.      Turmusaya festgenommen. Ihre Familie berich-
Nach ihrer Freilassung sagte Suha Jbara Am-        tete, dass fünf Fahrzeuge der palästinensi-
nesty International gegenüber, dass sie mehr-      schen Sicherheitskräfte vor dem Haus der Fa-
fach von Beamt*innen misshandelt worden            milie vorfuhren und Einlass verlangten, da sie
sei. Auch während ihrer Zeit in den Kranken-       sonst die Tür aufbrächen.
häusern und bei dem Transport dorthin sei sie      Suha Jbara wurde in das Haftzentrum des Ge-
Opfer von Misshandlungen geworden.                 heimdienstes in Ramallah gebracht. Dort brach
                                                   sie physisch und psychisch zusammen. Da-
KEINE ERNSTHAFTE UNTERSUCHUNG. Die General-        raufhin durfte sie kurz in das palästinensische
staatsanwaltschaft der Palästinensischen Ge-       Krankenhaus in Ramallah, wurde dann aber in
biete, welche die Foltervorwürfe von Suha Jba-     das Haftzentrum in Jericho gebracht. Weder
ra untersucht hatte, kam am 13. Dezember           bei der Festnahme noch bei den Verhören wa-
2018 zu dem Ergebnis, dass es keiner Fehlver-      ren weibliche Sicherheitskräfte anwesend.
halten seitens der Beamt*innen gäbe. Auf-          Ihre Familie erfuhr erst am 7. November, als
grund von Informationen, die Amnesty Interna-      sie vor Gericht gestellt wurde, von ihrem Ver-
tional vorliegen, befürchtet die Organisation,     bleib.

                                                                                                                                15
NETZWERK FRAUENRECHTE 2018
ÜBER UNS. TÄTIGKEITSBERICHT 2018

Wir danken unseren Unterstützer*innen, Freund*innen und Förderer*innen
ganz herzlich. Nur mit eurer Hilfe können wir etwas bewirken und die
Rechte und die Sicherheit von Frauen und Mädchen stärken.

                              2018 war wieder ein arbeitsreiches Jahr für      sind uns die Frauenrechte im Iran und die
                              unsere Gruppe. Besonders da im Vorjahr die       Verbundenheit mit der iranischen Community
                              weltweite Kampagne für den Schutz von Men-       in Wien. Mehrere unserer langjährigen Mit-
                              schenrechtsverteidigerinnen lief. Amnesty        glieder stammen aus dem Iran. Insgesamt
                              Österreich arbeitete intensiv daran mit. Die     sind wir eine „bunte“ Gruppe, mit Frauen, die
                              Gruppensprecherin des Netzwerks Frauen-          aus vielen Ländern stammen.
                              rechte war im Beirat der Kampagnenplanung
                              vertreten. Das Wiener Büro organisierte eine
                              Vortragsreise über Menschenrechtsaktivistin-                  UNSERE MEDIEN
                              nen und setzte sich im Rahmen der EU-Rats-              Website: frauenrechte.amnesty.at
                              präsidentschaft engagiert für mutige, kämpfe-                      AKTIV.IST.IN
                              rische Frauen ein. Anlässlich des EU-Außen-                4mal jährlich, Auflage: 1.500
                              minister*innentreffens in Wien veranstaltete                       NEWSLETTER
                              Amnesty Österreich ein Expert*innenseminar              monatlich an etwa 1.100 Adressen
                              am 29. August 2018 im Haus der Europäi-                             FACEBOOK
                              schen Union und kontaktierte Politiker*innen,      amnestynetzwerkfrauenrechte / ca. 1.060 Likes
                              um auf die Bedrohung vieler Aktivistinnen                            TWITTER
       Beim Offenen Rathaus   hinzuweisen.                                           AIFrauenrechte / ca. 1.450 Follower
            am 8. März 2018
                                           Unsere Gruppe besteht aus an
                                           die 20 Frauen, die sich unter-      AKTIONEN & KOOPERATIONEN. Der Internationale
                                           schiedlich intensiv an der Arbeit   Frauentag am 8. März und die 16 Tage gegen
                                           beteiligen. Wir treffen uns etwa    Gewalt an Frauen und Mädchen im Novem-
                                           alle drei Wochen, um vor allem      ber/ Dezember bilden naturgemäß Höhepunk-
                                           Organisatorisches zu bespre-        te unserer Arbeit. Zu diesen Anlässen versor-
                                           chen. Neben den Amnesty Ver-        gen wir die lokalen Gruppen in Österreich ver-
                                           anstaltungen, wie der Men-          mehrt mit Aktionsmaterial, also Petitionen und
                                           schenrechtstagung im Herbst         Fallinformationen.
                                           und der Mitgliederversamm-          Wir haben im letzten Jahr wieder zahlreiche
                                           lung, besuchen Mitglieder des       Öffentlichkeitsaktionen - (Mit)Veranstaltun-
                                           Netzwerks laufend Vorträge,         gen, Kundgebungen, Mahnwachen, Vorträge,
                                           Konferenzen und Veranstaltun-       Infotische gemacht. Zu über 40 Appellfällen
                                           gen anderer Organisationen          haben wir gearbeitet und an die 40 weitere
                                           und schreiben Berichte dazu         Berichte, Stellungnahmen und Informationen
                                           für die AKTIV.IST.IN.               auf der Website und in der AKTIV.IST.IN ver-
                                           Besonders erfreulich - das Kli-     breitet bzw. selbst geschrieben.
                                           ma in der Gruppe ist harmo-         Erfreulich verlief die Entwicklung der Sozialen
                                           nisch, motivierend und freund-      Medien im letzten Jahr. Wir konnten wieder
                                           schaftlich. Gemeinsame Ziele,       an Likes auf Facebook und Followern auf
                                           Ideale und Weltanschauungen         Twitter zulegen.
                                           verbinden.                          Fruchtbar war und ist unsere laufende Zu-
                                           Ein schon jahrelanges Anliegen      sammenarbeit mit Wiener Amnesty-Gruppen

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Bei der Menschenkette für Frauenrechte der Plattform 20000 Frauen im Mai

und dem Regional-Team Wien/Niederöster-
reich. Mit den Schweizer und den deutschen
Frauenrechts- und auch einigen Ländergrup-
pen in Deutschland hat sich eine gute Zu-
sammenarbeit etabliert. Wir teilen die Arbeit
bei Übersetzungen von Berichten und Petitio-
nen.
Mit österreichischen Frauen-NGOs und Initia-
tiven kooperieren wir immer wieder bei Veran-
staltungen und Aktionen, wie etwa in der
Plattform Mutternacht gegen Müttersterblich-
keit oder zum 8. März mit den FrauenFilmTa-            Siroos Mirzaei liest im März im Literaturhaus aus seinem Roman „Das Geheimnis von
                                                       Hokumana“. Shiva, Mitglied des NW Frauenrechte, spricht über unsere Arbeit zum Iran.
gen oder der Plattform 20000 Frauen. Die na-
tionalen und internationalen Kooperationen
stärken uns und ermöglichen es uns, zu vie-
len Themen zu arbeiten.

DIE FINANZEN. Amnesty International ist unab-
hängig und nimmt keine staatlichen Subven-
tionen oder Spenden von Parteien an. Die Fi-
nanzierung erfolgt ausschließlich über Spen-
den. Amnesty hat das Spendengütesiegel,
Spenden sind steuerlich absetzbar. Mit euren
Spenden decken wir unseren Verwaltungsauf-
wand ab. Dazu gehören Kosten, die im Zu-
sammenhang mit Veranstaltungen entstehen
sowie Versandkosten, die beim Verschicken              Mahnwache vor der iranischen Botschaft für Menschen/Frauenrechte im Juni
von Appellbriefen und der AKTIV.IST.IN anfal-
len. Seit dem Vorjahr wird unsere Zeitschrift
extern gedruckt, auch das kostet Geld.
Dank eurer Spenden konnten wir auch 2018
wieder Hilfsorganisationen unterstützen: die
österreichische NGO LEFÖ – Beratung, Bil-
dung und Begleitung für Migrantinnen, die für
Betroffene von Menschenhandel und auch
für die Rechte von Sexarbeiterinnen arbeitet
und - wie seit Jahren - das Frauenhaus Pa-
nah in Karachi/Pakistan.

Bitte unterstützt uns auch heuer wieder bei Appellen
und/ oder mit Spenden!
                                                       Bei der Demo gegen die unmenschliche EU-Flüchtlingspolitik bei der UNO Citiy im Sept.

                                                                                                                                               17
DIES & DAS
                                              FÜR DAS BESTE IM MANN. Der Rasiererher-
                                              steller Gillette hatte im Jänner ein Wer-
                                              bevideo veröffentlicht, für das das Un-
  Die Vision des Feminismus                   ternehmen von Männerrechtlern und
                                              rechten Medien im Netz heftig be-
     ist nicht eine weibliche                 schimpft wurde. Kunden kündigten
          Zukunft. Es ist eine                an, die Produkte wegen der übertrie-                                 © Screenshot Twitter
                                              benen „political correctness“ nicht
       menschliche Zukunft.                   mehr zu kaufen.
                                                                                          HASS GEGEN DIE KLIMAKTIVISTIN GRETA THUN-
                                                                                          BERG. Seit dem Sommer 2018 hat die
   Ohne Rollenzwänge, ohne
                                                                                          16-jährige Schülerin Greta Thunberg
         Macht- und Gewalt-                                                               mit ihrem Schulstreik für den Klima-
           verhältnisse, ohne                                                             schutz eine unglaubliche Mobilisierung
                                                                                          unter jungen Menschen hervorgerufen.
         Männerbündelei und
                                              © Screenshot Twitter

                                                                                          Beim Weltwirtschaftsforum in Davos
        Weiblichkeitswahn.“                                                               sagte sie: „Ich will nicht, dass ihr Hoff-
                                                                                          nung habt. Ich will, dass ihr in Panik
             Johanna Dohnal, 2004                                                         geratet.“ In vielen Ländern, auch in
                                                                                          Österreich, folgten Schülerinnen und
                                                                                          Studierende ihrem Beispiel und de-
                                              Im Videoclip werden sexistische Sze-
                                                                                          monstrieren für den Klimaschutz. In
                                              nen gezeigt, auch Auseinandersetzun-
                                                                                          den Sozialen Medien wird Greta Thun-
                                              gen zwischen jungen Burschen. Ange-
                                                                                          berg hingegen heftig angefeindet, als
                                              sprochen wird Mobbing und die #Me-
                                                                                          altklug und verhaltensgestört bezeich-
                                              Too-Bewegung. In weiteren Szenen
                                                                                          net. Doch die junge Schwedin weiß sich
                                              schreiten Männer bei solchen Vorfällen
                                                                                          wehren und findet auch online begeis-
                                              ein und reagieren, wenn Frauen auf
                                                                                          terte Unterstützung.
                                              der Straße belästigt werden.

                                                                                          YOUTUBERINNEN - EIN FRAUENBILD WIE AUS
                                              DAS GENDERSTERNCHEN. Das „Gender-           DEN 50-ER JAHREN. Frauen sind auf You-
                                              sternchen“ wurde vor kurzem von             Tube in der Minderheit: Erfolgreiche
                                              Sprachwissenschaftler*innen zum             YouTube-Kanäle werden meistens von
                                              „Anglizismus des Jahres“ gewählt, als       Männern betrieben. Das zeigt eine
                                              eine „klare Bereicherung des deut-          neue Studie der Professorin für Me-
                                              schen Wortschatzes“. Die feministi-         dienforschung an der Universität Ros-
                                              sche Linguistin Luise F. Pusch plä-         tock, Elizabeth Prommer. Frauen zei-
                                              diert aber für eine andere Lösung.          gen sich auch anders als Männer. Sie
                                              Nämlich für das „generische Femini-         stellen sich selbst deutlich stereotyper
                                              num“. Das bedeutet: Alles wird in der       dar. Die Themen, mit denen Frauen in
                                              weiblichen Form gesagt - und die            ihren Videos auftreten, sind Schmink-
                                              Männer dürfen sich mitgemeint füh-          tipps, Schönheit, Nähen, Kochen und
                                              len. „Für die Benutzung des generi-         Familie. YouTuberinnen entsprechen
                                              schen Femininums muss auch kein             also einem sehr klassischen Frauen-
                                              Rechtschreibrat bemüht werden,              bild. Sie sind mehrheitlich daheim zu
„You are not free until all of us are free“   denn es verletzt keine einzige deut-        sehen, sprechen über ihre Hobbys. Mit
       Botschaft auf einem Kunstwerk der      sche Rechtschreibregel. Fremdartige         Beautytipps ließe sich am ehesten Wer-
           amerikanisch-kolumbianischen       Einsprengsel in die deutsche Recht-         begeld verdienen. Das in den Videos
Künstlerin Jessica Sabogal für die Volks-     schreibung, wie Sternchen, Unterstri-       präsentierte gestylte Hausmütterchen
 hilfe Initiative „Sei eine starke Stimme“    che oder Binnen-Is, erübrigen sich“         hat allerdings Auswirkungen auf junge
        2017 / Schönbrunnerstraße, Wien.
                                   © privat   sekundiert die Feministin und EM-           Mädchen, die Aussehen und Gestik der
                                              MA-Herausgeberin Alice Schwarzer.           Influencerinnen nachahmen.

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