Autoantikörper bei Hodgkin-Lymphom-Patienten mit und ohne begleitende Paraneoplastische Neurologische Syndrome
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Autoantikörper bei Hodgkin-Lymphom-Patienten mit und ohne begleitende Paraneoplastische Neurologische Syndrome Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin des Fachbereichs Medizin der Justus-Liebig-Universität Gießen vorgelegt von Julia Huwe, geb. Scharfenberger aus Worms Gießen 2009
Aus dem Zentrum für Neurologie und Neurochirurgie Klinik für Neurologie der Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen Leiter: Prof. Dr. med. M. Kaps Gutachter: PD Dr. Blaes Gutachter: PD Dr. Rummel Tag der Disputation: 28.07.2009
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung .......................................................................................................i Summary .................................................................................................................... iii 1. Einleitung................................................................................................................ 1 1.1 Morbus Hodgkin ............................................................................................... 1 1.2 Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS)......................................... 5 1.3 Paraneoplastische neurologische Syndrome bei M. Hodgkin..........................12 1.4 Fragestellung...................................................................................................15 2. Patienten und Methoden........................................................................................16 2.1 Patienten .........................................................................................................16 2.1.1 Patienten mit M. Hodgkin (Hodgkin-Gruppe)............................................16 2.1.2 Hodgkinpatienten mit PNS (Hodgkin/Para-Gruppe) .................................16 2.1.3 Gesunde Kontrollen (Kontroll-Gruppe) .....................................................17 2.2 Methoden ........................................................................................................17 2.2.1 Zellkultur...................................................................................................17 2.2.2 Autoantikörperdiagnostik..........................................................................18 2.2.3 Isolierung von Auerbachplexus ................................................................23 2.3 Statistik............................................................................................................24 3. Ergebnisse.............................................................................................................25 3.1 Klinische Daten ...............................................................................................25 3.1.1 Fallbeschreibungen der 5 Hodgkin-Patienten mit PNS (Hodgkin/Para- Gruppe) .............................................................................................................25 3.1.2 Patienten mit M. Hodgkin (Hodgkin-Gruppe)............................................29 3.2 Autoantikörperergebnisse................................................................................30 3.2.1 Immunfluoreszenz ....................................................................................30 3.2.2 Durchflußzytometrie ................................................................................40 3.2.3 Western Blot.............................................................................................43 4. Diskussion .............................................................................................................48 4.1 Antineuronale Autoantikörper bei PNS ............................................................48 4.2 Antineuronale Autoantikörper bei M. Hodgkin .................................................49 4.3 Oberflächen-bindende Autoantikörper bei M. Hodgkin....................................53 4.4 Antinukleäre Antikörper bei M. Hodgkin ..........................................................54 5. Literaturverzeichnis ...............................................................................................57 6. Anhang ..................................................................................................................68
Zusammenfassung Einleitung: Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS) sind Erkrankungen, die mit einem Tumor assoziiert sind, aber nicht durch diesen selbst oder seine Metastasen hervorgerufen werden. Es wird eine autoimmune Genese der PNS vermutet, nachdem mehrere onkoneuronale Autoantikörper identifiziert werden konnten. Beim Hodgkin-Lymphom wurden anti-Tr-Autoantikörper im Zusammenhang mit paraneoplastischer Kleinhirndegeneration (PCD) identifiziert. Antineuronale Autoantikörper konnten niedrigtitrig ebenfalls bei Tumorpatienten ohne PNS festgestellt werden und scheinen mit einer verbesserten Prognose einherzugehen. Wir untersuchten Hodgkin-Lymphom-Patienten ohne und mit PNS auf das Vorkommen antineuronaler Autoantikörper und ob bei vorhandenen Autoantikörpern daraus eine verbesserte Prognose resultiert. Methoden: Die Seren von 67 Hodgkin-Patienten ohne bekanntes PNS und 5 Seren von Hodgkin-Patienten mit bekanntem PNS (3 PCD; 1 limb. Enzephalitis; 1 Polyneuropathie) wurden untersucht. Seren von gesunden Erwachsenen dienten als Kontrollen. Die Autoantikörperdiagnostik wurde mittels Immunfluoreszenz, Western Blot und Durchflusszytometrie durchgeführt. Resultate: 4 der 5 Hodgkin-Patienten mit PNS wiesen antineuronale Autoantikörper auf. 2 PCD-Patienten waren anti-Tr positiv. Die Patienten mit Polyneuropathie und limb. Enzephalitis zeigten beide einen atypischen neuronalen Antikörper. Bei den Hodgkin-Patienten ohne PNS wiesen 6/67 (8.9%; Kontrollen: 2.2%; n.s.) einen antineuronalen Antikörper auf. Davon könnte einer ein anti-Tr Antikörper sein. 10/67 (14.9%) zeigten einen antinukleären Antikörper (Kontrollen: 23.9%; n.s.). Durchflußzytometrisch hatten mehr Hodgkin-Patienten (29.9%; 20/67) einen Antikörper gegen ubiquitäre Oberflächenepitope im Vergleich zu den Kontrollen (8.7%; 4/46) (p
Antikörpern (wie z.B. für Anti-Hu bekannt), konnte in dieser Studie nicht festgestellt werden. Als weitere Tumor-assoziierte Antikörper wurden antinukleäre Antikörper (ANA) in vorhergehenden Studien beschrieben. Diese können ebenfalls mit einer verbesserten Prognose einhergehen. Auch in dieser Studie zeigten sich bei den Hodgkin-Patienten ohne PNS antinukleäre Antikörper und auch Antikörper gegen ubiquitäre Oberflächenepitope. Es wurde auch für diese Antikörper keine Korrelation zu einem prognostischen Effekt festgestellt. Die erhöhte unspezifische AK- Produktion könnte speziell beim Hodgkin-Lymphom auch durch eine Dysregulation der entarteten B-Zellen verursacht sein, wofür allerdings keine weiteren Hinweise gefunden werden konnten. ii
Summary Introduction: Paraneoplastic neurologic syndromes (PNS) are disorders associated with cancer which are not caused by a local effect of the tumour or its metastases. In supposition of autoimmunity, different onconeuronal autoantibodies have been found. Hodgkin’s disease with paraneoplastic cerebellar degeneration (PCD) is associated with the anti-Tr-antibody. Low titers of antineuronal autoantibodies could also be found in cancer-patients without PNS. These patients had a better clinical outcome. We tested sera of patients with hodgkin’s disease with and without PNS and looked for antineuronal autoantibodies and an association to a better clinical outcome. Methods: 67 sera of patients with hodgkin’s disease without PNS and 5 sera of patients with hodgkin’s disease with PNS (3 PCD, 1 limbic enzephalitis, 1 polyneuropathy) were tested. Sera of healthy adults were used as controls. Autoantibodies were detected by indirect immunofluorescence, western blot analysis and flow cytometry. Results: 4/5 patients with hodgkin’s disease and PNS had an antineuronal antibody, 2 with PCD had the anti-Tr-antibody. These with polyneuropathy and limbic encephalitis had both an atypical antineuronal antibody. 6/67 (8.9%) patients with hodgkin’s disease without PNS had an antineuronal antibody (controls: 2.2%; n.s.), 1 could be anti-Tr. 10/67 (14.9%) were ANA-positive (controls: 23.9%; n.s.). 20/67 (29.9%) patients had an antibody against indifferent epitope-antigenes in flow cytometry but only 4/46 (8.7%) of the healthy controls (p
malignant B-cells may cause a dysregulation of antibody production and a higher incidence but there was no further indication for this. iv
1. Einleitung 1.1 Morbus Hodgkin Der Morbus Hodgkin gehört zu den malignen Lymphomen. Er wird synonym auch als Hodgkin-Lymphom, Lymphogranulomatose oder Hodgkin’s disease bezeichnet. Erstmals beschrieben wurde er 1832 von Thomas Hodgkin (1798-1866) (Hodgkin 1832). Carl Sternberg und Dorothy Reed beschrieben unabhängig voneinander die charakteristischen Zellen, die danach als Sternberg-Reed-Zellen bezeichnet wurden (Sternberg 1898, Reed 1902). Die Inzidenz liegt bei 2-4:100 000 pro Jahr. Männer sind im Verhältnis 5:3 häufiger betroffen als Frauen. Die Altersverteilung zeigt einen zweigipfligen Verlauf. Der erste Gipfel liegt in den industrialisierten Ländern um das 30. Lebensjahr, in Entwicklungsländern bereits im Kindesalter. Der zweite Gipfel findet sich bei einem Alter von 70 Jahren (Wolf et al. 1999). Das charakteristische Merkmal des M. Hodgkin ist eine kleine klonale Population von großen Zellen. Besitzt diese Zelle nur einen Kern, wird sie als Hodgkin-Zelle bezeichnet, ist sie multinukleär, wird sie Reed-Sternberg-Zelle genannt (Küppers et al. 1998, Thomas et al. 2004). Umgeben werden diese Zellen von nichtmalignen T-Lymphozyten (hauptsächlich), B- Lymphozyten, Histiozyten, Eosinophilen, Neutrophilen und Plasmazellen (Burke 1992). Das Verhältnis von HRS-Zellen zu den umgebenden, nichtmalignen Zellen liegt bei 1:1000 (Wolf et al. 1999, Cossmann 2001). Früher wurde zur histologischen Einteilung die Rye-Klassifikation angewendet, seit 2001 ist die neue WHO-Klassifikation für Lymphome gültig (Chan 2001). Danach werden verschiedene Formen des M. Hodgkin unterschieden (Tab. 1). 1
Tabelle 1: WHO-Klassifikation des Hodgkin-Lymphoms 1. Klassisches Hodgkin-Lymphom - Lymphozytenreich - Nodulär Sklerosierend - Mischzellig - Lymphozytenarm 2. Nodulär Lymphozytenreiches Hodgkin-Lymphom Die eigenständige Betrachtung des Nodulär Lymphozytenreichen Hodgkin- Lymphoms ergab sich durch den Nachweis von morphologischen Unterschieden zwischen den HRS-Zellen des klassischen M. Hodgkin und denen des Nodulär Lymphozytenreichen M. Hodgkin. Erstere tragen als Oberflächenantigene die Merkmale CD30, CD15 und selten CD20 und entstehen aus B-Lymphozyten des Keimzentrums/Follikels, haben aber die Fähigkeit zur Immunglobulinbildung verloren (Küppers et al. 1998, Küppers et al. 2002). Bei den letzteren dominiert CD20. Diese Zellen entstehen ebenfalls aus B-Lymphozyten des Keimzentrums, die Fähigkeit zur mRNA-Bildung für Antikörper ist aber noch vorhanden (Küppers et al. 1998, Chan 2001). In seltenen Fällen gibt es eine Variante, wobei die HRS-Zellen beim klassischen M. Hodgkin aus T-Lymphozyten generiert sind (Küppers et al. 1998). Der Mutationsvorgang ist bisher unbekannt. Ebenfalls unbekannt ist der Vorgang, wie diese mutierten Zellen der Apoptose entgehen, da normalerweise Zellen im Keimzentrum mit verlorener Fähigkeit zur Antikörper-Bildung eliminiert werden (Cossmann 2001, Jarrett 2002). Als eine Theorie des Mutationsvorgangs wird der Einfluss von Viren, besonders des Epstein-Barr-Virus (EBV), diskutiert. EBV als onkogenes Agens ist z.B. auch in Zusammenhang mit dem isolierten cerebralen Lymphom bei HIV-Patienten bekannt. Dort konnte in fast allen Zellen aktives EBV-Genom nachgewiesen werden (Camilleri-Broet et al. 1997). Im Genom der HRS-Zellen konnte in den Industriestaaten bei ca. 50% und in den Entwicklungsländern bei über 90% der Erkrankungen DNS des Epstein-Barr-Virus nachgewiesen werden (Wolf et al. 1999, Gandhi et al. 2004). Diese Zellen exprimieren als Oberflächenmerkmal EBV-codierte Proteine: Latent membrane protein-1 (LMP1), Epstein-Barr nuclear antigen-1 (EBNA1) und Latent membrane protein-2 (LMP2) (Herbst 1996, Jarrett 2002). Diese könnten durch Veränderung der 2
Interaktionen im Keimzentrum eine Rolle im Überleben dieser Zellen spielen (Jarrett 2002). EBV-positive Fälle kommen besonders häufig bei Kindern, älteren Erwachsenen (>45Jahre) und beim Mischzelligen M. Hodgkin vor (Gandhi et al. 2004). Bei einer Untersuchung zum Zusammenhang zwischen M. Hodgkin und dem Masernvirus konnten bei der Hälfte der Fälle eine Bindung von anti-Masern- Antikörpern an HRS-Zellen nachgewiesen werden (Benharroch et al. 2004). Die klinisch-pathologischen Zusammenhänge werden noch diskutiert, wobei in einer anderen Studie keine Zusammenhänge zwischen einer Masern-Infektion und dem gehäuften Auftreten von M. Hodgkin festzustellen war (Wilson et al. 2007). Als erstes Leitsymptom eines M. Hodgkin gilt die schmerzlose Lymphknotenschwellung, meist zervikal, seltener auch mediastinal, axillär oder inguinal. Zusätzliche Symptome sind häufig Leistungsverlust/Müdigkeit, Fieber >38°C, Nachtschweiß und Gewichtsverlust von >10% des Körpergewichts innerhalb von 6 Monaten. In der Regel beginnt das Hodgkin-Lymphom in einer Lymphknotengruppe und breitet sich zuerst lymphogen, später auch hämatogen aus. Letztlich kommt es zu einer Systemerkrankung, die sich auch in extralymphatischen Organen manifestiert. Zur Diagnose und histologischen Einteilung wird eine Extirpation/Biopsie der vergrößerten oder verdächtigen Lymphknoten durchgeführt. Darüber hinaus wird ein Staging durchgeführt. Dazu müssen die befallenen Lymphknoten und/oder die Hodgkinherde außerhalb von Lymphknoten gefunden werden. Je nach Anzahl und Lokalisation wird dann das Krankheitsstadium festgelegt (Tab. 2) (Wolf et al. 1999). 3
Tabelle 2: M. Hodgkin – Stadieneinteilung nach der (modifizierten) Ann-Arbor- Klassifikation Stadium Merkmale I Befall einer einzigen Lymphknotenregion (I/N) oder Vorliegen eines einzigen extranodalen Herdes (I/E) II Befall von 2 oder mehr Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (II/N) oder Vorliegen lokalisierter extranodaler Herde mit Befall einer oder mehrerer Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (II/E) III Befall von 2 oder mehr Lymphknotenregionen beiderseits des Zwerchfells (III/N) oder Befall lokalisierter extranodaler Herde und Lymphknoten beiderseits des Zwerchfells (III/E) III1: Subphrenisch beschränkt auf Milz und/oder zöliakale/portale LK III2: Subphrenisch unterhalb des Truncus coeliacus IV Disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne Lymphknotenbefall. Zusatz: A: Ohne Allgemeinsymptome B: Mit Allgemeinsymptomen (z.B. Fieber, Gewichtsverlust) Als Therapieziel wird die komplette Remission angestrebt. Die Behandlung erfolgt meist im Rahmen kontrollierter klinischer Studien je nach Stadium und Klassifikation mit intensivierter Polychemotherapie in Kombination mit Radiotherapie (Diehl et al. 2004). Ein anderer Ansatz stellt die Immuntherapie dar. Dabei will man z. B. cytotoxische T-Zellen gegen das latente EBV-Antigen in den Sternberg-Reed-Zellen einsetzen. Diese Methode ist noch in der Erprobung (Übersicht in (Wiedemann et al. 2002)). Die Prognose ist unterschiedlich, je nach Stadium und Vorliegen von weiteren Symptomen. Durch die Risiko-adaptierte Behandlung konnten sehr gute Überlebensraten erreicht werden (Diehl et al. 2004). Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt zur Zeit zwischen 80 und 95%. Diese insgesamt günstige Prognose wird aber auch durch die Langzeittoxizität der Radio- und Chemotherapie, die zu Zweitneoplasien führen kann, getrübt. Die häufigsten soliden Zweittumoren (relatives Risiko: 2.4%) sind Lungenkarzinome, kolorektale Karzinome und Mammakarzinome (Behringer et al. 2004). 4
1.2 Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS) Unter Paraneoplasien versteht man allgemein Syndrome, die mit einem Tumor assoziiert sind, jedoch nicht durch seine lokale Wirkung, seine Metastasen oder die angewendete Therapie und deren Nebenwirkungen entstehen („the remote effect of cancer“) (Henson 1982). Paraneoplastische neurologische Syndrome sind erst in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses gerückt. Erstmals beschrieb Denny-Brown 2 Patienten mit sensorischen Symptomen, bei denen post- mortem ein bronchogenes Karzinom entdeckt wurde (Denny-Brown 1948). Später veröffentlichte Wilkinson 5 Fälle von Tumor-assoziierter sensorischer Neuromyopathie (Wilkinson 1964) und fand 1965 mit Zeromski bei diesen Patienten einen antineuronalen Antikörper in der indirekten Immunfluoreszenz (Wilkinson/Zeromski 1965). Insgesamt leiden wenige Tumorpatienten an einer Paraneoplasie (weniger als 15%). Es wurden schon annähernd alle Organe als Ziel von Paraneoplasien beschrieben, die meisten finden sich im endokrinen System, im Nervensystem, Hämatologisch oder Kutan (Übersicht in (Agarwala 1996)). Paraneoplastische neurologische Syndrome kommen insgesamt mit einer Häufigkeit zwischen 0.01-2% aller Tumorpatienten vor und sind meistens mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom, gynäkologischen Tumoren oder Lymphomen assoziiert (Grisold et al. 1995, Blaes 2002). Der Zeitpunkt des Auftretens ist variabel und kann dem Tumor vorangehen, gleichzeitig mit ihm auftreten oder nach der Tumorentdeckung in Erscheinung treten (Agarwala 1996). Dabei gehen 50-60% der PNS der Entdeckung des Tumors voraus (Dropcho 1995, Blaes 2002). Paraneoplastische neurologische Syndrome können im gesamten zentralen und peripheren Nervensystem vorkommen (Tab. 3). Außerdem können mehrere Syndrome gleichzeitig vorliegen, z.B. bei paraneoplastischer Enzephalomyelitis mit sensorischer Neuronopathie (Übersicht in (Posner/Dalmau 2000)). 5
Tabelle 3: Paraneoplastische neurologische Syndrome Fett: klassische paraneoplastische neurologische Syndrome nach Graus et al. 2004; ZNS: Zentrales Nervensystem; PNS: Peripheres Nervensystem ZNS PNS Neuromuskulär/ Muskel • Enzephalomyelitis • Motorische • Myasthenia gravis • Limbische Neuropathie • Lambert-Eaton Enzephalitis • Sensorische myasthenes • Hirnstammenzephalitis Neuropathie Syndrom • Paraneoplastische • Autonome • Neuromyotonie Kleinhirndegeneration Neuropathie/ • Dermatomyositis • Opsoklonus- Gastrointestinale Myoklonus-Syndrom Pseudoobstruktion • Stiff-Person-Syndrom • Sensomotorische Neuropathie • Guillain-Barré- Syndrom • Paraneoplastische Retinopathie 2004 wurden von der Arbeitsgruppe um Graus diagnostische Kriterien festgelegt, welche die Diagnose eines sicheren oder möglichen PNS ermöglichen. Diese berücksichtigen das neurologische Syndrom, den Tumor und onkoneuronale Antikörper. (Tab. 4) Dabei wurden von der Autorengruppe die PNS in klassische und nicht-klassische paraneoplastische neurologische Syndrome aufgeteilt (Tab. 3) (Graus et al. 2004). 6
Tabelle 4: Diagnostische Kriterien für paraneoplastische neurologische Syndrome Sichere PNS: 1. Ein klassisches Syndrom mit einem Tumor, welcher innerhalb von 5 Jahren nach Diagnose der neurologischen Erkrankung in Erscheinung tritt. 2. Ein nicht-klassisches Syndrom, das nach der Tumorbehandlung (ohne begleitende Immuntherapie) verschwindet bzw. sich signifikant verbessert. Vorrausgesetzt, dieses Syndrom neigt nicht zu spontaner Remission. 3. Ein nicht-klassisches Syndrom mit onkoneuronalem Antikörper und einem Tumor, welcher innerhalb von 5 Jahren nach Diagnose der neurologischen Erkrankung in Erscheinung tritt. 4. Ein neurologisches Syndrom (klassisch oder nicht) mit gut charakterisierten onkoneuronalen Antikörpern (anti-Hu, -Yo, -CV2, -Ri, -Ma2 oder - Amphiphysin) und keinem Tumor. Mögliche PNS: 1. Ein klassisches Syndrom, kein onkoneuronaler Antikörper, kein Tumor, aber ein hohes Risiko an einem zugrundeliegenden Tumor zu leiden. 2. Ein neurologisches Syndrom (klassisch oder nicht) mit teilweise charakterisiertem onkoneuronalem Antikörper und keinem Tumor. 3. Ein nicht-klassisches Syndrom, keine onkoneuronalen Antikörper und ein Tumor, welcher innerhalb von 2 Jahren nach Diagnose in Erscheinung tritt. Die Entstehung einer Paraneoplasie generell kann verschiedene Ursachen haben. Eine Möglichkeit besteht in der Hormonproduktion von neuroendokrin differenzierten Tumoren. So führt zum Beispiel eine Produktion von Adrenocorticotropem Hormon (ACTH) beim kleinzelligen Bronchialkarzinom zu einem paraneoplastischen Cushing- Syndrom (Übersicht in (Terzolo et al. 2001)). Die Pathogenese der paraneoplastischen neurologischen Syndrome ist noch nicht sicher geklärt, es finden sich jedoch deutliche Hinweise auf eine Autoimmunpathogenese. Dabei wird davon ausgegangen, dass Tumor und Neurone identische Antigene exprimieren. Gegen diese “onkoneuronalen“ Antigene wird dann eine Immunreaktion generiert. Dadurch kommt es zur klinischen Manifestation des paraneoplastischen Syndroms (Dropcho 1998, Posner/Dalmau 2000). Die Art der autoimmunen Reaktion wird kontrovers diskutiert. Es werden zelluläre (z.B. zytotoxische T-Zellen) und humorale (Autoantikörper) Auslösungsmechanismen 7
vorgeschlagen. Tatsächlich wurden verschiedene Autoantikörper gegen neuronale Strukturen im Serum und/oder Liquor von Patienten mit Paraneoplasien gefunden (Tab. 5). Mittlerweile konnten für einen großen Teil von ihnen auch die Antigene in Nervensystem und Tumorgewebe identifiziert werden (Übersicht in (Blaes 2002)). Tabelle 5: PNS, assoziierte Autoantikörper und assoziierte Tumore Benennung der Antikörper nach Indexpatienten: Hu, CV2, Yo, Tr, Ri, Ma; SCLC: Small cell lung cancer (Kleinzelliges Bronchialkarzinom); ANA: Antinukleärer Antikörper; ANNA: Antineuronal nukleärer Antikörper; AchR: Acetylcholinrezeptor; VGCC: Voltage gated calcium channel (spannungsabhängiger Kalziumkanal); GAD: Glutamatdecarboxylase; PCA: Purkinjezell Antikörper; PNS Autoantikörper Assozierte Tumore Paraneoplastische Neuropathie Anti-Hu Verschiedene (meist SCLC) ANA Verschiedene (meist gynäk.) ANNA-3 SCLC Anti-CV2 Lunge Paraneoplastische Anti-Hu SCLC Kleinhirndegeneration Anti-ANNA3 SCLC Anti-Yo Ovar, gynäkologische Anti-Tr Morbus Hodgkin Opsoclonus-Myoclonus Syndrom Anti-Ri Brustdrüse Anti-Hu/atypisch Neuroblastom, SCLC Limbische Enzephalitis Anti-Hu SCLC Anti-Ma Testis Anti-PCA-2 SCLC Paraneoplastische Retinopathie Anti-Recoverin SCLC, andere Gastrointestinale Anti-Hu SCLC Pseudoobstruktion Stiff-man Syndrom Anti-GAD Anti-Amphiphysin Brustdrüse Myasthenia gravis Anti-AchR Anti-Titin Thymom LEMS Anti-VGCC SCLC 8
Als erster paraneoplastischer Autoantikörper wurde z.B. 1985 anti-Hu beschrieben (Graus et al. 1985). Anti-Hu ist der am häufigsten gefundene Antikörper bei PNS und ist meist mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom und einer paraneoplastischen Enzephalomyelitis oder der subakuten sensiblen Neuropathie (PEM/SSN- Paraneoplasie) assoziiert (Graus et al. 2001, Sillevis Smitt et al. 2002). Bei etwa 2/3 aller Patienten mit paraneoplastischen Erkrankungen können im Serum spezifische antineuronale Antikörper nachgewiesen werden. Diese treten praktisch nie bei gesunden Kontrollen oder Patienten mit nicht-paraneoplastischen Erkrankungen auf, so dass diese Antikörper bei mäßiger Sensitivität eine hohe Spezifität für das Vorliegen eines PNS haben (Blaes et al. 1998a). Wird ein solcher Antikörper (AK) nachgewiesen, ohne dass ein Tumor bisher bekannt ist, sollte eine intensive Tumorsuche durchgeführt werden (Voltz 2002). Eine Ausnahme bilden die Antikörper bei neuromuskulären Erkrankungen (Blaes 2002). Beim Lambert-Eaton- myasthenen-Syndrom (LEMS) wurden Antikörper gegen den spannungsabhängigen Kalziumkanal (Voltage-gated calcium channel/ VGCC) vom P/Q-Typ gefunden, was zu einer Störung der Übertragung an der motorischen Endplatte führt (Lang et al. 1981, Motomura et al. 1997, O’Suilleabhain et al. 1998). Hierbei ist der präsynaptische Anteil der neuromuskulären Synapse betroffen. Diese Antikörper wurden bei der paraneoplastischen und nicht-paraneoplastischen Erkrankung gefunden. Ähnlich ist das Bild bei der Myasthenia gravis (MG). Hier rufen Antikörper gegen den Acetylcholinrezeptor (anti-AchR) der Muskelzelle die Krankheit hervor (Vincent 1980). Antikörper gegen den spannungsabhängigen Kaliumkanal (voltage- gated K+ channel/VGKC) sind die Ursache der Neuromyotonie (NMT) (Vincent et al. 1998). Diese Antikörper sind sehr spezifische Marker für das Vorliegen einer MG oder NMT, allerdings unterscheiden diese nicht zwischen der paraneoplastischen und nicht-paraneoplastischen Form der Erkrankung (Voltz 2002). Bei den autoimmunen Erkrankungen der neuromuskulären Synapse ist die pathogenetische Wirkung der Autoantikörper nachgewiesen und kann im Rahmen eines PNS ausgelöst werden. Die Pathogenität anderer antineuronaler Antikörper (z.B. anti-Hu, anti-Yo, anti-Ri) konnte bisher nicht vollständig geklärt werden (Brashear et al. 1991, Blaes 2002, Voltz 2002). Einen Hinweis auf die Wirkung von Autoantikörpern auf neuronale Zellen zeigte die Untersuchung von Greenlee et al. Sie konnten in vitro eine Zelllyse der zerebellären Granularzellen von Ratten nachweisen, nachdem diese mit anti-Hu-Serum inkubiert wurden (Greenlee et al. 9
1993). Ebenso fanden Schäfer et al. einen zytotoxischen Effekt von PNS-Seren und deren IgG auf kultivierten Plexus myentericus (Schäfer et al. 2000). Verschuuren et al. untersuchten die Zytotoxizität von anti-Hu-Serum gegen Tumorzelllinien. Sie konnten feststellen, dass zwar das Serum, nicht aber das reine IgG einen zytotoxischen Effekt zeigte (Verschuuren et al. 1997). Weitere Versuche, über die Immunisierung mit onkoneuronalen Antigenen (HuD-Antigen, (Sillevis Smitt et al. 1995), Yo-Antigen (Tanaka et al. 1995)) ein PNS auszulösen, waren nicht erfolgreich. Bei einer DNA-Immunisierung von Mäusen mit cdr2(PCD17)-cDNA bildeten diese Antikörper und zytotoxische T-Lymphozyten gegen Purkinjezellen. Allerdings kam es auch hier zu keiner klinischen Symptomatik oder histologischen Schädigung (Sakai et al. 2001). Einzig für Antikörper gegen das retinale Protein Recoverin konnte in vivo ein Beweis der Pathogenität an Ratten erbracht werden. Diese dringen in Photorezeptor- und Bipolarzellen ein und führen zur Apoptose der Zellen (Polans et al. 1991, Adamus et al. 1998). Es wird nun postuliert, dass neuromuskuläre PNS (LEMS, MG, NMT) meist Antikörper-vermittelt zu sein scheinen, während PNS des ZNS vermutlich T-Zell vermittelt sind, mit fraglichem zusätzlichem Effekt der Antikörper (Blaes 2002). Es wurden post mortem Zellinfiltrationen im Nervengewebe von Patienten gefunden, die einen Anhaltspunkt für eine zelluläre Beteiligung darstellten (Sutton et al. 2001). Dabei handelte es sich hauptsächlich um CD8+ T-Lymphozyten, die in Gehirn und hinteren Grenzstrangganglien beschrieben wurden (perivaskulär und interstitiell) (Sutton et al. 2002). Ein weiterer Hinweis brachte die Analyse der T-Zell-Rezeptoren im Gehirn anti-Hu-positiver Patienten, die eine oligoklonale Expansion von zytotoxischen T-Zellen zeigte (Voltz et al. 1998). Die Induktion von zytotoxischen T- Lymphzyten gegen Purkinjezellen konnte nach einer Immunisierung mit cdr2(PCD17)-Antigen festgestellt werden, allerdings ohne eine Purkinjezellschädigung zu beobachten (Sakai et al. 2001). Pellkofer et al. lieferten einen Beweis der Beteiligung von T-Zellen bei der Entstehung von PNS. Nach einer Immunisierung von Ratten mit PNMA1 (Ma1)- Protein konnten von diesen CD4+ T-Helferzellen entnommen werden. Nach Transfer der Zellen in andere Ratten lösten diese dann eine perivaskuläre inflammatorische Reaktion im ZNS in für PNS typischen Regionen aus, allerdings ohne dass die Tiere erkrankten (Pellkofer et al. 2004). Sowohl Autoantikörper als auch T-Lymphzyten scheinen also in der Pathogenese eine Rolle zu spielen. 10
Warum bei manchen Tumorpatienten eine Autoimmunreaktion ausgelöst wird, ist noch fraglich. Bei 85% der Patienten mit einem Tumor werden potentiell immunogene Antigene exprimiert ohne eine Antitumor-Immunantwort auszulösen. Bei 15-20% entwickelt sich eine Antitumor-Immunantwort, allerdings ohne ein PNS als Folge (Übersicht in (Albert et al. 2004)). Alle kleinzelligen Bronchialkarzinome exprimieren Hu-Proteine. Dabei finden sich bei 16% der neurologisch unauffälligen Patienten niedrigtitrig Hu-Antikörper, während bei Patienten mit SCLC und PNS die Antikörper in höherer Konzentration vorkommen (Dalmau et al. 1990). Es scheint ebenfalls die Expression von Major Histocompatibility complex 1 (MHC1) neben der Expression der Hu-Proteine bei SCLC bedeutsam zu sein. Es zeigte sich ein erhöhtes Auftreten von Hu-Antikörpern bei diesen SCLC-Patienten, die ebenfalls MHC1 exprimierten (Dalmau et al. 1995). Dass die Immunantwort gegen den Tumor für den Patienten von prognostischer Bedeutung ist, zeigte eine Studie an 196 Patienten mit SCLC. Bei ebenfalls 16% konnten niedrigtitrige Anti-Hu-Antikörper gefunden werden, wobei kein Patient klinisch neurologische Symptome aufwies. Die AK-positiven Patienten im Vergleich mit den AK-negativen Patienten wiesen im Durchschnitt ein weniger fortgeschrittenes Tumorstadium und eine höhere Sensitivität für die Chemotherapie auf (Graus et al. 1997a). Blaes et al. untersuchten die Seren von Patienten mit Non-SCLC auf antineurale und antinukleäre Autoantikörper. Auch bei diesen AK-positiven Patienten zeigte sich, unabhängig vom Tumorstadium, eine bessere Überlebensrate im Vergleich zu Antikörper-negativen Patienten (Blaes et al. 2000). Es scheint die folgende Regel zu gelten: Patienten mit hohen Antikörper-Titern zu spezifischen Antigenen haben meist eine neurologische Dysfunktion, sind aber nur niedrige Antikörper-Titer vorhanden, besteht ein Einfluss auf das Tumorwachstum ohne unbedingt mit neurologischen Symptomen einherzugehen (Posner/Dalmau 2000). 11
1.3 Paraneoplastische neurologische Syndrome bei M. Hodgkin Paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS) kommen auch bei M. Hodgkin vor. Am häufigsten findet sich eine paraneoplastische Kleinhirndegeneration (PCD) (Horwich et al. 1966, Hammack et al. 1992, Cehreli et al. 1995, Graus et al. 1997b, Benzing et al. 1998, Hahn et al. 2000, Spyridonidis et al. 2002). Umgekehrt findet sich ein M. Hodgkin als Auslöser bei der PCD nach Lungen- und gynäkologischen Tumoren an dritter Stelle (Hammack et al. 1992, Shams’ili et al. 2003). PCD- Patienten leiden unter einem sich subakut (innerhalb von wenigen Wochen) entwickelnden panzerebellären Syndrom mit Nystagmus, okulomotorischer Ataxie, Dysarthrie, Dysmetrie und Rumpf- oder Extremitätenataxie. Selten können zusätzlich andere zentralnervöse oder periphernervöse Störungen auftreten (Al-Lozi et al. 2003). Der häufigste neuropathologische Befund ist ein diffuser Purkinjezellverlust (McCrystal et al. 1995, Bartos et al. 2002). Trotter beschrieb 1976 erstmals einen immunologischen Zusammenhang zwischen PCD und M. Hodgkin (Trotter et al. 1976). Später fand man bei einer Studie über 21 Hodgkin-Patienten mit PCD bei 6 Patienten immunhistochemisch anti-Yo ähnliche Autoantikörper (Hammack et al. 1992). Anti-Yo färbt das Purkinjezellzytoplasma in einem charakteristischen granulären Muster (Altermatt et al. 1991). Der bei M. Hodgkin und PCD gefundene Autoantikörper zeigte ebenfalls eine Bindung an Purkinjezellzytoplasma, allerdings weniger inhomogen als durch anti-Yo verursacht (Hammack et al. 1992). 1997 beschrieben Graus et al. einen Antikörper, assoziiert mit einer paraneoplastischen Kleinhirndegeneration und einem Hodgkin-Lymphom, und nannten ihn anti-Tr nach Trotter (Graus et al. 1997b). Eine Klonierung des Antigens gelang nicht; das Protein konnte weder im Western Blot dargestellt, noch über ein cDNA-Bank-Screening kloniert werden (Graus et al. 1997b; Graus, Verschuuren, persönliche Mitteilung). Die Lokalisation des Antigens zeigte sich im Zytosol und außen am endoplasmatischen Retikulum der Perikaryen in der Molekularschicht und im Zellkörper und den Dendriten der Purkinjezellen. Immunhistochemisch bindet anti- Tr an Purkinjezellzytoplasma mit einem charakteristischen gepunktetem Muster der Purkinjezelldentriten. Zusätzlich findet sich ein gepunktetes Muster in der Molekularschicht (Graus et al. 1998). Eine weitere Analyse von 28 Patienten mit anti- Tr Antikörpern zeigte, dass anti-Tr ein sehr spezifischer Marker für die Diagnose 12
einer M. Hodgkin-assoziierten PCD ist. 27 Patienten davon litten an einem cerebellären Syndrom und 25 Patienten davon an einem M. Hodgkin (Bernal et al. 2003). Außer anti-Tr gibt es noch 2 weitere Autoantikörper, die mit PCD und M. Hodgkin assoziiert werden. Bataller et al. fanden bei 11 von 19 anti-Tr-positiven PCD Patienten zusätzlich Antikörper gegen das MAZ-Protein (Myc-associated zinc-finger protein) (Bataller et al. 2003). Bei 2 Patienten mit cerebellärer Ataxie wurden Antikörper gegen den extrazellulären Teil des metabotropen Glutamatrezeptors (anti- mGluR1) gefunden. Die Patienten litten zwar an einem M. Hodgkin, der Zusammenhang als PNS konnte allerdings aufgrund der langen Zeitdauer zwischen Beginn der Ataxie und des M. Hodgkin (2 und 9 Jahre) nicht gesichert werden (Sillevis Smitt et al. 2000). In einer anderen Studie fanden sich aber ebenfalls bei 2 PCD-Patienten anti-mGluR1-Antikörper in Assoziation mit dem Hodgkin-Lymphom (Shams’ili et al. 2003). Neben der PCD finden sich weitere paraneoplastische neurologische Syndrome bei M. Hodgkin. Hier wurden sowohl verschiedene Polyneuropathieformen, wie auch limbische Enzephalitiden beschrieben. Unter einer Polyneuropathie wird die Erkrankung mehrerer peripherer Nerven verstanden, wobei je nach Art der betroffenen Nerven motorische, sensible oder vegetative (autonome) Ausfälle vorliegen können. Die Symptome sind je nachdem Parästhesien, Tiefensensibilitätsstörungen mit sensibler Ataxie, strumpf- bzw. handschuhförmige Oberflächensensibilitätsstörungen, distale Paresen und Reflexabschwächung. So wurden schon Hodgkin-Patienten mit sensorischer (Horwich et al. 1977, Plante- Bordeneuve et al. 1994, Maslovsky et al. 2001, Oh et al. 2004), sensomotorischer (Blaes et al. 1998b, Lahrmann et al. 2001), motorischer (Younger 1991) und autonomer (Van Lieshout et al. 1986, Turner et al. 1993) Neuropathie beschrieben. Ebenfalls gibt es mehrere Fallbeschreibungen über Hodgkin-Patienten mit Polyradikulitis in Form des Guillain-Barré-Syndroms (GBS) (Julien et al. 1980, Maslovsky et al. 2001) und der chronisch inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP) (Navellou et al. 2001). Das Guillain-Barré-Syndrom wird selten paraneoplastisch verursacht, als assoziiertes Neoplasma steht das Hodgkin-Lymphom an erster Stelle (Julien et al. 1980). Die autonome Polyneuropathie scheint eine häufige PNS bei Hodgkin-Patienten zu sein. 13
Während Van Lieshout et al. von einem Fall von akuter Dysautonomie (Van Lieshout et al. 1986) berichteten, fanden Turner et al. in einer prospektiven Studie bei 80% ihrer Hodgkin-Patienten eine autonome Dysfunktion, die als paraneoplastisch angesehen wurde (Turner et al. 1993). Bei der subakuten sensorischen Neuropathie (SSN) ist der Nachweis von anti-Hu Autoantikörpern charakteristisch (Dalmau et al. 1992), wobei der assoziierte Tumor dann meist ein kleinzelliges Bronchialkarzinom ist (Anderson/Posner 1988). In Zusammenhang mit M. Hodgkin wurden bisher diesbezüglich keine Autoantikörper beschrieben. Es fanden sich auch bei keiner der anderen paraneoplastischen Polyneuropathien neuronale Autoantikörper. Als ein weiteres PNS bei M. Hodgkin wurden Fälle von Limbischer Enzephalitis beschrieben (Deodhare et al. 1996, Kung et al. 2002). Autoantikörper wurden nicht gefunden. Die limbische Enzephalitits ist Bestandteil verschiedener paraneoplastischer Syndrome und kann isoliert oder in Kombination mit anderen Syndromen als multifokale paraneoplastische Enzephalomyelitis (PEM) auftreten (Dropcho 1998). Assoziierte Tumoren sind das kleinzellige Bronchialkarzinom, Hodentumoren und Mammatumoren (Gultekin et al. 2000), selten auch Thymome oder Hodgkin-Lymphome (Al-Lozi et al. 2003). Weiterhin ist auch die Neuromyotonie als paraneoplastisches Syndrom beschrieben. In der Literatur finden sich 2 Fälle assoziiert mit einem Hodgkin-Lymphom (Caress et al. 1997, Lahrmann et al. 2001). Als Auslöser findet man Antikörper gegen Kaliumkanäle. (anti-VGKC Antikörper/ voltage-gated K+ channels) (Vincent et al. 1998). Verschiedenste andere neurologische Paraneoplasien in Zusammenhang mit dem Hodgkin-Lymphom sind als Fallbeschreibungen publiziert worden. Mehrere Fälle von paraneoplastischer Myelopathie wurden in Zusammenhang mit M. Hodgkin gefunden (Hughes et al. 1992, Dansey et al. 1988). Kay et al. beschrieben ein Opsoklonus- Myoklonus Syndrom (Kay et al. 1993) und Batchelor et al. eine Chorea (Batchelor et al. 1998) als Paraneoplasie bei M. Hodgkin. Es wurden auch Fälle von nicht- neurologischen Paraneoplasien bei M. Hodgkin beschrieben, wie z.B. ein nephrotisches Syndrom (Utsch et al. 1999, Spyridonidis et al. 2002). Ein Patient mit M. Hodgkin zeigte Zeichen einer paraneoplastischen entzündlich- rheumatischen Erkrankung. Dieser Patient litt an Arthralgien, Myalgien, Arthritis und Polyneuritis. Im Serum dieses Patienten fand sich neben zirkulierenden Immunkomplexen ein antinukleärer Antikörper (ANA) mit einem Titer von 1:400 (Miro et al. 1982). Berichte über ANA beim Hodgkin-Lymphom finden sich sonst nicht in 14
der Literatur. Bei einer Studie über 347 Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphom wurden bei 19% Antinukleäre Antikörper gefunden (Guyomard et al. 2003). Bisherige Autoantikörperuntersuchungen bei M. Hodgkin wurden fast ausschließlich in Zusammenhang mit vorhandener Paraneoplasie durchgeführt. In einer Studie wurde bei Hodgkin-Patienten ohne PNS Autoantikörper gegen ssDNA, anti-RNP und anti-Sm (ribonukleare Protein-Antigene) gefunden (Swissa et al. 1992). Es ist aber bekannt, dass auch bei neurologisch unauffälligen Patienten mit Malignom onkoneuronale Autoantikörper gebildet werden können (Dalmau et al. 1990, Übersicht in (Albert et al. 2004)). Es konnte bisher bei Hodgkin-Patienten kein Zusammenhang zwischen epidemiologischen Daten und der Neigung zur Autoantikörperbildung festgestellt werden. Bei 21 untersuchten Patienten mit PCD unterschieden sich die anti-Tr- positiven Patienten nicht hinsichtlich Alter, Geschlecht, Hodgkin-Subtyp oder Tumorstadium von den anti-Tr-negativen Patienten (Hammack et al. 1992). Auch bei einer Studie mit 25 Hodkgin-Patienten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Alter, Geschlecht, Tumorklassifikation und Stadium der anti-Tr-positiven und -negativen Patienten in Bezug auf die Antikörperbildung (Bernal et al. 2003). Auch konnten keine Schlüsse aus dem Auftreten der PCD im Verhältnis zur Diagnose des Hodgkin-Lymphoms gezogen werden. Die zeitlichen Abstände variierten dabei von 0-24 Monaten vor und 1-120 Monaten nach der Lymphom- Diagnose (Hammack et al. 1992, Bernal et al. 2003). 1.4 Fragestellung Wie häufig finden sich Autoantikörper bei M. Hodgkin-Patienten mit und ohne bekanntes paraneoplastisches neurologisches Syndrom? Korreliert das Vorhandensein von Autoantikörpern mit klinischen oder epidemiologischen Daten und sind daraus Aussagen bezüglich der Prognose abzuleiten? 15
2. Patienten und Methoden 2.1 Patienten Insgesamt wurde Serum von 72 Patienten untersucht. Nach Aufklärung und Zustimmung zur Studienteilnahme wurde den Patienten bzw. Probanden Blut abgenommen und das Serum abzentrifugiert. Bis zur Verwendung wurde das Serum bei –20 °C tiefgefroren. 57 Serumproben der M. Hodgkinpatienten wurden uns freundlicherweise von der German Hodgkin Study Group aus Köln zur Verfügung gestellt. Die Zustimmung zur Verwendung dieser Seren wurde von der Ethikkomission der Universität zu Köln erteilt. Die Patienten mit M. Hodgkin wurden in zwei Gruppen unterteilt. Patienten mit M. Hodgkin und bekanntem PNS wurden gesondert von Patienten mit M. Hodgkin ohne bekannte Paraneoplasie betrachtet. 2.1.1 Patienten mit M. Hodgkin (Hodgkin-Gruppe) In diese Gruppe wurden Patienten aufgenommen, bei denen ein Hodgkin-Lymphom diagnostiziert und histologisch gesichert und bei denen keine neurologische Krankheit bekannt war. Insgesamt wurden 67 Patientenproben untersucht, von denen 23 weiblich und 44 männlich waren. Das mittlere Alter in dieser Gruppe betrug 37.3 ± 15.8 Jahre (Mittelwert ± Standardabweichung). 2.1.2 Hodgkinpatienten mit PNS (Hodgkin/Para-Gruppe) Es wurden 5 Hodgkin-Patienten (4m / 1w, mittleres Alter 33.8 ± 11.9 Jahre) mit bekanntem PNS mituntersucht (Tab. 6). Die Diagnose des M. Hodgkin wurde histologisch gesichert. Die Diagnose des PNS wurde anhand der Richtlinien für Paraneoplastische Neurologische Syndrome von 2004 (Graus et al. 2004) gestellt. Diese Patienten werden gesondert von der Hodgkin-Gruppe als Fallbeschreibungen aufgeführt. 16
Tabelle 6: Daten der Hodgkinpatienten mit paraneoplastischem neurologischem Syndrom PCD: Paraneoplastische Kleinhirndegeneration Patient Alter/Geschlecht PNS 1 30m Polyneuropathie 2 46m PCD 3 34w PCD 4 43m PCD 5 16m Limbische Enzephalitis 2.1.3 Gesunde Kontrollen (Kontroll-Gruppe) In diese Gruppe wurden 46 gesunde Probanden aufgenommen. Es waren 28 weibliche und 18 männliche Probanden mit einer Altersverteilung von 38.9 ± 15.3 Jahre. 2.2 Methoden 2.2.1 Zellkultur Für unsere Versuche verwendeten wir die Zelllinie SKN-SH (Neuroblastomzelllinie) und die Zelllinie HEK 293 (Nierenfibroblasten, Human embryonic kidney). Das Kulturmedium bestand aus RPMI 1640 (Sigma, Steinheim) mit 10% fetalem Kälberserum (FKS, HyClone, PerbioScience, USA), L-Glutamin (4mmol/l, Sigma), Streptomycin (20mg/l, Sigma) und Penicillin (20.000IE/l, Sigma). Darin wurden die Zellen bei 37°C und 5% CO2 kultiviert. Jeden 2. Tag wurde das Medium erneuert. Jeden 4. Tag wurden die Zellen im Verhältnis 1/4 gesplittet. Dazu wurden die Zellen mit Trypsin (2.5 g/l, Gibco-Invitrogen, USA) für 5 Minuten bei 37°C inkubiert. 17
2.2.2 Autoantikörperdiagnostik 2.2.2.1 Indirekte Immunfluoreszenz Bei der Immunfluoreszenz werden Antikörperbindungen von Patientenserum an Zellstrukturen untersucht. Dazu werden histologische Gewebeschnitte zuerst mit Patientenserum (sind Antikörper vorhanden, findet eine Bindung statt) und anschließend mit einem monoklonalen anti-human IgG Zweitantikörper inkubiert. Dieser bindet an die Antikörper der Patienten. Durch einen fluoreszierenden Farbstoff an diesem Zweitantikörper können diese Bindungen dann mikroskopisch untersucht und ausgewertet werden. Mit diesem Verfahren wurden alle Proben ausgetestet, um vorhandene Antikörper im Serum zu finden. Es wurde ein kommerziell erhältlicher Assay zur Diagnostik antineuronaler Autoantikörper (Euroimmun, Lübeck) verwendet. Auf den Objektträgern waren unfixierte Gefrierschnitte von Kleinhirn, humanen Epithelzellen (Hep2-Zellen) und Darmwand mit Auerbachplexus aufgebracht. Die Objektträger wurden 30 Minuten mit 65 µl Patientenserum (Verdünnung 1/32 in phosphatgepufferter NaCl-Lösung (Phosphate buffered saline (=PBS) Tween 0.2%) bei Raumtemperatur inkubiert. Danach wurden die Objektträger dreimal in PBS Tween 0.2% gewaschen. Im nächsten Schritt wurden die Objektträger mit 67µl Fluoreszeinthiocyanat- (FITC-) markiertem anti-human IgG (Verdünnung 1/75 in PBS Tween 0.2%, Dako, Hamburg) bei Raumtemperatur 30 Minuten inkubiert. Nach einem weiteren Waschvorgang mit PBS Tween 0.2% wurden die Objektträger mit Eindeckmedium und Deckgläschen versehen. Unter einem Fluoreszenzmikroskop (Zeiss) wurden die Schnitte ausgewertet. Als Positivkontrolle wurde ein anti-Hu positives Serum mitgetestet, wobei das typische antineuronal nukleäre Bindungsmuster eindeutig zu erkennen sein musste. Als Negativkontrolle dienten Puffer und Serum von gesunden Probanden. 18
2.2.2.2 Western Blot Im Western Blot werden Proteine bestimmter Gewebe nach Größe aufgetrennt. Anschließend können Antikörperreaktivitäten der Patientenseren gegen diese Proteinfraktionen dargestellt werden und die Größe der Proteinfraktion in kD (kiloDalton) gemessen werden. Zur Messung werden die dargestellten Bindungen mit einem Standardstreifen verglichen und dadurch deren Größe bestimmt. Als Antigengewebe in unseren Versuchen dienten die löslichen Proteinfraktionen von Kleinhirn (Ratte), SKN-SH Zellen, HEK 293-Zellen und Auerbachplexus (Ratte). 1. Herstellung der Proteinfraktionen Zur Herstellung der Proteinfraktionen wurde Kleinhirn von Ratten, sofort post- mortem, und Auerbachplexus von Ratten, der nach unten beschriebener Methode gewonnen wurde, verwendet. SKN-SH und HEK 293-Zellen sind im eigenen Labor etabliert. Das entsprechende Gewebe oder die Zellen wurden zunächst in PBS im Glaszylinder durch einen Mörser zerkleinert. Die Probe wurde danach 1min. bei 4000 Umdrehungen zentrifugiert und der Überstand abpipettiert. Danach wurde die Probe mit dem Ultraschallhomogenisator (Bandelin HD2070) in 4 Zyklen von je 15 sek. Dauer homogenisiert und dann erneut 5min. zentrifugiert (4000 rpm, RT). Der Überstand, der jetzt die lösliche Proteinfraktion enthält, wurde mit LDS sample buffer (Invitrogen) 4/1 verdünnt und bei 90°C für 5 Minuten erhitzt. Abschließend wurde Reducing Agent (Invitrogen) im Verhältnis 9/1 dazugegeben und die Probe bis zur Weiterverwendung bei –24°C tiefgefroren. 2. Elektrophorese Es wurde eine Elektrophoresekammer (XCell SureLock, Invitrogen) und ein 4-12% Bis-Tris Polyacrylamid 2D-Well Gel (NuPage, Invitrogen) verwendet. Die Proteinprobe wurde für 5 Minuten bei 70°C erwärmt, anschließend wurden 100µl in die größere Geltasche pipettiert. Als Standard wurde 20µl SeaBlue oder Mark12 (Invitrogen) in die kleinere Geltasche pipettiert. Als Puffer wurde Running Buffer (Invitrogen) verwendet, dem 500µl Antioxidans (Invitrogen) zugesetzt wurde. Es wurde über 10 Minuten ein Strom von 20 mA angelegt, danach 100mA mit einer Dauer von ca. 1 Stunde. Dadurch wurde die Proteinprobe in die einzelnen Proteinfraktionen aufgetrennt. 19
3. Blotting Es wurde eine Semidry-Blotkammer (XCell II Blotmodule, Invitrogen) und als Puffer Transfer Buffer (Invitrogen) verwendet. Für 2 Stunden wurde ein Strom von 150 mA angelegt. Dabei wurden die Proteinfraktionen vom Elektrophoresegel auf eine Nitrocellulose-Blotfolie (Protan Nitrocellulose Transfer Membrane, Schleicher&Schuell) übertragen. Die Blotfolie wurde anschließend mit Ponceaurot (Sigma) angefärbt, um die aufgetrennten Proteine sichtbar zu machen. Danach wurde die getrocknete Folie in 3mm breite Streifen geschnitten. Jeder Streifen enthält also die komplette aufgetrennte Proteinfraktion. 4. Austestung Zum Austesten der Streifen wurden diese 10 Minuten mit je 1ml Mischpuffer (PBS Tween 0.5% mit 11g/l Trockenmilchpulver) getränkt. Nach Abschütten des Puffers wurde zu jedem Streifen jeweils eine Serumprobe (10µl in 1ml Mischpuffer) gegeben und eine Stunde bei Raumtemperatur inkubiert. Nach diesem Schritt wurden die Streifen 3mal jeweils 5 Minuten mit 1ml Mischpuffer gewaschen. Danach wurde je 1ml mit Alkalischer Phosphatase- (AP-) markierter anti-human IgG (1/1000 in Mischpuffer, Dako) zu den Streifen pipettiert. Nach 30 Minuten erneuter Inkubationszeit wurde wieder 3mal gewaschen. Zur Visualisierung möglicher Reaktivitäten wurde zu den Streifen je 1ml 5Bromo - 4chloro - 3indolylphoshat - nitroblue - tetrazoliumchloride (BCIP-NBT, Sigma) gegeben und 10 min inkubiert. Zur Auswertung der Banden wurden die Streifen eingescannt. Mit der GelScan- Software (BioSciTec, Frankfurt) erfolgte die Auswertung. Durch Vergleich mit dem Standardstreifen konnte die Größe des Proteins, an das eine Bindung erfolgte, abgelesen werden. Ebenso wurde semiquantitativ die Bindungsstärke abgeschätzt. Als Positivkontrolle verwendeten wir dabei anti-Hu positives Serum, wobei die typische Bindung an ein 35-40 kD Protein im Kleinhirn-Western Blot vorhanden sein musste. Als Negativkontrolle verwendeten wir Puffer und Serum von gesunden Probanden. 20
2.2.2.3 Durchflusszytometrie/ Fluorescent activated cell sorting (FACS) Mit dem Verfahren der Durchflußzytometrie können Antikörperbindungen an extrazelluläre Epitope gemessen werden. Dazu werden einzelne Zellen mit Serum inkubiert (vorhandene Antikörper binden an die Zellen). Anschließend wird ein fluoreszierender Zweitantikörper eingesetzt, dieser bindet an die gebundenen Serumantikörper. Anschließend wird die Fluoreszenz gemessen und somit festgestellt, ob Antikörper gegen diese Zellen im Serum vorhanden sind. In der Durchflusszytometrie wurden alle Proben mit SKN-SH Zellen und HEK 293 Zellen inkubiert und gemessen. Zeigten sich in einem Serum Antikörperbindungen an beide Zelllinien oder eine Bindung nur an die HEK 293 Zellen, wurde dies als Bindung gegen ubiquitäre Autoantigene gewertet. Bei einer ausschließlichen Antikörperbindung an SKN-SH Zellen wurde dies als neuronal-spezifische Bindung interpretiert. 1. Inkubation Als Puffer wurde PBS mit 1% FKS (HyClone) und 0.1% Natriumazid (NaN3, Sigma) vermischt, im folgenden als FACS Puffer bezeichnet. In eine 96-Well Platte wurden pro Well 105 Zellen pipettiert. Die Zellen wurden mit Serum (1/50 in FACS Puffer) 30 Minuten bei 4°C inkubiert. Nach zweifacher Waschung mit FACS Puffer wurde FITC- markiertes anti-human IgG (1/75 in FACS Puffer, Dako) dazugegeben und ebenfalls 30 Minuten bei 4°C inkubiert. Nach einem erneuten Waschschritt wurden die Zellen in Messröhrchen gegeben. 2. Messung Mit dem FACSCalibur (Becton-Dickinson) wurde die Fluoreszenz der Zellen jeder Serumprobe mit der CellQuest®-Software gemessen. Als Positivkontrollen dienten anti-CD 56 (bindet spezifisch an ein neuronales Adhäsionsmolekül (N-CAM 123C3), 1/100 in FACS Puffer, Dako) und anti-MHC1 (bindet an den Major Histocompatibility Complex, 1/100 in FACS Puffer, Dako). Zur Negativkontrolle wurden die Zellen nur mit FACS-Puffer inkubiert. Zusätzlich wurden bei jedem Versuch 10 Seren gesunder Probanden inkubiert. Bei einer starken Antikörperbindung an die Zellen wurde eine hohe Rate an stark fluoreszierenden Zellen gemessen. (Abb. 1) Eine geringe Anzahl 21
von fluoreszierenden Zellen wurde hingegen gemessen, wenn keine Antikörperbindung an die Zellen stattgefunden hatte. Abbildung 1: FACS-Messung; Unterschied schwach – stark fluoreszierende Zellen. X-Achse: Fluoreszenzstärke der einzelnen Zellen; Y-Achse: Anzahl der gemessen Zellen. Linkes Bild: unspezifische Hintergrundbindung eines Kontrollserums; Rechtes Bild: Bindung eines Antikörper- postiven Serums 3. Auswertung Es wurde nun ausgewertet, ob aus einem Serum eine Antikörperbindung an die Zellen stattgefunden hatte. Es zeigte sich bei allen Proben eine leichte Fluoreszenz der Zellen. Zur Unterscheidung zwischen unspezifischen Bindungen und spezifischer positiver Antikörperbindung wurden zunächst die Ergebnisse der 10 Probandenseren ausgewertet. Von diesen wurde jeweils die Fluoreszenzstärke (mean fluorescence intensity (mfi)) gemessen und aus den Ergebnissen ein Mittelwert mit Standardabweichung errechnet. Dieser Mittelwert wurde als Grundlage zur Auswertung verwendet und jeweils mit den Ergebnissen der übrigen Proben verglichen. Dabei wurde einem Serum eine positive Antikörperbindung zugeschrieben, wenn eine Fluoreszenzstärke gemessen wurde, die über dem Cut-off (Mittelwert + 2,5- facher Standardabweichung) lag. 22
2.2.3 Isolierung von Auerbachplexus Der Auerbachplexus wurde aus Wistar-Ratten gewonnen. Die Tiere wurden zur Präparation durch Decapitation getötet und das Peritoneum eröffnet. Es wurde der gesamte Darm herausgetrennt und auf Eis gelegt. Weiterhin wurde der Darm in Kolon und Dünndarm unterteilt und unter mikroskopischer Sicht das Bindegewebe und die Gefäße abgetrennt. Nach Verkleinerung in 3-5 Teilstücke wurde das Peritoneum viscerale strumpfförmig abgezogen (Stripping) und das verbleibende Material in ein Eppendorfgefäß gegeben. Im Verhältnis 1:1 wurde nun Stammlösung (Dulbecco’s modified Eagle’s medium (DMEM, ICN Biomedicals, Inc., USA) + Gentamycin (PAA Laboratories GmbH, Cölbe) + Metronidazol (Bayer AG, Leverkusen) + Glutamin (Sigma-Aldrich Chemie GmbH, Taufkirchen)) mit Kollagenase Typ II (2mg/ml, Gibco Invitrogen GmbH, Karlsruhe) zugegeben und bei 37°C inkubiert. Dabei wurde für ein 3 Tage altes Tier die Inkubationszeit von 1 Stunde gewählt und für jeden weiteren Lebenstag 10 Minuten hinzuaddiert. Nach der Inkubation wurden die angefallenen Netze abpippetiert und in eisgekühltes DMEM gegeben. Mit dem restlichen Gewebe wurde dann ein weiterer Inkubationsschritt mit Kollagenase (1mg/ml DMEM) für 30 Minuten durchgeführt und danach je nach Lösungseigenschaft weitere Inkubationsschritte mit einer Inkubationszeit von jeweils 15-20 Minuten. Die Netze wurden in ein Eppendorfgefäß gesammelt und 10 Minuten bei 800 Umdrehungen zentrifugiert. Der Überstand wurde abpippetiert und der Rest mit einer Lösung aus 400µl Start V (serumfreies Fertigmedium, speziell für neuronale Zellen, Biochrom AG, Berlin) + FKS (10%, Biochrom AG) resuspendiert. Danach wurde erneut zentrifugiert und der Überstand abpippetiert. Die so verbleibenden Zellen wurden bis zur Weiterverarbeitung bei -82°C tiefgefroren. 23
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