BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02

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BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
SCHUTZGEBÜHR FR. 12,-

                                           DAS IMMOLEAGUE-QUALITY-MAGAZIN

                                                    02   INSPIRATION
                                                         QUALITÄT

                        ZU BESUCH BEI
                        ALFREDO HÄBERLI

                        BEOBACHTEN
                        IST DIE
                        SCHÖNSTE
                        FORM DES
                        DENKENS
                        IWC SCHAFFHAUSEN
                        LUXUS FÜR HERZ
                        UND VERSTAND
                        GEWÜRZMÜHLE CHALIRA
                        EINE PRISE
                        FANTASIE
BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
02
S.6                                                                                                                                                                                                                                             S.7

INHALT                                                                                                                                                                                                                                  INHALT

                                                                                                                                                                                                38
                                                       08
                                                                                                                                                                                                  PREZIOSEN DER UHRMACHEREI
                                                        OFFICE MEETS HOME
                                                                                                                                                                                                  „Höchste Qualität ist wichtiger als
                                                        Aus der Nische mitten in unsere privaten                                                                                                  Masse“: Ein Gespräch mit IWC-Chef-
                                                        Lebensräume: das Home Office. Mit                                                                                                         designer Christian Knoop über die
                                                        diesen Möbeln und Accessoires arbeitet                                                                                                    Neuheiten bei den „Portugiesern“
                                                        es sich auch zu Hause gut.                                                                                                                und seine Leidenschaft für Uhren.

                                                                                                                                          48
                                    14                                                                  EIN ESSAY

 TOR ZUR WELT - THE CIRLCE                                                                              Tierisch kurzweilig: Der renommierte
                                                                                                        Schweizer Autor Peter Stamm
 Das grösste Hochbauprojekt der                                                                         schreibt über „Das langweilige Leben
 Schweiz: THE CIRCLE wird am Zürcher                                                                    der Rentiere“.
 Flughafen zum neuen „Place-to-be“.
                                                                                                                                                                                                     58

                                                                                                                                                                                                         EIN ZUHAUSE AM BERG
                                                        20
                                                                                                                                                                                                         Zu Besuch in der Turtmannhütte in
                                                                                                                                                                                                         der rauen Walliser Bergwelt bei Mag-
                                                            IM ATELIER VON ALFREDO HÄBERLI                                                                                                               dalena und Fredy Tscherrig.
                                                            „Humble, human, heart, honesty
                                                            and humor“: Das ist Alfredo Häberli.
                                                            Wir haben den Designer in Zürich
                                                            besucht.                                                                      64

                                                                                                     ZU GAST IM BAUR AU LAC

                                                                                                     Wir tauchen tief in die über 175-jährige
                                                                                                     Erfolgsgeschichte des Baur au Lac ein
                                                                                                     und führen ein spannendes Gespräch
                                                                                                     mit dem weltbesten Sommelier Marc
                                                                                                     Almert.

                                            30
                                                                                                                                                27 SCHWERELOSE KUNST
           MIT HAND UND FUSS                                                                                                                    Sie sind voller Magie und verführen uns mit ihrer Stille –
                                                                                                                                                Mobiles für Erwachsene.
           Ena Ringli fertigt Schuhe nach Mass.
           Sie sehen nicht nur schön aus,                                                                                                       36 MEHR STIL, MEHR ETHIK
           sondern fühlen sich auch unglaublich                                                                                                 Die Schweizer Taschenmanufaktur Schreif will die Welt ein
           gut an.                                                                                                                              bisschen besser machen.
                                                                                                                                                44 KLASSISCH KLAR: DIE FARBE DES JAHRES
                                                        32                                                                                      Pantone Classic Blue ist die Farbe des Jahres. Sie steht für
                                                                                                                                                unseren Wunsch nach Ruhe, Entspannung und Bodenständigkeit.
                                                            SYSTEM RESET. COOL DOWN!                                                            52 TIEF DURCHATMEN
                                                            Bewusstseinswandel: Der Zukunfts-                                                   Eine innovative Keramikfliese macht Häuser grüner
                                                            forscher Matthias Horx schreibt über                                                und die Luft sauberer.
                                                            die Zukunft nach Corona.                                                            54 EINE PRISE FANTASIE
                                                                                                                                                Die Gewürze von Chalira bringen Magie in unsere Küche.
                                                                                                                                                72 DIE MÖBELKÜNSTLER AUS GÜMLIGEN
                                                                                                                                                Erfinderische Neugier und ein unbedingter Qualitäts-
                                                                                                                                                anspruch – das ist Röthlisberger in vierter Generation
                                                                                                                                                76 EWIGE LIEBLINGE
                                                                                                                                                Das Lifestyle-Label Schoenstaub nimmt uns mit auf
                                                                                                                                                eine Reise
                                                                                              I.Q.   I.Q.
BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
S.19

sagen,was ist.
 tun,was man sagt.
und sein,
 was man tut.         Alfredo Häberli

        I.Q.   I.Q.
BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
S.20                                                                                                                   S.21

IM ATELIER                                                                                                       IM ATELIER
VON
 .. ALFREDO                                                                                                    VON ALFREDO
                                                                                                                     ..
HABERLI                                                                                                             HABERLI

                            SCHÖN IST
                            NICHT GENUG
                            Alfredo Häberli ist einer der bedeutends-
                            ten Schweizer Designer der Gegenwart.
                            Möbel, Teppiche, Gläser und sogar Autos
                            – es gibt fast nichts, das er noch nicht
                            gestaltet hätte. Wir haben den gebürtigen
                            Argentinier in seinem Atelier besucht.
                            Text: Sabine Szabó

                            Den Namen Alfredo Häberli hörte ich das erste
                            Mal von einem guten Freund. Er hatte mich zum
                            Essen eingeladen und kredenzte dazu Weiss- und
                            Rotwein. Noch bevor er mir eingoss, fielen mir die
                            Gläser auf: Sie waren alle gleich hoch – und das
                            Verhältnis zwischen Stiel, Kelch und Rand schien
                            perfekt. "Sie sind wunderschön", sagte ich. "Alfre-
                            do Häberli", antwortete der Freund, Chefredakteur
                            eines Designmagazins. "Für Iittala, aus seiner
                            preisgekrönten Essence-Kollektion." Ich war fas-
                            ziniert. Alfredo Häberli. Diesen Namen, beschloss
                            ich, muss ich mir merken.

                            Jetzt, 15 Jahre später, sitze ich in Alfredo Häberlis
                            Atelier im Zürcher Quartier Seefeld. Es ist viel
                            kleiner, als ich mir es vorgestellt habe. Und es ist
                            voll: An den Wänden hängen unzählige Dinge von
                            Panflöten bis Japansägen, auf Regalen und am
                            Boden stehen Stühle, Sessel, Helme und Vasen. Es
                            sind Fundstücke, Modelle und Prototypen, die sich
                            im Laufe von Häberlis Leben angesammelt haben.
                            Dennoch wirkt nichts in diesem Atelier chaotisch
                            und vollgestopft. Im Gegenteil: Es strahlt eine
                            konzentrierte Ruhe aus wie Häberli selbst. Seine
                            zweite Heimat nennt er diese Räume, sie sind
                            seine Denkwerkstatt. In den Dingen, die ihn um-
                            geben, steckt nicht nur seine kreative Geschichte.      Trinkglasserie "Essence"
                            Sie inspirieren ihn auch täglich, sprechen zu ihm.      für Iittala (oben)
                                                                                    Pinnwand mit Inspiratio-
                                                                         A¿         nen im Studio (unten)

              I.Q.   I.Q.
BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
S.22                                                                                                                                                                                                                                    S.23

IM ATELIER                                                                                                                                                                                                                        IM ATELIER
VON
 .. ALFREDO                                                                                                                                                                                                                     VON ALFREDO
                                                                                                                                                                                                                                      ..
HABERLI                                                                                                                                                                                                                              HABERLI
                                                                                                                                                                                               Stoffe "Airfield, Nitto, Park-
                                                                                                                                                                                               land" für Kvadrat (unten)
                                                                                                                                                                                               Sessel "Time" für Alias aus
                                                                                                                                                                                               gefaltenem Sperrholz (links)

                                 Sofa "Taba" für Moroso und
                                 die ersten Ideenskizzen dazu
                                 (unten)

                                                                seine Präsenz ein gutes Gefühl zu geben. Im Ge-
                                                                spräch wird schnell klar: Es geht bei ihm immer
                                                                um Gefühl. Er vertraue seinem Instinkt, sagt er.       sucht den Dialog mit den Experten der Industrie.      DIE ERSTEN AUFTRÄGE KOMMEN AUS ITALIEN
                                                                Weniger Technik, mehr Emotion, so könnte man           Er stellt ihnen Fragen, die oft unbequem sind,
                                                                Häberlis Ansatz zusammenfassen.                        lässt nicht locker, will Denkmuster aufbrechen.       Alfredo Häberlis Aufstieg zum Stardesigner be-
                                                                                                                       Die Konfrontationen, die sich daraus ergeben,         gann mit einer Niederlage. Die Professoren an der
                                                                ER WILL OBJEKTEN EINE SEELE GEBEN                      liebt Häberli. Er ist ein sympathischer Unruhe-       Kunstgewerbeschule liessen ihn zunächst durch die
                                                                                                                       stifter. Nie möchte er etwas einfach nur schöner      Aufnahmeprüfung rasseln, weil sein Deutsch nicht
                                                                Seine Entwürfe sind deshalb voller Poesie und          machen, sondern immer besser. Überraschend            gut genug war. Spanisch hingegen sprach der junge
       8 Herr Häberli, woran arbeiten Sie gerade?               Eleganz. Ich frage ihn, woher er seine Inspiratio-     muss es sein, nachhaltig und ressourcenscho-          Alfredo fliessend; Bis zu seinem 13. Lebensjahr
       e Ganz aktuell? Neben einer achtteiligen Sofa-           nen nimmt. Diese Frage hat er bestimmt schon           nend, im besten Fall zum Nachdenken anregen.          lebte er mit seiner Familie in Argentinien.
       kollektion für Moroso arbeite ich gerade an einem        oft gehört, aber Alfredo Häberli antwortet so, als     Ein guter Designer, findet er, entwickelt Pro-
       Golfschlägerset – obwohl ich selbst kein Golf            wäre es das erste Mal. Jedes Projekt beginne bei       dukte, die lange schön sind und funktionieren         Beim zweiten Anlauf klappte es, und nicht nur das.
       spiele. Das ist doch die ideale Voraussetzung, die       ihm mit Beobachten und Zeichnen, erzählt er –          und deren Material gut altert. Produkte, die als      Er schloss als Jahrgangsbester ab und gründete
       Sache einmal ganz neu anzugehen, oder?                   „die schönste Form des Denkens“. Nie gehe er           positiver Verstärker für Veränderungen wirken –       eine Woche danach sein eigenes Designatelier. Er
                                                                ohne Skizzenbuch aus dem Haus. Gedanken und            das ist sein Anspruch.                                listete zehn Firmen auf, mit denen der er unbedingt
       Alfredo Häberli lächelt. Er macht es mir leicht.         Bilder lässt er fliessen, ungeordnet und intuitiv.                                                           zusammenarbeiten wollte. Nach fünf Jahren hatte
       Obwohl er unzählige Preise gewonnen hat, mit             Erst dann durchdenkt er alles – gründlich. Bis Pro-    8 Wann finden Sie eine Kreation richtig gelun-        er bereits mit acht von ihnen kooperiert, darunter
       renommierten Firmen von Südeuropa bis Skandi-            totypen gefertigt werden, kann es schon mal zwei       gen?                                                  Alias, Driade und Zanotta. Die ersten Verträge unter-
       navien zusammenarbeitet und zahlreiche zeitge-           Jahre dauern. Sein oberstes Ziel: Er will Objekten     e Ich frage mich immer: Würde ich es selbst           schrieb er mit zitternder Hand.
       nössische Klassiker für sich verbuchen kann, wirkt       eine Seele geben, sie zeitlos machen. Ganz gleich,     kaufen? Fasziniert es mich, löst es etwas bei mir
       er weder gestresst noch abgehoben.                       ob es ein Stuhl ist, die Küche der Zukunft oder        aus? Ist es in sich stimmig? Ist da eine Magie? In-   8 Welche Designer bewundern Sie?
                                                                das Mobil von Morgen.                                  spiriert es mich zu Neuem?                            e Designer, die integer sind, kohärent und au-
       Im Gegenteil: Er ist aufmerksam und zugewandt,                                                                                                                        tark, zum Beispiel Achille Castiglioni und Bruno
       eher leise als laut. Auf meine Fragen antwortet          Parallel gräbt er sich jedes Mal tief in den           Seine Fähigkeit, manchmal mehr Fragen aufzu-          Munari. Ich bewundere Menschen, die Werte ha-
       er überlegt, will genau sein und ehrlich. Alfredo        Stoff: Material, Techniken, gesellschaftliche Zu-      werfen als zu beantworten, ohne dabei unange-         ben und leben – und ihren eigenen Stil verfolgen.
       Häberli hat die seltene Gabe, einem allein durch         sammenhänge, alles spielt für ihn eine Rolle. Er       nehm zu werden, gefällt mir.                          Und vor allem, wenn sie nicht abgehoben sind.
                                                                                                                I.Q.   I.Q.
BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
S.24                                                                                                                                                                                                         S.25

IM ATELIER                                                                8 Wer hat Sie beeinflusst?                                                                                        IM ATELIER
VON                                                                       e Ein wichtiger Mentor war sicher Martin Heller,
 .. ALFREDO                                                                                                                                                                               VON ALFREDO
                                                                                                                                                                                                ..
HABERLI                                                                   damals Direktor des Museums für Gestaltung in                                                                        HABERLI
                                                                          Zürich. Er holte mich noch während meines Stu-
                                                                                                                                   i
                                                                          diums als Ausstellungsgestalter und hat mir einen
                                                                          prägenden Grundsatz mit auf den Weg gegeben:                 BMW „SPHERES“ – MIT WENIGEN LINIEN IN DIE ZUKUNFT
                                                                                                                                       DER MOBILITÄT
                                                                          Im Design geht es vor allem um Inhalte. Wenn
                                                                          er fragte: ‚An was arbeitest du?‘, dann durfte
                                                                          ich nicht antworten: "Ich gestalte gerade einen
                                                                          Stuhl". "Nein", sagte er dann, "Woran arbeitest
                                                                          du genau?". Er interessierte sich immer für das
                                                                          innere Wesen des Produkts.

                                                                          Dieses Ideal verfolgt Häberli bis heute, auch bei
                                                                          Menschen. Oberflächlichkeit liegt ihm nicht. Ob er
                                                                          mit jemanden arbeiten will, entscheidet ebenfalls
                                                                          sein Gefühl: Kann er eine Beziehung aufbauen?
                                                                          "Ich habe unglaublich sensible Antennen für Men-
                                                                          schen. Oft merke ich schon beim ersten Telefonat,
                                                                          ob es sich gut anfühlt oder nicht."

              "Haussicht" – ein Gebäude-                                  Das gilt für Firmenkooperationen genauso wie für
              Ensemble zwischen Objekt und
              Architektur. Die drehbare                                   sein Umfeld. In seinem Atelier arbeiten ausser
              Media-Koje gliedert die                                     ihm nur einige wenige Kreative, die sich sichtlich
              Wohnzone dynamisch und
              entspechend der jeweilligen                                 wohl fühlen. Persönlicher Umgang ist Alfredo
              Bedürfnisse (links).                                        Häberli wichtiger als unternehmerisches Wachs-
                                                                          tum. Die Freiheit, dabei keine Abstriche machen
                                                                          zu müssen, ist für ihn essentiell. Alles Zufall, alles
                                                                          Glück? Nein, sagt er, kein Glück. Sondern das Ge-
                                                                          spür für den richtigen Moment, fokussiertes Dran-
                                                                          bleiben, viel Arbeit. Und die Haltung, sich nie zu           Als eine Mischung aus Auto, Segelboot und Flugzeug bezeichnet Alfredo Hä-
              Skizzen und Materialmuster                                  verkaufen. Er hat ein Credo: "Sagen, was ist, tun,           berli das Ergebnis eines seiner wichtigsten Projekte – „Spheres“ für BMW
              zu "Haussicht" (unten)                                      was man sagt, und sein, was man tut".                        zum Thema Mobilität der Zukunft. Der Fahrzeughersteller hatte ihm nur zwei
                                                                                                                                       Worte mit auf den Weg gegeben: Präzision und Poesie. Schnell war dem De-
                                                                                                                                       signer klar, dass er kein einzelnes Objekt, sondern eine Studie oder ein Kon-
                                                                          EIN HAUS ALS SPIEGEL DER PERSÖNLICHKEIT                      zeptfahrzeug entwerfen wollte. Im Mittelpunkt stand für ihn die Frage nach
                                                                                                                                       dem Luxus der Zukunft – und wie man ihn in einem Vehikel abbilden kann.
                                                                                                                                       Es entstand ein über zehn Meter langes stromlinienförmiges Modell, dessen
                                                                          Seine Ehrlichkeit bringt ihn mit den Leuten zu-              Inneres einem Wohnzimmer ähnelt. Im Zentrum: eine Couch, der Luxus: die
                                                                          sammen, die es ebenfalls ehrlich meinen. Wie                 Reisezeit, die die Passagiere gemeinsam verbringen.

                                                                          bei dem Haus, das er für den Fertighaushersteller
                                                                          Baufritz entworfen hat. Er träumte seit Jahren
                                                                          davon, sich mit einem nachhaltig gebauten Haus
                                                                          ästhetisch und konzeptionell ganz ausdrücken zu
                                                                          können. Chefin Dagmar Fritz-Kramer gab ihm freie
                                                                          Hand. Die bauökologischen Ansprüche teilten
                                                                          beide, persönlich harmonierten sie auch.
                                                                          Das Ergebnis mit dem Namen "Haussicht" steht
                                             Alfredo Häberli mit          heute im schwäbischen Erkheim. Es ist ein Spiegel
                                             Dagmar Fritz-Kramer
                                                                          von Alfredo Häberlis Persönlichkeit. Das Haus ist
                                             Fotos: Jonas Kuhn,
                                             Zürich                       nicht nur schöner als viele andere, es birgt auch
                                                                                                                        A¿

                                                                   I.Q.   I.Q.
BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
S.26                                                                                                                                                                      S.27
                                                                                                                                                                           ..
IM ATELIER                                                                                                                                                        MOBILES FUR
VON
 .. ALFREDO                                                                                                                                                       ERWACHSENE
HABERLI

                                                                                                                             SCHWERELOSE
              Stoffe "Airfield, Nitto, Parkland"
              für Kvadrat mit Modellen für die
              Sitzmöbel "Take a Line for a Walk"
              (Moroso) und "Segesta" (Alias)
                                                                                                                             KUNST
                                                                                                                             Sie bewegen sich traumhaft sanft,
              viele Überraschungen – und viel Gefühl. Für jeden    und Muster in die Zimmer zeichnet.                        schweben in aller Leichtigkeit und
              Raum, sagt der Designer, habe er nachgespürt:        8 Herr Häberli, haben Sie in Ihrem Schaffen               Stille: Mobiles sind voller Magie.
              Welche Stimmung möchte ich hier haben? Wie           noch unerfüllte Träume, die Sie unbedingt reali-          Und „ein Stück Poesie, das vor
              setzen wir die Vision um, ökologisch zu bauen?       sieren wollen?                                            Lebensfreude tanzt und über-
              Wie wollen wir künftig leben und wohnen?             e Ja, die Dinge des Alltags lassen mich nicht los.        rascht”, wie schon der Künstler
              Dann dachte er Möbel und Räume neu: Wie ändert       Ich bin im Herzen sicher ein analoger Mensch,
                                                                                                                             Alexander Calder fand – ihr
              sich die Funktion eines Hauses, wenn die Kinder      Entmaterialisiertes wie virtuelle Modekollektionen
                                                                                                                             Erfinder und Urvater.
              ausziehen, wir zuhause arbeiten oder Alt und Jung    für ein Sozialleben im Internet finde ich verrückt.
              zusammenleben? Er stellte fest: Das bekommen         Ich würde gerne einmal einen Schreibstift oder ein        Text: Jana Fischer
              wir alles nur unter ein Dach, wenn wir uns von       Segelboot entwerfen. Und dann habe ich noch den                                       A¿
              Gewohntem trennen und unkonventionelle Wege          Wunsch, ein Kinderbuch zu machen. Kinder reagie-
              gehen. Die "Haussicht" war ein Projekt wie für ihn   ren immer so ehrlich und direkt auf alles, das mag
              gemacht.                                             ich sehr.

              ELEGANZ, SCHEINBARES CHAOS – UND POESIE              8 2014 haben Sie mit gerade mal 49 Jahren den
                                                                   Schweizer Grand Prix Design für Ihr Lebenswerk
              Er plante das Gebäude von innen nach aussen          erhalten – eine Auszeichnung, auf die Sie zu Recht
              – und schöpfte mit seinem Talent, Dinge anders       besonders stolz sind. Wenn Sie 100 Jahre weiter-
              anzugehen, aus dem Vollen. Er entwarf zahl-          denken: Wie soll man Sie in Erinnerung behalten?
              reiche Möbel und flexible Raumkonzepte, Hand-        e Als Menschen mit meiner Persönlichkeit und
              schmeichler wie die Griffmulden in der Küche und     Haltung. Ich würde mich freuen, wenn ich damit
              Augenweiden wie die geschwungene Badewanne           jungen Menschen ein Vorbild sein könnte.
              aus Holz. Gewohnt wird nun oben, geschlafen
              unten, die Energie aus Solarstrom und Erdwärme       Wie bescheiden, denke ich beeindruckt. Da fällt
              gewonnen. Im Haus finden sich auch sein Faible       mir der Wortkosmos ein, mit dem er sich selbst
              für organische Linien, Eleganz, scheinbares Chaos    einmal beschrieben hat: Humble, Human, Heart,
              – und Poesie. Zum Beispiel, wenn die Sonne           Honesty und Humor – Häberli. Das trifft es sehr
              durch die Lochpaneele vor den Fenstern scheint       gut, finde ich.

                                                                   Ich schaue auf die Uhr, es ist Zeit, sich zu ver-
                                                                   abschieden. Als ich die Tür nach draussen öffnen
                                                                   will, bleibe ich, die Klinke in der Hand, überrascht
Details aus                                                        stehen. Hat sich ein Türgriff jemals so gut angefühlt
"Haussicht"                                                        wie dieser? Schlicht und formschön schmiegt er
                                                                   sich in meine Hand, als wäre er nur für sie erdacht.
                                                                   Ich spüre, was Alfredo Häberli mit der Seele eines
                                                                   Produktes meint: Ich berühre die Klinke, die Klinke
                                                                   berührt mich. Es ist wie vor 15 Jahren mit den Wein-
                                                                   gläsern, an dem Abend, als ich den Namen Alfredo
                                                                   Häberli zum ersten Mal hörte.
                                                                                                                     I.Q.   I.Q.
BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
S.28                                                                                                                                                                                                                                                                  S.29
         ..                                                                                                                                                                                                                                                            ..
MOBILES FUR                                                                                                                                                                                                                                                   MOBILES FUR
ERWACHSENE                                                                                                                                                                                                                                                    ERWACHSENE

                                                                      Ein Windhauch reicht: Wer je ein Mobile beim                 Piet Mondrian. Zuvor hatte Calder bereits mit                 Erwachsenen wohnen. Bekannte Studios greifen
                                                                      Schweben betrachtet hat, weiss, wie sehr man in              beweglichen Plastiken experimentiert. Doch mit                caldersche Werke auf, junge Designer lassen sich
                   i                                                  diesen Anblick versinken kann. Wir halten dann               den Mobiles wurde er schliesslich bekannt: Schon              davon inspirieren.
                                                                      inne, sehen den feinen Gliedern zu, wie sie sanft            1931 zeigte er sie in einer grossen Ausstellung.
                       ALEXANDER CALDER
                                                                      umeinanderfliessen, und fühlen uns für einen                 Sein bevorzugtes Material war Draht. Den Begriff              Heute wirken Mobiles mit ihrer Leichtigkeit als
                       Der Bildhauer Alexander Calder wurde           Moment schwerelos. So sinnlich, poetisch und                 „Mobile“ für Calders Kunststücke prägte parallel              Gegengewicht zu statischen Möbeln und Wänden;
                       1898 in Pennsylvania/USA geboren. Er gilt
                       als einer der Hauptvertreter der kinetischen   kontemplativ wie diese Hängeobjekte ist kaum                 der Maler und Konzeptkünstler Marcel Duchamps.                sie beleben Räume, ohne aufdringlich zu sein. Sie
                       Kunst, die Bewegung als Teil des Objekts       ein anderes Dekostück.                                                                                                     schenken uns immer wieder neue Perspektiven
                       versteht. Calder begann mit Holzskulptu-
                       ren, wandte sich aber rasch beweglichen
                                                                                                                                   In den letzten Jahrzehnten des vergangenen                    und zeigen uns, was es heisst, die Balance zu
                       Objekten zu. Dabei handelte es sich nicht      Auch wenn Mobiles so archaisch auf uns wirken,               Jahrhunderts dienten Mobiles höchstens noch als               halten. Und wenn man sie lange genug betrachtet,
                       ausschliesslich um Mobiles, sondern auch       ist die Erfindung noch gar nicht so alt. Alexander            Blickfang im Kinderzimmer – sie waren aus der                 dann scheinen sie wie eine Allegorie auf die
                       um hand- oder motorbetriebene Konstruk-
                       te. Sein Lieblingsmaterial aber war und        Calder, ein US-amerikanischer Bildhauer, erdachte            Mode gekommen. Das hat sich längst geändert:                  Menschheit und das Leben selbst: Alles ist mit-
                       blieb Draht – zeitlebens hatte er eine Zange   sie in den frühen 30er Jahren in Paris. Inspiriert           Mittlerweile sind sie wieder zu begehrten De-                 einander verbunden, und doch steht jedes Teil für
                       dabei, mit der er Figuren bog. Verwendete
                       er Farben, bevorzugte er Blau, Gelb und Rot
                                                                      wurde er von einer Begegnung mit dem Maler                   sign-Objekten geworden und hängen dort, wo die                sich.
                       sowie Schwarz und Weiss – Töne, die auch
                       Piet Mondrian oft wählte. Ebenso beein-
                       flusst wurde der Erfinder des Mobiles von
                       seinem Freund Joan Miró. Mit ihm tauschte
                       er sich sein Leben lang künstlerisch aus.
                       Alexander Calder starb 1976 in New York.
                       Seine Werke sind in zahlreichen Kunstmu-
                       seen zu sehen.

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            ABSTRAKT-ORGANISCH                                               ZART JAPANISCH                                                       GEOMETRISCH FARBENFROH                                       NATÜRLICH INSPIRIERT

            Anfang der 40er Jahre experimentierte                                                                                                                                                              Neben geometrischen sind blätter- oder
                                                                             Noch Mobile oder schon Installation? Das                             Die Schwedin Clara von Zweigbergk kompo-
            das berühmte amerikanische Designerpaar                                                                                                                                                            federnartige Formen ein wiederkehrendes
                                                                             Schweizer Atelier Oï fängt mit Minoshi Gar-                          niert ihre Mobiles mit Polyedern aus Papier.
            Charles und Ray Eames mit Schichtholz.                                                                                                                                                             Motiv in Annette Rawes aufwendig konstru-
                                                                             den einen Moment der japanischen Natur                               Die schwebenden Kunstwerke erinnern an
            Dabei entstanden unter anderem die Ply-                                                                                                                                                            ierter Mobile-Kunst. Auch bei den Farben
                                                                             ein. Eine Ode an die traditionelle Kunst der                         Planeten oder geschliffene Edelsteine. Auf-
            wood-Mobiles mit zwei abstrakt-organi-                                                                                                                                                             lässt sich die Designerin häufig von der Na-
                                                                             Stadt Mino. ganz aus zartem Washi-Papier.                            fällig: die fein abgestimmte Farbpalette.
            schen Elementen.                                                                                                                                                                                   tur inspirieren.

                                                                                                                            I.Q.   I.Q.
BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
S.32                                                                                                                                                                                                                                       S.33

                      WIR WERDEN
HORX                                                                                                                                                                                                                                 HORX
SPRICHT                                                                                                                                                                                                                            SPRICHT

                      " UNS WUNDERN “                                                                                Unsere Welt in der Zukunft

                                                                                                                     Wir sitzen in einem Strassencafé in einer Grossstadt. Es ist
                                                                                                                     warm, und auf der Strasse bewegen sich wieder Menschen.
                                                                                                                                                                                     Krisen wirken vor allem dadurch, dass sie alte Phänomene
                                                                                                                                                                                     auflösen, überflüssig machen ...
                                                                                                                                                                                     Zynismus, diese lässige Art, sich die Welt durch Abwertung
                                                                                                                                                                                     vom Leibe zu halten, war plötzlich reichlich out. Die Über-
                                                                                                                     Bewegen sie sich anders? Ist alles so wie früher? Schmeckt      treibungs-Angst-Hysterie in den Medien hielt sich, nach
                                                                                                                     der Wein, der Cocktail, der Kaffee wieder wie früher?           einem kurzen ersten Ausbruch, in Grenzen.
                                                                                                                     Wie damals vor Corona?
                                                                                                                     Oder sogar besser?                                              WIR WERDEN UNS WUNDERN, dass bald schon Medika-
                                                                                                                     Worüber werden wir uns rückblickend wundern?                    mente gefunden wurden, die die Überlebensrate erhöh-
                                                                                                                                                                                     ten. Dadurch wurden die Todesraten gesenkt und Corona
                                                                                                                     WIR WERDEN UNS WUNDERN, dass die sozialen Verzich-              wurde zu einem Virus, mit dem wir eben umgehen müssen
                                                                                                                     te, die wir leisten mussten, selten zu Vereinsamung führ-       – ähnlich wie die Grippe und die vielen anderen Krank-
                                                                                                                     ten. Im Gegenteil. Nach einer ersten Schockstarre fühlten       heiten. Medizinischer Fortschritt half. Aber wir haben auch
                                                                                                                     viele sich sogar erleichtert, dass das viele Rennen, Reden,     erfahren: Nicht so sehr die Technik, sondern die Verände-
                                                                                                                     Kommunizieren auf Multikanälen plötzlich zu einem Halt          rung sozialer Verhaltensformen war das Entscheidende.
                                                                                                                     kam. Verzichte müssen nicht unbedingt Verlust bedeuten,         Dass Menschen trotz radikaler Einschränkungen solida-
                                                                                                                     sondern können neue Möglichkeitsräume eröffnen. Para-           risch und konstruktiv bleiben konnten, gab den Ausschlag.
                                                                                                                     doxerweise erzeugte die körperliche Distanz, die das Virus
                                                                                                                     erzwang, gleichzeitig neue Nähe. Wir haben Menschen             Vor der Krise schien Technologie das Allheilmittel, Träger
                                                                                                                     kennengelernt, die wir sonst nie kennengelernt hätten. Wir      aller Utopien. Kein Mensch – oder nur noch wenige Hart-
                                                                                                                     haben alte Freunde wieder häufiger kontaktiert, Bindun-         gesottene – glauben heute noch an die grosse digitale
                                                                                                                     gen verstärkt, die lose und locker geworden waren. Die          Erlösung. Wir richten unsere Aufmerksamkeiten wieder
                                                                                                                     gesellschaftliche Höflichkeit, die wir vorher zunehmend         mehr auf die humanen Fragen: Was ist der Mensch? Was
                                                                                                                     vermissten, stieg an.                                           sind wir füreinander?
                                                                                                                                                                                     Wir staunen rückwärts, wieviel Humor und Mitmenschlich-
                                                                                                                     WIR WERDEN UNS WUNDERN, wie schnell sich plötzlich              keit in den Tagen des Virus tatsächlich entstanden sind.
                                                                                                                     Kulturtechniken des Digitalen in der Praxis bewährten.
                                                                                                                     Tele- und Videokonferenzen, gegen die sich die meisten          WIR WERDEN UNS WUNDERN, wie weit die Ökonomie
                                                                                                                     Kollegen immer gewehrt hatten (der Business-Flieger war         schrumpfen konnte, ohne dass so etwas wie "Zusammen-
                                                                                                                     besser) stellten sich als durchaus praktikabel und produktiv    bruch" tatsächlich passierte. Obwohl es einen tiefen
                                                                                                                     heraus. Lehrer lernten eine Menge über Internet-Teaching.       Konjunktureinbruch gab und grosse Einschnitte spürbar
                                                             März 2020 – der Beginn einer Tiefenkrise                Das Homeoffice wurde für Viele zu einer Selbstverständ-         waren, kam es nie zum Nullpunkt. Als wäre Wirtschaft ein
Im Frühling 2020 hat uns das Coronavirus fest im Griff.                                                              lichkeit – einschliesslich des Improvisierens und Zeit-Jong-    atmendes Wesen, das auch dösen oder schlafen und sogar
Wie wird es nach der Pandemie weitergehen? Zeit, ei-         Ich werde derzeit oft gefragt, wann Corona denn         lierens, das damit verbunden ist.                               träumen kann.
nen Zukunftsforscher zu fragen – zum Beispiel Matthias       „vorbei sein wird” und alles wieder zur Normalität
Horx. Er gilt als einer der einflussreichsten Trend- und     zurückkehrt. Meine Antwort: Niemals. Es gibt histo-     Plötzlich fing man wieder an zu telefonieren und erwischte      Heute, Monate später, gibt es wieder eine Weltwirtschaft.
Zukunftsforscher Europas und hat mehr als 20 Bücher          rische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung      nicht nur den Anrufbeantworter, sondern real vorhandene         Aber die globale Just-in-Time-Produktion, mit riesigen
veröffentlicht, darunter einige Bestseller. Horx steht für   ändert. Wir nennen sie Tiefenkrisen. Diese Zeiten       Menschen. Auch die "messages" selbst bekamen plötzlich          verzweigten Wertschöpfungsketten, bei denen Millionen
eine Futurologie, die nicht jeder Angst oder jedem           sind jetzt.                                             eine neue Bedeutung. Man kommunizierte wieder wirk-             Einzelteile über den Planeten gekarrt werden, hat sich
Technik-Hype hinterherrennt, sondern den Bewusst-                                                                    lich. Man hielt niemanden mehr hin. So entstand eine neue       überlebt. Sie wird gerade demontiert und neu konfiguriert.
seinswandel mit einbezieht. „Zukunft entsteht, wenn          Die Welt, wie wir sie kennen, löst sich gerade auf.     Kultur der Erreichbarkeit. Der Verbindlichkeit.                 Überall in den Produktionen und Service-Einrichtungen
                                                             Aber dahinter fügt sich eine neue Welt zusammen.        Menschen, die vor lauter Hektik nie zur Ruhe kamen, auch        wachsen wieder Zwischenlager, Depots, Reserven. Orts-
wir die Welt aus der Perspektive des Morgen betrach-
                                                                                                                     junge Menschen, machten plötzlich ausgiebige Spazier-           nahe Produktionen boomen, Netzwerke werden lokali-
ten – und unser Geist die Verbindungen zwischen Ge-
                                                             Lassen Sie uns einmal nicht "in die Zukunft", son-      gänge. Bücher lesen wurde wieder in.                            siert, das Handwerk erlebt eine Renaissance. Das globale
genwart und Zukunft verspürt!“                               dern von der Zukunft aus ZURÜCK ins Heute schau-        Der ganze unendliche Seelenmüll, der durch alle Kanäle ström-   System driftet in Richtung Glokalisierung: Lokalisierung
Text: Matthias Horx                                          en. Klingt verrückt? Versuchen wir es einmal:           te. Nein, er verschwand nicht völlig. Aber er verlor an Wert.   des Globalen.

                                                                                                              I.Q.   I.Q.
BEOBACHTEN IST DIE SCHÖNSTE FORM DES DENKENS - ZU BESUCH BEI ALFREDO HÄBERLI 02
S.34                                                                                                                                                                                                              S.35

HORX                                                                                                                                                                                                       TITELTHEMA
SPRICHT                                                                                                                                                                                                           ZWEI

WIR WERDEN UNS WUNDERN, dass sogar die Vermögens-             aber auch stabiler werden. Weil das eine scheitert, setzt sich
verluste durch den Börseneinbruch nicht so schmerzen,         das Neue durch.
wie es sich am Anfang anfühlte. In der neuen Welt spielt
Vermögen plötzlich nicht mehr die entscheidende Rolle.        Dieser Prozess der Komplexierung – nicht zu verwechseln
Wichtiger sind gute Nachbarn und ein blühender Gemüse-        mit Komplizierung – kann von Menschen bewusst gestaltet
garten.                                                       werden. Diejenigen, die das können, die die Sprache der
Könnte es sein, dass das Virus unser Leben in eine Richtung   kommenden Komplexität sprechen, werden die Hoffnungs-
geändert hat, in die es sich sowieso verändern wollte?        träger von Morgen sein.

Warum wirkt diese Art von „aus der Zukunft ins Heute          JEDE TIEFENKRISE HINTERLÄSST EINE STORY, ein
zurückschauen“ so irritierend anders? Wenn wir „in die Zu-    Narrativ, das weit in die Zukunft weist. So zum Beispiel
kunft“ schauen, sehen wir ja meistens nur die Gefahren und    die musizierenden Italiener auf den Balkonen, die Delfine
Probleme auf uns zukommen, die sich zu unüberwindbaren        mitten in Venedig oder die Satellitenbilder, die plötzlich die
Barrieren türmen. Die Angst-Barriere trennt uns von der Zu-   Industriegebiete Chinas und Italiens frei von Smog zeigen.
kunft. Es entsteht eine Brücke zwischen Heute und Morgen.     Das wird etwas mit uns machen.

WIR ALLE KENNEN DAS GEFÜHL DER GEGLÜCKTEN                     Wenn das Virus so etwas kann – können wir das womöglich
ANGSTÜBERWINDUNG. Die geglückte Abfahrt auf der               auch? Vielleicht war das Virus nur ein Sendbote aus der
schwarzen Piste, die Erleichterung nach dem Zahnarztbe-       Zukunft. Seine drastische Botschaft lautet: Die menschliche
such. Wir haben es geschafft. Neurobiologisch wird dabei      Zivilisation ist zu dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden.
das Angst-Adrenalin durch Dopamin ersetzt. Während uns        Sie rast zu sehr in eine bestimmte Richtung, in der es keine
Adrenalin zu Flucht oder Kampf anleitet, öffnet Dopamin       Zukunft gibt.
unsere Hirnsynapsen: Wir sind gespannt auf das Kommen-
de, neugierig, vorausschauend. Wenn wir einen gesunden        Aber sie kann sich neu erfinden.
Dopamin-Spiegel haben, schmieden wir Pläne, haben
Visionen.
                                                              SYSTEM RESET.
Erstaunlicherweise machen viele in der Corona-Krise genau     COOL DOWN!
diese Erfahrung. Aus einem massiven Kontrollverlust wird      MUSIK AUF DEN BALKONEN!
plötzlich ein Rausch des Positiven. Nach einer Zeit der
Fassungslosigkeit und Angst entsteht eine innere Kraft. Die   So geht Zukunft.
Welt „endet“, aber in der Erfahrung, dass wir immer noch da
sind. Es entsteht eine Art Neu-Sein im Inneren.
Mitten im Shutdown der Zivilisation laufen wir durch                                             i
Wälder oder Parks oder über fast leere Plätze. Aber das ist
keine Apokalypse, sondern ein Neuanfang. Die Vorstellung                                             BUCHEMPFEHLUNG

und Gewissheit, dass alles ganz anders sein könnte – auch                                            15 1/2 Regeln für die Zukunft
im Besseren.                                                                                         – Anleitung zum visionären
                                                                                                     Leben

In der Corona-Krise wurde deutlich, dass diejenigen, die                                             Matthias Horx‘ jüngstes Buch
                                                                                                     fasst in griffigen Regeln zu-
Menschen gegeneinander aufhetzen wollen, zu echten Zu-                                               sammen, wie wir uns auf kons-
kunftsfragen nichts beizutragen haben. Wenn es ernst wird,                                           truktive Weise mit der Zukunft
                                                                                                     verbünden können. Er schreibt
wird das Destruktive deutlich, das im Populismus wohnt.                                              über Bewältigungsstrategien,
Die kommende Welt wird Distanz wieder schätzen – und ge-                                             ein neues Verständnis von
                                                                                                                                              Die rahmenlosen Schiebefenster des Schweizer Herstellers
rade dadurch Verbundenheit qualitativer gestalten. Autono-                                           Wandel – und die Art und Wei-
                                                                                                                                              Sky-Frame gehen schwellenlos in ihre Umgebung über. Innen-
                                                                                                     se, wie Zukunft in unserem
mie und Abhängigkeit, Öffnung und Schließung werden neu                                              Kopf entsteht.                           räume verwandeln sich so zu Aussenräumen und ermöglichen
                                                                                                                                              eine einzigartige Wohnatmosphäre. SKY-FRAME.COM
ausbalanciert. Dadurch kann die Welt komplexer, zugleich
                                                                                                                                I.Q.   I.Q.
S.78                                                                                                                                                                                                                                            S.79

LIEBLINGE                                                             I.Q.                                                                                                                                                     TITELTHEMA
                                                                     Lieb                                                                                                                                                             ZWEI
                                                                     linge
        In unserer Rubrik "I.Q.-Lieblinge" stellen wir Ihnen ein paar ausgewählte Stücke des täglichen
        Lebens vor, die es uns ganz besonders angetan haben. Sich dabei auf ein paar wenige zu beschränken
        fällt uns beim Eintauchen in die Welt der schönen Dinge besonders schwer.

                      01                                                 02                                                   03

                      04                                                 05                                                   06
                                                                                                                                                                   Unser Zeichen
                                                                                                                                                                   für Sicherheit
                                                                                                                                                                                          immoleague.ch

                                                                                                                                                                                    IMPRESSUM
                      07                                                 08                                                   09                                                    „I.Q.“® ist ein Kunden-Magazin der ImmoLeague AG
                                                                                                                                                                                    Herausgeber: Ralf Scherer, ImmoLeague AG, Löwenstrasse 10,
                                                                                                                                                                                    CH-8280 Kreuzlingen, T: +41(0)71 671 24 54 / immoleague.ch
                                                                                                                                                                                    Chefredaktion: Sabine Szabó
                                                                                                                                                                                    Art Direction + Layout: Asoomda Kim
01_ „Herringbone Vessels“ von Vitra Design. Jede Schale, Schüssel, Vase ist durch den komplett von Hand ausgeführten Färbeprozess ein Unikat. 02_„This is                           Druck: Berchtold Print-Medien, D–78224 Singen
not a Moschino Toy“ – die verspielte Tischlampe von Kartell erhellt das Gemüt. 03_Reine Handarbeit: Die wunderschönen Badaccessoires „Milano“ von                                   Bildnachweis: Titelbild Miriam Kluka, Portraitfoto von Peter Stamm
Riviere werden in Italien mit grosser Kunstfertigkeit hergestellt. 04_ Die Vase „Caorle“ von Moser ist weit mehr als eine schöne Vase.                                              Anita Affentranger, Ulrike Sommer, Matthias Horx, architonic, vitra,
Mundgeblasen und aus handgeschliffenem Kristall ist sie ein Kunstwerk. Je nach Blickwinkel ändert sich das wunderschöne Farbenspiel.                                                Zürich Airport, Schweiz Tourismus, istockphoto, Alamy
05_ Das zart-sinnliche Tafelservice „Tresor“ von Raynaud aus feinstem Limoges-Porzellan ist von indischen Saris und Teppichen inspiriert.                                           Illustration: Ann-Kathrin Damm
06_ Ein Hauch von Luxus für Ihren vierbeinigen Gefährten: das Kissenbett aus Tweed, hergestellt in den Wollmühlen von Yorkshire mit oliv-                                           Text: Jana Fischer, Juliane Franke, Sabine Szabó
grünen Samtbommeln. Gesehen bei Mutts & Hounds. 07_ Baumwollservietten mit Tiger-Stickerei von Lisa Corti – Tischkultur vom Feinsten.                                               Erscheinung: 1x jährlich
08_ Die Six-Colour Bag von Hay – praktischer und nachhaltiger farbenfroher Begleiter für jeden Einkauf. 09_ Macht schönes Licht und zieht                                           Auflage: 30’000
Blicke auf sich – die Mini-Kabuki, eine LED-Leuchte von Kartell. Einzigartiges Lichtdesign.

                                                                                                                                                     I.Q.   I.Q.
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