Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus

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Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus
Brandenburgs Zukunft
       Positionen zur Landtagswahl 2019
Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung
Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus
Impressum:
    Herausgeber:      Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und
                      Handelskammern des Landes Brandenburg

    Redaktionsleitung: Stefan Bregulla, Geschäftsbereich Wirtschaft, IHK Potsdam

    Bilder            Titelbild: Composing unter Verwendung folgender Fotos:
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    Druck:            G & S Druck und Medien GmbH, Gerlachstraße 10, 14480 Potsdam

    Stand:            März 2019

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Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus
Inhalt

I      Talente der Zukunft sichern.................................................................................................................................................................6

II     Verkehrsinfrastruktur jetzt umfassend ausbauen ...............................................................................................................8

III    Wirtschaftsmotor Industrie stärken ...........................................................................................................................................10

IV     Digitale Potenziale nutzen ................................................................................................................................................................12

V      Ländliche Räume aufwerten ............................................................................................................................................................14

VI     Wirtschaft effizient fördern und gestalten ...........................................................................................................................16

VII    Chancen auf Auslandsmärkten ermöglichen .......................................................................................................................18

VIII   Zukunft gründen, Nachfolge sichern .........................................................................................................................................20

IX     Ideen auf den Markt bringen...........................................................................................................................................................22

X      Erneuerbare Energien vorantreiben ............................................................................................................................................24

XI     Nachhaltigen Umweltschutz fördern und honorieren ..................................................................................................26

XII    Erfolgreich handeln ................................................................................................................................................................................28

XIII   Tourismus stärken ....................................................................................................................................................................................30

                                                                                                                                                                                                                  3
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Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus
Brandenburgs Zukunft
Die Welt verändert sich mit einer großen Dynamik. Wer darin bestehen will, muss sich selbst stetig weiterentwickeln und die
Zukunft aktiv mitgestalten. Abwarten bedeutet Rückschritt – nur Weitblick, Mut und Engagement werden Brandenburg
voranbringen.

Der demografische Wandel, die Digitalisierung, die Migration, der Klimawandel, der Brexit, die wachsende Europaskepsis und
der damit einhergehende globale Trend zu mehr Protektionismus – das sind zweifellos große Herausforderungen, vor denen
eine neue Landesregierung stehen wird. Doch sind die Voraussetzungen zum Gestalten nie besser gewesen als heute.

Warum? Die regionale Wirtschaft befindet sich noch in einer konjunkturellen Hochphase. Die Einnahmen der öffentlichen
Hand waren nie besser, und die gute Entwicklung der Unternehmen im Land hat bewirkt, dass die Arbeitslosigkeit in
Brandenburg auf einem historischen Tiefststand ist.

Wenn das Parlament aktuell Rekordhaushalte verabschiedet, muss dies aus Sicht der märkischen Wirtschaft auch
Rekordinvestitionen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit sich bringen. Das Land braucht, um
zukunftssicher zu sein, moderne Infrastrukturen – im Verkehr, in der Kommunikationstechnik, in Bildung und Gesellschaft.

Brandenburg muss endlich eine konsistente und mutige, eine wachstumsorientierte und innovationsfördernde
Wirtschaftspolitik vorlegen. Dazu gehört auf der einen Seite der Abbau der Verwaltungs- und Förderbürokratie gerade für
die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die häufig in Familienhand sind. Zum anderen müssen die Investitionen
deutlich erhöht werden, um schnelles Internet im ländlichen Raum bereitzustellen und Straßen, Schienen, Wasserwege und
den öffentlichen Nahverkehr auszubauen.

Doch wir stehen nicht allein. Deshalb braucht das Land endlich eine wirksame Außenwirtschaftsoffensive. Unterstützt werden
müssen überdies die rund 30.000 märkischen Betriebe, die in den kommenden Jahren eine Nachfolge anstreben. Damit nicht
genug: Im Laufe der kommenden Legislaturperiode fehlen uns bis zu 100.000 Arbeitskräfte im Land. Das heißt für die künftige
Politik, dass alle Anstrengungen unternommen werden, um unser Land attraktiver für Auszubildende, Familien, Rückkehrer,
Zuwanderer und neue Unternehmen zu machen.

Brandenburg nutzt heute bei Weitem nicht seine einzigartige Position gegenüber allen anderen Metropolregionen – nur wir
sind die Hauptstadtregion. Mit einem internationalen Magneten wie Berlin im Herzen unseres Landes muss Brandenburg
mehr erreichen können – gerade auch im internationalen Wettbewerb. Schon heute sind Berlin und Brandenburg für unsere
Unternehmen und die Kammern ein gemeinsamer Wirtschaftsraum. Deshalb fordern wir von der neuen Landesregierung ein
zukunftsgerichtetes und systemisches Metropolenraummanagement der Hauptstadtregion für Verkehr, Ansiedlungen und
Förderung.

Die wichtigsten Themen, um Brandenburg in den kommenden fünf Jahren erfolgreich weiterzuentwickeln, haben die drei
Industrie- und Handelskammern Potsdam, Cottbus und Ostbrandenburg in dreizehn Handlungsfeldern aufgeführt.

Wir verstehen uns dabei als enger Partner in der Umsetzung – aber zuerst einmal muss die Politik für die kommende
Legislaturperiode ihre Hausaufgaben machen. Die Landtagswahlen 2019 bieten die beste Chance, jetzt zukunftsfähige
Konzepte zu entwickeln und nach der Wahl auch umzusetzen. Für Brandenburgs Zukunft.

Peter Heydenbluth                              Peter Kopf                            Carsten Christ
Präsident der IHK Potsdam                      Präsident der IHK Cottbus             Präsident der IHK Ostbrandenburg

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Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus
I Talente der Zukunft sichern
    Status quo
    Unterschiede zwischen Ausbildungsangebot und -nachfrage
    Jährlich werden in Brandenburg knapp 9.500 neue betriebliche Ausbildungsverträge abgeschlossen. Die Unternehmen melden
    seit Jahren verstärkt betriebliche Ausbildungsstellen zur Besetzung. Die Anzahl unbesetzter Stellen steigt jedoch ebenfalls,
    während gleichzeitig die Zahl unversorgter Jugendlicher stagniert. Zu oft kennen die Brandenburger Jugendlichen die berufli-
    chen Chancen ihrer Region zu wenig. Sie gehen für ihre Ausbildung zu häufig in andere Bundesländer, insbesondere nach
    Berlin – nicht zuletzt auch, weil die Distanzen zwischen Wohnort, Schule und Ausbildungsbetrieb in einem Flächenland wie
    Brandenburg eine besondere Herausforderung darstellen.

    Budget für Vermarktung und Modernisierung der Bildungsangebote unzureichend
    Die Studien- und Berufsorientierung ist in Gymnasien ein Wahlmodul und wird von Schülerinnen und Schülern überwiegend
    gemieden. Ausbildungs- und Karrierechancen will das Land mit der Ausbildungsoffensive „Brandenburg will Dich! Hier hat
    Ausbildung Zukunft“ mehr in die Öffentlichkeit tragen. Es fehlt jedoch eine ausreichende finanzielle Ausstattung sowie die
    Orientierung an arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen und Arbeitsinhalten der Zukunft. Dies gilt sowohl für die Inhalte
    der dualen Ausbildung als auch für die Anzahl und Qualität von Weiterbildungsangeboten.

    Gestaltung der Integration nicht unternehmerfreundlich
    Spracherwerb, Ausbildung und Beschäftigung sind wichtige Säulen bei der Integration von Geflüchteten. Eine Eingliede-
    rungsquote in Brandenburg von rund 60 Prozent nach einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung unterstreicht dieses Instru-
    ment als erfolgreichen Weg in die Ausbildung. Unsichere aufenthaltsrechtliche Rahmenbedingungen sowie die unzurei-
    chende Berücksichtigung von Betriebsabläufen bei der Integration sorgen für wiederkehrende Rückschläge bei der Hebung
    dieses Fachkräftepotenzials.

                                        Petra Domnick, Geschäftsführerin surfaced GmbH (Oranienburg)

                                        „Mein Wunsch und Anliegen ist es, dass wir unser duales Ausbildungssystem, um das
                                        uns die ganze Welt beneidet, auch auf die Integration von Geflüchteten anwenden
                                        können. Wir schaffen so von Beginn an eine enge Anbindung an Wirtschaft und
                                        Unternehmen. Dies ermöglicht Teilhabe und bedeutet für die Geflüchteten, sofort
                                        eine Zukunftsperspektive jenseits des „reinen Wohnens“ zu haben. Gleichzeitig
                                        können die Unternehmen von Anfang an ihre Arbeitskultur vermitteln, auf die Arbeits-
                                        haltung einwirken und so die Zusammenarbeit konstruktiv gestalten.“

                                    Passungsprobleme in der Ausbildung senken
             Jeder zehnte Schulabgänger in Brandenburg                                        Fast jeder siebte Ausbildungsplatz wird
               findet nicht die gewünschte Ausbildung                                              in Brandenburg nicht besetzt

                                  10,01%
                                                                                                                  14,84%

                                                                                                           85,16%
                           89,99%

                                                   unversorgte Bewerber                     unbesetzte Plätze
                                                   bediente Ausbildungsnachfrage            abgeschlossene Ausbildungsverhältnisse

    Verhältnis unversorgter Bewerber zur Gesamtnachfrage und Anteil der unbesetzten Ausbildungsplätze am Gesamtangebot im Land Brandenburg
    im Jahr 2018. Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), 2018
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Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus
Forderungen aus Sicht der Wirtschaft
쐽 Für die Attraktivität der beruflichen Ausbildung ist die Erreichbarkeit aller Lernorte für Auszubildende zu verbessern, wie
  es der von der Landesregierung im Herbst 2018 unterzeichnete Ausbildungskonsens vorgibt. Ein Mobilitätszuschuss vom
  Land, der über das ausbildende Unternehmen ausgegeben wird, muss vor allem den ländlichen Raum berücksichtigen.
  Das kann das angekündigte Azubiticket in der Fläche nicht leisten.
쐽 An den Standorten der Berufsschulen sind verstärkt Wohnmöglichkeiten für Auszubildende einzurichten, die finanzierbar
  und logistisch erreichbar sind. Für viele Azubis, deren langer Anreiseweg nicht durch Vereinbarungen mit Berliner Schulen
  verkürzt werden kann, ist eine Unterkunft vor Ort ein bestimmendes Ausbildungskriterium.
쐽 Berufs- und Studienorientierung sind an Gymnasien verpflichtend anzubieten. Kooperationen mit Partnern aus der regio-
  nalen Wirtschaft sind zu stärken. Neben den SchülerInnen und Eltern ist auch die Lehrerschaft verstärkt einzubinden. Es
  braucht mehr Anreize für innovative und erfolgreiche Modelle zur Fachkräftegewinnung und –bindung im ländlichen Raum.
쐽 Etwa die Hälfte aller Oberstufenzentren in Brandenburg sind vom Lehrermangel betroffen. Das Land muss daher dringend
  Anreizsysteme und Ausbildungsmöglichkeiten für Berufsschullehrer schaffen. Um moderne Ausbildungsbedürfnisse
  abzudecken, braucht es vom Land zusätzliche Investitionen in eine zeitgemäße Infrastruktur sowie digitale und audiovi-
  suelle Medien. Schulische Bildungsangebote sollten verstärkt digitale Methodenkompetenzen vermitteln.
쐽 Zur Stärkung der höheren Berufsbildung müssen Landesförderprogramme für Industrie- und Handelskammern und
  Handwerkskammern gleichermaßen gelten. Die höhere Berufsbildung sollte ebenso finanziell unterstützt werden wie
  akademische Bildungswege. Förderungen dürfen sich nicht allein an Abschlussbezeichnungen orientieren.
쐽 Es braucht dringend rechtssichere Rahmenbedingungen für eine duale Ausbildung für Geflüchtete. Das Land muss, wie
  Berlin auch, die Ermessensduldung auf das Instrument der betrieblichen Einstiegsqualifizierung vor der Ausbildung aus-
  weiten. Absolventen der Berufsfachschule berufliche Grundbildung Plus (BFSG Plus) sollten zielgerichtet in die Berufs-
  ausbildung geführt werden.
쐽 Das Land muss dringend die administrativen Prozesse bei der Fachkräftezuwanderung vereinfachen. So sollte die Vor-
  rangprüfung auch bei der Zuwanderung von Azubis wegfallen. Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen
  muss für Unternehmen flexibel und mit geringem bürokratischem Aufwand gestaltet werden.
쐽 Das ehrenamtliche Engagement der Prüfer in der Aus- und Weiterbildung ist von Brandenburg stärker anzuerkennen,
  indem es mit anderen Förderinstrumenten für ehrenamtliche Tätigkeiten gleichgestellt wird. Das gute Instrument der
  Ehrenamtskarte sollte auch für die IHK-Prüfer zugänglich sein.

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Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus
II Verkehrsinfrastruktur jetzt umfassend ausbauen
    Status quo
    Mobilitätsbedarf nicht flächendeckend gesichert
    Der zunehmende Wirtschafts- und Individualverkehr im stark wachsenden Berliner Umland bringt die vorhandene Verkehrsin-
    frastruktur, vor allem an den zentralen Hauptverkehrsachsen an ihre Grenzen. Allein das Pendleraufkommen zwischen Berlin
    und Brandenburg ist in den letzten fünf Jahren um 13 Prozent auf rund 300.000 Beschäftigte pro Tag gestiegen. Dieser Prozess
    wird durch die Suburbanisierung in den kommenden Jahren deutlich beschleunigt. Zeitgleich verschärft sich im ländlichen Raum
    die Situation der unzureichenden Versorgung mit ÖPNV-Leistungen. Zur Stabilisierung der berlinfernen Regionen fehlt es verstärkt
    an nachfragegerechten Verkehrsangeboten. Ohne Alternativen wird der Individualverkehr dort zum Wachstumshemmnis.

    Infrastruktur als Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung
    Durch die Lage unseres Landes im Zentrum mehrerer transeuropäischer Verkehrskorridore gehen die Anforderungen an eine
    zukunftssichernde Infrastruktur weit über den heutigen Status quo hinaus. Die Landesplanung ist darauf nur unzureichend
    ausgerichtet. Die andauernde Fertigstellung des BER, das geringe Angebot an Interkontinentalflügen sowie fehlende Ent-
    wicklungsmöglichkeiten für die Regionalflugplätze behindern den Flugverkehr und senken die Standortattraktivität. Engpässe
    bei den Bundeswasserstraßen und Schleusen blockieren die wirksame Verlagerung der Gütertransporte vom LKW auf das
    Binnenschiff. Das entwertet millionenschwere, bereits getätigte Investitionen an Industriestandorten des Landes. Die fehlende
    Koordination beim Erhalt und Ausbau der Landeswasserstraßen hemmen touristische Entwicklungen, die nicht nur in struk-
    turschwachen Regionen wichtige Impulse setzen.

    Effiziente Erreichbarkeiten nicht in allen Regionen
    Die knapper werdenden Flächen in Berlin und im Umland rücken den ländlichen Raum zunehmend in das Blickfeld von Un-
    ternehmen und Investoren. Wohn- und Gewerbeflächen müssen dann zeitnah erreichbar sein. Der Zustand der Brandenburger
    Landesstraßen, insbesondere bei Ortsdurchfahrten, bewirkt jedoch das Gegenteil und führt zu Lärm- und Schadstoffemis-
    sionen. Ausreichende Koordinations- und Planungskapazitäten beim Ausbau fehlen, um unnötige Umleitungen, Staus sowie
    Bau- und Fahrzeitverlängerungen bei Pendlern und Unternehmern zu minimieren. Der Schienenverkehr ist auf mehr Fern-
    verkehrshaltepunkte in der Fläche angewiesen. Die Infrastrukturprojekte zur Umsetzung des Landesnahverkehrsplans sind
    unverzüglich zu beginnen.

                                  ÖPNV durch wachsende Nachfrage stärker gefordert
                         250

                         200
      in Mio. pro Jahr

                         150

                         100

                         50

                          0
                          2010     2011               2012               2013               2014                2015               2016               2017

    Zuwachs der Fahrgastzahlen im Mio. Personen in Berlin und Brandenburg bis 2017 zum Referenzjahr 2010. Quelle: Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, Juni 2018

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Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus
Forderungen aus Sicht der Wirtschaft
쐽 Das Land muss für den dringend benötigten Substanzerhalt und die -verbesserung des Straßennetzes mindestens 120
  Mio. Euro pro Jahr und ausreichende Planungskapazitäten bereitstellen. Dazu gehört auch ein Straßenbahninvestitions-
  programm für den ÖPNV sowie die Förderung alternativer Mobilitätsangebote im ländlichen Raum, bei der kommunale
  und private Verkehrsunternehmen sowie das Taxigewerbe stärker einzubinden sind.
쐽 Angesichts der wissenschaftlichen Potenziale in der Region und der Landesaufgabe der Daseinsvorsorge sind Themen
  wie autonomes Fahren, Wasserstofftechnologien und smarte Mobilität voranzutreiben.
쐽 Brandenburg hat es nicht geschafft, die Mittel der bereits genehmigten Projekte des Bundesverkehrswegeplans umzu-
  setzen. Um das zu ändern, muss das Fachpersonal in den Landesbehörden dringend aufgestockt werden.

                                 Dirk Schwabe, Geschäftsführer PKS Logistik GmbH (Ahrensfelde)

                                 „Wir verlieren wöchentlich 75 bis 100 Stunden Lenkzeiten, d.h. wir bezahlen 2,5
                                 Arbeitskräfte nur dafür, dass sie im Stau stehen! Ursache hierfür sind chronische Eng-
                                 pässe in der Straßeninfrastruktur sowie eine mangelnde Baustellenkoordination. Nicht
                                 selten werden unsere LKWs von einer Baustellenumleitung in die nächste geschickt
                                 und am Ende steht ein Durchfahrtsverbot für LKWs. Hier ist dingend Abhilfe durch
                                 das Land zu schaffen. Auch Baustellen im 2- bzw. 3-Schichtsystem zu bearbeiten
                                 würde helfen, an wichtigen Straßenabschnitten die Belastungen für den Verkehrsfluss
                                 - und damit für Pendler und Unternehmen - deutlich zu verringern.“

쐽 Das Land braucht wieder ein aktives Baustellen- und Umleitungsmanagement in der Verantwortung des Landesbetriebs
  Straßenwesen sowie eine zentrale Abstimmung mit allen Baulastträgern. Die Einführung von 24-Stunden-Baustellen auf
  hochfrequentierten Streckenabschnitten ist voranzutreiben und umzusetzen.
쐽 Als Transitland benötigt Brandenburg Lösungen für die stark steigenden Verkehrsmengen, wozu neben zusätzlicher Kapa-
  zitäten auch die stärkere Verlagerung auf andere Verkehrsträger gehört. Dafür muss das Land mehr europäische Förder-
  mittel aus Programmen wie Fazilität „Connecting Europe” (CEF) nutzen. Mitzudenken sind dabei auch bedarfsgerechte
  und verlässliche Routen für den Schwerlastverkehr.
쐽 Die Elektrifizierung der Bahnstrecken, höhere Geschwindigkeiten und Wagenkapazitäten, Taktverdichtungen, die Verlän-
  gerung von Bahnsteigen sowie die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Strecken müssen den angebotsorientierten Ausbau
  der Schienenverkehrsinfrastruktur bestimmen. Auch der Güterverkehr benötigt bei Überholgleisen und Umschlagstellen
  ausreichende Kapazitäten. Die Bahnstrecken nach Polen sind aufgrund wachsender Wirtschafts- und Pendlerverpflech-
  tungen sowie transeuropäischen Entwicklungen (u.a. BalticRail, Seidenstraße) konsequent und weitsichtig auszubauen.
  Die Planung prioritärer Ausbauvorhaben für die Bahninfrastruktur muss das Land noch stärker vorfinanzieren.
쐽 Neben der zeitnahen Fertigstellung des BER sind auch seine optimale verkehrliche Erreichbarkeit inklusive der umliegen-
  den Gewerbe- und Siedlungsgebiete wie auch die volle Ausnutzung der in letzter Instanz gerichtlich festgelegten
  Betriebszeiten sicherzustellen. Zudem muss das Land durch eine rasche Überarbeitung der Luftverkehrskonzeption die
  Entwicklung der Regionalflugplätze aktiv unterstützen (u. a. bedarfsgerechter Ausbau und Zulassung Instrumentenan-
  flugverfahren). Sie entlasten den BER und steigern die Attraktivität des ländlichen Raums.
쐽 Die Landesregierung muss in Zusammenarbeit mit dem Berliner Senat darauf hinwirken, dass die Anzahl der Interkonti-
  nentalflüge erhöht wird. Sie sind eine wichtige Voraussetzung für die Ansiedlung international ausgerichteter Unterneh-
  men mit hoher Wertschöpfung und gut bezahlten Arbeitsplätzen.
쐽 Die im Rahmen des Strukturwandels Lausitz festgestellten und vom Bund bestätigten Ausbauvorhaben in der Schienen-
  und Straßeninfrastruktur sind zeitnah voranzutreiben. Ihre Planungen und Umsetzungen benötigen vollständige Kom-
  plementärfinanzierungen.
쐽 Zur Beseitigung der Engpässe an Binnenwasserstraßen (u.a. Schleuse Fürstenwalde, Schleuse Kleinmachnow) muss das
  Land beim Bund brandenburgische Interessen durchsetzen. Eine Vorfinanzierung des Planungsverlaufs beschleunigt die
  Vorhaben.

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Brandenburgs Zukunft Positionen zur Landtagswahl 2019 - Erwartungen der regionalen Wirtschaft an die neue Landesregierung - IHK Cottbus
III Wirtschaftsmotor Industrie stärken
     Status quo
     Akzeptanz und Wertschöpfung der Industrie zu gering
     Mit rund 26 Mrd. Euro Umsatz ist Brandenburgs industrielle Wertschöpfung im Bundesvergleich deutlich zu gering. Um sie
     zu stärken, braucht es dringend mehr Industriebetriebe und politische Aufmerksamkeit vom Land. Die Industrie hat ein
     besseres Image verdient. Schon lange stehen für sie nicht mehr nur Lärm und qualmende Schornsteine. Vielmehr trägt die
     industrielle Basis erheblich zur regionalen Entwicklung der Wirtschaft bei, schafft Innovationen und zusätzliche Arbeitsplätze
     und setzt Impulse für andere Wirtschaftszweige. Die öffentliche Wahrnehmung der landespolitischen Arbeit dazu spiegelt
     diese, besonders für den ländlichen Raum wichtige Bedeutung, derzeit nicht wider.

     Rahmenbedingungen belasten die Industrie
     Aufwendige Genehmigungsverfahren und hohe Auflagen – vor allem im Bereich Umwelt – beeinträchtigen durch ihre Bindung
     von Betriebskapazitäten den Innovationsgrad vieler Industrieunternehmen. Hinzu kommen steigende Energie- und Rohstoff-
     preise sowie die Suche nach geeigneten Fachkräften, Ansiedlungs- und Erweiterungsflächen. Für ein stabiles Wachstum müs-
     sen Politik und Verwaltung wirtschaftsfreundlichere Rahmenbedingungen schaffen und auch auf kommunaler Ebene
     durchsetzen.

     Industrie als Gestalter des digitalen Wandels
     Die industrielle Basis weiß um die enormen Chancen der Digitalisierung und will sie nutzen. Das Land Brandenburg hält dafür
     eine exzellente Forschungslandschaft mit F&E-Schwerpunkten in technischen Bereichen bereit. Dieser marktwirtschaftliche
     Prozess braucht aber auch eine politische Unterstützung. Neben schnellem Internet hängt der digitale Wandel auch von bil-
     dungspolitischen Entscheidungen ab. Menschen sind für digitale Prozesse zu befähigen. Bisher schöpft das Land Brandenburg
     sein Potenzial als moderner, zukunftsorientierter Wirtschaftsstandort zu wenig aus.

                                       Thomas Huch,
                                       Geschäftsführer Huch GmbH Behälterbau (Neuruppin)

                                       „Wir fertigen hochwertige Behälter bereits in dritter Generation, die weltweit verkauft
                                       werden. Industrie ist die Basis unserer Region. Ohne die nötige landespolitische Unter-
                                       stützung und gesellschaftliche Akzeptanz sind Innovationen, Arbeitsplätze und
                                       letztlich unser Wohlstand von Morgen gefährdet. Um wettbewerbsfähig zu bleiben,
                                       braucht es dringend zusätzliche Fachkräfte, mehr Ansiedlungs- und Erweiterungs-
                                       flächen, eine bessere Infrastruktur sowie Berlin als Partner – nicht als Konkurrenten.“

     Forderungen aus Sicht der Wirtschaft
     쐽 Die Bedeutung der Industrie für das Land Brandenburg findet in der gesellschaftlichen Meinung immer weniger Berück-
       sichtigung. Es braucht ein klares Bekenntnis der Landespolitik zur industriellen Basis verbunden mit Initiativen, die akzep-
       tanzfördernd sind und Anreize schaffen. Dazu gehören auch die entschlossene Umsetzung verbindlicher und ehrgeiziger
       Bürokratieabbauziele sowie die Erfassung von clusterfernem Innovationspotenzial.
     쐽 Für eine positive Entwicklung der Brandenburger Industrie sind ausreichend verfügbare Industrie- und Gewerbeflächen
       bereitzuhalten, um Ansiedlungs- und Erweiterungsvorhaben bedienen zu können. Der Platzmangel in Berlin verstärkt die
       Nachfrage im Land Brandenburg zusätzlich. Hier sind im Rahmen eines länderübergreifenden Metropolraummanage-
       ments kurzfristig Konzepte zu erarbeiten und umzusetzen, die unsere Kommunen bei einem verbesserten und aktiven
       Flächenmanagement stärker unterstützen und Maßnahmen von ihnen einfordern. Die Bemühungen um die Ansiedlung
       von – gerade auch internationalen – Industriebetrieben sind zu intensivieren.
     쐽 MINT-Berufe sind die Grundlage für Fachkräfte und für die technische Innovationsfähigkeit in der Industrie. Sie müssen
       durch regelmäßiges und praxisnahes Lernen von der Vorschulzeit bis zum Abitur einen größeren Stellenwert einnehmen.
       Digitalisierung als wichtiger Einflussfaktor für zukünftige Berufsbilder ist dabei praxisnah mit zu berücksichtigen.
     쐽 Großbetriebe fungieren in der Fläche des Landes vielfach als Ankerunternehmen. Eine Förderung für alle Industrieunter-
       nehmen, unabhängig von der Größe und der Schaffung von Arbeitsplätzen, muss möglich sein.
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Brandenburgs Industrie muss wachsen
                              400

                              350
       Umsätze in Mrd. Euro

                              300

                              250

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                              100

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Umsätze der Industrie (umfasst Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe, Gewinnung von Steinen und Erden) im Ländervergleich in Mrd. Euro für die Jahre 2015 bis 2017.
Quelle: Statistisches Bundesamt, 2018
                                                                                                                                                                11
IV Digitale Potenziale nutzen
     Status quo
     Brandenburg hinkt bei der Digitalisierung hinterher
     Die digitale Transformation stellt den sehr kleinteilig geprägten Mittelstand vor immense Herausforderungen, entscheidet
     zeitgleich aber über die Zukunftssicherheit vieler Unternehmen. Brandenburg ist sowohl im Ländervergleich als auch in vielen
     Regionen immer noch ein digitales Entwicklungsland. Bei der Breitbandverfügbarkeit über 50 Mbit/s innerhalb der ostdeut-
     schen Länder wurde Brandenburg von Sachsen vom Spitzenplatz verdrängt. In Zeiten von Big Data, E-Business, Open Data
     und E-Learning, die jegliche Lebensbereiche in Stadt und Land durchdringen und zusätzliche Wertschöpfung schaffen, muss
     eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet höchste Priorität haben. Ganzheitlich mit zukunftssicherer Glasfaser
     sind bisher nur sehr wenige Gewerbegebiete und Schulen angebunden.

     Viele Ankündigungen, wenig Wirkung
     Die Landespolitik hat sich der Digitalisierung erst spät gewidmet, will aber nun durchstarten. Die überfällige Digitalisierungs-
     strategie wurde im Dezember 2018 vom Kabinett beschlossen, ist in erheblichen Teilen aber sehr unkonkret. Viele der
     beschriebenen Maßnahmen befinden sich bereits in der Umsetzung. Neue Ansätze sind zum Teil weder zeitlich terminiert
     noch in der Durchführung oder Finanzierung definiert. Die Digital-Agentur als zentrale Säule existiert bislang nur auf dem
     Papier. Unklar bleibt zudem, wie viele der geplanten 1.200 WLAN-Hotspots sich bis zur Landtagswahl 2019 realisieren lassen.
     Das unlängst beschlossene E-Government-Gesetz und die im Innenministerium neu geschaffene Abteilung für Digitalisierung
     bilden ein Instrumentarium, das digitale Prozesse in der Verwaltung endlich spürbar voranbringen kann.

     Digitalisierung wirtschaftsfreundlicher fördern
     Besonders die dominierenden Kleinbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten weisen einen unterdurchschnittlichen
     Digitalisierungsstand auf. Förderinstrumente auf den Weg in die Wirtschaft 4.0, wie den Brandenburger Innovationsgutschein
     (BIG-digital) werden zwar offeriert, finden jedoch bislang nur geringen Zuspruch. Der Datenschutz und der Bürokratieaufwand
     verunsichern viele Unternehmen. Neben der Verbesserung von Produkten, Kosten und Herstellung im Unternehmen
     muss die Erschließung neuer Märkte und Geschäftsmodelle stärker vom Land unterstützt werden. Die Gestaltung der Arbeit
     der Zukunft bietet nicht nur technologische Potenziale, sondern stellt auch hohe Ansprüche an die Fähigkeiten der
     Menschen.

                                           Breitbandausbau muss beschleunigt werden
                     100
                     90

                     80
                     70
                     60
        in Prozent

                     50
                     40

                     30
                     20
                     10
                      0
                             Ende 2016                           2017                              2017                             2018
                                                                (Mitte)                           (Ende)                           (Mitte)

                                                               Brandenburg         Deutschland

     Vergleich der Versorgungsquoten für Breitband „≥ 50 Mbit/s“ (leitungsgebunden) zwischen Brandenburg und Deutschland von Ende 2016 bis Mitte 2018
     Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur / TÜV Rheinland, Berichte zum Breitbandatlas, 2019
12
Jörn Hartwig, Geschäftsführer D-LABS GmbH (Potsdam),
                                Mitbegründer des IT-Netzwerkes „Silicon Sanssouci“

                                „Um die Digitalisierung in Brandenburg voranzubringen, sind leistungsfähige digitale
                                Infrastrukturen, unterstützende rechtliche Rahmenbedingungen und kompetente Mit-
                                arbeiter erforderlich. Wir brauchen dringend mehr Tempo, um die Entwicklung aktiv
                                mitzugestalten. Entscheidend ist dabei, dass Unternehmen und Verwaltung die sich
                                bietenden Chancen des Wandels selbst erkennen und konsequent ergreifen. Persönlich
                                wünsche ich mir mit Blick auf die Region noch mehr digitales Entrepreneurship –
                                gute Rahmenbedingungen dafür sind vorhanden.“

Forderungen aus Sicht der Wirtschaft
쐽 Die Beschleunigung des Breitband-Ausbaus muss höchste Priorität haben. Alle Maßnahmen sind konsequent auf eine
  durchgängige Glasfaser-Infrastruktur auszurichten. Für nur unwirtschaftlich erschließbare und/oder solitär stehende
  Ausbaubereiche sollten alternative Erschließungstechnologien geprüft werden (Funklösung). Im Fokus muss zudem der
  Anschluss der gesamten Brandenburger Wirtschaft im Festnetz und Mobilfunk (4G / 5G) stehen.
쐽 Die Qualifikation von Führungskräften und Mitarbeitern stellt aus Unternehmenssicht ein großes Digitalisierungshemm-
  nis dar. Der Aufbau und die Weiterentwicklung digitaler Kompetenzen in kleinen und mittleren Unternehmen muss wei-
  terhin gefördert und der Zugang vereinfacht werden – zum Beispiel durch die unbürokratische Inanspruchnahme von
  bedarfsgerechten Beratungs- und Weiterbildungsangeboten.
쐽 Die Einführung des Brandenburger Innovationsgutscheins (BIG-digital) wird sehr begrüßt. Die Praxis zeigt jedoch, dass
  im Bereich der Projektbewertung zur Förderfähigkeit auch in den entscheidenden Gremien der landeseigenen Behörden
  Qualifizierungsbedarf besteht. Zudem müssen die Einstiegshürden gesenkt und die Antragsverfahren entbürokratisiert
  werden.
쐽 Für die Förderung von MINT-Kompetenzen ist der IT-Ausbau in Oberstufenzentren und Schulen zu fördern. Dieser muss
  neben der technischen Ausstattung verstärkt auch pädagogische Konzepte adressieren.
쐽 Zwei von drei Brandenburger Unternehmen sind dem Dienstleistungssektor zuzuordnen. Sie benötigen konkrete Unter-
  stützungsangebote, die derzeit vorwiegend der industriellen Produktion in Form des geförderten „Innovationszentrum
  Moderne Industrie“ vorbehalten sind.

                                                                                                                          13
V Ländliche Räume aufwerten
     Status quo
     Gegenseitige Abhängigkeit von Stadt und Land
     Berlin und die städtischen sowie ländlichen Räume Brandenburgs sind existenziell verzahnt und aufeinander angewiesen.
     Obwohl beide Bundesländer eine gemeinsame Metropolregion bilden, agieren Politik und Verwaltung bei vielen übergreifenden
     Themen (so z.B. bei Energie-/ Klima-, Mobilitätsstrategien) wenig abgestimmt. Lösungen sind hingegen nur im Miteinander
     zu finden. Die hohe Wirtschaftsdynamik in und um Berlin fehlt in den berlinfernen Regionen.

     Starke Regionen brauchen ein starkes Profil
     Die Bevölkerungsentwicklung, die Globalisierung der Märkte und die veränderte Ausrichtung der europäischen Förder-, Struk-
     tur- und Agrarpolitik schaffen zusätzliche Herausforderungen. Die hiesigen Mittel- und Oberzentren gelten daher als bewährte
     Ankerpunkte der Region. Ein identitätsstiftendes Selbstbewusstsein mit Begriffen wie Regionalität, Nachhaltigkeit, Umwelt-
     bewusstsein und Gesundheit ist zu gering ausgeprägt.

     Kleine und mittlere Unternehmen sind die Säulen der Entwicklung im ländlichen Raum
     Der Struktur- und Funktionswandel in ländlichen Räumen bietet kleinen und mittleren Unternehmen Chancen in der Energie-
     oder Ernährungswirtschaft, aber auch im Handel und Tourismus. Flächen im ländlichen Raum werden durch die gestiegene
     Nachfrage nach hochwertigen, biologisch angebauten landwirtschaftlichen Produkten, nachwachsenden Rohstoffen für die
     Energiegewinnung (Bioenergien) sowie dem Entwicklungsdruck aus den urbanen Zentren aufgewertet. Sie sind zunehmend als
     kreativer Ort und Wirkungsstätte für moderne Dienstleistungen gefragt. Ihnen fehlt es zur Schaffung gleichwertiger Lebensbe-
     dingungen jedoch an Unterstützung wie neue Arbeitsformen und Lösungen für die angespannte Fachkräftesituation.

     Ankerfunktion der Innenstädte und Ortskerne
     Die Zentren und Citylagen der Städte und Gemeinden bilden wesentliche Kerne der wirtschaftlichen Entwicklung Branden-
     burgs. Sie sind Ausdruck von gesellschaftlichem Zusammenhalt und Austausch. Der demografische Wandel führt zu höheren
     Herausforderungen beim Erhalt lebendiger Ortskerne. Neue Lösungen durch Pilotprojekte wie die Umnutzung von historischen
     Industriegebäuden (z.B. Tuchfabrik Pritzwalk) brauchen einen höheren Stellenwert in der politischen Städtebauförderung.
     Das gilt auch für die Unterstützung regionaler Initiativen.

                                       Bianca Buthmann,
                                       Geschäftsführerin Trede & von Pein GmbH (Prenzlau)

                                       „Als Agrarhändlerin der Trede & von Pein GmbH im ländlichen Raum bin ich auf eine
                                       funktionierende Infrastruktur angewiesen. Zudem ist es wichtig, dass die Menschen
                                       in der Region bleiben, wofür eine möglichst breite Daseinsvorsorge Voraussetzung
                                       ist.“

     Forderungen aus Sicht der Wirtschaft
     쐽 Die Metropolregion Berlin-Brandenburg ist deutschlandweit die einzige ohne eine zentrale Koordination und Steuerung bei über
       die Raumplanung hinausgehenden Themen, obwohl sie als einzige über das Alleinstellungsmerkmal der Hauptstadtregion verfügt.
       Zur Nutzung ihrer Potenziale und Positionierung im nationalen und internationalen Wettbewerb ist bis 2022 ein mit definierten
       Kompetenzen und Mitteln ausgestattetes Metropolraummanagement einzurichten, das insbesondere auch den weiteren Metropol-
       raum mitberücksichtigt.
     쐽 Brandenburgs Entwicklungskonzepte für den ländlichen Raum sind gemeinsam mit den urbanen Zentren und so auch mit Berlin zu
       entwickeln. Dafür sind vielfältige Formen der interkommunalen Zusammenarbeit nötig, um Versorgungslücken zu schließen und
       Ressourcen zu heben. Unternehmertum und Eigeninitiative brauchen verlässliche Rahmenbedingungen wie zum Beispiel die Flä-
       chenausstattung, Breitband- sowie Infrastrukturversorgung.
14
쐽 Neue Herausforderungen im ländlichen Raum betreffen, angesichts einer alternden und vielerorts sinkenden Bevölkerung, alle Berei-
  che der Daseinsvorsorge wie Bildung, Mobilität, medizinische Versorgung oder Sicherheit. Hierzu muss das Land tragfähige Min-
  deststandards und -ausstattungen in den Gemeinden definieren und aushandeln. Eine zukunftssichernde und koordinierte Flächen-
  entwicklung sowie die Aufwertung von Innenstädten und Ortskernen fördert das Miteinander von Gewerbe, Wohnen und Freizeit.
쐽 Die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten garantiert eine Produktvielfalt und den Verbleib von Arbeitskräften und Erträgen in
  der Region. Fördermaßnahmen sind stärker auf regionale Wirtschaftskreisläufe auszurichten, damit individuelle Ressourcen einer
  Region besser identifiziert und unterstützt werden können.
쐽 Die Studie der Landesregierung zum Image Brandenburgs innerhalb Deutschlands zeigt ein bedrückendes Unwissen der meisten
  Menschen über unser Land. Der Fokus des Landesmarketings auf weite Naturräume, Entschleunigung und Freizeit tragen leider dazu
  bei, dass sich dieses Bild eines rückständigen Bundeslandes noch verfestigt. So wie die Kammern und Verbände versuchen, die exzel-
  lenten Bildungs-, Gründungs- und Ansiedlungsmöglichkeiten im Herzen Europas herauszustellen, sollte eine künftige Landesregie-
  rung den Ansatz dringend überdenken und Brandenburgs Chancen für Investoren und Arbeitskräfte über ein positives und zukunfts-
  offenes Image kommunizieren.

                              Brandenburg muss im ländlichen Raum mehr Perspektive schaffen
                        6,0

                                     2,4                       2,5
                        5,0                                                                     2,3
                                                                                                                                 2,2    -11,5 %
                        4,0
     Personen in Mio.

                        3,0
                                     1,5                       1,5                              1,3                                    - 22,1 %
                                                                                                                                 1,2
                        2,0

                                     0,9                       1,0                              1,0                              1,0
                        1,0
                                                                                                                                        + 6,2 %
                        0,0
                                     2013                     2020                             2030                              2040

                                     Berliner Umland         weiterer Metropolenraum                      Land Brandenburg

Prognose für die Bevölkerungszahlen im Land Brandenburg in Mio. Personen von 2013 bis 2040. Quelle: Landesamt für Bauen und Verkehr, 2015

                                                                                                                                                  15
VI Wirtschaft effizient fördern und gestalten
     Status quo
     Prosperierende Wirtschaft liefert hervorragende Startbedingungen
     Die Einnahmensituation im Land Brandenburg hat sich aufgrund der guten konjunkturellen Lage äußerst positiv entwickelt.
     Erstmals lagen 2018 die Steuereinnahmen in der Mark über 10 Mrd. Euro. Daneben entlasten sinkende Arbeitslosenzahlen dank
     einer florierenden Wirtschaft die öffentlichen Haushalte. Mit einem Gesamtvolumen von rund 25,5 Mrd. Euro ist der Doppelhaushalt
     2019/2020 der größte in der Geschichte des Landes Brandenburg. Obwohl umfassende Investitionsprogramme angekündigt sind,
     soll die Investitionsquote laut Planungen des Landes weiter von 12,2 Prozent (2018) auf 11,6 Prozent (2020) fallen, während die
     Personalausgabenquote im selben Zeitraum um 1,3 Prozent steigen soll.

     Mittel effizient einsetzen und Rahmenbedingungen aktiv gestalten
     Die positive Wirtschaftsentwicklung ist ebenso wenig ein Selbstläufer wie die gute Haushaltssituation der öffentlichen Hand.
     Fördermittel müssen effizient abfließen, denn mit dem Ende des Solidarpakts 2019, der Neuregelung des Länderfinanzaus-
     gleichs ab 2020 und dem Ende der gegenwärtigen EU-Förderperiode im gleichen Jahr steht die neue Landesregierung vor
     zahlreichen finanzpolitischen Herausforderungen. Auch der Brexit wird Auswirkungen auf die Zuweisungen der Europäischen
     Union für Brandenburg haben. Zudem plant der Bund eine Neukonzeption der Strukturförderung für die 2020er Jahre.

     Wirtschaftswachstum ist eine entscheidende Finanzierungsgrundlage für das Land
     Die Wirtschaft bildet angesichts der erwähnten Unwägbarkeiten das Rückgrat für die Landesfinanzen und für zukünftige
     Gestaltungsspielräume. Bisher wird der Brandenburger Landeshaushalt zu knapp 70 % durch das eigene Steueraufkommen ge-
     deckt. Der Anteil reicht nicht aus. Brandenburg muss mehr auf eigenen Beinen stehen. Eine höhere Eigenfinanzierung setzt för-
     dernde Rahmenbedingungen für eine wachsende, einkommensschaffende einheimische Wirtschaft voraus. In der Vergangenheit
     gab es erhebliche Verzögerungen beim Start der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI), Diskontinuitäten in einzelnen
     Programmen und schließlich Schwierigkeiten beim Mittelabfluss. Hintergrund sind dabei nicht zuletzt bürokratische Hürden.

                                       Prof. Dr. Thomas Wilk, Inhaber Kanzlei Wilk (Potsdam)

                                       „Geld zum Gestalten ist da. Dieses muss in Zukunftsinvestitionen fließen, damit die
                                       hiesige Wirtschaft auch künftig Einkommen, Entwicklung und Wohlstand sichern
                                       kann. Wir erwarten das Engagement des Landes bei der EU und beim Bund für einen
                                       maximalen Mittelzufluss sowie eine kluge, unterbrechungsfreie Einsteuerung der
                                       Förderprogramme. Denn jedes Unternehmen weiß, dass es in den guten Jahren für
                                       schlechte Zeiten vorsorgen muss.“

     Forderungen aus Sicht der Wirtschaft
     쐽 Mit öffentlichen Investitionen – wie etwa in Infrastrukturen – gestaltet die Landesregierung die Entwicklungsmöglich-
       keiten heutiger und künftiger Generationen. Der investive Einsatz der Einnahmen des Landes muss gestärkt, der Investi-
       tionsstau beendet werden. Allein für den Erhalt und Ausbau des Straßennetzes sind mehr als 2,77 Mrd. Euro notwendig.
       Jährlich fließen jedoch nur 150 Mio. Euro in Sanierungs- und Baumaßnahmen.
     쐽 Steuererhöhungen, hohe Gebühren und Abgaben schränken Investitionsmöglichkeiten ein und sind der falsche Weg. Dies
       gilt auch für zu lange Planungszeiträume, die den Abruf von vorhandenen Finanzmitteln unnötig verzögern.
     쐽 Brandenburger Unternehmen brauchen ein zielgerichtetes, flexibles und unbürokratisches Förderinstrumentarium. Die
       neue Landesregierung muss eine adäquate Mittelausstattung der künftigen GRW-Förderung beim Bund sichern. Dieses
       bisher wirksamste Programm zur Investitionsförderung muss weiterhin mit attraktiven Konditionen in Brandenburg für
       die Errichtung, Diversifizierung und Erweiterung von Unternehmen aller Größenordnungen zum Einsatz kommen. Inves-
       titionsfremde Auflagen sind daher zu beseitigen.
     쐽 Die ESI-Fonds der EU sollten in der Förderperiode bis 2020 vollumfänglich ausgeschöpft werden. Die Operationellen Pro-
       gramme für die neue Förderperiode 2021-2027 müssen frühzeitig unter Beteiligung der Wirtschaftspartner fertiggestellt
       werden, so dass das vollständige Förderinstrumentarium über die gesamte Periode hinweg zur Verfügung steht.
16
Investitionsquote des Landes sinkt deutlich
  30%

                                                                                                                                          27,5%
                                                                                                         26,8%
  25%
                                                                        25,6%
     24,2%                            24,6%

  20%

  15%

    12,2%                             12,1%                             11,9%
  10%                                                                                                    11,5%
                                                                                                                                           9,9%

   5%
    2018                               2019                             2020                             2021                             2022
                                                   Investitionsquote            Personalausgabenquote

Geplante Haushaltsausgaben des Landes Brandenburgs für Investitionen und Personal in Prozent von 2018 bis 2022. Quelle: Ministerium der Finanzen des
Landes Brandenburg: Datenblatt Haushalt BB – Haushaltplan 2019/2020
                                                                                                                                                       17
VII Chancen auf Auslandsmärkten ermöglichen
     Status quo
     Geringe Investitionen in die internationale Wettbewerbsfähigkeit
     Außenwirtschaft und Internationalisierung können und müssen wesentliche Beiträge für ein nachhaltiges Wachstum der Brandenburger
     Wirtschaft leisten. Die Internationalisierungsstrategie und das neue Außenwirtschafts-Konzept des Landes bilden hierbei einen im
     Grundsatz brauchbaren strategischen Rahmen. Allerdings ist eine spezifische, offensive Ausrichtung der Außenwirtschaftsförderpolitik
     bisher nicht zu erkennen. Auch die wichtige europäische Zentrallage und die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Berlin entfalten
     bei weitem nicht ihr Potenzial. Brandenburg fehlen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – „Internationale Champions“.

     Bei Brandenburger Exporten ist kein Fortschritt erkennbar
     Während Deutschland seine Rolle als Exportweltmeister bekräftigen will und andere Bundesländer kontinuierlich zulegen, blei-
     ben die Exportzahlen in Brandenburg wechselhaft. Nach einem zwischenzeitlichen Rückgang von 10 Prozent stieg das Export-
     volumen 2018 zum Vorjahr um 4 Prozent. Mit einer Exportquote in der Industrie von 28 Prozent (Deutschland: 48 Prozent) ist
     Brandenburg im Bundesländervergleich jedoch inzwischen Schlusslicht. Die Brandenburger Ausfuhren sind von wenigen Groß-
     unternehmen abhängig. Die steigenden Exporterfolge der kleinen und mittleren Betriebe können die Umsatzeinbrüche großer
     Unternehmen auf ausländischen Märkten jedoch nicht vollständig auffangen. Die teilweise sogar in Europa führenden Cluster
     entfalten noch nicht ihre internationale Schlagkraft.

     Förderinfrastruktur für Außenwirtschaft entwicklungsfähig
     Kleine und mittlere Unternehmen finden im Land Brandenburg nicht die Serviceleistungen vor, die sie für eine Intensivierung
     ihres außenwirtschaftlichen Engagements benötigen. Es fehlt an außenwirtschaftlich geschulten Kundenberatern bei den Haus-
     banken und an international erfahrenen Unternehmensberatern. Auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalts-
     kanzleien haben in Summe zu wenig internationale Erfahrung. Die öffentlich bereitgestellte Unterstützung ist entweder personell
     eng besetzt oder außenwirtschaftlich/international unzureichend ausgeprägt – nicht selten beides. Die aktuelle Außenwirt-
     schaftsförderung beschränkt sich daher zumeist auf die klassischen Instrumente und ist zu bürokratisch und unflexibel.

                                                                                                             Brandenburger Exporte kommen nicht in Schwung
                                    200                                                                                                                                                                                                                                                                  20,0
        Exporte 2018 in Mrd. Euro

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               17,8
                                                                                                                                                                                                                                                                                  Exporte in Mrd. Euro

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       17,8
                                    150                                                                                                                                                                                                                                                                  17,5           17,2   17,0
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 16,3
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              + 9,6%
                                    100                                                                                                                                                                                                                                                                  15,0           14,2
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 13,2          13,2            13,0
                                    50                                                                                                                                                                                                                                                                                                12,7
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         12,5
                                     0                                                                                                                                                                                                                                                                                                        -1,5%
                                                                                                                                                                                                                                                                                                         10,0
                                          Baden-Württemberg
                                                              Nordrhein-Westfalen
                                                                                    Niedersachsen
                                                                                                    Bayern
                                                                                                             Hessen
                                                                                                                      Rheinland-Pfalz
                                                                                                                                        Hamburg
                                                                                                                                                  Schleswig-Holstein
                                                                                                                                                                       Sachsen
                                                                                                                                                                                 Sachsen-Anhalt
                                                                                                                                                                                                  Bremen
                                                                                                                                                                                                           Saarland
                                                                                                                                                                                                                      Thüringen
                                                                                                                                                                                                                                  Berlin
                                                                                                                                                                                                                                           Brandenburg
                                                                                                                                                                                                                                                         Mecklenburg-Vorpommern

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 2014 2015 2016 2017 2018
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Brandenburg
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Durchschnitt ostdeutsche
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Bundesländer (mit Berlin)

     Exportvergleich der Bundesländer 2018 in Mrd. Euro sowie Entwicklung der Brandenburger Exportzahlen und des ostdeutschen Durchschnitts von 2014 bis 2018
     Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis), 2019

     Forderungen aus Sicht der Wirtschaft
     쐽 Die Neufassung des Außenwirtschafts-Konzeptes hätte mehr Mut vertragen. Brandenburg braucht keine überfällige Fortschrei-
       bung des Bestehenden, sondern eine echte Außenwirtschafts-Offensive, die sich auf die vorhandenen Defizite einerseits und
       Potenziale andererseits konzentriert. Dies sollte bis 2020 erfolgt sein. Schritte dahin sind die stärkere Gewichtung der Außenwirt-
       schaft im Rahmen der Wirtschaftspolitik des Landes, Qualitätsprogramme sowie einen modernen und flexiblen Förderbaukasten.
       Das Haushaltsbudget für die Außenwirtschaftsförderung reicht nicht aus.
18
쐽 Um die Vorteile der europäischen Zentrallage optimal zu nutzen, muss die Zusammenarbeit mit Berlin auf allen Ebenen
  intensiviert werden. Mittelfristig braucht es eine konsistente Außenwirtschaftsstrategie und einen gemeinsamen Auftritt
  der beiden Länder für die deutsche Hauptstadtregion. Dies entspricht der öffentlichen Wahrnehmung und schließt ein
  intensiveres internationales Standortmarketing mit ein. Beide Länder müssen sich die Bälle zuspielen und sich – gerade
  im Wettbewerb mit anderen Metropolregionen – als Partner verstehen.
쐽 Brandenburger Unternehmen brauchen für die Außenwirtschaft mehr geschultes Personal in den öffentlich bereitge-
  stellten Servicestellen des Landes. Diese müssen engagierter auf die Unternehmen zugehen.

                                Michaela Behrendt,
                                Geschäftsführerin microtech GmbH electronic (Teltow)

                                „Zur Internationalisierung brauchen Unternehmen Unterstützung in „Hands-on-
                                Mentalität“: Die Politik muss Chancen aufzeigen, gute Beispiele transparent
                                machen und motivieren. Weniger Bürokratie, flexiblere Instrumente, digitale
                                Verfahren helfen Hürden zu überwinden, damit Brandenburger Produkte und
                                Dienstleistungen erfolgreich in Europa und der Welt sind.“

                                                                                                                            19
VIII Zukunft gründen, Nachfolge sichern
     Status quo
     Viel Gründungshilfe hilft nicht immer viel
     In Brandenburg wird zu wenig gegründet. Zudem ist im Vergleich der Dichte von jungen, innovativen Start-ups in anderen Regionen
     seit Jahren kein Anstieg erkennbar. Von einer Kampagne „Gründerland Brandenburg“ ist man weit entfernt. Es fehlen transparente
     und bessere Finanz- und Förderinstrumente sowie moderne Infrastrukturen und Start-up-Ökosysteme, in denen Ideen leichter zu
     erfolgreichen Geschäftsmodellen reifen können. Dies schließt konkrete Angebote an die exzellente Wissenschaft mit ein, ihre
     Gründungsgedanken vor Ort umzusetzen. Unternehmerisches Denken ist in den Schulen – sei es über verpflichtende Praktika,
     den orientierenden Unterricht, die Förderung von Schülerfirmen oder ähnliches – nicht ausreichend verankert.

     Herausforderung für das ganze Land: Unternehmensnachfolge
     Nachfolge kann eine gute Alternative zur Neugründung sein. Bislang fand diese Option in der öffentlichen Wahrnehmung
     der Arbeit der Landesregierung kaum Erwähnung. Zu begrüßen ist die neue Richtlinie für frühzeitige Unternehmensnachfol-
     geregelungen in KMU. In öffentlichen Programmen zur Förderung von mehr Selbstständigkeit sollten neben Neugründern
     auch verstärkt Unternehmer erwähnt werden, die kürzlich ein Unternehmen übernommen haben. Noch immer fehlt eine spe-
     zifische Förderung zur Nachfolge, obwohl die Entscheidungsträger in mehr als 30.000 Unternehmen über 60 Jahre alt sind
     – vor allem in kleinen Unternehmen sowie im Mittelstand.

     Unternehmertum wertschätzen
     Wertschöpfung und Wohlstand sind eine Folge unternehmerischer Tätigkeit. Das starke gesellschaftliche Engagement der
     Unternehmen, wird in der öffentlichen Wahrnehmung zu wenig honoriert. Stattdessen werden Regelwerke und bürokratische
     Hürden immer komplexer. Weder Landes- noch Bundesgesetze wurden in der aktuellen Legislaturperiode ausreichend auf
     ihre Auswirkungen für die regionale Wirtschaft geprüft.

                                                                                         Jens Warnken, Geschäftsführer airkom Druckluft GmbH (Wildau)

                                                                                         „Als Unternehmer habe ich täglich neue Herausforderungen und Gestaltungsmög-
                                                                                         lichkeiten. Ich würde junge Menschen gern daran teilhaben lassen und die Lust
                                                                                         wecken, selbst Unternehmer zu sein. Wenn ich aber die Hälfte meines Arbeitstages
                                                                                         damit verbringen muss, bürokratische Anforderungen zu erfüllen, ist das weder für
                                                                                         mich befriedigend noch macht es die Selbständigkeit für Jugendliche attraktiv. Im
                                                                                         konkreten Handeln der Verwaltung wird zu oft übersehen, dass wir Mittelständler
                                                                                         das Rückgrat der Gesellschaft sind.“

                                                                      Brandenburg braucht mehr gewerbliche Existenzgründer
        Anzahl der Existenzgründungen je 10.000 Erwerbsfähige

                                                                150                                                                              Jeder fünfte Brandenburger
                                                                                                                                              Unternehmer ist über 60 Jahre alt
                                                                130

                                                                110                                                                                   18,5

                                                                90

                                                                70                                                                                              81,5
                                                                                                             Bundesdurchschnitt 2017
                                                                50
                                                                                                                                                 Unternehmer < 60 Jahre
                                                                30                                                                               Unternehmer > 60 Jahre
                                                                 2007   2008   2009   2010 2011 2012 2013      2014   2015   2016      2017
                                                                                       Brandenburg  Berlin

     Entwicklung der Gründungszahlen in Berlin und Brandenburg von 2007 bis 2017 sowie Anteil der über 60-Jährigen an den Brandenburger IHK-Unter-
     nehmerinnen und -Unternehmern. Quelle: Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn und eigene Erhebung, 2017
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Forderungen aus Sicht der Wirtschaft
쐽 Die Landesregierung muss den Unternehmergeist stärken und die Bedeutung von Unternehmertum für die gesamte
  Gesellschaft unterstreichen. Dazu gehört auch die Verankerung von Entrepreneurship im Bildungswesen. Unternehmeri-
  sches Scheitern darf keine Nachteile bei der Inanspruchnahme von Förderung haben. Die Unterstützung der Wirtschaft
  muss sich stärker im Verwaltungshandeln wiederfinden.
쐽 Das Land muss die Förderung für Nachfolger und Existenzgründer aufwerten. Um die Fortführung bestehender Unter-
  nehmen zu sichern, sind zielgerichtete Projekte und flexible Förderungen notwendig, die den Fokus auf den Nachfolge-
  prozess an sich legen und nicht einseitig die Übernehmerseite adressieren. Zusätzlich werden dringend mehr Anlaufstel-
  len in der Fläche benötigt.
쐽 Die geplante und wichtige Kampagne „Gründerland Brandenburg“ existiert bislang in der Gründungs- und Nachfolge-
  strategie des Landes nur auf dem Papier. Sie muss spätestens in 2020 umgesetzt werden und einen einfachen Zugang zu
  Unterstützungsmaßnahmen gewährleisten.
쐽 Gründungswilligen in der hervorragenden Brandenburger Wissenschaft müssen konkrete Angebote unterbreitet werden,
  wie sie ihre Ideen vor Ort verwirklichen können. Es darf nicht sein, dass Brandenburg Forschung finanziert und andere
  Länder dann die Früchte der Unternehmensgründungen ernten.
쐽 Gründungspolitische Anreize müssen verstärkt und auch intensiver auf kommunaler Ebene durchgesetzt werden. Bran-
  denburg braucht eine Gründungskultur – auch in der Fläche. Unternehmensförderung an die Schaffung neuer Arbeits-
  plätze zu binden, darf kein Kriterium mehr in den Förderrichtlinien sein, denn es wird der demografisch bedingten Arbeits-
  marktsituation nicht gerecht.

                                                                                                                               21
IX Ideen auf den Markt bringen
     Status quo
     Brandenburgs Forschung und Entwicklung unter Bundesdurchschnitt
     Im Bundesvergleich der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung ist Brandenburg auf einem der letzten Plätze. Die
     geringe Forschungsintensität zeigt sich auch im Bundesvergleich der Patentanmeldungen. Die Katalysatoren für eine erfolg-
     reiche Innovationsdynamik liegen einerseits in forschungsstarken Industriebranchen, die regional nur punktuell vorhanden
     sind. Andererseits muss sich die vorhandene öffentliche Anwendungsforschung in Brandenburg viel zielgerichteter auf die
     kleinen und mittleren Unternehmen einstellen. Dieses noch ungenutzte Potenzial gilt es zu erschließen.

     Clusterarbeit nur bedingt in der Wirtschaft wahrnehmbar
     Nach wie vor werden die Cluster von den Brandenburger Unternehmen mehrheitlich nicht wahrgenommen. Bekanntheit und
     Wirksamkeit verschiedener Cluster befinden sich auf unterschiedlichen qualitativen Niveaus. Um Wachstum und Beschäfti-
     gung in der Fläche zu sichern, muss aber auch auf die Ursprünge regionaler Wertschöpfung geblickt werden. Bedingt durch
     die Fokussierung gibt es Schwierigkeiten bei einzelnen Fördervorhaben, die außerhalb der definierten Cluster angesiedelt sind
     (z.B. Holz, Keramik). Für die Neuauflage der gemeinsamen Innovationsstrategie „innoBB 2025“ muss das Land mehr Flexibilität
     beim Zuschnitt der Cluster und bei der KMU-gerechteren Gestaltung der Aktivitäten wagen.

     Geringere Beschäftigungsintensität hochqualifizierter MINT-Akademiker
     Für Forschungsaktivitäten bis hin zu marktreifen Innovationen spielen in der Regel Akademiker mit einem technisch-natur-
     wissenschaftlichen Hintergrund eine wesentliche Rolle. Trotz attraktiver Dichte an Hochschulen und Universitäten sind von
     1.000 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Brandenburg nur 27 in einem MINT-Expertenberuf tätig – deutlich we-
     niger als der Bundesdurchschnitt von 37.

     Geringe Nutzung komplexer Förderungen in Forschung und Entwicklung
     Komplexe und komplizierte Richtlinien hindern vor allem kleine und mittlere Unternehmen, für größere Forschungsvorhaben
     adäquate Förderungen zu nutzen. So wird das in der aktuellen Förderperiode verfügbare Budget von 174 Mio. Euro für das
     Programm ProFIT zu gerade einmal einem Drittel ausgeschöpft. Die Unternehmen benötigen eine attraktive und vor allem
     niedrigschwellige Förderung – auch mit Blick auf die mittelfristig wieder steigenden Zinssätze. Zu selten kooperieren Hoch-
     schulen und Universitäten mit kleinen und mittleren Betrieben.

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