Der Vertrag im Anlagenbau - ein Leitfaden für Praktiker - Rechtsanwalt lic. iur., dipl. ing. Christoph Isler
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Der Vertrag im Anlagenbau – ein Leitfaden für Praktiker Rechtsanwalt lic. iur., dipl. ing. Christoph Isler
Der Vertrag im Anlagenbau – ein Leitfaden für Praktiker Rechtsanwalt lic. iur., dipl. ing. Christoph Isler
Der Autor Inhaltsverzeichnis Rechtsanwalt Christoph Isler ist Teilhaber der Egli Isler Partner Rechtsanwälte AG. Er ist ursprünglich Bauingenieur, war selbst im Projektgeschäft tätig und begleitet als 5 Einleitung Jurist Anlagenbauer und Anlagenprojekte im In- und Ausland. 6 1 Der Vertrag im Anlagenbau – Erfolgsfaktor und Lebensversicherung 2 Vertragsstrategie im Unternehmen 7 3 Der Anlagenbauvertrag und seine Bestandteile 9 Impressum 4 Leistungsbeschrieb, Spezifikationen, Pflichtenheft 13 1. Ausgabe September 2010 5 Preis und Zahlungsbedingungen 14 © Egli Isler Partner Rechtsanwälte AG, Zürich 6 Termine und Verzug (milestones, delay) 15 7 Lieferort/Erfüllungsort (place of delivery/place of performance) 16 8 Dokumentation 17 9 Vertragsänderungen 18 10 Montage (assembly) 19 20 11 Inbetriebnahme und Probebetrieb 12 Abnahme (provisional acceptance) 21 22 13 Vertragsstrafen (Konventionalstrafen) für Verzug (penalties/liquidated damages for delay) 14 Leistungsgarantien (performance guarantees) 25 15 Gewährleistung (warranty) 27 16 Mängelansprüche 29 17 Höhere Gewalt (force majeure) 30 18 Auflösung des Vertrags ohne Begründung (termination for convenience) 31 19 Haftungsbegrenzung (limitation of liability) 32 20 Bankgarantien (bonds) 35 21 Versicherungen 38 22 Anwendbares Recht (applicable law)/internationale Verträge 39 23 Gerichtsstand (place of jurisdiction) oder Schiedsgericht (arbitration) 40 Checkliste zum Anlagenbauvertrag 42
Einleitung Der Vertrag im Anlagenbau Der Anlagenbau ist ein Projektgeschäft. Anlagen werden in kleinen Stückzahlen auf Bestellung hergestellt. Typischerweise sind Anlagen keine Katalogprodukte, sondern auf das konkrete Bedürfnis angepasste oder überhaupt neu entwickelte Spezialan- fertigungen. Das Kundenbedürfnis konkretisiert sich oft erst nach Vertragsabschluss oder es verändert sich im Projektablauf. Anlagenbauer und Kunde gehen in Anlagenprojekten eine relativ lang andauernde Beziehung ein, deren Intensität laufend zunimmt. Während zu Beginn Konstrukteure und Kaufleute am Tisch sitzen, wirkt der Anlagenbauer später mit Montageequipen, Tonnen von Material und Grossgeräten mitten im Herz des Kundenbetriebes. Anlagen haben Hebelwirkung. Sie können dem Kunden grossen Mehrwert verschaf- fen, aber auch Verluste und Schäden zufügen und sogar die Arbeitsplätze und die Existenz des Kundenbetriebes gefährden. Anlagen erfordern grosse Investitionen auf allen Ebenen. Chancen und Risiken be- stehen sowohl für den Kunden als auch für den Anlagenbauer. Vor diesem Hintergrund hat der Anlagenbauvertrag für alle Beteiligten eine grosse Bedeutung. Ein Anlagenbauvertrag berücksichtigt die typische Charakteristik des Projektgeschäfts, die technischen und organisatorischen Besonderheiten des Pro- jekts und die projektspezifischen Chancen und Risiken. Anlagenbauverträge sind keine juristische Wissenschaft, sondern Vertragshandwerk. Einen guten Anlagenbauvertrag versteht auch ein Techniker und ein Kaufmann, und sie können daraus die notwendigen Schlüsse ziehen. Dieses Büchlein ist gedacht als Leitfaden und Hilfestellung für den Anlagenbauer im Umgang mit seinen oft marktmächtigen und rechtlich versierten Kunden. Es soll ihm helfen, beim Kunden das Verständnis für seine Anliegen zu fördern, echte Vertrags- risiken zu erkennen, Irrelevantes auszuscheiden und dort zu verhandeln, wo es sich lohnt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne juristische Dogmatik und Feinheiten enthält es eine Übersicht der wichtigsten Themen des Anlagenbauvertrags, welche den Verfasser in seiner Praxis regelmässig beschäftigen. Wer international arbeitet, findet sich in den englischen Ausdrücken wieder. 5
1 Der Vertrag im Anlagenbau – 2 Vertragsstrategie im Unternehmen Erfolgsfaktor und Lebensversicherung Umgang mit Verträgen – Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates Der Vertrag als Erfolgsfaktor im Projekt Jeder Verwaltungsrat ist gesetzlich verpflichtet, im Rahmen seiner Oberleitungspflicht die erforderlichen Prozesse, Vorschriften und Instrumente zu implementieren, damit Ein guter Vertrag macht selbstverständlich noch kein erfolgreiches Projekt. Der Pro- die Risiken in seinem Unternehmen erkannt, bewertet und beherrscht werden können. jekterfolg hängt aber massgebend davon ab, dass der Anlagenbauer das liefert, was der Kunde von ihm erwartet. Ein schriftlicher, gelesener, verstandener und verhandel- Zum Risikomanagement gehört der Umgang mit Verträgen und Vertragsrisiken. Jeder ter Vertrag gewährleistet, dass alle vom Gleichen reden. Verwaltungsrat ist dafür verantwortlich, dass in seinem Unternehmen Prozesse für das Vertragsmanagement sowie Richtlinien über Haftungsrisiken, Vertragsbedingungen Es geht dabei nicht primär um Juristisches: Die Bedeutung des Vertrages liegt zu und Schutzmassnahmen erlassen und umgesetzt werden. 80% in vier trivialen Themen, alles andere ist sekundär: Wer ist der Vertragspartner? Fehlen solche Prozesse und Richtlinien, droht einem Verwaltungsrat die persönliche Was wird geliefert? Verantwortlichkeit, wenn ein Haftungsfall sein Unternehmen in die Insolvenz bringt. Wann wird es geliefert? Wieviel kostet es? Keine Trennung von Technik, Kommerz und Recht – die Rollen Es liegt im ureigenen Interesse des Anlagenbauers, in diesen vier Punkten grösst- von Projektleiter und Jurist mögliche Klarheit zu schaffen. Grauzonen und Unklarheiten mögen sich in Einzelfäl- Die Vorstellung ist verbreitet, in einem Anlagenprojekt könne das «Rechtliche» ab- len für den Anlagenbauer auszahlen. Langfristig lässt sich aber mit dieser Strategie getrennt und isoliert durch den Rechtsdienst, einen externen Juristen oder vorge- nicht erfolgreich geschäften. druckte Geschäftsbedingungen abgehandelt werden. Diese Einstellung verkennt die Bedeutung und die Hebelwirkung, welche den rechtlichen Belangen zukommen. Der Vertrag als Lebensversicherung für das Unternehmen Dies gilt nicht nur für ausserordentliche Situationen, sondern auch für den normalen Projektablauf. Das Projektgeschäft ist ein Hochrisikogeschäft – gerade im Anlagenbau. Gute Verträge tragen dazu bei, die Projektrisiken zu beherrschen. Das Rechtliche gehört zum Kerngeschäft und damit in die Verantwortung des Projekt- leiters. Der Projektleiter muss Inhalt und Bedeutung der rechtlichen Bestimmungen Auch bei kompetentestem Projektmanagement kann immer etwas schiefgehen. Ver- kennen, verstehen und in seine Handlungen einbeziehen, so wie er es auch bei Preis, träge gewährleisten, dass solche Ereignisse nicht die Existenz des Anlagenbauers Zahlungsplan, Terminen und Qualitätsanforderungen tut. ruinieren. Der Jurist kann den Projektleiter wohl unterstützen, ihm aber weder die geistige Be- Der Anlagenbauer, der sich nicht um Verträge kümmert oder unbesehen das unter- fassung mit rechtlichen Belangen noch die Verantwortung abnehmen. schreibt, was ihm vom Kunden vorgelegt wird, handelt grobfahrlässig und setzt per- manent die Existenz seines Unternehmens aufs Spiel. Auf der anderen Seite kommt der Jurist nicht darum herum, sich mit den spezifischen technischen, kommerziellen und organisatorischen Anforderungen auseinanderzu- setzen. Nur so kann der Projektleiter von der juristischen Unterstützung profitieren. Der Anlagenbauvertrag ist sicher der falsche Ort für juristische Allgemeinplätze und akademische Weisheiten. Verträge schreiben – nicht kommentieren In diversen Branchen besteht der Besteller darauf, die Verträge zu formulieren. Meist werden bereits mit der Ausschreibung die entsprechenden Dokumente abgegeben. Hat der Anlagenbauer die Marktmacht nicht auf seiner Seite, muss er sich damit ab- finden. 6 7
Ist hingegen vom Kunden noch nichts vorgegeben, sollte der Anlagenbauer nicht Die Praxis zeigt, dass in Verhandlungen auch bei einem Machtungleichgewicht immer warten, bis ihm etwas präsentiert wird. Er sollte den Vertrag selber schreiben und ihn wieder gute Resultate erzielt werden, wenn einmal ein anfänglicher Widerstand über- rechtzeitig vorlegen, wenn möglich schon mit dem Angebot. Dem Kunden muss von wunden ist. Der Anlagenbauer muss aber von Anfang an klarmachen, dass und auf Anfang an bewusst gemacht werden, dass für den Anlagenbauer die rechtlichen welcher Basis er den Vertrag verhandeln will. Wer nur über Technik, Preis und Ter- Belange nicht etwas Abstraktes, Abtrennbares sind. Die Vertragsbestimmungen mine spricht und den Rest verdrängt, bis das Projekt in Zeitnot kommt, kann nicht mit sind Bestandteil des Angebots und Voraussetzung des angebotenen Preises. Preis, viel Goodwill rechnen. Technik und Rechtliches müssen zusammen verhandelt werden. Es gilt aber immer, in den Verhandlungen Augenmass zu bewahren. Die Energie muss Für Verträge gilt das Gleiche wie für Sitzungsprotokolle: Wer selber schreibt, führt. dort investiert werden und man muss dort hart bleiben, wo es um wirkliche, reale Wer kommentiert, kann nur noch reklamieren. Es lohnt sich für den Anlagenbauer, Chancen und Risiken geht. Wer unreflektiert auf Prinzipien beharrt, riskiert den Auf- wenn er den Vertragstext aktiv einbringt und in den Verhandlungen selber redigiert. tragsverlust. Am Ende ist dieses Vorgehen effizienter: Das «Wegverhandeln» von inakzeptablen Bedingungen ist schwierig, braucht Zeit und Energie und strapaziert die Kundenbe- ziehung, schon bevor das Projekt begonnen hat. 3 Der Anlagenbauvertrag und seine Bestandteile Die Erfolgschancen der dargestellten Strategie sind erstaunlich gross. Voraussetzung ist aber, dass der Vertragsvorschlag des Anlagenbauers verständlich formuliert und Die Vertragsbestandteile bei detaillierter Ausschreibung auf das konkrete Projekt bezogen ist. Rechte, Pflichten und Risiken müssen sach- Wenn der Besteller ganz genau weiss, wie die Anlage, die er beschaffen will, aus- gerecht und fair verteilt sein. Kleingedruckte allgemeine Geschäftsbedingungen, ein sehen soll, schreibt er sie mit einem detaillierten Beschrieb aus. In diesem Fall setzt völlig einseitiger Vertragsvorschlag oder juristische Schlaumeiereien lösen beim Kun- sich der Anlagenbauvertrag typischerweise aus folgenden Dokumenten zusammen: den den Papierkorb-Reflex aus. – Vertragsdokument –– Technische Spezifikationen des Bestellers Allgemeine Geschäftsbedingungen – unnötig und ungeeignet –– Pläne des Bestellers –– Terminplan So effizient es erscheinen mag, das «Juristische» in zwei, drei Seiten Kleingedrucktes –– Besondere Bestimmungen zum Objekt zu fassen und dann an die Auftragsbestätigung anzuhängen: Vorformulierte allgemeine –– Weitere Detailvorschriften (Garantiemuster, Verpackungsvorschriften etc.) Vertragsbedingungen eignen sich für Kleinaufträge und das Massengeschäft, nicht – Angebot des Lieferanten aber für den Anlagenbau. Das Angebot des Lieferanten hat in diesem Fall untergeordnete Bedeutung. Der Be- Als Grundsatz gilt: Das, was den Parteien wichtig ist, gehört in den Vertrag. Was im steller sagt genau, was er will. Der Lieferant hat ihm genau das anzubieten. Vertrag steht, muss gelesen und verhandelt werden. Was so unwichtig ist, dass man sich nicht damit beschäftigen will, kann man getrost weglassen. Das Gesetz genügt dafür vollauf. Die Vertragsbestandteile bei Ausschreibung mit Pflichtenheft Allgemeine Bedingungen haben im Anlagenbau in gewissen Nebenbereichen ihre Oft weiss der Besteller zum Zeitpunkt der Beschaffung noch nicht genau, wie die An- Berechtigung, beispielsweise betreffend Verpackung, Handling des Ersatzteilkonsi- lage, die er braucht, aussehen soll. Oder er will vom Know-how des Anlagenbauers gnationslagers oder Lagerung. Aber auch diese Vertragsbestandteile müssen gelesen, profitieren und so optimale Lösungen erhalten. Der Besteller stellt den interessierten verstanden und beachtet werden. Anbietern dann ein Pflichtenheft zur Verfügung und wartet ab, was die Anlagenbauer daraus machen. Vertragsverhandlungen – konsequent, rechtzeitig und sachlich Bei dieser Vertragsform hat das Angebot des Lieferanten eine entscheidende Be- deutung im Vertrag. Eine ebenso grosse Bedeutung hat die genaue Definition des Zweifelsohne liegt die Marktmacht vielfach nicht beim Anlagenbauer, sondern beim Kundenbedürfnisses respektive der Nutzung, die der Kunde mit der Anlage beab- Kunden. Das ist kein Grund, Verträge nicht zu verhandeln. Verträge sind keine Befehls sichtigt. ausgaben, sondern einvernehmlich ausgehandelte, übereinstimmende Willensäusse rungen. 8 9
Typischerweise setzt sich ein solcher Vertrag dann aus folgenden Bestandteilen zu- Die Nutzungsvereinbarung – Funktionsbeschrieb sammen: Sobald der Anlagenbauer nicht mehr einfach nur eine Ausschreibung ausfüllt, sondern –– Vertragsdokument eigenes Know-how und eigene Ideen einbringen muss, ist das Erkennen und Umset- –– Nutzungsvereinbarung oder Funktionsbeschrieb zen des Kundenbedürfnisses ein entscheidender Erfolgsfaktor des Projekts. –– Angebot des Lieferanten mit • technischen Spezifikationen Es empfiehlt sich, die vorgesehene Nutzung in einem separaten Vertragsbestand- • Layout, Plänen teil gemeinsam mit dem Kunden zu definieren. Im Baubereich wird für dieses Doku- –– Terminplan ment der Ausdruck «Nutzungsvereinbarung» verwendet. Sie ist in der SIA Norm 260 –– Ausschreibungsunterlagen des Bestellers mit beschrieben. • Pflichtenheft • besonderen Bestimmungen zum Objekt Im sonstigen Anlagenbau wird eher der Begriff des Funktionsbeschriebes verwendet. • weiteren Detailvorschriften (Garantiemuster, Verpackungsvorschriften etc.) Die Nutzungsvereinbarung oder der Funktionsbeschrieb wird in der Tiefe und im Detaillierungsgrad, den das Dokument bei Unterschrift hat, in den Vertrag auf Widersprüche in Vertragsbestandteilen – Rangfolge genommen. Im Projektablauf wird das Dokument dann laufend aktualisiert und weiterentwickelt. Verändern sich die Nutzungsbedürfnisse, wird dies dort dokumen- Vertragsbestandteile können sich inhaltlich widersprechen. Nach der gängigen Ver- tiert. Resultieren daraus Änderungen des Lieferumfangs oder sonstige Vertragsän- tragsgestaltungstheorie wird das Problem gelöst, indem die Parteien im Vertrags derungen, wird der Bestellungsänderungsprozess ausgelöst. dokument eine Rangfolge der Vertragsbestandteile festlegen. Bei Widersprüchen geht die Aussage im höherrangigen Dokument vor. Das Erstellen einer Nutzungsvereinbarung oder eines Funktionsbeschriebes ist an- spruchsvoll. Die Verfasser müssen sich auf die Definition der Bedürfnisse beschränken. Das ist vernünftig. Eine festgelegte Rangfolge bietet jedoch noch keine Garantie, Der vertragliche Lieferumfang ist in anderen Vertragsbestandteilen festgelegt. dass bei der Ausführung keine Differenzen in der Vertragsauslegung auftreten können. Zum einen gilt die Rangfolge nur bei Widersprüchen. Besteht kein Widerspruch (son- Das Angebot des Anlagenbauers dern z.B. eine Ergänzung) ist die Rangfolge bedeutungslos. Mit dem Angebot drückt der Anlagenbauer seine eigene Auffassung aus, wie und zu Zum anderen gibt es auch allgemeingültige Prinzipien der Vertragsauslegung, wie welchen Bedingungen er das Kundenbedürfnis zu befriedigen gedenkt. Das Angebot beispielsweise «Neueres geht Älterem vor» oder «Spezielles geht Allgemeinem vor». ist daher ein wichtiges Element des zukünftigen Vertrages und gehört in jedem Fall Eine Rangfolge darf diesen Prinzipien nicht widersprechen, sonst sind die Probleme zu den Vertragsbestandteilen. vorprogrammiert. Bei der detaillierten Ausschreibung kann das Angebot nachrangig sein. Beschränkt sich der Kunde jedoch auf ein Pflichtenheft, muss er akzeptieren, dass das Angebot Zuerst Widersprüche wegverhandeln – dann Rangfolge festlegen des Anlagenbauers den Ausschreibungsunterlagen vorgeht. Verhandlungen über die Rangfolge von Vertragsbestandteilen sind nicht selten Stell- vertreterdiskussionen. Man traut sich nicht, offen anzusprechen, dass man nicht alle Keine pauschale Übernahme des Endkundenvertrages («back-to-back») Vorgaben der Ausschreibung oder alle Kundenwünsche erfüllen kann, um das gute Einvernehmen und den Auftrag nicht zu gefährden. Stattdessen wird dann abstrakt Ist der Kunde des Anlagenbauers selber Lieferant, Generalunternehmer oder «EPC- um die Rangfolge der Vertragsbestandteile gerungen. Contractor», ist er bestrebt, die Vertragsbedingungen mit dem Endkunden mög- lichst lückenlos weiterzugeben. Weit verbreitet und (scheinbar) elegant ist die Widersprüche grundsätzlicher Natur führen aber in jedem Fall zu Schwierigkeiten. Methode, den Kundenvertrag integral zum Bestandteil des Anlagenvertrages zu er- Beide Parteien sollten sich daher in den Verhandlungen in erster Linie darauf kon- klären («back-to-back-Übernahme»). zentrieren, Widersprüche zu erkennen und diese auszuräumen, auch wenn es unan- genehm ist. Ist das einmal getan, spielt es gar nicht mehr eine derart wichtige Rolle, welche Rangfolge der Vertragsbestandteile vereinbart wird. 10 11
Das ist Unsinn. Gesamtverträge von Grossprojekten erstrecken sich über Tausende 4 Leistungsbeschrieb, Spezifikationen, Pflichtenheft von Seiten. Davon ist meistens nur ein kleiner Teil für den Anlagenbauer relevant. Der Anlagenbauer darf erwarten, dass sein Kunde sich die Mühe nimmt, die mass Der Leistungsbeschrieb – detailliert, vollständig, eindeutig gebenden Bestimmungen des Endkundenvertrages zu ermitteln, dass er ihm diese Oft besteht zu Beginn eines Anlagenbauprojektes eine mehr oder weniger grosse aushändigt und dass diese im Vertrag abschliessend aufgelistet werden. Nur so weiss Diskrepanz zwischen dem, was der Kunde ausgeschrieben hat, und dem, was ihm er, an was er sich halten muss. Eine Blackbox im Pflichtenheft nützt niemandem. der Anlagenbauer in der ersten Runde anbietet. Der definitive Leistungsinhalt des Anlagenbauvertrages entsteht oft in einem Prozess, in welchem sich Kundenbedürf Die SIA Norm 118 ist für den Anlagenbau ungeeignet nis und Lieferantenangebot schrittweise konkretisieren und annähern. Die SIA Norm 118 ist die massgebende schweizerische Norm für Vertragsbedingun- Diskrepanzen im Leistungsbeschrieb müssen zwingend und im Klartext ausgeräumt gen im Baubereich. Sie wurde seit 1977 mit Ausnahme von drei Fussnoten nie ver- werden, bevor der Vertrag unterschrieben wird. Daran führt kein Weg vorbei. ändert und wird landesweit als ausgewogen und fair anerkannt. Abstrakte vertragliche Regelungen, beispielsweise die Rangfolge der Vertragsbe- Bei allem Respekt: Die SIA Norm 118 ist eine Baunorm und wurde von Bauspezialisten standteile, entbinden davon nicht, sondern verschieben das Problem auf später – mit für Bauprojekte gemacht. Für den Anlagenbauer und seinen Kunden ist sie eine Folgen, die für beide Seiten nicht absehbar sind. 50-seitige Blackbox mit Dutzenden von bauspezifischen Artikeln, die auf ein Anlagen projekt nicht passen und allerlei Überraschungen mit sich bringen können. Sie ist für Kein Flickwerk aus Ausschreibung und Angebot Anlagenbau nicht geeignet. Mit Vorteil wird im Zuge der Vertragsverhandlung ein Leistungsbeschrieb samt Spe zifikation neu erstellt oder ein bestehender bereinigt. Nur so besteht eine gewisse Normen, Richtlinien und Empfehlungen – nicht mehr als nötig Gewähr, dass sich die Parteien richtig verstehen und sich das Gelieferte mit dem Ge- Der Anlagenbauer ist von Gesetzes wegen verpflichtet, Anlagen vorschriftsgemäss wünschten deckt. zu erstellen. Er muss die europäische Maschinenrichtlinie einhalten, auch wenn es Ein Leistungsbeschrieb, der aus vorhandenen Pflichtenheften, Spezifikationen und nicht im Vertrag steht und auch wenn die Anlage in der Schweiz steht. Gesetze und sonstigen Angebots- und Ausschreibungsdokumenten zusammenkopiert wird, bildet Vorschriften müssen nicht in den Katalog der Vertragsbestandteile aufgenommen einen idealen Nährboden für Missverständnisse und ausgedehnte Streitigkeiten. werden. Normen sind keine Gesetze. Ob ein Anlagenbauer seine Anlage nach anerkann- Funktionale Leistungsbeschriebe – Präzision und Spielraum ten («bezeichneten») Normen konstruiert oder davon abweicht (und dann allenfalls ein ausgedehntes Konformitätsbewertungsverfahren in Kauf nimmt), ist grundsätz- Funktional ausgeschriebene Projekte stellen höchste Anforderungen an die Leis- lich ihm überlassen. Nur wenn es dem Besteller wichtig ist, dass von bestimmten tungsbeschreibung. Normen nicht abgewichen wird, sollen diese als Vertragsbestandteile aufgenommen Die Kunst besteht dabei darin, die Leistungsbeschreibung kurz, d.h. funktional, zu werden. halten und trotzdem das eigene Bedürfnis klar zum Ausdruck zu bringen. Dasselbe gilt für andere spezielle Anforderungen, Standards oder Betriebsvorschriften Dabei darf der Anlagenbauer in seinem Handlungsspielraum nicht so beschnitten des Bestellers. werden, dass er Optimierungspotential und neue Ideen nicht mehr verwirklichen Völlig sinnlos (aber nicht unüblich) sind Klauseln wie «alle sonstigen einschlägigen kann. Damit würden die ganzen Vorteile des funktionalen Leistungsbeschriebes ver- Empfehlungen und Richtlinien von Verbänden und Fachorganisationen». Wer weiss loren gehen. Pflichtenhefte sollten daher nur die wirklich zwingend notwendigen schon, was da alles dazu gehört? Deshalb gilt auch hier: Es nützt allen Projektbetei- Spezifikationen enthalten. ligten, wenn der Anlagenbauer genau weiss, an was er sich halten muss. Bei komplexen Projekten ist allenfalls eine in Projektphasen aufgeteilte Zusammen- arbeit bis zum finalen Liefervertrag angezeigt. Die dynamische Nutzungsvereinbarung ist das beste Instrument, um hier zum gemeinsamen Projekterfolg zu kommen. 12 13
5 Preis und Zahlungsbedingungen Währungsrisiken Die aktuelle Euro- und Dollarschwäche stellen den international tätigen Schweizer Zahlungsplan Anlagenbauer vor grosse Probleme. Kaum ein ausländischer Kunde ist (heute erst Nach Gesetz erhält der Anlagenbauer sein Geld dann, wenn er die Anlage ablie- recht nicht) bereit, Anlagen in Schweizer Franken zu bezahlen. fert. Kein Unternehmer kann, darf und will so lange warten. Anlagenbauer sind keine Es empfiehlt sich, bei allen Angeboten den Wechselkurs anzugeben, welcher dem Finanzierungsinstitute. Ein Zahlungsplan ist zwingend; er soll sich grundsätzlich an Preis zu Grunde liegt. Damit wird die Frage der Währungsrisiken zumindest einmal den effektiv vom Anlagenbauer benötigten Finanzmitteln ausrichten. verhandelt. Gewisse Chancen, dass ein Kunde Währungsrisiken mitträgt, bestehen Anzahlungen von 30% bei Vertragsabschluss und ein Zahlungsstand von 80 bis 90% durchaus, wenn man ihn beispielsweise an Währungsgewinnen beteiligt. Auch Diffe- bei Anlieferung und Montage der Anlage sind Eckwerte, welche die wirtschaftliche renzen zwischen offiziellem Wechselkurs und dem Kurs, den die Bank bei Absiche- Realität widerspiegeln und von welchen der Anlagenbauer nicht wesentlich abwei- rungsgeschäften verwendet, lassen allenfalls zu, dass der Kunde profitieren kann. chen sollte. Zahlungsfrist und Skonto 6 Termine und Verzug (milestones, delay) Zwingend ist die Angabe der Zahlungsfrist und allenfalls eines Skontos. Es ist rat- sam, explizit klarzustellen, wenn kein Skonto gewährt wird. Wird ein Skonto gewährt, Vertragstermine – Vorsicht bei Zwischenterminen und Bauprogrammen ist der Hinweis angebracht, dass unberechtigte Skontoabzüge nachverrechnet werden. Liefertermine gehen in Verträgen kaum je vergessen. Rechtlich sind aber auch Zwischentermine Vertragstermine. Werden sie nicht eingehalten, löst das Rechts- Teuerung folgen aus. Das Teuerungsrisiko liegt nach Gesetz (ausser bei unverschuldeten Projektverzöge- Es ist problematisch, alle denkbaren Zwischentermine vertraglich festzulegen. Beiden rungen) vollständig beim Lieferanten. Die Teuerungsdiskussion fristet oft ein Schat- Parteien nützt es, wenn nur diejenigen Zwischentermine im Vertrag genannt sind, die tendasein, was immer weniger zu rechtfertigen ist. Die Preisbewegungen bei Roh- für den Projektablauf wirklich von Bedeutung sind. stoffen und Energie sowie die allgemeine Inflation werden in Zukunft eine grosse Sinnvoll sind Zwischentermine auf jeden Fall für Werkabnahmen oder den Beginn Rolle für den finanziellen Erfolg von Anlagenbauprojekten spielen. des Probebetriebs. Gleitpreis- oder Preisgleit-Klauseln haben die Eigenschaft, immer gleich auszuse- Für ein Anlagenbauprojekt muss ein spezifischer Terminplan erstellt werden. Unnötig hen, weshalb sie oft nur oberflächlich angeschaut werden. Sie setzen sich meistens und risikobehaftet ist die pauschale Übernahme eines übergeordneten Termin- oder aus der Teuerung der Kalkulationsfaktoren Lohn-, Material- und Fremdleistung sowie Bauprogramms (das es oft noch gar nicht gibt). einem fixen, nicht teuerungsberechtigten Teil (z.B. 10%) zusammen. Zur Bestimmung dieser Faktoren wird auf Indizes verwiesen. Fehlt eine klare Regelung, sind Diskussio- nen vorprogrammiert, bei welchen im Streitfall der Lieferant am kürzeren Hebel sitzt. Terminverzug – drastische Rechtsfolgen im Gesetz – Vertrag als Lebensversicherung Der Anlagenbauer muss klare Antworten auf folgende Fragen haben, wenn es um Teuerungs- oder Gleitpreis-Klauseln geht: Die in den Gesetzen vorgesehenen Rechtsfolgen des Terminverzugs sind für den –– Stichtag für den Beginn des Teuerungsanspruchs Anlagenbauer einschneidend: (z.B. die Vertragsunterzeichnung)? –– Der Anlagenbauer übernimmt das Zufallsrisiko; –– Stichtag oder Stichtage für die Berechnung der effektiven Teuerung –– Der Besteller kann vom Vertrag zurücktreten; (z.B. Montagebeginn oder Mitte der Montagezeit)? –– Schadenersatzansprüche können gigantisch sein, wenn der Kunde durch –– Was muss ich tun, um die Teuerung zu ermitteln? Muss ich meine ganze die Verspätung Produktionsausfälle erleidet. Kalkulation offen legen? Muss ich die Einkaufspreise nachweisen? Diese Risiken können die Existenz eines Lieferanten in Frage stellen. Vertragliche –– Welche Indizes gelten? Wer ermittelt diese Indizes? Gibt es sie überhaupt? Regelungen über die Folgen von Verzug sind daher für den Anlagenbauer eine Le- –– Wie gross ist der nicht teuerungsberechtigte Anteil? bensversicherung. –– Wann kann ich die Teuerung verrechnen? Laufend oder erst nach Abnahme? 14 15
Auch für den Kunden gelten Termine – Entscheidungsfindungsplan Die Transportversicherung – beschränkter Schutz Oft geht unter, dass nicht nur der Anlagenbauer Termine einzuhalten hat. Auch der Eine Transportversicherung deckt zwar den Anlagenwert, im Regelfall aber nicht die Kunde muss Leistungen erbringen, rechtzeitig Entscheide fällen oder Freigaben er- aus dem Ereignis entstehenden Verzugs- und sonstigen Folgeschäden. teilen, wenn das Projekt erfolgreich sein soll. Eine Transportversicherung ersetzt daher die Vereinbarung eines sachgerechten Er- Auch diese Termine gehören in den Vertrag, beispielsweise in Form eines Entschei- füllungsortes nicht. Kann man sich nicht einigen, muss zumindest die Haftung für dungsfindungsplanes. Verzugs- und sonstige Schäden bei Transportproblemen abbedungen werden. 7 Lieferort/Erfüllungsort 8 Dokumentation (place of delivery/place of performance) Die Dokumentation als Vertragspflicht des Anlagenbauers Lieferort ist nicht Erfüllungsort Die Anlagendokumentation ist Teil der vertraglichen Lieferpflicht. Der Kunde hat da- Der Lieferort bezeichnet den Platz, an welchen die Anlage physisch zu liefern ist, rauf den gleichen Anspruch wie auf die Anlage selbst. wenn der Kunde sie nicht selbst abholt. Kunden beklagen sich auch heute noch darüber, dass die Hardware zwar einwandfrei Der Erfüllungsort bestimmt abstrakt, wann der Lieferant seine Erfüllungspflicht aus funktioniert, aber das Papier dazu nur sehr zähe geliefert wird. Angesichts der ständig dem Vertrag (die Lieferung der Anlage) erfüllt hat. Bis zur Ankunft der Anlage am steigenden Bedeutung der Anlagendokumentation ist das längst nicht mehr zu recht- Erfüllungsort trägt der Anlagenbauer die Leistungsgefahr. Geht die Anlage vor Er fertigen. Die Ausrede «wir liefern halt Maschinen, nicht Papier» disqualifiziert den An- reichen des Erfüllungsortes verloren oder wird sie zerstört, muss er sie noch ein- lagenbauer. Ohne vollständige Dokumentation ist eine Anlage nicht betriebstüchtig. mal herstellen. Ist der Erfüllungsort erreicht, kann ihn der Kunde nicht mehr zwingen, nochmals zu liefern. Anforderungen an die Dokumentation Die Festlegung des Erfüllungsortes ist vor allem im internationalen Geschäft ein Überzogene Vorstellungen des Kunden über die Art und Tiefe der Dokumentation, wichtiges Thema. ständig wechselnde Layoutwünsche oder unendliche Genehmigungsprozesse können aber auch den Anlagenbauer zur Verzweiflung bringen. Der Anlagenbauer erspart Vertragliche Regelung/Incoterms sich Ärger und Kosten, wenn er darauf besteht, dass bereits im Vertrag Art, Umfang, Tiefe, Layout und Prozesse der Dokumentation so genau wie möglich festgelegt Der Erfüllungsort kann vertraglich frei festgelegt werden. Er muss nicht mit dem Liefer werden. ort übereinstimmen. Ein Schweizer Anlagenbauer sollte keine Transportrisiken auf den Weltmeeren über- Termine und Vertragsstrafen nehmen müssen. Im internationalen Geschäft sollte der Erfüllungsort dort sein, wo er die Transportrisiken noch beeinflussen bzw. abschätzen kann, beispielsweise spätes- Gebrannte Kunden tendieren zu Vertragsstrafen auf Dokumentationsterminen, die tens an einem europäischen Verschiffungshafen. keine Relation zum effektiven Schadenspotential haben. Hier muss sich der Anlagen bauer wehren. Internationale Standardregelungen für die Risikoabgrenzung sind in den Incoterms 2000 enthalten. Diese gelten aber nur, wenn sie vereinbart werden. Auf den 1. Januar Mehr als einige Hundert Franken pro Woche Verzug mit einem Maximum von ein 2011 wird eine Revision der Incoterms publiziert werden. paar Tausend Franken für alle Strafen sind nur gerechtfertigt, wenn beispielsweise produktionsrelevante Prozessschritte oder behördliche Genehmigungen vom Doku- mentationstermin abhängen. Pönalisierte Termine sind nur für die wichtigsten, genau bezeichneten Dokumente angebracht. Es ist auch sachgerecht, die Vertragsstrafen auf die Lieferung von provi- sorischen Dokumenten (z.B. «Roteinträge zulässig») zu beschränken. 16 17
9 Vertragsänderungen Eindeutig ist der Fall für Anlagen im Energiebereich. Dort steht der Kunde regelmässig näher bei den Fachbehörden, und er soll somit auch das entsprechende Risiko tragen. Vertragsänderungen gehören im Projektgeschäft zur Tagesordnung. Zu den wichtigs Der Vertrag hat damit vorzusehen, dass der Preis auf den Vorschriften basiert, die ten Gründen, welche zur Anpassung des ursprünglichen Vertrages führen, gehören: beim Vertragsabschluss gelten. Ändern sie später, müssen die Mehrkosten bezahlt –– Bestellungsänderungen werden. –– Projektverzögerungen –– Änderungen von Gesetzen und Vorschriften Bestellungsänderung (change order) 10 Montage (assembly) Der Besteller behält sich regelmässig das Recht vor, seine Wünsche ändern und den Leistungsumfang anpassen zu dürfen. Die Montage als Konfliktherd Mehrkosten infolge Bestellungsänderungen müssen zwar auch dann bezahlt werden, Ob der Anlagenbauer die Montage in Eigenregie durchführt oder bloss den Montage wenn sie nicht vorgängig vereinbart worden sind. Es liegt jedoch im Interesse beider leiter stellt: Hier ist der Zeitpunkt, bei welchem sich die Wege von Besteller und An- Parteien, den Ablauf vertraglich wie folgt zu standardisieren: lagenbauer zum ersten Mal «hardwaremässig» kreuzen. Der Anlagenbauer fährt mit 1. Änderungswunsch Tonnen oder Hunderten von Tonnen Material und Gerät vor, der Besteller muss Platz, 2. Nachtragsofferte Infrastruktur, Personal und Vorarbeiten bereitstellen, und es müssen Dutzende von 3. Verhandlung weiteren Schnittstellen zu Bauleitung, Nebenunternehmern und Behörden gemanagt 4. Genehmigung werden. 5. Ausführung Verantwortlichkeiten bei der Montage/Montagekonzept Projektverzögerungen und -sistierungen (suspension) Bei Vertragsabschluss ist die Montage meistens noch eine Gleichung mit zu vielen Projektverzögerungen, welche der Kunde zu vertreten hat, berechtigen den Anlagen- Unbekannten, als dass diese Projektphase schon umfassend geregelt werden bauer zu einer Erstreckung der Fristen und zur Vergütung der verursachten Mehr- könnte. Der Vertrag sollte daher sicher einmal vorsehen, dass vor Beginn ein detail- kosten. liertes Montagekonzept mit Verantwortlichkeiten, Abgrenzungen, Zeitplan etc. aufge- Manchmal verlangt der Kunde, dass Terminverschiebungen nicht zu Kostenfolgen stellt wird. Einige Eckpunkte der Montage sollten bereits im Vertrag festgelegt werden: führen. Für kurze Zeitspannen dürfte das vertretbar sein. Sobald relevante Aufwands –– Generelle Rollen und Verantwortlichkeiten der Parteien posten anfallen (Lagerkosten, Personalrückzug, Sistierung von Unteraufträgen) ist (Montageleitung, Ausführung) dies aber nicht mehr akzeptabel. –– Personalbeistellung: Verantwortung, Menge, Qualifikation, geschätzte Dauer, Vergütung –– Montageablauf, Randbedingungen, Platzbedarf und -möglichkeiten Änderung von Vorschriften (change in law) –– Wer stellt Hebegeräte und Gerüste zur Verfügung? Vergütung? Eine Anlage muss zum Zeitpunkt der Abnahme den geltenden Vorschriften ent –– Art und Höhe der Vergütung sprechen. Ändern sich diese Vorschriften in der Projektlaufzeit, liegt das Kostenrisiko –– Ansätze für Stunden, Spesen und Inventar grundsätzlich beim Anlagenbauer. Dies ist dort sachgerecht, wo der Anlagenbauer näher bei der erlassenden Fachbe- Fixe Endtermine für die Montage – nur mit klaren Randbedingungen hörde steht als der Kunde. Das ist beispielsweise bei SUVA-Vorschriften für Baustellen- Kunden wünschen oft fixe Montageendtermine. Problemlos ist das nur in den (selte- anlagen der Fall. nen) Fällen, in welchen der Anlagenbauer ohne Fremdeinflüsse, sozusagen auf dem Sehen geänderte Vorschriften hingegen beispielsweise ein neues behördliches Ge- freien Feld, wirken kann. Je stärker sich die Wege von Besteller, Lieferant, Neben-, Vor- nehmigungsverfahren vor, sind die Kosten vom Kunden zu tragen. und Nachunternehmer in der Montage überschneiden, desto mehr Abhängigkeiten bestehen und desto konfliktträchtiger ist die Situation. 18 19
11 Inbetriebnahme und Probebetrieb 12 Abnahme (provisional acceptance) Inbetriebnahme (commissioning) Begriff und Bedeutung Die Inbetriebnahme der Anlage ist eine wichtige Projektphase, deren Bedeutung oft Nach dem gesetzlichen Konzept übergibt der Anlagenbauer die Anlage und der Be- unterschätzt wird. steller nimmt sie ihm ab. Mit dieser Übergabe/Abnahme ist die Hauptpflicht des An- lagenbauers, die Lieferung der Anlage, erfüllt. Eigentum, Nutzen und Gefahr gehen Der Anlagenbauer muss in dieser Phase die Anlage in Funktion setzen und wieder auf den Besteller über, der Besteller akzeptiert die Anlage als frei von wesentlichen abschalten können, Testläufe und Messungen durchführen und allfällige Mängel be- Mängeln und die Gewährleistungsfrist beginnt zu laufen. heben. Der Vertrag muss ihm dazu Gelegenheit und Zeit verschaffen. Eine Beglei- tung durch den Besteller ist sinnvoll. Im englischen Sprachgebrauch wird die Abnahme auch als «provisional acceptance» bezeichnet und mit einem PAC (Provisional Acceptance Certificate) dokumentiert. Es ist je nach Anlagenart zweckmässig, die Inbetriebnahme in verschiedene Phasen Diese Abnahme ist nicht etwa provisorisch, sondern lediglich das Gegenstück zur «final zu unterteilen und deren Abschluss durch den Besteller bestätigen zu lassen. Bei acceptance», welches das Ende der Gewährleistung und damit die Entlassung des Grossanlagen im Energiebereich erfolgt dies beispielsweise mit einer vorgängigen Anlagenbauers aus allen seinen Pflichten festlegt. Kalt- und einer anschliessenden Warm-Inbetriebnahme, bei welcher erstmals Brenn- stoff eingesetzt wird. Abnahmeprozess mit Werk- und Teilabnahmen Idealerweise beginnt in der Inbetriebnahmephase auch das Programm zur Schulung des Betreiberpersonals. Ein geregelter, sorgfältiger Abnahmeprozess ist für beide Seiten wertvoll. Vorprüfungen in früheren Projektphasen (Werkmontage, Montageabschluss, Inbetriebnahme etc.) sind sinnvoll, selbst wenn der Kunde nicht bereit ist, diesen «Abnahmen» irgend Der Probebetrieb (testing) welche Rechtswirkungen zuzugestehen. Anlagen im Energie- und Verbrennungsbereich werden vor der Abnahme einem Je früher Fehler oder unterschiedliche Auffassungen auf den Punkt gebracht werden, Probebetrieb unter Volllast unterzogen. Betrieben wird die Anlage dabei meistens desto geringer sind die Folgekosten und der Ärger auf beiden Seiten. vom Personal des Bestellers, jedoch mit Begleitung oder mindestens einem Pikett- dienst des Anlagenbauers. Der Probebetrieb soll dem Besteller die Gewissheit ver- schaffen, dass die Anlage dem vorgesehenen Betrieb gewachsen ist. Zeitpunkt, Modalitäten und Wirkungen der Abnahme Die folgenden Punkte müssen geregelt sein: Die gesetzlichen Bestimmungen zur Abnahme sind für den Anlagenbau beschränkt –– Wie lange dauert der Probebetrieb? geeignet und zu wenig detailliert. Die Vertragsparteien können Ablauf und Wirkungen –– Unter wessen Verantwortung läuft die Anlage? der Abnahme frei regeln. –– Welche Vorfälle führen zu Unterbruch, Verlängerung oder Wiederholung? Abnahmeklauseln in einem Anlagenbauvertrag sollten die folgenden Punkte ent- –– Wie werden Ausfälle gemessen? halten: –– Wer stellt welches Betriebspersonal? –– Abnahmeprüfungen unmittelbar nach Inbetriebnahme oder Probebetrieb; –– Welche Überwachungspflichten und -rechte hat der Anlagenbauer? –– Werk- und Teilabnahmen, Vorprüfungen; –– Wer zahlt die Betriebsstoffe? –– Beschrieb der Prüfungen und Tests; Ein besonderes Risiko sind Vertragsstrafen für Verzug auf Terminen nach dem Probe –– Abnahme findet auch bei unwesentlichen Mängeln statt; Wiederholung betrieb. Muss der Probebetrieb wegen eines Defekts kurz vor dem Ende wiederholt der Abnahme nur bei wesentlichen Mängeln; werden, resultiert im Extremfall infolge dieses einen Defekts ein Verzug in der vollen –– Protokollierung mit Mängelliste; Länge des Probebetriebs. Es ist daher wichtig, dass nur ein lang andauernder Ausfall –– erkennbare, aber nicht gerügte Mängel gelten als genehmigt; oder eine Mehrzahl kürzerer Ausfälle zur Wiederholung führen. –– Abnahme findet auch ohne Prüfung statt, wenn der Kunde die Mitwirkung verweigert oder sobald er die Anlage kommerziell nutzt; –– Kostentragung von Personal und Spezialisten. 20 21
Vorsicht bei Projektverzögerungen – Spätestklausel oder Wartungsvertrag Die Höhe der Vertragsstrafe – immer mit Maximum Die Mängelfreiheit der Anlage wird bei der Abnahme geprüft. Bis zur Abnahmeprü- Die Motivation zur Termintreue wird von Bestellern in der Praxis meistens als Haupt- fung ist der Anlagenbauer voll verantwortlich, selbst wenn er die Anlage lange vor- motiv für Vertragsstrafen genannt. Es gehe gar nicht darum, diese wirklich zu kassie her fertig montiert hat. Grundsätzlich muss der Anlagenbauer daher darauf bestehen, ren, sondern lediglich darum, dass sich der Anlagenbauer Mühe gebe, die Termine dass seine Anlage abgenommen wird, sobald sie montiert und in Betrieb genommen einzuhalten. Das führt bisweilen zu überzogenen Vorstellungen über die Höhe der worden ist. Strafe. In vielen Projekten ist das nicht möglich, weil z.B. die Anlage erst zusammen mit an- Der Anlagenbauer darf sich durch derartige Äusserungen nicht beeinflussen lassen. deren Anlagen in Betrieb genommen werden kann, der Kunde eine Gesamtabnahme Das finanzielle Risiko einer Vertragsstrafe ist genau so hoch wie der Maximalbetrag des ganzen Projektes wünscht oder anderweitige Projektverzögerungen auftreten. aller möglichen Strafen eines Vertrages. Vielleicht kann der Besteller am Ende nicht alle Strafen durchsetzen. Er hat aber in jedem Fall eine Rechtfertigung in der Hand, Gewisse Verzögerungen sind sicher vertretbar. Es ist dem Anlagenbauer aber nicht um fällige Zahlungen einstweilen zurückzuhalten. Bis dann definitiv geklärt ist, ob die zuzumuten, dass seine Produkte auf unbestimmte Zeit in fremdem Gewahrsam ste- Strafe wirklich geschuldet ist oder nicht, kann lange Zeit vergehen. hen und er trotzdem noch die Verantwortung dafür trägt. Mit einer sogenannten Spätestklausel muss daher festgelegt werden, wann die Abnahme spätestens statt- Wer eine Vertragsstrafe akzeptiert, muss immer eine Obergrenze vereinbaren. Ver- zufinden hat. tragsstrafen ohne Maximalbetrag sind russisches Roulette und dürfen unter keinen Umständen akzeptiert werden. Je nach Risiko sind weitere Massnahmen (Wartungsvertrag, Bewachung etc.) ange zeigt. Übliche, vernünftige Vertragsstrafen liegen bei 0.5 bis 1% des Preises pro Woche Ver- zug bei einem Maximum von etwa 5% des gesamten Vertragswertes. Welche Termine sollen pönalisiert werden? 13 Vertragsstrafen (Konventionalstrafen) für Verzug (penalties/liquidated damages for delay) Der Besteller tendiert dazu, möglichst viele Termine zu pönalisieren. Er muss sich aber bewusst sein, dass er die Strafe nur einfordern kann, wenn er nicht durch Die Vertragsstrafe für Verzug eigene Handlungen oder Unterlassungen die Termineinhaltung verunmöglicht oder erschwert hat. Je weiter das Projekt fortgeschritten ist, desto wichtiger werden in der Vertragsstrafen für Verzug sind vertraglich vereinbarte Strafzahlungen, die der Liefe- Regel seine Beiträge zur Termineinhaltung. rant leisten muss, wenn er Vertragstermine nicht einhält. Es ist nicht relevant, ob dem Besteller durch den Verzug effektiv ein Schaden entstanden ist. In erster Linie sollte daher derjenige Termin pönalisiert werden, an welchem die An- lage den direkten Einflussbereich des Lieferanten verlässt, also beispielsweise die In der Schweiz wird von Konventionalstrafe oder Pönale gesprochen. Diese Ausdrücke Werkabnahme, die Übergabe am Hafen etc. Vertragsstrafen auf spätere Termine bedeuten dasselbe wie Vertragsstrafe. vermitteln dem Besteller oft nur noch eine Scheinsicherheit. Es ist ein Gebot der Fairness (und auch der psychologischen Wirkung der Strafe), Die Vertragsstrafe als Risikobegrenzung für beide Seiten dass der Besteller nur dort Vertragsstrafen fordert, wo ihm auch effektiv ein Schaden Vertragsstrafen sind ein gutes Mittel, um für beide Seiten die Folgen von Terminver- droht. Das gilt insbesondere auch für die Lieferung der Dokumentation. zug in einem kalkulierbaren Rahmen zu halten. Nicht gerechtfertigt sind Vertragsstrafen auf Terminen, an welchen die Anlage bereits Der Besteller hat die Sicherheit, dass der Anlagenbauer motiviert ist, die Termine im Leistungsbetrieb steht. Muss ein Probebetrieb wiederholt werden und produziert einzuhalten, weil dieser sonst viel Geld verliert. Klappt es dennoch nicht, wird er die Anlage auch während der Wiederholung Energie, darf ein Verzug nicht auf diese wenigstens entschädigt, ohne dass er sich um die Beweisbarkeit seines Schadens Weise bestraft werden. kümmern muss. Der Anlagenbauer weiss, dass ihn Terminverzug teuer zu stehen kommen wird. Er muss aber nicht befürchten, dass gleich seine Existenz auf dem Spiel steht, wenn im Projekt etwas schiefgeht. 22 23
Vertragsstrafen auf Zwischenterminen – keine Kumulierung 14 Leistungsgarantien (performance guarantees) Sind Zwischentermine pönalisiert, dürfen sich die Vertragsstrafen nicht aufsummie- Typen von Leistungsgarantien ren können, d.h. eine Verspätung bei einem Zwischentermin darf nicht dazu führen, dass diese Verspätung bei allen Folgeterminen ebenfalls wieder zur Vertragsstrafe Kunden verlangen für bestimmte, wichtige Eigenschaften und Leistungswerte der führt. Anlage neben der allgemeinen Gewährleistung explizite, in Zahlen ausgedrückte Zu- sicherungen. Beispiele für solche Leistungsgarantien sind: Gelingt es einem Anlagenbauer, eine Verspätung bei einem Zwischentermin bis zum –– Verfügbarkeitsgarantie Endtermin wieder aufzuholen, sollte eine angefallene Vertragsstrafe zumindest teil- –– Garantie für minimale Leistungen weise wieder zurückerstattet werden. –– Garantie für maximale Leistungsverluste –– Verschleisskostengarantie Die Vertragsstrafe als abschliessender Anspruch aus Verzug Nach Gesetz kann der Besteller zusätzlich Schadenersatz geltend machen, wenn der Rechtliche Bedeutung – Abgrenzung zur Gewährleistung Schaden die Vertragsstrafe übersteigt. «Garantie» ist kein abgegrenzter, eindeutig bestimmter Rechtsbegriff. Oft – besonders Damit die Vertragsstrafe für den Lieferanten ein wirksames Mittel zur Beschränkung in der Schweiz – wird die Garantie schlicht als Synonym für die vertragliche Gewähr- der Haftungsrisiken aus Verzug ist, muss zusätzlicher Schadenersatz im Vertrag aus- leistung verwendet. Ist das nicht der Fall, ist eine Garantie immer eine qualifizierte geschlossen sein. Zusicherung einer Eigenschaft der Anlage. Was genau unter «qualifiziert» zu verste- hen ist, muss aus dem konkreten Vertrag ermittelt werden. Folgende Unterschiede Es muss vereinbart werden, dass mit Bezahlung der Vertragsstrafe alle Ansprüche zur vertraglichen Gewährleistung sind anzutreffen: aus Verzug abgegolten sind («sole and exclusive remedy»). –– Der Lieferant haftet kausal (d.h. ohne dass ein Verschulden vorliegen müsste) nicht nur für den Mangel, sondern auch für den aus einem Mangel Schadenspauschalierung (liquidated damages) entstehenden Schaden, jedenfalls soweit ihn die vertragliche Haftungs- beschränkung nicht davor bewahrt; Englische Verträge verwenden meistens den Begriff «liquidated damages», weil in –– Die Folgen des Nichteinhaltens werden vertraglich vereinbart, angelsächsischen Rechtsordnungen die sogenannten «penalties» ungültig sein kön- z.B. eine Vertragsstrafe bei zu geringer Verfügbarkeit; nen. Dies bedeutet, dass zumindest ein Schaden vorhanden sein muss, damit die –– Die ordentliche Abnützung befreit nicht von der Haftung für die zugesicherte Vertragsstrafe geltend gemacht werden kann. Eigenschaft; Ist beispielsweise ein Kraftwerk noch nicht an das Stromnetz angeschlossen, bewirkt –– Wenn Leistungswerte wegen unsachgemässer Bedienung, mangelhafter ein Verzug eines Lieferanten allenfalls gar keinen Schaden, weil ohnehin keine Elek- Wartung oder Beeinträchtigungen durch Dritte nicht erreicht werden, trizität abgegeben werden kann. Dann muss auch die Strafe nicht bezahlt werden. muss der Anlagenbauer das beweisen können. Im schweizerischen und deutschen Rechtsgebrauch nennt sich dieses Instrument Schadenspauschalierung. Es hat sich, obwohl sinnvoll, wenig durchgesetzt und ist Keine Haftung für Fremdeinwirkungen – Beweislast beim Anlagenbauer selten anzutreffen. Eine Garantie bedeutet hingegen nicht, dass der Anlagenbauer für Fremdeinwirkungen geradestehen müsste. Zu hohe Verschleisskosten, zu kleine Leistungen, übermässige Leistungsverluste oder Ausfallzeiten werden nicht dem Anlagenbauer zur Last gelegt, wenn beispielsweise die Anlage vorschriftswidrig bedient wird oder Wartungsintervalle nicht eingehalten werden. Es ist äusserst schwierig, Fremdeinwirkungen oder Fehlmanipulationen des Betrei- bers zu beweisen, wenn das Projekt einmal abgeschlossen ist. Darin liegt das grosse Risiko von Leistungsgarantien: Die Beweislast für diese Entlastungsgründe liegt beim Anlagenbauer, obwohl er gar nichts mehr mit der Anlage zu tun hat. 24 25
Voraussetzungen für Leistungsgarantien Der Anlagenbauer soll aber auch nicht in Versuchung geführt werden, sich von grossen Mängeln «freizukaufen», indem er einfach die Strafe bezahlt und für ihn die Leistungsgarantien kommen in Anlagenbauverträgen in allen denkbaren Ausgestal- Sache dann erledigt ist. Es empfiehlt sich daher, einen tiefsten Leistungswert fest- tungen und manchmal in exzessivem Umfang vor. Dabei geht bisweilen vergessen, zulegen, ab dessen Unterschreitung der Besteller das betroffene Anlageteil ersetzen dass es überhaupt nichts nützt, Leistungswerte in den Vertrag zu schreiben und diese lassen oder ganz vom Vertrag zurücktreten kann. mit drakonischen Vertragsstrafen zu unterlegen, wenn die Leistungen nicht gemessen, dokumentiert und bewertet werden. Die Leistungsgarantien im Vertrag – transparente und detaillierte Regelung Leistungsgarantien sind ein gutes Instrument, wenn sie am richtigen Ort und in ver- nünftigem Umfang eingesetzt und konsequent umgesetzt werden. Reine Papiertiger Leistungsgarantien samt den vertraglichen Konsequenzen werden oft durch die Pla- bergen ein immenses Konfliktpotential, setzen den Anlagenbauer grossen, unbekann- ner festgelegt und manchmal über die gesamten technischen Spezifikationen verteilt. ten Risiken aus und sind für den Kunden nutzlos. Die Gefahr ist latent, dass der Anlagenbauer dann einzelne Leistungsgarantien und die entsprechenden Konsequenzen nicht erkennt. Das ist nicht fair und bringt auch Leistungsgarantien sind unter folgenden Voraussetzungen sinnvoll: dem Besteller letztlich keine Vorteile. –– Der Leistungswert muss objektiv und eindeutig messbar sein; –– Die Anlage muss die zu messende Leistung erbringen können, Leistungsgarantien sind ein zentraler Bestandteil der vertraglichen Leistungen und ohne dass der Betreiber dazu einen wesentlichen Beitrag leisten müssen transparent und genau geregelt werden: muss (z.B. weitgehender Automatikbetrieb); –– Klare Bezeichnung und abschliessende Aufzählung der Leistungsgarantien –– Fremdeinwirkungen müssen ausgeschlossen oder automatisiert und der Vertragsstrafen im Vertragsdokument (nicht verteilt über die technischen und zuverlässig registriert werden können. Manuelle Aufzeichnungen Spezifikationen) des Kunden (z.B. Tagesrapporte) sind untauglich. –– Messweise, Messintervalle und Messzeitraum –– Berechnung der Abweichungen (Formel) –– Vertragsstrafen mit Maximum pro Garantie und insgesamt Vertragsstrafen für Leistungsgarantien –– Nachbesserungsrecht des Anlagenbauers Werden Leistungsgarantien am richtigen Ort eingesetzt, sind auch Vertragsstrafen –– Grenzwert für Rückweisung oder Rücktritt gerechtfertigt. Vertragsstrafen werden meist in Prozenten des Vertragspreises pro Einheit der Ab- weichung berechnet (z.B. eine Strafe von 0.5% des Vertragspreises pro 1% fehlen- der Verfügbarkeit). 15 Gewährleistung (warranty) Wie bei allen Vertragsstrafen ist ein Maximalbetrag zwingend, sowohl beim einzelnen Bedeutung der Gewährleistung Leistungswert wie auch bei allen Vertragsstrafen zusammen. Übliche Maximalwerte Der Anlagenbauer hat dem Besteller eine mängelfreie Anlage zu übergeben. Mängel liegen bei 5% für einzelne Leistungswerte und bei 5 bis 10% für sämtliche Vertrags- frei ist die Anlage dann, wenn sie allen vertraglich vereinbarten Eigenschaften ent- strafen zusammen. spricht sowie allen Eigenschaften, die auch sonst vorhanden sein müssen, damit Eine Vertragsstrafe soll den Besteller für ungenügende Leistungen entschädigen, die Anlage für den vorgesehenen Betrieb tauglich ist. Jegliche Abweichung ist ein ohne dass er seinen effektiven Schaden nachweisen muss. Im Gegenzug darf der Mangel im Rechtssinn, selbst wenn nur die Farbe falsch ist. Anlagenbauer davon ausgehen können, dass mit dieser Vertragsstrafe die Entschädi Gewährleistungsansprüche erlöschen nach Ablauf der Gewährleistungsdauer, d.h. gungsansprüche des Bestellers abschliessend abgegolten sind. der Besteller kann dann keine Mängel mehr geltend machen, selbst wenn sie gra- Die Vertragsstrafe auf Leistungswerte soll den Anlagenbauer aber in erster Linie zur vierend sind. Einhaltung des Vertrages motivieren. Der Besteller muss daher dem Anlagenbauer Für den Anlagenbauer ist der Ablauf der Gewährleistung insofern relevant, als damit die Möglichkeit zugestehen, die Anlage nachzubessern und so die Vertragsstrafe ab- auch alle Eventualverpflichtungen entfallen und allfällige Rückstellungen aufgelöst wenden oder reduzieren zu können. werden können. Zudem verfallen die Gewährleistungsbürgschaften. Die Gewährleis- tungsdauer ist daher auch ein wichtiges Element des Finanzmanagements und der Unternehmensführung. 26 27
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