Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM

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Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr
auch eine neue Kultur?

Walter Eichendorf

                                          Prof. Dr. Walter Eichendorf
                                                 Präsident des DVR

                                © Deutscher Verkehrssicherheitsrat
Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Verkehrsunfälle sind DER Schwerpunkt in
den Betrieben und in der GUV

                                      Foto: DVR
Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Verkehrssysteme im Vergleich

                               Fotos: Unsplash, Pixabay, VKM

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Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Vision Zero ist machbar
Mit den zehn TOP-Maßnahmen des DVR können
rund 90 Prozent der tödlichen und schweren
Verkehrsunfälle verhindert werden!

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Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Top 1 Verkehrsüberwachung
      gezielt verstärken

                            Foto: Vitronic

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Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Top 2 Höchstgeschwindigkeiten
      anpassen

                                Foto: Ubi17 - Fotolia

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Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Top 3 Baumunfälle verhindern

                               Foto: DVR

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Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Top 4 Sicherheit für Motorrad Fahrende
      erhöhen

                                         Foto: DVR

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Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Top 5 Sicherheit durch Verbesserung der
      Infrastruktur erhöhen

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Braucht die Vision Zero im Straßenverkehr auch eine neue Kultur? Walter Eichendorf - BG ETEM
Top 6 Fahrerassistenzsysteme, Auto-
      matisierung und Vernetzung forcieren

                                       Foto: DVR

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Top 7 Sicherheit für den Fuß-
      und Radverkehr erhöhen

 www.dvr.de/publikationen/gute-strassen/beispielsammlung.html

                                                  Foto: www.pd-f.de / Kay Tkatzik

                                                                                    11
Top 8 Fahren unter Alkohol- und
      Drogeneinfluss verhindern

                                  Foto: VKM

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Top 9 Qualifizierung von Fahranfängerinnen
      und Fahranfängern verbessern

                                      Foto: DVR

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Top 10 Gefahren durch Ablenkung
       verringern

                                  Foto: DVR

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Mehr Details

im DGUV Forum 1-2/2019

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Vision Zero ist machbar
Eigentlich reicht eine Maßnahme:
§ 1 StVO
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert
ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten,
dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr,
als nach den Umständen unvermeidbar, behindert
oder belästigt wird.
 KULTUR DER PRÄVENTION

                                                         16
Die UK/BG-Präventionskampagne

Sicherheit und Gesundheit sollen bei allen
Entscheidungen und Abläufen als wichtiger
Maßstab berücksichtigt werden – von allen
Menschen und in allen Unternehmen und
Einrichtungen.

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www.kommmitmensch.de

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Kontakt

Prof. Dr. Walter Eichendorf
Präsident des Deutschen
Verkehrssicherheitsrates (DVR)
Auguststraße 29      Jägerstraße 67
53229 Bonn           10117 Berlin

Email:   Walter.Eichendorf@DVR.de

              © Friedberg / Fotolia.com
Foto: DVR
                                   Titelthema Vision Zero

                                   Fahrer und Fahrerinnen von Motorrädern haben ein hohes Unfallrisiko. Die Zahl von 583 getöteten Motorradfahrenden unterstreicht
                                   dies in erschreckender Weise.

                                   Die zehn TOP-Forderungen des DVR

                                   Vision Zero im Straßenverkehr
                                   Vielfach wird Vision Zero nur als Zielvorstellung verstanden: die Vorstellung einer Mobilität
                                   ohne Getötete und ohne Schwerverletzte. Vision Zero ist jedoch mehr: Sie ist eine Strategie,
                                   mit der die Zielvorstellung erreicht werden kann.

                                   In Deutschland werden mit Kraftfahrzeu­         jedoch die ebenfalls immense Zahl der       gen, 2017 waren es also 85 Prozent weni­
                                   gen jährlich rund 800 Milliarden Kilome­        Unfälle: 2017 wurden im Straßenverkehr      ger. Aber trotz des Rückgangs können wir
                                   ter zurückgelegt. Zusammen mit Fußwe­           3.180 Menschen getötet und 390.000 ver­     nicht zufrieden sein. Dies wird auch deut­
                                   gen und Wegen mit Fahrrädern ergibt sich        letzt.                                      lich, wenn wir verschiedene Verkehrssys­
                                   eine Zahl von mehr als 1.000 Milliarden                                                     teme miteinander vergleichen. Pro einer
                                   Kilometern. Ohne Zweifel, wir verdanken         Im langjährigen Vergleich ist das bereits   Milliarde zurückgelegter Personenkilome­
                                   dem Straßenverkehr eine ungeheure Mo­           ein enormer Fortschritt: 1970 waren in      ter verunglücken im Flugzeug 0,3 Men­
                                   bilität. Die Kehrseite dieser Mobilität ist     Deutschland 21.332 Verkehrstote zu bekla­   schen, im Zug 2,7 und im Auto 276. Das
                                                                                                                               Risiko, bei einem Unfall verletzt zu wer­
                                                                                                                               den, ist also nach dieser Berechnung im
                                                                                                                               Pkw rund 100 Mal höher als im Zug und
                                   Autor                                                                                       900 Mal höher als im Flugzeug.

                                                                Dr. Walter Eichendorf                                          Es liegt auf der Hand, dass viele Bereiche
                                                                Präsident des Deutschen Verkehrs­sicherheitsrates (DVR)        der Systemsicherheit bei Flügen und bei
Foto: Wolfgang Bellwinkel / DGUV

                                                                E-Mail: walter.eichendorf@dvr.de                               der Bahn nicht völlig auf den Straßenver­
                                                                                                                               kehr übertragen werden können. Bis zu
                                                                                                                               einem gewissen Grad ist dies jedoch
                                                                                                                               durchaus möglich. Und hier kommen wir
                                                                                                                               zur Vision Zero mit ihren Eckpunkten.

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TOP-Forderungen des DVR

Eckpunkte der Vision Zero                      Deshalb ist es konsequent, dass die Vision     sen, wie man genau diese Unfälle verhin­
im Straßenverkehr                              Zero im März 2018 in den Koalitionsver­        dern kann.
Das Leben ist nicht verhandelbar. Kein an­     trag zwischen CDU / CSU und SPD aufge­
deres Gut kann so wichtig sein, dass es        nommen wurde. Die Koalitionspartner            2013 hat der Deutsche Verkehrssicher­
gegen menschliches Leben aufgerechnet          verpflichten sich zur Vision Zero und dem      heitsrat (DVR) deshalb auf Basis von Emp­
werden darf. Dies bedeutet konkret: im         Ziel, die Zahl der Verkehrsopfer mittelfris­   fehlungen seiner Vorstandsausschüsse 14
Zweifel für die Verkehrssicherheit!            tig auf null zu senken. Viele Bundeslän­       sogenannte TOP-Maßnahmen definiert,
                                               der, zuletzt 2018 Berlin, haben ähnliche       deren Umsetzung eine höchstmögliche
Menschen machen Fehler. Vision Zero            Formulierungen zur Vision Zero in ihren        Reduzierung der Getöteten- und Schwer­
geht von der Erfahrungstatsache aus, dass      Verkehrssicherheitsprogrammen.                 verletztenzahlen versprach. 2018 wurden
sich Fehler im Straßenverkehr nicht voll­                                                     daraus die aktuellen zehn TOP-Forderun­
ständig vermeiden lassen. Man geht                                                            gen des DVR zur Verkehrssicherheit, die
­davon aus, dass 90 Prozent der Unfall­                                                       sich an den wesentlichen Gefährdungen
 ursachen im Bereich menschlichen Fehl­               „Die Vision Zero ist eine               orientieren. Es sind:
 verhaltens liegen.                                Strategie und eine qualitative
                                                   Vorgabe. Sie bedeutet einen                1. Verkehrsüberwachung
Das entscheidende Maß ist die Belastbar­                                                      gezielt verstärken
                                                    Paradigmenwechsel in der
keit des Menschen. Wir wissen aus der                                                         Verkehrsregeln sind keine unverbindli­
Unfallforschung, dass erwachsene Fuß­               Verkehrssicherheitsarbeit.“               chen Empfehlungen. Leider werden sie
gänger den Aufprall eines mit 30 km / h                                                       von einigen so empfunden: Tagtäglich
fahrenden Pkw zumeist überleben. Bei 50                                                       wird zu schnell und zu dicht aufgefahren,
km / h sinkt die Überlebenschance jedoch                                                      um nur zwei der häufigsten Delikte zu
rapide. Wenn dies bekannt ist, muss als        Die zehn TOP-Forderungen des DVR               nennen. Wenn keine oder kaum Kontrol­
Konsequenz das Verkehrssystem so ge­           Um das Ziel zu erreichen, müssen konkre­       len und Sanktionen stattfinden, wird die­
staltet werden, dass ein Aufprall eines        te Maßnahmen festgelegt werden. Schaut         ses Verhalten verstärkt. Daher brauchen
Fahrzeugs auf einen Menschen mit der hö­       man auf die Todesfallzahlen 2017, sieht        wir eine Erhöhung der finanziellen und
heren, kritischen Geschwindigkeit nicht        man schnell die Schwerpunkte: 675 Men­         personellen Ausstattung der Polizei und
stattfindet.                                   schen sind durch zu schnelles Fahren auf       entsprechender staatlicher Überwa­
                                               Landstraßen ums Leben gekommen. 600            chungsorgane.
Die Menschen haben ein Recht auf ein si­       zu Fuß gehende und Rad fahrende Perso­
cheres Verkehrssystem. Während man frü­        nen starben bei Innerortsunfällen. 583         2. Höchstgeschwindigkeiten
her die Verantwortung für die Sicherheit       Menschen wurden auf Krafträdern getö­          anpassen
im Straßenverkehr hauptsächlich bei den        tet. 559 Menschen starben durch einen          Nicht angepasste Geschwindigkeit ist
am Verkehr teilnehmenden Personen ge­          Aufprall auf einen Baum am Straßenrand.        nach wie vor der Killer Nummer eins auf
sehen hat, rücken nun die Gestalter des                                                       unseren Straßen. Nach Auskunft des Sta­
Systems stärker in den Vordergrund: Die        Exakt hier muss man ansetzen, wenn man         tistischen Bundesamtes starben 2017
Behörden, die für den Bau und die Unter­       gefährdungsorientiert denkt und handelt        durch nicht angepasste Geschwindigkeit
haltung der Straßen zuständig sind, die        und Erfolge erzielen will. Denn wir wis­       1.077 Menschen auf unseren Straßen, das      ▸
Fahrzeughersteller, die Transportunter­
nehmen, aber auch die Politikerinnen und
Politiker, die Gesetzgebung, die Recht­
sprechung und die Polizei.

Spätestens hier ist klar: Vision Zero ist
­e ine Strategie. Sie ist eine qualitative
 ­Vorgabe. Und dies ist zweifellos ein Para­
  digmenwechsel in der Verkehrssicher­
  heitsarbeit.

Jeder dritte Unfall mit Personenschaden,       ▸
so belegen Zahlen aus Österreich, ist die
Folge von Ablenkung. Ein tödlicher Trend,
den zu stoppen jeder selbst in der Hand
hat.
                                                         Foto: DVR

                                                                                                             DGUV Forum 1 · 2/2019   45
Titelthema Vision Zero

war nahezu jeder Dritte im Straßenver­       Straßeninfrastruktur. Es ist daher unver­      6. Fahrerassistenzsysteme, Automa-
kehr Getötete. Das heißt nicht zwingend,     ständlich, dass dieses Merkblatt längst        tisierung und Vernetzung forcieren
dass die vom Gesetzgeber vorgegebenen        noch nicht in allen 16 Bundesländern           ABS und ESP sind mittlerweile aus unse­
Höchstgeschwindigkeiten falsch sind.         rechtsverbindlich eingeführt wurde.            ren Fahrzeugen nicht mehr wegzudenken.
Aber viel zu oft werden sie schlicht nicht                                                  Darüber hinaus existieren weitere Assis­
eingehalten – da sind wir beim Thema         5. Sicherheit durch Verbesserung der           tenzsysteme, die ein hohes Sicherheitspo­
Überwachung. Manchmal sind Sicht- und        Infrastruktur erhöhen                          tenzial besitzen. Bereits 2014 hat der DVR
Witterungsverhältnisse aber auch so, dass    Bei diesem Punkt geht es generell um die       in einem Vorstandsbeschluss die Herstel­
die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit        Sicherheit der Infrastruktur, die allen Ver­   ler aufgefordert, mit hoher Priorität an der
nicht die angepasste ist.                    kehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteil­         Entwicklung von Abbiegeassistenten für
                                             nehmern zugutekommt. Erprobte Infra­           Nutzfahrzeuge zu arbeiten. Der DVR for­
3. Baumunfälle verhindern                    strukturmaßnahmen müssen konsequent            dert auch seit November 2016 die gesetz­
Ein Aufprall auf einen Baum am Straßen­      angewendet werden. Erreichen und ver­          liche Einführung von Notbremsassistenz­
rand birgt selbst bei modernen Fahrzeu­      stärken kann man dies durch den konse­         systemen für neue Nutzfahrzeuge, die
gen mit hoher passiver Sicherheit ein ho­    quenten Einsatz der Verkehrsschau und          sogenannten AEBS. Die vom Gesetzgeber
hes Verletzungsrisiko für die Insassen. Im   die Förderung der Arbeit der Unfallkom­        formulierten Mindestvoraussetzungen für
Jahr 2017 starben 559 Menschen infolge       missionen. Die Anwendung der Instru­           diese Systeme werden von neueren Mo­
eines Baumunfalls Die dagegen anzuwen­       mente des Bestandsaudits und des Sicher­       dellen teilweise weit übertroffen. Nach
denden Mittel sind bekannt: Seitenräume      heitsaudits muss sichergestellt werden.        Einschätzung des DVR könnten aktuelle
von Landstraßen sollten möglichst hin­                                                      „optimale“ AEBS-Varianten gegenüber
dernisfrei gestaltet werden. Bei bestehen­   Ein Schwerpunkt ist besonders heraus­          solchen, die „nur“ der EU-Vorschriftenstu­
den Bäumen in kritischen Bereichen muss      zuheben: Die Sicherheit an Kreuzungen,         fe 2 entsprechen, zwei von drei der AEBS-
der Einsatz von passiven Schutzeinrich­      Einmündungen und Kreisverkehren in­            relevanten Unfälle verhindern!
tungen verstärkt werden. Zusammenge­         nerorts. Viele der bestehenden Knoten­
fasst sind diese Maßnahmen in der so ge­     punkte weisen Defizite und Abweichun­          7. Sicherheit für den Fuß- und
nannten ESAB, den „Empfehlungen zum          gen von den aktuellen technischen              Radverkehr erhöhen
Schutz vor dem Anprall auf Bäume“. Die       Regelwerken auf, die Unfälle begünstigen       Ein Blick in die Unfallstatistik zeigt, dass
verbindliche Einführung und Umsetzung        können. Dazu gehören vor allem die feh­        die so genannten ungeschützten Ver­
dieser Empfehlungen in allen Bundeslän­      lenden Sichtbeziehungen, insbesondere          kehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteil­
dern wäre ein wichtiger Schritt nach vorn.   an Zufahrten, aber auch an Einmündun­          nehmer, also in erster Linie die zu fußge­
                                             gen und Kreuzungen ohne Ampeln. Die            henden und radfahrenden Personen, zu
4. Sicherheit für Motorrad Fahrende          Verbesserung der Infrastruktur bietet - ne­    den Hauptleidtragenden des Innerortsver­
erhöhen                                      ben der Fahrzeugtechnik - das größte Po­       kehrs gehören. Etwa 60 Prozent der inner­
Fahrer und Fahrerinnen von motorisierten     tenzial zur Erreichung der Ziele der Vision    orts Getöteten, das waren 2017 600 Perso­
Zweirädern haben ein hohes Unfallrisiko.     Zero.                                          nen, entfallen auf diese beiden Gruppen.
Die Zahl von 583 getöteten Motorradfah­
renden unterstreicht dies in erschrecken­
der Weise.

Der Zustand der Straßen und das Straßen­
umfeld haben großen Einfluss auf die Si­
cherheit von Motorradfahrenden. Mög­
lichkeiten zur sicheren Gestaltung werden
im „Merkblatt zur Verbesserung der Ver­
kehrssicherheit auf Motorradstrecken“,
der so genannten MVMot, aufgeführt. Die­
ses Merkblatt ist Stand der Technik und
damit eine zu beachtende Handlungsan­
weisung für die Verantwortlichen der

Im Jahr 2017 starben 559 Menschen in-        ▸
folge eines Baumunfalls. Der DVR fordert
deshalb für Alleen mit einer Fahrbahn-
breite unter 7,50 Metern und ohne passive
Schutzeinrichtungen eine Höchstge-
schwindigkeit 70 km / h.

46   DGUV Forum 1 · 2/2019
TOP-Forderungen des DVR

                     „Das langfristige Vision-Zero-Ziel der EU ist; die Zahl
                   der im Straßenverkehr Getöteten oder schwer Verletzten
                        bis zum Jahr 2050 auf nahezu null zu bringen.“

Hinzu kamen 100.000 Verletzte. Unfass­        9. Qualifizierung von                         richtungen müssen mit Nachdruck
bare Zahlen!                                  Fahranfängerinnen und                         entwickelt und ihr Einsatz nach entspre­
                                              Fahranfängern verbessern                      chendem Wirkungsnachweis verbindlich
Das Wissen um verkehrssichere Straßen         Junge Fahrerinnen und Fahrer waren und        vorgeschrieben werden.
ist vorhanden, es wird jedoch zu wenig        sind eine Hauptzielgruppe bei der Ver­
umgesetzt. Die Gründe dafür sind vielfäl­     kehrssicherheitsarbeit. Der DVR tritt dafür   Ausblick: Vision Zero in Europa
tig: gute Maßnahmen kosten Geld, in vie­      ein, auf Basis vorhandener Erkenntnisse       und weltweit
len Straßenbaubehörden herrscht Perso­        und positiver internationaler Erfahrungen     Im Mai 2018 hat die Europäische Kommis­
nalmangel. Außerdem verfügen viele            ein umfassendes Konzept zur Ausbildung        sion das dritte Mobilitätspaket verab­
Entscheiderinnen und Entscheider vor Ort      und Betreuung von Fahranfängerinnen           schiedet, das einen neuen Rahmen für die
nicht immer über das nötige Wissen. Des­      und Fahranfängern zu erarbeiten und um­       Verkehrssicherheitsarbeit der Jahre 2021
halb präsentiert der DVR unter dem Titel      zusetzen. Die positiven Erfahrungen beim      – 2030 enthält und im Laufe des Jahres
„Gute Straßen für Stadt und Dorf“ auf sei­    Begleiteten Fahren mit 17 machen Mut          2019 im Rat und im Europaparlament be­
ner Website eine Beispielsammlung für         und sind gleichsam eine Verpflichtung,        raten wird. Bemerkenswerte viele der
die Umgestaltung innerörtlicher Straßen.      diesen Weg weiter zu beschreiten. Die ob­     oben genannten Forderungen des DVR
                                              ligatorische Lernzeit der Fahranfängerin­     finden sich darin wieder. Innerhalb von
8. Fahren unter Alkohol- und Drogen-          nen und Fahranfänger sollte verlängert        drei Jahren müssen beispielsweise alle
einfluss verhindern                           werden. Darüber hinaus benötigen wir          neu auf den Markt gebrachten Fahrzeug­
Europaweit sind nach den Publikationen        dringend ein Curriculum für die Fahraus­      modelle mit der fortschrittlichsten Sicher­
des Europäischen Verkehrssicherheitsrats      bildung, das verpflichtend eingeführt wer­    heitstechnik ausgestattet werden. Auch
ETSC ein Viertel der im Straßenverkehr        den sollte.                                   die durch eine unsichere Straßeninfra­
Getöteten auf einen Unfall unter Alkoho­                                                    struktur entstehenden Risiken werden
leinfluss zurückzuführen. Neben einer Er­     10. Gefahren durch Ablenkung                  systematisch in Angriff genommen, dar­
höhung der Kontrolldichte, die auch als       verhindern                                    unter auch die Risiken, denen zu Fußge­
gesellschaftliches Signal wirken würde,       Ablenkung ist eine von Verkehrsteilneh­       hende und Radfahrende ausgesetzt sind.
hat sich der DVR bereits 2011 für die Ein­    menden in der Regel unterschätzte und
führung eines Alkoholverbots am Steuer        häufige Unfallursache. Mit der Verbrei­       Mit diesem Rahmen wird das langfristige
ausgesprochen. Eine deutliche Mehrheit        tung der Smartphones und anderer elekt­       Vision-Zero-Ziel der EU bekräftigt, die
in der Bevölkerung teilt diese Forderung.     ronischer Kommunikationsmedien treten         Zahl der im Straßenverkehr Getöteten
Bei den Fahranfängerinnen und Fahran­         neue Ablenkungsquellen zu den bereits         oder schwer Verletzten bis zum Jahr 2050
fängern hat das vor einiger Zeit eingeführ­   bekannten hinzu. Unfallforscherinnen          auf nahezu null zu bringen, mit dem Zwi­
te Alkoholverbot sofort zu einer Senkung      und Unfallforscher gehen davon aus, dass      schenziel einer Verringerung um 50 Pro­
alkoholbedingter Unfälle geführt. Daran       das Unfallrisiko zum Beispiel beim Tippen     zent zwischen 2020 und 2030. Daneben
gilt es anzuknüpfen. Auch ist es an der       auf dem Smartphone auf das Sechsfache         tritt das Ziel der Halbierung der Zahl der
Zeit, über einen Ordnungswidrigkeiten-        ansteigt, beim Eingeben von Telefonnum­       Schwerverletzten im gleichen Zeitraum,
Tatbestand für das Radfahren unter Alko­      mern sogar auf das Zwölffache. Laut einer     wobei eine neue, gemeinsame Definition
holeinfluss nachzudenken.                     Studie der Allianz kommen jährlich mehr       des Begriffs „Schwerverletzte“ zugrunde
                                              als 300 Menschen ums Leben, weil einer        gelegt wird. Die Beschlüsse der EU-Kom­
Neben den genannten rechtlichen Rege­         der Beteiligten abgelenkt war.                mission im dritten Mobilitätspaket ent­
lungen gibt es aber auch technische Mög­                                                    sprechen dem weltweiten „Safe-System-
lichkeiten, Alkoholfahrten wirkungsvoll       Neben Verhaltensänderungen wie zum            Ansatz“ der WHO, der der Strategie der
zu verhindern: Alkohol-Interlock-Systeme      Beispiel durch die Kampagne „Runter           Vision Zero entspricht.
verhindern das Starten des Motors durch       vom Gas“ mit den Autobahnplakaten
eine alkoholisierte Person. In zahlreichen    müssen die technischen Möglichkeiten          Wenn dieses europäische Vorhaben wirk­
Nachbarländern gibt es bereits Gesetze        zur Verringerung von Ablenkungsgefah­         sam umgesetzt wird und wenn (auch) da­
zum Einsatz der Interlocks, im Koalitions­    ren ausgeschöpft werden. Dazu gehören         mit die TOP-Forderungen des DVR ver­
vertrag zwischen CDU / CSU und SPD ist        zum Beispiel Einrichtungen, die das Tele­     wirklicht werden, dann kommen wir dem
diese Maßnahme angekündigt.                   fonieren, Lesen oder Schreiben von Tex­       Ziel sehr nahe: Keine Getöteten und
                                              ten beim Fahren unterbinden. Solche Ein­      Schwerverletzten im Straßenverkehr. ●

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