Der Stellenwert der Prävention in der Politik

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Der Stellenwert der Prävention in der Politik
Thema      NICHTÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

                            Der Stellenwert der Prävention
                            in der Politik
                            Die Ausbreitung lebensstilbedingter, nichtübertragbarer Krankheiten ist eine der
                            größten gesundheitspolitischen Herausforderungen. Die Politik hat das Thema
                            aufgegriffen, wie eine Analyse der Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2017 zeigt.

                            Peter von Philipsborn, Jan Stratil, Lars Schwettmann,
                            Michael Laxy, Eva Annette Rehfuess, Hans Hauner

                                  ebensstilbedingte, nichtüber-    Study waren im Jahr 2015 in              „Politische Erklärung zur Präven-
                            L
  Fakultät für Medizin,
   TU München: Peter
 von Philipsborn, MSc,
                                  tragbare Krankheiten sind        Deutschland 11,3 Prozent der             tion und Kontrolle nicht übertrag-
      MA, cand. med.        weltweit auf dem Vormarsch, auch       Krankheitslast auf ungesunde Er-         barer Krankheiten“, mit der sich
  Pettenkofer School of
                            in Deutschland. Bei der Behand-        nährungsmuster zurückzuführen,           die Staatengemeinschaft – darunter
  Public Health, Institut   lung und der Sekundärprävention        10,6 Prozent auf Tabakkonsum, 4,1        auch Deutschland – zum politischen
für Medizinische Infor-     wurden in den letzten Jahrzehnten      Prozent auf schädlichen Alkohol-         Handeln verpflichtet (12). Im Jahr
  mationsverarbeitung,
  Biometrie und Epide-      große Fortschritte erzielt, so etwa    konsum, 2,3 Prozent auf mangelnde        2013 folgte der gleichnamige Ak-
   miologie, LMU Mün-       durch den Einsatz von Antihyper-       körperliche Bewegung sowie ins-          tionsplan der Weltgesundheitsorga-
 chen: Jan Stratil, BSc,
    cand. med., PD Eva
                            tensiva, Gerinnungshemmern und         gesamt 30,8 Prozent auf die le-          nisation (WHO) (13), und in den
     Annette Rehfuess,      Statinen (1), mit dem Aufbau von       bensstil-mitbedingten metabolischen      Folgejahren formulierte das Euro-
    BA MA (Oxon), PhD       Herzkatheterlaboren und Stroke-        Risikofaktoren arterielle Hyperto-       päische Regionalbüro der WHO the-
     Institut für Gesund-   Units und dank der modernen            nie, Hyperglykämie, Dyslipidämie         menspezifische Strategien zu Alko-
heitsökonomie und Ma-       Krebstherapie und -nachsorge (2–4).    und Übergewicht (8–10).                  hol, Tabak, körperlicher Aktivität
 nagement im Gesund-
heitswesen, Helmholtz-      Durch die Einführung von Disease-                                               und Ernährung (14–17).
    Zentrum München –       Management-Programmen wurden           Die Politik muss handeln                    In vielen Ländern ist das Thema
Deutsches Forschungs-
zentrum für Gesundheit      zudem Anstrengungen unternom-          International wurde längst erkannt,      in der nationalen Politik angekom-
     und Umwelt: PD Dr.     men, die Qualität der Versorgung       dass der Einsatz gegen nichtüber-        men: In Skandinavien und Frank-
    Lars Schwettmann,       von chronisch Kranken in der Brei-     tragbare Krankheiten nicht erst in       reich wurden mit dem Nordic Key-
MSc, Dipl.-Volksw., Dr.
     Michael Laxy, MSc,     te zu erhöhen. Bei der Primärprä-      der Arztpraxis oder gar am Kran-         hole beziehungsweise dem Nutri-
                MPH, PhD    vention hingegen konnten bislang       kenbett, sondern mit Primärpräven-       Score intuitive, klar verständliche
                                                                                                                                                               Foto: arrow/stock.adobe.com

     Institut für Ernäh-    keine vergleichbaren Erfolge erzielt   tion auf Bevölkerungsebene begin-        Kennzeichnungen gesunder Lebens-
   rungsmedizin, Klini-     werden (5–7). Dabei ist gerade hier    nen muss (2, 11). Im Jahr 2011           mittel eingeführt (18, 19), Frank-
   kum rechts der Isar,
     TU: Prof. Dr. med.     das Potenzial besonders groß: Ge-      verabschiedete die Generalversamm-       reich schreibt einheitliche grau-
           Hans Hauner      mäß der Global Burden of Disease       lung der Vereinten Nationen die          braune Verpackungen für Zigaret-

A 1700                                                                                         Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 38 | 22. September 2017
THEMEN DER ZEIT

ten vor (20), in Ungarn werden seit                    Aufgrund dieses Rückstands sind                              von einer Partei vertretenen Positio-
2011 stark fett- und zuckerhaltige                  die präventionspolitischen Pläne der                            nen nicht erschöpfend erörtern. Da-
Lebensmittel höher besteuert und                    deutschen Parteien von besonderem                               her bedeutet die fehlende Erwäh-
in Großbritannien ab 2018 Süßge-                    Interesse. Zielsetzung dieses Arti-                             nung einer bestimmten Maßnahme
tränke (21). Neben diesen verhält-                  kels ist es, die aktuellen Wahlpro-                             im Wahlprogramm einer Partei
nisbasierten Interventionsstrategien                gramme der Parteien, die eine rea-                              nicht, dass diese hierzu noch nicht
entwickelten einige Länder auch                     listische Aussicht auf den Einzug in                            Position bezogen hat oder gar, dass
großangelegte verhaltenspräventive                  den Bundestag haben, bezüglich ih-                              sie der Maßnahme ablehnend ge-
Programme, so etwa die USA mit                      rer Aussagen und Forderungen zum                                genübersteht. Die vereinfachende
dem National Diabetes Prevention                    Thema Primärprävention und Ge-                                  Übersicht von Forderungen (siehe
Program (22).                                       sundheitsförderung zu vergleichen                               eTabelle) erlaubt zudem keine
                                                    (siehe Kasten).                                                 Rückschlüsse auf die Gewichtung
Regierung zurückhaltend                                Tatsächlich gehen alle Parteien                              sonstiger gesundheitspolitischer The-
In Deutschland hat sich die Bundes-                 in ihren Wahlprogrammen direkt                                  men durch die Parteien. Außer-
regierung bisher zurückhaltend zu                   oder indirekt auf das Thema Pri-                                dem haben Wahlprogramme eher
entsprechenden Maßnahmen geäu-                      märprävention ein, wenn auch in                                 den Charakter unverbindlicher Ab-
ßert. Bei der Förderung gesunder                    unterschiedlichem Ausmaß und mit                                sichtserklärungen als konkreter Pla-
Ernährung setzt sie auf Ernährungs-                 unterschiedlichen Schwerpunkten                                 nungen und werden selbst bei einer
bildung und freiwillige Initiativen                 (siehe eTabelle).                                               Regierungsbeteiligung meist nur in
der Industrie (23) – zwei Ansätze,                     Bei der Interpretation der Ergeb-                            Teilen und in modifizierter Form
die in der Wissenschaft überwie-                    nisse ist die divergente Länge der                              umgesetzt. Dennoch kann das ex-
gend als nicht ausreichend beur-                    Wahlprogramme mit einer Spann-                                  plizite Erwähnen beziehungsweise
teilt werden (11, 24, 25). Bei politi-              breite von 41 Seiten bei der CSU                                Nichterwähnen eines Themas Hin-
schen Anstrengungen zur Redukti-                    bis hin zu 213 beziehungsweise 214                              weise auf die Prioritätensetzung ei-
on der schädlichen Folgen des                       Seiten bei Grünen und Linkspartei                               ner Partei liefern.
Alkoholkonsums liegt Deutschland                    (jeweils normiert auf 2 225 Zeichen                                Fast alle Wahlprogramme neh-
nach Einschätzung der WHO deut-                     pro Seite) zu berücksichtigen. Die                              men zu den Themen Ernährung und
lich unter dem europaweiten Durch-                  Differenzen in der Zahl der erwähn-                             körperliche Aktivität Stellung: Die
schnitt (26, 27), und im Bereich                    ten Einzelforderungen lassen sich                               breiteste Unterstützung, nämlich
der Tabakprävention ist Deutsch-                    daher sicherlich teilweise auf den                              durch sechs der sieben untersuchten
land gar das letzte EU-Mitglieds-                   unterschiedlichen Detailgrad der                                Parteien beziehungsweise Fraktio-
land, das die Umsetzung des EU-                     Programme zurückführen. Weiter-                                 nen (CDU/CSU, SPD, Grüne, Links-
weiten vollständigen Verbots von                    hin stellen Wahlprogramme eine                                  partei, CSU und FDP) findet die
Tabakwerbung noch nicht vollzo-                     Kondensation der wichtigsten For-                               Förderung des Vereinssports. Fünf
gen hat (28).                                       derungen dar und können die in und                              Parteien beziehungsweise Frak-
                                                                                                                    tionen (CDU/CSU, SPD, Grüne,
                                                                                                                    Linkspartei und FDP) fordern bes-
                                                                                                                    sere Bedingungen für den Fahrrad-
   Methodik des Wahlprogrammvergleichs                                                                              verkehr. Jeweils vier Parteien unter-
                                                                                                                    stützen eine verbesserte Nährwert-
   Einschlusskriterien: Eingeschlossen wurden                   Textpassagen codiert, in denen Primärpräventi-      kennzeichnung von Lebensmitteln
   alle Parteien, die gemäß der letztverfügbaren                on und Gesundheitsförderung in allgemeiner          (SPD, Grüne, Linke und AfD) und
   bundesweiten Sonntagsfrage (Befragungszeit-                  Form thematisiert werden, ebenso wie alle           den Bau von Fahrradschnellwegen
   raum 8. bis 10. August 2017) mit einem Über-                 Textpassagen mit Bezug zur Prävention schäd-        (CDU/CSU, SPD, Grüne und Lin-
   schreiten der Fünfprozenthürde und damit mit                 lichen Tabak- und Alkoholkonsums sowie der          ke). Immerhin drei Parteien (SPD,
   einem Einzug in den Bundestag rechnen kön-                   Förderung gesunder Ernährung und körperli-          Grüne und Linke) versprechen ein
   nen: CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen,                        cher Aktivität. Diese fünf Themen dienten als       gesundes Schul- und Kitaessen,
   Linkspartei, CSU, FDP und AfD (29).                          Kategoriensystem; innerhalb dieser Kategorien       SPD und Grüne mittels der Einfüh-
                                                                wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse die in   rung verbindlicher Qualitätsstan-
   Datenquellen: Es wurden die von den Partei-                  der eTabelle dargestellten Subkategorien entwi-     dards, wie sie etwa von der Deut-
   en auf ihren Webseiten veröffentlichten Wahl-                ckelt. Ziel des analytischen Vorgehens war es,      schen Gesellschaft für Ernährung
   programme verwendet. Für die Union wurde                     die in den Wahlprogrammen thematisierten            (DGE) für die Schulverpflegung
   sowohl das „Regierungsprogramm                               präventionsrelevanten Inhalte möglichst exakt       entwickelt wurden (30).
   2017–2021“ von CDU/CSU als auch der „Bay-                    und umfassend wiederzugeben. Leitthemen bei            Auffallend ist dagegen die weit-
   ernplan“ der CSU ausgewertet.                                der Interpretation waren die Abdeckung von Ri-      gehende Vernachlässigung der The-
                                                                sikofaktoren und Interventionsansätzen sowie        men Alkohol- und Tabakkonsum
   Analyse: Mithilfe der Textanalysesoftware                    die Berücksichtigung sozialer Ungleichheiten.       in den Wahlprogrammen: Nur Grü-
   MAXQDA (Verbi GmbH, Berlin) wurden von                       Die Ergebnisse wurden von einem dritten Autor       ne und Linkspartei fordern weitere
   zwei Autoren (PvP und JMS) unabhängig alle                   (LS) mit den Originaltextstellen abgeglichen.       Präventionsanstrengungen hierzu.
                                                                                                                    Dabei sind die gesundheitlichen

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 38 | 22. September 2017                                                                                     A 1701
THEMEN DER ZEIT

          Folgen des Alkohol- und Tabakkon-        verhältnissen. Der Beitrag von Ta-        mung speziell dieser Risikofaktoren
          sums weiterhin erschreckend hoch         bak, Alkohol und ungesunden Er-           sind daher essenziell für den Abbau
          – fast 15 Prozent der Krankheitslast     nährungsmustern zur gesundheitli-         der bestehenden sozialen Ungleich-
          und knapp 160 000 Tote pro Jahr          chen Ungleichheit wird hingegen           heiten im Gesundheitsstatus (6, 39).
          sind in Deutschland allein auf diese     von keiner der sieben Parteien bzw.
          beiden vermeidbaren Risikofakto-         Fraktionen explizit thematisiert.         Mehr Engagement nötig
          ren zurückzuführen (8, 9). Vor die-         Die weitgehende Vernachlässi-          Zusammenfassend wird deutlich,
          sem Hintergrund ist die fehlende         gung zentraler Aspekte effektiver,        dass vonseiten der Parteien zwar Of-
          Positionierung der restlichen fünf       evidenzbasierter Primärprävention         fenheit für eine Stärkung der Primär-
          Parteien zu diesem Thema höchst          durch die Parteien erstaunt in mehr-      prävention besteht, es aber an der
          bedauerlich.                             facher Hinsicht. Stetig wachsende         Unterstützung konkreter, auf Grund-
             Erfreulich ist, dass sich die Wahl-   Kosten sind eine der großen Sorgen        lage der verfügbaren Evidenz Erfolg
          programme nicht auf verhaltens-          in der Gesundheitspolitik. Insbe-         versprechender Maßnahmen man-
          präventive Maßnahmen, wie zum            sondere die in hohem Maße lebens-         gelt. Eine bessere Präventionspolitik
          Beispiel Aufklärung, beschränken,        stilbedingten Krankheiten Diabetes        wird nicht von alleine Realität: Es
          sondern sich auch für mehr Verhält-      mellitus Typ 2, koronare Herz-            gilt, fehlendes Wissen, mangelndes
          nisprävention aussprechen, so etwa       erkrankung, chronisch obstruktive         Problembewusstsein, ideologisch be-
          für städtebauliche Maßnahmen zur         Lungenerkrankung und Adipositas           gründete Missverständnisse, politi-
          Schaffung einer bewegungsfreund-         verursachen hohe und steigende            sche Trägheit und wirtschaftlich
          lichen Umwelt.                           Kosten in der ambulanten und sta-         motivierte Lobbyinteressen zu über-
                                                   tionären Versorgung (35, 36). Pri-        winden (25), wie zuletzt wieder
          Wesentliches vernachlässigt              märprävention kann und muss da-           bei der Erarbeitung der nationalen
          Erstaunlich ist dagegen, dass einer      her einen wesentlichen Beitrag zur        Reformulierungsstrategie durch das
          der international am intensivsten        Eindämmung der Krankheitslast             Bundesministerium für Ernährung
          diskutierten primärpräventiven An-       und der daraus resultierenden Kos-        und Landwirtschaft deutlich wurde.
          sätze von keiner der untersuchten        ten für unser Gesundheits- und So-        Ein entschiedenes Eintreten der Ärz-
          Parteien direkt erwähnt wird: die        zialsystem leisten (5, 6).                teschaft und der medizinisch-wis-
          Besteuerung von Alkohol und Ta-             Eine bessere Präventionspolitik        senschaftlichen Gemeinschaft ist nö-
          bak sowie die differenzielle Be-         ist darüber hinaus auch eine Frage        tig, um diesen Widerständen ent-
          steuerung von Lebensmitteln und          der sozialen Gerechtigkeit. Men-          gegenzuwirken. Es gibt zahlreiche
          Getränken entsprechend ihrer ge-         schen im obersten Einkommens-             Möglichkeiten, konstruktiv Einfluss
          sundheitlichen Auswirkungen. Um-         quintil, also dem Fünftel der Bevöl-      zu nehmen: durch das Mitwirken
          fangreiche Evidenz belegt die Wirk-      kerung mit dem höchsten Einkom-           an Stellungnahmen von Fachge-
          samkeit von Steuern für die Tabak-       men, leben in Deutschland fast zehn       sellschaften und Berufsverbänden;
          und Alkoholprävention (31–33),           Jahre länger als Menschen im              durch Überzeugungsarbeit im Freun-
          ebenso wie für die Förderung ge-         untersten Einkommensquintil (37).         des- und Bekanntenkreis; durch
          sunder Ernährungsmuster (31, 34).        Die gesunde Lebenszeit ist sogar          die Mitgliedschaft und Mitarbeit in
          Entsprechend fordert unter anderem       noch ungleicher verteilt, da auch         Parteien, in denen medizinisch-
          die Deutsche Allianz Nichtübertrag-      chronische, nicht unmittelbar zum         wissenschaftlicher Sachverstand in
          bare Krankheiten (DANK), ein             Tode führende Krankheiten in so-          den entsprechenden Fachausschüs-
          Zusammenschluss von 20 wissen-           zial benachteiligten Bevölkerungs-        sen und Arbeitskreisen benötigt wird;
          schaftlich-medizinischen Fachge-         gruppen überdurchschnittlich häufig       und nicht zuletzt durch Gespräche
          sellschaften, Forschungsinstituten       sind (37–40). Die ungleiche Vertei-       mit Abgeordneten und Parteivertre-
          und Berufsverbänden, eine schritt-       lung gesunder Lebenszeit kann als         tern/-innen. Die internationalen Er-
          weise Erhöhung der Alkohol- und          eine der extremsten und existen-          folge bei der Durchsetzung primär-
          Tabaksteuern und eine gesundheits-       ziellsten Formen gesellschaftlicher       präventiver Maßnahmen zeigen,
          bezogene Anpassung der Mehrwert-         Ungleichheit angesehen werden, da         dass sich ein solcher Einsatz lohnt.
          steuersätze für Lebensmittel (5, 7).     sie die Lebenschancen von Men-
                                                                                             █
             Der Zusammenhang zwischen             schen am umfassendsten begrenzt.              Zitierweise dieses Beitrags:
                                                                                                 Dtsch Arztebl 2017; 114 (38): A 1700–2
          sozialen Ungleichheiten im Ge-           Eine Hauptursache für den sozialen
          sundheitsstatus und Prävention wird      Gradienten in Gesundheit und Le-
                                                                                             Anschrift für die Verfasser:
          in den Wahlprogrammen von SPD,           benserwartung ist die differenzielle      Peter von Philipsborn, MSc, MA, cand. med.
          Linkspartei und Grünen im Hin-           Exposition gegenüber den modifi-          Fakultät für Medizin, Technische Universität
                                                                                             München
          blick auf das geringere Angebot an       zierbaren Risikofaktoren Tabakrau-        Gotthardstraße 8, 94259 Kirchberg im Wald
          Bewegungs- und Sportmöglichkei-          chen, ungesunder Ernährung, Be-           E-Mail: peter.philipsborn@tum.de
          ten und die höhere Umweltbelas-          wegungsmangel und schädlichem
          tung in sozial benachteiligten Stadt-    Alkoholgebrauch, die alle ihrerseits      Literatur im Internet:
                                                                                             www.aerzteblatt.de/lit3817
          teilen erwähnt, von der Linkspartei      einen ausgeprägten sozialen Gra-          oder über QR-Code.
          auch im Zusammenhang mit ge-             dienten aufweisen (37–39). Ver-           eTabelle im Internet:
          sundheitlich belastenden Arbeits-        stärkte Anstrengungen zur Eindäm-         www.aerzteblatt.de/171700

A 1702                                                                          Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 38 | 22. September 2017
THEMEN DER ZEIT

ZUSATZMATERIAL HEFT 38/2017, ZU:

NICHTÜBERTRAGBARE KRANKHEITEN

Der Stellenwert der Prävention
in der Politik
Die Ausbreitung lebensstilbedingter, nichtübertragbarer Krankheiten ist eine der
größten gesundheitspolitischen Herausforderungen. Die Politik hat das Thema
aufgegriffen, wie eine Analyse der Wahlprogramme zur Bundestagswahl 2017 zeigt.

Peter von Philipsborn, Jan Stratil, Lars Schwettmann,
Michael Laxy, Eva Annette Rehfuess, Hans Hauner

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Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 38 | 22. September 2017                                                                                              A4
THEMEN DER ZEIT

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A5                                                                                                     Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 38 | 22. September 2017
THEMEN DER ZEIT

   eTABELLE

   Überblick über die Forderungen der Parteien zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten auf Grundlage der Wahlprogramme für die Bundes-
   tagswahl 2017

     Thema                  Forderung und weitere Konkretisierungen                        CDU/        SPD        Grüne       Linke      CSU         FDP        AfD         Summe
                                                                                           CSU
     Länge des Parteiprogramms (Seiten*)                                                   67          129        213         214        41          128        62
                            Förderung von Prävention und Gesundheitsförde-
                                                                                              √           √          √           √          √                                   5
                            rung im Allgemeinen
                            … speziell auch in sozial benachteiligten Stadteilen
                                                                                                          √                                                                     1
                            beziehungsweise Bevölkerungsgruppen
     Prävention
                            … speziell auch im ländlichen Raum                                            √                                                                     1
     allgemein
                            … durch mehr eHealth-basierte Forschung zu Krank-
                                                                                              √                                                                                 1
                            heitsursachen und Früherkennung
                            … durch integrierte Versorgung unter Einbezug von
                                                                                                          √                                                                     1
                            Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention
                            Verbesserung des Nichtraucherschutzes                                                                √                                              1
                            Beschränkung von Werbung und Marketing                                                   √           √                                              2
     Tabakkonsum            Unabhängige wissenschaftliche Evaluation der
                                                                                                                                 √                                              1
                            bisherigen Politik zu Tabak
                            Bessere Aufklärung                                                                       √           √                                              2
                            Beschränkung von Werbung und Marketing                                                               √                                              1
                            Unabhängige wissenschaftliche Evaluation der
     Alkoholkonsum                                                                                                               √                                              1
                            bisherigen Politik zu Alkohol
                            Bessere Aufklärung                                                                       √           √                                              2
                            Gesundes Schul- und Kitaessen                                                 √          √           √                                              3
                            … durch verbindliche Qualitätsstandards                                       √          √                                                          2
                            … mit Kostenfreiheit                                                                                 √                                              1
                            Einschränkung von an Kinder gerichteter Werbung                                          √           √                                              2
     Ernährung              Verbesserte Nährwertangaben auf Lebensmitteln
                                                                                                          √          √           √                                 √            4
                            und Getränken
                            … durch die Nährwertampel                                                     √          √           √                                              3
                            Ernährungsbildung und -aufklärung                                 √                                             √                                   2
                            Ressort für Land- und Ernährungswirtschaft**                      √                                                                                 1
                            Städtebauliche Maßnahmen zur Schaffung einer
                                                                                                          √          √           √                                              3
                            bewegungsfreundlichen Umwelt
                            … speziell in sozial benachteiligten Stadtteilen                              √                      √                                              2
                            … durch die Förderung von städtischen Parks und
                                                                                                                     √           √                                              2
                              Grünflächen
                            Förderung des Fahrradverkehrs                                     √           √          √           √          √                                   5
                            … durch Fahrradschnellwege                                        √           √          √           √                                              4
                            … durch eine Reform der Straßenverkehrsordnung                                           √           √                                              2
                            Förderung des Fußgängerverkehrs                                                          √           √                                              2
     Körperliche
                            Förderung des Breitensports                                       √           √          √           √          √           √                       6
     Aktivität
                            … durch eine Verbesserung des öffentlichen Sport-
                                                                                                          √          √           √                                              3
                              angebots
                            … durch eine Förderung des Vereinssports                          √           √          √           √          √           √                       6
                            … durch eine Förderung des Schulsports                                                               √                                              1
                            … durch Sportangebote in Kitas                                                                       √                      √                       2
                            … durch finanzielle Unterstützung der Kommunen                                √          √           √                                              3
                            … durch Zuschüsse für einkommensschwache Kinder
                                                                                                                                                        √                       1
                              und Jugendliche
                            … durch gebührenfreie Sportangebote                                                                  √                                              1

* Die Seitenzahl wurde auf die durchschnittliche Zeichenzahl von 2 255 pro Seite (inklusive Leerzeichen) normiert.
** CDU/CSU treten in ihrem Wahlprogramm dafür ein, dass „Land- und Ernährungswirtschaft in einem eigenständigen Ressort erhalten bleiben“ (S. 15–16). Aktuell lautet der Name des betref-
fenden Ministeriums „Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft“, von 2005 bis 2013 lautete der Name „Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz“,
und von 2001 bis 2005 „Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft“. Die restlichen Parteien äußern sich in ihren Wahlprogrammen nicht zum Zuschnitt oder der
Benennung des entsprechenden Ressorts.

Deutsches Ärzteblatt | Jg. 114 | Heft 38 | 22. September 2017                                                                                                                         A6
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