E-Partizipation im Open-Government-Kontext

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23. April 2012

    -Fachbereich Public Management-

                 Schriftliche Ausarbeitung Bachelor - Thesis

                   Erstprüferin: Frau Prof. Dr. Birgit Menzel
                    Zweitprüferin: Frau Renate Mitterhuber

E-Partizipation im Open-Government-Kontext:
Bedarf es im Zuge des Wandels der Beziehung zwischen Bürgerinnen und
      Bürgern und öffentlicher Verwaltung einer Veränderung der
                            Verwaltungskultur?

                                               Vorgelegt von: Kuhlmann, Kristof
                                               Studiengruppe: RIA 09 z
                                               Abgabetermin: 24. April 2012
I

E-Partizipation im Open-Government-Kontext:
Bedarf es im Zuge des Wandels der Beziehung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und
öffentlicher Verwaltung einer Veränderung der Verwaltungskultur?

Inhaltsverzeichnis:

1.    Einleitung                                                              1

2.    Open Government                                                         4
2.1    Die Öffnung von Staat und Verwaltung                                   4
2.2    Die Entwicklung des Open-Government-Gedankens                          6
2.3    Die Rolle des Web 2.0                                                  7
2.4    Die Leitgedanken der Open-Government-Idee                              9
        2.4.1   Transparenz                                                   9
        2.4.2   Partizipation                                                10
        2.4.3   Kollaboration bzw. Kooperation                               11
2.5    Chancen und Herausforderungen von Open Government                     12
2.6    Grenzen von Open Government                                           13

3.    E-Partizipation                                                        14
3.1    Elektronische Partizipation                                           15
3.2    Begriffliche Abgrenzung: E-Government, E-Democracy, E-Partizipation   15
3.3    Partizipationsformen im Beteiligungsdreieck                           16
3.4    Entwicklung und Stand von E-Partizipation in Deutschland              19
3.5    Online-Konsultationen                                                 20
3.6    Grundlagen erfolgreicher elektronischer Partizipationsmöglichkeiten   21
        3.6.1 Bevölkerungsinteresse an Partizipationsmöglichkeiten           22
        3.6.2 Internetzugang und -nutzung                                    22
        3.6.3 Doppelter Medienmix                                            23
3.7    Chancen und Risiken von E-Partizipation                               23
II

4.    Verwaltungskultur und organisationskultureller Wandel              26
4.1    Der Verwaltungskulturbegriff                                      27
        4.1.1   Grundlegende Begrifflichkeiten                           27
        4.1.2   Die Entwicklung des Verwaltungskulturbegriffs            28
        4.1.3   Die Definition des Verwaltungskulturbegriffs             30
        4.1.4   Verwaltungskultur als Organisationskultur                32
4.2    Die Verwaltungskultur in Deutschland                              33
        4.2.1   Die Verwaltungskultur zwischen Bürokratie und Moderne    34
        4.2.2   Notwendigkeit eines Verwaltungskulturwandels             36
4.3    Die Rolle der Verwaltungskultur in der Modernisierungsdebatte     40
4.4    Die Bedeutung des Phänomens der Organisationskultur               41
4.5    Organisationskultureller Wandel                                   42
4.6    Wandelfähigkeit der öffentlichen Verwaltung                       45

5.    Fazit                                                              47

Quellenverzeichnis                                                       III
Anlagenverzeichnis                                                      XII
Dienstliche Einzelerklärung                                             XIII
1

1. Einleitung
Die Art und Weise wie Entscheidungen und Planungen im politisch-administrativen
System getroffen werden erscheint den Menschen häufig nicht nachvollziehbar. Die
Bürgerinnen und Bürger werden mit gefällten Entscheidungen konfrontiert, die auf für
sie intransparenten Wegen zustande gekommen sind und auf die sie keinen bzw. kaum
Einfluss nehmen konnten. Aufgrund der weitgehenden Ausgrenzung der Bevölkerung
bei öffentlichen Planungs- und Entscheidungsvorhaben sind viele Bürgerinnen und
Bürger frustriert von Politik und Verwaltung. Dies ist nicht zuletzt auch durch die
öffentlichen Protestbewegungen der Bürgerinnen und Bürger in jüngster Vergangenheit,
wie bspw. gegen die Planungen des Baus des Stuttgarter Kopfbahnhofes S21 oder die
Verhandlungen über das sogenannte Acta-Abkommen, hierzulande deutlich geworden.
Die Strukturen und Prozesse innerhalb des politisch-administrativen Systems erscheinen
Außenstehenden oft undurchsichtig und schwer nachvollziehbar. Speziell die
öffentliche Verwaltung hat das Image einer verschlossenen, starren und nach innen
gerichteten Institution, die nur wenige Einblicke in ihr Innenleben gewährt.
Aufgrund des Wunsches der Bevölkerung nach Transparenz in und Teilhabe an
öffentlichen Entscheidungsprozessen rückt zunehmend eine neue Idee staatlichen
Handelns in den Fokus des öffentlichen Diskurses, die unter der Bezeichnung „Open
Government“ bekannt geworden ist. Dieser Sammelbegriff beinhaltet verschiedene
Strömungen und Tendenzen, die auf eine Öffnung des Staates gegenüber der
Bevölkerung und der Wirtschaft durch mehr Transparenz, Partizipation und
Kollaboration drängen. Die Open-Government-Idee könnte das Verständnis staatlichen
Handels grundlegend verändern, ist jedoch bisher zumindest in Deutschland noch eher
theoretischer Natur.1
Das Element der stärkeren Partizipation der Bürgerinnen und Bürger an öffentlichen
Entscheidungsprozessen ist das demokratischste der Open-Government-Elemente.
Bürgerinnen und Bürger sollen nicht länger einfach mit bereits gefällten
Entscheidungen konfrontiert, sondern in den Entscheidungsprozess mit eingebunden
werden. Im Zuge dieser Entwicklung einer stärkeren bürgerlichen Teilhabe spielt auch
das Internet in Form des Web 2.0, des sogenannten „Mitmachnetzes“, eine wichtige
Rolle. Es hat die Kommunikations- und Informationsgewohnheiten der Menschen

1
    Vgl. Bundesministerium des Innern 2012
2

bereits grundlegend verändert und bietet eine Vielzahl neuer Vernetzungs- und
                               2
Interaktionsmöglichkeiten.          Auch im Rahmen der politischen Partizipation der
Bürgerinnen und Bürger spielt das Internet als neue Austauschplattform im politischen
Diskurs eine immer wichtiger werdende Rolle. Im Kontext dieser Entwicklung soll
speziell die sogenannte elektronische Partizipation in dieser Arbeit detaillierter erläutert
werden. Die digitale, vernetzte (Wissens-) Gesellschaft wird das Verständnis staatlichen
Handels in Zukunft maßgeblich wandeln. So schrieb „Die Zeit“ im März dieses Jahres:

        „Die Demokratie der digitalen Gesellschaft wird eine andere sein. Öffentlichkeit,
        Teilhabe, Legitimation – alle Gewissheiten der alten Welt sind infrage gestellt.
        Alle Institutionen müssen sich verändern. Und sie werden sich verändern.“3

Eine dieser demokratischen Institutionen ist die öffentliche Verwaltung als Teil der
Exekutive. Das Open-Government-Konzept umfasst einen ganzheitlichen Wandel
verschiedener Systeme des politisch-administrativen Apparates. Die Verwaltung ist nur
eines der Teilsysteme dieses Apparates, das mit Veränderungen konfrontiert werden
wird. 4 Dennoch soll lediglich die öffentliche Verwaltung und die Folgen der oben
beschriebenen Veränderungen auf die Verwaltungskultur im Fokus dieser Arbeit stehen.
Durch eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung und der Wirtschaft wird sich die
Beziehung zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern maßgeblich
verändern. Die Bürgerinnen und Bürger werden zu Partnerinnen und Partnern der
Verwaltung, die an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilhaben und diese
beeinflussen können.
Um die Auswirkungen dieser Entwicklung im Rahmen von Open Government und
elektronischen Partizipationsmöglichkeiten auf die Verwaltungskultur untersuchen und
die Frage eines möglicherweise notwendigen Kulturwandels beantworten zu können,
wird zunächst das Open-Government-Konzept untersucht. Die Open-Government-
Entwicklung steht ebenso wie der Forschungsstand noch am Anfang. Daher ist es
interessant aufzuzeigen, wie diese Idee das Verständnis staatlichen Handelns verändern
kann. Anschließend wird vertieft der Aspekt der elektronischen Partizipation und die

2
  Vgl. Schulze-Wolf 2007: 8
3
  Alvares De Souza Soares 2012: 3
4
  Vgl. Schlechter 2009: 221
3

daraus entstehenden Veränderungen für das Handeln der öffentlichen Verwaltung
dargestellt. E-Partizipation ist bereits Bestandteil der politischen Diskussion in
Deutschland, bildet aber noch immer ein relativ junges Forschungsfeld.5
Nachdem die Grundlagen dieser Entwicklungen herausgestellt wurden, wird zunächst
definiert, was unter dem Begriff der Verwaltungskultur genau zu verstehen und wie
diese in Deutschland ausgeprägt ist. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird dann
untersucht, inwieweit die in Deutschland vorherrschende Verwaltungskultur mit dem
neuen Verständnis der Bürgerinnen und Bürger als Partnerinnen und Partner der
öffentlichen Verwaltung kompatibel ist. Anschließend sollen die Bedeutung der
Verwaltungskultur für Modernisierungs- bzw. Reformvorhaben und die Chancen eines
gezielten      organisationskulturellen   Veränderungsprozesses   in   der   öffentlichen
Verwaltung herausgestellt werden. Zum Ende der Arbeit werden die Ergebnisse in
einem Fazit zusammengefasst, abschließend bewertet und ein Ausblick gegeben, wie
die Verwaltungskultur in Zukunft ggf. gestaltet werden könnte.
Rechtliche und technische Aspekte der beschriebenen Entwicklungen sollen im Rahmen
dieser Arbeit nicht betrachtet werden.

5
    Vgl. Kuhn 2006: 30
4

2. Open Government
In den letzten Jahren befasste sich Public Management vor allem mit der Reform des
Haushaltswesens        und      der    damit      verbundenen        neuen,      ergebnisorientierten
Verwaltungssteuerung. Aktuell bildet sich jedoch ein neuer Schwerpunkt in der Public-
Management-Diskussion, das Thema „Open Government“ rückt zunehmend in den
Vordergrund. Weltweit werden Strategien und Konzepte entwickelt, um die Chancen
und Herausforderungen für eine systematische Öffnung des Staates gegenüber der
Bevölkerung und der Wirtschaft aufzuzeigen. So hat bspw. auch hierzulande das
Bundesministerium des Innern in jüngster Zeit eine Studie in Auftrag gegeben, die „die
Grundlage für den weiteren Ausbau von Open Government und Open Data in
Deutschland“ schaffen soll.6 Die Entwicklung von Open-Government-Strategien steckt,
zumindest in Deutschland, noch in einer frühen Phase und es ist interessant die
aktuellen Entwicklungen zu beobachten.
Das häufig in der Diskussion um Open Government auftauchende Thema Open
Government Data, welches sich mit der Veröffentlichung und Nutzbarmachung
staatlicher Datenbestände für Bevölkerung und Wirtschaft befasst, wird im Rahmen
dieser Arbeit nicht behandelt.

2.1 Die Öffnung von Staat und Verwaltung
Die Bezeichnung „Open Government“ hat sich im angelsächsischen Raum für den
Grundgedanken einer Öffnung von Staat und Verwaltung gegenüber der Bevölkerung
und der Wirtschaft weitgehend durchgesetzt. 7 Der Begriff wird in der öffentlichen
Diskussion für verschiedene Strategien und Konzepte als eine Art Sammelbegriff
verwendet und selten ausreichend abgegrenzt und definiert. Zu diesen Strategien und
Konzepten zählen u. a. Schlagwörter wie Offenheit, Open Data, Linked Open
Government, Government 2.0, offene Staatskunst, Transparenz 2.0, Partizipation 2.0,
Kollaboration 2.0, offene Innovationen, Öffnung der Gesellschaft, offene Gesellschaft
und weitere Überlegungen zu freien Daten sowie offenen Standards, offenen
Schnittstellen, quell‐offener Software und offener Kommunikationssysteme.8

6
  Vgl. Bundesministerium des Innern 2012
7
  Vgl. von Lucke 2010: 2
8
  Vgl. Hill 2011: 58; vgl. von Lucke 2010: 3; vgl. Parycek / Schoßböck 2010: 5
5

All diese einzelnen Ansätze und Konzepte und ihre jeweiligen Schwerpunkte zu
erläutern, sprenge den Rahmen dieser Arbeit und ist im Sinne der Fragestellung auch
nicht erforderlich. Es reicht aus, ein allgemeines Verständnis der grundlegenden,
gemeinsamen von den o. g. Ansätzen geteilten Idee der Open-Government-Bewegung
darzustellen. Ganz allgemein bedeutet Open Government die behutsame, systematische
Öffnung staatlicher Verwaltungs- und Entscheidungsprozesse durch Transparenz,
Partizipation und Kollaboration gegenüber Dritten. 9 Das bedeutet nicht weniger, als
dass die öffentliche Verwaltung die Bevölkerung und die Wirtschaft besser über ihr
Handeln informieren, stärker in ihr Handeln integrieren bzw. an Entscheidungen
beteiligen und in Teilen sogar mit Dritten zusammenarbeiten soll. Dies stellt einen
kulturellen Wandel im öffentlichen Sektor dar, „der durch ein neues partnerschaftliches
Verhältnis zum Bürger geprägt ist.“10 Durch die im Rahmen der Öffnung entstehende
Transparenz über das Regierungs- und Verwaltungshandeln können neue Partizipations-
und Kollaborationsmöglichkeiten entstehen, die es ermöglichen sollen, das in der
Gesellschaft verstreute Wissen zu bündeln und in staatliche Entscheidungsprozesse
einfließen     zu    lassen.   Die   Bürgerinnen   und   Bürger   werden   von   passiven
Entscheidungsempfängerinnen und -empfängern zu aktiven Miterstellerinnen bzw.
Miterstellern staatlicher Entscheidungen und Leistungen. Sie entwickeln sich von
Konsumentinnen und Konsumenten zu sog. Prosumentinnen bzw. Prosumenten,
konsumieren und produzieren staatliche Leistungen also gleichzeitig und können
Innovations- und Entscheidungsprozesse im öffentlichen Sektor beeinflussen.11
„Open Government ist keine Frage der Technik, sondern der Kultur.“12 Es handelt sich
um ein neues, offenes Verständnis staatlichen Handelns. Die Beziehung zwischen den
Bürgerinnen und Bürgern und der öffentlichen Verwaltung wird dadurch grundlegend
verändert. Die Bürgerinnen und Bürger sollen nicht länger nur Kundinnen und Kunden
oder gar Bittstellerinnen und Bittsteller in den Augen der Verwaltung darstellen,
sondern gut informierte und beteiligte Partnerinnen und Partner, deren Ideen,
Meinungen und Erfahrungen Gehör finden, wertgeschätzt und in Entscheidungsprozesse
einbezogen werden sollen. Durch diesen Prozess der Wissensbündelung und

9
  Vgl. Kurp 2011
10
   von Lucke 2010: II
11
   Vgl. Geiger 2010: 19 f.
12
   Mitterhuber 2011
6

Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger kann die Qualität staatlicher Entscheidungen
gesteigert werden.
Die Grundpfeiler des Open-Government-Ansatzes: Transparenz, Partizipation und
Kollaboration werden im Folgenden noch detaillierter dargestellt, doch zunächst soll die
Entwicklung der Open-Government-Idee und die Rolle des Internets, in Form des sog.
Web 2.0, aufgezeigt werden.

2.2 Die Entwicklung des Open-Government-Gedankens
Häufig wird Barack Obama als Begründer oder zumindest als treibende Kraft der
Open-Government-Bewegung genannt.13 Obama forcierte in seinem „Memorandum for
the Heads of Executive Departments and Agencies“ die Schaffung einer
Open-Government-Kultur           in   der    US-Verwaltung       durch    eine      Öffnung   des
politisch-administrativen      Systems.      Dieses    sollte   transparent,   partizipativ   und
kollaborativ ausgerichtet sein und so durch eine völlig neue Offenheit im eigenen
Handeln, das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.14 Auf diesem Wege definierte
Obama die drei Säulen unseres heutigen Verständnisses von Open Government. Die
Idee von mehr Offenheit und Transparenz im staatlichen Handeln ist nicht neu und
wurde schon früher im Rahmen der Open-Access- und Open-Source-Bewegungen
verwendet. Ebenso wurde auch der Open-Government-Begriff bereits in den 1950er
Jahren verwendet, aber dennoch kann die Open-Government-Direktive Obamas als
Trendlinie     bezeichnet      werden.      Erstmals    wurde     auf    höchster     Ebene   ein
Regierungskonzept mit dem Fokus auf einer weitreichenden Öffnung des politisch-
administrativen Systems und der Stärkung der Demokratie, durch Transparenz,
Partizipation und Zusammenarbeit zwischen Staat, Bevölkerung und Wirtschaft
propagiert und umgesetzt.15
Seither haben sich im Rahmen der Staats- und Verwaltungsmodernisierung eine
Vielzahl von Open-Government-Initiativen weltweit gebildet, welche mehr oder
                                            16
weniger weit fortgeschritten sind.               Eine ganzheitliche Umsetzung von Open
Government findet jedoch bisher nur in Ansätzen statt und die meisten

13
   Vgl. Prorok / Krabina 2011: 7
14
   Vgl. Obama 2009
15
   Vgl. Parycek / Schoßböck 2010: 5
16
   Vgl. Hill 2011: 58 f.
7

Open-Government-Initiativen befinden sich weltweit noch im Experimentierstadium,
was neben technischen, vor allem durch organisatorisch-kulturelle Hürden, u. a. auch in
der öffentlichen Verwaltung, begründet werden kann.17
Es gibt einige Staaten, wie bspw. die USA oder England, die der Bundesrepublik
Deutschland bei der Entwicklung und Implementierung von Open-Government-
Strategien voraus sind. Doch auch in Deutschland gibt es eine Vielzahl von aktiven, gut
vernetzten Initiativen, die versuchen einen solchen Wandel voranzutreiben und sich für
die Öffnung von Staat und Verwaltung einsetzen. Neben vielen nicht staatlichen
Interessengemeinschaften und den vereinzelten Aktivitäten diverser Kommunen und
Länder in Deutschland sind insbesondere die Open-Government-Bemühungen der
Bundesregierung erwähnenswert. Der Bund plant zusammen mit den Ländern bis zum
Jahr 2013 eine gemeinsame einheitliche Open-Government-Strategie für offenes
Regierungshandeln zu erarbeiten18 und in Form einer „zentral zugängliche[n] Plattform
für Open Government und Open Data von Bund und Ländern“ umzusetzen.19

2.3 Die Rolle des Web 2.0
Im Rahmen von Open Government spielt das Internet eine wichtige Rolle. Es
entwickelte sich seit seinen Anfängen Ende der 1960er Jahre zu einem festen
Bestandteil des heutigen alltäglichen Lebens der Menschen auf der ganzen Welt und
wurde zu einem einflussreichen Faktor für Innovationen und Veränderungen in der
Gesellschaft.20 Diente es vor allem zu Beginn als Plattform zur Veröffentlichung von
diversen    Inhalten,    zeichnet     es   sich       heute   durch   neue   Interaktions-   und
Kommunikationsformen aus, die es den Internetnutzerinnen und -nutzern ermöglichen
Daten im Internet nicht nur abzurufen, sondern selbst zu erstellen, zu bearbeiten oder zu
verarbeiten.
Das infolge dieses Prozesses „der aktiven Integration der Nutzer in das World Wide
Web“21 entstandene und sich laufend weiterentwickelnde Medium, welches durch mehr
Nutzerbeteiligung, Offenheit und Vernetzungseffekte gekennzeichnet ist, kann

17
   Vgl. Klessmann 2011: 3; vgl. auch Kurp 2011
18
   Vgl. Bunderegierung 2010: 58
19
   Vgl. Bundesregierung 2012
20
   Vgl. Graudenz u.a. 2010: 14
21
   Roggenkamp 2010: 39
8

zusammenfassend als Web 2.0 verstanden werden.22 Aufgrund dieser Interaktivität wird
das Web 2.0 häufig auch als „Mitmach-Netz“ bezeichnet. Die Online-Technologien,
Anwendungen und Methoden des Web 2.0, die den gegenseitigen Austausch von
Inhalten, Meinungen, Eindrücken, Erfahrungen, Ideen usw. zwischen verschiedenen
Menschen unterstützen, werden als Social Media bezeichnet. Zu diesen Anwendungen,
die sich durch eine relativ einfache Bedienung auszeichnen, was sie einer breiten Masse
von Nutzerinnen und Nutzern zugänglich macht, zählen u. a. Blogs, Foren, Podcasts,
Lifestreams, Bookmarks, Netzwerke, Communities oder Wikis.23
Durch diese wechselseitigen Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten bieten
das Web 2.0 und die damit verbundenen Sozialen Medien, auch im Rahmen von Open
Government, umfangreiche neue Gelegenheiten für transparente, partizipative und
kollaborative Ansätze zur Verwaltungsmodernisierung. Der Zusammenhang dieser
technologischen Entwicklung und der Weiterentwicklung des öffentlichen Sektors im
Open-Government-Kontext lässt sich nicht bestreiten und wurde im Jahr 2010 von der
spanischen EU-Präsidentschaft im Strategiepapier „Spanish Proposal for a digital
Europe – The Granada Strategy“ folgendermaßen zusammengefasst:

        „Open Government, based on the principles of transparency, participation and
        collaboration and characterized by the establishing of communication channels
        and direct contact between the public sector and citizens, may be the initiative
        that promotes their transformation in coming years. […] Cultural changes must
        be made in order to ensure that the public sector becomes an open organization,
        simplifying these for citizens; in the organization, focusing it on new
        requirements; and in            communication        channels, converting them into
                       24
        electronic.“

Das „Mitmach-Netz“ in Verbindung mit Social Media ist ein fester Bestandteil der
Open-Government-Bewegung und des Wandels der einfachen Konsumentinnen und
Konsumenten zu Prosumentinnen und Prosumenten. Die Verwendung sozialer Medien
wird diese Entwicklung auch in den öffentlichen Sektor tragen.

22
   Vgl. Kaczorowski 2008: 132
23
   Vgl. Freie und Hansestadt Hamburg 2012: 6
24
   Ministerio de Industria, Turismo y Comercio 2010: 26 f.
9

Die neuen interaktiven, kollaborativen Technologien des Internets, die sich immer
weiter in der Gesellschaft verankern, gepaart mit dem neuen Verständnis staatlichen
Handels werden den kulturellen Wandel im politisch-administrativen Bereich in den
kommenden Jahren maßgeblich mitbestimmen.25

2.4 Die Leitgedanken der Open-Government-Idee
Wie bereits erwähnt, zeichnet sich das Open-Government-Konzept durch die drei
Grundpfeiler Transparenz, Partizipation und Kollaboration aus. Diese Kerngedanken
bilden das Fundament des Open-Government-Verständnisses und sollen im Folgenden
noch einmal detailliert dargestellt werden.

2.4.1 Transparenz
Nach Obama sollen Regierung und Verwaltung transparent sein, was zum einen das
eigene Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein stärken und zum anderen der
Bevölkerung und der Wirtschaft das staatliche Handeln durch umfassende Information
nachvollziehbar machen soll. 26 Der Staat kann, durch die Veröffentlichung von
Informationen, Rechenschaft über sein Handeln ablegen, den Bürgerinnen und Bürgern
auf diesem Wege die Kontrolle staatlichen Handelns ermöglichen und sein Handeln für
Dritte verständlich machen. Außerdem wird häufig auch der Open-Government-Data-
                                                                                 27
Ansatz mit dem Transparenzgedanken von Open Government verbunden.                     In
Anbetracht der Fragestellung und des Umfangs dieser Arbeit soll das Thema Open
Government Data jedoch, wie bereits erwähnt, nicht weiter untersucht werden.
Dennoch betonen die Grundprinzipien von Open Government die Bedeutung der
Bereitstellung von Informationen für Bevölkerung und Wirtschaft. Ohne die Schaffung
von Transparenz im politisch-administrativen System, in Form breiter Information, fehlt
das Fundament für mehr Partizipation und Kooperation.28 Können die Bürgerinnen und
Bürger sich nicht in ausreichendem Maße über öffentliche Meinungsbildungs-,
Abwägungs- und Entscheidungsprozesse in Politik und Verwaltung informieren und
diese Prozesse überwachen, wären die Möglichkeiten für eine aktive Partizipation oder

25
   Vgl. Klessmann 2011: 2; vgl. auch Graudenz u.a. 2010: 2 f.
26
   Vgl. Obama 2009
27
   Vgl. Rozman 2011: 89 ff. ; vgl. auch Hill 2011: 59
28
   Vgl. Parycek / Schoßböck 2010: 5
10

Zusammenarbeit nicht gegeben oder zumindest stark eingeschränkt. Das Handeln der
öffentlichen Verwaltung und der Regierung wird in diesem Sinne durch die
Veröffentlichung staatlicher Information nachvollziehbar für Außenstehende und macht
Entscheidungen zudem besser vergleichbar. 29

2.4.2 Partizipation
Durch den verbesserten Zugang zu Informationen im transparenten Regierungs- und
Verwaltungshandeln können die Bürgerinnen und Bürger staatliche Handlungen und
Entscheidungen besser nachvollziehen und kontrollieren. Hierdurch wiederum ergeben
sich bessere Möglichkeiten der Partizipation für die Bevölkerung und die Wirtschaft.
Partizipation meint dabei die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger und der
Wirtschaft in staatliche Willensbildungs-, Planungs- und Entscheidungsprozesse.
Die Effektivität staatlichen Handels und die Qualität staatlicher Entscheidungen können
verbessert werden, indem die Menschen auf solche Entscheidungsprozesse, die sie
selbst betreffen, aktiv beratend oder auch mitentscheidend Einfluss nehmen können.
Auf diese Weise kann nicht nur das Wissen einiger weniger involvierter Akteure
genutzt, sondern das breite, gestreute Wissen der Allgemeinheit in öffentliche Planungs-
und Entscheidungsprozesse einbezogen werden. 30 Der dadurch entstehende Dialog
zwischen Bevölkerung, Wirtschaft, Politik und Verwaltung kann in Verbindung mit der
stärkeren Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an der politischen Willensbildung die
Akzeptanz und Legitimation staatlichen Handelns erhöhen. Hierbei bietet auch das
Internet neue umfangreiche Wege zur Teilhabe.31 Die Möglichkeiten der elektronischen
Partizipation werden noch unter dem Punkt „E-Partizipation“ detaillierter dargestellt.
Im Gegensatz zu Transparenz und Kollaboration ist der Ansatz der Partizipation in
Deutschland bereits weiter verbreitet und besser etabliert. So wurden bspw. bereits eine
ganze Reihe von Bürgerhaushalten und anderer Partizipationsverfahren in ganz
Deutschland initiiert.32

29
   Vgl. Prorok / Krabina 2011: 9
30
   Vgl. von Lucke 2010: 2; vgl. auch Rozman 2011: 92
31
   Vgl. Parycek / Schoßböck 2010: 7
32
   Vgl. Graudenz u.a. 2010: 28
11

2.4.3 Kollaboration bzw. Kooperation
Kollaboration wird aufgrund der teilweise negativen Konnotation dieses Begriffs häufig
bevorzugt als Kooperation oder Zusammenarbeit bezeichnet. In dieser Arbeit werden
diese Begriffe synonym verwendet. Im Open-Government-Kontext bildet die
Kollaboration eine neue Dimension im Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem
Sektor, welches durch eine verstärkte offene Zusammenarbeit verschiedener Akteure
geprägt     ist.    Diese     Zusammenarbeit           beinhaltet   auch   die   ebenen-    und
körperschaftenübergreifende Kooperation verschiedener Verwaltungen untereinander.33
Ziel der verstärkten Kollaboration unterschiedlicher Stellen ist es, Wissen und
Ressourcen zu bündeln, um zukünftige staatliche Herausforderungen, u. a. angesichts
der angespannten staatlichen Haushaltslage, besser bewältigen zu können. In diesem
Zusammenhang wird Open Government auch häufig als Plattform beschrieben, auf der
sich Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und staatliche Organe auf Augenhöhe
begegnen      und     in    Form      offener    Prozessketten      in   neuen   Konstellationen
zusammenarbeiten können.34 Auch hier bietet das Web 2.0 großes Potenzial für neue
Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Das wohl bekannteste Beispiel für eine solche webbasierte Kollaboration stellt das
Projekt „Peer to Patent“ aus den USA dar. Hierbei bat die US-Patentbehörde, aufgrund
einer immer weiter anwachsenden Arbeitsbelastung und dadurch entstandener
Rückstände, in einem zweijährigen Pilotprojekt Bürgerinnen und Bürger als freiwillige
Expertinnen und Experten um Unterstützung bei der Beurteilung von Patentanträgen.
Die Freiwilligen konnten die eingereichten Patentanträge über das Internet einsehen und
anschließend frei recherchieren, ob diese über den aktuellen Stand der Wissenschaft
hinausgingen und somit patentierbar waren. Die so gesammelten Informationen stellten
die Nutzerinnen und Nutzer den Behördenmitarbeiterinnen und -mitarbeitern zur
Verfügung. Diese konnten dann entscheiden, ob sie die gesammelten Informationen
nutzen wollten oder nicht. Anschließend fällten sie die endgültigen Entscheidungen
über die Patentanträge. Das Projekt wurde nach Abschluss von beiden Seiten sehr
positiv bewertet und ist ein gutes Beispiel dafür, wie neue Kollaborationsformen in der
öffentlichen Verwaltung umgesetzt werden können.35

33
   Vgl. Prorok / Krabina 2011: 8; vgl. auch von Lucke 2010: 2
34
   Vgl. Hill 2011: 59 f.
35
   Vgl. Klessmann 2010: 182 ff.
12

2.5 Chancen und Herausforderungen von Open Government
Die öffentliche Debatte um Open Government, also die Öffnung des Staates gegenüber
Bevölkerung und Wirtschaft, ist häufig von großem Enthusiasmus geprägt. Private
Initiativen preisen Open Government als eine Art Allheilmittel für das Verhältnis
zwischen Bevölkerung, Wirtschaft und Staat. Um diesen Eindruck zu hinterfragen,
sollen im Folgenden die Chancen, aber auch die Herausforderungen bei der Umsetzung
der Open-Government-Idee aufgezeigt werden.
Open Government bietet eine Vielzahl von Chancen zur Gestaltung eines besseren
Verhältnis zwischen Staat, Bürgerschaft36 und Wirtschaft durch verstärkte Transparenz,
umfassendere Partizipation und engere Zusammenarbeit. Durch die Ausgestaltung
dieser Grundgedanken und eine bessere wechselseitige Kommunikation und Interaktion
kann das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die staatlichen Organe verbessert
werden. 37 Dies wiederum kann eine stärkere Einbringung und Mobilisierung der
Bürgerinnen und Bürger in öffentliche Entscheidungsprozesse bewirken. 38 Auch für den
Staat bietet dieser Prozess enorme Potenziale. So kann Partizipation infolge von
Transparenz zu besseren administrativen Entscheidungen führen und Innovationen in
der Verwaltung anstoßen. Die breite Masse kann mit ihrem Wissen die öffentliche
Verwaltung, vor allem im Kontext der angespannten Haushaltslage und begrenzter
Ressourcen, entlasten und die Effizienz staatlichen Handelns steigern. Völlig neue
Kooperationsformen sind denkbar, von denen die gesamte Gesellschaft profitieren
könnte.39
Doch ebenso gibt es eine Vielzahl von Herausforderungen für eine Öffnung des Staates.
Es mangelt an einem einheitlichen Verständnis von Open Government. Für die
Realisierung der Open-Government-Idee muss zunächst feststehen, was genau unter
dem Begriff zu verstehen ist. Es gibt noch keine umfassende Strategie in Deutschland
für die Umsetzung einer solchen Reform staatlichen Handelns. Der Umgang mit einer
so transparenten, partizipativen und kooperativen Form der Staatsführung beinhaltet
viele Risiken, wie bspw. die Gefahr der Korruption oder des Missbrauchs von
Informationen.       In   Verwaltung        und     Politik    kann     es    infolge     des     neuen

36
   Anmerkung: Im Sinne dieser Arbeit wird der Begriff der Bürgerschaft als die Gesamtheit aller
   Bürgerinnen und Bürger verstanden.
37
   Vgl. Lenz / Mueller 2010: 151
38
   Parycek / Schoßböck 2010: 10
39
   Vgl. von Lucke 2010: 20
13

Rollenverständnisses und der Einschränkung bzw. Neuinterpretation verschiedener
Kompetenzen zu erheblichen Widerständen gegen eine mögliche Reform kommen.40
Wird der Ansatz nur zum Schein umgesetzt und die Bürgerinnen und Bürger nicht
wirklich in das staatliche Handeln eingebunden, kann es außerdem zu einer verstärkten
Resignation der Bevölkerung in Bezug auf Politik und Verwaltung kommen. 41 Des
Weiteren besteht die Gefahr, dass relativ kleine, sehr engagierte Gruppen
Entscheidungen          überdurchschnittlich        stark   beeinflussen   oder      neue
Partizipationsangebote ggf. instrumentalisieren können, um eigene partikuläre
Interessen durchzusetzen. Außerdem besteht bei verstärkt webbasierten Ansätzen stets
die Gefahr der digitalen Spaltung, also einer Abkopplung bzw. Ausgrenzung von
Bevölkerungsgruppen, die das Internet nicht oder in sehr geringem Maße nutzen. 42 Aus
diesem Grund müssten stets auch nicht internetbasierte Möglichkeiten der Information
und Teilhabe angeboten werden.

2.6 Grenzen von Open Government
Open Government bietet also eine Vielzahl von Chancen für eine umfassende Reform
des staatlichen Handelns, aber ebenso gibt es eine Vielzahl von Hürden, die
überwunden werden müssten. Bevor ein solcher Wandel begonnen werden kann, gilt es
jedoch zu klären, wo die Open-Government-Idee an ihre Grenzen stößt.
Die Gesellschaft muss im öffentlichen Diskurs erst noch bestimmen, wo die Grenzen
des Transparenz-, Partizipations- und Kooperationsprinzips für sie liegen. Im Dialog
aller gesellschaftlichen Gruppen muss ein für alle akzeptables Maß an Öffnung
entwickelt und laufend angepasst werden. Dabei muss sich die Gesellschaft fragen,
inwieweit Staats‐, Amts‐ und Dienstgeheimnisse bewahrt werden müssen, damit nicht
durch zu viel Öffentlichkeit und Transparenz möglicherweise Schäden entstehen
können.
Im Zuge einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen staatlichen Organen und Dritten
muss vor allem stets die Unabhängigkeit staatlicher Stellen gewährleistet bleiben.

40
   Vgl. von Lucke 2010: 24
41
   Vgl. Kurp 2011
42
   Vgl. Graudenz u.a. 2010: 28
14

Ebenso müssen die Auswirkungen umfassender Partizipationsmöglichkeiten beachtet
werden. Die Rollen der Volksvertretungen, Parteien, Regierungen und auch der
öffentlichen Verwaltung werden sich im Rahmen einer systematischen Öffnung des
Staates      verändern,        wobei   mit    Widerständen        verschiedener    politischer    und
gesellschaftlicher Gruppen und Institutionen zu rechnen ist.43

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Diskussion um Open Government
häufig sehr ideell geführt wird und zum Teil von bestimmten Interessengruppen
beeinflusst wird, die mit ihrem Engagement auch eigene Ziele fokussieren. Dennoch
bietet eine ausgereifte Open-Government-Strategie, die ein für alle betroffenen Akteure
der Gesellschaft angemessenes Ausmaß der Öffnung von Regierung und Verwaltung
verfolgt und deren Grenzen klar definiert sind, weitreichende Potenziale für eine
Reform der öffentlichen Verwaltung und eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen
Staat, Bevölkerung und Wirtschaft.
Vor allem die Möglichkeiten des Web 2.0 werden in Zukunft zu weiteren neuen
Mischformen direkter und indirekter Demokratie führen und die Entwicklung
maßgeblich beeinflussen. In diesem Zusammenhang sollen im Folgenden elektronische
Partizipationsformen genauer dargestellt werden.

3. E-Partizipation
Die Verwaltungsmodernisierungsdebatte wurde in den letzten Jahren, wie bereits
beschrieben, zunehmend vom Open-Government-Trend bestimmt. In diesem Kontext
spielt das Thema Partizipation, als demokratischstes Element der Open-Government-
Strategie       eine    entscheidende        Rolle.        Die   Einbeziehung     von   Dritten    in
Verwaltungsprozesse und die Mitwirkung an politisch-administrativen Planungs- und
Entscheidungsprozessen sind ein wichtiger Bestandteil des neuen Verständnisses der
Beziehung zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung.
Hier bietet vor allem das Internet neue Möglichkeiten und Verfahren zur Beteiligung,
welche unter dem Begriff E-Partizipation zusammengefasst werden.

43
     Vgl. von Lucke 2010: 20
15

3.1 Elektronische Partizipation
Der Begriff E-Partizipation ist eine Abkürzung für elektronische Partizipation und
umfasst zunächst die Begriffe „elektronisch“ und „Partizipation“.
Partizipation wird dabei als „Teilhabe von natürlichen und juristischen Personen und
ihren Gruppierungen an Prozessen der Willensbildung und Entscheidungsfindung in
Politik und Verwaltung“44 verstanden. Handelt es sich bei den natürlichen Personen um
Bürgerinnen und Bürger, wird häufig auch von Bürgerbeteiligung gesprochen, wobei
der Begriff „Beteiligung“ voraussetzt, dass institutionelle Verfahren staatlicher Organe
vorhanden sind, die eine beabsichtigte Beteiligung der Bürgerschaft zum Ziel haben.
Partizipationsverfahren können auf verschiedenen Verwaltungsebenen stattfinden und
werden in formelle und informelle Verfahren unterschieden. Formell bedeutet, dass es
sich um standardisierte, gesetzlich fixierte Verfahren handelt und informell, dass die
Verfahren grundsätzlich frei gestaltet werden können, wobei sich auch hier bestimmte
Muster abgebildet haben.45
„Elektronisch“ bezieht in diesem Zusammenhang auf die Unterstützung der
Beteiligungsverfahren durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien
(IuK). Vor allem das Web 2.0 und seine Anwendungen bieten hierbei vielfältige
Möglichkeiten zur Information, Kommunikation und Interaktion.
E-Partizipation umfasst also die Teilhabe von natürlichen und juristischen Personen und
ihren Gruppierungen an Prozessen der Willensbildung und Entscheidungsfindung in
Politik und Verwaltung, unter Einbeziehung der Möglichkeiten moderner Informations-
und Kommunikationstechnologien.46

3.2 Begriffliche Abgrenzung: E-Government, E-Democracy, E-Partizipation
In der Öffentlichkeit wird E-Partizipation häufig in Verbindung mit anderen
Begrifflichkeiten wie E-Government oder E-Democracy verwendet und nicht immer
ausreichend begrifflich abgegrenzt. 47 Daher soll hier eine kurze Erläuterung und
Abgrenzung dieser Begriffe erfolgen.

44
   Kubicek 2010: 197
45
   Vgl. Kubicek 2010: 197 f.
46
   Vgl. Kubicek 2010: 197; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 5
47
   Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2012
16

Unter dem Begriff E-Government wird eine Vielzahl von Konzepten und Instrumenten
zur Unterstützung politischer Partizipation und allgemeiner Verwaltungsaufgaben unter
Einbezug        von      Web          2.0-Technologien   gebündelt.    E-Government    umfasst
„die elektronische Abwicklung von Verwaltungs- und Demokratieprozessen im Rahmen
staatlicher Aktivitäten mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien,
(…) um öffentliche Aufgaben effizient und effektiv zu unterstützen.“48 E-Government
wird in zwei grundlegende Elemente unterteilt: E-Administration und E-Democracy.
E-Administration umfasst dabei Anwendungen, die auf die effiziente Ausgestaltung von
Verwaltungsprozessen ausgerichtet sind.
Das     zweite Kernelement              E-Democracy dagegen        umfasst   Anwendungen zur
elektronischen Willensbildung und politischen Partizipation der Bürgerinnen und
                                                         49
Bürger mittels moderner IuK-Technologien.                     E-Partizipation wiederum ist ein
Teilelement von E-Democracy und grenzt sich dadurch ab, dass E-Democracy auch
elektronische Wahlen (E-Election) und Abstimmungen (E-Voting) als verbindlichste
Formen der Partizipation mit einschließt. Schwerpunkt von E-Partizipation hingegen ist
vielmehr die Mitwirkung der Bevölkerung und der Wirtschaft an öffentlichen
Entscheidungsfindungsprozessen, sowie die Einbeziehung der Fertigkeiten und des
Wissens der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft in die Entwicklung von
Entscheidungsgrundlagen.50

3.3 Partizipationsformen im Beteiligungsdreieck
Bei der politischen Partizipation und damit auch bei E-Partizipation lassen sich
verschiedene Beteiligungsformen differenzieren. Dabei wird zunächst danach
unterschieden, welche Gruppe bzw. Institution den Partizipationsprozess initiiert. Nach
dieser Betrachtung ergeben sich zunächst zwei Kategorien von Partizipationsansätzen,
zum einen die Top-Down-Ansätze und zum anderen die Bottom-Up-Ansätze.
Partizipationsangebote, die politik- und verwaltungsseitig initiiert werden und an die
Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen (NRO)
gerichtet sind, werden dabei als Top-Down-Angebote bezeichnet. Leiten andererseits
die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und NRO selbst Beteiligungsmöglichkeiten

48
   Wirtz / Piehler 2010: 8
49
   Vgl. Wirtz / Piehler 2010: 9 ff.
50
   Vgl. Meier 2009: 164 f.
17

in die Wege, die wiederum an Politik und Verwaltung adressiert sind, werden diese als
Bottom-Up-Ansätze bezeichnet, da sie aus der Bevölkerung heraus nach „oben“ an das
politisch-administrative System gerichtet sind.
Diese Unterscheidung wird in Abbildung 1 bildlich dargestellt. Durch die
Unterscheidung der jeweiligen Initiatoren und Adressaten der Partizipationsformen
bildet sich ein „Beteiligungsdreieck“.51

Abbildung 1: Partizipationsformen im Beteiligungsdreieck (Quelle: Kubicek 2010: 198)

Des Weiteren wird innerhalb der von den verschiedenen Gruppen bzw. Institutionen
initiierten Partizipationsprozesse noch weiter differenziert. Unter den von Verwaltung
und Politik angebotenen Beteiligungsmöglichkeiten wird zwischen Information,
Konsultation und Kooperation unterschieden. Aufseiten der aus der Gesellschaft heraus
initiierten Partizipationsprozesse erfolgt eine analoge Differenzierung. 52 Die Modelle
direkter (elektronischer) Wahlen und Abstimmungen spielen in dieser Arbeit, wie
bereits erwähnt, keine Rolle. Im Endeffekt ergeben sich demnach sechs Formen der
klassischen, wie elektronischen Partizipation, die in Abbildung 1 hervorgehoben sind.

51
     Vgl. Kubicek 2010: 198
52
     Vgl. Kubicek 2010: 198 f.; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 17 f.
18

Von staatlicher Seite aus angebotene Partizipationsformen (Top-Down-Prozesse):
          Information: Angebote, die auf die Bereitstellung und die Erschließung von
           Informationen öffentlicher Stellen abzielen, wie bspw. Infowebsites staatlicher
           Institutionen. Diese Angebote bilden eine Grundvoraussetzung für das Gelingen
           weiterer Partizipationsformen, da eine politische Beteiligung ohne ausreichende
           Informationen kaum möglich ist.53

          Konsultation: Beteiligungsformen, die darauf abzielen, von Bürgerinnen und
           Bürgern, Wirtschaft und weiteren Interessengruppen der Gesellschaft Expertisen,
           Voten und Meinungen zu bestimmten aktuellen Themen und öffentlichen
           Planungs- und Entscheidungsvorhaben, wie bspw. Gesetzesentwürfen o. ä.,
           einzuholen und abzuwägen. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die sog.
           Bürgerhaushalte.

          Kooperation: Angebote, die über das Partizipationsmaß von Konsultationen
           hinausgehen und auf eine einvernehmliche Zusammenarbeit zwischen Staat,
           Bürgerschaft und Wirtschaft ausgerichtet sind. Diese Prozesse können auch zu
           Ergebnissen führen, welche von den ursprünglichen Positionen der Beteiligten
           abweichen.54

Von         Bürgerschaft,       Wirtschaft       und        NRO     initiierte     Partizipationsformen
(Bottom-Up-Prozesse):
          Transparenz durch Dritte: Informelle Angebote, die über die Handlungen der
           Legislative und Exekutive berichten und durch die auf diesem Wege entstehende
           Transparenz eine öffentliche Kontrolle jener Institutionen ermöglichen. Ein
           bekanntes Beispiel hierfür ist die Plattform „Abgeordnetenwatch“. Hierzu zählen
           außerdem        auch      Ansätze,      die      von     staatlicher     Seite      angebotene
           Informationsportale o. ä. erweitern, sowie Angebote zur politischen Bildung
           durch Schaffung von Transparenz, wie z. B. der Wahl-O-Mat im Vorfeld von
           Wahlen.

53
     Vgl. Kuhn 2006: 30; vgl. auch Kubicek 2010: 198 f.; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 18 f.
54
     Vgl. Kubicek 2010: 198 f.; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 18 f.
19

         Eingaben / Beschwerden / Petitionen: Angebote, die es ermöglichen Vorschläge
          oder Kritik an zur Entscheidung befugte staatliche Stellen und Behörden zu
          richten. Das wohl bekannteste Beispiel für diese Partizipationsform ist das
          (elektronische) Petitionswesen des Deutschen Bundestages.

         Aktivismus / Kampagnen / Lobbying: Beteiligungsformen, bei denen einzelne
          Personen oder organisierte Gruppen aus der Bevölkerung oder der Wirtschaft
          Maßnahmen ergreifen, um Aufmerksamkeit und Unterstützung für bestimmte
          Themen und Positionen zu erzeugen und auf diesem Wege einen Beitrag zur
          politischen Meinungs- und Willensbildung leisten können, wobei es auch gezielt
          zur Förderung partikulärer Interessen kommen kann. 55 Ein bekanntes Beispiel
          dieser Partizipationsform stellt die Internetseite „campact.de“ dar.

3.4 Entwicklung und Stand von E-Partizipation in Deutschland
Erste Experimente zur Bürgerbeteiligung mithilfe elektronischer Medien reichen in
Deutschland bis in die 1970er Jahre zurück, wobei zu Beginn das Fernsehen und das
Telefon als elektronische Hilfsmittel dienten. Doch vor allem die Entwicklung des
Internets        seit   den      1990er        Jahren     brachte      der    Idee     elektronischer
Partizipationsmöglichkeiten neuen Aufwind. Erste konkrete Umsetzungen folgten in
dieser Zeit auf kommunaler Ebene im Rahmen von Forschungsprojekten. Auf
Bundesebene erfolgte im Jahr 2001 ein erstes Pilotprojekt in Form einer
länderübergreifenden Online-Konsultation zur Zukunft der Landwirtschaft. Hier zeigte
sich durch die Entwicklung und Verbreitung des Internets bereits eine wesentlich
höhere Beteiligung als in den ersten Forschungsversuchen der 1990er Jahre.56
Bis heute hat die Zahl der Partizipationsangebote stark zugenommen und von einem
Experimentierstadium kann zumindest beim Einsatz in Stadt- und Raumplanungsfragen
nur noch bedingt die Rede sein. Es gibt einige gute Einzelbeispiele für gelungene
E-Partizipationsverfahren in Deutschland, aber dennoch mangelt es an einer
umfassenden institutionellen Einbindung und an einer Diffusion der Angebote in die
            57
Breite.           Gemessen        an     der     Gesamtzahl         öffentlicher     Planungs-   und

55
   Vgl. Kubicek 2010: 198 f.; vgl. auch Albrecht u.a. 2008: 18 f.
56
   Vgl. Kubicek 2010: 208
57
   Vgl. Albrecht u.a. 2008 : 36
20

Entscheidungsprozesse, werden E-Partizipationsprojekte nur bei einem Bruchteil dieser
Verfahren durchgeführt und bilden noch immer eher die Ausnahme als die Regel.58
Durch die wachsenden Möglichkeiten des Internets werden auch die Ansprüche der
Bürgerinnen und Bürger an die Transparenz staatlichen Handelns und die Teilhabe an
öffentlichen Entscheidungsprozessen in Zukunft weiter steigen. In Deutschland
entwickelt      sich    ein    allgemeiner     Trend     hin    zu    einer    Ausweitung    der
E-Partizipationsangebote und es ist davon auszugehen, dass sich elektronische
Partizipationsmöglichkeiten weiter etablieren werden.59
Die am weitesten etablierte E-Partizipationsform in Deutschland bildet zumindest auf
regionaler und kommunaler Ebene die der Online-Konsultationen. Schwerpunkte der
Konsultationsverfahren         bilden   vor    allem    städtebauliche       Veränderungs-   und
Stadtgestaltungsprozesse, Visions- und Leitbildentwicklungen, Agenda-Setting-Dialoge
zur Diskussion grundlegender gesellschaftlicher Themen wie Familienfreundlichkeit
und Verfahren über die Verteilung von Ressourcen, Anlagen oder Einrichtungen, wie
bspw. Bürgerhaushalte. 60 Die Online-Konsultationen stellen das „Herzstück“ der
E-Partizipationsbemühungen hierzulande dar. 61 Außerdem verdeutlichen sie das neue
Rollenverständnis der Bürgerinnen und Bürger als partnerschaftliche Beraterinnen und
Berater der Verwaltung außerordentlich gut und sollen daher noch einmal detaillierter
dargestellt werden.

3.5 Online-Konsultationen
Wie bereits beschrieben, umfassen Konsultationsverfahren jegliche Beteiligungsformen,
die darauf abzielen, von Bürgerinnen und Bürgern, Wirtschaft und weiteren
Interessengruppen der Gesellschaft Expertisen, Voten und Meinungen zu bestimmten
aktuellen Themen und öffentlichen Planungs- und Entscheidungsvorhaben einzuholen.62
Werden solche Konsultationsverfahren über das Internet angeboten, spricht man von
Online-      bzw.      E-Konsultationen.      Es    handelt    sich   also     um   gewöhnliche
Konsultationsverfahren unter Einsatz moderner IuK-Technologien.

58
   Vgl. Märker 2009: 48
59
   Vgl. Albrecht u.a. 2008: 36 f.
60
   Vgl. Märker / Wehner 2011: 202
61
   Vgl. Albrecht u.a. 2008 : 134 f.
62
   Vgl. Kubicek 2010: 198
21

Online-Konsultationsverfahren beziehen sich immer auf ein spezielles, festgelegtes
Themengebiet und sind zeitlich begrenzt. In dieser Zeit findet ein online-moderierter
Dialog zwischen verschiedenen staatlichen Stellen, Bürgerschaft, Wirtschaft und
weiteren gesellschaftlichen Institutionen statt.63 Ziel des Dialoges ist es, die Meinungen
und Ideen der Bevölkerung und der Wirtschaft einzuholen, um möglichst alle Interessen
der Öffentlichkeit in die Entscheidungsprozesse einbeziehen zu können. Der
Allgemeinheit wird die Möglichkeit gegeben, auf öffentliche Planungs- und
Entscheidungsprozesse beratend Einfluss zu nehmen. Verwaltung und Regierung sind
jedoch nicht daran gebunden, alle Vorschläge in ihre Planungen und Entscheidungen
einbeziehen und umsetzen zu müssen. Bevölkerung und Wirtschaft können im
Konsultationsverfahren also ihre eigenen Interessen, Erfahrungen und Meinungen nur
beratend einbringen. Die letztendliche Entscheidung verbleibt bei den staatlichen
Organen.64
Bürgerinnen und Bürger werden zu Beraterinnen und Beratern der öffentlichen
Verwaltung. Damit dieser Prozess funktionieren kann, muss die öffentliche Verwaltung
die Ideen und Meinungen der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen und wertschätzen.
Die Verwaltung muss einen offenen Dialog gestalten und objektiv moderieren, um auf
diesem Wege durch eine echte Einbindung und Wertschätzung der externen Ideen ggf.
zu besseren Entscheidungen zu gelangen. Hierbei muss sie auch bereit sein, von eigenen
Positionen abzurücken und Fehler ggf. einzugestehen.

3.6 Grundlagen erfolgreicher elektronischer Partizipationsmöglichkeiten
Zu den grundlegenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Etablierung elektronischer
Partizipationsmöglichkeiten gehören eine Vielzahl von Faktoren. An dieser Stelle soll
nur ein kurzer Überblick über die grundlegendsten Erfolgsfaktoren gegeben werden.
Hierzu zählen das Interesse der Menschen an Beteiligungsmöglichkeiten, die
Verbreitung und Nutzung des Internets und die Bedeutung des doppelten Medienmixes
in der Bürgerbeteiligung.

63
     Vgl. Märker / Wehner 2011: 201
64
     Vgl. Koop 2010: 8
22

3.6.1 Bevölkerungsinteresse an Partizipationsmöglichkeiten
In den letzten Jahren ist das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an traditionellen,
institutionalisierten Formen der politischen Partizipation zurückgegangen, was sich vor
allem am Mitgliederschwund der Parteien und Verbände ablesen lässt. 65 Doch im
Gegensatz zu dieser Entwicklung wünscht sich eine große Mehrheit der Deutschen
(81 %) mehr Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten in politisch-administrativen
Entscheidungsprozessen. Besonders bemerkenswert ist, dass auch eine große Mehrheit
der Nichtwählerinnen und -wähler an einer verstärkten Bürgerbeteiligung interessiert ist.
Die Menschen verbinden zum Teil große Hoffnungen mit einer stärkeren Teilhabe. So
erwarten sie bspw. eine höhere Akzeptanz staatlicher Entscheidungen, da diese durch
die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger demokratischer und gerechter würden.
Allerdings gibt es auch einige gesellschaftliche Gruppen, die weniger stark an
politischer Teilhabe interessiert sind. Hierzu zählen vor allem Menschen mit geringerem
Bildungsstand, niedrigen Einkommen und auch ältere Menschen.66
Das gesamtgesellschaftliche Interesse an Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung ist also
sehr    groß.     Dennoch       muss      darauf    geachtet   werden,   dass   wirklich   alle
Bevölkerungsgruppen in den Partizipationsprozess einbezogen werden.

3.6.2 Internetzugang und -nutzung
Um E-Partizipationsverfahren nutzen zu können, müssen die Bürgerinnen und Bürger
Zugang zu einem Computer mit Internetanschluss haben. Die Ausstattung privater
deutscher Haushalte mit Computern und Internetanschlüssen steigt seit mehreren Jahren
kontinuierlich an. Demnach verfügten im Jahr 2010 ca. 80 % der Haushalte über einen
Computer und ca. 77 % über einen Internetanschluss. 67 Die Verbreitung dieser
IuK-Technologien sagt jedoch noch nichts über die Nutzung dieser Technologien aus.
Doch auch diese ist in den letzten Jahren stark angestiegen, sodass mittlerweile ca. 75 %
der Menschen das Internet regelmäßig nutzen. Am häufigsten wird das Internet hierbei
zur Kommunikation und Informationssuche verwendet.

65
   Vgl. Weßels 2011: 373 f.
66
   Vgl. Bertelsmann Stiftung 2011
67
   Vgl. Czajka / Kleinegees / Kott 2011: 344 f.
23

Für die meisten Menschen sind Computer und Internet zwar kaum noch aus ihrem
Alltag wegzudenken, doch vor allem Ältere und Menschen mit einem niedrigerem
Bildungsstand nutzen diese Technologien nur in geringerem Maße und sind somit von
einer Ausgrenzung bedroht. 68

3.6.3 Doppelter Medienmix
Um keine Bürgerinnen und Bürger durch technische Barrieren auszugrenzen und zudem
möglichst alle Bevölkerungsgruppen bei Partizipationsvorhaben anzusprechen, bedarf
es eines doppelten Medienmixes bei elektronischen bzw. elektronisch unterstützten
Partizipationsangeboten.           Das      bedeutet,    dass   für   die   Kommunikation   der
Partizipationsangebote nicht nur auf der Ebene der Beteiligung, sondern auch auf Ebene
der Metakommunikation verschiedene Medien genutzt werden sollten. Die Ebene der
Metakommunikation meint dabei, dass die Beteiligungsangebote zielgruppengerecht
kommuniziert werden müssen. Es erscheint bspw. effektiver ältere Bürgerinnen und
Bürger über Anzeigen in Tageszeitungen zu informieren und jüngere Menschen über
soziale Medien anzusprechen. Für eine breite Beteiligung ist es also wichtig, auf die
technischen und sozio-kulturellen Bedürfnisse und Gewohnheiten der Zielgruppen zu
achten. Auf der Ebene der Beteiligung muss zum Schutz vor Ausgrenzung darauf
geachtet werden, dass die Beteiligungsangebote nicht ausschließlich online angeboten
werden, sondern immer auch konventionelle, nicht elektronische Möglichkeiten der
Mitwirkung gegeben sind.69

3.7 Chancen und Risiken von E-Partizipation
Wie bereits erwähnt, bietet das Internet große Potenziale, um den Austausch zwischen
Staat, Bürgerschaft und Wirtschaft durch neue Kommunikations-, Informations- und
Partizipationsmöglichkeiten zu verbessern. Ob diese Potenziale aber genutzt werden,
hängt vor allem davon ab, inwieweit staatliche Organe bereit sind, ihr Handeln
transparenter zu gestalten und die Bürgerinnen und Bürger als Partnerinnen und Partner
auf Augenhöhe zu akzeptieren, um sie effektiv in Planungen und Entscheidungen
involvieren zu können.

68
     Vgl. Czajka / Kleinegees / Kott 2011: 346 f.
69
     Vgl. Kubicek / Lippa 2009: 315
24

An dieser Stelle sollen noch einmal die größten Chancen und Risiken elektronischer
Partizipationsmöglichkeiten zusammenfassend aufgezeigt werden.
Elektronische Partizipationsmöglichkeiten können u. a. zu besseren staatlichen
Entscheidungen führen, indem das Wissen und die Ideen der gesamten Allgemeinheit in
Planungs-, Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse einfließen können. Durch den
Dialog erhält die Verwaltung mehr Feedback zu ihrem Handeln und kann vom
Erfahrungswissen der Menschen profitieren. Werden die Bürgerinnen und Bürger und
ihre Beiträge ernstgenommen, können ggf. Fehleinschätzungen der Politik oder der
Verwaltung zu bestimmten Vorhaben rechtzeitig korrigiert werden. Außerdem bergen
die Ideen der Allgemeinheit ein großes Innovationspotenzial für den öffentlichen Sektor.
Positionen und Präferenzen der Betroffenen können vor einer endgültigen staatlichen
Entscheidung erkannt und in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Die
Einbindung der Bevölkerung und der Wirtschaft kann zudem zu einer höheren
Akzeptanz und Legitimation staatlicher Maßnahmen führen und das Verständnis für das
Handeln von Politik und Verwaltung steigern. Werden die Bürgerinnen und Bürger an
der Planung beteiligt, können sie sich besser mit den Projekten identifizieren. Auf
diesem Wege werden häufig auch Hoffnungen mit verstärkter Teilhabe der Bevölkerung
verbunden, das Vertrauen ins politisch-administrative System wiederaufzubauen.
Offene Partizipationsangebote, in denen alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit
haben sich zu beteiligen, in Verbindung mit der großen Reichweite und Interaktivität
des Internets, können außerdem dazu führen, dass bisher unterrepräsentierte Gruppen
besser gehört werden und Interessen so besser ausgeglichen werden können.70 Lösungen
für anstehende gesellschaftliche Probleme können gemeinsam mit Bürgerschaft und
Wirtschaft erarbeitet werden, indem die Beteiligten miteinander interagieren und sich
vernetzen. Für solche Prozesse bietet das Internet besonders gute Voraussetzungen, da
es orts- und zeitunabhängig unter geringem Aufwand von beliebig vielen
Teilnehmerinnen und Teilnehmern genutzt werden kann. 71 Letztendlich erhoffen sich
viele Verwaltungen auch einen Imagegewinn durch den Einsatz elektronischer
Partizipationsmöglichkeiten.72

70
   Vgl. Kubicek / Lippa / Koop 2011: 15; vgl. auch Märker / Wehner 2011: 202 f.;
   vgl. auch Koop 2010: 18 f
71
   Vgl. Mitterhuber 2003: 75
72
   Vgl. Materna GmbH / Hochschule Harz 2011: 33 f.
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