Epidemiologisches Bulletin 6 2022 - RKI

 
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Epidemiologisches Bulletin 6 2022 - RKI
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                   ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH

   6 Epidemiologisches
2022 Bulletin
10. Februar 2022

                   Analyse eines SARS-CoV-2-Ausbruchs in
                   einem Alten- und Pflegeheim | Prävention
                   des SARS-CoV-2-Eintrags in Kitas
Epidemiologisches Bulletin 6 2022 - RKI
Epidemiologisches Bulletin           6 | 2022       10. Februar 2022                                                      2

  Inhalt

  COVID-19-Impfung senkt das Risiko für Infektion, schwere Krankheitsverläufe und Tod –
  Analyse eines SARS-CoV-2-Ausbruchs in einem Alten- und Pflegeheim                                                           3
  Im Mai 2021 kam es in einem Alten- und Pflegeheim in der Oberpfalz zu einem SARS-CoV-2-Ausbruch mit
  einer hohen Anzahl von Impfdurchbrüchen, woraufhin serologische Untersuchungen und epidemiologi-
  sche Daten der Bewohnerinnen und Bewohner und dem Pflegepersonal ausgewertet wurden. Ziel dieser
  Untersuchung war es, das Risiko von Hospitalisierung und Tod bei Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften
  darzustellen.

  Prävention des Eintrags von SARS-CoV-2 in Kitas:
  Erfahrungen aus dem Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, Januar bis März 2021                                                  14
  Das Robert Koch-Institut, das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin und das Gesundheitsamt des
  Bezirks Treptow-Köpenick untersuchten im Rahmen eines Amtshilfeersuchens Faktoren, die möglicherwei-
  se zum Eintrag und zur Übertragung von SARS-CoV-2 in Kitas des Berliner Bezirks im Zeitraum Januar bis
  März 2021 beigetragen haben. Im Beitrag werden Präventionsmaßnahmen und potenzielle Risikofaktoren
  für SARS-CoV-2-Infektionen in Kitas analysiert sowie Einzelfälle und Ausbrüche auf Grundlage der Daten
  des Gesundheitsamtes epidemiologisch ausgewertet. Aus den Erkenntnissen lassen sich anschließend drei
  Handlungsempfehlungen ableiten.

  Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 5. Woche 2022                                                    22

  Impressum
  Herausgeber                                                      Allgemeine Hinweise/Nachdruck
  Robert Koch-Institut                                             Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung:
  Nordufer 20, 13353 Berlin                                        www.rki.de/epidbull
  Telefon: 030 18754 – 0
  E-Mail: EpiBull@rki.de                                           Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise
                                                                   die Meinung des Robert Koch-Instituts wider.
  Redaktion
  Dr. med. Jamela Seedat                                           Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons
  Dr. med. Maren Winkler, Heide Monning (Vertretung)               Namensnennung 4.0 International Lizenz.

  Redaktionsassistenz
  Nadja Harendt
  Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung)
                                                                   ISSN 2569-5266

         Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
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  COVID-19-Impfung senkt das Risiko für Infektion,
  schwere Krankheitsverläufe und Tod
  Analyse eines SARS-CoV-2-Ausbruchs in einem Alten- und
  Pflegeheim

  Zusammenfassung                                                 Infektion durchgemacht hatten, signifikant höhere
  Im Mai 2021 kam es in einem Alten- und Pflegeheim               neutralisierende Antikörperwerte (p < 0,001) im
  in der Oberpfalz zu einem Severe Acute Respiratory             ­Sinne eines Booster-Effekts zeigten.
  Syndrome Coronavirus Type 2-(SARS-CoV-2-)Aus-
  bruch. Obwohl 82 % (123/150) der Bewohnerinnen                 Die Untersuchung zeigt, dass die COVID-19-Imp-
  und Bewohner und des Pflegepersonals vollständig*              fung einen Schutz vor Infektion, schweren Krank-
  gegen Coronavirus Disease 2019 (COVID-19)                      heitsverläufen und Tod darstellt und wie wichtig die
  geimpft waren, gab es mit 64,7 % (97/150) PCR-                 Impfung im Setting Alten- und Pflegeheim zum
  positiv Getesteten einen hohen Anteil an SARS-                 Schutz vulnerabler Bewohnerinnen und Bewohner
  CoV-2-Infektionen.                                             ist. Sie zeigt aber auch, dass trotz erfolgter Impfung
                                                                 nicht auf Infektionsschutzmaßnahmen, wie das Ab-
  In einer umfassenden Untersuchung wurden der                   standhalten, die Einhaltung der Hygieneregeln, das
  Antikörperstatus von 106 der 123 (86,2 %) geimpf-              Tragen von Masken, regelmäßiges Lüften (AHA+L)
  ten Personen, darunter 53 der 70 (75,7 %) Impf-                und repetitive Testungen im Bereich von Alten- und
  durchbrüche, sowie vom Gesundheitsamt übermit-                 Pflegeheimen verzichtet werden sollte, da Infektio-
  telte epidemiologische Daten aller 150 Bewohnerin-             nen und deren Weitergabe auch bei vollständiger
  nen und Bewohner und Mitarbeiterinnen und Mit-                 Impfung möglich sind.
  arbeiter des Alten- und Pflegeheims ausgewertet.

  Eine SARS-CoV-2-Infektion (positive RT-PCR) fand               Einleitung
  sich bei 56,9 % (70/123) der Geimpften, dagegen bei            Im Mai 2021 kam es in einem Alten- und Pflege-
  100 % (27/27) der nicht oder unvollständig Geimpf-             heim in der Oberpfalz trotz hoher Impfquote von
  ten. Auch der Anteil an Hospitalisierten (5/123) und           82 % zu einem gehäuften Auftreten von SARS-
  Verstorbenen (5/123) war mit jeweils 4,1 % unter den           CoV-2-Infektionen (100 % Alpha-Variante). Nach Be-
  Geimpften deutlich geringer als unter den nicht                rechnungen des Robert Koch-Instituts (RKI) konn-
  oder unvollständig Geimpften mit 18,5 % (5/27)                 ten im vergangenen Jahr 27 % der gemeldeten
  Hospitalisierten und 11,1 % (3/27) Verstorbenen.               SARS-CoV-2-Infektionen Ausbruchssituationen zu-
  Auch fanden sich signifikant höhere Viruslasten bei            geordnet werden.1 Einen beträchtlichen Anteil die-
  infizierten Ungeimpften im Vergleich zu infizierten            ser Ausbruchssituationen machten mit 46 % noch
  Geimpften (p = 0,02).                                          zum Jahresbeginn 2021 Alten- und Pflegeeinrich-
                                                                 tungen aus.2
  Insgesamt konnten bei 99,1 % (105/106) der Serum-
  proben, alle von vollständig Geimpften, neutralisie-           Bewohnerinnen und Bewohner aus Alten- und Pfle-
  rende Antikörper nachgewiesen werden, wobei sich               geheimen weisen als vulnerable Gruppe im Ver-
  bei Personen, die nach der Impfung eine natürliche             gleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risi-
                                                                 ko für schwere Krankheitsverläufe sowie ein hohes
                                                                 Mortalitätsrisiko auf. Neben dem erhöhten Alter so-
                                                                 wie vorliegender Komorbiditäten resultiert das er-
  *   Sofern im Text nicht anders bezeichnet, sind mit
      Geimpften immer Personen mit einer vollständigen           höhte Risiko aus dem häufig engen Kontakt sowohl
      Grundimmunisierung gegen COVID-19 gemeint.                 mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern als
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  auch dem Pflegepersonal.3,4,5 Auch gegenüber der           Untersuchungen im Rahmen der ärztlichen Sorg-
  gleichaltrigen Bevölkerung, die nicht in Alten- und        faltspflicht und des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
  Pflegeheimen betreut wird, weisen Bewohnerinnen
  und Bewohner ein deutlich erhöhtes Infektionsrisi-         Ziel dieser Untersuchung war, insbesondere das Ri-
  ko auf. Laut einer kanadischen Studie war das Risi-        siko von Hospitalisierung und Tod bei Geimpften
  ko an COVID-19 zu sterben bei Alten-/Pflegeheim-           im Vergleich zu Ungeimpften darzustellen. Dies
  bewohnerinnen und -bewohnern im Alter von über             umfasste auch die Ermittlung des Antikörperstatus,
  69 Jahren verglichen mit Personen desselben Al-            insbesondere der neutralisierenden Antikörper mit-
  ters, die nicht in entsprechenden Einrichtungen leb-       tels Surrogat-Neutralisationstest, welcher auf der
  ten, um das 13,1-fache erhöht.6 Etwa die Hälfte der        Reduktion der Bindungsfähigkeit zwischen der
  SARS-CoV-2-bezogenen bundesweiten Sterbefälle              ­Rezeptorbindedomäne (RBD) und ACE2-Rezeptor
  sind laut einer Studie zur Langzeitpflege in Deutsch-       (verantwortlich für die Virusaufnahme in die Wirts-
  land betreute Personen in Pflegeheimen.7                    zelle) basiert, um Hinweise auf die Notwendigkeit
                                                              einer Auffrischimpfung im Herbst 2021 zu erhalten.
  Auch das Personal in Alten- und Pflegeeinrichtun-
  gen weist ein im Vergleich zur Allgemeinbevölke-
  rung sechsfach erhöhtes SARS-CoV-2-Infektions­             Methodik
  risiko auf.7 Zudem besteht das Risiko, dass eine           Probensammlung und Zusammensetzung
  beim Personal unbemerkt ablaufende Infektion un-           der Kohorte
  wissend auf Bewohnerinnen und Bewohner über-               Im Zeitraum vom 02.05. – 06.06.2021 wurden in
  tragen wird, da aufgrund des im Rahmen pflegeri-           dem betroffenen Alten- und Pflegeheim im Rah-
  scher Tätigkeiten erforderlichen engen körperlichen        men eines Ausbruchsgeschehens insgesamt 150
  Kontaktes Infektionsschutzmaßnahmen nicht im-              Personen, darunter 121 Bewohnerinnen und Bewoh-
  mer lückenlos eingehalten werden können.8 Auch             ner und 29 Angestellte, mittels PCR getestet. 82 %
  zum Screening eingesetzte Antigen-Schnelltests/            (n = 123) der 150 Personen waren vollständig mit
  -Selbsttests bieten keine hundertprozentige Sicher-        Comirnaty geimpft. Impftermine: erste Impfung:
  heit, denn gerade in der frühen Phase der Infektion        11./16.01., zweite Impfung: 06.02. Am 07.06.2021
  sind falsch negative Testergebnisse möglich.9              wurden durch mobile Teams des Bayerischen Lan-
                                                             desamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicher-
  Diese Problematik fand auch bei der Impfpriorisie-         heit (LGL) vor Ort nach Aufklärung und schrift­
  rung in Deutschland Berücksichtigung, nach der an          licher Einwilligung jeweils 7,5 ml Blut von 106
  erster Stelle Personen ab einem Alter von 80 Jahren,       Geimpften zur Antikörperbestimmung entnom-
  Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pfle-            men, umgehend an das LGL transportiert und bis
  geheimen sowie Beschäftigte, die in Kontakt mit            zur Verwendung bei 7°C gelagert. Zu allen Personen
  den betreuten Personen stehen, ein Impfangebot er-         wurden Daten wie Infektions- und Impfstatus,
  halten sollten.8                                           ­Alter, Geschlecht, Ct-Werte und Notwendigkeit ei-
                                                              ner Krankenhauseinweisung bzw. Tod als Folge von
  Im untersuchten Alten- und Pflegeheim wurde be-             COVID-19 erhoben. Die RT-PCR (Zielgen ORF)
  reits im Januar 2021 ein Impfangebot unterbreitet,          wurde in einem externen Labor durchgeführt. Die
  das von knapp 88 % der Bewohnerinnen und Be-                Ct-Werte wurden als Korrelat für die Viruslast heran-
  wohner und 59 % der Beschäftigten angenommen                gezogen, dabei ist der Ct-Wert umso höher, je nie­
  wurde. Da trotz hoher Impfquote von insgesamt               driger die Viruslast ist. Zu beachten ist hierbei, dass
  82 % bei diesem Ausbruchsgeschehen hohe SARS-               diese nicht als unmittelbar vergleichbare Werte ver-
  CoV-2-Infektionsraten, teils mit hohen Viruslasten,         wendet werden sollten, da sie je nach Labor und Me-
  verzeichnet wurden und nach Kenntnisstand zum               thode variieren können.
  Zeitpunkt des Ausbruchs noch unklar war, in wel-
  chem Ausmaß die Impfung eine Weitergabe des                Bestimmung des Antikörperstatus
  ­Virus verhindern kann, war die hohe Anzahl an             Es wurden ein SARS-CoV-2 IgG Lineblot (Mikrogen
   Impfdurchbrüchen Anlass für Ermittlungen und              GmbH, Neuried, Deutschland) zum Nachweis von
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  IgG-Antikörpern gegen SARS-CoV-2 S1, RBD und N                   Unterschiede der Viruslast (gemessen als Ct-Werte)
  sowie ein Surrogat-Neutralisationstest (cPass SARS-              zwischen Geimpften und nicht oder unvollständig
  CoV-2 Neutralization Antibody Detection Kit (Gene-               Geimpften wurden statistisch gegenüber der Null­
  script, Nanjing City, China)) zum Nachweis neutra-               hypothese (kein Unterschied) überprüft. Da die ge-
  lisierender Antikörper jeweils nach Herstelleranga-              messenen Antikörper- sowie Ct-Werte keiner Nor-
  ben durchgeführt und ausgewertet.                                malverteilung folgen, wurde zur Bestimmung sta-
                                                                   tistischer Unterschiede zwischen positiv und ne­
  Statistische Datenanalyse                                        gativ auf SARS-CoV-2 Getesteten sowie zwischen
  Zur Analyse und Visualisierung der epidemiologi-                 Geimpften und nicht oder unvollständig Geimpften
  schen Daten wurde SPSS Version 25 und für die                    der parameterfreie Wilcoxon-Rangsummentest ver-
  serologischen Daten Python 3.8.8 verwendet.                      wendet. Korrelationen wurden entsprechend mittels
                                                                   Spearman-Rank-Korrelation untersucht. In allen
  Die epidemiologische Analyse erfolgte überwiegend                Berechnungen wurde ein Signifikanzniveau von
  deskriptiv. Die Ungeimpften und die nur einmal                   α = 0,05 verwendet.
  geimpfte Person wurden für die Untersuchungen in
  der Gruppe „nicht oder unvollständig Geimpfte“ zu-
  sammengefasst. Um die Risiken für bestimmte Pa-                  Ergebnisse
  rameter wie Infektion, Hospitalisierung oder Tod                 Im Rahmen der Ausbruchsermittlungen wurden
  zwischen Geimpften und nicht oder unvollständig                  alle 150 Personen erfasst und ihr Impfstatus und ak-
  Geimpften zu vergleichen, wurden Relative Risiken                tueller Infektionsstatus mittels SARS-CoV-2-spezifi-
  (RR) mit 95 %-Konfidenzintervallen (KI) berechnet.               scher PCR festgehalten. Von 106 der 123 geimpften
  Des Weiteren wurde die Impfeffektivität als prozen-              Personen (86,2 %) konnten Serumproben gewon-
  tualer Unterschied der Inzidenzrate zwischen den                 nen werden (s. Abb. 1).
  vollständig und den nicht oder unvollständig
  Geimpften bestimmt.

                                               Insgesamt 150 Personen (Bewohnerinnen/Bewohner und Personal)

                                                 82% geimpft                           18% nicht oder unvollständig
                                                  (123/150)                                 geimpft (27/150)
          106 Serumproben
             vorhanden

                                         56,9% der Geimpften                        100% der nicht oder unvollständig
    50% (n=53)        50% (n=53)         PCR-positiv (70/123)                        Geimpften PCR-positiv (27/27)
    PCR-negativ       PCR-positiv

                              5,7% der geimpften Infizierten hatten             22,2% der nicht/unvollständig geimpften
                              schweren Verlauf mit Hospitalisierung              Infizierten hatten schweren Verlauf mit
                                     und/oder Tod (7/123)                         Hospitalisierung und/oder Tod (6/27)

  Abb. 1 | Übersicht zur Ausbruchsermittlung, aufgeteilt nach Geimpften und nicht oder unvollständig Geimpften, SARS-CoV-2-
  Ausbruch im Alten- und Pflegeheim Mai 2021 in der Oberpfalz, Untersuchung des LGL Bayern
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  Untersucht wurden 96 % (n = 144) Frauen und 4 %              notwendig war. Von insgesamt 150 untersuchten Be-
  (n = 6) Männer. Das Durchschnittsalter lag bei 79,4          wohnerinnen und Bewohnern sowie Personal
  Jahren (Spanne: 17 – 99 Jahre). Den größten An-              mussten 6,7 % (n = 10) PCR-Positive hospitalisiert
  teil machte mit 52 % die Altersklasse der 80 – 89-           werden (4,3 % (1/23) der < 60-Jährigen, 9,0 % (7/78)
  Jährigen aus, gefolgt von der Altersklasse der 90 –          der 80 – 89-Jährigen, 6,7 % (2/30) der 90 – 99-Jähri-
  99-Jährigen mit 20 %. Den geringsten Anteil mach-            gen). Der Anteil der Hospitalisierten unter den
  ten die 60 – 69-Jährigen mit 4,7 % aus (s. Abb. 2A).         Geimpften war mit 4,1 % (5/123) deutlich geringer
                                                               als unter den nicht oder unvollständig Geimpften
  Von den 150 Personen waren 82 % (n = 123) vollstän-          mit 18,5 % (5/27) (s. Abb. 2C). Hier ergibt sich im
  dig, 0,7 % (n = 1) einmal und 17,3 % (n = 26) nicht          ­untersuchten Alten- und Pflegeheim ein Relatives
  geimpft. Unter den 70 – 79-Jährigen war der Anteil            Risiko der nicht oder unvollständig Geimpften von
  der vollständig Geimpften mit 91,7 % am höchsten.             RR = 4,6 (95 % KI: 1,4 – 14,6) für eine Hospitalisie-
                                                                rung im Vergleich zu den Geimpften.
  Insgesamt wurden mittels PCR 64,7 % (97/150) der
  Bewohnerinnen und Bewohner sowie des Personals               Verstorben sind 5,3 % (8/150), ausschließlich Be-
  des Alten- und Pflegeheims positiv auf SARS-CoV-2            wohnerinnen im Alter von 83 – 99 Jahren, darunter
  getestet. Unter den nicht oder unvollständig                 62,5 % (n = 5) Geimpfte und 37,5 % (n = 3) nicht oder
  Geimpften waren 100 % (27/27) in der PCR SARS-               unvollständig Geimpfte. Fünf der insgesamt acht
  CoV-2-positiv, während unter den Geimpften 56,9 %            Verstorbenen sind im Krankenhaus verstorben, die
  (70/123) PCR-positiv waren (s. Abb. 2B). Hierbei er-         anderen drei Personen (eine Person nicht und zwei
  gibt sich in dem untersuchten Setting ein Relatives          Personen vollständig geimpft) verstarben ohne vor-
  Risiko der nicht oder unvollständig Geimpften von            herige Hospitalisierung in der Einrichtung. Auch
  RR = 1,76 (95 % KI: 1,51 – 2,05) im Vergleich zu den         hier war der Anteil der Verstorbenen unter den
  Geimpften für eine SARS-CoV-2-Infektion. Daraus              Geimpften mit 4,1 % (5/123) geringer als der Anteil
  resultiert eine Impfeffektivität von 43,1 %.                 der Verstorbenen unter den nicht oder unvollstän-
                                                               dig Geimpften mit 11,1 % (3/27) (s. Abb. 2C). Hier er-
  In der Altersklasse < 60 Jahren war der Anteil nicht         gibt sich im untersuchten Ausbruchsgeschehen ein
  oder unvollständig Geimpfter mit 47,8 % (11/23) mit          Relatives Risiko der nicht oder unvollständig
  Abstand am höchsten. In dieser Altersklasse war der          Geimpften von RR = 2,7 (95 % KI: 0,7 – 10,8) an einer
  Anteil an geimpften Infizierten mit 8,7 % deutlich           SARS-CoV-2-Infektion zu versterben im Vergleich
  geringer als an geimpften nicht Infizierten mit              zu den Geimpften.
  43,5 %. Die Altersklasse < 60 Jahren bestand zu
  95,7 % (22/23) aus Personal. Insgesamt war unter             Werden bei der Berechnung der Relativen Risiken
  dem Personal (n = 29) eine Impfquote von 58,6% zu            als Subgruppenanalyse nur die mittels PCR nach-
  verzeichnen. Die Altersklasse 60 – 69 Jahre setzte           weislich Infizierten betrachtet, ergeben sich für
  sich nur aus Personal zusammen (n = 7). Hier waren           nicht oder unvollständig Geimpfte Relative Risiken
  85,7% (6/7) vollständig geimpft. Es ist auffällig, dass      von RR = 2,6 (95 % KI: 0,8 – 8,2) für eine Hospitali-
  der Anteil der Infizierten unter den Geimpften ab            sierung und von RR = 1,6 (95 % KI: 0,4 – 6,1) an einer
  dem Alter von 70 Jahren mit zunehmendem Alter                SARS-CoV-2-Infektion zu versterben im Vergleich
  anstieg. In der Altersklasse von 70 – 79 Jahren waren        zu den Geimpften.
  25% (3/12) geimpft und infiziert, wohingegen in der
  höchsten Altersklasse von 90 – 99 Jahren 63,3%               Die Ct-Werte aller 97 PCR-positiven Personen lagen
  (19/30) geimpft und infiziert waren (s. Abb. 2A).            zwischen 14,6 und 33,2, der durchschnittliche Ct-
                                                               Wert war 22,2. Auffällig ist, dass 45,4% (44/97) der
  Der Großteil der untersuchten SARS-CoV-2-Infi-               positiv Getesteten sehr niedrige Ct-Werte ≤ 20 und
  zierten (89,7 %, 87/97), insbesondere alle PCR-              damit sehr hohe Viruslasten aufwiesen. Nur 8,2%
  Positiven in der Altersklasse von 60 – 79 Jahren             (8/97) zeigten Ct-Werte über 30 (= geringe Virus-
  (n = 5), hatte einen milden oder asymptomatischen            last).
  Verlauf, bei dem keine Krankenhausbehandlung
Epidemiologisches Bulletin             6 | 2022          10. Februar 2022                                                           7

                    n = 23 (15,3 %)    n = 7 (4,7 %)   n = 12 (8,0 %)   n = 78 (52,0 %)   n = 30 (20,0 %)

  Abb. 2 | (A) Anteil Geimpfter (aufgeteilt nach infiziert und nicht infiziert) und nicht oder unvollständig Geimpfter (alle infiziert) in
  den verschiedenen Altersgruppen, (B) Anteil SARS-CoV-2-Infizierter (PCR-positiv) nach Impfstatus, (C) Anteil der SARS-CoV-2-
  infizierten (PCR-positiv) Hospitalisierten und Verstorbenen nach Impfstatus, SARS-CoV-2-Ausbruch im Alten- und Pflegeheim
  Mai 2021 in der Oberpfalz, Untersuchung des LGL Bayern

  Bei Betrachtung der Ct-Werte nach Impfstatus wird                      ­ iruslast), während in der Kategorie mit Ct-Werten
                                                                         V
  deutlich, dass der Anteil der Personen mit hoher                       > 30 (n = 8) nur noch Geimpfte vertreten waren
  ­Viruslast unter den Geimpften signifikant niedriger                   (s. Abb. 3A).
   (p = 0,02) ist als unter den nicht oder unvollständig
   Geimpften. Der größte Anteil an nicht oder unvoll-                    Es zeigte sich eine leichte, nicht signifikante Korre-
   ständig Geimpften befand sich mit 36,4 % (16/44)                      lation (r = 0,15; p = 0,14) zwischen dem Lebensalter
   in der Kategorie mit Ct-Werten ≤ 20 (sehr hohe                        und den Ct-Werten, wobei Infizierte < 60 Jahren,
Epidemiologisches Bulletin           6 | 2022         10. Februar 2022                                                       8

  unter denen viele nicht geimpft waren, tendenziell                 Aufgrund bisher fehlender Kenntnis, inwiefern von
  hohe Viruslasten hatten (s. Abb. 3B).                              klassischen Antikörpernachweisen auf eine neutra-
                                                                     lisierende Wirkung gegen SARS-CoV-2 geschlossen
  Serologische Ergebnisse der Geimpften                              werden kann, wurden die Korrelationen der durch-
  Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 106 Ser-                      geführten Antikörpertests mit dem cPass Surrogat-
  umproben, ausschließlich von Geimpften, auf                        Neutralisationstest untersucht. Unter Einbeziehung
  SARS-CoV-2-Antikörper (N-Protein, S1-Protein,                      aller untersuchten Personen korrelierten die gemes-
  RBD und neutralisierende Antikörper) untersucht                    senen Antikörper gegen alle drei Antigene moderat
  (s. Abb. 4A und B). 53 dieser 106 Personen waren                   aber signifikant mit dem Surrogat-Neutralisations-
  PCR-positiv.                                                       test (N-Protein: r = 0,43; p < 0,001, S1-Protein: r = 0,54;
                                                                     p < 0,001, RBD: r = 0,59; p < 0,001 (Abb. 4C)). Bei rei-
  Alle untersuchten Personen hatten Antikörper ge-                   ner Betrachtung der PCR-Negativen war sowohl für
  gen die S1-Untereinheit des Spike-Proteins (im Wei-                α-S1- (r = 0,64, p < 0,001) als auch α-RBD-Antikörper
  teren als α-S1-Antikörper bezeichnet) und bis auf                  (r = 0,71, p < 0,001) eine deutliche Korrelation zu be-
  eine Person auch Antikörper gegen die RBD                          obachten. Dies ist dadurch zu erklären, dass die für
  (α-RBD-Antikörper) gebildet. Diese Antikörper kön-                 PCR-Positive gemessenen neutralisierenden Anti-
  nen sowohl nach Impfung als auch nach natürlicher                  körper-Werte nahezu alle an der Nachweisobergren-
  Infektion nachweisbar sein. Antikörper gegen das                   ze liegen.
  Nukleokapsid-Protein (α-N-Antikörper), das nicht
  Teil der Impfung ist, waren bei keinem der PCR-
  negativ getesteten Geimpften nachweisbar.                          Diskussion
                                                                     Die vertiefte Ausbruchsuntersuchung von COVID-19-
  Bei 99,1% (105/106) der Geimpften konnten neu­                     Erkrankungen in einem Alten- und Pflegeheim in
  tralisierende Antikörper nachgewiesen werden. So-                  der Oberpfalz im Mai 2021 beschäftigte sich mit
  wohl neutralisierende Antikörper (p < 0,001) als auch              ­potenziellen Unterschieden in Parametern wie In-
  α-S1- (p < 0,001) und α-RBD-Antikörper (p < 0,001)                  fektionsstatus, Höhe der Viruslast, Hospitalisierung
  waren bei Personen, bei denen nach der Impfung                      und Tod zwischen Geimpften und nicht Geimpften
  eine natürliche Infektion nachgewiesen wurde, sig-                  sowie mit dem Antikörperstatus nach vollständiger
  nifikant höher als bei nicht Infizierten.                           Impfung. Darüber hinaus wurde ein möglicher

 A
 A                                                            B
                                                              B

  Abb. 3 | (A) Anteil an Personen in verschiedenen Ct-Wert-Bereichen nach Impfstatus, (B) Verteilung der Ct-Werte nach Alter bei
  geimpften Infizierten (n = 70) und nicht oder unvollständig geimpften Infizierten (n = 27), SARS-CoV-2-Ausbruch im Alten- und
  Pflegeheim Mai 2021 in der Oberpfalz, Untersuchung des LGL Bayern
Epidemiologisches Bulletin             6 | 2022          10. Februar 2022                                                            9

  Abb. 4 | Messwerte der durchgeführten Antikörperteste (n = 106 Proben von Geimpften), unterteilt nach gesicherter Infektion
  (PCR-positiv)(dunkelblau, n = 53) und keine Infektion nachgewiesen (PCR-negativ)(hellblau, n = 53). Wilcoxon-Rangsummentest
  mit *: p < 0,05, **: p < 0,01, ***: p < 0,001. Gestrichelte Linien repräsentieren den Test cut-off. (A) Lineblot IgG, (B) Surrogat-Neut-
  ralisationstest, (C) Korrelation neutralisierender Antikörper (Surrogat-Neutralisationstest) mit α-RBD Antikörpern (Lineblot),
  Spearman Rank Korrelationskoeffizient r = 0,59 (p < 0,001) (gesamt), r = 0,71 (p < 0,001) (keine Infektion) und r = 0,19 (p = 0,17)
  (gesichert), SARS-CoV-2-Ausbruch im Alten- und Pflegeheim Mai 2021 in der Oberpfalz, Untersuchung des LGL Bayern

  Booster-Effekt nach Impfung durch eine nachfolgen-                     zwar hohe Infektionsraten zu verzeichnen waren,
  de natürliche Infektion untersucht.                                    jedoch das Infektionsrisiko, die Viruslast, die Schwe-
                                                                         re der Infektion sowie das Sterberisiko durch die
  Der im Zuge des Ausbruchsgeschehens beobachte-                         Impfung reduziert waren. Bei den nicht oder unvoll-
  te hohe Anteil an SARS-CoV-2-Infektionen trotz                         ständig Geimpften war das Risiko für eine SARS-
  vollständiger Impfung und die beobachteten Krank-                      CoV-2-Infektion um 76 Prozentpunkte erhöht im
  heitsverläufe der Infizierten machen deutlich, dass                    Vergleich zu den Geimpften. Außerdem hatten die
  im beschriebenen Setting trotz hoher Impfquote                         nicht oder unvollständig Geimpften ein im Ver-
Epidemiologisches Bulletin       6 | 2022        10. Februar 2022                                             10

  gleich zu Geimpften 4,6-fach erhöhtes Risiko hos-            rigen zu 96 % und die 75-Jährigen zu 91 % vor einer
  pitalisiert zu werden und ein 2,7-fach erhöhtes Risi-        Hospitalisierung.11
  ko an COVID-19 zu versterben.
                                                               Dass gleichzeitig das Hospitalisierungs- und Mor-
  Bei diesen Risikoschätzungen sind Verzerrungen               talitätsrisiko durch eine SARS-CoV-2-Infektion in
  im Sinne eines differenziellen Selektionsbias des            Alten- und Pflegeheimen vor Bestehen einer Impf-
  Impfstatus nach Altersgruppen anzunehmen. Da                 möglichkeit deutlich höher war, zeigt eine Studie,
  überwiegend Personen der Altersklasse unter                  die im März 2020 den ersten bekannten SARS-
  60  Jahren nicht geimpft waren und zudem das be-             CoV-2-Ausbruch in einem Altenheim in Illinois un-
  rufstätige Personal in dieser Altersgruppe überwog           tersuchte. Dabei wurden 126 Bewohnerinnen und
  (Healthy Worker-Effekt), sind die Risiken für Hospi-         Bewohner mittels PCR getestet und über 30 Tage
  talisierung und Tod bezogen auf die hypothetische            beobachtet. Im Laufe der 30 Tage wurden 37 % der
  Grundgesamtheit der Alten- und Pflegeheimbewoh-              positiv Getesteten hospitalisiert und 29 % verstar-
  nerinnen und -bewohner wahrscheinlich höher als              ben.12 Im Vergleich zur vorliegenden Untersuchung
  hier angegeben. Aufgrund fehlender Kenntnis der              mit einem Hospitalisierungsanteil von 10,3 % und
  individuellen Risikosituationen (z. B. Zimmerbele-           einer Mortalität von 8,2 % unter allen Infizierten
  gung, Kontaktmöglichkeiten, Vorerkrankungen)                 (bzw. jeweils 7,1 % unter den vollständig geimpften
  konnten neben dem Impfstatus keine weiteren Fak-             Infizierten) sind diese Anteile deutlich höher.
  toren berücksichtigt werden, weshalb die berechne-
  ten Risiken nur unter Vorbehalt des Einflusses wei-          Bei der Interpretation der Ergebnisse muss berück-
  terer potenzieller Risikofaktoren interpretiert wer-         sichtigt werden, dass die untersuchte Stichprobe
  den können. Da nur unvollständige Daten zu Vorer-            eine Größe von 150 Personen, darunter 121 Bewoh-
  krankungen, Symptomen und Krankheitsschwere                  nerinnen und Bewohner und 29 Mitarbeiterinnen
  vorlagen, konnten nur Unterteilungen in „nicht               und Mitarbeiter, hatte. Neben systematischen Selek-
  hospitalisiert“, „hospitalisiert“ und „verstorben“ vor-      tionseffekten der Belegung eines einzelnen Alten-
  genommen werden, woraus sich einige weitere Ein-             und Pflegeheimes sind auch Zufallseinflüsse auf
  schränkungen ergeben. So wurden die drei ohne                Wohnbevölkerung und Personal zu berücksichti-
  vorherige Hospitalisierung Verstorbenen den Ver-             gen, weshalb die Ergebnisse nicht ohne Weiteres
  storbenen zugerechnet, nicht jedoch den Hospitali-           auf andere Alten- und Pflegeeinrichtungen oder so-
  sierten. Hierbei ist zu bedenken, dass sie aufgrund          gar auf die Allgemeinbevölkerung übertragen wer-
  von möglicherweise schweren Symptomen bei ei-                den können. Dies könnte einerseits dazu geführt
  nem anderen Behandlungsansatz auch den Hospi-                haben, dass mögliche Unterschiede bzw. signifikan-
  talisierten hätten zugerechnet werden können. Da             te Zusammenhänge hier nicht aufgedeckt wurden,
  zwei der drei Personen geimpft waren, hätte dies bei         andererseits hier entdeckte signifikante Unterschie-
  den nicht oder unvollständig Geimpften im Ver-               de bzw. Zusammenhänge in der Grundgesamtheit
  gleich zu den Geimpften nur noch ein 3,9-fach er-            nicht in dieser Ausprägung vorhanden sind.
  höhtes Risiko für eine Hospitalisierung ergeben.
                                                               Im untersuchten Alten- und Pflegeheim wurde das
  Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen               Impfangebot vom Personal mit einer Impfquote
  sind in ihrer Grundaussage mit anderen publizier-            von 58,6 % schlechter angenommen als unter den
  ten Untersuchungen konsistent. Eine Studie zur Ef-           Bewohnerinnen und Bewohnern mit 87,6 %.
  fektivität des Impfstoffs Comirnaty bei Pflegeheim-
  bewohnerinnen und -bewohnern ab 65 Jahren fand               Dies ist nicht konsistent mit der hohen Impfbereit-
  nach vollständiger Impfung einen 88 %igen Schutz             schaft, die im März/April 2021 in einer Online-
  vor Hospitalisierung und 97 %igen Schutz vor Tod.10          Umfrage des Universitätsklinikums Hamburg-
  In einer weiteren Studie, die Daten von 7.280 Pati-          Eppendorf bei Beschäftigten in der Gesundheits-
  entinnen und Patienten mit Impfdaten aus nationa-            und Wohlfahrtspflege festgestellt wurde. Die Um-
  len Impfdatenbanken analysierte, schützte die voll-          frage ergab eine Impfquote von 75 % unter dem
  ständige Impfung mit Comirnaty die 65 – 74-Jäh­              Pflegepersonal, wobei die Quote mit 81 % in der Al-
Epidemiologisches Bulletin      6 | 2022       10. Februar 2022                                               11

  tenpflege sogar noch höher lag. Nur 10 % der Pfle-         Bei keinem der negativ getesteten Geimpften konn-
  gekräfte waren nicht bereit sich impfen zu lassen.13       ten α-N-Antikörper nachgewiesen werden. Da aber
  Umfragen unter intensivmedizinischem Pflegeper-            auch in der Gruppe der gesichert Infizierten nur
  sonal zeigen, dass die Impfbereitschaft der Pflegen-       30,8 % (16/52) α-N-Antikörper gebildet hatten, kann
  den von 49,6 % im Dezember 2020 auf 70,7 % im              nicht komplett ausgeschlossen werden, dass in der
  Februar 2021 anstieg.14 Möglicherweise lässt sich die      Vergangenheit Kontakt mit SARS-CoV-2 bestand, je-
  Diskrepanz zwischen dem Umfrageergebnis vom                doch keine α-N-Antikörper gebildet wurden, ein
  März und der in unserer Untersuchung beobachte-            Kontakt so weit zurücklag, dass die Antikörper be-
  ten Impfquote des Personals, das im Januar ein             reits abgebaut wurden oder so kurz vor der Blutab-
  Impfangebot erhalten hatte, mit der in dem Zeit-           nahme stattfand, dass noch keine Antikörper gebil-
  raum gewachsenen Akzeptanz der Impfung erklä-              det werden konnten (dies ist der Fall bei drei der ge-
  ren. Berücksichtigt werden muss zudem, dass die            sichert Infizierten). Dennoch bietet die Tatsache,
  Angaben in Online-Umfragen nicht überprüfbar               dass keiner der PCR-Negativen α-N-Antikörper auf-
  sind und ein Bias durch erhöhte Teilnahmebereit-           wies, einen Hinweis dafür, dass das aktuelle Aus-
  schaft von Personen, die sich für das Thema inter-         bruchsgeschehen gut nachverfolgt wurde und
  essieren und die Impfung befürworten, nicht aus-           scheinbar alle Infektionen mittels PCR-Testung
  geschlossen werden kann.                                   identifiziert wurden.

  Da für den Großteil der ungeimpften jüngeren Per-          Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die Imp-
  sonen hohe Viruslasten (Ct < 25) beobachtet wur-           fung mit Comirnaty sehr zuverlässig vor schweren
  den, ist eine Impfung gerade auch in dieser Perso-         Verläufen schützt, aber nur eingeschränkt vor einer
  nengruppe für das Setting Alten-/Pflegeheim wich-          SARS-CoV-2-Infektion. Es ist zu berücksichtigen,
  tig, um eine SARS-CoV-2-Übertragung auf die dorti-         dass trotz hoher, herstellerabhängig leicht variieren-
  gen besonders vulnerablen Personen zu reduzieren.          der Impfeffektivität der in Deutschland zugelasse-
  Die beobachtete niedrige Impfquote beim Pflegeper-         nen COVID-19-Impfstoffe keine Impfung zu 100 %
  sonal zeigt, dass weiterhin eine allgemeine Aufklä-        wirksam ist. Bei einem gewissen Teil der Geimpften
  rung bezüglich der Impfung stattfinden muss, in            kommt es zu einer schwächeren Immunantwort
  der neben dem allgemeinen Sinn und der Funk­               mit unzureichender Schutzwirkung, häufiger mit
  tionsweise auch die besondere Bedeutung der Imp-           steigendem Alter, weshalb Impfdurchbrüche insbe-
  fung für eine Übertragung auf die zu betreuenden           sondere auch im höheren Lebensalter zu erwarten
  Personen kommuniziert wird. Insbesondere in den            sind. Dies bedeutet, dass über die Zeit mit einem
  Alten- und Pflegeeinrichtungen selbst, aber auch im        zunehmenden Anteil Geimpfter in der Bevölkerung
  ambulanten oder im nichtprofessionellen Pflegebe-          wahrscheinlich auch die Anzahl an Impfdurchbrü-
  reich, ist dies im Rahmen des Pandemiegeschehens           chen weiter steigen wird und sich damit der Anteil
  dringend erforderlich.                                     an Personen, die sich bei gegebener vollständiger
                                                             Immunisierung mit SARS-CoV-2 infizieren, ggf. an
  Die serologischen Untersuchungen zeigen, dass              COVID-19 erkranken und womöglich auch hospita-
  alle geimpften Personen α-S1-Antikörper und alle           lisiert werden, erhöht.
  bis auf eine Person α-RBD-Antikörper sowie neutra-
  lisierende Antikörper gebildet hatten. Diese Immun­        Zudem muss das Alter als konfundierende Variable
  antwort fiel bei infizierten Geimpften signifikant         bei der Bewertung Berücksichtigung finden. So ist
  stärker aus als bei nicht infizierten Geimpften, was       derzeit in höheren Altersgruppen der Anteil
  auf eine durch die natürliche Infektion verstärkte         Geimpfter vergleichsweise hoch. Gleichzeitig haben
  Immunantwort hinweist. Dies legt nahe, dass Al-            ältere Personen ein deutlich höheres Risiko für
  ten- und Pflegeheimbewohnerinnen und -bewoh-               schwere COVID-19-Verläufe, die ggf. zu einer Hos-
  ner von einer dritten (Booster-)Impfung profitieren        pitalisierung führen.
  könnten.
                                                             Zwar war der Anteil an Personen mit hoher Virus-
                                                             last unter den nicht oder unvollständig Geimpften
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  deutlich höher als unter den Geimpften, nichts­              auch der Besucherinnen und Besucher die allge-
  destotrotz waren auch unter den Geimpften sehr               meinen Schutzmaßnahmen wie Abstandhalten, die
  hohe Viruslasten nachweisbar, weshalb davon aus-             Einhaltung der Hygieneregeln, das Tragen von Mas-
  zugehen ist, dass auch Geimpfte infektiös sein kön-          ken, regelmäßiges Lüften und repetitive Testungen
  nen. Aus diesem Grund sollten zum Schutz der                 aufrechterhalten werden. Dies gilt verstärkt in An-
  häufig immungeschwächten und damit vulnerablen               betracht neuer Varianten mit erhöhtem Übertra-
  Gruppe der Alten- und Pflegeheimbewohnerinnen                gungsrisiko, wie der seit Anfang des Jahres in
  und -bewohner auch nach vollständiger Impfung                Deutschland vorherrschenden Omikron-Variante.15
  sowohl der Bewohnerinnen und Bewohner, der dort
  angestellten Beschäftigten aller Berufsgruppen, als

  Literatur                                                    5 Pineles L, Perencevich EN, Roghmann M-C et al.:
  1   Buda S, an der Heiden M, Altmann D et al.:                    Frequency of nursing home resident contact with
      Infek­tionsumfeld von erfassten COVID-19-Aus­                 staff, other residents, and the environment outside
      brüchen in Deutschland. Epid Bull 2020;38:3-12.               resident rooms. Infect Control Hosp Epidemiol
      DOI: 10.25646/7093                                            2019; 40: 815–16. DOI: 10.1017/ice.2019.117

  2 Robert Koch-Institut: Täglicher Lagebericht des RKI        6 Fisman DN, Bogoch I, Lapointe-Shaw L et al.:
      zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19).                    Risk Factors Associated With Mortality Among
      13.07.2021 – Aktualisierter Stand für Deutschland.            Resi­dents With Coronavirus Disease 2019
      https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti-                (COVID-19) in Long-term Care Facilities in Ontario,
      ges_Coronavirus/Situationsberichte/Jul_2021/2021-             Canada. JAMA Network Open 2020; 3(7): e2015957.
      07-13-de.pdf?__blob=publicationFile [abgerufen am             DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2020.15957
      11.08.2021]
                                                               7 Wolf-Ostermann K, Rothgang H, Domhoff D et al.:
  3 Vygen-Bonnet S, Koch J, Bogdan C et al.: Beschluss              Zur Situation der Langzeitpflege in Deutschland
      der STIKO zur 1. Aktualisierung der COVID-19-                 während der Corona-Pandemie – Ergebnisse einer
      Impfempfehlung und die dazugehörige wissen-                   Online-Befragung in Einrichtungen der (teil)statio-
      schaftliche Begründung. Epid Bull 2021;2:3-71.                nären und ambulanten Langzeitpflege. Bremen:
      DOI: 10.25646/7820.2                                          Institut für Public Health und Pflegeforschung
                                                                    (IPP), SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit
  4 Williamson EJ, Walker AJ, Bhaskaran K et al. Factors            und Sozialpolitik; 2020. https://www.socium.
      associated with COVID-19-related death using                  uni-bremen.de/ueber-das-socium/mitglieder/
      OpenSAFELY. Nature 2020; 584: 430–36. DOI:
      10.1038/s41586-020-2521-4
Epidemiologisches Bulletin         6 | 2022        10. Februar 2022                                                      13

     heinz-rothgang/projekte/laufende-projekte/?pro-             15 Robert Koch-Institut: Wöchentlicher Lagebericht
     j=644&print=1 [abgerufen am 11.08.2021]                            des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019
                                                                        (COVID-19). 20.01.2022 – Aktualisierter Stand für
  8 Bundesminsterium für Gesundheit: Verordnung                         Deutschland. https://www.rki.de/DE/Content/InfA-
     zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das                           Z/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/
     Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverord-                    Wochenbericht/Wochenbericht_2022-01-20.pdf?__
     nung – CoronaImpfV). https://www.bundesgesund-                     blob=publicationFile [abgerufen am 27.01.2022]
     heitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Down-
     loads/C/Coronavirus/Verordnungen/Corona-
     ImpfV_BAnz_AT_11.03.2021_V1.pdf [abgerufen am               Autorinnen und Autoren
     11.08.2021]                                                 a)
                                                                    Heidi Lahne* | a) Andreas Grahl* | a) Barbara I. Streibl* |
                                                                 b)
                                                                    Dr. Christa Büchl | b) Dr. Marco Damzog | b) Stefan
  9 Corman VM, Haage VC, Bleicker T et al.: Compa­
                                                                 Gärtner | a) Dr. Bernhard Hobmaier | a) Dr. Martin Hoch |
     rison of seven commercial SARS-CoV-2 rapid point-           a)
                                                                    Dr. Sabrina Jungnick | a) Dr. Katharina Katz | b) Liane
     of-care antigen tests: a single-centre laboratory
                                                                 Laubert | b) Dr. Barbara Schutt | a) Dr. Cornelia Seidl |
     evaluation study. Lancet Microbe. 2021 Jul;                 b)
                                                                    Dr. Karen Zilch | a) Prof. Dr. Manfred Wildner |
     2(7):e311-e319. DOI: 10.1016/S2666-5247(21)00056-           a)
                                                                    Prof. Dr. Bernhard Liebl | a) Dr. Nikolaus Ackermann |
                                                                 a)
  10 Mazagatos C, Monge S, Olmedo C et al.: Working
                                                                    Prof. Dr. Dr. Andreas Sing | a) Dr. Volker Fingerle
     Group for the surveillance and control of COVID-19          a) 
                                                                      Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebens-
     in Spain. Effectiveness of mRNA COVID-19                         mittelsicherheit
     vaccines in preventing SARS-CoV-2 infections and            b) 
                                                                      Gesundheitsamt Neumarkt in der Oberpfalz
     COVID-19 hospitalisations and deaths in elderly             *  Diese Personen haben in ihren Rollen als Erstauto-
     long-term care facility residents, Spain, weeks 53              rinnen bzw. -autor äquivalente Beiträge geleistet.
     2020 to 13 2021. Euro Surveill. 2021; 26(24):
     pii=2100452. DOI: 10.2807/1560-7917.                        Korrespondenz: Barbara.Streibl@lgl.bayern.de
     ES.2021.26.24.2100452

  11 Moline HL, Whitaker M, Deng L et al.: Effectiveness         Vorgeschlagene Zitierweise
     of COVID-19 Vaccines in Preventing Hospitalization          Lahne H, Grahl A, Streibl BI, Büchl C, Damzog M,
     Among Adults Aged ≥ 65 Years – COVID-NET, 13                Gärtner S, Hobmaier B, Hoch M, Jungnick S, Katz K,
     States, February-April 2021. MMWR Morb Mortal               Laubert L, Schutt B, Seidl C, Zilch K, Wildner M,
     Wkly Rep. 2021 Aug 13; 70(32): 1088-1093. DOI:              Liebl B, Ackermann N, Sing A, Fingerle V: COVID-19-
     10.15585/mmwr.mm7032e3                                      Impfung senkt das Risiko für Infektion, schwere Krank-
                                                                 heitsverläufe und Tod – Analyse eines SARS-CoV-2-
  12 Patel MC, Chaisson LH, Borgetti S et al.: Asymp-            Ausbruchs in einem Alten- und Pflegeheim
     tomatic SARS-CoV-2 Infection and COVID-19                   Epid Bull 2022;6:3-13 | DOI 10.25646/9556
     Mortality During an Outbreak Investigation in a
     Skilled Nursing Facility. Clinical Infectious Diseases
                                                                 Interessenkonflikt
     December 2020; 71 (11): 2920–2926. DOI: 10.1093/
                                                                 Die Autorinnen und Autoren erklären, dass keine
     cid/ciaa763
                                                                 Interessen­konflikte vorliegen.
  13 Kozak A, Nienhaus A: COVID-19-Impfung: Impf­
     status und Impfbereitschaft bei Beschäftigten in der
     Gesundheits- und Wohlfahrtspflege in Deutschland.
     Competenzzentrum Epidemiologie und Versor-
     gungsforschung bei Pflegeberufen (CVcare), 2021

  14 Janssens U, Kluge S, Marx G et al.: Einstellung zur
     Impfung gegen SARS-CoV-2. Umfrage unter Mitar-
     beitenden in Krankenhäusern vor und nach Beginn
     der Impfungen in den deutschen Krankenhäusern.
     Med Klin Intensivmed Notfallmed 2021; 116: 421-
     430. DOI: 10.1007/s00063-021-00821-4
Epidemiologisches Bulletin       6 | 2022       10. Februar 2022                                             14

  Prävention des Eintrags von SARS-CoV-2 in Kitas:
  Erfahrungen aus dem Berliner Bezirk Treptow-Köpenick,
  Januar bis März 2021

  Zusammenfassung                                             Präventive Maßnahmen und Untersuchungen vor
  Nur wenige Projekte widmeten sich bis Ende 2021             Betreten der Kita und serielle Teststrategien können
  der Verhinderung von Einträgen von Severe Acute             dazu beitragen, Einträge von SARS-CoV-2 bzw. Ex-
  Respiratory Syndrome Coronavirus Type 2 (SARS-              positionen in Kitas zu verhindern. Die Maßnahmen
  CoV-2) in Kindertagesstätten (Kitas) auf wissen-            sollten als Multikomponentenstrategie angewendet
  schaftlicher Ebene. Das Robert Koch-Institut (RKI),         werden.
  das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGe-
  So) Berlin und das Gesundheitsamt des Bezirks
  Treptow-Köpenick kooperierten im Rahmen eines               Einleitung
  Amtshilfeersuchens, um Faktoren zu identifizieren,          Die Häufigkeit des Eintrags von SARS-CoV-2 in
  die zum Eintrag (bzw. zur Übertragung) von SARS-            Kitas ist eng mit der Inzidenz in der Gesamtbevöl-
  CoV-2 in Kitas des Bezirks beitragen. In einem ers-         kerung verbunden.1,2 Im Verlauf der Coronavirus
  ten Teil des Projekts wurde ein Fragebogen zu Prä-          Disease 2019-(COVID-19-)Pandemie hat in der
  ventionsmaßnahmen bzw. potenziellen Risikofakto-            zweiten Jahreshälfte 2021 die Häufigkeit des Auftre-
  ren für den Eintrag (bzw. die Übertragung) von              tens von C ­ OVID-19 bei jüngeren Kindern und auch
  SARS-CoV-2 in Kitas an alle 194 Kitas des Bezirks           die Bedeutung für das Infek­tionsgeschehen in den
  versendet. Im zweiten Teil wurden alle Daten zu             höheren Altersgruppen zugenommen.3 Nur wenige
  Einzelfällen und Ausbrüchen in Kitas, die über das          wissenschaft­liche Untersuchungen in Deutschland
  Meldesystem an das Gesundheitsamt gemeldet bzw.             widmeten sich der Frage, ob und wie der Eintrag
  dort erhoben wurden, zusammengestellt. Dies                 von SARS-CoV-2 in Kitas verhindert werden kann.
  schließt auch die Ergebnisse von anlassbezogenen            Im Juni 2020 wurde, gefördert durch die Bundes­
  Reihentestungen ein. Der Beobachtungszeitraum               ministe­rien für Gesundheit und für ­Familie, Senio­
  für beide Projektteile war Januar bis März 2021.            ren, Frauen und Jugend, die Corona-KiTa-Studie
                                                              ini­tiiert und ein Projektteam am RKI etabliert, das
  Im ersten Projektteil zeigte sich, dass eine Kombi-         sich u. a. diesem Thema wissenschaftlich widmet.
  nation aus Gesundheits-Check (Angabe durch
  Eltern bzw. Beschäftigte und Temperaturmessung)             Im Rahmen eines Amtshilfeersuchens des Berliner
  und Testung (mittels Schnelltest, bei Kindern und           Bezirks Treptow-Köpenick sollte gemeinsam mit
  Beschäftigten) in Kitas ohne SARS-CoV-2-Fall wäh-           dem LAGeSo in Berlin und dem RKI für den Zeit-
  rend des Beobachtungszeitraums signifikant häufi-           raum Januar bis März 2021 beschrieben bzw. analy-
  ger durchgeführt wurde als in Kitas mit einem Ein-          siert werden, (a) welches Vorgehen im Bezirk zur
  zelfall oder einem Ausbruch.                                Prävention von Kita-Ausbrüchen praktiziert wurde
                                                              (definiert als das Auftreten von mindestens zwei
  Im zweiten Projektteil wurden Kita-Beschäftigte in          miteinander über das Kita-Setting im Zusammen-
  den Kitas mit einem Einzelfall oder Ausbruch signi-         hang stehende Fälle), (b) welche Faktoren mögli-
  fikant häufiger als Indexfall identifiziert im Ver-         cherweise dazu führten, dass Infektionen in Kitas
  gleich zu Kindern. Bei Kitas mit einem Einzelfall wa-       eingetragen wurden und (c) welche Faktoren mögli-
  ren die Indexfälle häufiger auf Initiative des Gesund-      cherweise dazu beitrugen, dass – wenn es zu Expo-
  heitsamtes identifiziert worden als bei Kitas mit Aus-      sitionen im Kitasetting kam – die Expositionszeit so
  bruch und das Intervall von Symptombeginn bis zur           kurz wie möglich ausfiel, um Übertragungen zu re-
  Isolierung war bei Indexfällen von Kitas mit einem          duzieren bzw. zu vermeiden.
  Einzelfall kürzer als bei Kitas mit Ausbruch.
Epidemiologisches Bulletin      6 | 2022      10. Februar 2022                                             15

  Methoden                                                  1.) Zum Erregereintrag: Kitas ohne SARS-CoV-2-
                                                                Einträge wurden mit Kitas mit mindestens ei-
  Teil 1: Fragebogen zu Präventionsmaßnahmen                    nem Eintrag während des Untersuchungszeit-
  und potenziellen Risikofaktoren für SARS-CoV-2-               raums verglichen;
  Einträge bzw. Übertragungen in Kitas                      2.) Zur Übertragung innerhalb der Kita: Kitas mit
  Ein Fragebogen wurde per E-Mail an alle 194 Kitas             einem SARS-CoV-2-Ausbruch wurden mit allen
  im Bezirk geschickt, um Informationen über das                übrigen Kitas (Kitas ohne Fall oder mit einem
  Auftreten von SARS-CoV-2-Fällen zwischen Januar               Einzelfall) verglichen.
  und März 2021 sowie Informationen über die Orga-
  nisationsstruktur, das Pandemie-Management und            Die Fragen des Fragebogens wurden nach Relevanz
  die Hygienekonzepte der Kitas zu sammeln. Der             für die 1. (Erregereintrag) oder 2. Fragestellung
  Fragebogen umfasste die folgenden Bereiche:               (Übertragung innerhalb der Kita) sortiert. Wir be-
  ▶▶ Größe (Betreuungskapazität) der Kita, Anzahl           rechneten die von den Kitas angegebenen Häufig-
      Beschäftigter bzw. betreuter Kinder im Normal-        keiten der umgesetzten Maßnahmen und ob die be-
      und Notbetrieb                                        obachteten Unterschiede in univariablen Verglei-
  ▶▶ Gruppenkonzept (feste oder offene Gruppen;             chen statistisch signifikant waren. Als Signifikanz-
      Betreuung von Geschwistern)                           niveau wurde ein p-Wert von 0,05 verwendet. Die
  ▶▶ Raumgrößen                                             Dateneingabe erfolgte mit Microsoft Excel (MS Of-
  ▶▶ Kommunikation mit dem Gesundheitsamt                   fice) und die Analyse mit Microsoft Excel, STATA
  ▶▶ Gesundheitsmonitoring (Selbstangabe von                (College Station, TX, USA) oder R.
      Erkrankungen, Temperaturmessung, Testkon-
      zept für Kinder und Beschäftigte)                     Teil 2: Meldedaten zu Einzelfällen und
  ▶▶ Lüften, Lüftungskonzept                                Ausbrüchen in Kitas
  ▶▶ Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen                      Im zweiten Teil erfolgte eine Zusammenstellung
  ▶▶ Händehygiene und Desinfektionsmaßnahmen                der dem Gesundheitsamt Treptow-Köpenick be-
      (Gegenstände, Mobiliar)                               kannten Infektionsgeschehen in den Kitas für den
  ▶▶ sonstige organisatorische Regelungen.                  Zeitraum Januar bis März 2021. Unterschieden wur-
                                                            den dabei Geschehen mit Einzelfällen ohne Aus-
  Um vor allem die Fragebögen der Kitas zu erhalten,        bruch („Einzelfall-Situationen“) und Kita-Ausbrü-
  bei denen dem Gesundheitsamt bekannt war, dass            che. Dazu wurden sowohl die in der Meldesoftware
  zwischen Januar und März 2021 ein Ausbruch auf-           SurvNet (Survnet@RKI; https://survnet.rki.de) und
  getreten war, wurden die Leitungen der entspre-           SORMAS (https://www.sormas-oegd.de/) als auch
  chenden Kitas telefonisch kontaktiert und um Teil-        weitere im Gesundheitsamt vorliegende Unterlagen
  nahme gebeten. Des weiteren wurden basierend auf          zu den jeweiligen Einzelfall-Situationen und Aus-
  den beantworteten Fragebögen die Kitas herausge-          brüchen zusammengetragen, in Excel erfasst und
  sucht, die im Zeitraum zwischen Januar und März           deskriptiv bzw. univariabel mittels der Open-Source
  2021 mindestens einen Infektionsfall im Kita-             Website Openepi.com oder der Statistik-Software
  Setting angaben. Diese wurden zur Qualitätskon­           STATA ausgewertet. Die epidemiologischen, d. h.
  trolle kontaktiert, um genauer zu erfragen, ob es zu      soziodemografischen und symptom- und labor­
  Expositionen im Kita-Setting gekommen war, ob die         diagnostischen Eckdaten wurden nach Indexfällen
  berichteten Fälle im Kita-Setting Personen exponiert      und Kontaktpersonen erfasst und ausgewertet. Ge-
  hatten, bzw. ob bei Angabe von mehreren Fällen die-       mäß der im ersten Jahr der Pandemie vom RKI für
  se möglicherweise miteinander in Zusammenhang             die Kontaktpersonennachverfolgung empfohlenen
  standen. Gegebenenfalls wurden Angaben im Fra-            Herangehensweise wurde zwischen Kontaktperso-
  gebogen korrigiert bzw. angepasst.                        nen 1. Grades (KP1) mit einem höheren Risiko für
                                                            eine Übertragung und Kontaktpersonen 2. Grades
  Wir führten auf Basis der Angaben in den Fragebö-         (KP2) mit einem niedrigeren Risiko unterschieden.
  gen zwei Analysen durch.
Epidemiologisches Bulletin        6 | 2022        10. Februar 2022                                               16

  Ergebnisse                                                    genüber 0 % bei Kitas mit mindestens einem Fall;
                                                                p = 0,03).
  Teil 1: Analyse des Eintrags und der Über­
  tragung von SARS-CoV-2 in Kitas anhand                        Die Umsetzung ausgewählter Infektionsschutz-
  von Fragebögen                                                maßnahmen als Teil einer „Multikomponentenstra-
  Insgesamt sendeten 52 der 194 angefragten Kitas               tegie“ zur Prävention von Einträgen in die Kita wur-
  (27 %) einen ausgefüllten Fragebogen zurück. Diese            de mit einem Punktevergabesystem (Score) bewer-
  Kitas hatten im Median 14 erziehende und vier sons-           tet. Vergeben wurden je ein Punkt für die Maßnah-
  tige Mitarbeitende (gesamt: 18) und betreuten im              men „Gesundheits-Check durch Selbstangabe UND
  Normalbetrieb im Median 19 Kinder von 0 bis unter             Temperaturmessung“ (bei Kindern oder Beschäftig-
  3 Jahren, 40 Kinder zwischen 3 Jahren und Schulal-            ten), für das Testen bei Kindern und für das Testen
  ter und 13 Kinder im Schulalter (Summe der Me­                bei Beschäftigten (beginnend vor der sechsten Ka-
  diane: 72 Kinder). Im Notbetrieb wurden im Median             lenderwoche); maximale Punktzahl drei. Kitas ohne
  15, 33 und 10 Kinder in den jeweiligen Altersgruppen          Fall hatten häufiger einen oder zwei Punkte (35 % vs.
  betreut (Summe der Mediane: 58 Kinder). Von den               6 %; Tabelle 1; Abbildung 1). Keine Kita erreichte drei
  52 Kitas gaben 20 (38 %) an, im Beobachtungszeit-             Punkte. Die mittlere Anzahl an Maßnahmen war
  raum mindestens einen SARS-CoV-2-Fall in der                  bei Kitas ohne Fall signifikant höher (p = 0,02).
  Einrichtung gehabt zu haben. Bei vier Kitas war
  dem Gesundheitsamt bekannt, dass bei ihnen ein                Analysen zur Übertragung von SARS-CoV-2
  Ausbruch aufgetreten war. Durch die telefonische              Der Vergleich von Kitas mit Ausbruch zu allen an-
  Nachfrage bei den übrigen Kitas mit Angabe min-               deren Kitas (nicht gezeigt in Tabelle 1) ergab für fast
  destens eines Falles wurden zwei zusätzliche Aus-             alle Variablen (einschließlich der Arbeit in festen
  brüche identifiziert und bei zweien wurde festge-             Gruppen und der festen Zuweisung von Personal zu
  stellt, dass es durch die angegebenen Fälle bzw. den          Gruppen) keine deutlichen bzw. signifikanten Un-
  angegebenen Fall zu keiner Exposition innerhalb               terschiede. Sie unterschieden sich jedoch darin, sel-
  der Kita gekommen war. Somit gingen sechs Kitas               tener Geschwisterkinder in derselben Gruppe zu be-
  mit Ausbruch und zwölf mit einer Einzelfall-Situa-            treuen (0 % in Kitas mit Ausbruch vs. 27 % in allen
  tion in die Analyse ein (gesamt 18 Kitas). Bei 34  Kitas      anderen Kitas; p = 0,15). Darüber hinaus lüfteten
  (65 %) war im beobachteten Zeitraum kein Fall auf-            Kitas ohne Ausbrüche zwar etwas seltener (10 vs.
  getreten.                                                     13-mal am Tag; p = 0,26), dafür tendenziell aber län-
                                                                ger (durchschnittlich 14,7 vs. 10,5 Minuten; p = 0,09).
  Analysen der SARS-CoV-2-Einträge in Kitas
  Tabelle 1 zeigt Kitas ohne SARS-CoV-2-Fälle im Ver-           Teil 2: Epidemiologische Auswertung
  gleich zu Kitas mit Einzelfällen oder Ausbrüchen.             von Einzelfällen und Ausbrüchen in Kitas
  In Kitas, bei denen kein Fall aufgetreten war, fragten        auf Grundlage vorliegender Daten des
  Eltern oder Beschäftigte vor Kitabeginn häufiger              Gesundheitsamts
  nach dem Gesundheitszustand der Kinder bzw. der               Die epidemiologischen Eckdaten von 15 Einzelfall-
  Beschäftigten (47 % (16/34) vs. 39 % (7/18)) und es           Situationen und elf Ausbrüchen in den Kitas zwi-
  wurden häufiger regelmäßige Temperaturmessun-                 schen Januar und März 2021 sind in Tabelle 2 dar-
  gen bei Kindern (19 % vs. 12 %), jedoch seltener bei          gestellt. Sowohl bei den Einzelfall-Situationen als
  Beschäftigten (7 % vs. 12 %; ) durchgeführt als in            auch bei den Ausbrüchen waren häufiger Kita-
  Kitas mit mindestens einem Fall. Das serielle Testen          Beschäftigte die Indexfälle (60 % (9/15) bzw. 70 %
  auf SARS-CoV-2 von Kindern (90 % vs. 93 %) oder               (7/10)). Im Vergleich zum in der Umfrage aus Teil 1
  von Beschäftigten (70 % vs. 76 %) fand etwa gleich            eruierten Verhältnis der Betreuenden zu Kindern
  häufig statt. Acht (24 %) von 33 Kitas, bei denen zwi-        (14 Betreuende : 58 Kinder im Notbetrieb) war unter
  schen Januar und März 2021 kein Fall aufgetreten              den Indexfällen von Einzelfall-Situationen oder Aus-
  war, hatten jedoch bereits vor der sechsten Kalen-            brüchen der Anteil der Betreuenden signifikant hö-
  derwoche (der ersten Schulwoche nach den Winter-              her (16 Betreuende : 9 Kinder; p < 0,01). Indexfälle
  ferien) begonnen, ihre Beschäftigten zu testen (ge-
Epidemiologisches Bulletin                                                                                                            6 | 2022                 10. Februar 2022                                                                                                                                                     17

                                                                                                                                                                              Kitas ohne                                                                                                           Einzelfall-Situationen
                                                                                                                                                                            SARS-CoV-2-Fälle                                                                                                          oder Ausbrüche        p-Wert
                                                                                                                                                                                 n = 34                                                                                                                    n = 18

              Gesundheits-Check (Selbstangabe oder Temperaturmessung)                                                                                                            50 % (17/34)                                                                                                          44 % (8/18)           0,70

              Selbstangabe (durch Beschäftigte oder Eltern) zu Gesundheit                                                                                                        47 % (16/34)                                                                                                          39 % (7/18)           0,57

              Regelmäßige Temperaturmessung bei Kindern                                                                                                                            19 % (6/31)                                                                                                         12 % (2/18)           0,50

              Regelmäßige Temperaturmessung bei Beschäftigten                                                                                                                       7 % (2/31)                                                                                                         12 % (2/18)           0,52

              Check durch Selbstangabe UND Temperaturmessung                                                                                                                        8 % (3/34)                                                                                                          0 % (0/18)           0,19

              Testen

              Testen der Kinder                                                                                                                                                  90 % (28/31)                                                                                                          93 % (14/15)          0,73

              Testen der Beschäftigten                                                                                                                                           70 % (23/33)                                                                                                          76 % (13/17)          0,85

              Beginn des Testens der Beschäftigten vor KW 06/2021                                                                                                                  24 % (8/33)                                                                                                          0 % (0/17)           0,03

              Multikomponenten (Score; Gesundheits-Check und Temperatur; Testen der Kinder; früher Beginn des Testens der Beschäftigten)

              0 der Maßnahmen                                                                                                                                                    65 % (22/34)                                                                                                          94 % (17/18)          0,06

              1 der Maßnahmen                                                                                                                                                    29 % (10/34)                                                                                                           6 % (1/18)

              2 der Maßnahmen                                                                                                                                                       6 % (2/34)                                                                                                          0 % (0/18)

              Mittelwert der Anzahl der Maßnahmen                                                                                                                                           0,41                                                                                                           0,06              0,02

             Tab. 1 | Häufigkeit von Maßnahmen oder kombinierten Maßnahmen zur Eintragsprävention in Kitas ohne SARS-CoV-2-Fälle
             versus Kitas mit einer Einzelfall-Situation oder mit Ausbrüchen, Januar bis März 2021, Berlin, Bezirk Treptow-Köpenick

                                                                   Häufigkeit von Maßnahmen zur Eintragsprävention
                                                                                                                               % ni satiK
                                                                                                                               % ni satiK
                                                                                                         %%00101
                                                                                                         %%0909
                                                                                                         %%0808
                                                                                                         %%0707
                                                                                                         %%0606
                                                                                                         %%0505
                                                                                                         %%0404
                                                                                                         %%0303
                                                                                                         %%0202
                                                                                                         %%0101

                                                                                                                                                                                     im Kindesalter waren älter, wenn sie Indexfall eines
                                                                                                         %%0 0

             Kitas in %
                                                                                                                                                                                     Ausbruchs waren (p = 0,03).
             100%
               nnooitintneveävräprpsgsagratrntniEiEruruz znnememhhananßßaMaMnnoovvtiteikegkigfiufuäHäH

             100 %
                                                                                                                                                                                                             llallFaFmmeneineiesnsentestesdendinmimtimtimsastaiKtiK elelällFäFenehnohosastaiKtiK

              90%
              90 %
                                                                                                                                             Kitas ohne Fälle
                                                                                                                                                                                     Die zeitlichen Intervalle zwischen Symptombeginn
                                                                                                                                                                          00

                                                                                                                                             Kitas mit mindestens
                                                                                                                                                                                     und Testdatum sowie zwischen Symptombeginn
              80%%
                                                                                                                                             einem Fall
              80
                                                                                                                                                                                     und Beginn der Isolierung waren bei den Indexfäl-
              70%%
              70                                                                                                                                                                     len der Ausbrüche (nicht signifikant) größer. Die In-
                                                                                                                                                                          nenmemhahnaßnaßMaMrerdedlhlahZaZ

                                                                                                                                                                                     dexfälle der Einzelfall-Situationen waren zu 77 %
              60%%
Kitas in %

              60
                                                                                                                                                                                     auf Initiative des Gesundheitsamtes identifiziert
                                                                                                                                                                                        11

              50%%
              50                                                                                                                                                                     worden, Indexfälle der Ausbrüche zu 44 % (p = 0,12).
                                                                                                                                                                                     In diesen Fällen hatten zum Beispiel Kita-Beschäf-
              40%%
              40
                                                                                                                                                                                     tigte das Gesundheitsamt über einen SARS-CoV-2-
              30%%
              30                                                                                                                                                                     Fall in der eigenen Familie informiert, oder das Ge-
                                                                                                                                                                          22

              20%%
              20
                                                                                                                                                                                     sundheitsamt wusste bereits davon und initiierte
                                                                                                                                                                                     bei in der Kita tätigen Personen einen Test.
              10%%
              10

               00%
                 %
                                                                                                                                                                                     Bei den Einzelfall-Situationen wurden unter den
                                                                                                              0                    1                        2                        KP1 der Kita etwa 80 % der quarantänisierten Perso-
                                                   1                   2
                                                             Zahl der Maßnahmen                               0                                                                      nen (sowohl Kinder als auch Betreuende) getestet.
                                                                                                                                                                                     In den Kitas mit Ausbruch wurden ebenfalls etwa
                                       Zahl der inMaßnahmen
             Abb. 1 | Häufigkeit der ergriffenen Maßnahmen zur Präven­
             tion von SARS-CoV-2-Einträgen           Kitas ohne Fall und Kitas                                                                                                       80 % der quarantänisierten Betreuenden getestet,
             mit mindestens einem Fall zwischen Januar und März 2021,                                                                                                                aber nur 46 % der Kinder. Die Test-Positivenrate bei
             Berlin, Bezirk Treptow-Köpenick
                                                                                                         Kitas ohne Fälle Kitas mit mindestens einem Fall                            den KP1 der Kita in den Einzelfall-Situationen be-
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