Epidemiologisches Bulletin 6 2022 - RKI
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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH 6 Epidemiologisches 2022 Bulletin 10. Februar 2022 Analyse eines SARS-CoV-2-Ausbruchs in einem Alten- und Pflegeheim | Prävention des SARS-CoV-2-Eintrags in Kitas
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 2 Inhalt COVID-19-Impfung senkt das Risiko für Infektion, schwere Krankheitsverläufe und Tod – Analyse eines SARS-CoV-2-Ausbruchs in einem Alten- und Pflegeheim 3 Im Mai 2021 kam es in einem Alten- und Pflegeheim in der Oberpfalz zu einem SARS-CoV-2-Ausbruch mit einer hohen Anzahl von Impfdurchbrüchen, woraufhin serologische Untersuchungen und epidemiologi- sche Daten der Bewohnerinnen und Bewohner und dem Pflegepersonal ausgewertet wurden. Ziel dieser Untersuchung war es, das Risiko von Hospitalisierung und Tod bei Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften darzustellen. Prävention des Eintrags von SARS-CoV-2 in Kitas: Erfahrungen aus dem Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, Januar bis März 2021 14 Das Robert Koch-Institut, das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin und das Gesundheitsamt des Bezirks Treptow-Köpenick untersuchten im Rahmen eines Amtshilfeersuchens Faktoren, die möglicherwei- se zum Eintrag und zur Übertragung von SARS-CoV-2 in Kitas des Berliner Bezirks im Zeitraum Januar bis März 2021 beigetragen haben. Im Beitrag werden Präventionsmaßnahmen und potenzielle Risikofaktoren für SARS-CoV-2-Infektionen in Kitas analysiert sowie Einzelfälle und Ausbrüche auf Grundlage der Daten des Gesundheitsamtes epidemiologisch ausgewertet. Aus den Erkenntnissen lassen sich anschließend drei Handlungsempfehlungen ableiten. Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 5. Woche 2022 22 Impressum Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon: 030 18754 – 0 E-Mail: EpiBull@rki.de Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Redaktion Dr. med. Jamela Seedat Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Dr. med. Maren Winkler, Heide Monning (Vertretung) Namensnennung 4.0 International Lizenz. Redaktionsassistenz Nadja Harendt Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) ISSN 2569-5266 Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 3 COVID-19-Impfung senkt das Risiko für Infektion, schwere Krankheitsverläufe und Tod Analyse eines SARS-CoV-2-Ausbruchs in einem Alten- und Pflegeheim Zusammenfassung Infektion durchgemacht hatten, signifikant höhere Im Mai 2021 kam es in einem Alten- und Pflegeheim neutralisierende Antikörperwerte (p < 0,001) im in der Oberpfalz zu einem Severe Acute Respiratory Sinne eines Booster-Effekts zeigten. Syndrome Coronavirus Type 2-(SARS-CoV-2-)Aus- bruch. Obwohl 82 % (123/150) der Bewohnerinnen Die Untersuchung zeigt, dass die COVID-19-Imp- und Bewohner und des Pflegepersonals vollständig* fung einen Schutz vor Infektion, schweren Krank- gegen Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) heitsverläufen und Tod darstellt und wie wichtig die geimpft waren, gab es mit 64,7 % (97/150) PCR- Impfung im Setting Alten- und Pflegeheim zum positiv Getesteten einen hohen Anteil an SARS- Schutz vulnerabler Bewohnerinnen und Bewohner CoV-2-Infektionen. ist. Sie zeigt aber auch, dass trotz erfolgter Impfung nicht auf Infektionsschutzmaßnahmen, wie das Ab- In einer umfassenden Untersuchung wurden der standhalten, die Einhaltung der Hygieneregeln, das Antikörperstatus von 106 der 123 (86,2 %) geimpf- Tragen von Masken, regelmäßiges Lüften (AHA+L) ten Personen, darunter 53 der 70 (75,7 %) Impf- und repetitive Testungen im Bereich von Alten- und durchbrüche, sowie vom Gesundheitsamt übermit- Pflegeheimen verzichtet werden sollte, da Infektio- telte epidemiologische Daten aller 150 Bewohnerin- nen und deren Weitergabe auch bei vollständiger nen und Bewohner und Mitarbeiterinnen und Mit- Impfung möglich sind. arbeiter des Alten- und Pflegeheims ausgewertet. Eine SARS-CoV-2-Infektion (positive RT-PCR) fand Einleitung sich bei 56,9 % (70/123) der Geimpften, dagegen bei Im Mai 2021 kam es in einem Alten- und Pflege- 100 % (27/27) der nicht oder unvollständig Geimpf- heim in der Oberpfalz trotz hoher Impfquote von ten. Auch der Anteil an Hospitalisierten (5/123) und 82 % zu einem gehäuften Auftreten von SARS- Verstorbenen (5/123) war mit jeweils 4,1 % unter den CoV-2-Infektionen (100 % Alpha-Variante). Nach Be- Geimpften deutlich geringer als unter den nicht rechnungen des Robert Koch-Instituts (RKI) konn- oder unvollständig Geimpften mit 18,5 % (5/27) ten im vergangenen Jahr 27 % der gemeldeten Hospitalisierten und 11,1 % (3/27) Verstorbenen. SARS-CoV-2-Infektionen Ausbruchssituationen zu- Auch fanden sich signifikant höhere Viruslasten bei geordnet werden.1 Einen beträchtlichen Anteil die- infizierten Ungeimpften im Vergleich zu infizierten ser Ausbruchssituationen machten mit 46 % noch Geimpften (p = 0,02). zum Jahresbeginn 2021 Alten- und Pflegeeinrich- tungen aus.2 Insgesamt konnten bei 99,1 % (105/106) der Serum- proben, alle von vollständig Geimpften, neutralisie- Bewohnerinnen und Bewohner aus Alten- und Pfle- rende Antikörper nachgewiesen werden, wobei sich geheimen weisen als vulnerable Gruppe im Ver- bei Personen, die nach der Impfung eine natürliche gleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risi- ko für schwere Krankheitsverläufe sowie ein hohes Mortalitätsrisiko auf. Neben dem erhöhten Alter so- wie vorliegender Komorbiditäten resultiert das er- * Sofern im Text nicht anders bezeichnet, sind mit Geimpften immer Personen mit einer vollständigen höhte Risiko aus dem häufig engen Kontakt sowohl Grundimmunisierung gegen COVID-19 gemeint. mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern als
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 4 auch dem Pflegepersonal.3,4,5 Auch gegenüber der Untersuchungen im Rahmen der ärztlichen Sorg- gleichaltrigen Bevölkerung, die nicht in Alten- und faltspflicht und des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Pflegeheimen betreut wird, weisen Bewohnerinnen und Bewohner ein deutlich erhöhtes Infektionsrisi- Ziel dieser Untersuchung war, insbesondere das Ri- ko auf. Laut einer kanadischen Studie war das Risi- siko von Hospitalisierung und Tod bei Geimpften ko an COVID-19 zu sterben bei Alten-/Pflegeheim- im Vergleich zu Ungeimpften darzustellen. Dies bewohnerinnen und -bewohnern im Alter von über umfasste auch die Ermittlung des Antikörperstatus, 69 Jahren verglichen mit Personen desselben Al- insbesondere der neutralisierenden Antikörper mit- ters, die nicht in entsprechenden Einrichtungen leb- tels Surrogat-Neutralisationstest, welcher auf der ten, um das 13,1-fache erhöht.6 Etwa die Hälfte der Reduktion der Bindungsfähigkeit zwischen der SARS-CoV-2-bezogenen bundesweiten Sterbefälle Rezeptorbindedomäne (RBD) und ACE2-Rezeptor sind laut einer Studie zur Langzeitpflege in Deutsch- (verantwortlich für die Virusaufnahme in die Wirts- land betreute Personen in Pflegeheimen.7 zelle) basiert, um Hinweise auf die Notwendigkeit einer Auffrischimpfung im Herbst 2021 zu erhalten. Auch das Personal in Alten- und Pflegeeinrichtun- gen weist ein im Vergleich zur Allgemeinbevölke- rung sechsfach erhöhtes SARS-CoV-2-Infektions Methodik risiko auf.7 Zudem besteht das Risiko, dass eine Probensammlung und Zusammensetzung beim Personal unbemerkt ablaufende Infektion un- der Kohorte wissend auf Bewohnerinnen und Bewohner über- Im Zeitraum vom 02.05. – 06.06.2021 wurden in tragen wird, da aufgrund des im Rahmen pflegeri- dem betroffenen Alten- und Pflegeheim im Rah- scher Tätigkeiten erforderlichen engen körperlichen men eines Ausbruchsgeschehens insgesamt 150 Kontaktes Infektionsschutzmaßnahmen nicht im- Personen, darunter 121 Bewohnerinnen und Bewoh- mer lückenlos eingehalten werden können.8 Auch ner und 29 Angestellte, mittels PCR getestet. 82 % zum Screening eingesetzte Antigen-Schnelltests/ (n = 123) der 150 Personen waren vollständig mit -Selbsttests bieten keine hundertprozentige Sicher- Comirnaty geimpft. Impftermine: erste Impfung: heit, denn gerade in der frühen Phase der Infektion 11./16.01., zweite Impfung: 06.02. Am 07.06.2021 sind falsch negative Testergebnisse möglich.9 wurden durch mobile Teams des Bayerischen Lan- desamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicher- Diese Problematik fand auch bei der Impfpriorisie- heit (LGL) vor Ort nach Aufklärung und schrift rung in Deutschland Berücksichtigung, nach der an licher Einwilligung jeweils 7,5 ml Blut von 106 erster Stelle Personen ab einem Alter von 80 Jahren, Geimpften zur Antikörperbestimmung entnom- Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pfle- men, umgehend an das LGL transportiert und bis geheimen sowie Beschäftigte, die in Kontakt mit zur Verwendung bei 7°C gelagert. Zu allen Personen den betreuten Personen stehen, ein Impfangebot er- wurden Daten wie Infektions- und Impfstatus, halten sollten.8 Alter, Geschlecht, Ct-Werte und Notwendigkeit ei- ner Krankenhauseinweisung bzw. Tod als Folge von Im untersuchten Alten- und Pflegeheim wurde be- COVID-19 erhoben. Die RT-PCR (Zielgen ORF) reits im Januar 2021 ein Impfangebot unterbreitet, wurde in einem externen Labor durchgeführt. Die das von knapp 88 % der Bewohnerinnen und Be- Ct-Werte wurden als Korrelat für die Viruslast heran- wohner und 59 % der Beschäftigten angenommen gezogen, dabei ist der Ct-Wert umso höher, je nie wurde. Da trotz hoher Impfquote von insgesamt driger die Viruslast ist. Zu beachten ist hierbei, dass 82 % bei diesem Ausbruchsgeschehen hohe SARS- diese nicht als unmittelbar vergleichbare Werte ver- CoV-2-Infektionsraten, teils mit hohen Viruslasten, wendet werden sollten, da sie je nach Labor und Me- verzeichnet wurden und nach Kenntnisstand zum thode variieren können. Zeitpunkt des Ausbruchs noch unklar war, in wel- chem Ausmaß die Impfung eine Weitergabe des Bestimmung des Antikörperstatus Virus verhindern kann, war die hohe Anzahl an Es wurden ein SARS-CoV-2 IgG Lineblot (Mikrogen Impfdurchbrüchen Anlass für Ermittlungen und GmbH, Neuried, Deutschland) zum Nachweis von
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 5 IgG-Antikörpern gegen SARS-CoV-2 S1, RBD und N Unterschiede der Viruslast (gemessen als Ct-Werte) sowie ein Surrogat-Neutralisationstest (cPass SARS- zwischen Geimpften und nicht oder unvollständig CoV-2 Neutralization Antibody Detection Kit (Gene- Geimpften wurden statistisch gegenüber der Null script, Nanjing City, China)) zum Nachweis neutra- hypothese (kein Unterschied) überprüft. Da die ge- lisierender Antikörper jeweils nach Herstelleranga- messenen Antikörper- sowie Ct-Werte keiner Nor- ben durchgeführt und ausgewertet. malverteilung folgen, wurde zur Bestimmung sta- tistischer Unterschiede zwischen positiv und ne Statistische Datenanalyse gativ auf SARS-CoV-2 Getesteten sowie zwischen Zur Analyse und Visualisierung der epidemiologi- Geimpften und nicht oder unvollständig Geimpften schen Daten wurde SPSS Version 25 und für die der parameterfreie Wilcoxon-Rangsummentest ver- serologischen Daten Python 3.8.8 verwendet. wendet. Korrelationen wurden entsprechend mittels Spearman-Rank-Korrelation untersucht. In allen Die epidemiologische Analyse erfolgte überwiegend Berechnungen wurde ein Signifikanzniveau von deskriptiv. Die Ungeimpften und die nur einmal α = 0,05 verwendet. geimpfte Person wurden für die Untersuchungen in der Gruppe „nicht oder unvollständig Geimpfte“ zu- sammengefasst. Um die Risiken für bestimmte Pa- Ergebnisse rameter wie Infektion, Hospitalisierung oder Tod Im Rahmen der Ausbruchsermittlungen wurden zwischen Geimpften und nicht oder unvollständig alle 150 Personen erfasst und ihr Impfstatus und ak- Geimpften zu vergleichen, wurden Relative Risiken tueller Infektionsstatus mittels SARS-CoV-2-spezifi- (RR) mit 95 %-Konfidenzintervallen (KI) berechnet. scher PCR festgehalten. Von 106 der 123 geimpften Des Weiteren wurde die Impfeffektivität als prozen- Personen (86,2 %) konnten Serumproben gewon- tualer Unterschied der Inzidenzrate zwischen den nen werden (s. Abb. 1). vollständig und den nicht oder unvollständig Geimpften bestimmt. Insgesamt 150 Personen (Bewohnerinnen/Bewohner und Personal) 82% geimpft 18% nicht oder unvollständig (123/150) geimpft (27/150) 106 Serumproben vorhanden 56,9% der Geimpften 100% der nicht oder unvollständig 50% (n=53) 50% (n=53) PCR-positiv (70/123) Geimpften PCR-positiv (27/27) PCR-negativ PCR-positiv 5,7% der geimpften Infizierten hatten 22,2% der nicht/unvollständig geimpften schweren Verlauf mit Hospitalisierung Infizierten hatten schweren Verlauf mit und/oder Tod (7/123) Hospitalisierung und/oder Tod (6/27) Abb. 1 | Übersicht zur Ausbruchsermittlung, aufgeteilt nach Geimpften und nicht oder unvollständig Geimpften, SARS-CoV-2- Ausbruch im Alten- und Pflegeheim Mai 2021 in der Oberpfalz, Untersuchung des LGL Bayern
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 6 Untersucht wurden 96 % (n = 144) Frauen und 4 % notwendig war. Von insgesamt 150 untersuchten Be- (n = 6) Männer. Das Durchschnittsalter lag bei 79,4 wohnerinnen und Bewohnern sowie Personal Jahren (Spanne: 17 – 99 Jahre). Den größten An- mussten 6,7 % (n = 10) PCR-Positive hospitalisiert teil machte mit 52 % die Altersklasse der 80 – 89- werden (4,3 % (1/23) der < 60-Jährigen, 9,0 % (7/78) Jährigen aus, gefolgt von der Altersklasse der 90 – der 80 – 89-Jährigen, 6,7 % (2/30) der 90 – 99-Jähri- 99-Jährigen mit 20 %. Den geringsten Anteil mach- gen). Der Anteil der Hospitalisierten unter den ten die 60 – 69-Jährigen mit 4,7 % aus (s. Abb. 2A). Geimpften war mit 4,1 % (5/123) deutlich geringer als unter den nicht oder unvollständig Geimpften Von den 150 Personen waren 82 % (n = 123) vollstän- mit 18,5 % (5/27) (s. Abb. 2C). Hier ergibt sich im dig, 0,7 % (n = 1) einmal und 17,3 % (n = 26) nicht untersuchten Alten- und Pflegeheim ein Relatives geimpft. Unter den 70 – 79-Jährigen war der Anteil Risiko der nicht oder unvollständig Geimpften von der vollständig Geimpften mit 91,7 % am höchsten. RR = 4,6 (95 % KI: 1,4 – 14,6) für eine Hospitalisie- rung im Vergleich zu den Geimpften. Insgesamt wurden mittels PCR 64,7 % (97/150) der Bewohnerinnen und Bewohner sowie des Personals Verstorben sind 5,3 % (8/150), ausschließlich Be- des Alten- und Pflegeheims positiv auf SARS-CoV-2 wohnerinnen im Alter von 83 – 99 Jahren, darunter getestet. Unter den nicht oder unvollständig 62,5 % (n = 5) Geimpfte und 37,5 % (n = 3) nicht oder Geimpften waren 100 % (27/27) in der PCR SARS- unvollständig Geimpfte. Fünf der insgesamt acht CoV-2-positiv, während unter den Geimpften 56,9 % Verstorbenen sind im Krankenhaus verstorben, die (70/123) PCR-positiv waren (s. Abb. 2B). Hierbei er- anderen drei Personen (eine Person nicht und zwei gibt sich in dem untersuchten Setting ein Relatives Personen vollständig geimpft) verstarben ohne vor- Risiko der nicht oder unvollständig Geimpften von herige Hospitalisierung in der Einrichtung. Auch RR = 1,76 (95 % KI: 1,51 – 2,05) im Vergleich zu den hier war der Anteil der Verstorbenen unter den Geimpften für eine SARS-CoV-2-Infektion. Daraus Geimpften mit 4,1 % (5/123) geringer als der Anteil resultiert eine Impfeffektivität von 43,1 %. der Verstorbenen unter den nicht oder unvollstän- dig Geimpften mit 11,1 % (3/27) (s. Abb. 2C). Hier er- In der Altersklasse < 60 Jahren war der Anteil nicht gibt sich im untersuchten Ausbruchsgeschehen ein oder unvollständig Geimpfter mit 47,8 % (11/23) mit Relatives Risiko der nicht oder unvollständig Abstand am höchsten. In dieser Altersklasse war der Geimpften von RR = 2,7 (95 % KI: 0,7 – 10,8) an einer Anteil an geimpften Infizierten mit 8,7 % deutlich SARS-CoV-2-Infektion zu versterben im Vergleich geringer als an geimpften nicht Infizierten mit zu den Geimpften. 43,5 %. Die Altersklasse < 60 Jahren bestand zu 95,7 % (22/23) aus Personal. Insgesamt war unter Werden bei der Berechnung der Relativen Risiken dem Personal (n = 29) eine Impfquote von 58,6% zu als Subgruppenanalyse nur die mittels PCR nach- verzeichnen. Die Altersklasse 60 – 69 Jahre setzte weislich Infizierten betrachtet, ergeben sich für sich nur aus Personal zusammen (n = 7). Hier waren nicht oder unvollständig Geimpfte Relative Risiken 85,7% (6/7) vollständig geimpft. Es ist auffällig, dass von RR = 2,6 (95 % KI: 0,8 – 8,2) für eine Hospitali- der Anteil der Infizierten unter den Geimpften ab sierung und von RR = 1,6 (95 % KI: 0,4 – 6,1) an einer dem Alter von 70 Jahren mit zunehmendem Alter SARS-CoV-2-Infektion zu versterben im Vergleich anstieg. In der Altersklasse von 70 – 79 Jahren waren zu den Geimpften. 25% (3/12) geimpft und infiziert, wohingegen in der höchsten Altersklasse von 90 – 99 Jahren 63,3% Die Ct-Werte aller 97 PCR-positiven Personen lagen (19/30) geimpft und infiziert waren (s. Abb. 2A). zwischen 14,6 und 33,2, der durchschnittliche Ct- Wert war 22,2. Auffällig ist, dass 45,4% (44/97) der Der Großteil der untersuchten SARS-CoV-2-Infi- positiv Getesteten sehr niedrige Ct-Werte ≤ 20 und zierten (89,7 %, 87/97), insbesondere alle PCR- damit sehr hohe Viruslasten aufwiesen. Nur 8,2% Positiven in der Altersklasse von 60 – 79 Jahren (8/97) zeigten Ct-Werte über 30 (= geringe Virus- (n = 5), hatte einen milden oder asymptomatischen last). Verlauf, bei dem keine Krankenhausbehandlung
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 7 n = 23 (15,3 %) n = 7 (4,7 %) n = 12 (8,0 %) n = 78 (52,0 %) n = 30 (20,0 %) Abb. 2 | (A) Anteil Geimpfter (aufgeteilt nach infiziert und nicht infiziert) und nicht oder unvollständig Geimpfter (alle infiziert) in den verschiedenen Altersgruppen, (B) Anteil SARS-CoV-2-Infizierter (PCR-positiv) nach Impfstatus, (C) Anteil der SARS-CoV-2- infizierten (PCR-positiv) Hospitalisierten und Verstorbenen nach Impfstatus, SARS-CoV-2-Ausbruch im Alten- und Pflegeheim Mai 2021 in der Oberpfalz, Untersuchung des LGL Bayern Bei Betrachtung der Ct-Werte nach Impfstatus wird iruslast), während in der Kategorie mit Ct-Werten V deutlich, dass der Anteil der Personen mit hoher > 30 (n = 8) nur noch Geimpfte vertreten waren Viruslast unter den Geimpften signifikant niedriger (s. Abb. 3A). (p = 0,02) ist als unter den nicht oder unvollständig Geimpften. Der größte Anteil an nicht oder unvoll- Es zeigte sich eine leichte, nicht signifikante Korre- ständig Geimpften befand sich mit 36,4 % (16/44) lation (r = 0,15; p = 0,14) zwischen dem Lebensalter in der Kategorie mit Ct-Werten ≤ 20 (sehr hohe und den Ct-Werten, wobei Infizierte < 60 Jahren,
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 8 unter denen viele nicht geimpft waren, tendenziell Aufgrund bisher fehlender Kenntnis, inwiefern von hohe Viruslasten hatten (s. Abb. 3B). klassischen Antikörpernachweisen auf eine neutra- lisierende Wirkung gegen SARS-CoV-2 geschlossen Serologische Ergebnisse der Geimpften werden kann, wurden die Korrelationen der durch- Im Rahmen dieser Untersuchung wurden 106 Ser- geführten Antikörpertests mit dem cPass Surrogat- umproben, ausschließlich von Geimpften, auf Neutralisationstest untersucht. Unter Einbeziehung SARS-CoV-2-Antikörper (N-Protein, S1-Protein, aller untersuchten Personen korrelierten die gemes- RBD und neutralisierende Antikörper) untersucht senen Antikörper gegen alle drei Antigene moderat (s. Abb. 4A und B). 53 dieser 106 Personen waren aber signifikant mit dem Surrogat-Neutralisations- PCR-positiv. test (N-Protein: r = 0,43; p < 0,001, S1-Protein: r = 0,54; p < 0,001, RBD: r = 0,59; p < 0,001 (Abb. 4C)). Bei rei- Alle untersuchten Personen hatten Antikörper ge- ner Betrachtung der PCR-Negativen war sowohl für gen die S1-Untereinheit des Spike-Proteins (im Wei- α-S1- (r = 0,64, p < 0,001) als auch α-RBD-Antikörper teren als α-S1-Antikörper bezeichnet) und bis auf (r = 0,71, p < 0,001) eine deutliche Korrelation zu be- eine Person auch Antikörper gegen die RBD obachten. Dies ist dadurch zu erklären, dass die für (α-RBD-Antikörper) gebildet. Diese Antikörper kön- PCR-Positive gemessenen neutralisierenden Anti- nen sowohl nach Impfung als auch nach natürlicher körper-Werte nahezu alle an der Nachweisobergren- Infektion nachweisbar sein. Antikörper gegen das ze liegen. Nukleokapsid-Protein (α-N-Antikörper), das nicht Teil der Impfung ist, waren bei keinem der PCR- negativ getesteten Geimpften nachweisbar. Diskussion Die vertiefte Ausbruchsuntersuchung von COVID-19- Bei 99,1% (105/106) der Geimpften konnten neu Erkrankungen in einem Alten- und Pflegeheim in tralisierende Antikörper nachgewiesen werden. So- der Oberpfalz im Mai 2021 beschäftigte sich mit wohl neutralisierende Antikörper (p < 0,001) als auch potenziellen Unterschieden in Parametern wie In- α-S1- (p < 0,001) und α-RBD-Antikörper (p < 0,001) fektionsstatus, Höhe der Viruslast, Hospitalisierung waren bei Personen, bei denen nach der Impfung und Tod zwischen Geimpften und nicht Geimpften eine natürliche Infektion nachgewiesen wurde, sig- sowie mit dem Antikörperstatus nach vollständiger nifikant höher als bei nicht Infizierten. Impfung. Darüber hinaus wurde ein möglicher A A B B Abb. 3 | (A) Anteil an Personen in verschiedenen Ct-Wert-Bereichen nach Impfstatus, (B) Verteilung der Ct-Werte nach Alter bei geimpften Infizierten (n = 70) und nicht oder unvollständig geimpften Infizierten (n = 27), SARS-CoV-2-Ausbruch im Alten- und Pflegeheim Mai 2021 in der Oberpfalz, Untersuchung des LGL Bayern
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 9 Abb. 4 | Messwerte der durchgeführten Antikörperteste (n = 106 Proben von Geimpften), unterteilt nach gesicherter Infektion (PCR-positiv)(dunkelblau, n = 53) und keine Infektion nachgewiesen (PCR-negativ)(hellblau, n = 53). Wilcoxon-Rangsummentest mit *: p < 0,05, **: p < 0,01, ***: p < 0,001. Gestrichelte Linien repräsentieren den Test cut-off. (A) Lineblot IgG, (B) Surrogat-Neut- ralisationstest, (C) Korrelation neutralisierender Antikörper (Surrogat-Neutralisationstest) mit α-RBD Antikörpern (Lineblot), Spearman Rank Korrelationskoeffizient r = 0,59 (p < 0,001) (gesamt), r = 0,71 (p < 0,001) (keine Infektion) und r = 0,19 (p = 0,17) (gesichert), SARS-CoV-2-Ausbruch im Alten- und Pflegeheim Mai 2021 in der Oberpfalz, Untersuchung des LGL Bayern Booster-Effekt nach Impfung durch eine nachfolgen- zwar hohe Infektionsraten zu verzeichnen waren, de natürliche Infektion untersucht. jedoch das Infektionsrisiko, die Viruslast, die Schwe- re der Infektion sowie das Sterberisiko durch die Der im Zuge des Ausbruchsgeschehens beobachte- Impfung reduziert waren. Bei den nicht oder unvoll- te hohe Anteil an SARS-CoV-2-Infektionen trotz ständig Geimpften war das Risiko für eine SARS- vollständiger Impfung und die beobachteten Krank- CoV-2-Infektion um 76 Prozentpunkte erhöht im heitsverläufe der Infizierten machen deutlich, dass Vergleich zu den Geimpften. Außerdem hatten die im beschriebenen Setting trotz hoher Impfquote nicht oder unvollständig Geimpften ein im Ver-
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 10 gleich zu Geimpften 4,6-fach erhöhtes Risiko hos- rigen zu 96 % und die 75-Jährigen zu 91 % vor einer pitalisiert zu werden und ein 2,7-fach erhöhtes Risi- Hospitalisierung.11 ko an COVID-19 zu versterben. Dass gleichzeitig das Hospitalisierungs- und Mor- Bei diesen Risikoschätzungen sind Verzerrungen talitätsrisiko durch eine SARS-CoV-2-Infektion in im Sinne eines differenziellen Selektionsbias des Alten- und Pflegeheimen vor Bestehen einer Impf- Impfstatus nach Altersgruppen anzunehmen. Da möglichkeit deutlich höher war, zeigt eine Studie, überwiegend Personen der Altersklasse unter die im März 2020 den ersten bekannten SARS- 60 Jahren nicht geimpft waren und zudem das be- CoV-2-Ausbruch in einem Altenheim in Illinois un- rufstätige Personal in dieser Altersgruppe überwog tersuchte. Dabei wurden 126 Bewohnerinnen und (Healthy Worker-Effekt), sind die Risiken für Hospi- Bewohner mittels PCR getestet und über 30 Tage talisierung und Tod bezogen auf die hypothetische beobachtet. Im Laufe der 30 Tage wurden 37 % der Grundgesamtheit der Alten- und Pflegeheimbewoh- positiv Getesteten hospitalisiert und 29 % verstar- nerinnen und -bewohner wahrscheinlich höher als ben.12 Im Vergleich zur vorliegenden Untersuchung hier angegeben. Aufgrund fehlender Kenntnis der mit einem Hospitalisierungsanteil von 10,3 % und individuellen Risikosituationen (z. B. Zimmerbele- einer Mortalität von 8,2 % unter allen Infizierten gung, Kontaktmöglichkeiten, Vorerkrankungen) (bzw. jeweils 7,1 % unter den vollständig geimpften konnten neben dem Impfstatus keine weiteren Fak- Infizierten) sind diese Anteile deutlich höher. toren berücksichtigt werden, weshalb die berechne- ten Risiken nur unter Vorbehalt des Einflusses wei- Bei der Interpretation der Ergebnisse muss berück- terer potenzieller Risikofaktoren interpretiert wer- sichtigt werden, dass die untersuchte Stichprobe den können. Da nur unvollständige Daten zu Vorer- eine Größe von 150 Personen, darunter 121 Bewoh- krankungen, Symptomen und Krankheitsschwere nerinnen und Bewohner und 29 Mitarbeiterinnen vorlagen, konnten nur Unterteilungen in „nicht und Mitarbeiter, hatte. Neben systematischen Selek- hospitalisiert“, „hospitalisiert“ und „verstorben“ vor- tionseffekten der Belegung eines einzelnen Alten- genommen werden, woraus sich einige weitere Ein- und Pflegeheimes sind auch Zufallseinflüsse auf schränkungen ergeben. So wurden die drei ohne Wohnbevölkerung und Personal zu berücksichti- vorherige Hospitalisierung Verstorbenen den Ver- gen, weshalb die Ergebnisse nicht ohne Weiteres storbenen zugerechnet, nicht jedoch den Hospitali- auf andere Alten- und Pflegeeinrichtungen oder so- sierten. Hierbei ist zu bedenken, dass sie aufgrund gar auf die Allgemeinbevölkerung übertragen wer- von möglicherweise schweren Symptomen bei ei- den können. Dies könnte einerseits dazu geführt nem anderen Behandlungsansatz auch den Hospi- haben, dass mögliche Unterschiede bzw. signifikan- talisierten hätten zugerechnet werden können. Da te Zusammenhänge hier nicht aufgedeckt wurden, zwei der drei Personen geimpft waren, hätte dies bei andererseits hier entdeckte signifikante Unterschie- den nicht oder unvollständig Geimpften im Ver- de bzw. Zusammenhänge in der Grundgesamtheit gleich zu den Geimpften nur noch ein 3,9-fach er- nicht in dieser Ausprägung vorhanden sind. höhtes Risiko für eine Hospitalisierung ergeben. Im untersuchten Alten- und Pflegeheim wurde das Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen Impfangebot vom Personal mit einer Impfquote sind in ihrer Grundaussage mit anderen publizier- von 58,6 % schlechter angenommen als unter den ten Untersuchungen konsistent. Eine Studie zur Ef- Bewohnerinnen und Bewohnern mit 87,6 %. fektivität des Impfstoffs Comirnaty bei Pflegeheim- bewohnerinnen und -bewohnern ab 65 Jahren fand Dies ist nicht konsistent mit der hohen Impfbereit- nach vollständiger Impfung einen 88 %igen Schutz schaft, die im März/April 2021 in einer Online- vor Hospitalisierung und 97 %igen Schutz vor Tod.10 Umfrage des Universitätsklinikums Hamburg- In einer weiteren Studie, die Daten von 7.280 Pati- Eppendorf bei Beschäftigten in der Gesundheits- entinnen und Patienten mit Impfdaten aus nationa- und Wohlfahrtspflege festgestellt wurde. Die Um- len Impfdatenbanken analysierte, schützte die voll- frage ergab eine Impfquote von 75 % unter dem ständige Impfung mit Comirnaty die 65 – 74-Jäh Pflegepersonal, wobei die Quote mit 81 % in der Al-
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 11 tenpflege sogar noch höher lag. Nur 10 % der Pfle- Bei keinem der negativ getesteten Geimpften konn- gekräfte waren nicht bereit sich impfen zu lassen.13 ten α-N-Antikörper nachgewiesen werden. Da aber Umfragen unter intensivmedizinischem Pflegeper- auch in der Gruppe der gesichert Infizierten nur sonal zeigen, dass die Impfbereitschaft der Pflegen- 30,8 % (16/52) α-N-Antikörper gebildet hatten, kann den von 49,6 % im Dezember 2020 auf 70,7 % im nicht komplett ausgeschlossen werden, dass in der Februar 2021 anstieg.14 Möglicherweise lässt sich die Vergangenheit Kontakt mit SARS-CoV-2 bestand, je- Diskrepanz zwischen dem Umfrageergebnis vom doch keine α-N-Antikörper gebildet wurden, ein März und der in unserer Untersuchung beobachte- Kontakt so weit zurücklag, dass die Antikörper be- ten Impfquote des Personals, das im Januar ein reits abgebaut wurden oder so kurz vor der Blutab- Impfangebot erhalten hatte, mit der in dem Zeit- nahme stattfand, dass noch keine Antikörper gebil- raum gewachsenen Akzeptanz der Impfung erklä- det werden konnten (dies ist der Fall bei drei der ge- ren. Berücksichtigt werden muss zudem, dass die sichert Infizierten). Dennoch bietet die Tatsache, Angaben in Online-Umfragen nicht überprüfbar dass keiner der PCR-Negativen α-N-Antikörper auf- sind und ein Bias durch erhöhte Teilnahmebereit- wies, einen Hinweis dafür, dass das aktuelle Aus- schaft von Personen, die sich für das Thema inter- bruchsgeschehen gut nachverfolgt wurde und essieren und die Impfung befürworten, nicht aus- scheinbar alle Infektionen mittels PCR-Testung geschlossen werden kann. identifiziert wurden. Da für den Großteil der ungeimpften jüngeren Per- Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass die Imp- sonen hohe Viruslasten (Ct < 25) beobachtet wur- fung mit Comirnaty sehr zuverlässig vor schweren den, ist eine Impfung gerade auch in dieser Perso- Verläufen schützt, aber nur eingeschränkt vor einer nengruppe für das Setting Alten-/Pflegeheim wich- SARS-CoV-2-Infektion. Es ist zu berücksichtigen, tig, um eine SARS-CoV-2-Übertragung auf die dorti- dass trotz hoher, herstellerabhängig leicht variieren- gen besonders vulnerablen Personen zu reduzieren. der Impfeffektivität der in Deutschland zugelasse- Die beobachtete niedrige Impfquote beim Pflegeper- nen COVID-19-Impfstoffe keine Impfung zu 100 % sonal zeigt, dass weiterhin eine allgemeine Aufklä- wirksam ist. Bei einem gewissen Teil der Geimpften rung bezüglich der Impfung stattfinden muss, in kommt es zu einer schwächeren Immunantwort der neben dem allgemeinen Sinn und der Funk mit unzureichender Schutzwirkung, häufiger mit tionsweise auch die besondere Bedeutung der Imp- steigendem Alter, weshalb Impfdurchbrüche insbe- fung für eine Übertragung auf die zu betreuenden sondere auch im höheren Lebensalter zu erwarten Personen kommuniziert wird. Insbesondere in den sind. Dies bedeutet, dass über die Zeit mit einem Alten- und Pflegeeinrichtungen selbst, aber auch im zunehmenden Anteil Geimpfter in der Bevölkerung ambulanten oder im nichtprofessionellen Pflegebe- wahrscheinlich auch die Anzahl an Impfdurchbrü- reich, ist dies im Rahmen des Pandemiegeschehens chen weiter steigen wird und sich damit der Anteil dringend erforderlich. an Personen, die sich bei gegebener vollständiger Immunisierung mit SARS-CoV-2 infizieren, ggf. an Die serologischen Untersuchungen zeigen, dass COVID-19 erkranken und womöglich auch hospita- alle geimpften Personen α-S1-Antikörper und alle lisiert werden, erhöht. bis auf eine Person α-RBD-Antikörper sowie neutra- lisierende Antikörper gebildet hatten. Diese Immun Zudem muss das Alter als konfundierende Variable antwort fiel bei infizierten Geimpften signifikant bei der Bewertung Berücksichtigung finden. So ist stärker aus als bei nicht infizierten Geimpften, was derzeit in höheren Altersgruppen der Anteil auf eine durch die natürliche Infektion verstärkte Geimpfter vergleichsweise hoch. Gleichzeitig haben Immunantwort hinweist. Dies legt nahe, dass Al- ältere Personen ein deutlich höheres Risiko für ten- und Pflegeheimbewohnerinnen und -bewoh- schwere COVID-19-Verläufe, die ggf. zu einer Hos- ner von einer dritten (Booster-)Impfung profitieren pitalisierung führen. könnten. Zwar war der Anteil an Personen mit hoher Virus- last unter den nicht oder unvollständig Geimpften
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 12 deutlich höher als unter den Geimpften, nichts auch der Besucherinnen und Besucher die allge- destotrotz waren auch unter den Geimpften sehr meinen Schutzmaßnahmen wie Abstandhalten, die hohe Viruslasten nachweisbar, weshalb davon aus- Einhaltung der Hygieneregeln, das Tragen von Mas- zugehen ist, dass auch Geimpfte infektiös sein kön- ken, regelmäßiges Lüften und repetitive Testungen nen. Aus diesem Grund sollten zum Schutz der aufrechterhalten werden. Dies gilt verstärkt in An- häufig immungeschwächten und damit vulnerablen betracht neuer Varianten mit erhöhtem Übertra- Gruppe der Alten- und Pflegeheimbewohnerinnen gungsrisiko, wie der seit Anfang des Jahres in und -bewohner auch nach vollständiger Impfung Deutschland vorherrschenden Omikron-Variante.15 sowohl der Bewohnerinnen und Bewohner, der dort angestellten Beschäftigten aller Berufsgruppen, als Literatur 5 Pineles L, Perencevich EN, Roghmann M-C et al.: 1 Buda S, an der Heiden M, Altmann D et al.: Frequency of nursing home resident contact with Infektionsumfeld von erfassten COVID-19-Aus staff, other residents, and the environment outside brüchen in Deutschland. Epid Bull 2020;38:3-12. resident rooms. Infect Control Hosp Epidemiol DOI: 10.25646/7093 2019; 40: 815–16. DOI: 10.1017/ice.2019.117 2 Robert Koch-Institut: Täglicher Lagebericht des RKI 6 Fisman DN, Bogoch I, Lapointe-Shaw L et al.: zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19). Risk Factors Associated With Mortality Among 13.07.2021 – Aktualisierter Stand für Deutschland. Residents With Coronavirus Disease 2019 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuarti- (COVID-19) in Long-term Care Facilities in Ontario, ges_Coronavirus/Situationsberichte/Jul_2021/2021- Canada. JAMA Network Open 2020; 3(7): e2015957. 07-13-de.pdf?__blob=publicationFile [abgerufen am DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2020.15957 11.08.2021] 7 Wolf-Ostermann K, Rothgang H, Domhoff D et al.: 3 Vygen-Bonnet S, Koch J, Bogdan C et al.: Beschluss Zur Situation der Langzeitpflege in Deutschland der STIKO zur 1. Aktualisierung der COVID-19- während der Corona-Pandemie – Ergebnisse einer Impfempfehlung und die dazugehörige wissen- Online-Befragung in Einrichtungen der (teil)statio- schaftliche Begründung. Epid Bull 2021;2:3-71. nären und ambulanten Langzeitpflege. Bremen: DOI: 10.25646/7820.2 Institut für Public Health und Pflegeforschung (IPP), SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit 4 Williamson EJ, Walker AJ, Bhaskaran K et al. Factors und Sozialpolitik; 2020. https://www.socium. associated with COVID-19-related death using uni-bremen.de/ueber-das-socium/mitglieder/ OpenSAFELY. Nature 2020; 584: 430–36. DOI: 10.1038/s41586-020-2521-4
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 13 heinz-rothgang/projekte/laufende-projekte/?pro- 15 Robert Koch-Institut: Wöchentlicher Lagebericht j=644&print=1 [abgerufen am 11.08.2021] des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19). 20.01.2022 – Aktualisierter Stand für 8 Bundesminsterium für Gesundheit: Verordnung Deutschland. https://www.rki.de/DE/Content/InfA- zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Z/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/ Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Impfverord- Wochenbericht/Wochenbericht_2022-01-20.pdf?__ nung – CoronaImpfV). https://www.bundesgesund- blob=publicationFile [abgerufen am 27.01.2022] heitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Down- loads/C/Coronavirus/Verordnungen/Corona- ImpfV_BAnz_AT_11.03.2021_V1.pdf [abgerufen am Autorinnen und Autoren 11.08.2021] a) Heidi Lahne* | a) Andreas Grahl* | a) Barbara I. Streibl* | b) Dr. Christa Büchl | b) Dr. Marco Damzog | b) Stefan 9 Corman VM, Haage VC, Bleicker T et al.: Compa Gärtner | a) Dr. Bernhard Hobmaier | a) Dr. Martin Hoch | rison of seven commercial SARS-CoV-2 rapid point- a) Dr. Sabrina Jungnick | a) Dr. Katharina Katz | b) Liane of-care antigen tests: a single-centre laboratory Laubert | b) Dr. Barbara Schutt | a) Dr. Cornelia Seidl | evaluation study. Lancet Microbe. 2021 Jul; b) Dr. Karen Zilch | a) Prof. Dr. Manfred Wildner | 2(7):e311-e319. DOI: 10.1016/S2666-5247(21)00056- a) Prof. Dr. Bernhard Liebl | a) Dr. Nikolaus Ackermann | a) 10 Mazagatos C, Monge S, Olmedo C et al.: Working Prof. Dr. Dr. Andreas Sing | a) Dr. Volker Fingerle Group for the surveillance and control of COVID-19 a) Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebens- in Spain. Effectiveness of mRNA COVID-19 mittelsicherheit vaccines in preventing SARS-CoV-2 infections and b) Gesundheitsamt Neumarkt in der Oberpfalz COVID-19 hospitalisations and deaths in elderly * Diese Personen haben in ihren Rollen als Erstauto- long-term care facility residents, Spain, weeks 53 rinnen bzw. -autor äquivalente Beiträge geleistet. 2020 to 13 2021. Euro Surveill. 2021; 26(24): pii=2100452. DOI: 10.2807/1560-7917. Korrespondenz: Barbara.Streibl@lgl.bayern.de ES.2021.26.24.2100452 11 Moline HL, Whitaker M, Deng L et al.: Effectiveness Vorgeschlagene Zitierweise of COVID-19 Vaccines in Preventing Hospitalization Lahne H, Grahl A, Streibl BI, Büchl C, Damzog M, Among Adults Aged ≥ 65 Years – COVID-NET, 13 Gärtner S, Hobmaier B, Hoch M, Jungnick S, Katz K, States, February-April 2021. MMWR Morb Mortal Laubert L, Schutt B, Seidl C, Zilch K, Wildner M, Wkly Rep. 2021 Aug 13; 70(32): 1088-1093. DOI: Liebl B, Ackermann N, Sing A, Fingerle V: COVID-19- 10.15585/mmwr.mm7032e3 Impfung senkt das Risiko für Infektion, schwere Krank- heitsverläufe und Tod – Analyse eines SARS-CoV-2- 12 Patel MC, Chaisson LH, Borgetti S et al.: Asymp- Ausbruchs in einem Alten- und Pflegeheim tomatic SARS-CoV-2 Infection and COVID-19 Epid Bull 2022;6:3-13 | DOI 10.25646/9556 Mortality During an Outbreak Investigation in a Skilled Nursing Facility. Clinical Infectious Diseases Interessenkonflikt December 2020; 71 (11): 2920–2926. DOI: 10.1093/ Die Autorinnen und Autoren erklären, dass keine cid/ciaa763 Interessenkonflikte vorliegen. 13 Kozak A, Nienhaus A: COVID-19-Impfung: Impf status und Impfbereitschaft bei Beschäftigten in der Gesundheits- und Wohlfahrtspflege in Deutschland. Competenzzentrum Epidemiologie und Versor- gungsforschung bei Pflegeberufen (CVcare), 2021 14 Janssens U, Kluge S, Marx G et al.: Einstellung zur Impfung gegen SARS-CoV-2. Umfrage unter Mitar- beitenden in Krankenhäusern vor und nach Beginn der Impfungen in den deutschen Krankenhäusern. Med Klin Intensivmed Notfallmed 2021; 116: 421- 430. DOI: 10.1007/s00063-021-00821-4
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 14 Prävention des Eintrags von SARS-CoV-2 in Kitas: Erfahrungen aus dem Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, Januar bis März 2021 Zusammenfassung Präventive Maßnahmen und Untersuchungen vor Nur wenige Projekte widmeten sich bis Ende 2021 Betreten der Kita und serielle Teststrategien können der Verhinderung von Einträgen von Severe Acute dazu beitragen, Einträge von SARS-CoV-2 bzw. Ex- Respiratory Syndrome Coronavirus Type 2 (SARS- positionen in Kitas zu verhindern. Die Maßnahmen CoV-2) in Kindertagesstätten (Kitas) auf wissen- sollten als Multikomponentenstrategie angewendet schaftlicher Ebene. Das Robert Koch-Institut (RKI), werden. das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGe- So) Berlin und das Gesundheitsamt des Bezirks Treptow-Köpenick kooperierten im Rahmen eines Einleitung Amtshilfeersuchens, um Faktoren zu identifizieren, Die Häufigkeit des Eintrags von SARS-CoV-2 in die zum Eintrag (bzw. zur Übertragung) von SARS- Kitas ist eng mit der Inzidenz in der Gesamtbevöl- CoV-2 in Kitas des Bezirks beitragen. In einem ers- kerung verbunden.1,2 Im Verlauf der Coronavirus ten Teil des Projekts wurde ein Fragebogen zu Prä- Disease 2019-(COVID-19-)Pandemie hat in der ventionsmaßnahmen bzw. potenziellen Risikofakto- zweiten Jahreshälfte 2021 die Häufigkeit des Auftre- ren für den Eintrag (bzw. die Übertragung) von tens von C OVID-19 bei jüngeren Kindern und auch SARS-CoV-2 in Kitas an alle 194 Kitas des Bezirks die Bedeutung für das Infektionsgeschehen in den versendet. Im zweiten Teil wurden alle Daten zu höheren Altersgruppen zugenommen.3 Nur wenige Einzelfällen und Ausbrüchen in Kitas, die über das wissenschaftliche Untersuchungen in Deutschland Meldesystem an das Gesundheitsamt gemeldet bzw. widmeten sich der Frage, ob und wie der Eintrag dort erhoben wurden, zusammengestellt. Dies von SARS-CoV-2 in Kitas verhindert werden kann. schließt auch die Ergebnisse von anlassbezogenen Im Juni 2020 wurde, gefördert durch die Bundes Reihentestungen ein. Der Beobachtungszeitraum ministerien für Gesundheit und für Familie, Senio für beide Projektteile war Januar bis März 2021. ren, Frauen und Jugend, die Corona-KiTa-Studie initiiert und ein Projektteam am RKI etabliert, das Im ersten Projektteil zeigte sich, dass eine Kombi- sich u. a. diesem Thema wissenschaftlich widmet. nation aus Gesundheits-Check (Angabe durch Eltern bzw. Beschäftigte und Temperaturmessung) Im Rahmen eines Amtshilfeersuchens des Berliner und Testung (mittels Schnelltest, bei Kindern und Bezirks Treptow-Köpenick sollte gemeinsam mit Beschäftigten) in Kitas ohne SARS-CoV-2-Fall wäh- dem LAGeSo in Berlin und dem RKI für den Zeit- rend des Beobachtungszeitraums signifikant häufi- raum Januar bis März 2021 beschrieben bzw. analy- ger durchgeführt wurde als in Kitas mit einem Ein- siert werden, (a) welches Vorgehen im Bezirk zur zelfall oder einem Ausbruch. Prävention von Kita-Ausbrüchen praktiziert wurde (definiert als das Auftreten von mindestens zwei Im zweiten Projektteil wurden Kita-Beschäftigte in miteinander über das Kita-Setting im Zusammen- den Kitas mit einem Einzelfall oder Ausbruch signi- hang stehende Fälle), (b) welche Faktoren mögli- fikant häufiger als Indexfall identifiziert im Ver- cherweise dazu führten, dass Infektionen in Kitas gleich zu Kindern. Bei Kitas mit einem Einzelfall wa- eingetragen wurden und (c) welche Faktoren mögli- ren die Indexfälle häufiger auf Initiative des Gesund- cherweise dazu beitrugen, dass – wenn es zu Expo- heitsamtes identifiziert worden als bei Kitas mit Aus- sitionen im Kitasetting kam – die Expositionszeit so bruch und das Intervall von Symptombeginn bis zur kurz wie möglich ausfiel, um Übertragungen zu re- Isolierung war bei Indexfällen von Kitas mit einem duzieren bzw. zu vermeiden. Einzelfall kürzer als bei Kitas mit Ausbruch.
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 15 Methoden 1.) Zum Erregereintrag: Kitas ohne SARS-CoV-2- Einträge wurden mit Kitas mit mindestens ei- Teil 1: Fragebogen zu Präventionsmaßnahmen nem Eintrag während des Untersuchungszeit- und potenziellen Risikofaktoren für SARS-CoV-2- raums verglichen; Einträge bzw. Übertragungen in Kitas 2.) Zur Übertragung innerhalb der Kita: Kitas mit Ein Fragebogen wurde per E-Mail an alle 194 Kitas einem SARS-CoV-2-Ausbruch wurden mit allen im Bezirk geschickt, um Informationen über das übrigen Kitas (Kitas ohne Fall oder mit einem Auftreten von SARS-CoV-2-Fällen zwischen Januar Einzelfall) verglichen. und März 2021 sowie Informationen über die Orga- nisationsstruktur, das Pandemie-Management und Die Fragen des Fragebogens wurden nach Relevanz die Hygienekonzepte der Kitas zu sammeln. Der für die 1. (Erregereintrag) oder 2. Fragestellung Fragebogen umfasste die folgenden Bereiche: (Übertragung innerhalb der Kita) sortiert. Wir be- ▶▶ Größe (Betreuungskapazität) der Kita, Anzahl rechneten die von den Kitas angegebenen Häufig- Beschäftigter bzw. betreuter Kinder im Normal- keiten der umgesetzten Maßnahmen und ob die be- und Notbetrieb obachteten Unterschiede in univariablen Verglei- ▶▶ Gruppenkonzept (feste oder offene Gruppen; chen statistisch signifikant waren. Als Signifikanz- Betreuung von Geschwistern) niveau wurde ein p-Wert von 0,05 verwendet. Die ▶▶ Raumgrößen Dateneingabe erfolgte mit Microsoft Excel (MS Of- ▶▶ Kommunikation mit dem Gesundheitsamt fice) und die Analyse mit Microsoft Excel, STATA ▶▶ Gesundheitsmonitoring (Selbstangabe von (College Station, TX, USA) oder R. Erkrankungen, Temperaturmessung, Testkon- zept für Kinder und Beschäftigte) Teil 2: Meldedaten zu Einzelfällen und ▶▶ Lüften, Lüftungskonzept Ausbrüchen in Kitas ▶▶ Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen Im zweiten Teil erfolgte eine Zusammenstellung ▶▶ Händehygiene und Desinfektionsmaßnahmen der dem Gesundheitsamt Treptow-Köpenick be- (Gegenstände, Mobiliar) kannten Infektionsgeschehen in den Kitas für den ▶▶ sonstige organisatorische Regelungen. Zeitraum Januar bis März 2021. Unterschieden wur- den dabei Geschehen mit Einzelfällen ohne Aus- Um vor allem die Fragebögen der Kitas zu erhalten, bruch („Einzelfall-Situationen“) und Kita-Ausbrü- bei denen dem Gesundheitsamt bekannt war, dass che. Dazu wurden sowohl die in der Meldesoftware zwischen Januar und März 2021 ein Ausbruch auf- SurvNet (Survnet@RKI; https://survnet.rki.de) und getreten war, wurden die Leitungen der entspre- SORMAS (https://www.sormas-oegd.de/) als auch chenden Kitas telefonisch kontaktiert und um Teil- weitere im Gesundheitsamt vorliegende Unterlagen nahme gebeten. Des weiteren wurden basierend auf zu den jeweiligen Einzelfall-Situationen und Aus- den beantworteten Fragebögen die Kitas herausge- brüchen zusammengetragen, in Excel erfasst und sucht, die im Zeitraum zwischen Januar und März deskriptiv bzw. univariabel mittels der Open-Source 2021 mindestens einen Infektionsfall im Kita- Website Openepi.com oder der Statistik-Software Setting angaben. Diese wurden zur Qualitätskon STATA ausgewertet. Die epidemiologischen, d. h. trolle kontaktiert, um genauer zu erfragen, ob es zu soziodemografischen und symptom- und labor Expositionen im Kita-Setting gekommen war, ob die diagnostischen Eckdaten wurden nach Indexfällen berichteten Fälle im Kita-Setting Personen exponiert und Kontaktpersonen erfasst und ausgewertet. Ge- hatten, bzw. ob bei Angabe von mehreren Fällen die- mäß der im ersten Jahr der Pandemie vom RKI für se möglicherweise miteinander in Zusammenhang die Kontaktpersonennachverfolgung empfohlenen standen. Gegebenenfalls wurden Angaben im Fra- Herangehensweise wurde zwischen Kontaktperso- gebogen korrigiert bzw. angepasst. nen 1. Grades (KP1) mit einem höheren Risiko für eine Übertragung und Kontaktpersonen 2. Grades Wir führten auf Basis der Angaben in den Fragebö- (KP2) mit einem niedrigeren Risiko unterschieden. gen zwei Analysen durch.
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 16 Ergebnisse genüber 0 % bei Kitas mit mindestens einem Fall; p = 0,03). Teil 1: Analyse des Eintrags und der Über tragung von SARS-CoV-2 in Kitas anhand Die Umsetzung ausgewählter Infektionsschutz- von Fragebögen maßnahmen als Teil einer „Multikomponentenstra- Insgesamt sendeten 52 der 194 angefragten Kitas tegie“ zur Prävention von Einträgen in die Kita wur- (27 %) einen ausgefüllten Fragebogen zurück. Diese de mit einem Punktevergabesystem (Score) bewer- Kitas hatten im Median 14 erziehende und vier sons- tet. Vergeben wurden je ein Punkt für die Maßnah- tige Mitarbeitende (gesamt: 18) und betreuten im men „Gesundheits-Check durch Selbstangabe UND Normalbetrieb im Median 19 Kinder von 0 bis unter Temperaturmessung“ (bei Kindern oder Beschäftig- 3 Jahren, 40 Kinder zwischen 3 Jahren und Schulal- ten), für das Testen bei Kindern und für das Testen ter und 13 Kinder im Schulalter (Summe der Me bei Beschäftigten (beginnend vor der sechsten Ka- diane: 72 Kinder). Im Notbetrieb wurden im Median lenderwoche); maximale Punktzahl drei. Kitas ohne 15, 33 und 10 Kinder in den jeweiligen Altersgruppen Fall hatten häufiger einen oder zwei Punkte (35 % vs. betreut (Summe der Mediane: 58 Kinder). Von den 6 %; Tabelle 1; Abbildung 1). Keine Kita erreichte drei 52 Kitas gaben 20 (38 %) an, im Beobachtungszeit- Punkte. Die mittlere Anzahl an Maßnahmen war raum mindestens einen SARS-CoV-2-Fall in der bei Kitas ohne Fall signifikant höher (p = 0,02). Einrichtung gehabt zu haben. Bei vier Kitas war dem Gesundheitsamt bekannt, dass bei ihnen ein Analysen zur Übertragung von SARS-CoV-2 Ausbruch aufgetreten war. Durch die telefonische Der Vergleich von Kitas mit Ausbruch zu allen an- Nachfrage bei den übrigen Kitas mit Angabe min- deren Kitas (nicht gezeigt in Tabelle 1) ergab für fast destens eines Falles wurden zwei zusätzliche Aus- alle Variablen (einschließlich der Arbeit in festen brüche identifiziert und bei zweien wurde festge- Gruppen und der festen Zuweisung von Personal zu stellt, dass es durch die angegebenen Fälle bzw. den Gruppen) keine deutlichen bzw. signifikanten Un- angegebenen Fall zu keiner Exposition innerhalb terschiede. Sie unterschieden sich jedoch darin, sel- der Kita gekommen war. Somit gingen sechs Kitas tener Geschwisterkinder in derselben Gruppe zu be- mit Ausbruch und zwölf mit einer Einzelfall-Situa- treuen (0 % in Kitas mit Ausbruch vs. 27 % in allen tion in die Analyse ein (gesamt 18 Kitas). Bei 34 Kitas anderen Kitas; p = 0,15). Darüber hinaus lüfteten (65 %) war im beobachteten Zeitraum kein Fall auf- Kitas ohne Ausbrüche zwar etwas seltener (10 vs. getreten. 13-mal am Tag; p = 0,26), dafür tendenziell aber län- ger (durchschnittlich 14,7 vs. 10,5 Minuten; p = 0,09). Analysen der SARS-CoV-2-Einträge in Kitas Tabelle 1 zeigt Kitas ohne SARS-CoV-2-Fälle im Ver- Teil 2: Epidemiologische Auswertung gleich zu Kitas mit Einzelfällen oder Ausbrüchen. von Einzelfällen und Ausbrüchen in Kitas In Kitas, bei denen kein Fall aufgetreten war, fragten auf Grundlage vorliegender Daten des Eltern oder Beschäftigte vor Kitabeginn häufiger Gesundheitsamts nach dem Gesundheitszustand der Kinder bzw. der Die epidemiologischen Eckdaten von 15 Einzelfall- Beschäftigten (47 % (16/34) vs. 39 % (7/18)) und es Situationen und elf Ausbrüchen in den Kitas zwi- wurden häufiger regelmäßige Temperaturmessun- schen Januar und März 2021 sind in Tabelle 2 dar- gen bei Kindern (19 % vs. 12 %), jedoch seltener bei gestellt. Sowohl bei den Einzelfall-Situationen als Beschäftigten (7 % vs. 12 %; ) durchgeführt als in auch bei den Ausbrüchen waren häufiger Kita- Kitas mit mindestens einem Fall. Das serielle Testen Beschäftigte die Indexfälle (60 % (9/15) bzw. 70 % auf SARS-CoV-2 von Kindern (90 % vs. 93 %) oder (7/10)). Im Vergleich zum in der Umfrage aus Teil 1 von Beschäftigten (70 % vs. 76 %) fand etwa gleich eruierten Verhältnis der Betreuenden zu Kindern häufig statt. Acht (24 %) von 33 Kitas, bei denen zwi- (14 Betreuende : 58 Kinder im Notbetrieb) war unter schen Januar und März 2021 kein Fall aufgetreten den Indexfällen von Einzelfall-Situationen oder Aus- war, hatten jedoch bereits vor der sechsten Kalen- brüchen der Anteil der Betreuenden signifikant hö- derwoche (der ersten Schulwoche nach den Winter- her (16 Betreuende : 9 Kinder; p < 0,01). Indexfälle ferien) begonnen, ihre Beschäftigten zu testen (ge-
Epidemiologisches Bulletin 6 | 2022 10. Februar 2022 17 Kitas ohne Einzelfall-Situationen SARS-CoV-2-Fälle oder Ausbrüche p-Wert n = 34 n = 18 Gesundheits-Check (Selbstangabe oder Temperaturmessung) 50 % (17/34) 44 % (8/18) 0,70 Selbstangabe (durch Beschäftigte oder Eltern) zu Gesundheit 47 % (16/34) 39 % (7/18) 0,57 Regelmäßige Temperaturmessung bei Kindern 19 % (6/31) 12 % (2/18) 0,50 Regelmäßige Temperaturmessung bei Beschäftigten 7 % (2/31) 12 % (2/18) 0,52 Check durch Selbstangabe UND Temperaturmessung 8 % (3/34) 0 % (0/18) 0,19 Testen Testen der Kinder 90 % (28/31) 93 % (14/15) 0,73 Testen der Beschäftigten 70 % (23/33) 76 % (13/17) 0,85 Beginn des Testens der Beschäftigten vor KW 06/2021 24 % (8/33) 0 % (0/17) 0,03 Multikomponenten (Score; Gesundheits-Check und Temperatur; Testen der Kinder; früher Beginn des Testens der Beschäftigten) 0 der Maßnahmen 65 % (22/34) 94 % (17/18) 0,06 1 der Maßnahmen 29 % (10/34) 6 % (1/18) 2 der Maßnahmen 6 % (2/34) 0 % (0/18) Mittelwert der Anzahl der Maßnahmen 0,41 0,06 0,02 Tab. 1 | Häufigkeit von Maßnahmen oder kombinierten Maßnahmen zur Eintragsprävention in Kitas ohne SARS-CoV-2-Fälle versus Kitas mit einer Einzelfall-Situation oder mit Ausbrüchen, Januar bis März 2021, Berlin, Bezirk Treptow-Köpenick Häufigkeit von Maßnahmen zur Eintragsprävention % ni satiK % ni satiK %%00101 %%0909 %%0808 %%0707 %%0606 %%0505 %%0404 %%0303 %%0202 %%0101 im Kindesalter waren älter, wenn sie Indexfall eines %%0 0 Kitas in % Ausbruchs waren (p = 0,03). 100% nnooitintneveävräprpsgsagratrntniEiEruruz znnememhhananßßaMaMnnoovvtiteikegkigfiufuäHäH 100 % llallFaFmmeneineiesnsentestesdendinmimtimtimsastaiKtiK elelällFäFenehnohosastaiKtiK 90% 90 % Kitas ohne Fälle Die zeitlichen Intervalle zwischen Symptombeginn 00 Kitas mit mindestens und Testdatum sowie zwischen Symptombeginn 80%% einem Fall 80 und Beginn der Isolierung waren bei den Indexfäl- 70%% 70 len der Ausbrüche (nicht signifikant) größer. Die In- nenmemhahnaßnaßMaMrerdedlhlahZaZ dexfälle der Einzelfall-Situationen waren zu 77 % 60%% Kitas in % 60 auf Initiative des Gesundheitsamtes identifiziert 11 50%% 50 worden, Indexfälle der Ausbrüche zu 44 % (p = 0,12). In diesen Fällen hatten zum Beispiel Kita-Beschäf- 40%% 40 tigte das Gesundheitsamt über einen SARS-CoV-2- 30%% 30 Fall in der eigenen Familie informiert, oder das Ge- 22 20%% 20 sundheitsamt wusste bereits davon und initiierte bei in der Kita tätigen Personen einen Test. 10%% 10 00% % Bei den Einzelfall-Situationen wurden unter den 0 1 2 KP1 der Kita etwa 80 % der quarantänisierten Perso- 1 2 Zahl der Maßnahmen 0 nen (sowohl Kinder als auch Betreuende) getestet. In den Kitas mit Ausbruch wurden ebenfalls etwa Zahl der inMaßnahmen Abb. 1 | Häufigkeit der ergriffenen Maßnahmen zur Präven tion von SARS-CoV-2-Einträgen Kitas ohne Fall und Kitas 80 % der quarantänisierten Betreuenden getestet, mit mindestens einem Fall zwischen Januar und März 2021, aber nur 46 % der Kinder. Die Test-Positivenrate bei Berlin, Bezirk Treptow-Köpenick Kitas ohne Fälle Kitas mit mindestens einem Fall den KP1 der Kita in den Einzelfall-Situationen be-
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