Ergotherapie für Kinder - selbständig handeln
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ERGOTHERAPIE ERGO (griech: „to ergon“) geht davon aus, ... bedeutet: Werk, Tat; handeln, etwas leisten, sich betätigen, kreativ tätig sein, produktiv sein ... dass Tätigsein ein menschliches Grundbedürfnis ist und dass gezielt eingesetzte Tätigkeit therapeutische Wirkung hat. Seite 2
ERGOTHERAPIE • zählt zu den medizinischen Heilberufen • wird nach ärztlicher Verordnung von angestellten und freiberuflichen ErgotherapeutInnen ausgeübt • beinhaltet auch gesundheitsfördernde und präventive Leistungen, die ohne ärztliche Verordnung erbracht werden können • ist Teil einer ganzheitlich ausgerichteten medizinischen Behandlung Seite 3
Wo arbeiten ErgotherapeutInnen mit Kindern? • Allg. Krankenhäuser und Kinderkliniken (ambulant und stationär) • Rehabilitationskliniken, Therapiezentren und Ambulatorien • Schulen und Kindergärten • Kinderheimen • Werkstätten für Menschen mit Behinderungen • Einzel- und Gemeinschaftspraxen • zu Hause bei den Kindern (mobile TherapeutInnen) Seite 4
ErgotherapeutInnen arbeiten – im Sinne einer ganzheitlichen Behandlung – eng zusammen mit: • Eltern und anderen Angehörigen • ÄrztInnen und Pflegepersonal • anderen TherapeutInnen (PhysiotherapeutInnen, LogopädInnen, MusiktherapeutInnen, etc.) • PsychologInnen • LehrerInnen, KindergartenpädagInnen und SozialarbeiterInnen • anderen Fachleuten Seite 5
Welche Kindern kann Ergotherapie helfen? Kindern mit • Koordinationsstörungen, Problemen in der Feinmotorik • Wahrnehmungsproblemen, ADHS • Entwicklungsverzögerungen und – störungen, Autismus • Behinderungen (z.B.: Morbus Down, Infantile Cerebralparese ) • Verhaltensauffälligkeiten und Lernstörungen • chronischen Erkrankungen (z.B.: Rheuma) • Amputationen, Verbrennungen, Verletzungen, Tumoren, etc. • Anpassungsproblemen z.B. nach Frühgeburten • psychiatrischen Erkrankungen • …. Seite 6
Welchen Kindern kann Ergotherapie helfen? Kindern, die Probleme in der Bewältigung ihres Alltages haben: • zu Hause: beim Anziehen, Binden der Schuhe, Essen, Ordnung halten, … • im Kindergarten oder in der Schule: beim Schreiben, Basteln, in der Konzentration, in der Selbstorganisation, … • im Spiel: im Sozialverhalten, im selbständigen Spiel, … Seite 7
ErgotherapeutInnen sind ExpertInnen für Aktivitäten des täglichen Lebens: Sie analysieren die alltäglichen Handlungen der Kinder. Fähigkeiten, die für diese Tätigkeiten erforderlich sind, werden gefördert und Alltagsaktivitäten trainiert. Bei Bedarf werden Aktivitäten adaptiert, Hilfsmittel eingesetzt, und Bezugspersonen beraten, damit das Kind im Alltag erfolgreich ist. Seite 8
Der ergotherapeutische Prozess: Informationssammlung (fokussiert auf Alltagbewältigung und soziale Rollen des Patienten) Ergotherapeutische Befunderhebung Therapieende zum Erkennen von Ressourcen und Beeinträchtigungen Bewertung und Evaluation Formulierung der Therapieziele Durchführung Erstellung eines der Therapie Therapieplanes / Auswahl von ergoth. Maßnahmen Seite 9
Informationssammlung / Befunderhebung Um ein umfassendes Bild von einem Kind mit seinen Möglichkeiten und Problemen in seinem Lebensumfeld zu bekommen, werden Informationen aus unterschiedlichen Bereichen gesammelt. Methoden: A) Befragung B) Beobachtung C) Testverfahren Darüber hinaus können Vorbefunde (z.B. vom Arzt, Psychologen) als zusätzliche Informationsquellen herangezogen werden. Seite 10
Informationssammlung / Befunderhebung A) Befragung • mündlich (z.B. Interviews mit dem Kind / den Eltern) • schriftlich (z.B. Fragebögen) Erhebung von: Æ Problemen aus dem Alltag Æ Ressourcen (z.B. Stärken des Kindes) Æ Wünschen, Bedürfnissen und Erwartungen Æ Kontextfaktoren (z.B. Familiensituation) Æ Anamnese (z.B. Entwicklungsgeschichte des Kindes ) Seite 11
Informationssammlung / Befunderhebung A) Befragung Beispiel: Child Occupational Self Assessment (COSA) Seite 12
Informationssammlung / Befunderhebung B) Beobachtung • im freien Spiel • im Spiel mit vorgegebenen Materialien • bei gezielten Aufgabenstellungen (z.B. Liniengang, Bauen nach Vorlage) • von Aktivitäten, bei denen das Kind im Alltag Probleme hat (z.B. das Kind schreibt sehr unleserlich Æ Kind beim Schreiben mit den gewohnten Utensilien beobachten) Seite 13
Informationssammlung / Befunderhebung A) Testverfahren Einige Beispiele: • Frostigs Entwicklungstest der visuellen Wahrnehmung 2 (FEW 2) • Developmental Test of Visual Motor Integration (VMI) • Movement – ABC-2 • Sensory Integration and Praxis Tests (SIPT) Durch Beobachtungen und die Durchführung von Tests werden Stärken und Schwächen des Kindes auf Funktionsebene erhoben. Dies dient dazu, die Probleme im Alltag besser zu verstehen. Seite 14
Informationssammlung / Befunderhebung A) Testverfahren Subtest aus dem Movement – ABC Subtest aus dem VMI Seite 15
Informationssammlung / Befunderhebung Die Ergotherapeutin/der Ergotherapeut analysiert und interpretiert die gesammelten Informationen, um die bestehenden Probleme im Alltag des Kindes aus ihrer Sicht zu erklären. Ergotherapeutische Modelle veranschaulichen diese ergotherapeutische Sicht. Seite 16
Informationssammlung / Befunderhebung Beispiel : Occupational Performance Model Australia (OPM-A) Seite 17
Informationssammlung / Befunderhebung Beispiel : Occupational Performance Model (OPM) M., 6 Jahre Problem: M. malt ungern und kann die Anforderungen bezüglich Malen, Schneiden und Basteln in der Vorschulgruppe im Kindergarten nur unzureichend erfüllen. Bei der Befundererhebung wurden u.a. folgende Ursachen identifiziert: • M. fällt es schwer, beim Tisch ruhig zu sitzen. Er hat keinen angemessenen • Haltungshintergrund. Er rutscht immer hin und her und stützt oft den Kopf mit • der linken Hand ab. Æ sensomotorisch • M. sitzt im Kindergarten auf einem zu hohen Stuhl. Dies erschwert seine • Aufrichtung zusätzlich. Æ physische Umwelt • M. ist mit seinen Leistungen beim Malen und Basteln nicht zufrieden. Daher • vermeidet er die Teilnahme an diesen Aktivitäten. Æ emotional Seite 18
Formulierung von Therapiezielen Die Ziele werden vom Kind und den Eltern gemeinsam mit der Therapeutin festgelegt und formuliert. Ziele in der Ergotherapie sind: … auf den Alltag des Kindes bezogen … für das Kind und die Bezugspersonen von Bedeutung … konkret formuliert, damit sie überprüfbar sind Seite 19
Formulierung von Therapiezielen S. bindet bis zum Beginn der zweiten Klasse seine Turnschuhe mit Schleifen. P. hält Ordnung auf seinem Arbeitsplatz in der Schule und zu Hause, er räumt die nicht benötigten Utensilien weg. N. springt ein kurzes Gummihüpfspiel, ohne dabei am Gummiseil hängen zu bleiben oder umzufallen . Seite 20
Der ergotherapeutische Prozess: Informationssammlung (fokussiert auf Alltagbewältigung und soziale Rollen des Patienten) Ergotherapeutische Befunderhebung Therapieende zum Erkennen von Ressourcen und Beeinträchtigungen Bewertung und Evaluation Formulierung der Therapieziele Durchführung Erstellung eines der Therapie Therapieplanes / Auswahl von ergoth. Maßnahmen Seite 21
Erstellen des Therapieplanes Auswahl der therapeutischen Maßnahmen A) Maßnahmen, die an den Alltagshandlungen ansetzen: • Selbsterhaltung: Anziehtraining, Umgang mit Messer und Gabel üben, … • Kindergarten und Schule: Förderung der Graphomotorik, Entwickeln von Strategien für die Organisation des Schulalltages, … • Freizeit: Förderung der Spielfähigkeit, Finden geeigneter Körperpositionen für das Spielen, … Seite 22
Erstellen des Therapieplanes Auswahl der therapeutischen Maßnahmen B) Maßnahmen die an den Fähigkeitskomponenten ansetzten: • Biomechanische und sensomotorische Fähigkeiten: Förderung der feinmotorischen Koordination, der Haltungskontrolle, Abbau der taktilen Abwehr, Anfertigung von Schienen, … • Kognitive Fähigkeiten: Förderung der Handlungsplanung, der Aufmerksamkeit, visuell-räumlicher Fähigkeiten, Gedächtnistraining, … • Psychosoziale Fähigkeiten: Steigerung des Selbstwertgefühls, der Frustrationstoleranz, Förderung kooperativen Verhaltens, ... Seite 23
Erstellen des Therapieplanes Auswahl der therapeutishen Maßnahmen C) Adaptieren der Umwelt: • ergonomische Anpassung des Schularbeitsplatzes, Wohnraumadaptierungen, Kennzeichnung von Räumen zu besseren Orientierung, … • Hilfsmittel für das Schreiben, für Verschlüsse, für Spiele, … Seite 24
Erstellen des Therapieplanes Auswahl der therapeutishen Maßnahmen A) Beratung: Neben der Beratung der Eltern ist es wichtig, auch das weitere Umfeld (z.B. Kindergarten, Schule) in die Beratung mit einzubeziehen. Ziele: • größeres Verständnis für die Verhaltensweisen/Probleme des Kindes • bessere Umsetzung der Therapieinhalte in den Alltag • Unterstützung des Kindes in seiner Selbstständigkeit in verschiedenen Lebenssituationen • Anbieten von Fördermöglichkeiten auch im außerhäuslichen Umfeld Seite 25
Auswahl des methodischen Vorgehens Wissen über den Alltag, Kenntnis der menschlichen Fähigkeiten und das Verständnis der Interaktion von Mensch – Handlung - Umwelt sind Basis für das ergotherapeutische Vorgehen. Aktivitätenanalyse, Fähigkeitsanalyse, Entwicklungs- und Lerntheorien sind wesentliche Grundlagen der Behandlung . Zusätzlich kommen spezifische Konzepte zum Einsatz: • Sensorische Integrationstherapie nach Jean Ayres • Affolter Modell/ geführte Interaktion • Bobath-Konzept • CO - OP Seite 26
Sensorische Integration Jean Ayres (Ergotherapeutin und Psychologin, Kalifornien 1920-88) • arbeitete als erste die fundamentale Bedeutung der Nahsinne für Entwicklung und Alltagsbewältigung heraus • entwickelte mit der SI eine weltweit bekannte ergotherapeutische Diagnostik- und Therapiemethode Sensorische Integration ist der neurologische Prozess, der Empfindungen aus dem eigenen Körper und aus der Umwelt organisiert und es uns ermöglicht, unseren Körper effektiv in unserer Umwelt einzusetzen. Seite 27
Affolter-Modell® Lernbegleitung als geführtes Handeln (H. Sonderegger) • Das Kind wird geführt und kann so wichtige Informationen während der Handlung erspüren. Gemeinsam werden Hindernisse bewältigt. • Durch die Therapiemethode des Führens erlebt das Kind viele „Spürmomente“, lernt Regeln kennen und wird zu erfolgreichem selbstständigen Handeln gebracht. Lernen im Alltag Seite 28
CO - OP • Cognitive Orientation to Daily Occupational Performance (CO-OP) ist eine klientenzentrierte, ausführungsbasierte Problemlösungsmethode, die den Erwerb von Fertigkeiten mithilfe von Strategieanwendung und geleiteter Entdeckung ermöglicht.“ (Polatajko, Mandich, 2008, S. 2) • In der Therapie erlernt das Kind Fertigkeiten, die sie gerne können möchten und wird mit "geleiteter Entdeckung" hingeführt, selbst Problemlöser zu werden. An Hand einer Aktivität lernt es eine kognitive Strategie (Goal - Plan - Do -Check), die es zuerst in der Therapie, dann aber auch selbstständig auf andere Fertigkeiten anwenden kann. Seite 29
Bobath Therapie • ist ein interdisziplinäres Konzept für Kinder mit cerebralen Bewegungsstörungen • basiert auf neurophysiologischen Grundlagen • fördert das motorische Lernen der Kinder und schafft Voraussetzungen für das Explorieren und Entwickeln von Bewegungsstrategien. • aktiviert physiologische Halte- und Bewegungsreaktionen • Eltern werden im Handling ihrer Kinder beraten Seite 30
Auswahl der therapeutischer Mittel Mittel in der Ergotherapie sind sinnvolle Aktivitäten, die dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechend eingesetzt werden. Typische Mittel sind: • Spiel in unterschiedlichsten Formen • Alltagsaktivitäten • Kreative und handwerkliche Aktivitäten Sozialformen • Einzeltherapie • Kleingruppe Seite 31
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Der ergotherapeutische Prozess: Informationssammlung (fokussiert auf Alltagbewältigung und soziale Rollen des Patienten) Ergotherapeutische Befunderhebung Therapieende zum Erkennen von Ressourcen und Beeinträchtigungen Bewertung und Evaluation Formulierung der Therapieziele Durchführung Erstellung eines der Therapie Therapieplanes / Auswahl von ergoth. Maßnahmen Seite 33
Die Ausbildung Zugangsvoraussetzungen: Reifeprüfungszeugnis, Berufsreifeprüfung oder Studienberechtigungsprüfung Zusätzlich muss ein berufsspezifisches Aufnahmeverfahren absolviert werden. In Österreich gibt es insgesamt 8 Ausbildungsstätten für Ergotherapie. Die Ausbildung in Akademien/ Fachhochschulen dauert 3 Jahre und schließt mit einem Diplom/ Bachelor of Science in Health Studies ab. Ständige Fort- und Weiterbildung sind unerlässlich. Seite 34
Inhalte des Ergotherapie - Studiums • Grundlagen der Ergotherapie, Ethik, • Aktivitätenanalyse, ergotherapeutische Behandlungsverfahren, … • Der ergotherapeutische Prozess in der Pädiatrie, Neurologie, Orthopädie, Psychiatrie, Arbeitsmedizin, beruflichen Rehabilitation, Geriatrie, Gesundheitsförderung und Prävention, … • Medizinische Fächer wie: Anatomie, Orthopädie, Neurologie, Psychiatrie, Pädiatrie, etc. • Sozialwissenschaftliche Fächer wie: Psychologie, Soziologie, Neuropsychologie, … • Kommunikation, Beratung, Selbsterfahrung, … • Praktikum Seite 35
In welchen weiteren Bereichen arbeiten ErgotherapeutInnen? ErgotherapeutInnen leisten täglich wichtige Arbeit in vielen medizinischen Fachbereichen: Neurologie Arbeitsmedizin/Ergonomie Handchirurgie Orthopädie Psychiatrie/ Kinder- und Jugendpsychiatrie Psychosomatik Geriatrie Forensik etc. Seite 36
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Literatur: Becker, H., & Steding-Albrecht, U. (Eds.) (2006). Ergotherapie im Arbeitsfeld Pädiatrie. Stuttgart u.a: Thieme. Nacke, A. (2005). Ergotherapie bei Kindern mit Wahrnehmungsstörungen. Stuttgart: Thieme. Polatajko, H. J., & Mandich, A. (2008). Ergotherapie bei Kindern mit Koordinationsstörungen: Der CO-OP Ansatz. Stuttgart: Thieme. Smith Roley, S., Blanche, E. I., & Schaaf, R. C. (Eds.) (2004). Sensorische Integration: Grundlagen und Therapie bei Entwicklungsstörungen. Berlin u.a: Springer. Steding-Albrecht, U. (Ed.) (2003). Das Bobath-Konzept im Alltag des Kindes: Ergotherapeutische Prinzipien und Strategien. Stuttgart: Thieme. Seite 38
Bundesverband der ErgotherapeutInnen Österreichs Schlagergasse 6 A - 1090 Wien Tel: 01/895 54 76 Fax: 01/897 43 58 verband@ergoaustria.at www.ergoaustria.at
Was du mir sagst, das vergesse ich Was du mir zeigst, daran erinnere ich mich Was du mich tun lässt, das verstehe ich Konfuzius, 551-479 v. Chr. Seite 40
„Ich hatte Zweifel, ob mein Kind aufgrund seiner feinmotorischen Probleme den Einstieg in die Schule schafft. Dank der Ergotherapie kann mein Sohn inzwischen besser schreiben als viele Kinder in seiner Klasse.“ (Monika, 39 Mutter) Seite 41
„In der Schule wird vieles als selbstverständlich vorausgesetzt, das für meine Tochter nicht zu bewältigen war! Unser Ergotherapeut hilft ihr dabei, trotz ihrer Entwicklungsverzögerung am Ball zu bleiben.“ (Paul, 43 Vater) Seite 42
„Der linke Arm meiner Tochter ist von Geburt an fast völlig gelähmt. Dennoch wollte sie unbedingt ein Musikinstrument erlernen. In Absprache mit dem Musiklehrer und unserer Ergotherapeutin versuchten wir es mit einer für sie adaptierten E-Gitarre. Für den gelähmten linken Arm waren eine spezielle Schienung und viele Übungsstunden nötig. Inzwischen sind alle sehr angetan und zufrieden mit den Ergebnissen unseres Experiments.“ (Susanne, 37 Mutter) Seite 43
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