Hintergrund und Methode - Delphi-Studie zur Zukunft der afrikanisch-europäischen Beziehungen - Bundesministerium ...

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DELPHI-STUDIE ZUR ZUKUNFT DER AFRIKANISCH-EUROPÄISCHEN B
                                                       ­ EZIEHUNGEN
ZUSAMMENFASSUNG

Delphi-Studie zur Zukunft der afrikanisch-
europäischen ­Beziehungen
Zusammenfassung

1 Hintergrund und Methode
2020 ist ein entscheidendes Jahr für die afrikanisch-        erstellen lassen. Die Delphi-Methode – eine Methode
europäischen Beziehungen – sei es mit Blick auf die          der Strategischen Vorausschau – ist eine systemati-
Verhandlungen über einen Nachfolger des Cotonou-             sche und interaktive Expertenbefragung zu einem
Abkommens, den 6. AU-EU Gipfel oder die neue                 ­Zukunftsthema in mehreren Befragungsrunden.
­EU-Afrika Strategie.
                                                             Ziel der Studie ist, Expertenwissen zum Thema und
Deutschland hat am 01. Juli 2020 die EU-Ratspräsident-       seiner möglichen Zukunftsgestaltung zu generieren
schaft übernommen und wird einen besonderen                  und dabei unterschiedliche Perspektiven aus Afrika
­Fokus auf die Beziehungen mit Afrika legen. Vor diesem      und Europa aufzugreifen. Die Delphi-Studie leistet
 Hintergrund hat das BMZ eine Delphi-Studie zur              ­einen Beitrag zum politischen Diskurs im Rahmen
 „­Zukunft der afrikanisch-europäischen Beziehungen“          der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020.

     METHODIK DER STUDIE                                     → Welche Risiken oder Herausforderungen in
     Im Auftrag des Bundesministeriums für wirt­schaft­         den afrikanisch-europäischen Beziehungen
     liche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)                 zeichnen sich bis 2045 ab?
     hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale        → Welches Thema wird in den afrikanisch-­
     Zusam­menarbeit (GIZ) GmbH in Kooperation mit              europäischen Beziehungen unterschätzt?
     dem Fraunhofer Institut für System- und Inno­va­        → Was ist Ihre Vision von den zukünftigen
     tions­forschung (ISI) im ersten Schritt 38 Interviews      ­afrikanisch-europäischen Beziehungen?
     mit afrikanischen und europäischen Expertinnen          → Wer sind die Hauptakteure, die diese Vision
     und Experten aus Politik und Verwaltung, Wissen­            ­verwirklichen könnten?
     schaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft geführt.
                                                             Auf den Interviews aufbauend wurden 22 Zukunfts-
     Die Fragen der Interviews lauteten:                     thesen entwickelt. In einem zweiten Schritt haben
     → Was sind die wichtigsten Zukunftsthemen              90 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diese Thesen
        in den afrikanisch-europäischen Beziehungen          hinsichtlich ihrer Eintrittsmöglichkeit, ihres Zeit­
        bis 2045?                                            horizonts, ihres Einflusses und ihrer Erwünschtheit
     → Was sind die wichtigsten Zukunftschancen             in einer Echtzeit-Delphi-Befragung bewertet.
        für die afrikanisch-europäischen Beziehungen         Die ­Thesen wurden von den Verfassern der Studie
        bis 2045?                                            fünf thematischen Clustern zugeordnet.

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DELPHI-STUDIE ZUR ZUKUNFT DER AFRIKANISCH-EUROPÄISCHEN B
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ZUSAMMENFASSUNG

2 Die                                        Thesen
         Bevorzugter Kooperationspartner                           Junge afrikanische Generation

Europa ist der bevorzugte Kooperationspartner              Die junge afrikanische Generation hat keinen Bezug
Afrikas, da der Kontinent von der Erfahrung der            mehr zur kulturellen und geographischen Nähe
EU als Modell für soziale Sicherung und wirtschaft­        der beiden Kontinente und betrachtet sich vielmehr
liche Integration profitiert.                              als „Weltbürger“.

          frika ist zurückhaltend in der
         A                                                         Europas koloniale Vergangenheit in Afrika
         Zusammenarbeit mit Europa
                                                           Die koloniale Vergangenheit Europas in Afrika ist nicht
Afrika ist zurückhaltend in der Zusammenarbeit             aufgearbeitet worden. Dies hat zu einer gravierenden
mit ­Europa und hat sich mit gleichgesinnteren             Verschlechterung der Beziehungen zwischen den
Partnern ­zusammengetan, um die drängendsten               ­beiden Kontinenten geführt.
Heraus­forderungen und Chancen des Kontinents
(wie Urba­nisierung oder „leapfrogging“) anzugehen.                „African Agency“

         Das „afrikanisch-europäische Modell“              „African Agency“ – die Handlungsfähigkeit des
                                                           Kontinents – steht außer Frage. Dem Prinzip „Afrikani-
Durch die Stärkung von soft power und eines                sche ­Lösungen für afrikanische Probleme“ folgend,
­regel­basierten Multilateralismus haben die               setzt der Kontinent seine eigenen Prioritäten und imple-
 beiden ­Kontinente die internationale Ordnung             mentiert Strategien ohne Einmischung von außen.
 auf „afrikanisch-­euro­­päi­sche Weise“ geprägt.
                                                                   „African way of life“
         Globale Handelsmechanismen
                                                           Der afrikanische Kontinent exportiert seine Popkultur
Die EU hat ihr wirtschaftliches Gewicht genutzt, um        und seinen „African way of life“ nach Europa und in
globale Handelsmechanismen und -institutionen              die Welt. Eine junge, selbstbewusste Mittelschicht gibt
(wie die WTO) so umzustrukturieren, dass diese fair        den Ton in globalen Trends und Lebensstilen an.
und gewinnbringend für beide Kontinente sind.
                                                                  	Gesellschaftlicher und kultureller
         Eine einheitliche Stimme                                   Austausch

Afrikanische und europäische Staaten haben es              Ein intensiver gesellschaftlicher und kultureller
­geschafft, eine einheitliche Stimme gegenüber ihrem       ­Austausch zwischen Afrika und Europa hat eine Wende
 Partnerkontinent zu finden. Sie implementieren             eingeläutet. Durch die Stärkung von Vertrauen und
 ­Strategien gemeinsam und haben fragmentierte              die Veränderung von Wahrnehmungen wurde das
  ­politische Entscheidungen überwunden.                    Machtverhältnis zwischen den beiden Kontinenten
                                                            neu ­ausbalanciert.
         Strategie der Entwicklungszusammenarbeit

Die EU hat ihren auf Konditionalitäten basierenden
­Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit aufgegeben
 und auf afrikanische Forderungen nach mehr Direktin-
 vestitionen, Handel und gemeinsamen Projekten reagiert.

                                                                                                                      2
Legale und uneingeschränkte Mobilität                  Autoritäre Allianzen

Die legale und uneingeschränkte Mobilität –             Autoritäre Regime in Europa und totalitäre Regime in
sowohl innerhalb der beiden Kontinente als auch         Afrika haben die Schwäche der Demokratie ausgenutzt
­zwischen ­ihnen – generiert wirtschaftlichen           und ihre Kräfte gebündelt, um ihre politische Agenda
 Wohlstand und ­fördert kulturellen Austausch.          umzusetzen.

         (Digitale) Plattformen zum Austausch                  	Populismus, Fremdenfeindlichkeit und
                                                                 Nationalismus
Um das Potential der unterschiedlichen demogra­
fischen Trends in Afrika und Europa auszuschöpfen,      Populismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus
­werden Plattformen breit genutzt, zum Beispiel für     haben zu einer dramatischen Verschlechterung der
 die Arbeitssuche und den akademischen Austausch.       ­afrikanisch-europäischen Beziehungen geführt.

         Nicht-staatliche Akteure                               Afrikas innovatives Potential

Die afrikanisch-europäischen Beziehungen werden         Afrika hat sein technologisches und digitales Potential
von einer Vielzahl nicht-staatlicher Akteure geprägt,   erfolgreich genutzt, um Lösungen für drängende
­darunter Philanthropen, religiöse Persönlichkeiten,    ­globale Herausforderungen zu entwickeln (z.B. Smart
 NGOs, soziale Bewegungen und Einzelpersonen.            Cities, städtische Landwirtschaft, Pandemiebekämp-
 Dies hat die traditionell zwischenstaatlichen           fung und E-Health). Der Kontinent exportiert seine
 ­Beziehungen grundlegend verändert.                     ­Innovationen nach Europa und in die Welt.

       	Afrikanische Friedens- und                             Zusammenarbeit beim Klimawandel
         Sicherheitsarchitektur
                                                        Der Klimawandel hat der Zusammenarbeit neuen
 Eine neue afrikanische Friedens- und Sicherheit­s-     ­Auftrieb verliehen. Afrika und Europa haben es
 architektur wurde implementiert. Diese ist              ­geschafft, ihre Politik angesichts einer gemeinsamen
 das E ­ rgebnis einer engen afrikanisch-europäischen     ­Herausforderung zu harmonisieren.
 ­Zusam­menarbeit und zeichnet sich durch ein
­ge­meinsames Verständnis von „menschlicher                     Radikaler grüner Wandel
  ­Sicherheit“, eine von der EU inspirierte Mischung
   aus ­hard und soft power Instrumenten und            Die externe Dimension des europäischen „Green
   einen Schwerpunkt auf ­Konfliktprävention aus.       Deals“ liefert einen wichtigen Anstoß zu einem
                                                        ­radikalen g
                                                                   ­ rünen Wandel und dem universellen
         Sicherheitszusammenbruch                        Zugang zu E­ nergie in Afrika.

Divergierende Ansichten zwischen Europa und                     Pandemie-Vorsorge
Afrika über sicherheitspolitische Herausforderungen
­haben zum Zusammenbruch der Sicherheitslage in         Da Pandemie-Vorsorge ein wichtiges Querschnitts­
 ­zentralen Konfliktgebieten wie der Sahelzone und      thema für beide Kontinente ist, wurden gemeinsame
  dem Horn von Afrika geführt.                          afrikanisch-europäische Instrumente und Strategien
                                                        geschaffen.

                                                                                                                  3
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ZUSAMMENFASSUNG

3	Kernerkenntnisse der
   ­Expertenbefragung
1.    lles ist möglich, nichts ist sicher: Die Zukunft der
     A                                                             ­ eansprucht zunehmend ihren Platz in der
                                                                   b
     afrikanisch-europäischen Beziehungen ist von ho-              ­Gesellschaft und fordert ihr Mitspracherecht in
     her Ungewissheit geprägt. Wird es zur Annäherung               der P­ olitik. Ihre Vision für den Kontinent wird
     oder zur Entfremdung kommen? Eine neue Ära der                 die B
                                                                        ­ eziehungen tiefgreifend beeinflussen.
     Zusammenarbeit muss aktiv eingeleitet werden.
                                                              8.   Die afrikanisch-europäischen Beziehungen um­
2.   Zusammen machen Afrika und Europa etwa die                    fassen nicht nur Politik und Wirtschaft. Gesell-
     Hälfte der Länder der Welt aus. Gelingt es beiden             schaftlicher und kultureller Austausch und die
     Kontinenten ihre Kräfte zu bündeln, könnten sie               Förderung persönlicher Kontakte sollten mehr
     den Multilateralismus bewahren und ihn durch                  Aufmerksamkeit erhalten.
     ­einen afrikanisch-europäischen Weg der inter­
      nationalen Zusammenarbeit prägen.                       9.   Von Zivilgesellschaft und Philanthropen bis hin
                                                                   zu Unternehmen, religiösen Führern und indivi-
3.   Die externe Herausforderung von Zusammenarbeit                duellen Veränderungsakteuren – nicht-staatliche
     muss zunächst von innen angegangen werden:                    Akteure beeinflussen zunehmend die afrikanisch-
     Die umstrittenste These dieser Studie war, ob es              europäischen Beziehungen. Es müssen institu­
     den Kontinenten gelingt, eine jeweils einheitliche            tionalisierte Kanäle für ihre Einbeziehung ge-
     Stimme zu finden.                                             schaffen werden.

4.   Europa ist für Afrika nicht der einzige Partner.         10. Die sicherheitspolitische Zusammenarbeit
     Angesichts sich wandelnder globaler Interessen                ­ frikas und Europas hat mehrere Dimensionen.
                                                                   A
     und Allianzen ist der Kontinent zunehmend in                  In institu­tioneller Hinsicht könnte Afrika von
     der Lage, Partner auszuwählen. Es wird immer                  ­europäischen Ansätzen und Instrumenten (z.B.
     wich­tiger ­werden, das „Alleinstellungsmerkmal“               seiner Mischung aus hard power und soft ­power)
     der ­Zusammenarbeit zwischen den beiden                        profitieren. Es müssen jedoch größere Anstren-
     ­Kontinenten ­auszugestalten.                                  gungen unternommen werden, um ­divergierende
                                                                    Konzepte auf­ein­ander abzustimmen. Ein gemein-
5.   „African Agency“ – die Handlungsfähigkeit des afri-            sames Verständnis von „menschlicher Sicherheit“
     kanischen Kontinents – ist entscheidend. Europa                (das Themen wie grenzüberschreitenden Handel,
     muss anerkennen, dass es afrikanische Lösungen für             Umwelt und Gesundheit umfasst) könnte im
     afrikanische und globale Herausforderungen gibt.               ­Mittelpunkt dieser ­Debatte stehen.

6.   Das koloniale Erbe Europas in Afrika überschattet        11. Migration wird mit großer Wahrscheinlichkeit ein
     nach wie vor die Beziehungen zwischen beiden                  politisch sensibles Thema bleiben, das entweder
     Kontinenten. Die Aufarbeitung der Vergangenheit               als „belastende Migration“ oder „gewinnbringende
     stellt das Fundament für die zukünftige afrika-               ­Mobilität“ verstanden wird. Die Bereitstellung
     nisch-europäische Zusammenarbeit dar.                          von Plattformen für den beruflichen und akademi­
                                                                    schen Austausch, sowohl für Afrikanerinnen und
7.   Die Jugend Afrikas ist mehr als eine „demografische            Afrikaner in Europa als auch für Europäerinnen
     Dividende“. Eine Generation junger, selbstbewusster            und Europäer in Afrika, könnte ein praktischer
     und innovativer Führungspersönlichkeiten                       Weg sein, um die Vorteile von Mobilität zu nutzen.

                                                                                                                         4
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ZUSAMMENFASSUNG

12. Gemeinsame Herausforderungen, wie Klima­                     13. Die Covid-19 Pandemie könnte ein besonderes
    wandel, Energieversorgung oder Pandemien                         ­ omentum für Kooperation bieten. Angesichts
                                                                     M
    könnten C  ­ hancen für Kooperation bieten.                      dieser globalen Bedrohung, die weitreichende
    ­Gemeinsam an ­konkreten Problemlösungen zu                      Auswirkungen auf Gesellschaft, Politik und
     arbeiten, könnte der Lackmus-Test für die Qualität              ­Wirtschaft nach sich zieht, könnte eine gemein­
     der Beziehungen ­zwischen ­Afrika und Europa                     same afrikanisch-europäische Antwort Einfluss
     sein, und Ausstrahlungskraft auf andere, politisch               auch jenseits des Themenbereichs Globale
     sensiblere Bereiche der Kooperation haben.                       ­Gesundheit entfalten.

4 Erkenntnisse im Einzelnen
A. KURZZUSAMMENFASSUNG DER FÜNF THEMATISCHEN CLUSTER

Auf Grundlage der Auswertung der 38 Interviews und der 22 Thesen wurden
fünf thematische Cluster gebildet, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

Cluster 1: Zusammenarbeit in einer neuen globa-                  Cluster 2: Geteilte Geschichte, gemeinsame
len Ordnung – wie lässt sich der Multi­lateralismus              ­Zukunft? Was es für einen Neustart der
effektiv gestalten?                                               ­Beziehungen braucht
Eine engere Zusammenarbeit mit Afrika ist von                    Dass die Beziehungen zwischen Afrika und Europa
zentra­lem geopolitischem Interesse. Gemeinsam                   in Zukunft enger sein werden, ist keine Selbstver-
um­fassen beide Kontinente mehr als die Hälfte ­                 ständlichkeit. Voraussetzung hierfür ist auch eine
aller ­Länder weltweit. Dies sollte genutzt werden,              umfassende Aufarbeitung der kolonialen Vergangen-
um den Multi­latera­lis­mus zu verteidigen und                   heit, die noch heute in Diskurs und Rhetorik der
nach afrika­nisch-euro­päi­scher Prägung zu formen.              ­Beziehungen fortbesteht. Gleichzeitig soll die Fähig-
­Gleichzeitig müssen Mehrwert und Alleinstellungs-                keit des afrikanischen Kontinents, eigenmächtig
 merkmal der Beziehungen geschärft und ­Afrikas                   zu handeln, stärker anerkannt werden, denn:
 ­Rolle als gleich­berechtigter Wirtschaftspartner                Afrika­nische Lösungen für afrikanische und globale
  ­gefördert werden. Wichtig ist ­außerdem ein diffe­             ­Herausforderungen existieren. Haupttreiber dieser
   renzierterer Ansatz der Entwick­lungs­zusammen­                 Forderungen dürfte die afrikanische Jugend sein,
   arbeit, Investitionen in ­Infrastruktur sowie eine              die – selbstbewusst und kosmopolitisch – ihre eigene,
   ­Reform des globalen Handels. Beide Kontinente                  pan-afrikanische Version für die Zukunft des
    ­sollten ­Posi­tionen besser koordi­nieren, um kohä­           ­Kontinents vorantreibt. Auffallend in diesem Cluster
     rente S­ trategien zu ­implementieren. Wenngleich              ist der Zeithorizont: die Thesen dieses Clusters
     die Thesen dieses ­Clusters insgesamt als e­ influssreich      ­wurden als zeitnah realisierbar eingeschätzt – z.T.
     ­bewertet wurden, ist das Themenfeld von einem                  bereits bis 2025.
      ­besonders ­hohen Maß an Ungewissheit ­geprägt.

                                                                                                                           5
DELPHI-STUDIE ZUR ZUKUNFT DER AFRIKANISCH-EUROPÄISCHEN B
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ZUSAMMENFASSUNG

Cluster 3: Perspektivwechsel – ein gesell­schafts­         in dem Themen wie grenzüberschreitender Handel,
orientierter Ansatz für die afrikanisch-europäi-           ­Umwelt oder Gesundheit zusammengedacht werden.
schen Beziehungen                                           Die gemeinsame Reform der afrikanischen Friedens-
Der Einfluss der Nationalstaaten nimmt auf beiden           und Sicherheitsarchitektur sowie eine stärkere Lasten-
Kontinenten eher ab. Kooperationsstrategien sollten         teilung bei Friedensmissionen stellen Chancen für die
hingegen den wachsenden Einfluss nicht-staatlicher          Zusammenarbeit dar. Es wird befürchtet, dass wachsen-
Akteure berücksichtigen. Neben den politischen und          der Populismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationa­
wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden            lismus die Beziehungen zwischen den beiden Konti-
Kontinenten wurde außerdem die Bedeutung eines              nenten verschlechtern könnte. Der nahe Zeit­horizont,
intensiveren kulturellen und gesellschaftlichen Aus-        mit dem die Thesen dieses Clusters bewertet wurden,
tauschs betont. Migration wird ein langfristiges und        unterstreicht die Dringlichkeit der Heraus­forderungen.
politisch sensibles Thema bleiben, zu dem die Pers-
pektiven sich unterscheiden zwischen „belastender          Cluster 5: Eine Welt der Risiken – mit Technologie
Migration“ und „gewinnbringender Mobilität“.               und Innovation gemeinsam die Probleme von
Die einzige These, die in diesem Cluster als früh          morgen angehen
r­ealisierbar eingeschätzt wurde, ist der Aufbau           Ob durch „leapfrogging“ oder nachholende Industria­
(­digitaler) ­Plattformen für professionellen und akade-   lisierung – Afrikas Innovationspotential ist riesig, v.a.
mischen Austausch – pragmatische Wege im Bereich           bei Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Urbani­sierung,
­Migration und Mobilität sind also vorstellbar.            Klimawandel, grüner Energie oder globaler Gesundheit.
                                                           Als vielversprechender Impulsgeber für die Zusammen­
Cluster 4: Frieden, Sicherheit und Demokratie –            arbeit wird etwa der europäische „Green Deal“ erachtet.
Konzepte, Strategien und Institutionen                     Erfolgreiche Zusammenarbeit bei konkreten Heraus-
­harmonisieren                                             forderungen könnte auch posi­tive Effekte auf politisch
Ein gemeinsames Sicherheitsverständnis stellt die          sensiblere Bereiche der Koope­ration haben. Die Thesen
Grundvoraussetzung für dauerhaften Frieden dar.            des Clusters zur Zusammenarbeit beim Klimawandel
Wo die EU jedoch einen starken Fokus auf traditionel-      und im Rahmen ­eines grünen Wandels für Afrika er-
le ­Sicherheitsstrategien legt, verfechten afrikanische    hielten die höchsten Werte der gesamten Delphi-Studie
­Akteure ein eher holistisches Sicherheitskonzept,         in der Kategorie „wünschenswert“.

B. MÖGLICHKEIT, EINFLUSS UND ZEITHORIZONT DER THESEN

Die folgenden Abbildungen zeigen, wie die Einschätzungen von Möglichkeit,
Zeithorizont und Einfluss der 22 Thesen zusammenhängen.

Abbbildung 1: Einer Gruppe als sehr einflussreich be-      Abbbildung 2: Die als langfristig bewerteten Thesen
werteter Thesen wird ein langer Zeithorizont zuge-         werden insgesamt als weniger realisierbar eingestuft
schrieben. Sie be­inhalten einige „große“ Themen, wie      als andere. Dazu zählen strukturelle Herausforder­
ein afrikanisch-europäisches Modell zur Neugestal-         ungen wie z.B. die Reform der globalen Handels­
tung der internationalen Ordnung oder legale und           mechanismen und -institutionen. Hingegen werden
uneingeschränkte Mobilität. Diese Themen erfordern         solche Thesen als mittelfristig und realisierbar ein­
einen langfristigen Strukturwandel. Thesen mit einem       geschätzt, die sich mit der Zusammenarbeit an
kurzen Zeit­horizont hingegen, deren Einfluss ebenfalls    ­konkreten Herausforderungen befassen, z.B. dem
hoch b­ ewertet wird, sind etwa Populismus, Fremden­        Kampf gegen den Klimawandel.
feindlichkeit und Nationalismus oder ein ­Afrika, das
eher zurückhaltend gegenüber der Zusam­men­arbeit
mit Europa ist.

                                                                                                                       6
DELPHI-STUDIE ZUR ZUKUNFT DER AFRIKANISCH-EUROPÄISCHEN B
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ZUSAMMENFASSUNG

  Einfluss                                                                                      Langfristige Thesen mit
                                                                                                hohem Einfluss

                            Kurzfristige Thesen mit
                            relativ hohem Einfluss                                                 Das „afrikanisch-
                                                                                                   europäische Modell“
                                                                           Eine einheitliche          „African Agency“
                                               Strategie der                                            Legale und uneinge-
                                               Entwicklungs‑               Stimme
                                                                                                        schränkte Mobilität
       Populismus, Fremden-­                   zusammenarbeit         Globale Handels­       Afrikas innovatives Potential
       feindlichkeit und Nationalismus                                mechanismen           Gesellschaftlicher und
                                         Afrika ist zurückhaltend        Afrikanische       kultureller Austausch
                                         in der Zusammenarbeit           Friedens- und Sicherheitsarchitektur
                     Sicherheits-        mit Europa                              Radikaler grüner Wandel
                     zusammenbruch                                      Bevorzugter Kooperationspartner
                                                          Zusammenarbeit beim Klimawandel
                             (Digitale) Plattformen
                             zum Austausch
                                                    Europas koloniale Vergangenheit in Afrika
                              Pandemie-Vorsorge
                                                               „African way of life“
                                 Autoritäre Allianzen
                                                                 Junge afrikanische Generation

                                                      Nicht-staatliche Akteure

                                                                                                                               Abbildung 1:
                                                                                                                               Einfluss und
                                                                                                          Zeithorizont         Zeithorizont

  Möglichkeit

                 Populismus,
                 Fremdenfeindlichkeit            (Digitale) Plattformen zum Austausch
                 und Nationalismus
                                                         Zusammenarbeit beim Klimawandel
          Pandemie-                                               „African way of life“
          Vorsorge                      Afrika ist zurückhaltend in der Zusammenarbeit mit Europa
                                                    Europas koloniale
                                                                                             Gesellschaftlicher und
                    Sicherheits­                    Vergangenheit in Afrika
                                                                                             kultureller Austausch
                    zusammenbruch                        Nicht-staatliche       Radikaler grüner Wandel
                                                         Akteure
                                              Strategie der        Junge afrikanische          Afrikas innovatives Potential
                                              Entwicklungs­        Generation
                                              zusammenarbeit              Bevorzugter   Kooperationspartner

                                  Autoritäre Allianzen                    Afrikanische                „African Agency“
                                                                          Friedens-                 Das „afrikanisch-
                                                                          und Sicherheits­          europäische Modell“
                                                                          architektur
                                                                        Globale Handelsmechanismen

                                                                          Eine einheitliche            Legale und uneinge-
          Mittel- bis langfristige Thesen mit                             Stimme                       schränkte Mobilität     Abbildung 2:
          eher geringer Eintrittsmöglichkeit                                                                                   Möglichkeit
                                                                                                                               und Zeit­
                                                                                                           Zeithorizont        horizont

                                                                                                                                              7
DELPHI-STUDIE ZUR ZUKUNFT DER AFRIKANISCH-EUROPÄISCHEN B
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ZUSAMMENFASSUNG

Abbbildung 3: Auffällig ist, dass diejenigen Thesen                           die Errichtung einer neuen afrikanischen Sicherheits-
als am wenigsten realisierbar bewertet werden, die                            architektur, die Reform der globalen Handelsmecha-
­andererseits als besonders einflussreich eingeschätzt                        nismen, die legale und uneingeschränkte Mobilität
 wurden. Es herrscht offenbar Skepsis, ob sich die Ent-                       und das Sprechen mit einer gemeinsamen Stimme in
 wicklungen hinter den Thesen zu „African Agency“,                            Europa und Afrika realisieren lassen.

  Möglichkeit

                                                                            (Digitale) Plattformen zum Austausch
                                                                       Zusammenarbeit beim Klimawandel
                                                  „African way of life“            Afrika ist zurückhaltend in der
                             Europas koloniale         Pandemie-                   Zusammenarbeit mit Europa
                             Vergangenheit             Vorsorge         Populismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus
                             in Afrika                     Sicherheits­
                                                           zusammen­                         Gesellschaftlicher und
                                Nicht-staatliche Akteure bruch               Radikaler       kultureller Austausch
                                                                             grüner          Afrikas innovatives Potential
                                          Junge afrikanische Generation Wandel
                                                                                                   Strategie der Entwicklungs­
                                                                          Afrikanische Friedens- zusammenarbeit
                                                                          und Sicherheitsarchitektur
                                                 Autoritäre                            Afrikanische
                                                                                       Friedens-        „African Agency“
                                                 Allianzen
                                                                                       und Sicherheits-
                                                                                       architektur       Das „afrikanisch-­
                                                                                                         europäische Modell“
                                                                                           Globale Handelsmechanismen
                                                                                                  Legale und uneinge-
                                                                                                  schränkte Mobilität
             Thesen mit hohem Einfluss, aber                                                     Eine einheitliche Stimme
             eher geringer Eintrittsmöglichkeit
                                                                                                                                 Abbildung 3:
                                                                                                                                 Möglichkeit
                                                                                                             Einfluss            und Einfluss

                                                                                                                                                8
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