INNOVATIONEN ERMÖGLICHEN - diruj

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INNOVATIONEN ERMÖGLICHEN - diruj
Ausgabe 04/2019 Juli/August    www.unternehmensjurist.net     Vertriebskennzeichen 23401   Preis: 15,-- Euro

unternehmens jurist  Magazin für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Rechtsabteilungen

                         INNOVATIONEN
                          ERMÖGLICHEN
        Bei Kooperationen mit Start-ups treffen Old und New Economy aufeinander.
     Für den Erfolg werden Kreativität, Offenheit und passgenaue Vertragsgestaltungen
                                   von Syndizi gefordert.
                                                                                                                KT
                                                                                                          P U Ne
                                                                                                         R c
                                                                                                     E l ia n
                                                                                                    W p
                                                                                                  H om
                                                                                             SC    C
INNOVATIONEN ERMÖGLICHEN - diruj
INHALT unternehmensjurist

TITELTHEMA                          STRATEGIE &                            SCHWERPUNKT
                                    MANAGEMENT                             COMPLIANCE

12                                  25                                     41
KOOPERATIONEN                  12   NEUE STUDIE                       26   COMPLIANCE UND AGB                 42
MIT START-UPS                       Ein hochaktuelles Thema für            Gerichte prüfen immer mehr
In vielen Branchen wollen           Unternehmen sind derzeit               Vertragsklauseln nach strengem
Unternehmen mithilfe junger         M&A-Transaktionen. Die Studie          AGB-Recht. Grund genug für
Hightech-Gründer Innovatio-         „Global Post Merger Integra-           Unternehmen, bei Compliance-
nen beschleunigen. Syndizi          tion und Carve-outs“ befasst           Maßnahmen auch ihre Ver-
sind gefordert: Sie müssen          sich mit Herausforderungen und         träge zu überprüfen.
Prozesse und Vertragsmodelle        Erfolgsfaktoren für gelungene
an die neuen Chancen und            Übernahmen.
                                                                           INTERVIEW                          46
Risiken anpassen.
                                                                           Dr. Christoph Klahold, Leiter
                                    DIGITALISIERUNG IN                30   Recht und Compliance bei der
                                    DER RECHTSABTEILUNG                    Munich Re, erklärt im Interview,
                                    Die Bayer AG ist ein Big Player        was er vom Gesetzgeber für
                                    im Bereich Pharma und Agro-            die Neuregelung des Unter-
                                    chemie. Dr. Gabriel Harnier            nehmensstrafrechts erwartet.
                                    leitet die Rechtsabteilung und
                                    erklärt im Interview, wie die
                                                                           LEGAL TECHNOLOGY                   50
                                    Bayer-Unternehmensjuristen mit
                                                                           Mit welchen technischen Hilfs-
                                    aktuellen Herausforderungen
                                                                           mitteln können Unternehmen
                                    umgehen.
                                                                           compliant sein und wie sorgen
                                                                           sie effizient für die interne
                                    DURCHSUCHUNGEN                    36   Vermittlung von Regeln?
                                    Es kann jedes Unternehmen
                                    treffen: Unangekündigte
                                    Durchsuchungen bedeuten
                                    eine Stresssituation für
                                    Geschäftsführung, Rechts-
                                    abteilung und die betroffenen
                                    Mitarbeiter. Lesen Sie, wie
                                    man sich gut vorbereitet –
EDITORIAL                      03   und die Ruhe bewahrt.

KURZ & KNAPP                   06

4   Ausgabe 4/2019
INNOVATIONEN ERMÖGLICHEN - diruj
unternehmensjurist   INHALT

TRENDS &                                 JOB &                                    NETZWERK
THEMEN                                   KARRIERE

53                                       67                                       77
EU-DIGITALSTEUER                   54    WEITERBILDUNG                       68   DIRUJ-FACHBEIRAT                 78
Wie soll mehr Steuergerech-              Arbeitnehmer müssen neue
tigkeit im Digitalzeitalter aus-         Kenntnisse erwerben, um                  M&A SUMMIT                       80
sehen? Die G-20-Länder wol-              mit den Anforderungen der
len eine globale Mindeststeuer           digitalen Arbeitswelt Schritt zu         CORPORATE SUMMIT                 82
für Unternehmen einführen und            halten. Weiterbildungen sind
staatliche Besteuerungsrechte            daher so wichtig wie nie zuvor.
umverteilen. Die Wirtschaft will         Doch juristisch gibt es einige
vor allem bald Klarheit.                 Fallstricke zu beachten.

MARKENRECHTS -              58
MODERNISIERUNGSGESETZ
Die Reform des Markenrechts
hat neue Markenformen und
                                                                                  GENERAL COUNSEL                  83
mehr Schutz für den Marken-
                                                                                  ROUNDTABLE
inhaber gebracht. Experten
erläutern Möglichkeiten und
                                                                                  ECLA-JAHRESKONFERENZ 84
Grenzen der neuen Vor-
schriften.

HAFTUNG                            62
BEI CYBERATTACKEN
Angriffe aus dem Netz neh-
men zu – firmenübergreifende            FRAUEN UND FÜHRUNG                  72
Lieferketten erschweren die             Nur wenige Rechtsabteilungen
Suche nach Verantwortlichen             in Deutschland werden von
für Schäden. Um Risiken zu              Frauen geleitet. Unternehmens-
reduzieren, müssen Unterneh-            juristinnen berichten, wie sie es
men die gesamte Lieferkette in          in leitende Positionen geschafft
den Blick nehmen.                       haben.
                                                                                  PERSONENREGISTER                 86

                                                                                  IMPRESSUM                        86

                                                                                                      Ausgabe 4/2019   5
INNOVATIONEN ERMÖGLICHEN - diruj
TITELTHEMA unternehmensjurist

              KOOPERATIONEN MIT START-UPS

             CORPORATES PUNKTEN
             MIT WEITBLICK
            Die disruptive Dynamik vieler Branchen führt dazu, dass immer mehr Unternehmen
            mithilfe junger Hightech-Gründer Innovationen beschleunigen wollen. Syndizi sind mit
            viel Kreativität gefordert, Vertragsmodelle und Prozesse so zu verändern, dass sie den
            Keim des Erfolgs von Start-ups nicht ersticken.

12   Ausgabe 4/2019
INNOVATIONEN ERMÖGLICHEN - diruj
unternehmensjurist   TITELTHEMA

Ω Ob Automobilkonzern oder Zulieferer, ob Chemiehersteller,
Energieversorger, Onlinehändler oder Versicherungskonzern:
Alle suchen Zugang zu Zukunftstechnologien wie künstliche
Intelligenz, Internet der Dinge, Blockchain, Big Data oder 3D-
Druck. Laut Bundesverband Deutsche Start-ups haben sich
Partnerschaften zwischen DAX-Unternehmen und Start-ups
in den letzten fünf Jahren verfünffacht. Anders als Finanzin-
vestoren, die bei einer Beteiligung auf den maximalen Return
on Invest (RoI) abzielen, bieten etablierte Konzerne und Fa-
milienunternehmen den Start-ups nicht nur Kapital, sondern
auch Branchen-Know-how und Marktzugang. Im Gegenzug              „Die Kunst besteht darin, bei den Vertragsverhand-
helfen die Start-ups den sogenannten Corporates, das eigene        lungen die rechtlich erforderlichen Inhalte fest-
Geschäftsmodell zu wandeln und neue zu erschließen.
Es gibt vielfältige Möglichkeiten für die Zusammenarbeit,        zuzurren und gleichzeitig den nötigen Freiraum für
angefangen bei einzelnen Entwicklungsprojekten über Cor-
                                                                     die beabsichtigten Innovationen zu lassen.“
porate Venture Capital-(VC)-Gesellschaften bis zur direkten
Beteiligung oder Akquisition (siehe Beitrag „Die Facetten
                                                                                                     –
der Zusammenarbeit sind vielfältig“ ab Seite 22). Für viele
Unternehmen ist es sinnvoll, einen möglichst breiten Instru-                               Dr. Rainer Bertram,
mentenkasten anzubieten, um verschiedene Entwicklungs-                           General Counsel, Signal Iduna Gruppe
szenarien abzudecken. „So lässt sich eine Start-up-Beteiligung
unkomplizierter in eine strategische Beteiligung überfüh-
ren, wenn wir die Zusammenarbeit mit den Gründern zum
Vorteil aller intensivieren wollen“, erklärt Dr. Bernd-Michael   men wie der Axel Springer Verlag und der Lebensmittelkon-
Zinow, General Counsel der EnBW. Zu den Werkzeugen des           zern Dr. Oetker beteiligt. Ziel ist über den Wissenstransfer
Karlsruher Energiekonzerns gehört die Corporate Venture          hinaus, die Start-ups später gewinnbringend zu verkaufen,
Capital-Gesellschaft EnBW New Ventures GmbH mit einem            nachdem in einem sehr frühen Stadium investiert wird. Da-
Investitionsvolumen von 100 Millionen Euro, um breit ge-         gegen verfolgt der Corporate Company Builder Otto Group
streut am Erfolg vielversprechender Neugründungen in den         Digital Solutions die Intention, Start-ups innerhalb und für
Bereichen Energie, Digitalisierung und Infrastruktur Anteil      die Otto Group aufzubauen, welche die Kompetenzen des
zu haben. Weitere Instrumente sind direkte Beteiligungen         Konzerns für neue Geschäftsmodelle nutzen. Diese sollen
sowie die projektbezogene Zusammenarbeit in Inkubatoren          später nicht über einen Exit verkauft, sondern ihre Geschäfts-
und Acceleratoren, um erst einmal zu testen, ob die Partner      modelle sollen idealerweise in die Otto-Gruppe integriert
zusammenpassen.                                                  werden. Ein Beispiel ist die Tochter Riskident, die softwa-
                                                                 regestützt Betrugsversuche im eCommerce aufdeckt und
                                                                 dabei vom tiefen und breiten Datenschutz-Know-how des
STRUKTURIERTE PROZESSE SIND NÖTIG                                Onlinehändlers profitiert.
                                                                 Weil die Start-ups auch bei Finanzinvestoren begehrt sind,
Um Geschäftsmodelle schnell zu entwickeln und am Markt           müssen Corporates hinsichtlich des eigenen Company Buil-
zu erproben, verläuft das Innovationsmanagement in einem         ders ihre Trümpfe ausspielen. Dazu tragen Syndizi wesent-
strukturierten Prozess. So wurde aus der Workshop-Idee von       lich bei, ist Martin Mildner, General Counsel der Otto Group,
Mitarbeitern für eine neuartige Straßenlaterne eine smarte       überzeugt: „Die unterschiedlichen Beteiligungsmodelle sind
Beleuchtung mit Ladesäule für E-Fahrzeuge, Public-WLAN,          auch im Hinblick auf Anreize für die Mitarbeiter so zu struk-
Umweltsensoren und Notruf-Funktion, welche die EnBW              turieren, dass die Zusammenarbeit für sie auch ohne einen
inzwischen unter der Marke Smight vertreibt.                     gefeierten Exit attraktiv ist. Ein solcher sogenannter unfair
Der Onlinehändler Otto Group aus Hamburg verfügt ebenfalls       Advantage ist der sofortige Zugang zu Know-how, Daten und
über eine breite Palette an Instrumenten für die Zusammen-       Kunden des Konzerns, den sie ohne die Verbindung zur Otto
arbeit mit Start-ups, um verschiedene strategische Ziele über    Group nicht bekommen.“ Zudem darf der Keim des Erfolgs
die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Spätphaseninvest-        der jungen Unternehmen nicht erstickt werden. Schließlich
ment abzudecken: Es gibt die Risikokapitalfonds eVentures        profitieren sie in erster Linie davon, sich auf Technik und
und Project A Ventures mit einem Gesamtinvest von weit           Wachstum konzentrieren zu können und nicht durch Ver-
über 400 Millionen Euro. An letzterem sind neben der Otto        waltungsaufwand und Hierarchien gebremst zu werden.
Group als Ankerinvestor heute auch viele andere Unterneh-        Zugleich muss das Corporate sich aber auch Wettbewerbs-

                                                                                                                         Ausgabe 4/2019   13
INNOVATIONEN ERMÖGLICHEN - diruj
TITELTHEMA unternehmensjurist

                                „Der Syndikus muss die Verhandlungsergebnisse sorgfältig prüfen und darauf
                                pochen, dass der Vertrag auch die Interessen speziell seines Unternehmens
                                abbildet.“
                                – Dr. Stefan Schäfers, Syndikus, Evonik AG

            vorteile durch Technologie, Produkte oder Dienstleistung         Beteiligten profitieren und sich im Verbund gut aufgehoben
            des Start-ups sichern.                                           fühlen.“ Beispielsweise gilt es zunächst einmal Informations-
            Es gilt also, einen Spagat zu bewältigen. Von Beginn an schla-   asymmetrien abzubauen: Start-ups im Seed- und Pre-Seed-
            gen Syndizi eine Brücke, indem sie Vertrauen und gegensei-       Bereich haben keine eigene Rechtsabteilung. Sie sind mit
            tiges Verständnis aufbauen. „Es ist nicht ratsam, aus einer      dem regulatorischen Rahmen oft wenig vertraut. Vertrauen
            Position der Stärke zu verhandeln und Maximalpositionen          kann nur entstehen, wenn Corporates ihnen auf Augenhö-
            rücksichtslos durchzusetzen“, sagt Dr. Jan Eckert, General       he begegnen und Transparenz schaffen, so EnBW-Syndikus
            Counsel beim Technologiekonzern ZF Friedrichshafen AG.           Martin Düker: „Wir haben in gut verständlichen Term-Sheets
            „Das kann bei der späteren Zusammenarbeit teuer zu stehen        auf wenigen Seiten kurz zusammengefasst: Worauf lasst Ihr
            kommen. Die Kooperation funktioniert nur gut, wenn alle          Euch ein? Warum brauchen wir besondere Investorenrechte
                                                                             wie Vetorechte und Exit-Regelungen, um unser Engagement
                                                                             abzusichern, wenn die Geschäftsidee sich weiterentwickelt?
                                                                             In welchem Umfang nehmen wir Einfluss? Wie weitgehend
                                                                             sind die Informationsrechte?“
WIE TRAGEN SYNDIZI ZU ERFOLGREICHEN                                          Um den Projekterfolg für das Corporate ausreichend abzu-
INNOVATIONSPARTNERSCHAFTEN BEI?                                              sichern, braucht es technologisches Verständnis. Die neuen
                                                                             Produkte und Geschäftsmodelle sind meist wenig erprobt, der
                                                                             Markterfolg ist ungewiss und das Risiko eines Totalverlusts
Vertrauen aufbauen:
                                                                             droht. Jan Eckert: „Bei einem Misserfolg darf kein Fass ohne
• Nicht aus einer Position der Stärke verhandeln und Maximal-                Boden entstehen. ZF liefert Systeme für die Mobilität von Pkw,
  positionen rücksichtslos durchsetzen.                                      Nutzfahrzeugen und Industrietechnik, unter anderem für
• Transparente Term-Sheets mit wenigen Seiten, die Gründer                   autonomes Fahren, so dass bei den vielen Neuentwicklungen
  verstehen.                                                                 zahlreiche Fragen zum Produkthaftungsrecht zu klären sind.“
                                                                             Die besondere Herausforderung liege darin, alle wichtigen
• Schlanke Vertragssets, die sich am Entwicklungsstadium des
                                                                             denkbaren Szenarien zu antizipieren und möglichst alle re-
  Start-ups orientieren.
                                                                             levanten Themen im Vertrag abzubilden.
Eng vernetzen:
• Intern, um Positionen und Ziele zu klären.
• Extern mit den Start-ups, um mit Hilfe von festen Ansprechpartnern         PRAGMATISCHES AUGENMASS BEI DER
  vertrauensvolle Kommunikationskanäle für die gegenseitigen                 DETAILTIEFE VON VERTRÄGEN
  Anliegen zu schaffen.
                                                                             Dabei ist Pragmatismus und Mut gefragt: Welche Klausel ist
• Know-how für technische Details und neue Geschäftsmodelle
                                                                             zu welchem Zeitpunkt in welcher Detailtiefe nötig? Zwar kann
  aufbauen.                                                                  ein Aufschieben schwieriger Fragen wie Regelungen zum Exit
• Unternehmerisch denken.                                                    der Nährboden für spätere Konflikte sein. Andererseits sollte
Arbeitsweise verändern:                                                      der Vertrag dem Risiko und der Höhe des Investments ange-
• Schneller entscheiden.                                                     messen sein. „Pragmatismus geht vor Perfektionismus. Oft
                                                                             entwickelt sich ein Start-up völlig anders als geplant und detail-
• Agile Methoden nutzen.
                                                                             lierte Vereinbarungen laufen dann komplett leer. Die Energie
• Trial and Error-Mentalität erwerben und bewusst Fehlschläge in Kauf
                                                                             und Kosten dafür hätten die Beteiligten besser in den Aufbau
  nehmen.                                                                    des operativen Geschäfts gesteckt“, rät Peter Huber, Partner
                                                                             bei Hogan Lovells in München, der Corporates und Start-ups

14   Ausgabe 4/2019
TITELTHEMA unternehmensjurist

                                                                             Fall, dass die Gründer zuvor das Unternehmen verlassen
                                                                             oder gegen wesentliche Vereinbarungen verstoßen, erhal-
                                                                             ten Corporates die Möglichkeit, deren Gesellschaftsanteile
                                                                             zu übernehmen. „Und bei der Haftung für Garantien hin-
                                                                             sichtlich ordnungsgemäßer Gründung, steuer- und sozial-
                                                                             versicherungsrechtlicher Risiken oder Inhaberschaft von
                                                                             gewerblichen Schutzrechten setzt sich durch, dass Investoren
                                                                             Anspruch auf eine kompensatorische Kapitalerhöhung oder
                                                                             Abtretung von Anteilen in Höhe etwaiger Schäden erhalten.
                                                                             Das entzieht den Start-ups im Regressfall nicht ohnehin
       „Die unterschiedlichen Beteiligungsmodelle                            knappes Kapital“, so Huber.
                                                                             Fallstricke lauern immer dann, wenn die Vertragspartner ihre
        sind auch im Hinblick auf Anreize für die                            Erwartungen nicht klären und sich zu wenig über Ziele und
         Mitarbeiter so zu strukturieren, dass die                           Risiken der Kooperation austauschen: Wer profitiert in welchen
                                                                             Szenarien wie stark? Wer hat wann welchen Beitrag zu leisten?
        Zusammenarbeit für sie auch ohne einen                               Wer haftet wofür? Wie eng ist die Bindung und wie kann man
                                                                             sich etwa über Drag- und Tag-Along-Regelungen lösen, ohne
               gefeierten Exit attraktiv ist.
                                                                             auf die Zustimmung der übrigen Gesellschafter angewiesen
                                                                             zu sein? „Indem Syndizi diese Positionen sorgfältig klären
                                    –
                                                                             und auf mögliche Interessenkonflikte hinweisen, betreiben
                           Dr. Martin Mildner,                               sie ein gutes Erwartungsmanagement“, erklärt Dr. Stefan
                      General Counsel, Otto Group                            Schäfers, Syndikus bei Evonik in Essen und zuständig für die
                                                                             Venture-Capital-Beteiligungen des Spezialchemiekonzerns, der
                                                                             mit einem Investitionsvolumen von 250 Millionen Euro laut
                                                                             Schäfers ein führender Investor im Bereich Spezialchemie ist.
            bei Akquisitionen und Beteiligungen begleitet. Grundsätzlich     Gerade bei VC-Beteiligungen ist das Interessengeflecht mit-
            sollte sich die Detailtiefe und der Umfang der Verträge an der   unter komplex, insbesondere, wenn sich etwa bei Fund-of-
            Entwicklungsphase eines Start-ups orientieren. Das vermisst      Fonds-Lösungen mehrere Corporates an einem Wagniska-
            Andreas Unseld häufig. Er ist Partner der Beteiligungsgesell-    pitalfonds beteiliegen (siehe auch Beitrag „Die Facetten der
            schaft Unternehmertum Venture Capital (UVC) Partners, die        Zusammenarbeit sind vielfältig“ auf Seite 22): „Es drohen
            eng an das Gründungszentrum der Technischen Universität          nicht nur Konflikte der Gründer untereinander, sondern auch
            München angebunden ist. „Ein schlankes Set an Verträgen          unter den Investoren, beispielsweise wenn neue Kapitalgeber
            wäre bei vielen Corporates eine echte Innovation“, so Unselds
            Erfahrung.

            ERWARTUNGEN MÜSSEN GEKLÄRT WERDEN

            Zu vielen Fragen haben sich laut Anwalt Peter Huber in-
            zwischen Marktstandards herausgebildet: „Beispielsweise
            bekommt der Lead-Investor einen Sitz im Beirat, um Infor-
            mation und Kontrolle zu gewährleisten. Mitspracherechte der
            Investoren lassen sich durch qualifizierte Mehrheitserforder-
            nisse in der Gesellschafterversammlung und Zustimmungs-
            vorbehalte für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen
                                                                                 „Vertrauen kann nur entstehen, wenn
            regeln.“ Der Erfolg des Investments hängt weitgehend von
            den Gründern ab und so haben Corporates großes Interesse              Corporates Start-ups auf Augenhöhe
            daran, dass diese an Bord bleiben. Deshalb sähen markt-
            übliche Klauseln ein lineares Vesting über vier Jahre vor,
                                                                                 begegnen und Transparenz schaffen.“
            während dem sich die Gesellschafter Anteile erarbeiten. Ge-
            gegebenenfalls wird ein sogenanntes Cliff vereinbart, so dass                                  –
            der Start der Vesting-Periode nicht sofort nach Abschluss der                           Martin Düker,
            Finanzierungsrunde, sondern erst später beginnt. Für den                             Syndikus, EnBW AG

16   Ausgabe 4/2019
unternehmensjurist   TITELTHEMA

                                  „Um langfristig mit Gründern zusammenzuarbeiten, hilft ein breiter
                                  Instrumentenkasten. So lässt sich eine Start-up-Beteiligung unkomplizierter
                                  in eine strategische Beteiligung überführen, wenn wir die Zusammenarbeit
                                  mit den Gründern zum Vorteil aller intensivieren wollen.“
                                  – Dr. Bernd Zinow, General Counsel, EnBW AG

hinzukommen und die vorhandenen aufgrund von Pay-to-               noch nicht jeden Leistungsgegenstand genau beschreiben
Play-Regelungen Investorenrechte verlieren, sofern sie kein        kann. An anderen Stellen, an denen etwa Datenschutzrecht
Kapital nachschießen“, erklärt Schäfers. Tücken könnten auch       zu beachten ist, besteht dieser Freiraum nicht“, erklärt Dr.
lauern, weil häufig mehrere Investoren nur durch einen An-         Rainer Bertram, General Counsel der Signal Iduna Gruppe
walt vertreten werden. „Der Syndikus muss die Verhandlungs-        mit Sitz in Dortmund und Hamburg.
ergebnisse sorgfältig prüfen und darauf pochen, dass der           Viele Konzerne haben mittlerweile verstanden, dass sie sich
Vertrag auch die Interessen speziell seines Unternehmens           anpassen müssen und beispielsweise Exklusivitätsvereinba-
abbildet.“                                                         rungen in Frühphasen nicht in das Start-up-Ökosystem pas-
                                                                   sen. Regelungen hinsichlich der Schutzrechte, die im Rahmen
                                                                   des Projekts entstehen (Foreground IP) sowie Background-
KONZERNE MÜSSEN SICH ANPASSEN                                      Kenntnisse und Schutzrechte, die schon vor der Kooperation
                                                                   bestanden, orientieren sich immer häufiger am Entwicklungs-
Im Unterschied zu reinen Finanzinvestoren kombinieren Cor-         stadium junger Hightechfirmen. Bei manchen Corporates
porates die Beteiligung an Start-ups häufig mit Forschungs-        herrscht laut Andreas Unseld von UVC Partners aber immer
und Entwicklungskooperationen, Lizenz- oder Liefer- und            noch die klassische Einkaufsdenke: „Sie verkennen, dass sich
Vertriebsverträgen. In operativer Hinsicht sind sie das Herz       Gründer zunächst ein größeres Marktwachstum sichern müs-
der Investition. Um Konflikten vorzubeugen, ist die interne        sen, um zu überleben. Die Zusammenarbeit muss ein Fordern
Erwartungshaltung penibel zu klären. „Oft steht bei einem          und Fördern sein, bei dem die Pflänzchen erst gehegt werden,
Entwicklungsprojekt am Start das Endprodukt noch nicht in          bevor man profitiert.“
seiner endgültigen Ausgestaltung fest, sondern ist Gegen-          Langfristig genauso erfolgskritisch wie die Verträge ist aber der
stand eben dieser Entwicklung, etwa wenn eine Plattform            strategische Fit, also Strukturen und Unternehmenskulturen,
für innovative Versicherungsdienstleistungen entstehen soll.       die dazu passen, dass Konzerne durch das frische, disruptive
Unternehmensjuristen müssen zusammen mit den Fachbe-               Denken der jungen Firmen schneller und innovativer werden
reichen austarieren, zu welchem Zeitpunkt welcher Erfolg           wollen. „Zu den größten Herausforderungen der Zusammen-
erwartet wird. „Die Kunst besteht darin, bei den Vertragsver-      arbeit mit Start-ups zählt, komplexe Konzernprozesse mit
handlungen die rechtlich erforderlichen Inhalte festzuzurren       über 100 Richtlinien auf die agilen Strukturen anzupassen
und gleichzeitig den nötigen Freiraum für die beabsichtigten       und vertrauensvolle Kommunikationskanäle zu schaffen“,
Innovationen zu lassen. In denjenigen Passagen einer Auf-          berichtet Jan Eckert von ZF. So überlegt das Stiftungsunter-
gaben- oder Leistungsbeschreibung, in denen keine gesetz-          nehmen mit 150.000 Mitarbeitern, zwei unterschiedliche
lichen Vorgaben beachtet werden müssen, kann man dem
Umstand Rechnung tragen, dass ein Start-up-Unternehmen             Ω Fortsetzung auf Seite 20

MEHR DAZU

Mit dem Erwerb von Start-ups durch klassische Großunternehmen befasst sich auch eine neue Studie aus der Studienserie CLI–Corporate
Legal Insights von BUJ und PricewaterhouseCoopers Legal („Global Post Merger Integration und Carve-outs“). S. dazu Artikel ab S. 26,
„Zur rechten Zeit auf die Erfolgsspur wechseln“.

                                                                                                                             Ausgabe 4/2019   17
TITELTHEMA unternehmensjurist

            Syndizi sollten sich als Wegbereiter für Innovationen sehen

            Prof. Dr. Andreas Kuckertz leitet das Fachgebiet Unternehmensgründungen und
            Unternehmertum (Entrepreneurship) an der Universität Hohenheim in Stuttgart.
            Im Interview erläutert er, warum die Arbeit der Rechtsabteilung erfolgskritisch
            für Partnerschaften zwischen Old und New Economy ist.

            Es gibt immer mehr Initiativen, um Old und New Economy            Forst entwickelt, um Baumdaten sprachgestützt zu erfassen
            zusammenzubringen wie Code_n mit dem New new Festival,            und zu digitalisieren. Bislang musste der Waldarbeiter zum
            Get Started des Digitalverbands Bitkom, die VDMA Start-           Fällen die mit Farbkreuzen markierten Bäume suchen. Jetzt
            up-Machine oder die Digital Hub-Initiative des Bundeswirt-        wird er per App direkt dorthin geführt. Die vom Autokonzern
            schaftsministeriums. Finden Gründer inzwischen schnell            Daimler initiierte Start-up-Autobahn versammelt die besten
            den richtigen Partner?                                            Mobility-Start-ups der Welt, die teilweise 100 Mitarbeiter be-
            Start-ups haben immer noch Schwierigkeiten, Kooperationen         schäftigen und schon sehr erfolgreich am Markt sind. Mithilfe
            anzustoßen. Oft wissen sie nicht, wo sie andocken können.         des Know-hows und Kapitals der besten Fahrzeughersteller
            Zwar weiss jeder in der Szene, wen man bei Daimler anspre-        und -zulieferer können sie weiter wachsen.
            chen muss, doch das Organigramm eines Mittelständlers ist
            von außen oft nicht leicht zu durchschauen. Es gibt Leucht-       An welchen Stellen hapert es in der Praxis? Was bemängeln
            türme, aber die spiegeln nicht die gesamte Unternehmens-          Start-ups?
            landschaft wider.                                                 Am Beginn einer Kooperation geht es vor allem um Offenheit
                                                                              und Verständnis für die Belange der Gründer. Es kann nicht
            Wie finden Gründer und Corporates die passende Form der           klappen, wenn ein Start-up die üblichen Einkaufsbedingungen
            Zusammenarbeit?                                                   für Zulieferer unterzeichnen und bei Vertragsstrafe garantie-
            Beide sollten sich erst einmal die Asymmetrie vergegenwär-        ren soll, dass sein Produkt in fünf Jahren noch lieferbar ist.
            tigen. Hier die große und starke Old Economy mit Marktzu-         Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, dass Corporates auf Augenhöhe
            gang, dort das kleine und schwache Start-up mit Zukunfts-         mit den Start-ups sprechen und ihnen Freiheit außerhalb
            technologie. Daraus ergeben sich ganz unterschiedliche            der bürokratischen Strukturen des etablierten Unternehmens
            Erwartungen. Im ersten Schritt sind deshalb nicht nur die         lassen. Sehr hilfreich sind auch Ansprechpartner auf Manage-
            eigenen Ziele und Vorstellungen zu klären, sondern auch           mentebene als Unterstützer.
            die des Partners. Schritt zwei ist dann, aus den zahlreichen
            Kooperationswerkzeugen das herauszusuchen, mit dem sich           Und wie können Unternehmensjuristen zum Gelingen
            die gegenseitigen Erwartungen am besten realisieren lassen.       beitragen?
            In der Praxis sind große Unternehmen oft sehr arrogant und        Sie können sehr viel beitragen und sind sogar erfolgskritisch.
            sagen: „Kaufen wir halt ein Start-up.“ Das wollen Gründer         Wir haben in einer noch unveröffentlichten Studie untersucht,
            aber in der Regel nicht. Große Unternehmen müssen erst            wann Start-ups zu Kooperationen mit etablierten Unterneh-
            einmal Vertrauen schaffen.                                        men bereit sind. Gleich nach Offenheit und einem Umgang
                                                                              auf Augenhöhe haben Gründer die Vertragsgestaltung ge-
            Wie hilfreich sind externe und interne Inkubations- und           nannt. Start-ups wünschen sich schlanke Verträge, die sie auch
            Accelatorenprogramme, bei denen Corporates Anteile an             verstehen. Gründer haben keine Rechtsabteilung, um Klauseln
            Start-ups erhalten und diese einige Zeit mit Kapital, Coaching    zu bewerten und einzuordnen. Wer dieses Ungleichgewicht
            und Infrastruktur bei der Skalierung unterstützen?                verkennt, zerstört schnell Vertrauen. An dieser Stelle sollten
            Diese Programme sind sehr sinnvoll, um sich erst einmal           sich Syndizi vergegenwärtigen, dass sie nicht nur einen gu-
            gegenseitig kennenzulernen. Schließlich sprechen beide            ten Job machen, wenn sie etwaigen Schäden vorbeugen. Um
            Seiten doch sehr unterschiedliche Sprachen. Der Motorsä-          strategische Ziele in der Zukunft zu erreichen, müssen sie
            genhersteller Stihl hat im Stuttgarter Accelerator Activatr mit   auch Innovationen ermöglichen.
            drei Start-up-Pionieren ein System für vernetzte Geräte im                                  Das Interview führte Franziska Jandl.

18   Ausgabe 4/2019
TITELTHEMA unternehmensjurist

                                                                            Beispiel ein Fintech aufgestellt sein, um von vornherein den
                                                                            Anforderungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-
                                                                            aufsicht (BaFin) gerecht zu werden.“
                                                                            Viel mehr als früher gelte es als Syndikus, das operative Ge-
                                                                            schäft zu verstehen und in Geschäftsmodellen zu denken.
                                                                            Dabei hilft den Unternehmensjuristen, dass sie mittlerweile
                                                                            meist in wichtige Entscheidungsgremien eingebunden sind
                                                                            und damit Prozesse wie Produktentwicklung oder Invest-
                                                                            ments bereits in einem frühen Stadium begleiten und auch
                                                                            steuern können. Beispielsweise ist Martin Düker Mitglied
 „Ein schlankes Set an Verträgen, die sich an der                           im Investmentkomitee der EnBW New Ventures GmbH und
                                                                            Martin Mildner sitzt im Beirat aller Ventures-Unternehmen
Entwicklungsphase des Start-ups orientieren, wären                          der Otto Group.
   bei vielen Corporates eine echte Innovation.“                            Laut Jan Eckert tragen Syndizi dadurch aber auch mehr Ver-
                                                                            antwortung für den Geschäftserfolg. „Sie sind jetzt mit ihrer
                                                                            ganzen Kreativität gefordert, um Prozesse und Vertragsmo-
                                    –
                                                                            delle an die neuen Chancen und Risiken anzupassen.“ Es
                            Andreas Unseld,
                                                                            braucht ein neues Selbstverständnis als Gestalter: „Syndizi
                                Partner,                                    identifizieren nicht mehr nur Risiken und bilden die strate-
      Unternehmertum Venture Capital Partners (UVC Partners)                gischen Ziele in Verträgen ab. Indem sie rechtliche Gestal-
                                                                            tungsmöglichkeiten für schnellere Innovationen aufzeigen,
                                                                            bauen sie aktiv an der Zukunft des Unternehmens mit“, sagt
                                                                            Dr. Rainer Betram, General Counsel der Signal Iduna Gruppe.
            Ω Fortsetzung von Seite 17
                                                                            Ω Fortsetzung des Titelthemas auf Seite 22
            Steuerungsmodelle einzuführen: eines für den etablierten
            Bereich und eines für junge Hightechfirmen, das sich an der
            Beteiligungsgesellschaft Zukunfts-Venture-GmbH orientiert,
            für die schon jetzt andere Regeln gelten.
            Die EnBW hat bereits einen Basic-Rules-Ansatz etabliert und
            beispielsweise die Compliance-Richtlinien aus zwei Leitz-
            Ordnern für Start-ups auf dreieinhalb Seiten eingedampft,
            berichtet General Counsel Bernd-Michael Zinow: „Das war
            ein großer Kraftakt über mehrere Runden und Monate,
            um die Verantwortlichen für die einzelnen Richtlinien zu
            überzeugen. Jeder sah zwar die grundsätzliche Notwendig-
            keit ein, hielt aber gerade die Regeln seines Bereichs für
            unverzichtbar.“
            Die Automobilindustrie ist ein Beispiel dafür, wie techno-         „Die Detailtiefe der Verträge muss dem
            logische und regulatorische Veränderungen eine disruptive
            Dynamik entwickeln, die aktuelle Geschäftsmodelle auslöscht
                                                                             Risiko und der Höhe des Investments ange-
            und neue schafft. Das strahlt unmittelbar in die Rechtsabtei-   messen sein. Pragmatismus geht vor Perfek-
            lungen aus. Jan Eckert: „Die Juristen müssen schneller zu
            Entscheidungen kommen und dafür ihre Prozesse unter an-         tionismus. Die Energie, Zeit und Kosten für
            derem durch Legal-Tech-Anwendungen beschleunigen.“ Auch         das Ausarbeiten und Verhandeln komplexer
            die Außendarstellung und Denkweise muss sich ändern, um
            Vertrauen zu schaffen und unkompliziert zusammenzuarbei-        Verträge sind für den Auf bau des operativen
            ten, fordert Martin Mildner von der Otto Group: „Statt alles
            besser zu wissen, braucht es Offenheit, um von den Start-ups
                                                                            Geschäfts des Start-ups oft besser investiert.“
            zu lernen. Um anerkannt zu werden, kann sich der Unter-
            nehmensjurist nicht hinter Paragraphenketten verstecken,                                     –
            sondern er muss den Gründern aus dem Geschäftsmodell                                   Peter Huber,
            heraus die notwendigen Strukturen aufzeigen. Wie muss zum                         Partner, Hogan Lovells

20   Ausgabe 4/2019
TITELTHEMA unternehmensjurist

              VERSCHIEDENE MODELLE

            DIE ZUSAMMENARBEIT HAT
            VIELFÄLTIGE FACETTEN
            Die Möglichkeiten der Kooperation reichen vom Start-up-Praktikum der Konzern-High-Potentials über
            eigene Wagniskapitalfonds bis zur Akquisition. Welches Modell passt, hängt von den strategischen
            Zielen ab. Ein Überblick.

            Ω Das Ziel von internen Inkubationsprogrammen oder Cor-           Externe Inkubatoren und Acceleratoren bieten die Möglich-
            porate Company Buildern wie der Otto Group Digital Solu-          keit zum gegenseitigen Kennenlernen in überschaubaren
            tions ist, Start-ups aufzubauen, welche die Kompetenzen des       Projekten (siehe auch Interview auf Seite 18). Es gibt sie für
            Konzerns für neue Geschäftsmodelle nutzen, um sie später in       Start-ups mit unterschiedlichen Reifegraden: Während sich
            die Otto-Gruppe zu integrieren. Der Energieversorger EnBW         etwa Activatr mit Themen wie Internet der Dinge, Future Mo-
            unterstützt Gründer bei „Spark the future“ mit Formaten von       bility und Smart City eher an Start-ups in der Gründungsphase
            16 Monaten bis zu 16-Stunden-Hackathons, bei denen am             richtet, sind viele Hightech-Mobilitätsanbieter der Start-up-
            Ende des zweiten Tages eine Idee für ein Geschäftsmodell          Autobahn, an der auch ZF beteiligt ist, bereits erfolgreich am
            plus Prototyp vor der Inkubations-Jury präsentiert werden. Ziel   Markt. Der Nachteil: Corporates müssen Mitarbeiter abstellen,
            des 16-Monatsprogramms ist die Fortführung als Corporate-         um gemeinsam mit den jungen Hightechfirmen sogenannte
            Start-up oder die gemeinsame Gründung, gegebenenfalls mit         Innovation Challenges zu realisieren. Aus der Beteiligung der
            Anschlussfinanzierung durch die EnBW.                             EnBW an dem Activatr-Programm ist das Start-up Vialytics

22   Ausgabe 4/2019
TITELTHEMA unternehmensjurist

            hervorgegangen, das Kommunen mittels künstlicher Intel-          gung wird oft kombiniert mit einer vertraglichen Kooperation,
            ligenz einen Überblick über den Straßenzustand verschafft.       wie Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen, Lizenz-,
            Ein Smartphone an der Windschutzscheibe von Müllautos            Liefer- und Vertriebsverträgen.
            oder Kehrmaschinen erkennt nicht nur grobe Schlaglöcher,         Eine Akquisition bietet sich an, wenn das Produkt eines Start-
            sondern auch feine Risse. Die Stadtverwaltungen sparen Geld,     ups gut zum Portfolio passt, einen gewissen Reifegrad und
            weil sie Reparaturen vornehmen können, bevor große Schäden       den sogenannten „Proof of Concept“ aufweist, also in der
            entstehen.                                                       Praxis umsetzbar ist und eine hohe Wahrscheinlichkeit für
            Der Corporate Venture Capital-Fonds des Spezialchemiekon-        den wirtschaftlichen Erfolg besteht. Dabei ist das Invest und
            zern Evonik investiert in Bereichen wie Gesundheitswesen         folglich das Risiko relativ hoch, aber auch der Ertrag im Er-
            oder neue Materialien und wurde gerade auf 250 Millionen         folgsfall besonders vielversprechend.
            Euro aufgestockt. Der Fokus liegt verstärkt auch auf Minder-     Bei Forschungs- und Entwicklungskooperationen ist das
            heitsbeteiligungen an jungen Unternehmen mit höherem             Invest eher begrenzt, was allerdings auch für die Ertrags-
            Reifegrad, die die digitale Transformation von Evonik unter-     chancen gilt. Oft ist es sinnvoll, die Zusammenarbeit an
            stützen. Eine spätere Übernahme wird ausdrücklich nicht          einem Produkt erst einmal in einer Kooperation auf schuld-
            ausgeschlossen. Anfang des Jahres hat Evonik das amerika-        rechtlicher Basis zu testen, um sich näher kennenzulernen.
            nische Portfoliounternehmen Structured Polymers vollständig                                                    Franziska Jandl
            erworben, das auf Kunststoffpulver für 3-D-Druck spezialisiert
            ist. Start-ups werden mit einem Höchstbetrag von 15 Mil-
            lionen Euro unterstützt. Die durchschnittliche Haltedauer
            beträgt drei bis fünf Jahre, wobei eine zweistellige Rendite
            angestrebt wird.

                                                                             ×   Ein offener Austausch über die gegenseitigen Ziele und
            DIE STRATEGISCHEN ZIELE WEISEN DEN WEG                               Erwartungen ist Voraussetzung, um das passende Werk-
            ZUM PASSENDEN MODELL                                                 zeug für eine Partnerschaft zu finden. Die Verträge müssen
                                                                                 den Spagat überbrücken zwischen enger Anbindung und
            Wer keine Kapazitäten und kein Know-how für einen eigenen            ausreichend Freiraum für die Start-ups.
            VC-Fonds aufbauen will, kann sich an externen Wagniskapi-
            talfonds anderer Corporates beteiligen. Zwar gibt es keinen
                                                                             ×   Syndizi haben wesentlichen Anteil am Erfolg der Partner-

            Technologietransfer, aber einen Überblick über Tech-Trends           schaften: Sie brauchen Mut zu einem Basic-Rules-Ansatz
            und Kontakte zu den beteiligten Start-ups. Es bestehen keine         und einem schlanken Set an Verträgen, die sich am Entwick-
            Nachschusspflichten und bei guter Entwicklung der Betei-             lungsstadium des Hightech-Unternehmens orientieren.
            ligungen eine erfreuliche Rendite. Beispielsweise sind an        ×   Vertragsmodelle, Strukturen und Prozesse sind so zu gestal-
            eVentures mit einem Volumen von mehr als 400 Millionen               ten, dass Gründer schnell und unkompliziert vom Zugang
            Euro neben der Otto Group als Ankerinvestor auch der Sprin-
                                                                                 zu Kunden, Branchenkenntnis und Know-how über Daten-
            ger Verlag oder der Lebensmittelkonzern Dr. Oetker beteiligt.
            Um Risiken breit zu streuen, das Investitionsvolumen zu              schutz, Fragen der Finanzaufsicht etc. profitieren, ohne
            erhöhen und einen breiten Überblick über neue Technolo-              von Verwaltungsaufwand und Hierarchien ausgebremst zu
            gien zu bekommen, können auch Fund of Fonds-Lösungen                 werden.
            sinnvoll sein, etwa von Unternehmertum Venture Capitals          ×   Um Risiken richtig zu bewerten, braucht es Verständnis für
            (UVC) Partners. Die Beteiligungsgesellschaft investiert vor          technologische Details.
            allem in wachstumsstarke Unternehmen im B2B-Bereich.
            Der Nachteil: Je mehr Investoren beteiligt sind, desto weniger
                                                                             ×   Die disruptive Dynamik in vielen Branchen macht vor

            lassen sich individuelle Interessen durchsetzen.                     den Rechtsabteilungen nicht halt: Unternehmensjuristen
            Dagegen verschafft eine Direktbeteiligung größtmöglichen             müssen als Teil des Business-Teams Verantwortung für den
            Einfluss auf die Entwicklung von Technologien oder Ge-               gesamten Prozess bis zum Geschäftserfolg übernehmen
            schäftsmodellen. Oft handelt es sich um Minderheitsbetei-            und schneller zu Entscheidungen kommen.
            ligungen. Grundsätzlich lassen sich auch Finanzinvestoren
                                                                             ×   Ein schulmeisterlicher Ansatz ist gegenüber Gründern
            einbinden, was aber zu Interessenkollisionen führen kann:
                                                                                 wenig Erfolg versprechend. Es braucht Offenheit, voneinan-
            Corporates sind meist an einer dauerhaften Entwicklung des
            Geschäftsmodells für eigene Zwecke interessiert. Dagegen             der zu lernen.
            fürchten Finanzinvestoren, dass strategische Partner Wettbe-     ×   Es gibt viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit; entschei-
            werber unter den Kaufinteressenten abschrecken. Die Beteili-         dend sind die strategischen Ziele.

24   Ausgabe 4/2019
STRATEGIE & MANAGEMENT unternehmensjurist

              STUDIE ZU GLOBAL POST MERGER INTEGRATION UND CARVE-OUTS

            ZUR RECHTEN ZEIT AUF
            DIE ERFOLGSSPUR WECHSELN
            Ein hochaktuelles Thema für Unternehmen sind M&A-Transaktionen und die Herausforderungen
            des im Vorfeld und im Nachgang erforderlichen Carve-out- beziehungsweise Integrations-
            prozesses. Eine neue Studie aus der Studienserie CLI–Corporate Legal Insights vom Bundes-
            verband der Unternehmensjuristen und PricewaterhouseCoopers Legal befasst sich daher mit
            dem Thema „Global Post Merger Integration und Carve-outs“.

            Ω Das wirtschaftliche Umfeld ist gekennzeichnet von ei-          und notwendiger Bestandteil der Unternehmensstrategie,
            ner hohen Dynamik und von wachsendem Wettbewerb von              um erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können. Ein In-
            branchenfremder Seite. Das stellt Unternehmen vor neue           diz dafür ist das weiter anziehende weltweite M&A-Geschäft
            Herausforderungen: Sie müssen das disruptive Potenzial für       mit Firmenkäufen und -fusionen. Nachdem dieses um die
            die eigenen Geschäftsfelder frühzeitig erkennen und mit der      Jahrtausendwende herum seinen vorläufigen Höhepunkt
            richtigen Strategie beantworten. Das allerdings ist leichter     überschritten hatte, bewegt es sich nach Angaben des Wirt-
            gesagt als getan, denn bei den branchenfremden Aufrührern        schaftsdatendienstes Thomson Reuters erneut auf einem sehr
            handelt es sich oft um Start-up-Unternehmen voll von jungen,     hohen Niveau. 2018 gab es weltweit M&A-Transaktionen im
            kreativen und unkonventionell denkenden Menschen, die mit        Wert von insgesamt fast 4 Billionen US-Dollar. Mit einem
            hoher Eigenverantwortlichkeit und entsprechender Motivation      Volumen von rund 1 Billion US-Dollar entfiel ein Viertel dieser
            ihre eigenen Ideen umsetzen wollen. Wird nun ein solches         Summe auf M&A in Europa – in absoluten Zahlen der höchste
            Start-up von einem Großunternehmen klassischer Prägung           Wert seit elf Jahren. Beflügelt wird diese Entwicklung von
            erworben und soll damit verschmolzen werden, droht ein           zwei Faktoren: Zum einen machen die anhaltend günstigen
            „Clash of Cultures“, in dessen Folge die von der Transaktion     Finanzierungsbedingungen am Kapitalmarkt den Erwerb von
            erwarteten Effekte verpuffen können. Damit das nicht passiert,   Unternehmen attraktiv, zum anderen erschafft die Digitalisie-
            muss die Post Merger Integration (PMI) gründlich durchdacht      rung immer neue Geschäftsmodelle und dringt in raschem
            und idealerweise so früh wie möglich begonnen werden.            Tempo in viele traditionelle Geschäfstfelder vor. Durch die
            Für viele etablierte Unternehmen sind Mergers & Acquisi-         Etablierung neuer Geschäftsmodelle, die in der Regel auf der
            tions (M&A) keine reine Option mehr, sondern ein fester          intelligenten Generierung und Monetarisierung von Daten
                                                                             beruhen, verändern digitale Technologien komplette Indus-
                                                                             trien und Dienstleistungsbranchen. Energieanbieter können
                                                                             beispielsweise mit Smart Meter ihre Abrechnung und Netz-
                                                                             werkauslastung optimieren, die Finanzbranche verwendet
                                                                             Algorithmen für den nanosekundenschnellen Handel von
                           „Ohne eine konkrete Marschroute                   Wertpapieren und die großen Automobilkonzerne liefern sich
                                                                             einen Wettlauf bei der Entwicklung von autonom fahrenden
                              für die Zeit nach dem Closing                  Autos. Mit am Start – und das ist neu – sind Data-Giganten
                           kann eine Transaktion sehr leicht                 und Start-ups aus dem Silicon Valley und vergleichbaren
                                            ins Leere laufen.“               Technologieregionen der Welt. So ist der Daimler-Konzern
                                                                             beispielsweise an inhaltlich und wirtschaftlich so unterschied-
                                                            –                lichen Unternehmen wie dem Softwareentwickler Anagog,
                                                          Dr. Simon Dürr,    dem E-Ladestationen-Netzwerk ChargePoint und dem GPS-
                            Partner Global Transformations, PwC Legal        Dienstleister what3words beteiligt. In den USA hat General

26   Ausgabe 4/2019
unternehmensjurist   STRATEGIE & MANAGEMENT

Motors die Unternehmen Cruise Automation und Strobe aus
dem Silicon Valley übernommen, um die Entwicklung von
autonom fahrenden Autos voranzutreiben. Während ame-
rikanische Firmen 2011 gerade einmal 20 Milliarden US           „Den Rechtsabteilungen und
Dollar in sogenannte Tech Deals investierten, war diese Zahl    Rechts(-beratern) kommt dabei oft
2016 bereits auf 125 Milliarden US-Dollar geklettert. Und sie   die Rolle des Dirigenten zu, der das
steigt weiter.
                                                                Orchester zusammenhalten und
                                                                aufeinander abstimmen muss.“
M&A-PROZESS ALS NEUE SITUATION                                  –
                                                                Dr. Frederic Mirza Khanian,
M&A sind eine verbreitete Wachstumsstrategie, doch zahl-
reiche Beispiele von fehlgeschlagenen Fusionen und Über-        Partner Global Transformations, PwC Legal
nahmen zeigen, dass sie nicht ohne Risiken ist. Bei zwei
von drei Firmenehen sinkt der Unternehmenswert nach
der Transaktion, anstatt zu steigen. Das heißt nicht, dass
sie komplett scheitern, sondern dass sie die ursprünglich       zu sein. Doch der gesamte M&A-Prozess und vor allem die
mit der Transaktion geplanten Ziele verfehlen und dass der      PMI als entscheidende Phase nach dem Closing sind für
Markt den Fehlschlag registriert. Der Hauptgrund für die-       viele eben nicht das tägliche Brot, sondern stellen eine ganz
ses – sagen wir es direkt – mangelhafte Ergebnis liegt oft      neue Situation dar. Deshalb ist es sinnvoll, externen Rat
in der schlechten Performance während der PMI. Das mag          nicht nur für die rechtlichen, finanziellen und steuerlichen
auf den ersten Blick überraschen: Der Deal ist durch – was      Aspekte vor dem Closing heranzuziehen, sondern auch für
kann dann noch schiefgehen? Auf den zweiten Blick wird der      die strategisch wichtige PMI-Phase auf die Expertise von
Grund jedoch leicht nachvollziehbar. Die an einer Transak-      außen zuzugreifen, damit aus zwei zuvor getrennten Un-
tion beteiligten Führungskräfte verfügen meist über sehr viel   ternehmen wirklich ein besseres neues wird. Im Idealfall
Erfahrung in ihrem jeweiligen Kerngeschäft. Schließlich ist     wird die PMI dabei schon vor dem Closing vorbereitet, um
ihr bisheriger Erfolg der Grund dafür, warum ihre Unterneh-     sofort nach dem Trocknen der Tinte unter den Verträgen
men in der Lage sind, andere Unternehmen zu übernehmen          durchstarten zu können. Zudem können externe Berater das
beziehungsweise ein attraktives Ziel für eine Übernahme         Management für die enorme Bedeutung einer gut gesteu-
                                                                erten PMI sensibilisieren. Ob eine Akquisition zum Erfolg
                                                                wird, hängt nicht zuletzt davon ab, was die Unternehmen
                                                                davon erwarten. Das gilt auch für die Übernahme von Start-
VOLUMEN VON TRANSAKTIONEN                                       ups. Zwei Drittel der Transaktionen, das zeigt die vorliegende
                                                                Studie, haben ein Volumen bis 250 Millionen Euro. Meist
Zwei Drittel der Transaktionen haben ein Volumen                sind mit der Übernahme von klein- und mittelständischen
bis 250 Mio. €, um Marktanteil & Umsatz zu                      Unternehmen klar formulierte Erwartungen verbunden: die
erhöhen und nachhaltig zu verbessern. In welchem                Erschließung neuer Märkte und Kunden, die Verbesserung
                                                                der Wettbewerbsposition und Synergieeffekte durch Effi-
Transaktionsvolumen bewegten sich diese Trans-
                                                                zienzsteigerungen (siehe dazu Grafik links).
aktionen im Durchschnitt in den letzten Jahren?

                                                                KRITISCHE FAKTOREN BEI DER ÜBERNAHME
                                                                VON START-UPS
Über 1 Mrd. €                                         Bis zu
14,46 %                                           50 Mio. €
                                                                Grundsätzlich lassen sich vier wesentliche Erfolgsfaktoren
                                                   32,53 %
                                                                für M&A ausmachen:
                                                                (1) das tatsächliche Erreichen von Synergieeffekten,
                                                                (2) die rasche Umsetzung der Integration innerhalb eines
                                                                    ambitionierten Zeitrahmens,
Zwischen                                            Zwischen    (3) das erfolgreiche Vermitteln zwischen unterschiedlichen
250 Mio. €                                         50 Mio. €        Unternehmenskulturen während des Veränderungspro-
bis 1 Mrd. €                                  bis 250 Mio. €
                                                                    zesses sowie
16,87 %                                              36,14 %
                                                                (4) eine starke Projektsteuerung in der PMI.

                                                                                                                        Ausgabe 4/2019   27
STRATEGIE & MANAGEMENT unternehmensjurist

            Das Erzielen von Synergieeffekten setzt auch bei der Über-                 der Transaktion verbundenen Ziele erreicht werden. Dabei ist
            nahme eines Start-ups voraus, dass man bereits während der                 es wichtig, für jede Transaktion zu analysieren, welche Unter-
            Due Diligence und damit deutlich vor dem Closing prüft,                    nehmensfunktionen am schnellsten integriert werden müssen
            welche Potenziale vorhanden sind. Start-ups werden in der                  und welche nur eine unterstützende Funktion haben. Start-ups
            Regel aufgrund der von ihnen entwickelten Software oder                    unterscheiden sich von anderen Unternehmensübernahmen
            anderer Technologien erworben. Schon allein um einen ver-                  dadurch, dass nicht Bereiche wie Marketing und Verkauf,
            nünftigen Kaufpreis zu ermitteln und eine Preisobergrenze                  After Sales und Kundenservice oder die Produktion im Vor-
            als Verhandlungsbasis festzulegen, ist es vor dem Closing not-             dergrund der Akquisition stehen, sondern dass Forschung
            wendig, realistisch abzuschätzen, welche Synergieeffekte man               und Entwicklung, kreative Leistung und/oder IT-Know-how
            für das eigene Kerngeschäft erzielen kann und wie sich das                 eingekauft werden. Deshalb müssen die Prioritäten vor allem
            rasch umsetzen lässt. Dazu sind sowohl quantitative als auch               auf der raschen Integration dieser Funktionen ins Kernge-
            qualitative Key Performance Indicators (KPI) unerlässliche                 schäft liegen. Bei glatt laufenden Transaktionen dauert das
            Hilfsmittel, um die Ziele in messbare und damit steuerbare                 erfahrungsgemäß zwischen sechs Monaten und einem Jahr.
            Zwischenschritte umzusetzen. Ohne eine konkrete Marsch-                    Das erfolgreiche Vermitteln zwischen unterschiedlichen Un-
            route für die Zeit nach dem Closing kann eine Transaktion                  ternehmenskulturen während des Veränderungsprozesses
            sehr leicht ins Leere laufen. Um das mit einem Bild deutlich               ist ein dritter, nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor bei
            zu machen: Ohne klares Ziel ist auf hoher See jeder Kurs                   Unternehmenstransaktionen. Wenn man bedenkt, wie un-
            gleich recht oder gleich schlecht (siehe dazu Grafik unten).               terschiedlich in Konzernen und Start-ups gearbeitet wird,
            Die rasche Umsetzung der Integration innerhalb eines ambiti-               sieht man schnell, warum diese Hürde besonders hoch liegt.
            onierten Zeitrahmens ist die Voraussetzung dafür, dass die mit             Start-ups sind in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil von

            HERAUSFORDERUNGEN BEI DER INTEGRATION

            Akquisitionsziele werden erreicht, wenn unternehmerische Anpassungen mit hoher Motivation und
            kultureller Integration einhergehen. Was waren in der Vergangenheit die größten Herausforderungen
            bei der Integration zugekaufter Unternehmen/Unternehmensgruppen?

                                                                                                     „Steuerliche Verluste und Verlustvorträge bei internationalen
                            „Unterschiedliche Unternehmenskultur sowie                               Übernahmen vermeiden“
                            verschiedene Tarif-Entgeltsysteme“                         Steuern       „Bearbeitung der ‚Steueraltlasten‘, Integration in das
            Human           „Umgang mit Arbeitnehmermitbestimmung und                  (Tax)         Konsolidierungs- und Besteuerungskonzept“
            Resources       Integration bestehender Mechanismen“                                     „Management der Tax-Risiken“, „Begründung steuerlicher
                            „Andere Personalgrundsätze,                                              Organschaft“
                            existierende Tarifverträge und Betriebsrat“
                                                                                                     „Umstellung der Prozesse auch in den Köpfen der Leute
                                                                                                     (,Knopfdruck‘)“
                                                                                                     „Verankerung der Ziele der Integration in die persönlichen
                            „Klassische Systemintegrationsthemen aufgrund                            Ziele der Führungskräfte ist sehr wichtig – ansonsten kostet
                            unterschiedlicher Plattformen“                                           die Integration zu viel Zeit“

                            „Zusammenspiel unterschiedlicher IT-Systeme,                             „Transfer Pricing zwischen bestehenden und neuen
            Information                                                                Operative
                            insbesondere im Controlling und Einkauf“                                 Unternehmensteilen zeitnah festlegen“
            Technology                                                                 Integration
            (IT)            „Kein Gleichlauf in IT-Betreuungsverträgen“                              „Integration und ramp-down der IT“

                            „ERP-Systeme mussten angeglichen werden“                                 „Einbindung zu vieler Stakeholder“

                            „Datentransfer sicherstellen im Rahmen der IT-Migration“                 „Clash der Kulturen“
                                                                                                     „Abfall der Management Attention und Priorität nach Closing“
                                                                                                     „Gesamte Supply Chain muss angeschaut werden“

                                                                                                     „Zusammenführung von unterschiedlichen Strukturen,
                            „Patentschutzthemen“
                                                                                                     insbesondere bei den zentralen/Holding-Bereichen“
                            „Anpassung der Lizenzthemen“                               Gesell-
            Intellectual                                                                             „Organwechsel mit einer Vereinfachung der Gesellschafts-
                                                                                       schafts-
            Property (IP)   „Integration in bestehende IP-Strategie“                                 strukturen“
                                                                                       rechtliche
                            „Fortführung Firmennamen“                                  Integration   „Gremienintegration vorantreiben“
                                                                                                     „Führung von Gesellschaften, die nicht integriert werden sollen“

28   Ausgabe 4/2019
unternehmensjurist     STRATEGIE & MANAGEMENT

etablierten Unternehmen. Während Konzerne einem zuver-
lässigen Familien-Van gleichen, sind Start-ups der nervöse
Formel 1-Bolide, an dem ständig herumgeschraubt und an
dem neue Materialien und Antriebskonzepte ausprobiert wer-        „Damit es keinen ‚Clash of
den. Es liegt auf der Hand, dass beide sehr unterschiedliche      Cultures‘ gibt, muss die Post Merger
Menschen als Mitarbeiter gewinnen. Während Beschäftigte in
                                                                  Integration gründlich durchdacht
Konzernen oft in sicheren Strukturen und vertrauten Prozes-
sen arbeiten und Veränderungen häufig erst einmal kritisch        und idealerweise so früh wie möglich
gegenüberstehen, stellen die Mitarbeiter von Start-ups aus        begonnen werden.“
Prinzip ständig alles in Frage und suchen Mittel und Wege,
                                                                  –
um den Familien-Van von der Straße zu bugsieren. Dabei
                                                                  Prof. Dr. Peter Körner, Director Corporate Legal
ist Scheitern als Option von Haus aus eingeplant. Für Start-
ups gibt es nur drei Exit-Formen: Scheitern, übernommen           Insights, diruj GmbH
werden oder – wie Amazon, Apple oder Google – selbst zum
Big Player mutieren.
                                                                  unterdrückt werden, sondern sollte im Idealfall im gesamten
                                                                  Unternehmen angewendet werden. Ein gutes Steuerungs-
STEUERUNGSTEAM HÄLT FÄDEN ZUSAMMEN                                team hält letztlich alle Fäden zusammen und sorgt dafür, dass
                                                                  sich die einzelnen Workstreams nahtlos ineinander einfügen
Unternehmen, die ein Start-up übernehmen, sollten sich des-       und die PMI reibungslos über die Bühne gebracht wird.
halb darüber im Klaren sein, dass sie nicht nur neue Techno-      Es verwundert nicht, dass die Vielschichtigkeit einer PMI
logien und Know-how übernehmen, sondern auch Menschen             alle Abteilungen eines Konzerns einschließlich Rechtsabtei-
und eine Unternehmenskultur, die das Start-up überhaupt           lungen sowie externe Berater regelmäßig vor große Heraus-
erst zu einem interessanten Übernahmekandidaten gemacht           forderungen stellt. Neben den üblichen und wiederkehrenden
haben. Viele von ihnen sind als digitale Unternehmen gestartet    Problemfeldern im Rahmen einer PMI offenbaren sich regel-
und haben eine aus Sicht von Konzernen eher eigentümliche         mäßig nicht von vornherein absehbare Fallstricke, die es dann
Arbeitsweise entwickelt. Dank unkonventionellem Denken            zu bewerten und zu bewältigen gilt. Den Rechtsabteilungen
und Handeln, freiem Experimentieren an neuen Technologien         und Rechts(-beratern) kommt dabei oft die Rolle des Diri-
sowie einem lockeren Umgang mit Fehlschlägen, setzen sich         genten zu, der das Orchester zusammenhalten und aufeinan-
selbst kleine Firmen oft an die Spitze der technologischen        der abstimmen muss. Zu Recht kann eine erfolgreiche PMI
Entwicklung. Dank ihrer Ausprobier-Kultur schaffen sie es         damit als Meisterprüfung für Rechtsabteilungen und -berater
tatsächlich, ihre Technologien schneller in neue Produkte und     bezeichnet werden. π
Dienstleistungen umzusetzen und auf den Markt zu bringen                            Prof. Dr. Peter Körner in Zusammenarbeit mit
als Großunternehmen. Ihre Attitüden sind der Grund für                           Dr. Simon Dürr und Dr. Frederic Mirza Khanian
ihren Erfolg und deshalb ist es notwendig, sie im Rahmen
der PMI zu bewahren und möglichst von ihnen zu lernen
und zu profitieren. Als vierter Erfolgsfaktor ist eine starke
Projektsteuerung in der PMI von zentraler Bedeutung. Sie
beeinflusst maßgeblich alle anderen Erfolgsfaktoren. Viele
Vorstände, so eine Erfahrung aus der Unternehmenspraxis,
lehnen sich nach dem Closing zufrieden zurück und halten
                                                                  ×   Beim Erwerb eines Start-ups durch ein klassisches Groß-
ihre Aufgabe für erledigt. Tatsächlich geht die Arbeit nach
                                                                      unternehmen droht ein „Clash of Cultures“.
der Unterschrift erst richtig los. Um diesen Prozess zu koor-
dinieren, sollte ein PMI-Steuerungsteam installiert werden,       ×   Um das zu verhindern, muss die Post Merger Integration
dessen zentrale Aufgabe es ist, mögliche Hindernisse in der           (PMI) gründlich durchdacht und so früh wie möglich
Integrationsphase zu identifizieren und umgehend Lösungen             begonnen werden.
zu ihrer Überwindung zu entwickeln. Sollten beispielsweise        ×   Frühzeitiger externer Rat ist für die rechtlichen, finanziellen
wichtige Know-how-Träger das Unternehmen verlassen wol-               und steuerlichen Aspekte vor dem Closing sowie für die
len, deren Bindung im Vorfeld als erfolgskritisch angesehen
                                                                      PMI-Phase wichtig.
wurde, muss das Management Retention-Verhandlungen
aufnehmen. Auch das agile Arbeiten, das in vielen Start-ups       ×   Neben diversen anderen Herausforderungen ist das
anzutreffen und für deren Erfolg verantwortlich ist, darf nicht       erfolgreiche Vermitteln zwischen unterschiedlichen Unter-
durch vom Käuferunternehmen übergestülpte Arbeitsweisen               nehmenskulturen ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor.

                                                                                                                                  Ausgabe 4/2019   29
SCHWERPUNKT COMPLIANCE unternehmensjurist

                                                                COMPLIANCE

                        „ES KOMMT IMMER AUF DIE
                           ZUSAMMENARBEIT
                      ZWISCHEN DEN MENSCHEN AN“
             Dr. Christoph Klahold ist seit Herbst 2018 Leiter Recht und Compliance bei der Munich Re. Hier soll
            er beide Abteilungen zusammenführen. Im Interview erläutert er, welche Schwerpunkte er dabei setzt
                              und was er von dem geplanten Unternehmensstrafrecht erwartet.

            Herr Dr. Klahold, Sie sind im vergangenen Jahr von thyssen-      Antritt bin ich immer noch dabei, zu lernen und zuzuhören.
            krupp, wo Sie Chief Compliance Officer waren, zur Mün-           Schließlich ist das Rückversicherungsgeschäft sehr komplex.
            chener Rück gewechselt. Hier sind Sie Leiter der Rechts- und     Dazu habe ich im gesamten Unternehmen sehr viele Ge-
            der Compliance-Abteilung. Beide Bereiche sollen nun zu-          spräche geführt. Mir geht es darum, erst die Menschen ken-
            sammengeführt werden. Insgesamt arbeiten in beiden Ab-           nenzulernen, inhaltliche Herausforderungen und die Prozesse
            teilungen zusammen rund 50 Menschen. Wie geht es voran?          kommen dann meist von ganz allein hinzu. Ich lege großen
            Ich bin nun für beide Abteilungen bei der Munich Re verant-      Wert auf den Team-Gedanken. Wofür die Rechtsabteilung
            wortlich. Mit meinem Team haben wir mit viel Engagement          und Compliance-Abteilung stehen, welchen Mehrwert wir
            angefangen, den Ist-Stand zu analysieren und unsere strate-      bieten können und was uns eventuell daran hindert, das will
            gischen Schwerpunkte zu schärfen. Dabei geht es in einem         ich gemeinsam mit den Kollegen entwickeln und nicht von
            ersten Schritt auch darum, herauszufiltern, welche Aufgaben      oben vorgeben. Dafür beziehe ich alle Mitarbeiter mit ein.
            gemeinsam besser umgesetzt werden können. Gleichzeitig           Es gab viele Workshops und Veranstaltungen dafür in den
            sollen beide Bereiche auch Profil gewinnen und ihre eigenen      letzten Monaten.
            Themen verfolgen. Das Wir-Gefühl ist mir wichtig. Es gibt
            viele Gemeinsamkeiten.                                           Was haben Sie aus den Gesprächen und Workshops
                                                                             mitgenommen?
„Es geht darum, wie wir im Unternehmen                                       Es ist sehr schnell klargeworden, dass wir nicht aus einem
                                                                             Selbstzweck heraus die Rechts- und Compliance-Abteilung
einen Mehrwert bieten und die geschäftlichen                                 verändern, sondern dem Unternehmen in seinem Trans-
Aktivitäten unterstützen können.“                                            formationsprozess folgen wollen. Es sind in den vergange-
                                                                             nen Jahren neue Geschäftsfelder hinzugekommen, neue
            Welche sehen Sie?                                                digitale Einheiten ergänzen das klassische Kerngeschäft.
            Beide Abteilungen betreiben aktives Risiko-Management. Zu-       Das heißt für die Rechtsabteilung und die Compliance: Wir
            dem geht es darum, wie wir im Unternehmen einen Mehr-            müssen diese Geschäfte verstehen, wir müssen Zugang zu
            wert bieten und die geschäftlichen Aktivitäten unterstützen      den entscheidenden Menschen schaffen, die über die gan-
            können. Dabei hat die Compliance-Abteilung nicht nur ho-         ze Welt verteilt sind. Mit diesen Verantwortlichen müssen
            heitliche Governance-Aufgaben, und die Rechtsabteilung ist       wir Risiken herausarbeiten und Strategien entwickeln, wie
            nicht ausschließlich Dienstleister. Inhaltlich gibt es Gemein-   wir diese Risiken möglichst effektiv reduzieren und welche
            samkeiten etwa im Aufsichtsrecht, beim Datenschutz oder          Strukturen und Steuerungsmechanismen das Unternehmen
            im Kapitalmarktrecht.                                            dafür braucht.

            Wie nähern Sie sich Ihrer Aufgabe?                               Die wichtigsten Treiber für Veränderung kommen also aus
            Zuvor war ich in einer nicht regulierten Industrie tätig, die    dem Unternehmen selbst?
            ich weitgehend verstanden habe. Nun habe ich in ein neues        Viele Themen gab es vor ein paar Jahren noch gar nicht. Nach
            Umfeld gewechselt und auch ein halbes Jahr nach meinem           einer aktuellen Studie ist die Versicherungsbranche eine der

46   Ausgabe 4/2019
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