INTERVIEW - JP Morgan Asset Management Deutschland

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INTERVIEW - JP Morgan Asset Management Deutschland
12.06.2018                                                      Seite 5

 BÖRSE EXPRESS

INTERVIEW
SUSAN BAO
„Eine Hausse stirbt nicht
an Altersschwäche“
Redaktion                           redaktion@boerse-express.com

Die US-Aktienexperten von J.P. Morgan
Asset Management teilen nicht die Sorge
vieler Anleger, dass dem Zyklus die Luft aus-
gehen könnte. Im Gespräch erläutert Susan
Bao, Portfolio Managerin des JPMorgan
Funds – US Select Equity Plus Fund, dass ein
guter Indikator ein Blick auf das Trend-
wachstum sei, das weiter aufwärts strebt.
BÖRSE EXPRESS: Glauben Sie – wie viele Anleger – dass sich
die Zeit der steigenden US-Aktenmärkte langsam dem Ende
                                                                    Susan Bao, Portfolio Managerin J.P. Morgan AM     Foto: beigestellt
neigt?
SUSAN BAO: Die anhaltend starke US-Rally veranlasst
viele Anleger, sich über Spekulationsblasen Sorgen zu              mentan befinden sich die Bewertungen von US-Aktien also
machen. Ein solch negatives Sentiment der Investoren               genau auf dem Niveau des 25-jährigen Durchschnitts von
ist nicht untypisch für den aktuellen Zyklus, denn er              16,1. Die Bewertungen sind somit keineswegs auf extre-
glich einem Hindernislauf mit vielen Hürden. Seit 2009             men Niveaus. Wenn man die Bewertung als Pendel sieht,
mussten Aktien eine „Wand der Angst“ erklimmen: Im                 das von einer Seite zur anderen ausschlägt, so lässt sich
                               Jahr 2011 kam es zur euro-          sagen, dass wir uns gerade am Mittelpunkt befinden. Und
„Unseres Erach- päischen Schuldenkrise,                            das Pendel sollte sich weiterhin in eine positive Richtung
tens weist die                 2013 versetzte die mögliche         bewegen, solange drei wesentliche Faktoren für höhere
                               Straffung der US-Geldpolitik        Kurse an den Märkten Bestand haben:
Rally nach wie                 die Märkte in Sorge und in            1. Ein Umfeld mit niedrigen Realzinsen: Wir haben in
vor gute Ertrags- 2013 sowie 2016 erfolgten                        der Vergangenheit niedrige Inflationsraten gesehen, wo-
möglichkeiten                  deutliche Korrekturen im            durch es zu negativen Realzinsen gekommen ist. Obgleich
                               verarbeitenden Gewerbe, die         erwartet wird, dass die US-Notenbank die Zinsen in die-
auf.”
                               mit dem Einbruch des Ölprei-        sem und im nächsten Jahr schneller anheben dürfte, blei-
ses zusammenhingen. Die Rally verlief also alles andere            ben die Zinsen weiterhin eine Unterstützung.
als reibungslos, doch der US-Aktienmarkt trotzte jedem               2. Gewinnwachstum: Die Gewinnrendite im S&P 500
Hindernis. Höhere Bewertungen von US-Aktien lassen                 Index liegt bei 6,2 Prozent. Im Vergleich zu anderen An-
nun die Frage aufkommen, die derzeit auch viele andere             lageklassen ist dies ein relativ guter Wert, und diese Ren-
Anleger umtreibt: Ist es mittlerweile zu spät, in US-Ak-           dite dürfte noch weiter steigen. Die letzte Gewinnsaison
tien zu investieren? Unseres Erachtens weist die Rally             verhalf der spätzyklischen Hausse wieder zu mehr Schub-
nach wie vor gute Ertragsmöglichkeiten auf. In den letz-           kraft. Auch künftig dürfte das Gewinnwachstum die Kurse
ten zwölf Monaten warteten viele Anleger in der Hoff-              antreiben.
nung auf günstigere Einstiegspunkte eine weitere                     3. Eine Hausse stirbt nicht an Altersschwäche: Historisch
Korrektur ab. Wenn wir aber in der letzten Zeit etwas              liefert die Dauer einer Hausse keinen Hinweis auf Abver-
gelernt haben, dann dass es sinnvoller ist, sich auf das           käufe an den Märkten. Die meisten Bullenmärkte enden
Trendwachstum zu fokussieren. Und der Trend deutet                 mit dem Beginn einer Rezession. Während also sprung-
weiter nach oben.                                                  hafte Zinsanstiege oder Rohstoffschocks für wesentliche
                                                                   Verluste an den Märkten verantwortlich sein können, ist
Welche Fundamentaldaten sprechen denn für weiteres Aufwärts-       nicht das Alter des Zyklus dafür heranzuziehen.
potenzial bei den Bewertungen?
  Die absolute Bewertung des S&P 500 Index weist auf ein           Reden wir über das „R“-Wort, vor dem sich die Anleger so sehr
Forward-KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) von 16,1 hin. Mo-             fürchten: Steht eine Rezession ins Haus?
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INTERVIEW
  Im Durchschnitt dauern Expansionen 47 Monate an,              5. Spreads von Hochzinsanleihen gegenüber Staatsan-
und je länger der aktuelle Zyklus fortschreitet, wird         leihen: In den letzten zwei Jahren durchlebte der Markt
immer wieder ein Ende prognostiziert. Doch wie gesagt         Momente der Panik. Als der Energiesektor einbrach, wei-
stirbt ein Bullenmarkt nicht am Alter, und in der Regel be-   teten sich die Risikoaufschläge (Spreads) von Hochzinsan-
darf es einer Rezession, damit dieser zu Ende geht. Ange-     leihen massiv aus, da der Energiesektor eine wichtige
sichts starker wirtschaftlicher Fundamentaldaten lassen       Komponente des Index für Hochzinsanleihen darstellt.
sich derzeit keinerlei Anzeichen dafür ausmachen.             Dies führte zu großer Sorge, insbesondere Anfang 2016,
                                Nach unserem Dafürhalten      als die Märkte eine deutliche Korrektur durchlitten. Der-
Wenn man die                  deutet  vieles auf eine Fort-   zeit ist der Spread aber sehr klein.
                              setzung der aktuellen wirt-
Bewertung als                 schaftlichen     Rally    für   Wie lauten Ihre Erwartungen für die Unternehmensgewinne?
Pendel sieht, das mindestens weitere 18 bis 24                  Wann immer wir über Informationen wie Gewinne spre-
von einer Seite               Monate hin. Unser Rezessi-      chen, verfolgen wir überwiegend einen Bottom-up-Ansatz,
                              ons-Barometer – eine Kombi-     schauen also auf die Einzeltitel. Allerdings gilt es auch,
zur anderen aus- nation                                von    den makroökonomischen Sachverhalten Aufmerksamkeit
schlägt, so lässt             Top-down-Makro-Daten und        zu schenken. Eine Top-down-Sichtweise der Gewinne je
sich sagen, dass              den Bottom-up-Informatio-       Aktie zeigt einen Einbruch in den Jahren 2015 und 2016,
                              nen unseres US-Research-        also eine sogenannte S&P-Gewinnrezession, die vor allem
wir uns gerade
                              teams – hilft uns dabei, eine   auf zwei wesentliche Faktoren zurückzuführen war. Der
am Mittelpunkt                Rezession zu prognostizie-      erste betraf den US-Dollar. Zwischen 2014 und 2016 er-
befinden.                     ren. Momentan steht die         holte sich dieser deutlich. Ein starker US-Dollar setzt ge-
                              Mehrheit unserer Signale        wöhnlich US-Unternehmen unter Druck, die im Ausland
eindeutig auf grün. Wir befinden uns also nach wie vor        Gewinne erzielen. Ferner werden dadurch die Einfuhren
auf festem Terrain und es gibt keinerlei Hinweise, die        in die USA günstiger. Der zweite Negativfaktor war Öl. Als
diese große Angst vor dem „R“-Wort stützen.                   der Ölpreis 2015 einbrach, brachen auch die Investitions-
  Es gibt insbesondere fünf Gründe, die gegen eine Re-        ausgaben weg, was sich nicht nur auf Energieunterneh-
zession sprechen:                                             men sondern auch auf andere Sektoren, einschließlich
  1. Unternehmensgewinne: Die Unternehmensgewinne             Industriegüter, auswirkte.
sind einer der wichtigsten Faktoren des Wirtschafts-            Der US-Dollar hat sich zu Beginn des Jahres abge-
wachstums. Wir gehen davon aus, dass sie in den USA sehr      schwächt, was US-Unternehmen Rückenwind bescheren
robust ausfallen werden. Für dieses Jahr wird ein zwei-       wird. Mehr als 40 Prozent der Gewinne der Unternehmen
stelliger Zuwachs erwartet.                                   im S&P 500 Index werden im Ausland erzielt. Ein schwä-
  2. Änderung des Beschäftigungstrends: In der Regel bie-
ten die Beschäftigungsdaten einen perfekten Hinweis auf
eine Rezession. Kurz vorher steigt die Arbeitslosigkeit für
gewöhnlich, und zwar um rund 50 Basispunkte gegenüber
dem Vorjahr. Bisher lassen Anzeichen eines Anstiegs der
Arbeitslosigkeit auf sich warten.
  3. Wirtschaftlicher Frühindikator: Per Definition zeigt
der wirtschaftliche Frühindikator die Gefahr einer Rezes-
sion an und kann eine hohe Prognosekraft bieten. Er be-
steht aus zehn Komponenten, darunter der ISM-Index für
das verarbeitende Gewerbe, der Einkaufsmanagerindex,
die Zahl der Baugenehmigungen und das Kreditumfeld.
Umso wichtiger ist, dass dieser Indikator nach wie vor
nicht auf eine Rezession hinweist.
  4. Inversion der Renditekurve: Ein inverser Verlauf der
Renditekurve ist in der Regel ein Hinweis auf eine bevor-
stehende Rezession. Sobald es zu einer Inversion kommt,
ist davon auszugehen, dass sich innerhalb von sechs bis
zwölf Monaten eine Rezession abzeichnen wird. Aktuell
spricht die Renditekurve nach wie vor für unsere Auffas-
                                                              US-Börsen bleiben für JPM Favorit           Foto: PixabayMonicaVolpin
sung, dass kurzfristig von keiner Rezession auszugehen ist.
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INTERVIEW
cherer US-Dollar kommt somit den Gewinndaten zugute.
Allerdings ist der US-Dollar wieder moderat etwas ange-
stiegen, aber im historischen Kontext nach wie vor auf
einem niedrigen Niveau. Wir glauben daher, dass der US-
Dollar nach wie vor als Rückenwind für US-Unterneh-
mensgewinne dienen kann.
  Der Energiesektor leistete im S&P 500 Index seit jeher
                             einen starken Gewinnbei-
„Der Finanzsek-              trag. Mit dem Einbruch des
                             Ölpreises im Jahr 2014 und
tor dürfte von               seiner anhaltenden Schwä-
steigenden Zin-              che bis in das Jahr 2016 wies
sen profitieren,             der Energiesektor in diesem
                             Zeitraum ein negatives Ge-
die zu höheren               winnwachstum auf und
Nettozinsmargen schmälerte in den letzten
                                                             JPMorgan AM setzt auf US-Finanztitel
führen sollten. “ zwei Jahren das Gewinn-                                                                     Foto: Pixabay-kalhh

                             wachstum im S&P 500 Index.
Das Jahr 2017 brachte leicht höhere Ölpreise mit sich, die   Wachstum der zugrunde liegenden Gewinne sowie dem
sich allerdings nach wie vor deutlich unterhalb ihres 5-     Niedrigzinsumfeld getragen. Wir können kein wesentli-
Jahres-Durchschnitts befanden. Selbst unter der An-          ches Risiko für eine baldige Rezession erkennen, behalten
nahme, dass Öl auf diesem niedrigen Niveau verharrt,         aber potenzielle Risiken im Auge, die sich für die US-Ak-
prognostizieren wir in den nächsten Quartalen für den        tienmärkte als Gegenwind erweisen könnten. Die Verab-
Energiesektor ein positives Gewinnwachstum.                  schiedung der Steuerreform beseitigte ein Marktrisiko.
                                                             Allerdings erfordern Aktieninvestments in der aktuellen
Wie ermitteln Sie diese Werte?                                                             Zyklusphase aktive Flexibili-
  Unsere Beurteilungen auf Einzeltitelebene werden von                                     tät, da die Auswirkungen der
                                                             „Unsere negative
einem Aktien-Researchteam mit über 20 erfahrenen Ana-                                      Steuerreform, Handelspoli-
lysten erarbeitet. Sie haben eine durchschnittliche Indus-   Einstellung ge-               tik, Inflation und steigende
trieerfahrung von 19 Jahren und decken weit mehr als die     genüber Basis-                Zinsen, zu Umschichtungen
500 Aktien des Index ab. Sie sind überzeugt, dass die Ge-    konsumgütertite               auf  Sektorebene und in Anla-
winne der Unternehmen im S&P 500 im nächsten Jahr                                          gestilen führen könnten.
steigen werden. Die Vergleichsdaten zum Vorjahr werden
                                                             ln, REITs und
schwieriger sein, aber die Steuerreform sollte dem aktu-     Versorgern bleibt            Auf welche Sektoren sollten sich
ellen spätzyklischen Wachstumsumfeld Rückenwind ver-         unverändert, da              US-Aktienanleger konzentrieren?
leihen. Die Auswirkungen der Handelspolitik, der                                            Das Wachstumspotenzial
                                                             hier die Umsätze
Geldpolitik der US-Notenbank und der Arbeitskräftever-                                    unterscheidet sich stark je
knappung werden die Anlegerstimmung wesentlich be-           zusehends unter              nach Sektor und erfordert
einflussen und für weiterhin erhöhte Volatilitätsniveaus     Druck geraten                einen aktiven Ansatz für In-
sorgen, wie wir sie in den letzten Monaten beobachten        und die Bewer-               vestments in US-Aktien. Ein
konnten.                                                                                  wichtiger Sektor ist die Fi-
  Aktuell belaufen sich die Schätzungen unserer Analys-      tungen ausge-                nanzbranche, wo wir von
ten für die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 im Jahr       reizt sind.“                 einem starken Beitrag dank
2018 auf 157,2 US-Dollar je Aktie. Diese Schätzungen er-                                  eines soliden Gewinnwachs-
folgen vorbehaltlich etwaiger Korrekturen. Allerdings re-    tums ausgehen. Der Finanzsektor dürfte von steigenden
präsentieren sie einen Zuwachs gegenüber 2017 von 21         Zinsen profitieren, die zu höheren Nettozinsmargen füh-
Prozent, was einem Wachstum der zugrunde liegenden           ren sollten. Zudem halten wir an unserer positiven Sicht-
Gewinne von rund 15 Prozent gleichkommt, während             weise des Mediensektors fest, der über attraktive
rund 6 Prozent den Steuersenkungen und der Arbeits-          Ertragskraft und angemessene Bewertungen verfügt. Auch
marktreform (Jobs Act) geschuldet sein dürften.              unsere negative Einstellung gegenüber Basiskonsumgü-
  Trotz der Volatilität und Unsicherheit an den Märkten      tertiteln, REITs und Versorgern bleibt unverändert, da hier
entsprechen die aktuellen KGVs beinahe dem langfristi-       die Umsätze zusehends unter Druck geraten und die Be-
gen Durchschnitt und werden von den Erwartungen zum          wertungen ausgereizt sind.
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