Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig

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Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Journal des Richard-Wagner-
                                                  Verbandes Leipzig
                                                  Aktuelles aus der Geburtsstadt des Meisters                                        3/2021

Zur Arbeit
unseres Vorstandes

L   iebe Verbandsmitglieder und
     Wagner-Freunde,

die Festtage der Oper Leipzig WAGNER 22
sind in Vorbereitung, eine neue Inszenie-
rung der »Meistersinger« ist geglückt.
Unser Verband hat ein Beiprogramm
entworfen, das die Aufführung aller 13 Büh-
nenwerke Wagners ergänzen, weiterfüh-
rend vorbereiten, kommentieren und zu
Reflektionen anhalten soll. Daran arbeiten
die Vorstandsmitglieder und kooptierte
Mitwirkende eifrig, und wir nehmen dies
zum Anlass, sie Ihnen einmal vorzustellen.
Es handelt sich dabei um eine gewachsene
Struktur, wie sie von Thomas Krakow in
jahrelanger Aufbauarbeit geschaffen worden
ist, wofür wir ihm alle sehr dankbar sind.

Herzstück des Leipziger Verbandes bildet
die Geschäftsstelle, in der Josef Hauer die
Aktivitäten des Verbandes vorbereitet und
organisiert. Vor allem die Veranstaltun-
gen sind seine Domäne: Opernbesuche,              zu Projekten unseres Verbandes heran.          Roland H. Dippel, Eleonore Petzoldt,
Konzerte, Versammlungen, Feste, Ausflüge,         Benedikt Zimmermann ist ein begnadeter         Dr. Birgit Heise, Peter Uhrbach und Klaus-
einen Stand in der Oper Leipzig und auf           Reiseplaner und Organisator, wie er schon      Michael Weinmann. Die vorrangige Betreu-
dem Weihnachtsmarkt betreut er mit viel           einige Male bewiesen hat, ihm ist dieses       ung von Stipendiaten haben Torsten Reh
Geschick und Hingabe, stets ist er vor Ort        Ressort anvertraut. Außerdem betreut er        und Klaus-Michael Weinmann von Eleonore
und überwacht die Durchführung. Dabei             den Facebook-Auftritt des Leipziger Ver-       Petzoldt übernommen. Nach den Wirren der
gehen ihm hilfreiche Verbandsmitglieder           bandes und hält aktiv Kontakt zu anderen       Corona-Jahre strukturieren sie gerade die
zur Hand: Christine Scheunemann, Mario            Verbänden. Dem Vorsitzenden obliegt die        Stipendiatenbetreuung (Auswahl und Prä-
Todte, Christine Grüneisen, Madlen Römer,         Koordination der Aktivitäten, die in unse-     mierung) neu und haben ehrgeizige Pläne in
Ingeborg Marschall, Siegrun Becker, Ursula        rem Jahresprogramm gesammelt werden,           Angriff genommen. Dass Vorstandsmitglie-
Hartmann und andere.                              und die Sorge für ein reibungsloses Mitein-    der in allen Arbeitsbereichen immer wieder
                                                  ander. Als Musikwissenschaftler liegen mir     mithelfen, ist selbstverständlich. Einzelne
Im Vorstand erledigt die gesamte Kassen-          Konferenzen, Ausstellungen und Publika-        Aktivitäten und Hilfen können hier nicht
führung unser Schatzmeister Stefan Loch-          tionen am Herzen, die eine sachliche und       aufgezählt werden, sie sind zu zahlreich.
ner, der auch die Adressdateien verwaltet.        nüchterne Auseinandersetzung mit unserem       Allen sei hier auf das herzlichste gedankt, es
Unterstützt wird er von Ariane Wiegand-           Meister und seinen Werken betreiben.           ist eine Freude, in einem so aktiven Verband
Striewe als Schriftführerin, die alle Protokol-                                                  mitzuwirken. Für Kritik und Anregungen
le erstellt und als Steuerberaterin Fachfrau      Dem Vorstand sind Mitglieder fest koop-        sind wir immer offen und dankbar. Bitte
für Vereinsangelegenheiten ist. Die finanzi-      tiert, die sich seit Jahren hingebungsvoll     wenden Sie sich an uns.
ellen und rechtlichen Angelegenheiten sind        wichtigen Aufgaben stellen. Ursula Oehme
also in besten Händen. Das Programm der           ist die verantwortliche Redakteurin unseres    Ein besinnliches Weihnachtsfest und alles
Vorträge erarbeitet Privatdozentin Dr. Birgit     Journals, das üblicherweise dreimal jährlich   Gute für das Neue Jahr wünscht Ihnen im
Heise. Als Fachfrau für Musikinstrumente          erscheint. Winifred König, Dr. Claudia Behn    Namen des gesamten Vorstandes
und Ausstellungen samt Ausstellungspäd-           und Josef Hauer unterstützen sie redak-        Ihr
agogik zieht sie immer wieder Studierende         tionell, dazu kommt ein Autorenteam mit        Helmut Loos

Richard ist Leipziger ...                         Journal 3/2021
Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Die Bayreuther Festspiele 2021 im Spiegel unserer Stipendiaten

I  n diesem Jahr konnten nur zwei von
   sieben Stipendiaten an den Stipendi-
atentagen teilnehmen. Das Los traf Sofia
                                                                                               fliegende Holländer«, »Die Meistersinger
                                                                                               von Nürnberg« und »Tannhäuser«), mo-
                                                                                               dern inszeniert wurden und dabei versucht
Revueltas Minguet und Shinhyung Kim.                                                           wurde, eine Interpretation dieser klassi-
Alles war sehr reduziert, dennoch herzlich,                                                    schen Stücke zu schaffen, die politisch oder
aufregend und schön. Die Karten für das                                                        sozial informiert ist und in unseren Zeitgeist
Festspielhaus besorgten sich die Beglei-                                                       passt. Ich glaube, es sagt sehr viel Gutes
ter Eleonore Petzoldt, Torsten Reh und                                                         über die Bayreuther Festspiele aus, dass sie
Klaus-Michael Weinmann selbst, da uns                                                          offen sind, Traditionen zu überarbeiten und
durch die Corona-Einschränkungen keine                                                         neu zu erfinden. Dies garantiert, dass es eine
zugeteilt wurden. So konnten wir »Tann-                                                        richtungsweisende Kulturinstitution bleibt,
häuser« und den »Fliegenden Holländer«                                                         an die man sich wenden kann. Außerdem
mit unseren Stipendiaten erleben. Wegen                                                        hatte ich nicht erwartet, so viele hochinte-
des schlechten Wetters machte sich die                                                         ressante Menschen aus vielen unterschied-
hygienebedingte Schließung von Gardero-                                                        lichen Fächern (Sängerinnen, Sänger,
ben und Toiletten im Festspielhaus negativ                                                     Musikwissenschaftler, Regisseure) und
bemerkbar. Die Rettung war der neugebau-                                                       vielen unterschiedlichen Nationalitäten ken-
te Pavillon gegenüber. Leider musste man                                                       nenlernen zu dürfen. Es war für mich sehr
dann die nasse Kleidung sowie die Schirme                                                      inspirierend, über die vielen Perspektiven in
auf dem freien Nachbarplatz ablegen, da                                                        Bezug auf Wagners Musik zu diskutieren.
immer ein Platz frei blieb, verkleidet mit    Pure Freude
                                              Shinhyung Kim, Sofia Revueltas Minguet
einem schwarzen Samtüberzug. Anstren-                                                          Schließlich hatten Shin und ich das Glück,
gend war – trotz Lüftung – das vorge-                                                          die freundlichsten und aufmerksamsten
schriebene, streng kontrollierte Tragen der   Die Bayreuther Festspiele –                      Sponsoren zu haben. Torsten Reh, Klaus-
FFP2-Masken. Gewöhnungsbedürftig war          eine richtungsweisende Kulturinstitution         Michael Weinmann und Eleonore Petzoldt
die Einrichtung der Chöre, da Statisten auf   Es war für mich eine große Ehre, in              konnten uns viele Aspekte der Bayreuther
der Bühne stumm agierten und der Chor in      Bayreuth das Musizieren und die Kunst            Tradition und Kultur näherbringen, und
Plexiglaskabinen aus abtrennten Räumen        der Oper auf einem so hohen Niveau zu            wir fühlten uns gut bei ihnen aufgehoben.
singend übertragen wurde. Die Wirkung         erleben. Meine Lieblingsaufführung war           Ich werde für ihre Freundlichkeit immer
war dennoch akzeptabel.                       »Tannhäuser«, hier hatte ich das große           dankbar sein und hoffe, sie in Zukunft
                                              Glück, Lise Davidsen auf der Bühne zu            irgendwann wiederzusehen. Die Bayreuther
Bei schönem Wetter fand nachmittags eine      erleben. Ihre stimmliche Qualität, die           Festspiele besuchen zu dürfen, war eines der
Kranzniederlegung am Wagnerschen Grab         Ernsthaftigkeit ihres Schauspiels und die        schönsten Erlebnisse dieses Jahres für mich.
hinter der Villa Wahnfried mit anschlie-      musikalische Finesse zeigen, dass sie eine       Nach dem Lockdown war die Möglichkeit,
ßendem Empfang im Garten der Villa statt.     der größten Künstlerinnen unserer Zeit           an diesen weltberühmten Festspielen teilzu-
Hier konnte man die rund 60 Teilnehmer        ist. Ich fand es sehr erfrischend, dass alle     nehmen, eine große Quelle der Motivation
der Stipendiatentage sowie deren Begleiter    Aufführungen, die ich gesehen habe (»Der         für mich. srm
zu anregenden Gesprächen treffen. Unser
gemeinsames kleines Abendessen mit den
Stipendiaten fand traditionell im Restau-
rant des Hotels Lohmühle statt. Leider
waren die Frankfurter Freunde in diesem
Jahr nicht dabei. Zum Abschluss gab es
wieder das Stipendiatenkonzert mit Buffet
und geistigem Austausch. Am interessan-
testen war die Session danach, als jeder
Stipendiat sich auf der Bühne darstellen
konnte, was auch sehr unterhaltsam und
beeindruckend war.

Trotz Corona und Hygienemaßnahmen
waren es wieder abwechslungsreiche Tage
in Bayreuth, und wir freuen uns auf das
nächste Jahr – hoffentlich ohne Ein-
schränkungen. ep/kmw                          Der fliegende Holländer John Lundgren (Der Holländer), Marina Prudenskaya (Mary),
                                              Georg Zeppenfeld (Daland), Asmik Grigorian (Senta)

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Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg    Die Meistersinger von Nürnberg
Markus Eiche (Wolfram von Eschenbach),         Camilla Nylund (Eva), Klaus Florian Vogt (Walther von Stolzing)
Lise Davidsen (Elisabeth)

Ich wünsche mir sehr, in Zukunft selbst im     Sänger zu hören. Und beim Applaus war
Bayreuther Festspielhaus zu singen             ich nochmals überrascht, weil der Wider-
Zuerst danke ich dem Richard-Wagner-           hall im Festspielhaus so laut war, obwohl
Verband ganz herzlich, der sich für mich       der Saal wegen der Hygieneregeln nur halb
als Stipendiat für die Bayreuther Fest-        besetzt war. Die letzte Oper, »Die Meister-
spiele 2021 entschieden hat. Mein erster       singer von Nürnberg«, dauerte über sechs
Besuch in Bayreuth fand im Winter 2011         Stunden mit Pausen, aber ich verlor die
statt. Damals nahm ich in den Winterferien     ganze Zeit über meine Konzentration
in Berlin an einem Deutschkurs teil, und       nicht. Ich wünsche mir sehr, in Zukunft
bevor ich nach Korea zurückflog, reiste        selbst im Bayreuther Festspielhaus zu
ich nach Bayreuth und nahm an einer            singen.
Führung durch das Festspielhaus teil. Dort                                                         Gedankenaustausch in der »Eule« über die
                                                                                                   Inszenierungen
erfuhr ich vom Stipendiatenprogramm            Durch zahlreiche Unterstützer der Stipen-           Shinhyung Kim, Eleonore Petzoldt
für die Bayreuther Festspiele, und seit        dienstiftung hatten alle Stipendiaten sehr
diesem Moment habe ich immer davon             gute Übernachtungsmöglichkeiten in
geträumt, nach Bayreuth als Stipendiat         Bayreuth und durften bedeutende Orte,
zurückkommen zu dürfen. Und 2021, nach         wie Wahnfried, das Richard Wagner Muse-
zehn Jahren, wurde ich glücklicherweise        um, die Klaviermanufaktur Steingraeber &
als Stipendiat zu den Bayreuther Festspie-     Söhne oder die Eremitage, besuchen. Auch
len eingeladen. Schon beim Anfang der          dort konnte ich zahlreiche Erfahrungen,
»Tannhäuser«-Ouvertüre, meiner ersten          Kenntnisse und neue Inspirationen als
Oper als Stipendiat, war ich voll begeistert   Sänger sammeln. Herzlichsten Dank dafür
von der besonderen Akustik des Festspiel-      der Richard Wagner Stipendienstiftung
hauses, und sehr überrascht, unglaubliche      und Stephanie Anna Kollmer. sk

    Wettbewerb zum
    Richard-Wagner-Nachwuchspreis 2022

    Für das nächste Jahr werden wir in Kooperation
    mit der Oper Leipzig die Stipendien über einen
    Wettbewerb vergeben. Die Ausschreibung erfolgt
    europaweit, und am 13./14. Januar 2022 wird
    der Wettbewerb unter der Leitung von
    Jasmin Solfaghari in Leipzig stattfinden.

    Informationen unter:                                                                           Beim Betrachten der Pausenveranstaltung
                                                                                                   Torsten Reh, Sofia Revueltas Minguet,
    www.wagner-verband-leipzig.de/ueber-unseren-verband/stipendiaten/                              Eleonore Petzoldt, Shinhyung Kim,
                                                                                                   Klaus-Michael Weinmann

Richard ist Leipziger ...                      Journal 3/2021
Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Eine Elisabeth zum Niederknien
Im Gespräch mit der Sopranistin Lise Davidsen

War es schon immer Ihr Wunsch,                                                                Das Festspielhaus ist ein Haus voller Leiden-
Wagner zu singen?                                                                             schaft.
Ich habe mich als Kind nie für die Oper
interessiert. Wagner habe ich durch meinen                                                    Wie sehen Sie die Rolle der Sieglinde in
Lehrer kennengelernt, als ich mein Master-                                                    der »Walküre«? Wie würden Sie diese
studium in Gesang begonnen habe. Aber,                                                        Partie charakterisieren? Was ist sie für ein
wenn ich auch etwas spät zu Wagner gekom-                                                     Mensch? Was unterscheidet sie von der
men bin, bin ich doch sehr dankbar, dass ich                                                  Elisabeth in »Tannhäuser«?
ihn gefunden habe.                                                                            Das hängt von der Produktion ab! Für mich
                                                                                              ist klar ersichtlich, dass Sieglinde einen
Haben Sie eine Lieblingsoper von                                                              Verlust erlitten hat und heiraten musste.
Richard Wagner?                                                                               Trotzdem ist sie sehr stark und geht ein gro-
Es ist so schwer, sich zwischen so vielen                                                     ßes Risiko ein. Ich denke, ihr Status und ihre
großartigen Wagner-Opern zu entscheiden.                                                      Vergangenheit unterscheiden sie am meisten
Vielleicht »Tannhäuser«, weil ich sie so gut                                                  von Elisabeth. Das einzige gemeinsame ist,
kenne, und »Tristan und Isolde«, weil es                                                      dass sie beide ein gebrochenes Herz haben.
einfach eine wundervolle Geschichte und
Oper ist.                                                                                     Welche Wagner-Partien wollen Sie sich in
                                                                                              den nächsten Jahren noch erobern?
Sie sollten bereits 2020 die Elisabeth in                                                     Ich hoffe Elisabeth und Sieglinde weiter
»Tannhäuser« und die Sieglinde in der                                                         singen zu können und habe gerade mit den
»Walküre« bei den Bayreuther Festspielen       Gebrochenes Herz Lise Davidsen als Elisabeth   Proben in New York für meine erste Eva in
singen. Wie wurden Sie 2021 bei Ihrem          in »Tannhäuser«                                den »Meistersingern« begonnen.
Debüt dort aufgenommen? War es ein
besonderes Erlebnis?                           da ich in Bayreuth sein konnte, meine          Vielen Dank für das Gespräch und Ihnen
2021 war aufgrund der pandemiebedingten        Kollegen getroffen habe und ein Live-          alles Gute und viel Erfolg.
Absage von 2020 ein ganz besonderes Jahr,      Publikum da war, das war absolut schön.        Das Gespräch führte Claudia Behn.

Richard Wagner kündigt seine Bayreuther Festspiele an

G    enau 150 Jahre ist es her, seit Richard
     Wagner am 12. Mai 1871 von Leipzig
aus seine ersten Bayreuther Festspiele
                                             de mal ein Vierteljahr alte Deutsche Reich      Sommer mir ein durchaus ungeeignetes
                                             machten Cosima und Richard, noch ziemlich Publikum zuführen würden …« Das wegen
                                             frisch verheiratet und Eltern des ersehnten     der Tiefe der Bühne zuerst in Erwägung ge-
mit der Gesamtaufführung des »Ring           Stammhalters, Station im fränkischen Bay-       zogene Markgräfliche Opernhaus des Städt-
des Nibelungen« ankündigte. Schon zwei       reuth. Die Lage des Provinzstädtchens gefiel chens erwies sich letztlich als ungeeignet
Jahre später, im Sommer 1873, sollten die    Wagner, hatte er doch genau das im Sinn:        für seine Pläne. Doch es fand sich auf einer
ersten Festspiele stattfinden, ein kühnes,   «Der Ort sollte keine Hauptstadt mit stehen- grünen Wiese vor der Stadt das Grundstück
ein geniales Vorhaben, mit dem Wagner        dem Theater, auch keiner der frequentiertest für den Bau der »Bretterbude«, wie Wagner
nichts weniger wollte, als die Welt der Oper großen Badeörter sein, welche gerade im         selbst sein künftiges Festspielhaus nannte.
zu revolutionieren. Noch aber war                                                                  Die Stadt stellte es kostenlos zur Verfü-
sein Jahrhundertwerk, der »Ring«,                                                                  gung, und auch das Grundstück für die
nicht vollendet, gerade hatte er mit                                                               Villa Wahnfried, das Wohnhaus der
der Arbeit am zweiten Aufzug der                                                                   Familie Wagner, war bezahlbar.
»Götterdämmerung« begonnen.                                                                        ayerns König Ludwig II., zuerst wenig
Das Haus, in dem er die Idee seines                                                                amüsiert über die Wahl des Festspiel-
Gesamtkunstwerks verwirklichen                                                                     ortes, gab schließlich seine Zustim-
wollte, gab es vorerst nur in seiner                                                               mung. Am 22. April 1872 wurde in
und Gottfried Sempers Vorstellung,                                                                 Bayreuth feierlich der Grundstein für
und auch, woher das Geld für die                                                                   das Festspielhaus gelegt. Im Sommer
Realisierung seiner hochfliegenden                                                                 1876 endlich, nach vielen Höhen und
Pläne kommen sollte … Aber der                                                                     Tiefen, gingen die ersten Bayreuther
Ort war endlich gefunden. Auf ihrer Wagners »Bretterbude« Holzstich des Festspielhauses in der     Festspiele über die Bühne des Hauses
ersten Reise von Tribschen ins gera- »Gartenlaube«                                                auf dem Grünen Hügel. wk

                                               Seiten 4 / 5
Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
FÜR OPERNEINSTEIGER

Musik Wolfgang Amadeus Mozart
Idee, Text, Regie Jasmin Solfaghari                                         EINFÜHRUNGSVERANSTALTUNG
Musikalische Leitung Roland Fister                                          SA   19.03.22 11.00
                                                                            EINTRITT FREI
mit Erzähler Luna
und Opernensemble
                                                                            SCHÜLERVORSTELLUNG
Neues Orchester Basel

Mit Richard-Wagner-
                                                                            FR   25.03.22 11.00
Nachwuchspreisträger                                                        REGULÄRER EINTRITT MÖGLICH
Ilya Silchuck als Figaro!!!
                                                                            PREMIERE
                                                                            FR 25.03.22 20.00
                                                                            SA 26.03.22 20.00

                                                                            SO 27.03.22 16.30
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 oder telefonisch unter: 0900 325 325                QR-Code scannen oder         Tel. +41 61 706 44 44, Fax+ 41 61 706 44 46
 (CHF 1.19/Min. ab Festnetz)                         www.pamy.ch/figaro           tickets@goetheanum.ch
Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Zur Wagner-Tradition im Vorharz

A     ller guten Dinge sind drei: Nachdem der
      Vortrag von Musikdirektor Johannes
Rieger wegen Corona zweimal (!) ausfallen
                                                                                             manche berühmten Sänger. Diese durften
                                                                                             nach erfolgreicher Genesung gleich noch
                                                                                             im Theater Halberstadt auftreten. Unter
musste, gelang der dritte Versuch umso                                                       Einsatz privater Geldmittel organisierte der
besser. Im Oberlichtsaal der Stadtbibliothek                                                 Arzt zwischen 1906 und 1910 erfolgreiche
trafen sich am 15. September 2021 wieder                                                     Darbietungen des »Tristan«, der »Götter-
interessierte Wagner-Freunde. Rieger, seit                                                   dämmerung« und »Meistersinger«; mit
2009 Intendant der Nordharzer Städtebund-                                                    grandioser Besetzung. Kehr ging zwar –
Theater, sprach durchweg souverän frei; er                                                   enttäuscht über ausbleibende städtische
vermochte die Besucher auch ohne Bilder                                                      Hilfen – nach Berlin, doch Wagner wurde
in seinen Bann zu ziehen. So erfuhren die                                                    ungebrochen im Vorharz dargeboten: vom
staunenden Gäste, dass bereits 1887 in Hal-                                                  kompletten »Ring« 1926 über gute DDR-
berstadt Teile aus dem »Ring« präsentiert                                                    Inszenierungen bis zum ersten Nachkriegs-
wurden. Eine gute Militärkapelle bildete die                                                 »Lohengrin« 2011 unter Leitung des Refe-
musikalische Basis. Die weitere Geschichte                                                   renten. Es bleibt anzumerken, dass 1949 in
der Wagner-Pflege ist so kurios wie einzigar-                                                Halberstadt einer der ersten Theater-Neu-
tig. Der international wegen seiner Gallen-                                                  bauten der DDR, gebaut aus Trümmern, er-
Operationen gefragte Arzt Prof. Hans Kehr,      Souverän frei gesprochen Musikdirektor und   richtet wurde. Nicht nur aus diesem Grunde
glühender Wagnerianer, behandelte auch          Intendant Johannes Rieger                    lohnt unbedingt ein Besuch. bh

Richard Wagners Lieblingsschwester Rosalie –
eine gefeierte Schauspielerin

E    ine Gelegenheit, die Grieg-Begeg-
     nungsstätte Leipzig in der Talstra-
ße 10 auch einmal kennenzulernen,
                                                                                               In ihrem gut einstündigen Vortrag in
                                                                                               Form einer Vorlesung, begleitet von
                                                                                               22 Bildern, ließ Ursula Oehme die ganze
bot sich am 20. Oktober 2021 – jeden-                                                          Familiengeschichte der Wagners Revue
falls für die meisten der 42 Gekomme-                                                          passieren. Im Mittelpunkt ihres Vor-
nen, die etwas mehr wissen wollten                                                             trags stand aber stets Richard Wagners
zum eigentlichen Thema an diesem                                                               zehn Jahre ältere Schwester Johanna
Abend, über Rosalie, Richard Wagners                                                           Rosalia, genannt Rosalie (1803–1837),
Lieblingsschwester.                                                                            die »Haupternährerin der Familie«
                                                                                               (so Oehme), die ihren Bruder liebevoll
Zunächst aber richtete unser Ver-                                                              in seinem künstlerischen Bemühen
bandsvorsitzender Prof. Dr. Helmut                                                             unterstützte. Rosalie war trotz ihres
Loos einige Grußworte an die das                                                               kurzen Lebens von vierunddreißigein-
Thema des Abends bestreitende Ursula                                                           halb Jahren eine sehr erfolgreiche,
Oehme und die Versammelten. Loos                                                               vielseitige und gefeierte Schauspielerin.
nutzte auch die Gelegenheit, um sich                                                           Der sorgfältig gegliederte, faktenreiche
als Präsident der Grieg-Begegnungs-                                                            Vortrag, das Ergebnis einer akribischen,
stätte Leipzig e.V. vorzustellen, ein                                                          langjährig-beharrlichen Recherche, fand
Ehrenamt, das er gleichzeitig mit dem                                                          viel Beifall. Was da an gesicherten Fak-
Vorsitz des Richard-Wagner-Verbandes                                                           ten geboten wurde, kann man sich gar
ausübt. Das Ambiente des Musiksalons                                                           nicht alles merken. Alles ist noch einmal
mit seiner längsgestreiften Tapete und                                                         nachlesbar in Band 5 der Schriftenreihe
einem an der Wand befindlichen Ori-                                                            unseres Verbandes »Leipziger Beiträge
ginalporträt, das Edward Grieg zeigt,                                                          zur Wagner-Forschung« von Ursula
gemalt 1890 von Eilif Petersen, ist so                                                         Oehme mit dem Titel »Die Ruhestätten
recht der Ort, um sich in damalige Zei-                                                        der Familie Wagner auf dem Alten Jo-
ten zu versetzen, passend zum Thema                                                            hannisfriedhof zu Leipzig«, erschienen
des Abends.                             Faktenreicher Vortrag Ursula Oehme                     2016 – sehr empfehlenswert! pu

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Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Richard Wagner und der »Vampyr«

D     ass Wagners »romanti-
      sche Opern« mit typischen
Halloween-Gestalten wie Vam-
                                                                                                      Auch der Komponist Heinrich
                                                                                                      August Marschner fiel der Erinne-
                                                                                                      rungspolitik Wagners zum Opfer.
piren zu tun haben, ist sicherlich                                                                    In der Musikgeschichtsschreibung
nicht jedem interessierten Hörer                                                                      wird Marschner häufig als eine
klar. Und dass das Ausnahmegenie                                                                      Art Übergangsstadium zwischen
Wagner, das sich später auf dem                                                                       Weber und Wagner verstanden und
Grünen Hügel in Bayreuth ein                                                                          darauf reduziert. Fuhrmann zeigte,
eigenes Opernhaus bauen ließ,                                                                         dass der Einfluss von Marschners
doch abhängiger von seiner Zeit                                                                       »Vampyr« und »Hans Heiling«
als gedacht war, konnte man am                                                                        auf den »romantischen« Wagner
6. Oktober 2021 von Wolfgang                                                                          nicht nur im Hinblick auf einzel-
Fuhrmann in der Alten Nikolai-                                                                        ne Anregungen, sondern auch
schule erfahren. Dazu präsen-                                                                         gesamtdramaturgisch nachweisbar
tierten Madeline Cain (Sopran),                                                                       ist. Beide sind dennoch in ihren
Hernán Vuga (Bariton) und Anil        Besonders anschauliche Veranstaltung Anil Büyükikiz,            musikdramatischen Konzeptionen
Büyükikiz (Klavier) Klangbeispie-     Madeline Cain, Wolfgang Fuhrmann, Hernán Vuga                   eigenständig. Fuhrmann illustrier-
le – dadurch wurde es zu einer                                                                        te, wie sich die Idee des zerrissenen
besonders unterhaltsamen und                    zeit- und kulturunabhängiges, allein der      Antihelden bereits vor Richard Wagner in
anschaulichen Veranstaltung.                    eigenen Intuition folgendes Genie, das        der deutschen Oper verbreitet hatte und
                                                der Voraussetzungslosigkeit unterliegen       in wie vielfältiger Weise er sich davon hat
Das kulturelle Leben in Leipzig allgemein       würde. Er distanzierte sich vom Begriff der   inspirieren lassen. Durchaus kein Nachteil:
hinterließ einen starken Eindruck bei           »romantischen Oper«, nur, um auf keinen       Wagners musikdramatische Kraft, die sich
Wagner. Das versuchte er aber bewusst           Fall mit seinen Zeitgenossen in Verbindung    über die Heldengeschichten des Fliegenden
zu verschleiern, wie Wolfgang Fuhrmann          gebracht zu werden, denen er aber doch        Holländers oder des Tannhäuser ein-
darlegte. Dafür inszenierte er sich als         eigentlich viel verdankte.                    drucksvoll entfaltet, ist einzigartig. ak

                                                                                              revolutionären Ideen Umgang hat, sieht

»Lohengrin« – ein Werk auf dem Höhe- und                                                      er sich als Dresdner Hofkapellmeister
                                                                                              kirchlichen Traditionen verpflichtet. In

Wendepunkt von Wagners Entwicklung                                                            der Katholischen Hofkirche bringt er mit
                                                                                              Hingabe Meisterwerke der italienischen
                                                                                              Kirchenmusik (a cappella) zur Aufführung.
                                                                                              Doch schon um diese Zeit vollzieht sich

A    uf diese Zusammenfassung lief der
     Vortrag von Prof. Dr. Werner Loos
hinaus, den er unter dem Titel »Richard
                                                                                              mit den ersten Entwürfen zum »Ring des
                                                                                              Nibelungen« ein innerlicher Wandel vom
                                                                                              christlichen zum germanischen Mythen-
Wagners Lohengrin und sein religions-                                                         kreis. Liszt, »überzeugter tief gläubiger
soziologisches Umfeld« am 10. November                                                        Christ franziskanischer Prägung« (H.
2021 in der Grieg-Begegnungsstätte Leipzig                                                    Loos), der den »Lohengrin« auf Wagners
hielt. Er hatte es sich zur Aufgabe gestellt,                                                 Ansinnen hin 1850 in Weimar zur Urauf-
verschiedene Thesen, die die Musik zur                                                        führung bringt, ist noch ganz beseelt von
Kunstreligion der Moderne stilisierten –                                                      »unaussprechlicher himmlischer Glück-
darunter die Wagners – zu entmythologi-                                                       seligkeit«, die das Werk spende, während
sieren: durch Fakten.                                                                         Wagner mit dem »Ring« bereits neuen
                                                                                              Ufern entgegenstrebt. Der Zeitgeist hatte
Zu Beginn erklangen in Einspielungen die                                                      sich gewandelt, und Wagner folgt ihm.
sieben Grundmotive der Oper, vom Referen-                                                     Aber noch einen anderen Wendepunkt
ten vital kommentiert. Quasi im Zentrum                                                       neben dem vom Christentum zum Athe-
des Tonartenzyklus steht in strahlendem                                                       ismus markiert der »Lohengrin«: einen
C-Dur die Königs-Fanfare als Symbol der         Thesen durch Fakten entmythologisiert         musikalischen. Mit seiner Tonsprache auf
                                                Prof. Dr. Helmut Loos
Dreieinigkeit Gottes. Nicht von ungefähr:                                                     musikalisch-rhetorischer Tradition folgt
Wagner ist, als er 1845 in Marienbad den        auf, die von einem »Evangelium der Liebe«     Wagner im »Lohengrin« noch dem Prinzip
»Lohengrin« entwirft, vom Christentum           geprägt ist, wie es der Komponist später      der Erinnerungsmotivik in einer stark
ergriffen. In Leipzig und Dresden wächst er     gegenüber Ludwig II. formulieren wird.        ausgeweiteten Form, die er im »Ring« zur
in einer vielfältigen religiösen Gesellschaft   Gleichwohl er, auch in Riga und Paris, mit    Leitmotivtechnik weiterentwickeln wird. rs

Richard ist Leipziger ...                       Journal 3/2021
Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Beckmesser (Ralf Lukas leiht dem indispo-

»Ein Meistersinger muss er sein« –
                                                                                                 nierten Mathias Hausmann seine Stimme)
                                                                                                 rechnet sich Chancen aus, was Eva fürchtet,

gelungene Premiere an der Oper Leipzig                                                           aber zum Glück tritt ein Herzensbrecher
                                                                                                 namens Walther Stolzing (Magnus Vigili-
                                                                                                 us) mit weißen Jeans und roten Sneakern
                                                                                                 auf den Plan, in den sie sich Knall und Fall

B    ernd Weikl hätte hochzufrieden sein        (Kathrin Göring) trotzdem freut, wenn sie
     können mit David Pountneys Neuinsze- nur ihren David (Matthias Stier) kriegt. Eva
nierung der »Meistersinger von Nürnberg«
                                                                                                 verliebt. Dem jungen Heißsporn scheinen
                                                                                                 die Felle davonzuschwimmen, als er »ver-
                                                (Elisabet Strid) wiederum, des reichen Meis- singt«, weil er die Regeln der Meistersinger
vom 23. Oktober 2021 an der Leipziger Oper, ters und Meistersingers Pogner (Sebastian            nicht beherrscht. In letzter Minute nimmt
wäre er unter den Premierengästen gewesen. Pilgrim) Tochter, ein schönes junges Mäd-             sich Schuhmacher und Poet Hans Sachs
Denn der weltberühmte Wagner-Sänger             chen mit Pferdeschwanz und Leggings, wird        (James Rutherford) seiner an. Es ist der
wünschte sich aus eigener Erfahrung, dass       zur Trophäe ausgelobt, um dem Sieger im          altersweise Richard Wagner höchstselbst
die »Meistersinger« im dritten Aufzug ohne      Meistergesang – »ein Meistersinger muss er in Sachsens Gestalt, der Stolzing wieder
die obligatorischen Insignien des nationalso- sein« – die Hand zum Ehebund zu reichen.           aufbaut und auf Eva verzichtet, so wie er im
zialistischen Regimes und ohne Nazis auf die Der bereits durch sein Äußeres zum Außen-           wirklichen Leben auf Mathilde Wesendonck
Bühne kämen. Darauf verzichtete Pountney, seiter gestempelte Stadtschreiber Sixtus               verzichtete, die er wie Eva zu einer gebil-
galt es doch hier der Kunst in                                                                                   deten jungen Frau, »edel,
bester Wagnerscher Manier, wo-                                                                                   frei und kühn« im Denken,
bei sich der Komponist selbst als                                                                                »erblühen« ließ. So ist es
Meister der Klangkunst präsen-                                                                                   nur folgerichtig, dass Eva am
tiert. Eine Idylle zeigt Pountney                                                                                Ende enttäuscht Stolzing und
im Miniatur-Nürnberg trotzdem                                                                                    die selbstzufrieden Feiernden
nicht, denn es handelt sich um                                                                                   verlässt, nachdem Meister-
eine reine Männergesellschaft,                                                                                   singer Stolzing, der zunächst
in der die Meister, allesamt gut                                                                                 die Meisterwürde abgelehnt
betuchte Bürger, dem Meister-                                                                                    hat, sich schließlich doch
gesang nach ihren traditionellen                                                                                 von Sachs die Meisterkette
Regeln frönen. Frauen können                                                                                     umhängen lässt und damit
höchstens durch Heirat Frau                                                                                      in die Gilde aufgenommen
Meisterin werden, worauf sich     In die Gilde der Meister aufgenommen Hans Sachs (James Rutherford) hängt       wird. So bleibt alles beim
Evas Amme Magdalene               dem von Eva verlassenen Stolzing (Magnus Vigilius) die Meisterkette um         Alten. uo

Messerscharf und ekstatisch: »Tristan und Isolde« in Chemnitz

E    s gibt schmerzhafte Musiktheater-
     Abende. Zu diesen gehört die faszi-
nierende Chemnitzer Neuproduktion von
                                                                                                        einen souveränen Tristan mit Facetten ei-
                                                                                                        nes Mannes, der in den Reifejahren noch
                                                                                                        immer Militär sein will und am Ende der
»Tristan und Isolde«, welche die glatte                                                                 Liebesnacht den Doppelselbstmord vor-
Inszenierung des alterszahmen John Dew                                                                  bereitet. Stéphanie Müthers Isolde ist eine
ablöst. Elisabeth Stöppler kann man weder                                                               sensationelle hochdramatische Gefühls-
eine flache Werkanalyse noch Respektlo-                                                                 rebellin, die neben schönen Worten die
sigkeit vorwerfen. Ihre Chemnitzer »Göt-                                                                körperliche Vereinigung braucht. Wenn
terdämmerung« wurde mit dem Theater-                                                                    Marke – jung und das schwere Bassfach
preis Der Faust gewürdigt. Geistesscharfe                                                               toll bewältigend: Alexander Kiechle –
Genauigkeit zeichnet auch ihren »Tristan«                                                               Tristan mit verzweifelter Inbrunst küsst,
aus – mit unliebsamen Erkenntnissen.                                                                    setzt Stöppler das genau in Markes Mono-
Man erinnere sich. Nur weil der Baum so                                                                 log, wo Wagners Tonsatz ohne Bezug zur
schön war, sah man Jean-Pierre Ponnelle                                                                 Musik der Liebenden dahindüstert und
in Bayreuth jahrelang eine grobe Ent-           Doppelselbstmord vorbereitet                            Marke explizit beklagt, dass er nur für sei-
                                                Daniel Kirch (Tristan), Stéphanie Müther (Isolde)
stellung nach: Er machte Isoldes »echten«                                                               nen Favoriten Tristan um Isolde geworben
Liebestod zu einem Traum Tristans. Mehr                                                                 habe. Da bringt die verifizierbare Analyse
Zweifel an Wagner geht nicht. So verlogen       Musikalisch eine Sternstunde: »Tristan und          wie in der Weimarer »Aida«-Inszenierung
sind weder Annika Hallers Bühnenbilder          Isolde« klang unter Guillermo García Calvo          von Andrea Moses einen anderen Sinn zutage
(ein U-Boot, ein Salon, ein Jungenzimmer        mit sensibler Dramatik, großer melodischer          als vom Komponisten beabsichtigt. Hörbare
mit Rambo-Postern) noch Gesine Völlms           Kraft und transparenter Ausdrucksdichte –           Tatsache: Mit jedem Akkord ist der Chemnit-
ganze Romankapitel erzählende Gegen-            die Robert-Schumann-Philharmonie hatte              zer »Tristan« ein Rausch auf der Höhe von
wartskostüme.                                   einen großen Abend. Daniel Kirch singt              Wagners ethischer Radikalität. rhd

                                                Seiten 8 / 9
Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Richard Wagner

                                                Tristan und
                                                      Isolde
                                                             Musikalische Leitung
                                                           Guillermo García Calvo
                                                  Inszenierung Elisabeth Stöppler
                                                             Bühne Annika Haller
                                                            Kostüme Gesine Völlm

                                                                          27.02.2022
                                                                          01.05.2022
                                                                          18.06.2022

                                                                   Tristan Daniel Kirch
                                                       König Marke Alexander Kiechle /
                                                                         David Steffens
                                                              Isolde Stéphanie Müther
                                                              Kurwenal Oddur Jonsson
                                                                Melot Till von Orlowsky
Richard Wagner                                                Brangäne Sophia Maeno

Lohengrin
Musikalische Leitung Guillermo García Calvo /
Diego Martin-Etxebarria
Inszenierung Joan Anton Rechi
Bühne Sebastian Ellrich
Kostüme Mercè Paloma

26.02.2022
05.03.2022
26.03.2022
10.04.2022
15.05.2022

Heinrich der Vogler
Alexander Kiechle / David Steffens
Lohengrin Benjamin Bruns / Cosmin Ifrim
Elsa von Brabant Cornelia Ptassek
Friedrich von Telramund Jukka Rasilainen
Ortrud Andrea Baker / Stéphanie Müther
Journal des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig
Bonner Beethoven-Wagner-Tage vom 15. bis 19. September 2021

E    s war ein fulminanter Beitrag, den der
     Richard-Wagner-Verband Bonn in
der Verlängerung des Beethoven-Jubilä-
                                                                                                  Beethovens Musik – eine politische
                                                                                                  Deutung«, in dem er die überraschend viel-
                                                                                                  fältige Präsenz von politisch konnotierten
umsjahres lieferte. Das große Beethoven-                                                          musikalischen Werken bei Beethoven the-
Festjahr war bekanntermaßen schon 2020,                                                           matisierte. Am Nachmittag ging es weiter
Anlass dazu der 250. Geburtstag von Bonns                                                         mit zwei religionssoziologisch inspirierten
berühmtestem Sohn. Aber Corona-bedingt                                                            Vorträgen zu Wagner. Prof. Dr. Helmut
musste damals (fast) alles ausfallen. So auch                                                     Loos, Vorsitzender des Leipziger Verban-
der Internationale Richard-Wagner-Kon-                                                            des, sprach zum Thema »Richard Wagners
gress, zu dem der Richard-Wagner-Verband                                                          Lohengrin und sein religionssoziologisches
Bonn für 2020 eingeladen hatte. Aber so                                                           Umfeld«, in dem er immer wieder die
ganz wollten die Bonner doch nicht auf das                                                        Verhaftung Wagners in der musikalischen
Kongressprogramm verzichten und haben                                                             Tradition herausarbeitete. Im Anschluss
nun 2021 das Beste davon in einer etwas         Eine Pilgerfahrt zu Beethoven                     war der Bonner Theologe Prof. Dr. Michael
                                                Stipendiat Konstantin Zvyagin (Klavier),
gekürzten Version auf die Bühne gebracht.       Dr. Benedikt Holtbernd (Rezitation)
                                                                                                  Meyer-Blanck mit seinem Vortrag »Kunst-
                                                                                                  religion und religiöse Politik. Parsifal als
Den Auftakt zu den Beethoven-Wagner-            dem Titel »Von Beethoven über Wagner zu           Führergestalt« zu hören. Er ging u. a. auf
Tagen gab passenderweise Wagners amüsan-        Thomas Mann – Zur Resonanzgeschichte              die problematische Rezeptionsgeschich-
te Novelle »Eine Pilgerfahrt zu Beethoven«      eines Klassikers jenseits der Klassizität«.       te Wagners unter dem Vorzeichen des
mit musikalischer Begleitung. Tags darauf       Mit Bezug auf ein breites Quellenmaterial         Nationalsozialismus ein und verteidigte am
traf man sich im benachbarten Siegburg,         stellte er die herkömmliche Zuordnung             Ende die Errungenschaft einer Trennung
dem Geburtsort Engelbert Humperdincks.          Beethovens zur »Wiener Klassik« in Frage          von Kunst und Religion. Zum Gelingen des
Beim »Opernabend zu vier Händen im              und eröffnete alternativ die Perspektive auf      Symposiums trugen nicht zuletzt ehema-
Hause Wagner« waren u. a. Transkriptionen       die Romantik. Begleitet wurde Borchmeyer          lige und zukünftige Stipendiaten bei, die
zu »Parsifal« und »Die Walküre« von ihm         von dem jungen Pianisten und Philosophen          dem Bonner Verband verbunden sind. Der
zu hören.                                       Amadeus Wiesensee, gerade zum ersten              kleine Park des Woelfl-Hauses Bonn und
                                                Artist in Residence des Beethoven-Hauses          ein delikates Imbissangebot boten schließ-
Den Schwerpunkt bildete dann das Sym-           Bonn berufen. Musikalisch und sprachlich          lich den einladenden Rahmen für ergie-
posium am 17. und 18. September 2021.           bot er spannende Analysen zu Klaviersona-         bige Pausengespräche im kleinen Kreis.
Zum Thema »Beethoven, Wagner und die            ten von Beethoven, Wagner und Schumann.           Zum Abschluss gab es am letzten Tag eine
politischen Bewegungen ihrer Zeit« wurden                                                         literarisch-musikalische Matinee, in dem
hochkarätig besetzte Vorträge und ein um-       Den folgenden Tag eröffnete Prof. Dr.             das gerade erschienene Buch »Kunst wird
fangreiches musikalisches Begleitprogramm       Christine Siegert, Leiterin des Beethoven-        Macht – Gabriele D’Annunzio und Richard
geboten. Der Bonner Verband mit seinem          Archivs Bonn, mit dem Vortrag »Beetho-            Wagner” vorgestellt wurde. Politische Bezü-
Vorsitzenden Andreas Loesch hatte dazu ins      vens internationale Erfahrungen in Bonn«,         ge waren auch hier reichlich gegeben.
Woelfl-Haus Bonn eingeladen. Teilnahme          in dem sie die Einflüsse des damaligen
war als Präsenz und über Stream möglich.        liberalen Bonner Klimas auf Beethoven und         Wer noch einmal Einzelheiten des
                                                seine Musik darlegte. Es folgte der Vortrag       Programms nachlesen möchte, findet diese
Den Einleitungsvortrag am Vorabend hielt        von Dr. Frank Piontek aus Bayreuth                unter https://rwv-bonn.de/bonner-
Prof. Dr. Dr. h. c. Dieter Borchmeyer unter     »Prometheus und die anderen Sinfonien.            beethoven-wagner-tage-2021. ir/jp

Begrüßung zum Opernabend im Stadtmuseum Siegburg                          Pausengespräche im kleinen Kreis
Andreas Loesch, Vorsitzender des Richard-Wagner-Verbandes Bonn            Geistiges und Kulinarisches

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Kiew und Leipzig musikhistorisch

I  n seinem Bemühen, Richard Wagner
   in den Kreis der Musikergrößen seiner
Geburtsstadt Leipzig gebührend einzureihen,
                                                 Liubov Lysenko (Kiew) beleuchtete poeti-
                                                 sche Aspekte in Lysenkos Werken. Helmut
                                                 Loos warf dann einen breiteren Blick auf
übernimmt der Richard-Wagner-Verband             Lysenkos Beziehung zu Leipzig, und Maksim
Leipzig gerne auch Vermittlungsfunktionen.       Zabara (Kiew) berichtete ausführlich über die
Zum 60-jährigen Städtejubiläum Kiew –            Freundschaft des Komponisten mit seinem
Leipzig galt es, auch die musikalischen Bezie-   Landsmann Hryhory Khodorovsky-Moroz.
hungen zu würdigen. Es war kein Zufall, dass     Die wichtige Stellung Wagners in den überge-
der ukrainische Nationalkomponist Mykola         ordneten Fragen der Konferenz wurde
Lysenko in Leipzig studiert hat. Das von         von Elena Zinkevych (Kiew) in ihrer Untersu-
Felix Mendelssohn Bartholdy 1843 gegrün-         chung der Wagner-Rezeption in Kiew
dete Konservatorium galt insbesondere            am Ende des 19. Jahrhunderts bestätigt.
im nördlichen und östlichen Europa als           Zinkevych suchte nach Antworten auf die
musterhafte Ausbildungsstätte bürgerlicher       Frage, warum Wagners Werke erst über
Musikkultur. Angehende Nationalkompo-            20 Jahre nach der Gründung der Kiewer
nisten suchten in Leipzig ihre Ausbildung        Oper im Jahr 1867 in deren Repertoire
                                                                                                 In der Grieg-Begegnungsstätte
zu vervollkommnen, Edvard Grieg galt als         aufgenommen wurden, und zeigte auf,             Helmut Loos, Liubov und Mykola Lysenko
leuchtendes Vorbild. So kam auch Mykola          dass Wagner in Kiew dank umfangreicher
Lysenko aus Kiew 1867 nach Leipzig und           publizistischer Rezeption für das Publi-        Gladbach), Natalia Syrotynska (Lemberg),
dokumentierte damit die Zusammenge-              kum dennoch eine vertraute Figur war. Die       Valentina Sandu-Dediu (Bukarest), Galina
hörigkeit europäischer Musikkultur trotz         Wagner-Rezeption und -Pflege ist bis heute      Tsmyg (Minsk), Luba Kijanowska (Lem-
aller nationalen Bestrebungen. Mit dieser        ein wichtiges Bindeglied zwischen Leipzig       berg), Michael Heinemann (Dresden), Lydia
Thematik beschäftigte sich die Konferenz         und Kiew. Bezeichnend dafür sind die guten      Melnyk (Lemberg), Hartmut Krones (Wien),
»Musik in der Ukraine zwischen Ost- und          Kontakte zwischen dem Kiewer und dem            Vladimir Gourevich (Sankt Petersburg),
Westeuropa« am 11. und 12. Oktober 2021          Leipziger Richard-Wagner-Verband. Ersterer      Lucinde Brauns (Regensburg), Dorothea
in demonstrativer Kooperation von Richard-       war auf der Konferenz durch seine Vorsitzen-    Redepenning (Heidelberg), Aleksandra
Wagner-Verband Leipzig, Institut für             de Prof. Dr. Marina Tscherkaschina-             Samoylenko (Odessa), Olena Kononova
Musikwissenschaft der Universität Leipzig        Hubarenko vertreten, die über den ukrai-        (Charkiw), Miroslaw Dymon, Teresa Mazepa
und Grieg-Begegnungsstätte Leipzig.              nischen Komponisten Vitaly Hubarenko            (Rzeszow), Olena Dyachkova (Kiew), Sergiy
                                                 (1934–2000) referierte.                         Volkov (Kiew), Olena Berehova (Kiew) und
Lysenko bildete den Ausgangspunkt für die                                                        Christoph Flamm (Heidelberg). So brachte
Konferenz, die mit Vorträgen von zwei seiner     Kulturtransfer mit Bezug auf die Ukraine        die Tagung ein breites Spektrum von Musik-
Nachfahren begann: Leipzig als Beginn            war ein zentrales Thema, das in nahezu allen    wissenschaftlern zusammen und beleuchtete
von Lysenkos Dirigentenlaufbahn stand im         Beiträgen seinen Platz fand. Geographisch       erfolgreich den wichtigen Platz des Landes
Mittelpunkt eines Vortrags des Urenkels und      wie historisch wurde es von vielen Seiten aus   in Geschichte und Gegenwart der europäi-
Namensvetters Mykola Lysenko (Kiew), und         angegangen von Klaus-Peter Koch (Bergisch       schen Musikkultur. sr

Vor dem Wohnhaus Mykola Lysenkos (1842–1912), Nürnberger Straße 16          Im persönlichen Austausch Wissenschaftler
(mit Gedenktafel) Konferenzteilnehmer

Richard ist Leipziger ...                        Journal 3/2021
Unsere ehemaligen Stipendiaten
Im Gespräch mit Agnes Selma Weiland

Wie ist Ihre aktuelle künstlerische Arbeit       zu erleben, war eine einzigartige Erfahrung,
gekennzeichnet?                                  die den Wunsch in mir verfestigte, einst im
Derzeit bereite ich gerade einige Rollende-      Festspielhaus selbst auf der Bühne zu stehen.
büts, wie Turandot, Senta und Brünnhilde         Auch habe ich u. a. durch das Stipendium
(in »Siegfried«), vor. Gleichzeitig steht eine   mein erstes Engagement an der Oper Leipzig
Reihe von Konzerten an, so ein wunderbares       bekommen.
Silvesterkonzert in der Bulgaria Concert Hall
mit dem Sofia Philharmonic Orchestra. Eben-      Wie kommen Sie mit der aktuellen Lage der
so wird meine Debüt-CD in Kürze erscheinen.      Kultur zurecht?
                                                 Mein Glück war, dass ich viele Gottesdienste
Welche Erinnerung haben Sie an                   und Radiokonzerte singen und eine CD-
                                                                                                  Alles begann in Leipzig
Ihre Leipziger Zeit?                             Produktion realisieren konnte. Gleichzeitig      Agnes Selma Weiland
Leipzig ist der Ort, an dem für mich tat-        hat es mich gerettet, dass ich seit Jahren ne-
sächlich alles begann, wo sich mein Traum,       benbei als Motivationscoach arbeite und so       Welche Pläne haben Sie?
Opernsängerin zu werden, erfüllte, ich eine      meine Führungskräfte- und Teambuildingse-        Mein Ziel ist es, in den nächsten fünf
hervorragende Ausbildung durchlief und in        minare auch online weiterführen kann.            Jahren in Bayreuth zu singen und mich
nur drei Jahren mein Operndiplom absol-          Zudem habe ich die Gelegenheit bekommen,         generell als Wagner-Sängerin zu etablie-
vierte, um dann unmittelbar am Theater           regelmäßig mit Soloprogrammen auf Kreuz-         ren. Auch andere Traumrollen, wie die
Bremen einzusteigen.                             fahrtschiffen aufzutreten. Dort habe ich nicht   Marschallin, Arabella, Chrysothemis,
                                                 nur Wagner-Opern einem breiten Publikum          Salome, Lady Macbeth, Maddalena
Wie hat Ihnen das Stipendium 2009                zugänglich gemacht, sondern vor allem bei        (Andrea Chenier), Katja Kabanova oder
genützt?                                         jüngeren Menschen Neugier und Lust auf           Jenufa schweben mir vor. Ich hoffe, dass
Bereits mit 14 Jahren sagte mir meine erste      Opern geweckt. Somit konnte ich in diesen        ich gesund bleibe und dass Kunst und
Gesangslehrerin, meine Stimme sei eine           schwierigen Zeiten als Freiberuflerin meinen     Kultur wieder einen höheren Stellenwert
Wagner-Stimme. Dass sich am Ende meines          Beruf weiterhin ausüben und gleichzeitig         bekommen.
Studiums in Leipzig die Chance ergab, als        anderen Menschen durch meinen Gesang             Das Gespräch führten Eleonore Petzoldt
Stipendiatin den ganzen »Ring« in Bayreuth       Hoffnung und Freude bringen.                     und Klaus-Michael Weinmann.

                                                                                                  und gilt folglich als eine Mitgestalterin von
»Was brauche ich einen Baum auf der                                                               Neu-Bayreuth. Eine vielzitierte Anekdote
                                                                                                  aus Bayreuth, auf die auch der Titel dieses
Bühne, wenn ich Astrid Varnay habe?«                                                              Beitrags anspielt, verweist auf Wieland
                                                                                                  Wagners karges Bühnenbild. Darauf ange-
                                                                                                  sprochen, erwiderte er: »Was brauche ich

D     ie bekannte hochdramatische Wagner-
      Sopranistin Astrid Varnay wurde am
25. April 1918 in Stockholm als Ibolyka As-
                                                                                                  einen Baum auf der Bühne, wenn ich Astrid
                                                                                                  Varnay habe?« 1967 wurde sie Bayerische
                                                                                                  Kammersängerin; 1972 wechselte sie zum
trid Maria Varnay geboren. Sie entstammte                                                         Mezzosopran. Ab 1970 widmete sie sich auch
einem musikalischen Künstlerhaushalt,                                                             dem sängerischen Nachwuchs in einer Meis-
der Vater war der Tenor Alexander Varnay,                                                         terklasse am Robert-Schumann-Konserva-
die Mutter die Koloratursopranistin Mária                                                         torium Zwickau und von 1975 bis 1979 als
Jávor. Nach anfänglichen Gesangsstudien                                                           Professorin an der Robert-Schumann-Hoch-
bei ihrer Mutter lernte sie ab 1939 bei ihrem                                                     schule Düsseldorf. Ihr Karriereende erfolgte
späteren Ehemann Hermann Weigert, mit                                                             1995 mit der Amneris in Mussorgskys »Boris
dem sie in kaum mehr als einem Jahr das                                                           Godunow« an der Bayerischen Staatsoper in
ganze Wagner-Repertoire einstudierte.                                                             München. Im Laufe ihrer über 50-jährigen
Bereits am 6. Dezember 1941 debütierte sie                                                        Karriere sang sie über 100-mal die Ortrud in
an der Metropolitan Opera New York als                                                            »Lohengrin« und die Isolde in »Tristan und
Sieglinde in der »Walküre«, es folgte am                                                          Isolde« und mehr als 140-mal die Brünnhil-
12. Dezember 1942 Brünnhilde. Am Covent                                                           de in der »Walküre«. Bekannt ist sie für ihre
Garden in London gab sie ihr Europadebüt                                                          kräftige Stimme mit dem dunklen Timbre
1948 als Isolde in »Tristan und Isolde«.                                                          und ihrem ausdrucksvollem, warmem Klang,
1951 kam sie auf Empfehlung der Wagner-                                                           sowie ihre schauspielerischen Fähigkeiten.
Sängerin Kirsten Flagstad zu den Bay-                                                             Wir erinnern an sie anlässlich ihres 15. To-
reuther Festspielen. Dort wirkte sie bis 1968    Astrid Varnay Autogrammkarte                     destages am 4. September 2021. cb

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Neuerscheinungen zu Richard Wagner

Minna Wagner und Cäcilie Avenarius:            führte oder in denen nahe Verwandte sa-
Zwei Schwägerinnen im Briefwechsel             ßen, über die sich beide – die Halbschwes-
                                               ter in Berlin und die von den Eskapaden
»Und über allem schwebt Richard« – die-        ihres Ehemannes frustrierte Ehefrau – be-
sen leicht beschönigenden Titel trägt ein      ständig erregten. Schwester Klara macht für
wertvoller Briefband, der uns in das Innere    die beiden Briefpartnerinnen in Chemnitz
Minna Wagners schauen lässt. Denn trotz        eine schwache Figur, Zwickau ist eine kurze
der beiden Biographien von Sibylle Zehle       Zwischenstation für Minna Wagner, die
und Eva Rieger, die das Bild der Frau an       Schwester Ottilie lebt in Leipzig: auch sie
der Seite des Komponisten angemessen           bekommt ihr Fett ab. Liest man die Briefe,
beleuchtet haben, harren noch wichtige         hat man den Eindruck, dass schon in den
Dokumente der Publikation. Mit der Ver-        1860-er Jahren die Familie Wagner ein
öffentlichung des Briefwechsels zwischen       einziger Hort des Streits war. Dass Minna
Minna Wagner und ihrer Schwägerin              Wagner die »Weiber«, insbesondere die
Cäcilie, verheiratete Avenarius, der vor       Bülows, im Umkreis Richard Wagners für
allem in Minna Wagners letzten Lebensjah-      seine sittliche Verrohung verantwortlich
ren vonstatten ging, gelingt es uns nun gut,   machte, kam für die enttäuschte Ehefrau
die Probleme, die beide Frauen mit dem         noch hinzu. So erfahren wir aus der Pers-
Ehemann und dem Halbbruder hatten, ganz        pektive der beiden Frauen, wie sich Wagner
neu zu betrachten.                             um die Uraufführung des »Tristan« be-          Und über allem schwebt Richard.
                                               mühte, in Russland gastierte, das Geld zum     Minna Wagner und Cäcilie Avenarius:
Minna Wagners Leben spielte sich zwischen      Fenster hinauswarf, schließlich in Mün-        Zwei Schwägerinnen im Briefwechsel,
1859 und 1866 vor allem in Mitteldeutsch-      chen ankam und sein Glück dort wieder          hsrg. von Martin Geck,
land ab. Dresden, am Rande auch Leipzig,       verscherzte. Alles in allem: eine erhellende   240 S., 8 Abb., 22,1 x 13,9 cm,
Chemnitz und Zwickau heißen die Orte, in       Dokumentensammlung – Richard Wagner,           Georg Olms Verlag AG 2021,
denen sie ein ärmliches und von der schwe-     scharf beobachtet von seinen Nächsten in       ISBN 978-3-487-08627-9,
ren Herzkrankheit beeinträchtigtes Leben       der Ferne Dresdens und Berlins. fp             24,00 €

Begegnungen mit Peter Schreier                 drei Kurzaufsätzen werden Peter Schreiers
                                               Verbindungen zu Österreich, seine Bach-
Peter Schreier, der zu den bedeutendsten       Interpretationen und seine Japan-Tour-
Tenören des 20. Jahrhunderts zählt und         neen genauer unter die Lupe genommen.
nicht nur als Evangelist und Mozart-           Abschließend folgen zwei Ansprachen aus
Sänger, sondern auch für seine prägenden       dem Abschiedsgottesdienst vom 8. Januar
Wagner-Interpretationen bekannt ist, starb     2020 von Kreuzkantor Roderich Kreile und
am 25. Dezember 2019 in Dresden. Aus           von Pfarrer Markus Deckert aus Schreiers
Anlass seines Todes brachte Musikwissen-       Heimatgemeinde Loschwitz. Zur Veran-
schaftler und Freund Matthias Herrmann         schaulichung dient ein abschließender
ein Würdigungsbuch »Begegnungen mit            Bildteil, der einige Episoden aus Schreiers
Peter Schreier« heraus. Im dem kurz nach       Leben vor Augen führt.
Schreiers Tod veröffentlichten Werk erin-
nern sich 30 Freunde und Weggefährten,         Neues kann das Buch allerdings nicht
darunter auch sein Sohn, zumeist nam-          zutage fördern, dazu war die Zeitspanne
hafte Dirigenten, Sängerkolleginnen und        von Schreiers Tod bis zur Veröffentlichung
-kollegen, Pianisten, Musikwissenschaftler,    zu kurz. Es ist eine Würdigungsschrift von
Komponisten und Instrumentalisten, an          seinen Verehrerinnen und Verehrern für
eine herausragende Persönlichkeit, an          einen bedeutenden Tenor und Dirigenten         Begegnungen mit Peter Schreier,
gemeinsame Proben und Aufführungen, an         des 20. Jahrhunderts. Doch vermag es           hrsg. von Matthias Herrmann,
private Zusammenkünfte und überhaupt           durch zahlreiche Wiederholungen und oft        256 S., 28 SW-Abb., 21,0 x 15,0 cm,
an einen bescheidenen, natürlichen und         sehr kurze Würdigungsartikel, die es sehr      Sax-Verlag Beucha/Markkleeberg 2020,
vielseitig interessierten Menschen. Dazu       langatmig und oberflächlich werden lassen,     ISBN 978-3-86729-263-4,
kommen vier Laudationen aus den Jahren         nicht in die Tiefe zu dringen. Dennoch         24,80 €
1998 bis 2011, die wenig neue Informati-       ist das Ansinnen des Buches löblich, es
onen liefern und sich sehr ähneln. Diese       verdeutlicht Peter Schreiers große Aner-
loben den Hugo-Wolf-Interpreten, den           kennung weltweit und ist ein lebendiges
Kirchenmusiker und den Mozart-Tenor. In        Denkmal seiner Leistungen. cb

Richard ist Leipziger ...                      Journal 3/2021
Wort und Bild dominieren ihr Leben – Gabine Heinze

E    s wird Zeit, liebe Leserinnen und Leser,
     Ihnen die Frau vorzustellen, die unserem
Journal mit Einfallsreichtum und höchster
                                                                                                für ihre spätere freiberufliche Tätigkeit als
                                                                                                Illustratorin und Buchgestalterin, wozu
                                                                                                sich auch eigene Buchprojekte gesellten.
Sorgfalt immer wieder ein spannendes, dem                                                       Zusammen mit ihrem langjährigen Partner
Inhalt entsprechendes Äußeres verleiht. Ich                                                     Michael Touma entstanden eine Reihe origi-
kenne Gabine Heinze seit 1996, und wären                                                        nalgrafischer Bücher, eine Besonderheit auf
wir ein Ehepaar, hätten wir in diesem Jahr                                                      dem Buchmarkt, wovon der Band »Gott ist.«
Silberhochzeit gefeiert. Zumindest ließen wir                                                   von Oberbürgermeister Burkhard Jung als
unsere langjährige harmonische Zusammen-                                                        Geschenk der Stadt Leipzig Papst
arbeit Revue passieren an einem Spätsom-                                                        Benedikt XVI. überreicht wurde.
mertag am Kaffeetisch in dem hübschen
Garten ihres Elternhauses in dem Elbestädt-                                                     Im Gegensatz zu vielen Künstlern, die sich
chen Dommitzsch, das sie seit zwei Jahren                                                       nach der Wende beharrlich weigerten, am
wieder bewohnt und nach ihren Vorstellun-                                                       Computer zu arbeiten, empfand Gabine
gen eingerichtet hat.                                                                           Heinze die sich nunmehr eröffnenden
                                                                                                Möglichkeiten als Quantensprung, deren sie
Mit 45 Berufsjahren ist Gabine Heinze                                                           sich mit Freude und Leidenschaft bedient.
eine Meisterin ihres Fachs, Wort und Bild                                                       Vielbeschäftigt und nachgefragt von den un-
dominieren ihr Leben, und es ist durchaus                                                       terschiedlichsten Institutionen, versteht sich
                                                 Meisterin ihres Fachs Gabine Heinze
vorstellbar, dass sie sich als Schulmädchen                                                     Gabine Heinze als Dienstleisterin, jegliche
nicht für Puppen interessierte, sondern für      Hochschule für Grafik und Buchkunst            Allüre liegt ihr fern. Sie hat sogar trotz ihres
die Zeichnungen und Schriften ihres Vaters,      faszinierten sie besonders die Werkstätten.    großen Arbeitspensums mit viel Liebe und
eines Architekten, begeisterte. Ein Zeichen-     Die gediegene Ausbildung in Schrift- und       Zuwendung ihren störrischen Kater Carlos
lehrer förderte ihr Talent und ermutigte         Buchgestaltung bei Prof. Walter Schiller und   vom Raufbold zum Seelentröster umfunktio-
sie, sich in Leipzig zu bewerben. An der         Prof. Hildegard Korger legte den Grundstein    niert. Und das will etwas heißen. uo

Emil Hipps Siegfried – keine Helden- und Lichtgestalt?

F    risch restauriert ziert der Siegfried aus
     dem für Leipzig geschaffenen Richard-
Wagner-Denkmal am Elsterflutbecken von
                                                 »ein Teil der Entwürfe [sei] meines Erach-
                                                 tens unmöglich. […] Dabei will ich nur die
                                                 Gestalt Siegfrieds herausgreifen.« Freyberg
                                                                                                nationalsozialistische Künstler, Albert Speer
                                                                                                und Arno Breker, als Gutachter ein. Beide
                                                                                                besichtigten am 30. Mai 1941 Hipps Arbeiten
Emil Hipp nun den Garten eines privaten          bemängelte, dass »Hipps Entwurf                und berichteten am 2. Juni 1941 Hitler darü-
Besitzers. Die Skulptur ist für die Geschichte   einen gedrungenen fleischigen Mann dar-        ber im Führerhauptquartier. Hitler entschied,
des Denkmals von zentraler Bedeutung. An         stellt, den man eher als einen Ringer oder     das Denkmal in der geplanten Form aus-
ihr entzündete sich frühzeitig ein Streit um     Boxer ansieht, denn als eine Figur aus der     zuführen. Breker begründete dies in einem
das Gesamtwerk. Die figürliche Darstellung       Heldensage unserer Vergangenheit.« Dar-        Telefongespräch mit Busse am 27. Juni 1941
des Siegfried wurde erst während einer           aufhin setzte Adolf Hitler zwei prominente     damit, dass Hipp ein »romantischer« Künst-
Besprechung mit dem Künstler in Leipzig                                                         ler sei, der das Heroische, Heldische des
am 22. Juni 1938 festgelegt. Der Entwurf der                                                    Siegfried zwar nicht voll erfasst habe, dass
Skulptur traf in Leipzig auf erbitterten                                                        die Ausführung in Stein aber gegenüber dem
Widerstand. Vor allem Stadtbaudirektor                                                          Entwurf wesentlich verbessert ausgefallen sei
Arthur Busse ereiferte sich bereits am                                                          und die Mängel angesichts der Großartigkeit
16. März 1939: »Dieser von Hipp innerlich                                                       des Denkmalentwurfs nicht gravierend seien.
scheinbar garnicht erlebte Siegfried ist nicht                                                  Busse war es übrigens auch, der am
die Licht- und Heldengestalt, so wie er in der                                                  31. August 1937 Bürgermeister Rudolph
deutschen Sage lebt.« Und folgerte: »Es ist                                                     Haake vorgeschlagen hatte, die Bronzemasse
auch kaum anzunehmen, daß der Führer eine                                                       aus dem abgerissenen Mendelssohn-Denk-
derart weichliche Auffassung der Siegfried-                                                     mal für die Kandelaber des Richard-Wagner-
figur im Denkmalsganzen billigen würde.«                                                        Denkmals zu verwenden. hl
(Unterzeichnet mit »Heil Hitler«). Führende                                                     (Zitiert nach: Richard Wagner gepfändet.
Nationalsozialisten der Stadt teilten die                                                       Ein Leipziger Denkmal in Dokumenten
Bedenken. Oberbürgermeister Alfred Frey-                                                        1931–1955. Ausgewählt und begleitet von
berg schrieb am 3. Mai 1940 an den Gauleiter     Frisch restauriert in Privatgarten             Grit Hartmann, Forum Verlag Leipzig 2003,
und Reichsstatthalter Martin Mutschmann,         Siegfried von Emil Hipp                        S. 133, 143, 162, 167 f., 125 f. Vergriffen.)

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