Kindeswohlgefährdung versus Datenschutz - Kinderschutzkonferenz am 28.10.2009 in Aue
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Verfassungsrechtlicher Schutzauftrag n Artikel 6 Absatz 2 GG „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ 2
Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung n Die Wahrnehmung des staatlichen Kinderschutzes ist zentrale Aufgabe des Jugendamtes und des Familiengerichts - Wächteramt - n Das Jugendamt ist die sachnächste staatliche Behörde 3
Schutzauftrag des SGB VIII n Der jugendhilferechtliche Schutzauftrag ist in § 1 Absatz 3 Nr. 3 SGB VIII enthalten. „Jugendhilfe soll insbesondere Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen.“ n Keine Eingriffsnorm – nur Leitsatz! 4
Begriff des Kindeswohls n Der Gesetzgeber gibt kein Definition vor – sogenannter unbestimmter Rechtsbegriff n Erkennen von Kindeswohlgefährdungen Die Symptome und Folgen von Vernachlässigung und Misshandlung zeigen sich in einer großen Bandbreite von Verletzungen, Entwicklungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten 5 und psychischen Störungen
Literatur/Checklisten/Handlungsanweisungen n Empfehlungen zur Festlegung fachlicher Verfahrensstandards in den Jugendämtern bei Gefährdung des Kindeswohls (Deutscher Städtetag, 01.04.03, MB LJA 1/2005) n Verbindliche Verfahrensregelungen in Jugendämtern, z. B.: Leipzig MB (LJA 2/05), Dresden MB LJA 2/99, Chemnitz MB LJA 1/02, n DJI-Handbuch zur Kindeswohlgefährdung 6
Ambivalenz der Jugendhilfe n Der Schutzauftrag spiegelt die strukturelle Ambivalenz der Jugendhilfe wieder n Einerseits werden Leistungen vorgehalten, die auf Freiwilligkeit und Kooperation basieren n Andererseits fordert das staatliche Wächteramt (Art. 6 Abs. 2 GG) ein Eingreifen zum Wohle von Kindern und Jugendlichen auch ohne Zustimmung der Eltern 7
Qualifizierung des Kinderschutzes n Entwicklung des Kinderschutzes als eine von der öffentlichen und freien Jugendhilfe gemeinsam wahrzunehmende Aufgabe n Verbindlichkeit nach § 8 a SGB VIII n Anspruch auf Beratung und Begleitung durch eine für diese Thematik besonders qualifizierte Fachkraft 8
§ 8 a Absatz 1 SGB VIII n Untersuchungsgrundsatz für Jugendamt hinsichtlich gewichtiger Anhaltspunkte für Gefährdung: n Informationsgewinnung und Risikoabschätzung im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte n Einbeziehung der Personensorgeberechtigten, Kinder und Jugendlichen n Hilfeangebot zur Gefährdungsabwendung 9
Vorrang familienunterstützender Angebote n Aus dem grundgesetzlich verankerten Elternrecht folgt der Vorrang familienunterstützen- der Hilfen n Fördernde Hilfen vor einer Trennung des Kindes von den Eltern – aber Geeignetheit der Angebote 10
Spezifischer Handlungsauftrag der Jugendhilfe n Kinderschutz im jugendhilferechtlichen Sinn ist professionelle und in erster Linie auf den Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Helfern/-innen und Klienten beruhende Hilfe zur Lösung familiärer Probleme n Schutz der Kinder durch Hilfe für die Eltern n Hilfe vor sorgerechtlichem Eingriff oder strafrechtlicher Verfolgung 11
Anrufung des Familiengerichts n Erst wenn die sozialpädagogischen Handlungsmöglichkeiten des SGB VIII nicht mehr ausreichen, muss das Familiengericht angerufen werden ( § 8 a Abs. 3 SGB VIII) 12
Datenschutz – informationelle Selbstbestimmung n Jeder hat das Recht, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen - Art. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG - 13
Datenschutz – Grundsatz n Eine Datenübermittlung ist grundsätzlich zulässig, wenn eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt n Ohne Einwilligung des Betroffenen ist eine Weitergabe nur mittels einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage möglich 14
Soziale Arbeit und Datenschutz n Genereller Schutz der Vertrauensbeziehung als Basis für den aktuellen und zukünftigen Aufbau von Hilfebeziehungen n Der Schutz der persönlichen Interessen und damit auch der Datenschutz dient insofern Interessen von Kindern und Jugendlichen (Beispiel: § 65 SGB VIII, Verbot der Weitergabe anvertrauter Daten, Wahrung des Vertrauensverhältnisses) 15
Datenübermittlung bei Kindeswohlgefährdung n Datenschutz tritt in den Hintergrund, wenn Rechte von Kindern und Jugendlichen verletzt sind! n Ein Rechtfertigungsgrund zur Weitergabe ist immer gegeben, wenn gewichtige Anhaltspunk- te für eine Kindeswohlgefährdung vorliegen 16
Rechtfertigende Notsituationen(§ 34 STGB) n Die Weitergabe der Information muss ein angemessenes Mittel sein, um eine gegenwärtige Gefahr des Kindes abwenden zu können. n Führt mein Schweigen dazu, dass das Kind (weiterhin) verletzt oder getötet wird? – Dann steht der Datenschutz nicht im Vordergrund 17
Datenübermittlung bei Kindeswohlgefährdung II n Jeder Einzelne muss für sich entscheiden, ob die Verdachtsmomente ausreichen n Persönliche Komponenten der Entscheidung - ich mische mich ein - mein persönlicher Bezug zu den betreffenden Menschen wird hinterfragt 18
Wirksamer Kinderschutz und Datenschutz n Wirksamer Kinderschutz ist auch im Rahmen der geltenden Datenschutzbestimmungen zu realisieren n Es muss innerhalb meiner Arbeitsstrukturen geklärt sein, wie nach der festgestellten Kindeswohlgefährdung weiter zu verfahren ist 19
Soziale Arbeit und Datenschutz II n Es gibt jedoch auch einen anderen datenschutz- rechtlichen Aspekt im präventiven Bereich: keine Informationsweitergabe im Netzwerk gegen den Willen der Betroffenen! n Da unsere Rechtsordnung verstärkt Individual- interessen schützt, muss auf Kooperation innerhalb des Netzwerkes unter Einbeziehung 20 der Betroffenen gesetzt werden!
Kooperation freier Träger der Jugendhilfe n Mitverpflichtung der Träger von Einrichtungen und Diensten zur Wahrnehmung des Schutzauftrags durch Abschluss von Vereinbarungen n Inhalt: Abschätzung des Gefährdungsrisikos, Einbeziehung der Personensorgeberechtigten, Kinder und Jugendlichen (soweit möglich) n Hinzuziehung einer erfahrenen Fachkraft, Angebot von geeigneten Hilfen, Hinwirken auf Inanspruchnahme n Einbeziehung des Jugendamtes, wenn Hilfen nicht greifen 21
Vereinbarungen mit freien Trägern n Vereinbarungsbedarf auch in anderen Bereichen des SGB VIII n Der Gesetzgeber kann ausschließlich die öffentliche Jugendhilfe verpflichten. Einbindung zivilrechtlicher Strukturen nur über den Weg der vertraglichen Bindung 22
Konsequenzen für die freien Träger n Schulungen mit Blick auf Kindeswohlgefährdung n Entwicklung von eigenen Handreichungen n Eindeutige Regelungen im Innenverhältnis 23
Mitarbeit in Netzwerken für Kinderschutz I n Bei der Vielzahl der zusammenwirkenden Institutionen gilt: Jeder Personenkreis hat gegebenenfalls unterschiedliche (datenschutzrechtliche) Grundlagen 24
Mitarbeit in Netzwerken für Kinderschutz II n Die Effektivität des Netzwerkes ist abhängig von der Kenntnis der Möglichkeiten und Grenzen jedes Einzelnen 25
Mitarbeit in Netzwerken für Kinderschutz III n Netzwerke wie in § 8 a SGB VIII vorgesehen, sind auch außerhalb der Jugendhilfe möglich n Hier bedarf es sogenannter „Selbstverpflichtungen“ – Prinzip der Freiwilligkeit 26
Mitarbeit in Netzwerken für Kinderschutz IV n Sächsisches Handlungskonzept für präventiven Kinderschutz n Einbeziehung aller Fachkräfte in Kinder- und Jugendschutzaufgaben n Kinderschutz als flächendeckende Querschnittsaufaufgabe n Freistaat Sachsen und Landkreise/kreisfreie Städte fördern Koordinatorenstellen sowie aufsuchende Fachkräfte des ASD 27
Gesetzliche Kooperation Jugendhilfe/Schule n § 35b Schulgesetz Kooperation mit Trägern der öffentlichen Jugendhilfe n § 36 LJHG Zusammenarbeit, um Gefahren für das Wohl und die Entwicklung junger Menschen zu verhindern n § 36 SGB VIII (Hilfeplanverfahren) einzelfallbezogene Kooperation 28
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Landesjugendamt
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