Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.

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Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.
Nr. 22 | 5. November 2022 | 76. Jahrgang

                                                          Titelthema

                                                        Leistungs-
                                                          sport

Gesprächsrunde
Verein Frankfurter Sportpresse beim lsb h zu Gast

Ruder-Regatta
Lsb h-Mitarbeitende bei Benefizveranstaltung am Start
Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.
EDITORIAL                                                                                                          1

                                     Editorial

Liebe Sportfreundinnen und Sportfreunde,

im Mittelpunkt der heutigen Ausgabe von „Sport in
Hessen“ steht das Titelthema Leistungssport. „Quo va-
dis Spitzensport“ – unter diesem Leitsatz werden die
verschiedenen Facetten dieses so wichtigen Aufgaben-
feldes des Landessportbundes Hessen beleuchtet. Da-
bei steht eindeutig die Aussage: „In Hessen stehen die
Athlet/innen mit ihren individuellen Zielen, Bedürfnis-
sen und Sorgen im Mittelpunkt aller Überlegungen“,
im Fokus der Berichterstattung. Doch lesen Sie selbst
und erfahren Sie insbesondere von unserer Vizepräsi-
dentin Leistungssport Annika Mehlhorn, wo für sie die
Zukunft im Bereich Leistungssport hingeht.                jugend den jugend- und sportpolitischen Sprecher/in-
                                                          nen der im Hessischen Landtag vertretenen, demokra-
Dass der Hessischen Landesregierung der Sport nun         tischen Parteien in Gesprächen dargelegt. Wichtig ist
wahrlich am Herzen liegt wird auch in dieser Ausgabe      hier – auch mit Blick auf die anstehenden Landtags-
wieder deutlich. Immerhin wurden zusätzlich rund          wahlen – dass die wichtigen Belange des Sports auch
800.000 Euro für die Übungsleiterbezuschussung zur        weiterhin bei den Landtagsabgeordneten auf offene
Verfügung gestellt. Gut angelegtes Geld, wie ich finde.   Ohren stoßen. Besonders ans Herz legen möchte ich
                                                          Ihnen den Beitrag, der sich mit dem Bereich „Kindes-
Und dass es sich lohnt, sich in den verschiedenen Be-     wohl“ auseinandersetzt.
reichen des Sportes zu engagieren, wird einmal mehr
deutlich bei der Verleihung des diesjährigen Lu-Röder-    Ich wünsche Ihnen nun eine spannende Lektüre der
Preises für besondere Leistungen an zwei Frauen.          vor Ihnen liegenden Ausgabe „Sport in Hessen“ und
                                                          möchte Sie auch heute wieder ermuntern, uns Prob-
Als „Diplomat und Strippenzieher“ wird er bezeichnet.     leme, Wünsche und Anregungen aus Ihren Vereinen
38 Jahre war er das Gesicht der Sportjugend Hessen        und Verbänden zuzurufen.
und immer da, wenn es darum ging, die so wichtige Ar-
beit der Sportjugend ins richtige Licht zu rücken.        Bleiben Sie aktiv, zuversichtlich und gesund in diesen
Danke, lieber Jürgen, auch ganz persönlich für deine      schwierigen Zeiten und genießen Sie die letzten Wo-
nicht nur für die Sportjugend, sondern für die gesamte    chen der so farbenfrohen Jahreszeit des Herbstes.
Sportfamilie geleistete Arbeit. Denn nichts passt bes-
ser zu Jürgen Herget, dem jetzt in Ruhestand gegange-     Ihr
nen Geschäftsführer der Sportjugend Hessen, als die
drei     Attribute     der    Sportjugend      Hessen:
sportlich-jugendlich-hessisch.

Wie aktiv die Sportjugend ist und wo die Schwerpunkte
in den nächsten Jahren gesetzt werden, hat die Sport-     Uwe Steuber

SIH 2 2 / 05.11.2022
Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.
2                                                                                                                                                                                                       INHALT

                           Auszüge aus dem Inhalt
                                                                                                                         4       Große Sorgen in der Vereinslandschaft
                                                                                                                                 Bundesweite Umfrage des DOSB zur Energiekrise

                                                                                                                        18       Kurz notiert
                                                                                                                                 Nachrichten aus dem Sport

                                                          5                                                             19       Amtliches
                                                                                                                                 Abend-Hotline am Donnerstag
                                                          Leistungssport
                                                          Unser Titelthema                                             20        Gleichstellung im Sport
                                                                                                                                 Lu-Röder-Preis

                                                          17
                                                          Rudern gegen Krebs
                                                          Drei lsb h-Boote waren dabei

                                                          21
                                                          Weltalzheimertag
                                                          Fachtag der Bildungsakademie

                                                          22
                                                           Sportjugend
                                                           Antrittsbesuche bei den Landtagsfraktionen

    Impressum
    Herausgeber: Landessportbund Hessen e. V. (lsb h); Otto-Fleck-   Tel.: 0561 60280-452, Fax: 0561 60280-499,                             Titelfoto: Was haben Hammerwerferin Betty Heidler, „Turn-Professor“
    Schneise 4, 60528 Frankfurt, Tel.: 069 6789 -0                   E-Mail: abo-sih@dierichs-druck.de                                      Fabian Hambüchen und das Tischtennis-Ass Timo Boll gemeinsam? Zu
    Verantwortlich für den Inhalt: Uwe Steuber, Vizepräsident für    Anzeigen Nord/Mitte: Ulrike Weingardt, Frankfurter Straße 168,         einem gehören sie zu den Sportler/innen, die es in ihren jeweiligen
    Kommunikation und Marketing, Meissnerstr.6 34497 Korbach.        34121 Kassel, Tel.: 0561 60280-162, Fax: 0561 60280-199,               Sportarten in die Weltspitze geschafft haben. Zum anderen kommen alle
    Redaktion: Leitung Ralf Wächter (RW), Daniel Seehuber (srd),     E-Mail: weingardt@ddm.de                                               drei aus Hessen. Und letztlich haben alle drei mittelbar oder
    Markus Wimmer (maw), Otto-Fleck-Schneise 4, 60528 Frankfurt.     Anzeigen Süd: Torsten Wethlow, Waldstraße 226, 63071 Offenbach,        unmittelbar vom „System Leistungssport“ in Hessen profitiert. Wie sich
    So erreichen Sie uns:                                            Tel.: 069/85008-368, Fax: -394, E-Mail: sih@op-online.de               das System mit seinem spezifischen „Hessischen Weg“ heute darstellt,
    Ralf Wächter, rwaechter@lsbh.de, Tel.: 069 6789-262;                                                                                    wo Ziele und Perspektiven des Leistungssports in Hessen liegen und
    Daniel Seehuber, dseehuber@lsbh.de, Tel.: 069 6789-267;          Sport in Hessen erscheint vierzehntägig zum Wochenende                 auch, welche Probleme gemeinsam gelöst werden müssen, ist
    Markus Wimmer, mwimmer@lsbh.de, Tel. 069 6789-437;               Bezugspreis: Jährlich Euro 51,11 einschl. Postgebühren und MwSt.       Gegenstand unseres Titelthemas in der vorliegenden Ausgabe. Vorab so
    Fax: 069 6789-300.                                               Bestellungen für Vereine beim Landessportbund Hessen e. V.,            viel: Mittlerweile hat sich das „System Hessen“ zu einer Art Vorbild in
    Verlag: Pressehaus Bintz-Verlag GmbH & Co. KG, Waldstraße 226,   für Privatpersonen bei Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG            den Leistungssportsystemen anderer Bundesländer entwickelt.
    63071 Offenbach                                                                                                                         Titelgestaltung: Ralf Wächter
    Druck und Vertrieb: Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG,        Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Verfasser
    Frankfurter Straße 168, 34121 Kassel.                            wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird keine
    Abonnementverwaltung: Frankfurter Straße 168, 34121 Kassel,      Gewähr übernommen. Eine Rücksendepflicht besteht nicht.                www.landessportbund-hessen.de

                                                                                                                                                                                         SIH X X / X X . X X . 2 0 1 6
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AKTUELLES                                                                                                                                 3

                                                                                             lsb h wird
                                                                                             digitale Wege
                                                                                             ausbauen
                                                                                             Vizepräsident Uwe Steuber: „Wollen
                                                                                             noch nutzungsorientierter werden“
                                                                                             Der Landessportbund Hessen (lsb h)
                                                                                             wird sich noch digitaler aufstellen.
                                                                                             Vor allem im Bereich der Mitglieder-
                                                                                             betreuung und des Mitgliederservices
                                                                                             sollen moderne Software-Lösungen
                        Große Sorgen in                                                      perspektivisch für mehr Effizienz sor-
                                                                                             gen. Noch digitaler soll auch die in-
                       Vereinslandschaft                                                     terne Kommunikation der Dachorga-
                                                                                             nisation des Sports in Hessen mit
                                                                                             ihren Sportkreisen, Sportverbänden
   Bundesweite Umfrage des Deutschen Olympischen Sportbundes zur Energiekrise                und Sportvereinen werden.

                                                                                             Das hat das Präsidium der mit rund 7.500

D
       er organisierte Sport in Deutschland   eine in Deutschland sind stark und haben       Vereinen und mehr als zwei Millionen Mit-
       trägt als größte Bürgerbewegung        nicht zuletzt während der Pandemie ein         gliedern größten Personenvereinigung des
       des Landes mit seinen rund 87.000      enormes Durchhaltevermögen bewiesen.           Landes beschlossen, wie Uwe Steuber, lsb h-
       Sportvereinen in erheblichem Maße      Aber die Reserven sind so gut wie aufge-       Vizepräsident Kommunikation und Marke-
zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und       braucht und spätestens mit den zu erwar-       ting, kürzlich mitgeteilt hat. Steuber: „Wir
zur Gesundheit der Bevölkerung bei. Insbe-    tenden, deutlich erhöhten Abschlagszah-        haben in den vergangenen Jahren schon
sondere nach zwei schwierigen, coronage-      lungen stehen insbesondere die vielen          viele Bereiche erfolgreich digitalisiert. Eine
prägten Jahren, kehren die Menschen wie-      tausend Vereine mit eigenen Sportanlagen       Analyse hat ergeben, dass wir diesen Weg
der vermehrt in die Vereine zurück. Umso      vor teilweise existenzbedrohenden finanzi-     konsequent weitergehen und noch nut-
bedenklicher sind die Ergebnisse der bun-     ellen Belastungen“, sagt Weikert.              zungsorientierter gestalten müssen.“
desweiten Umfrage des Deutschen Olympi-
schen Sportbundes (DOSB) und der 16 Lan-      Bereits Anfang September hatte der DOSB        Vereinfachungen für Vereine
dessportbünde (LSB) zur Lage der Vereine      seine Mitglieder dazu aufgerufen, im Sport
in der Energiekrise, an der sich bis zum      20 Prozent Energie einzusparen und einen       Konkret nannte der auf dem Sportbundtag
23. Oktober 5.696 Sportvereine aus allen      entsprechenden Stufenplan und Leitfaden        im Juni ins lsb h-Präsidium gewählte Fach-
Bundesländern beteiligt haben.                zu erstellen. Die aktuellen Zahlen belegen     mann auszugsweise weitere Vereinfachun-
                                              jedoch, dass selbst beim Erreichen des ge-     gen für Vereine, die Förderanträge stellen,
Mehr Not als in Corona-Zeiten                 steckten Ziels hohe Mehrbelastungen zu er-     an Lehrgängen teilnehmen oder Informatio-
                                              warten sind.                                   nen abrufen wollen. Dabei sollen unter an-
Die Umfrage, die vom Institut für Sport-                                                     derem vorhandene „Insellösungen“ in ein
stättenentwicklung (ISE) durchgeführt         Für viele Vereine sind die Auswirkungen der    „System aus einem Guss“ überführt werden.
wurde, zeigt, dass mehr als 40 Prozent der    Energiekrise bereits jetzt zu spüren. So gab
Vereine starke Auswirkungen durch die         mehr als ein Viertel der befragten Vereine     Unterstützt wird der Landessportbund da-
Energiekrise erwarten. Dazu gehören u. a.     an, dass sie einen Mitgliederrückgang auf-     bei von einer eigens eingerichteten „Ar-
Einschränkungen des Trainingsbetriebs,        grund der aktuellen Krise zu verzeichnen       beitsgruppe Digitalisierung“. Vizepräsident
Schließungen einzelner Abteilungen oder       haben. In mehr als fünf Prozent der Fälle      Steuber abschließend: „Das alles wird eine
Mitgliederrückgänge. Rund sechs Prozent       mussten bereits Sportstätten geschlossen       gewisse Zeit brauchen. Wir werden bei der
der befragten Vereine fürchten sogar eine     werden. Um anfallende Mehrkosten abzu-         Umsetzung aber kluge Schwerpunkte setzen
akute Existenzbedrohung, also die Auflö-      fangen, sähe sich mehr als ein Drittel der     und dringliche Projekte somit bevorzugt re-
sung des Vereins. Zum Vergleich: Rückbli-     Vereine laut Umfrage gezwungen, ihre Mit-      alisieren.“                            RW
ckend auf die Corona-Pandemie gaben le-       gliedsbeiträge zu erhöhen, was den Mit-
diglich 26 Prozent der Vereine in der         gliederrückgang wohl weiter beschleuni-
aktuellen Umfrage an, dass sie starken Aus-   gen und den Zugang zum Sport
wirkungen ausgesetzt waren, knapp zwei        insbesondere für Menschen mit geringem               Weitere Pressemitteilungen
Prozent gaben an, dass sie existenzbedroht    Einkommen erschweren würde. Umso                     finden Sie online in der Rubrik
gewesen seien.                                dringlicher sind nun finanzielle Hilfen, die         „Presse“ unter www.landessport-
                                                                                                   bund-hessen.de
                                              sich mehr als 65 Prozent der befragten Ver-
DOSB-Präsident Thomas Weikert zeigt sich      eine wünschen.
in Anbetracht dieser Ergebnisse besorgt um          DOSB/LSB NRW/Andrea Bowinkelmann
die Sportvereinslandschaft: „Die Sportver-

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                                                       Zurück zum Inhalt
Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.
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                 Quo vadis Spitzensport?
                 „Hessischer Weg“ hat sich als erfolgreiches Fördersystem für Nachwuchsathlet/innen bewährt /
                  Auf Bundesebene hingegen wird die Leistungssportreform von 2016 erneut massiv kritisiert

    F
          ast sechs Jahre liegt er zurück, der Beschluss zur     schen Weg“ aus? Wie unterstützen Olympiastützpunkt,      OBEN
          Leistungssportreform, die der Deutsche Olympi-         Sportstiftung, Sportinternat, Sportfördergruppen und     Die Olympischen
          sche Sportbund (DOSB) zusammen mit dem Bun-            Co. unsere Spitzenathlet/innen? Wie wirken die För-      Spiele sind der
                                                                                                                          Traum vieler
          desinnenministerium (BMI) erarbeitete. Am 3.           derinstanzen erfolgreich zusammen? Und wie zufrie-
                                                                                                                          Nachwuchsathlet/
    Dezember 2016 verabschiedete die Dachorganisation            den sind Internatsschüler/innen und Sportfördergrup-     innen. In Hessen
    des organisierten Sports ein bis heute umstrittenes          penmitglieder/innen mit der Unterstützung? Diesen        werden sie mit einem
    Konzept zur Neustrukturierung des Leistungssports            Fragen gehen wir im Rahmen unseres Titelthemas nach.     vielschichtigen
    und der Spitzensportförderung. Zentralere Strukturen                                                                  Fördersystem auf
    sollten her, die Anzahl der Bundesstützpunkte in den         Fördersystem rückt Athlet/innen in Mittelpunkt           ihrem Weg begleitet.
    Ländern reduzierte sich deshalb. Und: Die Grund- und                                                                  Foto: Team
                                                                                                                          Deutschland/Max
    Projektförderung für Sportarten wurde durch ein Po-          „In Hessen stehen die Athlet/innen mit ihren individu-   Galys
    tenzialanalysesystem (PotAS) ersetzt, was auf Kritik         ellen Zielen, Bedürfnissen und Sorgen im Mittelpunkt
    stieß – auch beim Landessportbund Hessen (lsb h).            aller Überlegungen. Wir haben ein vielschichtiges För-
    Denn das bedeutete: Je geringer das Erfolgs- bzw. Me-        dersystem geschaffen, in dem sie sich sehr gut entwi-
    daillenpotenzial von Sportarten, desto geringer die          ckeln und sich auf ihren Sport konzentrieren können“,
    Förderung für Verbände und Athlet/innen. Doch was            erläutert Annika Mehlhorn, lsb h-Vizepräsidentin Leis-
    passiert mit jenen, die Chancen auf Spitzenplätze ha-        tungssport. „Auch Athlet/innen, deren Sportart in
    ben, deren Sportart aber aus der Förderung fällt? Viele      Hessen keinen Bundesstützpunkt mehr haben, finden
    Athlet/innen fanden sich in der Reform nicht wieder,         bei uns gute Rahmenbedingungen vor und müssen                 Titelthema
    sahen sich nicht mehr im Mittelpunkt. Die Entwicklun-        keine langen Fahrten in Kauf nehmen.“ Die Karrieren
    gen auf Bundesebene nahmen der lsb h und das Land
    Hessen zum Anlass, noch intensiver am eigenen För-
                                                                 von Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen und
                                                                 Schwimmweltmeister Marco Koch würden zudem zei-          Leistungs-
    dersystem zu feilen, das speziell auf Nachwuchsathlet/
    innen ausgerichtet ist – und sich einen guten Ruf erar-
                                                                 gen, dass für hessische Spitzenathlet/innen der
                                                                 Wechsel an Bundesstützpunkte „nicht immer der lo-
                                                                                                                             sport
    beitet hat, wie die Rückmeldungen von Athlet/innen           gische und beste Weg“ sein müsse, unterstreicht Mehl-
    und Trainer/innen zeigen. Was zeichnet den „Hessi-           horn, die bis vor zehn Jahren selbst Leistungsschwim-

                                                                                                                           SIH 2 2 / 0 5 . 1 1 . 2 0 2 2
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Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.
TITELTHEMA LEISTUNGSSPORT                                                                                                                         5

merin war und u. a. Vizeweltmeisterin wurde. Warum          von Bewegung und Sport im gesamten Lebenszyklus
sie für das Amt als lsb h-Vizepräsidentin kandidierte,      der Menschen in unserem Land erhöhen können, im
wie sie den Status Quo des hessischen Fördersystems         Leistungs- und im Breitensport“, sagte Weikert.
sieht und in welchen Bereichen sie in den kommenden
Jahren Entwicklungen anstoßen möchte, erläutert sie         Welche Herausforderungen konkret bestehen, erläu-
im Interview auf Seite 13.                                  tert die Dachorganisation in einem Eckpunktepapier
                                                            zur Weiterentwicklung des Leistungssports und der
Mehr finanzielle Mittel, aber weniger Erfolg                Spitzensportförderung, das die Notwendigkeit einer
                                                            Trendwende verdeutlicht und Ende September im Mit-
Während sich das hessische Fördersystem in den ver-         telpunkt der DOSB-Leistungssportkonferenz stand. Es
gangenen Jahren bewährt hat, u. a. weil es neben            umfasst sechs Handlungsfelder, zu denen die gesell-
Hambüchen und Koch zahlreiche weitere Weltklasse-           schaftliche Bedeutung und Relevanz des Leistungs-
athlet/innen hervorgebracht hat, wird die Spitzen-          sports zählt. Hier heißt es: „Es gilt, Athlet/innen und
sportförderung auf Bundesebene derzeit wieder einmal        ihre Trainer/innen konsequenter in den Mittelpunkt zu
kritisch beäugt. Sie steht unter Rechtfertigungsdruck,      stellen: Es sind bestmögliche Rahmenbedingungen –
ihre Akzeptanz in der Gesellschaft schwindet – und der      Betreuung, Infrastruktur, Trainingsmöglichkeiten und
Unmut in Politik und Verbänden steigt. Weil der sport-      Duale Karriere – entlang der leistungssportlichen Kar-
liche Erfolg – bundesweit betrachtet – ausbleibt, ob-       riere so abzusichern, dass die Athlet/innen und ihre
wohl die Förderung aus öffentlichen Geldern kontinu-        Trainer/innen (...) ihr Potenzial voll ausschöpfen kön-
ierlich gestiegen ist. Mehr Geld, mehr Medaillen?           nen und international konkurrenzfähig sind.“ Dem
Dieser Ansatz ist im Spitzensport hierzulande schon         Leistungssportpersonal wird zudem ein eigenes Hand-
länger eine Utopie. Seit der Wiedervereinigung hat der      lungsfeld gewidmet. Die Trainer/innen, so heißt es im
sportliche Erfolg Deutschlands im Weltsport kontinu-        Papier, hätten „einen hohen Einfluss auf die persönli-
ierlich abgenommen. Auch die mit großen Erwartun-           che Entwicklung der Athlet/innen mit besonderer Rele-
gen verbundene Leistungssportreform von 2016 konnte         vanz und Verantwortung im Nachwuchsbereich“. Aller-
diese Negativentwicklung bislang nicht stoppen.             dings mangele es „an der gesellschaftlichen
                                                            Wahrnehmung, Akzeptanz und Wertschätzung für das
Die Interessensvertretung Athleten Deutschland macht        Berufsfeld Trainer/innen außerhalb des kommerziellen
sich deshalb mit ihrer Analyse: „Warum ist es uns das       Profisports“. Im Rahmen unseres Titelthemas befassen
wert“ für eine Grundsatzdebatte über die Zukunft des        wir uns auch damit, wie (angehende) Trainer/innen im
Spitzensports stark. Der Verein fordert neue und kla-       hessischen Leistungssport bereits jetzt unterstützt und
rere Ziele in der Spitzensportförderung, um Athlet/in-      gestärkt werden.
nen eine bessere Basis zu bieten. Dass die Förderung
von Sportarten von ihrem Erfolgs- bzw. Medaillenpo-         Landessportbünde: Vereine mehr unterstützen
tenzial abhängt, ist der Interessensvertretung ein Dorn
im Auge. Denn: International mitzuhalten wird in vie-       Die Landessportbünde haben sich Ende September mit
len Disziplinen immer schwieriger, weil andere Länder       einem Grundsatzpapier zur künftigen Ausrichtung der
massiv in den Spitzensport investieren. Athleten            Leistungssportförderung auf Bundesebene positio-
Deutschland macht sich deshalb für einen ganzheitli-        niert. In ihrem Beschluss kritisieren sie u. a., dass der
cheren Ansatz stark. Gemeinwohlpotenziale von Sport-        bürokratische Aufwand gestiegen sei, Athlet/innen
arten, also die positiven Auswirkungen des Spitzen-         und Trainer/innen aber nicht stärker in den Mittel-
sports auf die Gesellschaft, müssten mehr in den Blick      punkt gestellt und die Olympiastützpunkte nicht besser
genommen werden. Und die Persönlichkeitsentwick-            ausgestattet worden seien. Die Landessportbünde er-
lung von Athlet/innen könnte neben der Steigerung           achten eine Grundsatzdebatte als dringend erforder-
der Wettbewerbsfähigkeit als zentrales Ziel der Spit-       lich und haben diesbezüglich die Vereine im Blick, die
zensportförderung begriffen werden. Wie gut ist Hes-        „als entscheidender Ort der Entwicklung von Leis-           Das Grundsatzpapier der
sen diesbezüglich aufgestellt? Welche Chancen haben         tungssportler/innen“ in ausgeprägterem Maße zu be-          Landessportbünde mit
Athlet/innen, um nicht nur sportlich, sondern auch          rücksichtigen seien. Die Leistungssportförderung ziele      dem Titel „Die Zukunft
                                                                                                                        des Leistungssports
persönlich zu reifen? Auch dieser Frage widmen wir uns      derzeit vor allem auf Strukturen und Maßnahmen von
                                                                                                                        gestalten!“ findet sich
im Rahmen unseres Titelthemas.                              Verbänden und Stützpunkten ab und müsse „um eine            online: yourls.lsbh.de/
                                                            direkte Vereinsförderung erweitert werden“, heißt es        grundsatzpapier-zum-
DOSB veröffentlicht Eckpunktepapier                         im Beschluss. Zudem sprechen sich die Landessport-          leistungssport
                                                            bünde für einen Ausbau der Zusammenarbeit von Ver-
Eine größere Debatte zur künftigen Ausrichtung der          einen und Schulen aus. Die Schulministerien der Län-
Spitzensportförderung auf Bundesebene ist längst in         der seien in die Pflicht zu nehmen, besonders an
vollem Gange. Bereits im August forderte DOSB-Präsi-        Grundschulen Sport als Unterrichtsfach und Kooperati-
dent Thomas Weikert im Rahmen einer Sondersitzung           onsinhalt deutlich aufzuwerten.
der Sportministerkonferenz (SMK) einen „Pakt für den                                                Daniel Seehuber
Sport“, um den Abwärtstrend umzukehren. „Wir müs-
sen uns fragen, was wir für einen Leistungssport haben
wollen. Wir müssen uns fragen, wie wir unsere Athlet/
innen und Trainer/innen noch besser unterstützen
können. Wir müssen uns fragen, wie wir die Bedeutung

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Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.
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                                    Kurze Wege,
                                  enge Verzahnung
             Olympiastützpunkt, Internat, Stiftung und Sportfördergruppen sind zentrale Säulen des Fördersystems

    W
               as unterscheidet die Leistungssportförde-
               rung in Hessen von der in anderen Bundes-
               ländern? Darauf angesprochen muss Thomas
               Neu, Geschäftsbereichsleiter Leistungssport
    des Landessportbundes Hessen (lsb h), nicht lange
    überlegen. „Bei uns geht alles fließend ineinander
    über, weil alle Förderinstrumente im Haus des lsb h
    verortet sind.“ Hierzu zählen neben dem Landespro-
    gramm „Talentsuche – Talentförderung“ beispielsweise
    die Förderung der Talentstützpunkte (TSP), und die
    Nachwuchsarbeit in den Fachverbänden. Eine wichtige
    Rolle spielt dabei auch das Training am Olympiastütz-
    punkt Hessen (OSPH) im Landessportbund. „Wir haben
    in Hessen eine Fördersystematik geschaffen, die es
    möglich macht, Sportler/innen über alle Entwicklungs-
    stufen hinweg bis in den Spitzensport umfassend abzu-
    holen und zu betreuen“, erläutert Neu, gleichzeitig           Förderung hessischer Elite-Nachwuchs und Spitzenath-
    auch Geschäftsführer der Sportstiftung Hessen (SSH)           let/innen betreut. Das Angebot umfasst drei Säulen –
    und Leiter des Sportinternats. In der Fördersystematik        Gesundheitsmanagement (u. a. Sportmedizin/-diagnos-
    selbst, so Neu, sei einerseits der konstruktive, zielge-      tik), Duale Karriereplanung (u. a. Laufbahnbera-          OBEN
    richtete Austausch mit den Fachverbänden und ande-            tung) und Leistungsoptimierung (u. a. Trainingswissen-    Zehnkampf-Weltmeister
    rerseits der enge Draht zum Hessischen Ministerium            schaft). Zum erweiterten Angebot zählt die Wohnmög-       Niklas Kaul quält sich an
                                                                                                                            der Beinpresse beim
    des Innern und für Sport (HMdIS) entscheidend für die         lichkeit im Sportinternat und der Besuch der Carl-von-
                                                                                                                            Training am ISOMED2000
    erfolgreiche Arbeit.                                          Weinberg-Schule in Frankfurt, einer „Eliteschule des      – einem System, das eine
                                                                  Sports“. Zudem arbeitet der OSPH mit elf olympischen      detaillierte Messung und
    „Die Landespolitik versteht sich als Ermöglicher und          Spitzenverbänden (z. B. Leichtathletik, Hockey und Tur-   Analyse von Muskelkräf-
    nicht als Steuerer wie in einigen anderen Bundeslän-          nen) zusammen, die eine Spezialbetreuung für mehr als     ten ermöglicht. Den
    dern“, betont Neu und fährt fort: „Wir sprechen die glei-     360 Athlet/innen in Anspruch nehmen. Diese umfasst        ISOMED2000 nutzen viele
    che Sprache, agieren auf Augenhöhe und wissen, wohin          nicht nur die Beratung, sondern auch die Diagnostik und   Spitzensportler/innen
                                                                                                                            – insbesondere während
    wir wollen.“ Das HMdIS zeichne sich zudem dadurch aus,        Trainingsplanung, -steuerung, -durchführung und Me-       der Vorbereitung auf eine
    dass es selbst Entwicklungen anstoße und dabei keine          thodenentwicklung durch Trainingswissenschaftler/in-      Saison. Er ist eines von
    Anforderungen stelle, die nicht zu erfüllen seien. „Des-      nen. Abgerundet wird die Spezialbetreuung durch die       vielen Angeboten des
    halb sind wir in der Lage, sehr effektiv zu arbeiten und      Arbeit von Athletiktrainer/innen und Physiotherapeut/     Olympiastützpunktes
    Prozesse zügig voranzutreiben“, unterstreicht Neu. Ein        innen. Seit vielen Jahrzehnten ist der OSPH im Bereich    Hessen (OSPH), der als
    weiterer zentraler Aspekt sind freilich die kurzen Wege       Leichtathletik für den Weit- und Dreisprung zuständig     Servicestelle einen sehr
    in der Otto-Fleck-Schneise, wo der Geschäftsbereich           und begleitete zahlreiche Weltklasseathlet/innen – bei-   guten Ruf genießt.
                                                                                                                            Foto: Daniel Seehuber
    Leistungssport, der Olympiastützpunkt und die Sport-          spielsweise Olympiasiegerin Malaika Mihambo. Wie er-
    stiftung auf einem Stockwerk angesiedelt sind. Auch das       folgreich der OSPH generell arbeitet, dokumentiert sich
    Sportinternat und die Geschäftsstellen einiger Fachver-       in unzähligen Europa- und Weltmeistertiteln sowie in
    bände befinden sich in unmittelbarer Nähe. „Dadurch           vielen Olympischen Medaillen der vom Olympiastütz-
    sind die Förderinstanzen sehr eng miteinander verzahnt,       punkt betreuten Athlet/innen.
    obwohl sie organisatorisch eigenständig agieren“, er-
    klärt Neu. Was die Arbeit des Olympiastützpunktes und         Unter dem langjährigen Leiter Werner Schaefer erar-
    des dort angesiedelten Sportinternats sowie der Sport-        beitete sich der Stützpunkt einen sehr guten Ruf – weit
    stiftung auszeichnet und welchen Stellenwert Sportför-        über die hessischen Grenzen hinaus. „Der OSPH wird
    dergruppen für das Fördersystem haben, wird in den fol-       von den Bundesstützpunkten als Servicestelle aner-
    genden Absätzen erläutert.                                    kannt und intensiv genutzt – oft auch kurzfristig, wenn
                                                                  andere Wege nicht zum Ziel geführt haben“, erläutert
    Olympiastützpunkt Hessen                                      Markus Kremin, der im Februar dieses Jahres Schaefers
                                                                  Nachfolge antrat – und derzeit besonders die sportme-
    Seit 1992 ist der OSPH in Trägerschaft des lsb h. Rund        dizinische Versorgung im Blick hat. „Zusammen mit der
    400 Bundeskaderathlet/innen aus etwa 40 Sportarten            Sportklinik Frankfurt soll unser Netzwerk systematisch
    werden derzeit von der Dienstleistungseinrichtung zur         ausgebaut werden – über alle Fachgebiete hinweg. Wir

                                                                                                                             SIH 2 2 / 0 5 . 1 1 . 2 0 2 2
                                                                Zurück zum Inhalt
Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.
TITELTHEMA LEISTUNGSSPORT                                                                                                                           7

wollen unsere/n Athlet/innen schnell vermitteln, wenn         Hierzu zählen etwa Gesprächsangebote, Gemein-
sie fachärztliche Betreuung brauchen“, berichtet der          schaftsaktivitäten, die Betreuung in Lerngruppen, die
OSPH-Leiter. Auch der Bereich Sportpsychologie sei            Begleitung zu Arztterminen und die Pflege im Krank-
ein Feld, das man ins Visier genommen habe. „Gerade           heitsfall. Ein zentraler Bestandteil des pädagogischen
für die Arbeit im Sportinternat wird das immer wichti-        Konzepts ist das „Bezugsbetreuersystem“ und die Ein-
ger“, weiß Kremin, der sich für die Einstellung eines         teilung der Bewohner/innen in Bezugsgruppen, wie
Sportpsychologen stark macht. „Die Belastungen stei-          die pädagogischen Leiterinnen Claudia Pries und An-
gen kontinuierlich – sowohl für Nachwuchs- als auch           drea Schermuly erläutern. „Alle Athlet/innen haben
für Spitzenathlet/innen. Um sich auch in stressigen           eine feste Bezugsperson, die den Kontakt zum Eltern-
Phasen auf den Sport fokussieren zu können, brauchen          haus hält, Freizeit- und Informationsangebote in der
immer mehr Athlet/innen Hilfe im mentalen Bereich“,           Bezugsgruppe macht und über die schulischen Leistun-
erläutert Kremin. „Das funktioniert am besten, wenn           gen sowie die sportliche Entwicklung informiert ist.             Titelthema
ein Sportpsychologe als Festangestellter in die Struk-        Das gelingt, indem sich die Bezugsperson in engem,
turen eingebunden ist.“                                       permanentem Austausch mit der Schule und den Trai-
                                                              ner/innen befindet.“ Weiterentwickelt wurde in den
                                                                                                                         Leistungs-
                               In den vergangenen Jah-
                               ren       vorangetrieben
                                                              vergangenen Jahren u. a. die Verzahnung mit dem
                                                              schulischen Bereich. Als Schnittstelle agiert heute ein
                                                                                                                            sport
                               wurde insbesondere der         Schulkoordinator, der an der Carl-von-Weinberg-
                               Bereich Duale Karriere         Schule angestellt ist und mit einer halben Stelle als
                               und       Umfeldmanage-        Betreuer im Internat arbeitet. Intensiviert wurde die
                               ment, in dem die Lauf-         Zusammenarbeit mit den Sportpsycholog/innen des
                               bahnberatung eine zent-        Kooperationspartners „mentaltastic“, die den Nach-
                               rale Rolle spielt. Athlet/     wuchssportler/innen insbesondere in den ersten Wo-
                               innen in sportlicher,          chen ihres Aufenthalts zur Seite stehen. „Viele unserer
                               aber auch persönlicher,        Bewohner/innen können nur selten nach Hause fah-
                               sozialer und beruflicher       ren, weil die Heimat in vielen Fällen einige Kilometer
                               Hinsicht zu fördern, hat       entfernt ist“, weiß Internatsleiter Neu. „Deshalb ist es
                               sich der OSPH auf die          so wichtig, dass die Sportpsycholog/innen sie bei Be-      LINKS
Fahnen geschrieben. Deshalb pflegt er ein großes              darf intensiv begleiten und ihnen so das Ankommen          Laufbahnberatung im
Netzwerk und arbeitet mittlerweile mit allen staatli-         erleichtern.“                                              Olympiastützpunkt:
                                                                                                                         Bernd Brückmann
chen Hochschulen in Hessen sowie zahlreichen priva-
                                                                                                                         spricht mit Handballer
ten Anbietern zusammen. Auch die Kooperationen mit            Sportstiftung Hessen                                       Ben Seidel, amtierender
Fernhochschulen wurden sukzessive ausgebaut. Das                                                                         Juniorennationalspieler
Ziel: Athlet/innen den Zugang zu einer akademischen           „Wenn es sie nicht gäbe, müsste sie dringend erfunden      und Bundeskaderathlet.
Ausbildung erleichtern – durch erleichterte Zugangs-          werden“, kommentiert Geschäftsführer Neu den Stel-         Der Berater erklärt ihm
voraussetzungen, flexible Rahmenbedingungen und               lenwert der Stiftung, die im vergangenen Jahr 20-jäh-      ausführlich, wie er nach
eine Betreuung durch Mentoren aus der Professoren-            riges Jubiläum feierte. Ihre Bedeutung sei auch des-       dem Abitur trotz
                                                                                                                         Leistungssport ein
schaft. „Dabei geht es aber nicht um Erleichterungen,         halb so hoch, weil sich die Stiftung Deutsche Sporthilfe   Studium in Angriff
die eine geringere Qualität der akademischen Ausbil-          mittlerweile auf eine Eliteförderung fokussiere. „Viele    nehmen kann.
dung bedeuten würde“, erklärt Kremin. „Die Athlet/in-         hessische Athlet/innen sind aus dem Fördersystem           Foto: Daniel Seehuber
nen müssen die gleichen Prüfungsleistungen wie alle           rausgefallen – gerade im Nachwuchsbereich“, berich-
anderen Studierenden erbringen, haben aber die Mög-           tet Neu – wohl wissend, dass diese Athlet/innen nun
lichkeit, Prüfungen flexibel nachzuholen, wenn sie we-        noch mehr auf die Sportstiftung Hessen angewiesen
gen Wettkämpfen oder Trainingslagern verhindert               sind. Im vergangenen Jahr zog sie eine überaus posi-
sind.“ Dass der eingeschlagene Weg der Richtige ist,          tive Jubiläumsbilanz. Zwischen 2001 und 2021 schüt-
verdeutlicht ein Blick in die Statistik: Neun von zehn        tete die Stiftung mehr als 9,3 Millionen Euro an Förder-   Detaillierte Informationen
hessischen Spitzensportler/innen studieren mittler-           mitteln aus, unterstützte mehr als 1.600 Athlet/innen.     zur Laufbahnberatung,
weile parallel zum Leistungssport.                            23 von ihnen gewannen in dieser Zeit Gold bei Olympi-      zur Dualen Karriere und
                                                                                                                         den Netzwerken des
                                                              schen oder Paralympischen Spielen. „Ohne die Sport-
                                                                                                                         OSPH, beispielsweise zu
Sportinternat am Olympiastützpunkt Hessen                     stiftung wären viele Athlet/innen nicht so weit gekom-     Praktika oder beruflicher
                                                              men. Ohne sie hätten wir wesentlich mehr Athlet/           Ausbildung, finden sich
48 Athlet/innen aus acht Sportarten wohnen derzeit            innen, die ihre Karriere vorzeitig beenden“, meint Neu.    im Internet unter
im Sportinternat, das seit 2016 unter Trägerschaft des                                                                   www.osph.de/
lsb h steht und eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung er-            Gestartet mit kaum mehr als zehn Athlet/innen, för-        laufbahnberatung
möglicht. Es agiert in einem Verbundsystem mit der            dert die Stiftung mittlerweile jährlich über 300 Nach-
Carl-von-Weinberg-Schule und dem OSPH, dessen                 wuchs- und Spitzensportler/innen aus rund 50 Sport-
Laufbahnberater die Entwicklungen vieler Athlet/in-           arten – mit durchschnittlich rund 700.000 Euro. „Wir
nen sehr eng begleiten. Dank dieser Verzahnung und            haben viele verschiedene Fördermaßnahmen und kön-
kurzer Wege ist es den überwiegend minderjährigen             nen so sehr individuell auf die Bedürfnisse der Athlet/
Sportler/innen möglich, die Belastungen aus Schule,           innen eingehen“, erläutert Neu. Hierzu zählen etwa
Training und Wettkämpfen gut zu bewältigen. Nutzen            Zuschüsse für Fahrt- und Wohnkosten sowie Trainings-
können sie nicht nur alle Dienstleistungen des OSPH,          lager und für weitere sportbezogene Aufwendungen.
sondern auch vielfältige Angebote des Internats.              Zudem können Landes- und Bundeskaderathlet/innen

SIH 2 2 / 05.11.2022
                                                            Zurück zum Inhalt
Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.
8                                                                                                                     TITELTHEMA LEISTUNGSSPORT

    eine Förderung für den Aufenthalt in Sportinternaten
    beantragen – in Hessen und anderen Ländern. „Unsere
    Athlet/innen müssen maximal 150 Euro der monatli-
                                                                                              Erfolgreichen
    chen Kosten selbst übernehmen. Das erhöht die At-
    traktivität eines Internatsaufenthalts, der für die
                                                                                              Weg fortführen
    sportliche Entwicklung Gold wert sein kann“, betont
    Neu. Ebenfalls attraktiv: Eine Mitgliedschaft im Pers-
    pektivteam Hessen. Die derzeit knapp 50 Mitglieder
    haben bereits erste internationale Erfolge feiern kön-            RECHTS
    nen und werden mit jährlich 1.800 Euro für sportbezo-             Uni-Vizepräsidentin
    gene Kosten gefördert, um ihnen den Sprung vom                    Prof. Dr. Christiane
                                                                      Thompson (1. von
    Nachwuchselite- in den Spitzensport zu erleichtern.
                                                                      rechts) und Uni-
    Eine weitere wichtige Fördersäule: Das Hessenteam mit             Präsident Prof. Dr.
    derzeit fast 60 Athlet/innen, die auf ihrem Weg zu                Enrico Schleiff (2.
    Olympischen oder Paralympischen Spielen begleitet                 von rechts) lassen
    und pro Monat mit 220 Euro unterstützt werden. Über-              sich die Trainingsge-
    dies haben die Mitglieder beider Teams die Chance auf             räte des Olympia-
    Stipendien, mit denen eine zusätzliche monatliche                 stützpunktes Hessen
                                                                      (OSPH) erklären.
    Förderung von 200 bzw. 400 Euro verbunden ist. „Un-                                       Die Goethe-Universität in Frankfurt ist ein
                                                                      Auch OSPH-Leiter
    sere Athlet/innen sind mit den Fördermöglichkeiten                Markus Kremin (3.       wichtiger Partner des Olympiastützpunktes
    sehr zufrieden“, unterstreicht Neu. „Das verdeutlichen            v. r.), lsb h-Haupt-    Hessen (OSPH). Sie unterstützt junge Athlet/in-
    Evaluationen, in denen wir – verglichen mit anderen               geschäftsführer         nen dabei, Leistungssport und Bildungskarri-
    Fördereinrichtungen – sehr gut bewertet wurden.“                  Andreas Klages (4.      ere unter einen Hut zu bekommen. Anfang Ok-
                                                                      v. r.) und Lauf-        tober waren auf Einladung des OSPH der
                                                                      bahnberater Bernd
    Sportfördergruppen                                                                        Präsident Prof. Dr. Enrico Schleiff und Vizeprä-
                                                                      Brückmann (1. v. l.)
                                                                      hören Trainingswis-
                                                                                              sidentin Prof. Dr. Christiane Thompson zu Be-
    Bereits seit 2005 haben Spitzenathlet/innen die Chance,           senschaftler            such in der Sport- und Bildungsstätte des Lan-
    Mitglied in der Sportfördergruppe der hessischen Polizei          Christian Günther       dessportbundes Hessen (lsb h). Gemeinsam
    zu werden – und somit frühzeitig die Weichen für die Zeit         interessiert zu.        mit lsb h-Hauptgeschäftsführer Andreas Kla-
    nach der sportlichen Karriere zu stellen. Da das Studium          Foto: D. Seehuber       ges, OSPH-Leiter Markus Kremin und Lauf-
    von drei auf viereinhalb Jahre gestreckt wird, können                                     bahnberater Bernd Brückmann diskutierten
    Leistungssport und Berufsausbildung in Einklang ge-                                       sie, wie die seit 2003 bestehende Kooperation
    bracht werden. Anders als in einer klassischen Ausbil-                                    weiterentwickelt werden kann.
    dung ist es Athlet/innen dank flexibler Stundenplange-
    staltung möglich, an allen wichtigen Trainingseinheiten                                   „Die Zusammenarbeit mit der Goethe-Uni funktioniert
    und Wettkämpfen teilzunehmen – ohne Nachteile in                                          hervorragend. Für die Uni hat die Kooperation einen ho-
    Kauf nehmen zu müssen oder dauerhaft einer zu hohen               Die 2020 ins Leben      hen Stellenwert, wofür wir sehr dankbar sind“, betont
    Doppelbelastung ausgesetzt zu sein. „Die meisten För-             gerufene „Sportför-     Kremin und schiebt nach: „Immer wieder bekommen wir
    dergruppenmitglieder schließen nicht nur ihr Studium              dergruppe               positives Feedback von Athlet/innen.“ Ein gutes Bespiel
                                                                      Verwaltung“ bietet
    mit guten oder sehr guten Noten ab, sondern entwickeln                                    ist Bob-Olympiasiegerin Deborah
                                                                      die Möglichkeit zum
    sich auch sportlich prima weiter und feiern auf nationa-          Studium „Public         Levi (Foto: Daniel Seehuber). Die
    ler wie internationaler Ebene Erfolge. Das verdeutlicht,          Administration“.        gebürtige Dillenburgerin studiert
    dass das Konzept sehr gut auf die Anforderungen im                Generell richtet sich   an der Goethe-Uni Grundschul-
    Leistungssport abgestimmt ist“, sagt Annika Mehlhorn,             das Angebot an          lehramt und ist voll des Lobes für
    Vizepräsidentin Leistungssport des Landessportbundes              Leistungssportler/      die Arbeit von OSPH und Uni.
    Hessen (lsb h), die einst selbst Mitglied der Polizeisport-       innen, die eine         „Dank flexibler Rahmenbedingun-
                                                                      Alternative zum
    fördergruppe war.                                                                         gen habe ich die Möglichkeit, die
                                                                      Polizeidienst suchen
                                                                      und eignet sich         Karriere nach der Karriere frühzeitig vorzubereiten“,
    Seit rund zwei Jahren gibt es zusätzlich die Möglich-             besonders für           sagt die 25-Jährige. Wie rund 75 weitere Bundeskader-
    keit, Mitglied in der Sportfördergruppe der Verwaltung            Leistungssportler/      athlet/innen profitiert Levi von Strukturen und Vortei-
    zu werden und das Studium „Public Administration“ zu              innen aus den           len, die normalerweise nicht möglich sind. Sie kann
    absolvieren. Ihre Gründung war ein weiterer wichtiger             paralympischen          Klausuren verschieben und sich von der Präsenzpflicht
    Meilenstein einer erfreulichen Entwicklung, die in an-            Sportarten.             befreien lassen, wenn wichtige Trainingseinheiten oder
    deren Bundesländern intensiv verfolgt wurde. Vieler-                                      Wettkämpfe anstehen. Zudem hat sie in ihrem Fachbe-
    orts wurden in den Länderpolizeien mittlerweile ähnli-                                    reich einen Mentor, der sie bei der Studienkoordination
    che Konzepte umgesetzt. „Unsere Sportfördergruppen                                        berät. Levi nahm am langen und konstruktiven Dialog
    sind ein Erfolgsmodell“, betont Mehlhorn. Durch sie                                       teil, dem sich ein Rundgang durch die Räumlichkeiten
    seien viele Entwicklungen im Bereich Duale Karriere er-                                   des lsb h und OSPH anschloss. „Wir haben uns darüber
    möglicht und vorangetrieben worden. „Junge Talente                                        ausgetauscht, wo weitere Synergien möglich sind“, er-
    und ihre Eltern stehen heute nicht mehr vor der Wahl,                                     läutert Kremin. Denkbar sei es etwa, Kooperationen in
    ob sie auf Leistungssport oder Berufsausbildung setzen                                    den Bereichen Psychologie und Trainingswissenschaften
    – es geht beides“, unterstreicht Mehlhorn.                                                aufzubauen.
                                           Daniel Seehuber                                                                            Daniel Seehuber

                                                                                                                                     SIH 2 2 / 0 5 . 1 1 . 2 0 2 2
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Leistungssport - Gesprächsrunde - Landessportbund Hessen e.V.
TITELTHEMA LEISTUNGSSPORT                                                                                                                         9

                                Wünsche und Nöte
                                 in Blick nehmen
                        „Hessischer Weg“ rückt Bedürfnisse von Athlet/innen und Trainer/innen in Mittelpunkt /
                       Eigene Vertretungen im Landessportbund Hessen (lsb h) / Weitere Maßnahmen umgesetzt

D
        ie Positionen von Trainer/innen und Athlet/in-
        nen stärken, ihre Bedürfnisse in den Mittel-
        punkt rücken, sie in ihrer Entwicklung bestmög-
        lich begleiten und unterstützen: Das sind
wesentliche Aspekte, durch die sich der „Hessische
Weg“ auszeichnet. Die Lebenswirklichkeiten, Wünsche
und Nöte der zentralen Akteure im Leistungssport spie-
len eine große Rolle – in allen Überlegungen und Pla-
nungen zur Weiterentwicklung des Fördersystems. Die-
ses Selbstverständnis spiegelt sich auch in
Vertretungen für Trainer/innen und Athlet/innen wi-
der, die beim Landessportbund Hessen (lsb h) angesie-
delt sind. Ende Juni nahm der Dachverband mit einem
Beschluss auf dem Sportbundtag die unabhängige Ver-
tretung ihrer Interessen in seine Satzung auf. Es han-
delt sich seitdem um eine der Aufgaben, die im Bereich
Leistungssport erfüllt werden müssen. Das stärkt den          Anreize für jene gesetzt werden, die „langfristig ihre be-
Gestaltungsspielraum von Trainer/innen und Athlet/            rufliche Zukunft als Trainerin oder Trainer in Hessen se-
innen, die sich an Entwicklungsprozessen in den jewei-        hen“, wie es der Hessische Innen- und Sportminister so-      OBEN
ligen Gremien aktiv beteiligen können. Mit der Veran-         wie Stiftungsvorsitzender Peter Beuth beschreibt. Wer        Im September tagte der
kerung beider Vertretungen in der Satzung ist der lsb h       die Weiterbildung „Trainer im Nachwuchsleistungssport“       „Fachbeirat Trainer“ zum
                                                                                                                           ersten Mal. Ende Juni
Vorreiter in Deutschland.                                     des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) absol-
                                                                                                                           waren neben der Trainer/
                                                              vieren möchte, hat zudem die Möglichkeit, beim lsb h         innen- auch die Athlet/
Bereits Ende 2021 konstituiert hatte sich die Athlet/         die Übernahme der Kosten (1.500 Euro) zu beantragen.         innen-Vertretung in der
innen-Vertretung, die sich für die Belange aller Bun-         Überdies profitieren Trainer/innen – wie auch Athlet/in-     Satzung des Landessport-
deskaderathlet/innen in hessischen Vereinen und am            nen – von den zahlreichen Kooperationen des OSPH mit         bundes Hessen (lsb h)
Olympiastützpunkt Hessen (OSPH) einsetzt. Im Früh-            Bildungsinstitutionen wie der Deutschen Sportakade-          verankert worden.
jahr dieses Jahres folgte die Wahl eines „Fachbeirats         mie, die ihnen eine Duale Karriere ermöglichen, indem        Foto: Ralf Wächter
Trainer“, dem neun Akteur/innen aus unterschiedli-            sie attraktive, flexibel absolvierbare Aus- und Weiterbil-
chen Fachverbänden und leistungssporttreibenden               dungen anbieten. Das Land Hessen setzt sich zudem für
Vereinen angehören, die die Interessen aller im hessi-        die Einführung eines Studiengangs für Trainer/innen im
schen Leistungssport tätigen Trainer/innen vertreten.         Leistungssport an der Goethe-Universität in Frankfurt
Im September fand eine erste öffentliche Tagung statt.        ein. Dieser könnte perspektivisch eine sinnvolle Alterna-
Mehr als 60 Trainer/innen aus insgesamt 26 Sportarten         tive zur Ausbildung an der Deutschen Sporthochschule
nahmen an der Zusammenkunft teil, die unter dem Slo-          in Köln darstellen.
gan „Trainer im Wandel der Gesellschaft“ stand und
                                                                                                                                 Titelthema
den Status quo in Hessen beleuchtete. Das Fazit: Die          Unterstützung für Leistungssport in Vereinen
Rahmenbedingungen entsprechen noch nicht dem,                                                                               Leistungs-
was sich Trainer/innen wünschen. Die Wertschätzung
für den Beruf etwa müsste höher sein – nicht nur in fi-
                                                              Unterstützung können auch Athlet/innen und Trainer/
                                                              innen bekommen, die in leistungssporttreibenden Ver-             sport
nanzieller Hinsicht. Allerdings wurden auch die Ent-          einen aktiv sind. Hessen zählt zu den wenigen Bundes-
wicklungen gelobt, die sich in den vergangenen Jahren         ländern, in denen nicht nur die Arbeit in den Verbän-
vollzogen haben. Das Land Hessen und der lsb h haben          den vom Land bezuschusst wird. Seit rund vier Jahren
in vielerlei Hinsicht Verbesserungen angestoßen – bei-        haben leistungssporttreibende Vereine die Möglich-
spielsweise mit einem Landestrainerprogramm.                  keit, in mehreren Bereichen eine Förderung zu bean-
                                                              tragen – etwa für besondere Trainings- und Wett-
Eine aktuelles Projekt: Die Vergabe von Stipendien an         kampfmaßnahmen von Nachwuchs- und Spitzenathlet/
junge Verbands- oder Vereinstrainer/innen durch die           innen, die Beschaffung spezieller Materialien oder die
Sportstiftung Hessen (SSH), um ihre Arbeit wertzuschät-       kurzfristige Beschäftigung von Spezialtrainern. Insge-
zen und die Attraktivität des Berufs zu steigern. Mit ei-     samt stehen 200.000 Euro zur Verfügung.
ner monatlichen Förderung von bis zu 400 Euro sollen                                                 Daniel Seehuber

SIH 2 2 / 05.11.2022
                                                            Zurück zum Inhalt
10                                                                                                                TITELTHEMA LEISTUNGSSPORT

                         Wichtige Unterstützung
        Eduard Trippel, Olympia-Silbermedaillengewinner von Tokio, ist schon seit mehreren Jahren auf dem „Hessischen Weg“

     O
             lympia-Silber im Einzel, Bronze im Team,
             Sportler des Jahres in Hessen und kürzlich wie-
             der Team Bronze bei der WM in Taschkent (Us-
             bekistan): Judoka Eduard Trippel blickt zufrie-
     den auf die vergangenen zwei Jahre zurück. Zwar ist er
     bei den Titelkämpfen im Oktober im Einzel ( „selbstver-
     schuldet“) früh ausgeschieden, doch insgesamt verlief
     die Saison für ihn gut und er hat sein Ziel, den Final-
     Kampf um die Goldmedaille bei den Olympischen Spie-
     len in Paris 2024 fest im Blick.

     Dass sein Traum von einer olympischen Medaille je
     Wirklichkeit werden könnte, stand für den Rüsselshei-
     mer 2016 noch stark in Frage. Zwei Jahre zuvor hatte
     er die Bronzemedaille bei den Europameisterschaften          Dennoch beschreibt die Episode gut, mit welchem En-
     der Kadetten gewonnen und jetzt begann er seine Aus-         gagement die Förderung der Leistungssportler/innen
     bildung in der Sportfördergruppe der Hessischen Poli-        in Hessen angegangen wird, und dass Förderung auch         OBEN
     zei. „Der Laufbahnberater des Olympiastützpunktes,           weit mehr bedeutet, als nur finanzielle Mittel bereitzu-   Die Silbermedaille von
     Arnulf Rücker hat mich damals auf die Idee gebracht,         stellen. Eduard Trippel ist vom Hessischen Weg über-       Tokio hat bei Eduard
                                                                                                                             Trippel Lust auf mehr
     dass diese Ausbildung für mich der richtige Weg sein         zeugt: das Studium in der Sportfördergruppe bietet
                                                                                                                             gemacht. Der
     könnte“, erinnert sich Eduard Trippel an diese Zeit.         zum einen den Raum, der nötig sei, um sich sportlich       Rüsselsheimer Judoka
                                                                  weiterzuentwickeln, gleichzeitig schaffe die berufliche    will in Paris 2024 Gold
     Der Hessische Weg mit Hindernissen                           Perspektive die nötige Sicherheit, um sich tatsächlich     gewinnen!
                                                                  auf den Sport konzentrieren zu können.                     Foto: DOSB
     Die Ausbildung ermöglicht den Sportler/innen, mor-
     gens vor dem Unterricht und am frühen Nachmittag zu          Kontinuität in der Betreuung
     trainieren. „Dafür ist die Ausbildungsdauer gestreckt,
     bei uns Sportlern dauert sie viereinhalb, statt wie üb-      Auch die Kontinuität in der Betreuung spielt für Trippel
     lich drei Jahre“, erläutert der inzwischen fertige Poli-     eine wichtige Rolle. „Die Physiotherapeuten des Olym-
     zeikommissar. „Eigentlich ideale Voraussetzungen.“           piastützpunktes haben mir schon im Juniorenbereich
                                                                  sehr viel geholfen“, sagt er. Da Judo ein verletzungs-
     Doch der Judo-Bundestrainer war da anderer Auffas-           anfälliger Sport ist, schätzt Trippel die Unterstützung
     sung! Er bedeutete Trippel, dass er nur dann mit inter-      der medizinischen Abteilung des Olympiastützpunktes
     nationalen Nominierungen im Seniorenbereich rech-            ganz besonders. „Gerade in der Reha und beim Auf-
     nen könne, wenn er in Köln trainieren würde. Das             bautraining spielen die Physios eine wichtige Rolle“,         Titelthema
     würde aber gleichzeitig den Abbruch der Ausbildung in        weiß er. Hinzu kommt die Nähe zum Rüsselsheimer
     Hessen bedeuten. Ein Schock für den jungen Sportler.
     Doch er war nicht alleine, sondern bekam Unterstüt-
                                                                  Heimtrainer Andreas Esper, der für ihn immer noch
                                                                  eine bedeutende Rolle spielt. „Andreas Esper hat
                                                                                                                             Leistungs-
     zung. „Ich erinnere mich noch, wie wir damals zusam-
     men saßen. Meine Polizeiausbilder, ein Vertreter des
                                                                  mich schon als Kind trainiert und seine Ratschläge
                                                                  und Tipps sind für mich immer noch wichtig.“ Auch
                                                                                                                                sport
     Innenministeriums, Thomas Neu vom Landessport-               das regelmäßige Training mit seinem Sparringspart-
     bund, Werner Schaefer vom Olympiastützpunkt und              ner Nils Fassmann beim Judoclub Rüsselsheim ist ein
     nicht zuletzt der Bundestrainer. Das war ein harter          Baustein in Trippels Erfolgsgeschichte.
     Kampf.“
                                                                  Froh ist Eduard Trippel auch über die Hilfe durch die
     Aber es gelang der Runde, ein Modell zu entwickeln,          Sportstiftung Hessen und den Geschäftsbereich Leis-
     das allen Bedürfnissen gerecht wurde und ermöglichte,        tungssport des Landessportbundes. Von dort wird er
     dass Trippel in Hessen bleiben konnte. Der Erfolg gibt       beispielsweise bei der Sponsorensuche erfolgreich un-
     den Beteiligten Recht. Eduard Trippel gehört inzwi-          terstützt: Seit Kurzem ist Eduard Trippel mit einem
     schen zu den zehn besten Judoka der Welt „und seit           BMW des Wiesbadener Autohauses Karl und Co. unter-
     den Olympia-Medaillen kann ich mehr oder weniger             wegs, das dem Silbermedaillengewinner zur Verfügung
     selbst entscheiden, wann und wo ich trainiere“, sagt er      gestellt wird. Eine Hilfe, die Eduard Trippel durchaus
     mit einem verschmitzten Lächeln.                             wertzuschätzen weiß.
                                                                                                          Markus Wimmer
                                                                                                                              SIH 2 2 / 0 5 . 1 1 . 2 0 2 2
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TITELTHEMA LEISTUNGSSPORT                                                                                                                         11

                         Der richtige Schritt
                       Benedikt Sachs: Das Sportinternat als perfekte Lösung für Hanauer Ruderer

U
        m 6.15 Uhr startet der Tag für Benedikt Sachs
        mit dem Frühstück in der Sportschule des Lan-
        dessportbundes. Danach geht es von 7 Uhr bis
        9.30 Uhr in die erste Trainingseinheit für den
18-jährigen Ruderer aus dem Sportinternat des Lan-
dessportbundes. Nach dieser ersten Einheit fährt er mit
dem Fahrrad zur Carl-von-Weinberg-Schule, wo bis ge-
gen 13 Uhr Unterricht auf dem Programm steht. Nach
dem Mittagessen im lsb h-Sportrestaurant geht es
dann wieder per Rad zum Bootshaus der Frankfurter
Rudergesellschaft Germania (FRG), wo dann bis zum
Abend Training auf dem Wasser ansteht.

Benedikt Sachs hat das Rudern im Alter von 13 Jahren
an der Hohen Landesschule in Hanau im Rahmen eines           denkt über verschiedene Perspektiven nach. Auf jeden
Schulprojektes kennengelernt und trainierte bislang in       Fall sind ihm die Anregungen und Tipps von Laufbahn-
der Hanauer Rudergesellschaft 1879. Seit Februar             berater Bernd Brückmann vom Olympiastützpunkt Hes-
2022 lebt der Hanauer im Sportinternat in Frankfurt.         sen wichtig, Benedikt Sachs macht sich einige Gedan-
Die gute und enge Zusammenarbeit zwischen Olympia-           ken über seine sportliche und außersportliche Zukunft.
stützpunkt Hessen, Sportinternat und der Carl-von-
Weinberg-Schule hat es ihm ermöglicht, mitten im             Für sein Prüfungsfach Sport ist er allerdings uneinge-    OBEN
Jahr nahezu problemlos die Schule zu wechseln.               schränkt zuversichtlich und nennt gleich einen weite-     Benedikt Sachs (Mitte)
                                                             ren Vorteil aus seinem Umzug ins Sportinternat: „Beim     bei den Deutschen
                                                                                                                       Meisterschaften in Köln.
15 Minuten bis zum Bootshaus                                 Thema Volleyball habe ich unheimlich von meinen Mit-
                                                                                                                       Foto: Felizita Sachs
                                                             schülern profitiert, das ist wirklich etwas besonderes,
Sachs rudert jetzt für die Frankfurter Rudergesellschaft     wer kann sich sonst schon Tipps von Nationalspielern
Germania (FRG), deren Bootshaus er innerhalb von 15          holen?“
Minuten mit dem Rad erreichen kann. Den Schritt weg
aus dem Elternhaus nach Frankfurt ins Sportinternat          Aber nicht nur von der Unterstützung durch andere
hat er bis heute nicht bereut.                               Sportlerinnen und Sportler und den gemeinsamen
                                                             Teamgeist ist er begeistert, auch die Rahmenbedin-
„Mein Ziel war es, mich für die Weltmeisterschaft im         gungen, die das Sportinternat bietet, weiß er zu schät-
Zweier zu qualifizieren, wofür ich bessere Trainingsbe-      zen. „Die Betreuung im Sportinternat ist wirklich um-
dingungen brauchte. Da ich aber auch mein Abitur ma-         fassend, und man bekommt schon sehr vieles
chen möchte und somit Schule und Training in Ein-            abgenommen“, lobt er sein aktuelles Umfeld. „Und da
klang bringen muss, war der Umzug ins Internat genau         ich schon 18 bin, kann ich mir meinen Tagesablauf
der richtige Schritt für mich.“                              auch selbstständiger einteilen, als die jüngeren Schü-
                                                             lerinnen und Schüler.“
Die Qualifikation für die Junioren-Weltmeisterschaft
hat Benedikt Sachs zwar in diesem Jahr knapp ver-            Zur Selbstständigkeit führen
passt, doch der Rückschlag fördert seinen Ehrgeiz
eher, als ihn zu bremsen. „Im ersten U23-Jahr ist es         Für die Jüngeren wird bestens gesorgt und viel Energie
extrem schwer gleich an der Spitze mitzumischen, dazu        darauf verwendet, die schulische und die sportliche
muss man schon ein wirklich herausragendes Talent            Entwicklung gleichermaßen zu fördern, ist seine Erfah-
sein“, weiß er. So steht aktuell für den 18-Jährigen zu-     rung. „Es ist toll zu sehen, wie die Jüngeren dabei zu
nächst neben dem täglichen Training die Schule mehr          immer mehr Selbstständigkeit geführt werden“. Denn
im Vordergrund.                                              obwohl den Schülerinnen und Schülern viele Erschwer-
                                                             nisse erleichtert werden, sollen sie alle am Ende zu
Benedikt Sachs würde gerne Medizin studieren, aber           selbstsicheren und mündigen Sportlerinnen und Sport-
der dafür notwendige Numerus Clausus stellt eine             lern werden.
schwere Hürde dar. Auch dank der Unterstützung durch
das Sportinternat hat er zwar immer noch Hoffnung,
dieses Ziel zu erreichen, aber er ist auch Realist und                                              Markus Wimmer

SIH 2 2 / 05.11.2022
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                  Am Ende zählt die Leistung
                     Hessens Leistungssportförderung hat viele erfolgreiche Athletinnen und Athleten hervorgebracht

     L
          eistungssportförderung ohne Leistungen ergibt
          keinen Sinn, daran besteht sicher kein Zweifel.
          Der Medaillenspiegel sollte zwar nicht das Maß
          aller Dinge sein, aber im gesamten Sport gilt, was
     auch für den Fußball gilt: „Wichtig ist auf dem Platz“
     oder anders gesagt: Am Ende zählen die Ergebnisse.

     Dass die Sportförderung in Hessen weit mehr im Blick
     hat als Ergebnisse und Medaillen, kennzeichnet den
     Hessischen Weg. Es wird auch auf die Karriere nach der
     Karriere geschaut, und die Betreung zielt auf weit mehr
     ab als auf die reine Leistungsfähigkeit der Sportler/in-
     nen. Und dennoch oder gerade deshalb kann sich die
     sportliche Bilanz der hessischen Leistungssportförde-
     rung sehen lassen.

     Eckpfeiler der Förderung

     Einer der Eckpfeiler der Leistungssportförderung in
     Hessen ist die Sportstiftung Hessen, die am 11. Dezem-
     ber 2001 unter dem damaligen Namen „Stiftung Sport-
     hilfe Hessen“ gegründet wurde. Unterstützt wurden
     damals zunächst ein rundes Dutzend Sportlerinnen
     und Sportler. Die Namen Ariane Friedrich, Betty Heid-
     ler, Fabian Hambüchen oder Timo Boll sprechen für
     sich.                                                        Was Nicht-Hess/innen nur selten wissen: Hessen ist ein
                                                                  Wintersportland. Skispringer Stephan Leyhe steht hier-
     Sie stehen für die Sportförderung in Hessen ebenso wie       für ebenso wie die Bob-Olympiasiegerin Deborah Levi               OBEN
     Stephan Leyhe, Carolin Schäfer, Marco Koch, Sarah            oder die Bob-Pilotin Kim Kalicki. Und Hessen bringt               Hessische Spitzensport-
     Wellbrock oder Christian Reitz. Sie alle sind Olympia-       immer wieder auch Geschichten hervor, wie die von Fe-             ler/innen (oben von
                                                                                                                                    links): Dorothee
     sieger/innen, Welt- oder Europameister/innen, haben          lix Rhijnen, jetzt ebenfalls Wintersportler im Eisschnel-
                                                                                                                                    Schneider und Stephan
     Medaillen gewonnen oder Rekorde errungen. Dabei              lauf, der zuvor auf Inlineskates Titel um Titel geholt            Leyhe, (unten von
     zeichnet sich der hessische Top-Leistungssport durch         hat und erfolgreich die Rollen gegen Kufen getauscht              links): Sarah Wellbrock
     eine große Vielfalt aus. Aktuell betreut die Sportstif-      hat.                                                              und Deborah Levi.
     tung beispielsweise rund 300 Athletinnen und Athle-                                                                            Fotos: Dorothee
     ten in mehr als 40 Sportarten.                               Erfolgsmodell Sportfördergruppe                                   Schneider: Stefan
                                                                                                                                    Lafrentz, Stephan Leyhe:
                                                                                                                                    Team Deutschland/
     Große Vielfalt in Hessen                                     Rhijnen ist ebenso Polizist wie Eduard Trippel oder               Marvin Ronsdorf, Sarah
                                                                  Olympiasieger Christian Reitz. Auch Carolin Schäfer               Wellbrock: Sheila Sheth,
     Mit Timo Boll, Patrick Franziska, Ruwen Filus oder Pet-      und Kim Kalicki waren in der Sportfördergruppe der                Deborah Levi: Team
     rissa Solja wird deutlich, dass Hessen eine Tischtennis      Hessischen Polizei. Letztere war im Übrigen wie viele             Deutschland/Hüttemann
     -Hochburg ist. Aber auch die Leichtathletik in Hessen        der Genannten Hessens Sportlerin des Jahres und zu-
     bringt Spitzensportler/innen hervor. Gesa Krause, Caro       vor Hessens Newcomer des Jahres. Fabian Hambüchen
     Schäfer und zuletzt Lisa Mayer bringen in ihren Diszip-      ist ebenso auf dieser Liste wie Gesa Krause, Carolin
     linen Spitzenleistungen. Auch der Para-Leichtathlet          Schäfer, Eduard Trippel oder Europameisterin Lisa
     Felix Streng und Para-Schützin Natascha Hiltrop be-          Mayer. Sie alle wurden schon als Jugendliche oder Ju-
     treiben ihren Sport auf höchstem Niveau.                     nior/innen ausgezeichnet, was als Beleg dafür gedeu-
                                                                  tet werden kann, dass die hessische Leistungssportför-
     Mit Sarah Wellbrock, Anna Elendt und Lukas Matzerath         derung ihr ureigenstes Ziel nicht aus den Augen
     ist auch der Schwimmsport stark vertreten. Alexander         verliert, die Förderung von jungen Athletinnen und
     Wieczerzak und Eduard Trippel stehen für begeisternde        Athleten, um sie an die Spitze in ihren jeweiligen
     Judo-Kämpfe und auch im Reitsport sind Hessen mit            Sportarten zu bringen indem man sie umfassend
     der zweifachen Olympiasiegerin Dorothee Schneider in         unterstützt.
     der Weltspitze.                                                                                     Markus Wimmer

                                                                                                                               SIH 2 2 / 0 5 . 1 1 . 2 0 2 2
                                                                Zurück zum Inhalt
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