Medikamente im Alter: Welche Wirkstoffe sind ungeeignet? - BMBF

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Medikamente im Alter: Welche Wirkstoffe sind ungeeignet? - BMBF
Medikamente im Alter:
Welche Wirkstoffe sind
ungeeignet?
Medikamente im Alter: Welche Wirkstoffe sind ungeeignet? - BMBF
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Inhaltsverzeichnis

Vorwort                                                       3

Altern hat viele Facetten                                     4

Medikamente im Alter: Anderer Stoffwechsel, andere Wirkung    6

Nutzen und Risiko                                             8

Welche Medikamente sind für Sie möglicherweise ungeeignet?   12

Der Umgang mit dieser Broschüre                              14

3 Fragen, 3 Antworten zur PRISCUS-Liste                      16

Typische Nebenwirkungen und mögliche Auslöser                18

Medikamente gegen Depression                                 20

Medikamente „für die Nerven“ (Neuroleptika)                  22

Schlaf- und Beruhigungsmittel                                24

Medikamente gegen Herzerkrankungen                           27

Medikamente gegen zu hohen Blutdruck                         29

Medikamente gegen Infektionen und Allergien                  31

Medikamente gegen Beschwerden beim Wasserlassen              33
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Medikamente gegen Schmerzen und Entzündung               35

Medikamente gegen Übelkeit oder Verstopfung              38

Medikamente zur Blutverdünnung                           39

Sonstige Medikamente gegen Kopfschmerz, Krämpfe,
Vergesslichkeit sowie zur Förderung der Durchblutung     40

Im Alter potenziell ungeeignete Wirkstoffe von A bis Z   43

Impressum                                                45
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Vorwort
Gewohnheiten sind mächtig. Wer sein Leben           Gut leben bis ins hohe Alter, dazu leistet die
lang bei Schmerzen oder anderen Beschwer-           Forschung einen wichtigen Beitrag. Ich wün-
den zu einer altbewährten Pille gegriffen hat,      sche allen Leserinnen und Lesern Gesundheit
der bleibt auch bei zunehmendem Alter erst          und Wohlbefinden.
einmal dabei. Das muss nicht immer gut sein.
Denn das Alter eines Menschen beeinflusst,
wie wirksam und verträglich ein Medikament
ist. Viele Wirkstoffe sind für ältere Menschen
ungeeignet. Welche das sind, wurde in einem         Anja Karliczek
vom Bundesforschungsministerium geförder-           Mitglied des Deutschen Bundestages
ten Projekt untersucht.                             Bundesministerin für Bildung und Forschung

Daraus entstanden ist die PRISCUS-Liste. Die
vorliegende Auflage wurde auf den neuesten
Stand gebracht. Sie nennt mehr als 80 Wirkstoffe,
die für ältere Menschen ungeeignet sein können,
und beschreibt die häufigsten Nebenwirkungen
sowie Hinweise zu therapeutischen Alternativen.
Information ist notwendig, denn gerade ältere
Menschen leiden oft unter mehreren Krankhei-
ten. Außerdem steigt ihr Risiko für chronische
Erkrankungen. Zwei von drei Arzneimitteln
wurden in den vergangenen Jahren für Men-
schen über 60 Jahre verordnet. Umso wichtiger
ist, dass diese gut verträglich und wirksam sind.
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Altern hat viele Facetten
Wir werden immer älter, und das ist eine gute Nachricht. Doch mit dem Alter steigt
auch die Zahl der Menschen, die wegen chronischer Erkrankungen Medikamente ein­
nehmen. Mehr als die Hälfte aller Arzneimittelverordnungen werden in Deutschland
an Menschen ab 60 Jahren ausgegeben.

Berechnungen des Statistischen Bundesamts zu-        Grobe Faustregel: Je älter, desto
folge ist im Jahr 2030 gut ein Viertel und im Jahr   mehr Tabletten
2060 knapp ein Drittel der Bevölkerung 65 Jahre      Menschen zwischen 60 und 64 Jahren erhalten
oder älter. Derzeit ist es gut ein Fünftel. Noch     im Mittel etwa 2 bis 3 verschiedene Arzneimit-
stärker legt die Zahl der Hochbetagten zu, also      tel pro Tag. Bei über 80-Jährigen sind es 4 bis 5,
der Menschen, die 80 Jahre oder älter sind. Im       in anderen Statistiken auch mehr. Werden auch
Jahr 2016 zählten nur rund 6 Prozent der Deut-       noch all jene Medikamente berücksichtigt, die
schen zu diesem exklusiven Club. Im Jahr 2060        sich Patienten ohne ärztliche Verordnung selbst
werden es voraussichtlich knapp 12 Prozent sein.     in der Apotheke kaufen, dann steigen diese
                                                     Zahlen weiter an. Die gesetzliche Krankenversi-
Körper und Geist werden im Alter reifer, aber        cherung (GKV) hat für das Jahr 2005 berechnet,
sie werden auch anfälliger für Erkrankungen,         dass jeder Versicherte über 60 pro Jahr rund
insbesondere für chronische Erkrankungen.            sieben Arzneimittelpackungen in Eigenregie
Das spiegelt sich unter anderem in einem ver-        erwirbt. Da die Zahl der frei verkäuflichen Me-
gleichsweise hohen Arzneimittelkonsum wider:         dikamente steigt, dürfte diese Zahl heute eher
Im Jahr 2016 gingen in Deutschland 55 Prozent        höher liegen.
aller Arzneimittelverordnungen an Menschen
der Altersgruppe ab 65 Jahren. Der Anteil dieser
Altersgruppe an der Gesamtbevölkerung lag
dagegen nur bei 22 Prozent.
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ALTERN HAT VIELE FACETTEN                                                                                   5

Welche Medikamente nehmen
alte Menschen ein?
Die altersabhängige Zunahme chronischer
Erkrankungen ist der wesentliche Grund für
die hohe Zahl an Arzneimittelverordnungen
bei über 60-Jährigen. Die Mehrheit der an alte
Menschen verordneten Medikamente kommt
aus einer der folgenden vier Gruppen:

●●   Medikamente gegen Herz-Kreislauf-
     Erkrankungen
     Sie sind der Spitzenreiter unter den Arznei-
     mitteln im Alter. Bei einer Befragung zu Hau-
     se lebender Senioren, der getABI-Befragung,
     waren sogenannte ACE-Hemmer (Endung
     auf -pril, zum Beispiel Ramipril) und soge-
     nannte AT1-Blocker (Endung auf -sartan,
     zum Beispiel Candesartan) die am häufigsten
     eingesetzten Medikamente überhaupt. Auf
     Platz zwei folgten Hemmstoffe der Blut-
     gerinnung wie etwa ASS.
                                                       Im Jahr 2016 gingen 55 Prozent der Arzneimittel-
                                                       verordnungen (gemessen als definierte Tagesdosen,
●●   Medikamente gegen Hormon- und                     DDD) an Menschen über 64 Jahre (Quelle: Schwabe/
     Stoffwechselstörungen                             Paffrath; Arzneiverordnungsreport 2017).
     Sie kommen vor allem bei Fettstoffwechsel-
     störungen, Diabetes und bei Schilddrüsen-              finden sich in nahezu jedem Seniorenhaushalt.
     erkrankungen zum Einsatz. Cholesterinsenker            Dazu kommt noch das reine Schmerzmittel
     („Statine“) gehören zu den sehr häufig verord-         Paracetamol. Ausgeprägte Schmerzen werden
     neten Medikamenten im Alter. Die Palette der           mit sogenannten Opioiden behandelt, die als
     Medikamente gegen Diabetes ist relativ breit           Tabletten, Tropfen oder Pflaster erhältlich sind.
     und umfasst sowohl Insuline als auch Tablet-
     ten. Der am häufigsten als Tablette eingesetzte   ●●   Neuropsychiatrische Medikamente
     Wirkstoff beim Diabetes ist Metformin.                 Medikamente, die auf das Nervensystem
                                                            wirken, werden im Alter bei so unterschied-
●●   Medikamente gegen Schmerzen                            lichen Beschwerden wie Schlaflosigkeit,
     Bei den häufigen Gelenk- und Knochenbe-                Depression, Unruhe, Gedächtnisstörungen
     schwerden im Alter werden vor allem so-                und Aggressivität eingesetzt. Unterschieden
     genannte nicht steroidale Antirheumatika               werden antidepressiv wirkende Medika-
     eingesetzt, die sowohl gegen Schmerzen als             mente, Beruhigungsmittel, Medikamente ge-
     auch gegen Entzündung wirken. Präparate mit            gen Gedächtnisstörungen und Medikamente
     Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Diclofenac              gegen Erregungszustände („Neuroleptika“).
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Medikamente im Alter:
Anderer Stoffwechsel, andere Wirkung
Medikamente, die gut wirken, können immer auch Nebenwirkungen haben. Das ist
bekannt. Weniger bekannt ist, dass Wirkungen und Nebenwirkungen von Medika­
menten altersabhängig sind. Auch zwischen Männern und Frauen kann es Unter­
schiede in der Wirksamkeit und Verträglichkeit geben.

Wenn ein Medikament in einer bestimmten             sowie auf eine Veränderung des Gewebes hin.
Dosierung bei einem 70 kg schweren Mann von         Auch die Funktion von wichtigen Organen
30 Jahren gut wirkt, heißt das nicht zwangsläu-     wie der Leber, vor allem aber der Niere, verrin-
fig, dass dieselbe Dosierung auch bei einer 70 kg   gert sich. Die Empfindlichkeit des Organismus
schweren Frau von 85 Jahren eine gute Idee ist.     gegenüber Medikamenten nimmt teilweise zu,
Oft wirken Medikamente im Alter stärker. Wie        entweder weil Zellen und Gewebe selbst anfäl-
kommt es zu diesen Unterschieden?                   liger werden oder weil dem Körper bestimmte
                                                    Kompensationsmechanismen nicht mehr in
Der alternde Körper verändert sich                  dem Ausmaß zur Verfügung stehen, wie das in
Im Rahmen des ganz normalen Alterungspro-           jungen Jahren der Fall ist. Die nebenstehende
zesses ändert sich beim Menschen nicht nur          Abbildung gibt einen Überblick über wichtige
das Aussehen. Die Falten weisen schon auf           altersabhängige Veränderungen des Organis-
eine andere Zusammensetzung des Körpers             mus, die für die Arzneimitteltherapie relevant
im Hinblick auf den Wasser- und Fettanteil          sein können.
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MEDIKAMENTE IM ALTER: ANDERER STOFFWECHSEL, ANDERE WIRKUNG                                             7

Große Wissenslücken bei der
                                                      Anderer Körper, andere Wirkung
Arzneimitteltherapie im Alter
Klinische Studien mit mehreren Hundert bis
                                                       Der Körper eines jungen Mannes besteht zu
vielen Tausend Erkrankten sind die Voraus-
                                                       etwa 20 Prozent aus Fett und zu etwa 50 bis
setzung, damit ein neuer Wirkstoff durch die
                                                       60 Prozent aus Wasser. Bei Frauen ist der
Behörden zugelassen wird und auf dem Markt
                                                       Fettanteil etwas höher. Unabhängig vom
eingeführt werden kann. An diesen Studien
                                                       Geschlecht nimmt der Fettanteil im Alter auf
nehmen sehr alte Menschen oder auch Men-
                                                       bis zu 30 Prozent zu, und der Anteil des Ge-
schen mit einigen alterstypischen Erkrankun-
                                                       samtkörperwassers verringert sich auf 30 bis
gen oft gar nicht erst teil. Das heißt nicht, dass
                                                       40 Prozent. Medikamente, die sich im Fettge-
die jeweiligen Medikamente nicht auch im
                                                       webe anreichern, wirken bei alten Menschen
Alter wirken. Sie werden dort nur viel weniger
                                                       deswegen länger. Umgekehrt werden bei
untersucht. Die ärztliche Erfahrung und ein
                                                       Medikamenten, die sich vor allem im Körper-
gutes Auge für unerwünschte Wirkungen sind
                                                       wasser verteilen, bei gleicher Dosis rascher
deswegen bei alten Patientinnen und Patienten
                                                       hohe Medikamentenspiegel erreicht.
noch wichtiger als sonst.

 Abnahme der Nierenfunktion:
 Die Leistungsfähigkeit der Nieren
 nimmt ab dem 40. Lebensjahr
 um etwa ein Prozent pro Jahr ab.
 Bei Diabetes (Zuckerkrankheit)
 und hohem Blutdruck verringert
 sich die Nierenfunktion deutlich                                     Empfindlichere Nervenzellen:
 stärker. Dann muss bei vielen                                        Der alte Mensch reagiert deut-
 Medikamenten, die über die Niere                                     lich empfindlicher auf Medika-
 ausgeschieden werden, die Dosis                                      mente, die am Nervensystem
 verringert werden.                                                   und am Gehirn ansetzen oder
                                                                      dort Nebenwirkungen verursa-
                                                                      chen.
 Abnahme der Leberfunktion:
 Manche Medikamente werden
 durch die Leber und Galle aus-
 geschieden. Die Arbeit der Leber                                     Fehlende Kompensations-
 ist weniger altersabhängig als                                       möglichkeiten:
 die Arbeit der Niere, zumindest
 weiß man nicht sehr viel darüber.                                    Blutdruckschwankungen
 Nur einige wenige Medikamente,                                       können im Alter nicht mehr so
 deren Abbau von sehr speziellen                                      gut ausgeglichen werden.
 Leberfunktionen abhängig ist,                                        Kreislaufwirksame Medikamen-
 wirken im Alter auffällig stärker                                    te führen deswegen bei alten
 als in jungen Jahren.                                                Menschen häufiger zu Schwin-
                                                                      delproblemen und Stürzen.
Medikamente im Alter: Welche Wirkstoffe sind ungeeignet? - BMBF
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Nutzen und Risiko
Medikamente können im Alter bei vielen chronischen Erkrankungen das Leiden lindern.
Oft verlängern sie sogar das Leben. Aber die Arzneimitteltherapie im Alter hat auch
spezifische Risiken, die vielen nicht immer bewusst sind.

Es ist deswegen wichtig zu wissen, welche Me-   sein, insbesondere dann, wenn es eine Stamm-
dikamente eingenommen werden und welche         apotheke gibt, die immer besucht wird.
Nebenwirkungen diese Medikamente haben
können. In vielen Fällen kann es Sinn machen,   Risiko Mehrfachmedikation
Medikationslisten gemeinsam mit einem Arzt      Viele Menschen nehmen im Alter gleich eine
oder einer Ärztin kritisch durchzugehen, um     ganze Reihe von Medikamenten ein. Fachleute
zu sehen, welche der jeweils eingenommenen      sprechen von „Polymedikation“, also „Mehr-
Medikamente wirklich notwendig sind. Es         fachmedikation“. Oftmals ist die Verordnung
wird empfohlen, wenigstens einmal im Jahr die   vieler Medikamente gleichzeitig leider nötig.
ganze Medikationsliste zu „entrümpeln“. Auch    Mitunter kann die Polymedikation aber auch
der Apotheker oder die Apothekerin kann bei     schädlich sein, weil sich manche Medikamente
der Durchsicht der Medikamente behilflich       nicht vertragen. Zum Beispiel können unter-
NUTZEN UND RISIKO                                                                                           9

                         5

                         4
   Anzahl Arzneimittel

                         3

                         2

                         1

                         0
                             50–54   55–59   60–64   65–69   70–74     75–79   80–85    85–90    ≥ 90
                                                             Alter

Je älter, desto mehr: Die Zahl der eingenommenen Arzneimittel steigt stetig an, nur bei den Hochbetagten
nimmt sie geringfügig ab. Die genannten Zahlen berücksichtigen nur Arzneimittel, die zulasten der gesetz-
lichen Krankenversicherung verordnet wurden (Quelle: Schwabe/Paffrath; Arzneiverordnungsreport 2017;
Angaben in definierten Tagesdosen [DDD]).

schiedliche Medikamente ähnliche Neben-                       ●●   Schwindel oder Benommenheit
wirkungen haben. Patienten spüren diese                       ●●   Verwirrung
Nebenwirkungen dann stärker als bei einem                     ●●   Sturz
einzelnen Medikament. Es gibt auch Situatio-                  ●●   Trockener Mund
nen, in denen ein Medikament den Abbau eines                  ●●   Übelkeit, Bauchschmerzen und/oder
anderen bremst. In solchen Konstellationen                         Verstopfung
können Wirkungen und Nebenwirkungen der                       ●●   Probleme beim Wasserlassen/Inkontinenz
beteiligten Wirkstoffe verstärkt werden.                      ●●   Schlafstörungen

Nebenwirkungen: Nur wer sie kennt,
kann sie erkennen!
Um auf Nebenwirkungen von Medikamenten
angemessen reagieren zu können, müssen sie
erst einmal als solche erkannt werden. Das ist
nicht so trivial, wie es klingt. Denn bei vielen
Medikamenten ähneln die Nebenwirkungen
den „normalen“ Veränderungen, die das Alter so
mit sich bringt.

Beschwerden, die Folge von Arzneimittelneben-
wirkungen sein können:
10

                                                        Oft hilft es, sich zu überlegen, ob bestimmte
 Schon gewusst?
                                                        Probleme schon länger bestehen oder ob sie
                                                        relativ plötzlich, etwa nach einer Umstellung
     Statistische Angaben zur Zahl der Medikamen-
                                                        der Medikamente, aufgetreten sind. Dann soll-
     te im Alter beziehen sich in der Regel nur auf
                                                        te der Sache auf den Grund gegangen werden.
     die ärztlich verordneten Medikamente. Viele
                                                        Denn nicht jeder alte Mensch, der verwirrt ist,
     alte Menschen nehmen zusätzlich Arzneimittel
                                                        ist dement. Nicht jeder Senior, der in der
     und oft auch Schmerz- und Beruhigungsprä-
                                                        Wohnung hinfällt, hat ein gestörtes Gleichge-
     parate ein, die sie sich ohne ärztlichen Rat be-
                                                        wichtsorgan. Und nicht jede Schlafstörung bei
     schaffen. Das kann die mit der Polymedikation
                                                        älteren Menschen ist Ausdruck eines im Alter
     einhergehenden Probleme noch verstärken.
                                                        abnehmenden Schlafbedürfnisses.
     Von der eigenmächtigen und insbesondere
     dauerhaften Einnahme von frei erhältlichen
                                                        Richtig schwierig wird die Sache, wenn be-
     Medikamenten ohne ärztliche Empfehlung
                                                        stehende medizinische Probleme durch
     oder wenigstens ausführliche Beratung durch
                                                        Medikamente verstärkt werden. So gibt es
     einen Apotheker ist daher abzuraten.
                                                        Menschen, die altersbedingt zu Stürzen
11

                                                 Demenz? Die Medikamente waren schuld!

                                                 Ein Beispiel für die Probleme der Arzneimit-
                                                 teltherapie im Alter ist die 72-jährige Patien-
neigen, beispielsweise weil sie schlecht sehen   tin B., die mit Schwindel, Husten und Herzra-
oder an einer Zuckerkrankheit leiden. Wenn       sen ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Dort
diese Menschen plötzlich häufiger hinfallen      wurden eine Bronchitis, eine Herzerkrankung
als sonst, kann das an einem neu angesetzten     und – weil die Patientin stark verwirrt war –
Medikament liegen. Hier lässt sich die Gefahr    eine Demenz diagnostiziert. Bei der Entlas-
von Stürzen verringern, wenn Medikamente,        sung nahm die Frau zehn unterschiedliche
die Stürze begünstigen, weggelassen werden:      Medikamente ein und war weiterhin verwirrt.
starke Schlafmittel, sogenannte Benzodiaze-      Erst nachdem der Hausarzt sieben der zehn
pine, aber auch Medikamente, die Schwindel       Medikamente abgesetzt hatte, verschwand
auslösen, die Sehkraft beeinträchtigen oder      die Verwirrung wieder – und damit auch die
die Muskeln entspannen.                          angebliche Demenz! In diesem konkreten Fall
                                                 war es wahrscheinlich die Kombination einer
                                                 Herztablette mit einer starken Wassertablette,
                                                 die die Probleme verursacht hat.
                                                 (Quelle: WDR „Quarks & Co“, 24. Januar 2012)
12

Welche Medikamente sind für Sie
möglicherweise ungeeignet?
Nicht alle Medikamente sind gut für alte Menschen. Einige Medikamente können im Alter
spezielle Probleme machen und sollten deswegen möglichst nicht eingesetzt werden. Wel­
che das genau sind, verrät Ihnen die Broschüre, die Sie in den Händen halten. Hier erfahren
Sie, wie die Medikamente für diese Broschüre ausgewählt wurden.

Welche Medikamente konkret für ältere Men-          Wer hat die PRISCUS­Liste erstellt?
schen problematisch sind, wird seit einigen         Für die auf den deutschen Markt zugeschnit-
Jahren in einer ganzen Reihe von Ländern unter-     tene PRISCUS-Liste wurden internationale
sucht. Fachleute sprechen in diesem Zusammen-       PIM-Listen sowie nationale und internationale
hang von „potenziell inadäquaten Medikamen-         Fachliteratur zum Thema Arzneimitteltherapie
ten“, kurz: PIM. So genannte PIM-Listen wurden      bei älteren Menschen ausgewertet. 131 Wirk-
mittlerweile für mehrere Länder erstellt, darun-    stoffe aus 24 verschiedenen Wirkstoffklassen
ter USA, Kanada und Frankreich. In dem vom          wurden identifiziert, die dann von 27 Experten
Bundesministerium für Bildung und Forschung         bewertet wurden. Am Ende stand die deutsche
(BMBF) geförderten Verbundprojekt PRISCUS           PRISCUS-Liste mit 83 Wirkstoffen aus 18 Wirk-
(www.priscus.net) wurde seit 2008 auch für          stoffklassen, die für ältere Menschen ungeeig-
Deutschland eine solche PIM-Liste erarbeitet, die   net sein können.
PRISCUS-Liste. Das Wort PRISCUS ist dem Latei-
nischen entlehnt. Es steht für „altehrwürdig“.
WELCHE MEDIKAMENTE SIND FÜR SIE MÖGLICHERWEISE UNGEEIGNET?                                                                                                13

Diese erste Liste wurde jetzt zu einer erwei-        Wer ungeeignete Medikamente einnimmt,
terten PRISCUS-Liste aktualisiert, die neben der     hat mehr Komplikationen
deutschen PRISCUS-Liste aus dem Jahr 2008            Im Gefolge der Veröffentlichung der ursprüng-
auch die neuere EU-PIM-Liste aus dem Jahr            lichen PRISCUS-Liste konnte auch gezeigt wer-
2015 berücksichtigt. Konkret wurden 17 neue          den, dass häufiger Komplikationen auftreten,
Wirkstoffe identifiziert, die im ursprünglichen      wenn Medikamente eingenommen werden,
deutschen PRISCUS-Projekt noch als „fraglich“        die für ältere Menschen potenziell ungeeignet
eingestuft worden waren, von denen mittler-          sind. So haben ältere Menschen, die eines oder
weile aber klar ist, dass sie problematisch sein     mehrere dieser Medikamente einnehmen, ein
können. Außerdem wurden zwei Wirkstoffe              höheres Risiko für schwere Nebenwirkungen.
gestrichen, weil sie in Deutschland nicht mehr       Dieser Zusammenhang zieht sich durch das
erhältlich sind.                                     gesamte Spektrum der Nebenwirkungen (siehe
                                                     Abbildung). Alte Menschen, die für sie poten-
Jeder Vierte nimmt potenziell ungeeignete            ziell ungeeignete Medikamente einnehmen,
Medikamente                                          werden auch häufiger ins Krankenhaus einge-
Diese Broschüre enthält damit insgesamt 98           wiesen als alte Menschen, die besser verträg-
Wirkstoffe, die für ältere Menschen problema-        liche Medikamente einnehmen.
tisch oder schlicht ungeeignet sein können.
Am Ende der Broschüre sind diese Wirkstoffe
                                                                                        Schlafstörungen
vollständig aufgelistet. Welche das im Einzel-
nen sind, wird im zweiten Teil dieser Publika-                                                                                                          40%
tion detailliert erläutert. Dass Medikamente
mit diesen Wirkstoffen zumindest teilweise                                                                                                              35%
relativ weit verbreitet sind, haben zahlreiche
Untersuchungen der letzten Jahre klar gezeigt.                                                                                                          30%
Rund jeder vierte ältere Mensch in Deutschland
nimmt mindestens ein Medikament ein, das für                                                                             Inkontinenz 25%
sein Alter als potenziell ungeeignet einzustufen        Verstopfung
ist. Das sind allein in Deutschland 4,6 Millionen                                                                                                       20%
                                                             Mit PRISCUS­Medikamenten

                                                                                              Mit PRISCUS­Medikamenten

                                                                                                                             Mit PRISCUS­Medikamenten

Menschen!
                                                                                                                                                        15%
Für ältere Frauen ist dabei das Risiko, ein po-
tenziell ungeeignetes Medikament verordnet                                                                                                              10%
zu bekommen, höher als für Männer: In der
epidemiologischen getABI-Studie waren sechs                                                                                                             5%
von zehn Patienten, die ein Medikament der
ursprünglichen PRISCUS-Liste einnahmen,                                                                                                                 0%
weiblich. Vor allem im Bereich der Schmerzmit-
                                                     Mehr als jeder zweite ältere Mensch berichtet
tel sowie bei den Medikamenten gegen Nerven-         über Nebenwirkungen von Medikamenten (weißer
leiden erhielten Frauen sehr viel häufiger als       Balken). Werden PRISCUS-Medikamente verordnet,
Männer ungeeignete Medikamente.                      sind Nebenwirkungen häufiger (blauer Balken).
14

Der Umgang mit dieser Broschüre
PIM­Listen sind umfangreiche Tabellen, in denen Medikamente, Nebenwirkungen und
wissenschaftlich­medizinische Anmerkungen aufgelistet werden. Für Nichtfachleute ist das
schwer zu erfassen. Deswegen gibt es diese Broschüre. Sie soll die erweiterte PRISCUS­Liste
für Sie zugänglich machen. Eine Gebrauchsanweisung.

Die erweiterte PRISCUS-Liste enthält Medika-       Was nehme ich eigentlich ein?
mente, die bei älteren Menschen problematisch      In dieser Broschüre werden die Medikamente
sein können. Das heißt aber nicht, dass diese      nach ihren Wirkstoffen benannt. Sie finden
Medikamente unter gar keinen Umständen             keine Handelsnamen, denn die können sehr
eingenommen werden sollten. Wer nach der           unterschiedlich sein. Wirkstoff und Handels-
Lektüre dieser Broschüre feststellt, dass er ein   name eines Medikaments stehen sowohl außen
potenziell ungeeignetes Medikament ein-            auf der Packung als auch auf dem Beipackzettel.
nimmt, sollte es auf keinen Fall eigenständig      Wer den Beipackzettel auffaltet, der sieht ganz
absetzen, sondern darüber mit dem Arzt oder        oben in meist fetter Schrift den Handelsnamen
der Ärztin sprechen.                               des Medikaments. Unmittelbar darunter steht
15

bei allen Beipackzetteln der Wirkstoff, der in       auch genannt wird. Im Register am Ende dieser
dem jeweiligen Medikament enthalten ist. Ach-        Broschüre sind die 98 Wirkstoffe der erweiter-
tung: Es gibt Medikamente, die zwei, sehr selten     ten PRISCUS-Liste alphabetisch aufgeführt.
auch einmal drei oder gar vier Wirkstoffe auf        Wenn Sie den Wirkstoff Acetylsalicylsäure dort
einmal enthalten. Ist das der Fall, dann werden      nachschlagen, werden Sie feststellen, dass Sie
alle Wirkstoffe an der entsprechenden Stelle         ihn nicht finden. Acetylsalicylsäure ist also kein
des Beipackzettels einzeln genannt.                  potenziell ungeeignetes Medikament für alte
                                                     Menschen.
Ein Beispiel:
Angenommen, Sie nehmen Aspirin ein. Wenn
Sie den Beipackzettel auffalten, dann steht dort
ganz oben, quasi als Überschrift, ASPIRIN®. Das
ist der Handelsname Ihres Medikaments. Direkt
darunter lesen Sie: „Tabletten mit 500 mg Ace-
tylsalicylsäure“. Acetylsalicylsäure ist in diesem
Fall also der Wirkstoff oder „Arzneistoff“, wie er
16

                          3 Fragen, 3 Antworten
                          zur PRISCUS-Liste
                          Frau Professor Petra A. Thürmann ist Direktorin des Philipp­Klee­
                          Instituts für Klinische Pharmakologie am Helios Klinikum
                          Wuppertal, Klinikum der Universität Witten/Herdecke. Sie hat
                          die Erstellung der PRISCUS­Liste im Rahmen des vom BMBF
                          geförderten Verbundprojekts PRISCUS federführend betreut
                          und gibt hier Antworten auf drei häufige Fragen.
Prof. Dr. med. Petra A.
Thürmann

Was bedeutet es, wenn eines meiner Medikamente   sondern sprechen Sie darüber zunächst ein-
auf der PRISCUS­Liste erscheint?                 mal mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin. Weisen
Wenn Sie als älterer Mensch eines Ihrer Medi-    Sie dabei ruhig konkret auf die PRISCUS-Liste
kamente auf der PRISCUS-Liste finden, dann       hin, denn dort werden mögliche Alternativen
handelt es sich um ein Medikament, das Ihnen     genannt. Wichtig ist, dass Sie Ihrem Arzt mittei-
Probleme machen kann, aber nicht zwangs-         len, wenn Sie Probleme haben, die eine Neben-
läufig Probleme machen muss. Setzen Sie ein      wirkung eines Arzneimittels sein könnten.
solches Medikament nicht eigenmächtig ab,
3 FRAGEN, 3 ANTWORTEN ZUR PRISCUS-LISTE                                                               17

Woher weiß ich, dass ich tatsächlich eine              Was ist, wenn ich ein PRISCUS­Medikament
Nebenwirkung habe?                                     nehme, aber gar keine Probleme mit Neben­
Definitiv wissen Sie das erst dann, wenn die ent-      wirkungen habe?
sprechenden Beschwerden verschwinden, nach-            Dann vertragen Sie das Medikament offen-
dem das Medikament abgesetzt wurde. Typische           sichtlich gut und müssen sich erst einmal keine
Nebenwirkungen im Alter sind Stürze, Schwin-           Sorgen machen. Es ist trotzdem immer gut zu
del, Verwirrung, Verdauungsprobleme, Übelkeit,         wissen, dass ein potenziell problematisches Me-
Schlafstörungen, Inkontinenz sowie das Gefühl,         dikament eingenommen wird. So können Sie
ständig einen trockenen Mund zu haben. Wenn            im Zweifel sofort reagieren, falls doch einmal
Sie eines dieser Probleme haben, sollten Sie           eine Nebenwirkung auftritt.
gemeinsam mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin
                                                       Erstveröffentlichung im Deutschen Ärzteblatt
die Medikamente durchgehen, die Sie einneh-
                                                       Jg. 107, Heft 31–32, 9. August 2010
men, um zu sehen, ob eines davon das Problem
verursachen könnte. Hochverdächtig sind Situa-
tionen, in denen eines der genannten Probleme
innerhalb einiger Tage oder Wochen nach einer
Umstellung der Medikation neu auftritt oder
ausgeprägter ist als sonst. In diesen Fällen sollten
Sie unbedingt mit Ihren Ärzten reden.
18                                         MEDIKAMENTE IM ALTER: WELCHE WIRKSTOFFE SIND UNGEEIGNET?

Typische Nebenwirkungen und
mögliche Auslöser
Auf dieser Doppelseite finden Sie sieben häufige Nebenwirkungen von Medikamenten bei
älteren Menschen. Dazu werden jeweils Wirkstoffe aufgeführt, die die entsprechenden Ne-
benwirkungen verursachen können. Berücksichtigt wurde für diese Darstellung lediglich
eine Auswahl häufig verordneter Medikamente der erweiterten PRISCUS-Liste. Es handelt
sich nicht um eine vollständige Darstellung. Details zu den genannten und vielen anderen
Wirkstoffen finden Sie ab Seite 20 in dieser Broschüre. Ein alphabetisches Register zahl-
reicher Wirkstoffe, die im Alter potenziell ungeeignet sind, finden Sie auf den Seiten 43/44.

                                           Stürze

            Acetyldigoxin
                                                                   Doxazosin
            Amitriptylin
                                                                   Doxepin
            Bromazepam

                                        Verwirrung

            Acetyldigoxin                                          Doxepin

            Amitriptylin                                           Sotalol

            Bromazepam                                              Trimipramin

                                     Trockener Mund

            Amitriptylin                                           Doxepin

            Doxazosin                                              Promethazin
TYPISCHE NEBENWIRKUNGEN UND MÖGLICHE AUSLÖSER                                 19

                                 Schwindel und Benommenheit

             Amitriptylin                                       Etoricoxib

             Bromazepam                                         Flecainid

             Doxazosin                                          Sotalol

             Doxepin                                            Trimipramin

                             Übelkeit, Bauchschmerzen, Verstopfung

             Acetyldigoxin
                                                                Flecainid
             Amitriptylin
                                                                Piracetam
             Doxazosin
                                                                Sotalol
             Diclofenac

                            Probleme beim Wasserlassen, Inkontinenz

             Amitriptylin
                                                                Trimipramin
             Doxazosin

                                        Schlafstörungen

             Acetyldigoxin
                                                                Sotalol
             Flecainid
                                                                Trimipramin
             Piracetam
20

Medikamente gegen Depression
Medikamente gegen Depression gehören zu den am häufigsten verordneten Medika­
menten im Alter. Und auch in der erweiterten PRISCUS­Liste sind sie eine der am meisten
vertretenen Arzneimittelgruppen. Hier lohnt es sich, besonders genau hinzusehen.

Wie wirken Medikamente gegen                    hirn arbeitet mit zahlreichen Botenstoffen, die
Depression?                                     alle in unterschiedlichem Umfang an unserer
Medikamente gegen Depression entfalten ihre     Stimmung, unserer Motorik, unserem Auf-
Wirkung direkt im Gehirn, und zwar indem        merksamkeitsniveau, unserem Fühlen und
sie die Wirkung bestimmter Botenstoffe des      Denken beteiligt sind. Es leuchtet deswegen ein,
Gehirns verstärken. Wichtige Botenstoffe, auf   dass Medikamente, die die Wirkung bestimmter
deren Namen Sie in diesem Zusammenhang          Botenstoffe des Gehirns verändern, unter Um-
immer wieder stoßen werden, sind Serotonin      ständen nicht nur die Stimmung, sondern auch
und Noradrenalin. Viele Medikamente gegen       andere Hirnfunktionen beeinflussen.
Depression bewirken, dass Serotonin und/oder
Noradrenalin im Gehirn langsamer abgebaut       Aus Gründen, die noch erforscht werden, reagie-
werden. Im besten Fall hellt sich dadurch die   ren die Nervenzellen älterer Menschen teilweise
Stimmung der Betroffenen spürbar auf. Sie       deutlich empfindlicher auf Medikamente als
werden lebensfroher, bewegen sich mehr und      in jüngeren Jahren. Hinzu kommt, dass viele
gehen häufiger unter Menschen.                  der Botenstoffe, mit denen das Gehirn arbeitet,
                                                vom Körper auch an anderer Stelle eingesetzt
Warum sind manche Medikamente                   werden, zum Beispiel im Magen-Darm-Trakt.
gegen Depression für alte Menschen              Medikamente gegen Traurigkeit können deswe-
problematisch?                                  gen sowohl im Gehirn als auch im Magen-Darm-
Es gibt im Gehirn nicht den einen Botenstoff,   Trakt zu Nebenwirkungen führen. Besonders
der für die Stimmung zuständig ist. Das Ge-     problematisch im Alter sind Nebenwirkungen
MEDIKAMENTE GEGEN DEPRESSION                                                                                           21

wie Schwindel und Benommenheit, weil da-                  die zumindest in einigen Fällen zum Erfolg
durch das Risiko von Stürzen steigt. Auch                 führen. Deswegen sollte auch im Alter mit den
Menschen, deren geistige Leistungsfähigkeit               Betroffenen oder ihren Angehörigen diskutiert
schon eingeschränkt ist, können durch Medika-             werden, ob beispielsweise eine Verhaltensthe-
mente gegen Traurigkeit zusätzliche Probleme              rapie infrage kommt. Vorsicht geboten ist bei
bekommen.                                                 Medikamenten, die Johanniskraut enthalten.
                                                          Diese Medikamente sind teilweise rezeptfrei
Welche Alternativen gibt es?                              erhältlich. Sie sind bei einigen Formen der
Die gute Nachricht ist, dass es sehr viele Medi-          Traurigkeit wirksam, können aber mit relativ
kamente gegen Traurigkeit gibt. Längst nicht              vielen anderen Medikamenten in Wechsel-
alle sind für alte Menschen ungeeignet. Wie in            wirkung treten. Gerade (alte) Menschen, die
jungen Jahren, so gilt außerdem auch im Alter,            sehr viele Medikamente einnehmen, sollten
dass bei Traurigkeit auch nicht medikamen-                Johanniskraut deswegen nicht auf eigene Faust
töse Behandlungsmöglichkeiten existieren,                 einsetzen.

    Wirkstoff     Eingesetzt bei          Nebenwirkungen                         Alternative Wirkstoffe

 Amitriptylin     Depression       Verwirrtheit, Benommenheit,         Medikamente, die überwiegend auf den
                                   erhöhtes Sturzrisiko, trockener     Botenstoff Serotonin wirken („SSRI“),
 Nortriptylin                      Mund, Konzentrationsstörungen,      sind im Alter oft besser verträglich als die
 Doxepin                           plötzliches „Abreißen“ des Ge-      sogenannten trizyklischen Antidepressiva.
                                   sprächsfadens                       Beispiele für Alternativen aus der Grup-
 Imipramin                                                             pe der SSRI: Sertralin, Citalopram oder
                                                                       Escitalopram in niedriger Dosis.
 Clomipramin

 Maprotilin

 Trimipramin

 Fluoxetin                         Übelkeit, Schlafstörung, Verwir-    Fluoxetin und Fluvoxamin sind Medika-
                                   rung und/oder Erregung              mente, die überwiegend auf den Botenstoff
                                                                       Serotonin wirken („SSRI“). SSRI sind für die
 Fluvoxamin                        Erhöhtes Risiko für Stürze, Frak-   Behandlung von Traurigkeit im Alter prin-
                                   turen und Hyponatriämie, Hin-       zipiell geeignet. Die genannten Substanzen
                                   weis auf erhöhte Sterblichkeit      sollten aber besser durch andere SSRI
                                                                       ersetzt werden.

 Tranylcypromin                    Angstzustände, Unruhe, Gefahr       Tranylcypromin ist im Alter sehr proble-
                                   von Blutdruckproblemen bis          matisch. Medikamente, die überwiegend
                                   hin zu Hirnblutungen, Gefahr        auf den Botenstoff Serotonin wirken
                                   der Wechselwirkung mit vielen       („SSRI“), sind besser verträglich. Beispiele:
                                   anderen Medikamenten und            Sertralin, Citalopram oder Escitalopram in
                                   Nahrungsbestandteilen               niedriger Dosis.
22

Medikamente „für die Nerven“
(Neuroleptika)
Auch Neuroleptika sind Medikamente für Patientinnen und Patienten mit psychischen
Erkrankungen. Im Alter werden sie häufig bei Erregung, Unruhe oder aggressivem
Verhalten eingesetzt. Zahlreiche Neuroleptika können bei alten Menschen Probleme
verursachen.

Wie wirken Neuroleptika?                            schiedlich auf Neuroleptika ansprechen und
Ähnlich wie Medikamente gegen Traurigkeit           sehr unterschiedliche Nebenwirkungen entwi-
greifen auch Neuroleptika direkt an den Nerven-     ckeln. Neuroleptika sollten deswegen mit viel
zellen im Gehirn an. Sie wirken „dämpfend“ und      Umsicht eingesetzt werden.
können Unruhe und Erregungszustände lindern.
Sie helfen bei Wahnvorstellungen und aggressi-      Warum sind manche Neuroleptika
vem Verhalten. Manche Neuroleptika verringern       für alte Menschen problematisch?
auch Ängste und können – bis zu einem gewis-        Neuroleptika können auch bei jungen Men-
sen Grad – traurige Gemütszustände verbessern.      schen zahlreiche Nebenwirkungen haben.
                                                    Typisch sind unkoordinierte Bewegungen, soge-
Was genau im Gehirn passiert, wenn ein Neu-         nannte Dyskinesien. Ebenfalls sehr typisch sind
roleptikum eingesetzt wird, ist nur teilweise       ein trockener Mund beziehungsweise trockene
bekannt. Unstrittig ist, dass Neuroleptika in das   Haut, Probleme beim Wasserlassen und beim
Zusammenspiel der Nervenzellen eingreifen,          Stuhlgang („Verstopfung“) sowie Herzrasen und
indem sie Botenstoffe des Gehirns beeinflussen,     Blutdruckschwankungen. Bei den letztgenann-
vor allem das Dopamin. Bekannt ist auch, dass       ten Nebenwirkungen reden Expertinnen und
Patientinnen und Patienten extrem unter-            Experten von einem „anticholinergen Syndrom“.
MEDIKAMENTE „FÜR DIE NERVEN“ (NEUROLEPTIKA)                                                                          23

Bei alten Menschen sind die Nebenwirkungen                  lung im Auge zu behalten. So kann Risperidon ein
von Neuroleptika oft gravierender als bei jungen            für alte Menschen geeignetes Medikament sein,
Menschen. Das liegt zum einen daran, dass alte              wenn es nur kurzfristig eingesetzt wird. Anders
Menschen ohnehin „wackelig“ auf den Beinen                  sieht es bei längerer Behandlung aus. Generell
sind. Bewegungsstörungen durch Neuroleptika                 sollte die Behandlung bei jedem verordneten
führen daher leichter zu gefährlichen Stürzen.              Neuroleptikum, auch bei jenen, die in der Tabelle
Hinzu kommt, dass das Gehirn von alten Men-                 unter „Alternativen“ genannt sind, nach spätes-
schen anfälliger gegenüber den oben genannten               tens sechs Wochen ärztlich überprüft werden.
„anticholinergen“ Nebenwirkungen ist. Diese
Medikamente machen nicht nur müde, sondern                  Wie bei allen anderen Medikamenten sind
sie wirken sich negativ auf das Denk- und Kon-              Nebenwirkungen auch bei den Neuroleptika
zentrationsvermögen aus.                                    nicht nur eine Frage des Arzneistoffs und der
                                                            Dauer der Behandlung, sondern auch eine
Welche Alternativen gibt es?                                Frage der Dosierung. Das relativ häufig einge-
Neuroleptika sollten im Alter – und ganz beson-             setzte, „typische“ Neuroleptikum Haloperidol
ders bei Demenz – generell zurückhaltend ein-               beispielsweise ist für alte Menschen vor allem
gesetzt werden. Wenn sie nötig sind, dann sollten           in höheren Dosierungen problematisch, nicht
besonders problematische Substanzen vermieden               dagegen in niedriger Dosierung und bei kurzer
werden. Außerdem gilt es, die Dauer der Behand-             Anwendung.

     Wirkstoff      Eingesetzt bei               Nebenwirkungen                         Alternative Wirkstoffe

 Thioridazin       Erregungs-        Die genannten typischen Neuroleptika          In der kurzfristigen Therapie ist
 Fluphenazin       zuständen,        können zu Bewegungsstörungen und              das atypische Neuroleptikum
                   Wahnvor-          Benommenheit führen. Die Gefahr von           Risperidon für ältere Menschen
 Levomepromazin
                   stellungen,       gefährlichen Stürzen steigt. Es kann          günstiger als Olanzapin und
 Perphenazin       Schizophrenie     außerdem zu einem trockenen Mund, zu          Clozapin, sofern es nur für einige
 Haloperidol                         Verstopfung sowie zu Schwierigkeiten          Tage/wenige Wochen eingesetzt
 (> 2 mg)                            beim Wasserlassen kommen. Alle Neuro-         wird. Auch andere atypische Neu-
                                     leptika erhöhen die Sterblichkeit!            roleptika kommen in Frage.
 Olanzapin                           Olanzapin ist ein atypisches Neurolepti-
 (> 10 mg)                           kum, verursacht aber in hoher Dosierung       Bei den typischen Neuroleptika
                                     ähnliche Nebenwirkungen wie die o. g.         sind z. B. Melperon und Pipampe-
                                     Wirkstoffe.                                   ron sinnvolle Alternativen.

 Risperidon                          Risperidon wird gerne zur Behandlung von
                                                                                   Jede Neuroleptika-Verordnung
 (bei Therapie                       Verhaltensauffälligkeiten bei dementen
                                                                                   im Alter sollte nach spätestens
 > 6 Wochen)                         älteren Menschen eingesetzt. Bei Langzeit-
                                                                                   6 Wochen ärztlich überprüft
                                     therapie insbesondere in höheren Dosie-
                                                                                   werden.
                                     rungen ist jedoch die Sterblichkeit erhöht.
 Clozapin                            Clozapin ist ein atypisches Neurolepti-
                                     kum, das die Immunabwehr beeinträchti-
                                     gen kann. Es kann außerdem zu Herzra-
                                     sen und Blutdruckproblemen kommen.
24

Schlaf- und Beruhigungsmittel
Fast jeder vierte Arzneistoff in der erweiterten PRISCUS­Liste gehört zur Gruppe der
Schlaf­ und Beruhigungsmittel. Das allein zeigt, wie extrem problematisch Schlaf­
und Beruhigungsmittel bei alten Menschen sein können. Vorsicht beim Einsatz dieser
Medikamente!

Wie wirken Schlaf­ und Beruhigungs­            Die gängigen Schlaf- und Beruhigungsmittel
mittel?                                        funktionieren alle ähnlich. Sie verstärken die
Schlaf- und Beruhigungsmittel – Fachleute      Wirkung eines ganz bestimmten Botenstoffs im
sprechen von Hypnotika und Sedativa – ver-     Gehirn und im Nervensystem, GABA genannt.
ringern Erregungszustände, erleichtern das     GABA hemmt nahezu alle Hirnfunktionen, sei
Einschlafen, lindern Ängste, lösen Muskel-     es Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähig-
spannungen und führen dadurch bei vielen       keit, Bewegungskoordination oder die Tätigkeit
Menschen zu einem gewissen „Wohlfühlef-        der fünf Sinne. Entsprechend verringern Schlaf-
fekt“. Gerade bei alten Menschen, bei denen    und Beruhigungsmittel das Reaktionsvermö-
Schlafstörungen häufig sind, ist die Verfüh-   gen, verschlechtern das Gedächtnis und beein-
rung groß, Schlaf- und Beruhigungsmittel       trächtigen die Sinnesleistungen. Sie entspannen
einzusetzen.                                   die Muskeln und fördern das Einschlafen.
SCHLAF- UND BERUHIGUNGSMITTEL                                                                  25

Warum sind die meisten Beruhigungs­              ist das speziell bei Menschen, die bereits Er-
mittel für alte Menschen problematisch?          innerungslücken haben oder schon an einer
Schlaf- und Beruhigungsmittel bremsen            Demenz leiden. Hier können Schlaf- und Beru-
das Gehirn aus. Sie verursachen Stürze, die      higungsmittel die Gedächtnisstörungen weiter
wiederum zu Knochenbrüchen, Klinikein-           verstärken. Im Einzelfall kann das dazu führen,
weisungen und langer Bettlägerigkeit führen      dass einer Patientin oder einem Patienten eine
können. Weil Schlaf- und Beruhigungsmittel       schwere Demenz zugeschrieben wird, die
die Muskeltätigkeit verringern und Benom-        ohne das Medikament gar nicht vorläge.
menheit auslösen, fallen ältere Menschen, die
ohnehin sturzgefährdet sind, noch leichter       Welche Alternativen gibt es?
hin. Weil zudem das Reaktionsvermögen            Wenn auf Schlaf- und Beruhigungsmittel nicht
beeinträchtigt ist, funktionieren wichtige Re-   verzichtet werden kann, dann sollten möglichst
flexe nicht mehr richtig, die bei Stürzen von    keine langwirksamen Arzneistoffe eingesetzt
wachen Menschen gefährliche Verletzungen         werden. Denn je länger ein Schlaf- und Beruhi-
verhindern. Darüber hinaus führen die meis-      gungsmittel wirkt, umso größer ist die Gefahr,
ten Schlafmittel zur Abhängigkeit!               dass es auch am Folgetag noch nachwirkt und
                                                 die Aufmerksamkeit beeinträchtigt. Ein zweiter
Schlaf- und Beruhigungsmittel verschlechtern     wichtiger Punkt ist die Dosierung des Arznei-
auch die Gedächtnisfunktion. Problematisch       stoffs. Die kurz- oder mittellang wirksamen
26                                                 MEDIKAMENTE IM ALTER: WELCHE WIRKSTOFFE SIND UNGEEIGNET?

Schlaf- und Beruhigungsmittel sind in nied-              geringerer Wirkstärke wie etwa Baldrianpräpa-
riger Dosis bei alten Menschen etwas besser              rate möglicherweise aus? Diese Fragen sollten
verträglich. Prinzipiell sollten aber alle diese         sich Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte
Schlafmittel möglichst nicht oder nur über               immer wieder stellen.
wenige Tage, maximal vier Wochen ange-
wendet werden.                                           Auch bessere „Schlafhygiene“ kann dazu beitra-
                                                         gen, Schlaf- und Beruhigungsmittel zu ver-
Grundsätzlich sollte bei Schlaf- und Beruhi-             meiden: Schlafexperten empfehlen, möglichst
gungsmitteln immer wieder hinterfragt werden,            immer zu ähnlicher Zeit ins Bett zu gehen, sich
ob sie wirklich nötig sind. Leidet der Patient oder      bestimmte Rituale anzugewöhnen und in den
die Patientin wirklich stark unter den Schlafstö-        zwei Stunden vor dem Schlafengehen auf Alko-
rungen? Reichen pflanzliche Arzneimittel mit             hol und schwere Mahlzeiten zu verzichten.

                 Wirkstoff                 Eingesetzt bei      Nebenwirkungen        Alternative Wirkstoffe

 Langwirksame Benzodiazepine:             Schlafstörungen,    Im Alter erhöhtes     Notfalls über begrenzte
 Chlordiazepoxid, Diazepam, Flurazepam,   Erregungs- und      Risiko von Stürzen    Zeit kurzwirksame Ben-
 Dikaliumclorazepat, Bromazepam, Praze-   Angstzuständen      und/oder Kno-         zodiazepine in niedriger
 pam, Clobazam, Nitrazepam, Flunitraze-                       chenbrüchen,          Dosis (Lorazepam bis 2 mg
 pam, Medazepam                                               Benommenheit          pro Tag, Lormetazepam bis
                                                              und Schwindel,        0,5 mg pro Tag, Brotizolam
 Kurz- und mittellangwirksame                                 Beeinträchtigung      bis 0,125 mg pro Tag)
 Benzodiazepine:                                              von Aufmerksam-
 Alprazolam, Temazepam, Triazolam,                            keit, Reaktionsver-   Z-Substanzen in niedriger
 Lorazepam (> 2 mg pro Tag),                                  mögen, Gedächtnis     Dosis (z. B. Zolpidem bis
 Oxazepam (> 60 mg pro Tag),                                                        5 mg pro Tag, Zopiclon bis
 Lormetazepam (> 0,5 mg pro Tag),                                                   3,75 mg pro Tag, Zaleplon
 Brotizolam (> 0,125 mg pro Tag)                                                    bis 5 mg pro Tag)
 Z-Substanzen:
 Zolpidem (> 5 mg pro Tag),                                                         Sedierende Antidepressiva,
 Zopiclon (> 3,75 mg pro Tag),                                                      wenn erforderlich (z. B.
 Zaleplon (> 5 mg pro Tag)                                                          Mirtazapin)

 Doxylamin                                                                          Baldrian

 Diphenhydramin

 Chloralhydrat
27

Medikamente gegen Herzerkrankungen
Bei den Herzmedikamenten sind es vor allem einige ältere Medikamente gegen Herz­
rhythmusstörungen, die von Fachleuten als ungeeignet für ältere Menschen eingestuft
werden. Die meisten modernen Herzmedikamente dagegen können auch alte Menschen
ohne Furcht einsetzen, wenn sie verordnet werden.

Wie wirken Herzmedikamente?                           Menschen mit Herzerkrankungen gleicher-
Medikamente für Patientinnen und Patienten            maßen geeignet. Wenn allerdings Herzrhyth-
mit Herzerkrankungen gibt es eine ganze               musstörungen hinzukommen, wird es etwas
Menge, und die allermeisten davon sind                schwieriger. Medikamente gegen Herzrhyth-
auch für alte Menschen geeignet. Wer heutzu-          musstörungen beeinflussen auf unterschied-
tage an einer Verkalkung der Herzkranzgefäße          liche Weise das biochemische Gleichgewicht
leidet, bei der die Pumpfunktion des Herzens          der Körperzellen. Und das vertragen nicht alle
beeinträchtigt ist, der erhält in aller Regel einen   Patientinnen und Patienten gleich gut.
ACE-Hemmer oder einen AT1-Blocker („Sar-
tan“), dazu einen Betablocker und eine Wasser-        Warum sind manche Herzmedikamente
tablette sowie meist einen Cholesterinsenker          für alte Menschen problematisch?
und ASS für die Hemmung der Blutgerinnung.            Medikamente gegen Herzrhythmusstörun-
                                                      gen haben einen komplizierten Wirkmechanis-
Diese Standardkombination kann vor Herz-              mus. Sie können beispielsweise dazu führen,
infarkten schützen und die Pumpfunktion               dass sich Natrium- und Kaliumkonzentratio-
des Herzens erhalten. Sie ist für junge und alte      nen in den Geweben ändern. Auch bei jünge-
28                                              MEDIKAMENTE IM ALTER: WELCHE WIRKSTOFFE SIND UNGEEIGNET?

ren Menschen sind Nebenwirkungen dieser                 Welche Alternativen gibt es?
Medikamente relativ häufig. Im Alter kann               Für Patientinnen und Patienten mit Herzrhyth-
es gehäuft zu Nebenwirkungen an Gehirn                  musstörungen stehen mittlerweile zahlreiche
und Nervensystem kommen, weil diese                     wirksame Medikamente zur Verfügung. Viele
Gewebe bei alten Menschen empfindlicher                 von ihnen können im Alter eingesetzt werden.
sind als bei jüngeren Menschen.                         Je nach Art der Herzrhythmusstörung lindern
                                                        unter Umständen auch gezielte Eingriffe mit
Einige Herzmedikamente, speziell Digoxin                dem Herzkatheter die Beschwerden. Bei beson-
und seine Abkömmlinge, können sich außer-               ders gefährlichen Formen der Herzrhythmus-
dem relativ leicht im Körper anreichern, was            störungen kann auch über den Einsatz von
Nebenwirkungen wahrscheinlicher macht.                  Schrittmachern oder sogenannten Defibrillato-
Diese Gefahr ist im Alter größer, weil die Leis-        ren (ICD) nachgedacht werden. Was im Einzel-
tungsfähigkeit der Ausscheidungs- und Entgif-           fall geeignet ist, muss anhand der individuellen
tungsorgane nachlässt.                                  Beschwerden und EKG-Befunde entschieden
                                                        werden. Kardiologische Fachkenntnis ist dazu
                                                        unverzichtbar.

     Wirkstoff        Eingesetzt bei               Nebenwirkungen                   Alternative Wirkstoffe

 Flecainid          Herzrhythmus-       Das Risiko von Nebenwirkungen ist        Je nach Art der Herzrhythmus-
                    störungen der       im Alter erhöht. Schwindel, Benom-       störung:
                    Herzvorhöfe oder    menheit und Sehstörungen sind sehr
                    der Herzkammern     häufig. Sturzgefahr! Auch Traurigkeit,   Betablocker
                                        Angstzustände und Schlafstörungen
 Sotalol            Herzrhythmus-       kommen häufig vor, ebenso wie (an-       Amiodaron
                    störungen der       dere) Herzrhythmusstörungen.
                    Herzvorhöfe oder                                             Propafenon
                    der Herzkammern

 Digoxin,           Herzschwäche,       Alte Menschen sind empfindlicher         Werden digoxinhaltige Medi-
 Acetyldigoxin,     Herzrhythmus-       gegenüber Nebenwirkungen von             kamente wegen Herzschwä-
 Metildigoxin       störungen           digoxinhaltigen Medikamenten.            che eingesetzt, empfiehlt sich
                                        Schwäche, Unwohlsein, Schwindel          ein Ausweichen auf den The-
                                        können auftreten. Die Sturzgefahr ist    rapiestandard (ACE-Hemmer,
                                        erhöht.                                  Betablocker, Diuretika).

                                        Vorsicht: Digoxin reichert sich im       Ansonsten je nach Art der
                                        Alter im Körper leichter an!             Herzrhythmusstörung:
                                                                                 Amiodaron, Betablocker
29

Medikamente gegen zu hohen Blutdruck
Etwa jeder zweite Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens einen Bluthochdruck. Oft ist
hier eine Behandlung mit Medikamenten nötig, um Schlaganfälle und andere schwerwiegende
Komplikationen zu verhindern. Die allermeisten Blutdruckmedikamente können bei älteren
und auch hochbetagten Menschen eingesetzt werden. Nur einige wenige sind ungeeignet.

Wie wirken Medikamente gegen                       „Kreislaufrezeptoren“ kommen teilweise auch
zu hohen Blutdruck?                                im Gehirn vor. Schließlich gibt es auch noch
Um einen angemessenen Blutdruck aufrechtzuer-      die Möglichkeit, den Blutdruck mithilfe von
halten, verfügt der menschliche Körper über eine   „Wassertabletten“ (Diuretika) zu senken, also
Reihe von „Stellschrauben“. Viele dieser Stell-    Tabletten, die dafür sorgen, dass in den Nieren
schrauben lassen sich auch mithilfe von Arznei-    vermehrt Salz und Wasser ausgeschieden wird.
mitteln beeinflussen. So hemmen ACE-Hemmer
und AT1-Blocker (auch Sartane genannt) eine        Warum sind manche Bluthochdruck­
Hormonkaskade, die den Blutdruck im normalen       medikamente für alte Menschen
Organismus ansteigen lässt, nämlich das Renin-     problematisch?
Angiotensin-System. Kalziumantagonisten wirken     Einige der Medikamente gegen zu hohen Blut-
dagegen direkt an den Muskelzellen in der Wand     druck, speziell die sogenannten Alphablocker,
der Blutgefäße und verringern so den Blutdruck.    wirken nicht nur an den Blutgefäßen und am
                                                   Herzen, sondern auch im Gehirn. Bei alten Men-
Ein anderer Wirkmechanismus ist die Blockade       schen sind die Gehirnzellen empfindlicher als in
von Alpha- und Beta-Rezeptoren am Her-             jungen Jahren, sodass diese Medikamente im Al-
zen und in den Wänden der Blutgefäße. Diese        ter vermehrt Nebenwirkungen auslösen können.
30                                                  MEDIKAMENTE IM ALTER: WELCHE WIRKSTOFFE SIND UNGEEIGNET?

                                                           gerade zu hoch ist. Sprechen Sie bitte mit Ihrem
     Schon gewusst?
                                                           Arzt darüber, ob das wirklich nötig ist oder ob
                                                           sich das Problem nicht anderweitig lösen lässt.
     Ein wichtiger Faktor bei der Auswahl der              Generell gilt heute bei der Bluthochdruckthe-
     Bluthochdruckmedikamente sind die indi-               rapie: Es geht nicht darum, den Blutdruck so
     viduellen Begleiterkrankungen. Bei einem              tief wie möglich zu senken, sondern darum, den
     Herzpatienten mit hohem Blutdruck gelten              individuellen, im Gespräch mit Arzt oder Ärztin
     andere Überlegungen als bei einem Patienten           festgelegten Zielwert zu erreichen.
     mit Diabetes, mit Schuppenflechte oder mit
     chronischen Lungenerkrankungen.                       Welche Alternativen gibt es?
                                                           Kaum eine andere Arzneimittelklasse ist so
Manche Bluthochdruckmedikamente sind auch                  umfangreich bestückt wie die Gruppe der
deswegen problematisch, weil sie den Blut-                 Medikamente gegen zu hohen Blutdruck. Für
druck zu schnell und zu stark senken. Das führt            die wenigen Präparate, die für ältere Menschen
zu Kreislaufproblemen bis hin zu Stürzen. Spe-             ungeeignet sind, gibt es in der Regel zahlreiche
ziell kurzwirksames Nifedipin wird von vielen              Alternativen, mit denen das Ziel, den Blutdruck
Patienten gerne eingesetzt, wenn der Blutdruck             abzusenken, ähnlich gut erreicht werden kann.

      Wirkstoff    Eingesetzt bei                  Nebenwirkungen                        Alternative Wirkstoffe

 Doxazosin        Bluthochdruck     Mundtrockenheit, Verstopfung, Kreislaufprobleme,   ACE-Hemmer (z. B.
                                    Probleme beim Wasserlassen; höheres Risiko von     Ramipril, Enalapril u. a.)
 Terazosin
                                    Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfällen
                                    als bei anderen Bluthochdruckmedikamenten          AT1-Blocker (z. B. Losartan,
                                                                                       Telmisartan u. a.)
 Clonidin                           Schwindel, Kreislaufprobleme, teilweise ungüns-
                                    tige Wirkung auf die geistige Leistungsfähigkeit
                                                                                       (Thiazid-)Diuretika
 Reserpin                           Kann zu Traurigkeit, Benommenheit, Schwindel       (z. B. Hydrochlorothiazid)
                                    führen; negative Auswirkungen auf die geistige
                                    Leistungsfähigkeit sind beschrieben.               Betablocker (z. B. Metopro-
 Methyldopa                         Bei älteren Menschen wurden Kreislaufprobleme      lol, Carvedilol u. a.)
                                    bis hin zur Bewusstlosigkeit und starke Benom-
                                    menheit beschrieben.                               Langwirksame Kalzium-
                                                                                       antagonisten (z. B. Amlo-
 Nifedipin                          Kurzwirksames Medikament, das zu ausgeprägten      dipin u. a.)
 (nicht                             Kreislaufproblemen führen kann und im Vergleich
 retardiert)                        zu anderen Bluthochdruckmedikamenten mit
                                    erhöhter Sterblichkeit assoziiert ist.
 Moxonidin                          Schwindel und Kreislaufprobleme, Verlangsa-
                                    mung des Herzschlags, teilweise ungünstige Wir-
                                    kung auf geistige Leistungsfähigkeit, Depression
 Urapidil                           Hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme,
                                    trockener Mund, Probleme beim Wasserlassen/
                                    Inkontinenz, Benommenheit
31

Medikamente gegen Infektionen
und Allergien
Infektionserkrankungen sind bei alten Menschen ein großes Thema. Gerade Lungen­
entzündungen stellen eine erhebliche Gefahr dar. Mit einer Ausnahme können die
gängigen Antibiotika bei alten Menschen in der Regel eingesetzt werden. Bei Medika­
menten gegen Allergien ist etwas mehr Vorsicht geboten.

Wie wirken Medikamente gegen                         brochen, die bei einer Pollenallergie zu dem
Infektionen und Allergien?                           lästigen Heuschnupfen oder bei Erdnuss-
Medikamente, die Infektionen bekämpfen,              allergikern zu Ausschlag und Atemnot führt.
wirken direkt auf die jeweiligen Krankheitser-
reger. Antibiotika beseitigen Bakterien, indem       Warum sind manche Medikamente
sie zum Beispiel deren Zellwand schädigen.           gegen Infektionen und Allergien im Alter
Medikamente, die Viren bekämpfen, sogenann-          problematisch?
te „Virostatika“, blockieren meist Strukturen, die   Antibiotika werden nur für einen begrenzten
für die Virusvermehrung nötig sind.                  Zeitraum eingenommen. Sie können für ältere
                                                     Menschen ungünstige Nebenwirkungen entfal-
Medikamente gegen Allergien wirken häu-              ten, wie zum Beispiel Schwindel und Verwirrtheit
fig dadurch, dass sie einen für die Allergie         sowie Sehnenrisse unter sogenannten Chinolo-
wichtigen Botenstoff neutralisieren, das             nen (zum Beispiel Ciprofloxacin, Moxifloxacin,
Histamin. Wird das Histamin blockiert, dann          Levofloxacin). Leider gibt es jedoch vom Wirk-
wird dadurch eine Nachrichtenkette unter-            spektrum manchmal keine bessere Alternative.
32                                                      MEDIKAMENTE IM ALTER: WELCHE WIRKSTOFFE SIND UNGEEIGNET?

                                                               wo die Allergie sichtbar oder fühlbar wird.
     Schon gewusst?
                                                               Manche dieser Medikamente wirken auch im
                                                               zentralen Nervensystem, also im Gehirn, wo
     Die meisten Antibiotika werden über die Niere             Histamin als Botenstoff eingesetzt wird. Weil
     ausgeschieden. Bei alten Menschen ist die                 die Nervenzellen bei alten Menschen empfind-
     Leistung der Niere oft eingeschränkt, manch-              licher gegenüber äußeren Einflüssen sind als
     mal auch stark eingeschränkt. Bei zahlreichen             in jungen Jahren, sollte auf Antihistaminika,
     gängigen Antibiotika (Clarithromycin, Amoxi-              die auch im Gehirn wirken, möglichst verzich-
     cillin, Ofloxacin, Gentamicin und viele andere)           tet werden. Ein anderes Problem ist, dass es für
     muss die Dosierung in einer solchen Situation             einige Arzneistoffe aus der Gruppe der Anti-
     teilweise deutlich verringert werden. Generell            histaminika speziell bei älteren Menschen
     ist es im Alter wichtig, seine Nierenfunktion             Zweifel an der Wirksamkeit gibt.
     zu kennen, um Überdosierungen von Me-
     dikamenten zu verhindern. Ablesbar ist die                Welche Alternativen gibt es?
     Nierenfunktion am Kreatinin-Wert, der bei                 Einige Arzneistoffe, die bei Allergien eingesetzt
     älteren Menschen mindestens einmal jährlich               werden, wirken nur oder überwiegend am Ort
     bestimmt werden sollte.                                   der Allergie. Sie sind im Alter besser geeignet.
                                                               Teilweise kann auf Medikamente, die Hista-
                                                               min blockieren, auch ganz verzichtet werden.
Medikamente, die Histamin blockieren                           So können abschwellende Nasentropfen bei
(„Antihistaminika“), wirken teilweise nicht                    mäßig ausgeprägten Problemen eine Alterna-
nur an der Nase oder an der Haut, also dort,                   tive sein.

       Wirkstoff        Eingesetzt bei               Nebenwirkungen                    Alternative Wirkstoffe

 Nitrofurantoin       Bakteriellen Infek-    Im Alter besteht bei diesem Anti-   Andere Antibiotika, zum Beispiel
                      tionen, in der Regel   biotikum bei längerfristiger Gabe   Cephalosporine, Cotrimoxazol,
                      bei Harnwegs-          ein erhöhtes Risiko von Nieren-,    Trimethoprim, Penicillin, Amoxi-
                      infekten               Leber- und Lungenproblemen.         cillin
 Dimetinden           Allergien              Mundtrockenheit, Verstopfung        Andere Antihistaminika, z. B.
                                                                                 Cetirizin, Loratadin, Desloratadin,
 Clemastin
                                             Verwirrung, Müdigkeit und kogni-    Mizolastin, Azelastin, Ebastin
 Hydroxyzin                                  tive Störungen
 Chlorphenamin                                                                   Je nach Art der Allergie auch ab-
                                             Teilweise unklare Wirksamkeit im    schwellende Nasensprays
 Triprolidin                                 Alter
 Promethazin
                                             Teilweise EKG-Veränderungen
                                             (QT-Verlängerung), die mit Herz-
                                             rhythmusstörungen einhergehen
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