Mehr Qualität durch Zertifizierung - AG Fuß DDG
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MEDIZIN & TECHNIK Mehr Qualität durch Zertifizierung In der Zusammenarbeit mit der Orthopädieschuhtechnik ist die AG FUSS Rheinland-Pfalz/Saarland beziehungsweise das Diabetes Fußnetz Südwest besonders engagiert. Als einzige Gruppierung der AG FUSS bietet sie eine Zertifizierung für Orthopädieschuhmacher an, die die Qualität in der Versorgung des Diabetischen Fußsyndroms bescheinigt. Am 4. November 2015 waren wir dabei und haben gefragt: Was bringt der Orthopädieschuhtechnik die Zertifizierung? VON ANNETTE SWITALA E in später Mittwochnachmittag im Vortragssaal des Klinikums Ludwigs- hafen: Dr. Ludwig Schwering referiert vor einem Auditorium, das sich gut zur Hälf- te aus Orthopädieschuhmachern, zur an- deren Hälfte aus Ärzten zusammensetzt. Der Fußchirurg und Ärztliche Leiter der Technischen Orthopädie am Mathias Spital in Rheine zeigt zunächst, was die Fußchirurgie bei kindlichen Fehlbildun- gen und schweren Deformitäten zu leisten imstande ist, bevor er zum Schwerpunkt- thema der Fortbildungsveranstaltung kommt: Der Biomechanik des Fußes. Wie entstehen Fußfehlstellungen, wie verän- Zertifizierung der Orthopädieschuhmacher: Spontan muss eine der eingereichten 30 Versor- dert ein genaueres Verständnis der Bio- gungen des Diabetischen Fußsyndroms vor Kollegen und zwei Ärzten präsentiert werden. mechanik von Fuß und Unterschenkel die Sicht auf Plattfuß, Senkfuß, Spreizfuß Pfalz/Saarland gekommen, um Hinter- dungen zum Diabetischen Fußsyndrom und diverse Zehendeformitäten? Was be- grundwissen zu vermitteln, das auch für sind Teil der Anforderungen, die Ärzte deutet es für die Therapie, wenn man das Verständnis des Diabetischen Fuß- und Orthopädieschuhmacher für die Zer- nicht nur das Symptom behandeln, son- syndroms von Nutzen sein kann. „Wir tifizierung nach den Qualitätsstandards dern die muskulären Dysbalancen, die haben dieses Thema ausgewählt, weil ein der AG FUSS Rheinland-Pfalz erfüllen Fußfehlstellungen zugrunde liegen, mit- diabetisches Fußulkus keine einfache müssen. „Unsere Mitglieder machen das behandeln möchte? Verletzung ist, sondern weil sich dahin- alles aus eigenem Engagement. Für die Dr. Ludwig Schwering ist an diesem ter immer auch eine gestörte Biomecha- Ärzte zahlt es sich zwar auch in einer Nachmittag zur AG FUSS Rheinland nik des Fußes verbirgt!“, erklärt Dr. besseren Honorierung ihrer Leistungen Sibylle Brunk-Loch, Sprecherin der AG aus, wenn sie zertifiziert sind, aber die FUSS Rheinland-Pfalz/Saarland. Der Vor- zusätzliche Qualifikation der Orthopä- trag ist eine von vier Fortbildungen, die dieschuhmacher wird leider von den die AG FUSS in diesem Bundesland pro Krankenkassen bislang nicht honoriert. Jahr anbietet. „Und wir sind durchaus Da muss schon stimmen, was wir unse- stolz darauf, dass wir Referenten wie ren Mitgliedern bieten!“, meint Dr. Hinck. Dr. Ludwig Schwering oder im Vorjahr Dr. Armin Koller aus dem Mathias Spital „Da braucht’s schon Idealismus!“ Rheine, das eines der führenden Zentren „Es ist schon ein hoher Aufwand, den die in der Versorgung des Diabetischen Fuß- Orthopädieschuhmacher hier für die Zer- syndroms ist, gewinnen konnten“, er- tifizierung auf sich nehmen“, gibt Dr. gänzt Dr. Valeria Hinck, Diabetologin mit Hinck offen zu, „wer sich dem stellt, dem dem Schwerpunkt Charcotfuß-Versor- ist der diabetische Fuß ein echtes Anlie- gung. gen.“ Sechs Orthopädieschuhmacher- Immer wieder steht der engere Kreis Meister, ein Orthopädietechniker-Meister der AG FUSS Rheinland-Pfalz/Saarland und zwei Ärzte sitzen in den Abendstun- vor der Herausforderung, Themen für den nach Dr. Schwerings Vortrag beisam- Welche biomechanischen Ursachen liegen Fußdefor- Fortbildungen zu finden, von denen Ärz- men, um die Zertifizierung der Orthopä- mitäten zugrunde? Diesmal war Dr. Ludwig Schwering te, Orthopädieschuhmacher und Podolo- dieschuhmacher abzuschließen. Auf dem für die Fortbildung der AG FUSS-Mitglieder der ADE gen gleichermaßen profitieren. Denn die Tisch ein prall gefüllter Aktenordner, in Rheinland-Pfalz eingeladen worden. Teilnahme an mindestens drei Fortbil- dem sich ausgewählte Dokumentationen ORTHOPÄDIESCHUHTECHNIK 1|16 21
MEDIZIN & TECHNIK aus den eingereichten Unterlagen der Ein wesentlicher Bestandteil der Ein- den-Württemberg beachten die Kran- Orthopädieschuhmacher befinden. Die zelfall-Dokumentation ist der Schuhver- kenkassen den Schuhverordnungsbogen Zertifizierungskommission, bestehend aus ordnungsbogen, den die AG FUSS Rhein- leider sehr viel weniger“, berichtet ein Dr. Valeria Hinck, Dr. Thomas Kress, OSM land Pfalz/Saarland entwickelt hat und Orthopädieschuhmacher. Dort habe die Siegfried Kramp, OSM Michael Laux und der auch überregional von der AG FUSS AOK ihre ganz eigenen Formulare und OMM Frank Leipold, haben von jedem der DDG übernommen wurde. Er bietet Anforderungen. Auch mit Verträgen zur Orthopädieschuhmacher zwei der Falldo- auf einem klar strukturierten Formular Integrierten Versorgung stehe Baden- kumentationen herausgesucht, die nun die Möglichkeit, eine leitliniengerechte Württemberg weit hinten an. vorgestellt werden müssen, um die Zer- Schuhverordnung vorzunehmen, die sich Doch die Kommunikation zwischen tifizierung zu erlangen. „Man weiß vorher an den Risikoklassen des Diabetischen Arzt und Orthopädieschuhmacher habe nicht, welcher von beiden Fällen dran Fußsyndroms orientiert. Er soll es nicht der Schuhverordnungsbogen allemal er- kommt und muss den Kollegen schlüssig nur Behandlern erleichtern, eine risiko- leichtert. Der Arzt füllt ihn als erstes aus den Fall und die zugehörigen Dokumen- klassenorientierte Verordnung vorzu- und übermittelt ihn an den Orthopädie- tationen präsentieren“, erklärt OSM nehmen. Zusammen mit Rezept und Kos- schuhmacher, der eigene Angaben er- Michael Laux. tenvoranschlag eingereicht, soll er auch gänzen darf. „Außerdem erhoffen wir Doch für die beteiligten Orthopädie- Krankenkassenmitarbeitern die gewählte uns, dass auch Ärzte, die sich weniger schuhmacher ist das kein Problem, sie Verordnung plausibel machen. gut mit Einlagen und Schuhversorgun- alle sind bereits länger dabei und absol- „In Rheinland-Pfalz haben wir sehr gen auskennen, in dem Schuhverord- vieren eine Folgezertifizierung. Dafür gute Erfahrungen mit dem Schuhverord- nungsbogen eine Unterstützung sehen“, haben sie Dokumentationen von 15 Ver- nungsbogen gemacht“, sind sich die erklärt Dr. Thomas Kress. sorgungen mit diabetesadaptierten Fuß- Orthopädieschuhmacher einig. Bei den bettungen und 15 mit orthopädischen dortigen Krankenkassen treffe der Bogen Immer dabei: Kontrollunter- Maßschuhen eingereicht. auf große Akzeptanz. „Auch eine MDK- suchung und Bilddokumentation Mitarbeiterin sagte mir, sie sei richtig Zwei Kontrolluntersuchungen führen die Gute Erfahrungen mit dem froh, wenn ein Schuhverordnungsbogen Orthopädieschuhmacher durch, zwei und Schuhverordnungsbogen beiliegt“, erzählt Dr. Hinck. „Krankenkas- sechs Wochen nach der Versorgung; die Für die Dokumentation sind eine ganze senmitarbeiter sind auch Menschen, sie Ergebnisse werden auf einem Kontrollbo- Reihe an Bögen auszufüllen und Bilddo- haben Vorgaben, nach denen sie ent- gen der AG FUSS Rheinland-Pfalz doku- kumentationen zu erstellen. Auf einem scheiden müssen, und auch sie haben ei- mentiert. Dieser wird nicht nur bei der fallübergreifenden Dokumentationsbo- nen Chef im Nacken sitzen“, gibt OSM Krankenkasse und bei der Zertifizierung gen werden alle eingeschlossenen Pa- Siegfried Kramp zu bedenken. „Außer- eingereicht, sondern auch dem verord- tienten anonymisiert mit Diagnose und dem ist das Diabetische Fußsyndrom so nenden Arzt übermittelt. Versorgungsgrund aufgeführt, gegebe- komplex, dass seine Beurteilung ohne Für die Zertifizierung ist zudem eine nenfalls mit Lokalisation des Ulkus. eine saubere Dokumentation tatsächlich aussagekräftige Bilddokumentation er- Außerdem wird hier vermerkt, ob bei der schwierig ist.“ forderlich: Sie besteht zum einen aus Fo- Nachuntersuchung erneute Läsionen Seit die AG FUSS in Rheinland-Pfalz tos, die sowohl die Füße als auch das Ver- festgestellt werden konnten oder Nach- aktiv ist, habe sich die Kostenerstattung sorgungsprodukt abbilden. Der Fuß wird besserungen an der Versorgung nötig durch die Krankenkassen erheblich ver- auf der diabetesadaptierten Fußbettung, waren. Aufgeführt wird anhand von Tra- bessert, sind sich die anwesenden Ärzte nach Möglichkeit in Belastung, sowie in gespuren, ob der Patient Schuh, Einlage und Orthopädieschuhmacher einig. Ins- der Position, die die Deformität am deut- oder Orthese auch wirklich verwendet besondere die letzten Jahre habe es lichsten sichtbar macht, fotografiert. hat. kaum Beanstandungen gegeben. „In Ba- Zum anderen ist eine dynamische Druckverteilungsmessung erforderlich. Sie dokumentiert die durch die Versor- gung erzielte Druckreduktion im Ver- gleich zu neutralen Bedingungen. Spontane Fallvorstellungen „Stellen Sie uns bitte Ihren achten Fall vor!“, fordert Dr. Valeria Hinck den ersten Orthopädieschuhmacher in der Zertifizie- rungsrunde auf. Für ihn geht es nun nicht nur darum, die Dokumentationsunterla- gen zu zeigen, sondern vor allem auch darum zu erklären, warum er seine Ver- sorgung genau so und nicht anders ge- macht hat. „Wir reißen hier niemandem Die Orthopädieschuhmacher und Ärzte sind sich einig: Der Schuhverordnungsbogen, den die den Kopf ab“, sagt Dr. Valeria Hinck, „aber AG FUSS Rheinland-Pfalz/Saarland entwickelt hat, erleichtert die risikoklassengerechte Ver- wir stellen durchaus Rückfragen.“ Ihn sorgung und findet bei Krankenkassen und MDK in Rheinland-Pfalz eine hohe Akzeptanz. hätten die Kollegen aus der Zertifizie- 22 ORTHOPÄDIESCHUHTECHNIK 1|16
MEDIZIN & TECHNIK rungskommission einmal gefragt, warum dass wir genaue ein Patient trotz eines nicht verheilten Einblicke in die Ulkus mit einem orthopädischen Maß- Sicht- und Arbeits- schuh und nicht mit einem Verbands- weise der anderen schuh versorgt worden sei, erzählt ein Profession bekom- Orthopädieschuhmacher. „Das war ein men“, fügt Kramp klarer Hinweis auf die neuen Empfehlun- hinzu, „das ist im gen zur Risikoklasse VII, die vor einigen besten Sinne inter- Monaten neu festgelegt worden sind.“ disziplinär“. Ein Kollege sagt bei der Präsentation Über das in den seines Falls gleich dazu, dass sein Patient letzten Jahren Er- eher unüblich versorgt wurde: Nach einer reichte sind die Vorfuß-OP erhielt er sofort orthopädi- Beteiligten durch- sche Maßschuhe in Form von beidseitigen aus stolz: „Wir Arthrodesenstiefeln. „Der Patient hatte werden jedes Jahr in den Vorjahren wiederholt schwere besser!“, findet ein Engagiert in der Zertifizierung der Orthopädieschuhmacher (v.l.): OSM Siegfried Ulcerationen, und er war in Bezug auf Orthopädieschuh- Kramp, OSM Michael Laux, Dr. Thomas Kress, Dr. Valeria Hinck und OMM Frank Orthesen therapieresistent“, argumen- macher. Die Doku- Leipold. tiert der Orthopädieschuhmacher. „Bei mentationen wür- Füßen, die einfach nicht heilen, wage ich den immer aussagekräftiger, die eigene es ungemein wichtig, dass man nicht bei in Absprache mit Ärzten auch mal einen Arbeit immer strukturierter. „Aus meiner jeder Verordnung wieder ganz von vorne Arthrodesenstiefel.“ Wie er mit der Do- Erfahrung mit ärztlichen Zertifizierun- erklären muss, welche Voraussetzungen kumentation belegen kann, erzielte die- gen kann ich sagen: Meine ersten Doku- die jeweilige Versorgung erfüllen muss!“. se Versorgung endlich den gewünschten mentationen sind überhaupt nicht mehr Nicht alle Kollegen, die im Laufe der Erfolg. Die Zertifizierungskommission mit dem vergleichbar, was ich heute ein- Zeit dabei waren, haben die Dokumenta- kann er damit überzeugen. Nur rät Dr. reiche“, bestätigt Dr. Valeria Hinck. „Man tionen durchgehalten, erzählen die Or- Hinck, beim nächsten Mal bereits in der lernt wie von selbst dazu, wenn man ein- thopädieschuhmacher. Doch spürbar ist: eingereichten Dokumentation zu erläu- mal anfängt, strukturiert zu dokumen- Die, die jetzt dabei sind, sehen deutliche tern, warum genau diese Versorgung tieren“. Heute muss sie nicht mehr müh- Fortschritte durch die Zertifizierung und notwendig war. selig nach Aufzeichnungen und Fotos den interdisziplinären Austausch in der suchen, die sich für die Einreichung bei AG FUSS. Die Anwesenden sind sich einig: Im besten Sinne interdisziplinär der AG FUSS eignen, sämtliche Füße in Ihre Bemühungen bedeuten eine deutli- Es sind kurze, aber sehr ergiebige Ge- ihrer Praxis sind nach einheitlichen Kri- che Verbesserung der Versorgung des spräche, die sich aus den Präsentationen terien dokumentiert. Diabetischen Fußsyndroms, die letztend- entwickeln. Die jahrelange Erfahrung in Die eigene positive Erfahrung mit ei- lich dem Patienten zugute kommt. ❚ der Versorgung des Diabetischen Fußsyn- ner strukturierten Dokumentation war es droms macht es möglich, dass sich die auch, die bei einigen Ärzten der AG FUSS Kollegen gegenseitig wertvolle Tipps ge- ben können. „Von diesem Austausch profitieren beide Seiten, sowohl die Orthopädie- zu dem Gedanken führte, in Rheinland- Pfalz auch eine Zertifizierung für Ortho- pädieschuhmacher anzubieten. Zurzeit gibt es in Rheinland-Pfalz zehn zertifi- INFOPLUS schuhmacher als auch die Ärzte“, ist zierte Orthopädieschuhmacher-Meister. Den Schuhverordnungs- Orthopädiemechaniker-Meister Frank „Wir Ärzte wissen, dass unsere Patienten bogen, Formulare und Zer- Leipold überzeugt. Schließlich wüssten mit Diabetischem Fußsyndrom dort in tifizierungsanleitungen der die Gesundheitshandwerker oft genauer guten Händen sind!“, sagt Dr. Hinck. AG-FUSS Rheinland-Pfalz/ über Schuhversorgungen und Fußbet- „Und es erleichtert uns die Arbeit enorm, Saarland finden Sie auf tungen Bescheid, und an vielen Fällen dass wir mit diesen Orthopädie- www.ostechnik.de unter tüftelten Ärzte und nichtärztliche Leis- schuhmachern auf einer Ebene kommu- Info/Plus. tungserbringer sowieso am besten ge- nizieren können. Für die interdisziplinä- meinsam. „Wesentlich für uns alle ist, re Betreuung des diabetischen Fußes ist Kronacher STENGEL OHG ORTHOPÄDIESCHÄFTE OR Orthopädieschäfte Schäftefabrikation 96328 Küps/Burkersdorf Pfründestrasse 4 Tel. 09264/968 754 Fax 09264/968 755 www.kronacher-schaefte.de info@kronacher-schaefte.de ORTHOPÄDIESCHUHTECHNIK 1|16 23
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