Methamphetamin - Arbeitshilfe für Beraterinnen und Berater zum Umgang mit Methamphetamin konsumierenden Klientinnen und Klienten - DHS

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Methamphetamin - Arbeitshilfe für Beraterinnen und Berater zum Umgang mit Methamphetamin konsumierenden Klientinnen und Klienten - DHS
Methamphetamin

Arbeitshilfe für Beraterinnen
und Berater zum Umgang mit
Methamphetamin konsumierenden
Klientinnen und Klienten
Methamphetamin - Arbeitshilfe für Beraterinnen und Berater zum Umgang mit Methamphetamin konsumierenden Klientinnen und Klienten - DHS
Hinweis an unsere Leserinnen und Leser: Frauen und Männer
sollen sich von unseren Veröffentlichungen gleichermaßen
angesprochen fühlen. In Texten der DHS werden die weibliche
und die männliche Sprachform verwendet. Zugunsten besserer
Lesbarkeit kann abweichend nur eine Sprachform verwendet
werden. Wir danken für Ihr Verständnis.
Methamphetamin
Arbeitshilfe für Beraterinnen
und Berater zum Umgang mit
Methamphetamin konsumierenden
Klientinnen und Klienten
Inhaltsverzeichnis

              Einleitung                                         3

    1         Legenden und Wahrheiten                            4
    1.1			    Legenden                                           4
    1.2			    Wahrheiten                                         5

    2         Substanz                                           6
    2.1			    Name                                               6
    2.2			    Wirkung                                            6
    2.3			    Erwünschte und positive Wirkungen                  7
    2.4			    Nebenwirkungen und Risiken                         7
    2.4.1		   Unerwünschte kurzfristige Symptome                 7
    2.4.2		   Unerwünschte langfristige Symptome                 8
    2.4.3		   Risiken                                            9
    2.5			    Aussehen und Konsumformen                         13
    2.6			    Rechtliches                                       13
    2.7			    Historisches                                      13

    3         Konsumentinnen und Konsumenten                    14
    3.1			    Epidemiologie                                     14
    3.2			    Konsumtypen                                       15
    3.2.1		   Heterogene Konsumentengruppe                      15
    3.2.2		   Typologie der Konsumenten                         16
    3.2.3		   Erstkontakt, Dauer und Häufigkeit des Konsums     17
    3.3			    Konsummotive                                      18
    3.4			    Konsumkreislauf                                   19

    4         Beratungssituation                                22
    4.1			    Erstkontakt zur Beratungsstelle                   22
    4.2			    Beratungsziele                                    23
    4.3			    Beratungserfolge                                  25
    4.4			    Beratungsstrategien                               26
    4.5 		    Probleme                                          27
    4.5.1		   Passendes Beratungssystem für Methamphetamin      27
    4.5.2		   Gründe für andere Anforderungen an die Beratung   29
    4.6			    Beratung Angehöriger                              30

    5         Besondere Risiken                                 31
    5.1			    „Doping“problematik/Langzeitrisiken               31
    5.2			    Positive Rückmeldungen der Umwelt                 32
    5.3			    Psychoseverläufe                                  32
    5.4			    Entzugssyndrom                                    33
    5.5			    Mischkonsum                                       33
    5.6			    Kindeswohlgefährdung                              33

    6         Notfallmaßnahmen                                  34

    7         Öffentlichkeitsarbeit                             35

    8         Schlussbemerkung                                  35

              Anhang                                            36
    			       Literatur                                         36
    			       Information, Rat & Hilfe                          38

2
Einleitung

Crystal Meth (kristallines Methamphetamin) wird     Der regelmäßige Gebrauch psychoaktiver Subs-
in den Medien als Horrordroge und gefährlichste     tanzen wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus. Das
Droge unserer Zeit bezeichnet, die Deutschland      Wirkungsspektrum und die Wirkungserwartungen
überschwemmt. Sicher ist, dass Methamphetamin       bezüglich kristallinen Methamphetamins, auf die
inzwischen einen festen Platz in der Drogenkon-     im Folgenden näher eingegangen wird, passen
sumwelt eingenommen hat. Doch es sind viele         zu unserer modernen Leistungsgesellschaft. So
falsche oder nur teilweise korrekte Informationen   erklärt sich, warum die Konsumentengruppe sehr
im Umlauf. Gerne werden sie von den Medien          heterogen und deren Konsummotive vielfältig sind.
aufgegriffen und verstärkt, um Aufmerksamkeit       Die körperlichen Folgen und psychischen Risiken
zu erzeugen. Das führt zu Beunruhigung von          sind zwar grundsätzlich für alle Konsumenten
Eltern und Angehörigen, die eine Konsumentin/       gegeben, können aber abhängig von den Konsum-
einen Konsumenten als „für immer verloren“          motiven und Konsumformen in unterschiedlichen
einstufen, zu Vorbehalten gegenüber den Klienten    Ausprägungen auftreten. Darauf sollten Sie als
in der professionellen Suchtberatung, aber auch     Experte oder Expertin der Suchtberatung und
zu Neugier bei Jugendlichen und Erwachsenen.        -behandlung gefasst sein.
Da Angst kein guter Berater ist und den Umgang
mit der Droge, ihren Auswirkungen und den Kon-      Mit etwas Abstand betrachtet, ist Methamphetamin
sumenten erschwert, möchte diese Arbeitshilfe       eine der illegalen „Drogen“. Sie als Beraterin oder
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Suchthilfe    Berater können im Umgang mit Ihren Klienten
sowie anderen interessierten Beratungseinrich-      daher grundsätzlich ein bekanntes Setting, Vorge-
tungen (z. B. Erziehungsberatung) sachlich kor-     hensweisen und Gesprächstechniken anwenden,
rekte und seriöse Informationen an die Hand         die auch für andere Drogen Gültigkeit haben.
geben, um die Arbeit mit Methamphetamin-Kon-        Zugleich gilt es, neue Aspekte im Rahmen der
sumenten sowie Angehörigen zu unterstützen.         Suchtberatung zu beachten, die in dieser Arbeits-
Zudem erhalten Sie Hintergrundwissen, um im         hilfe angesprochen werden. Zu Methamphetamin
Umgang mit Politikern, Journalisten und anderen     im Allgemeinen liegen bereits gute und aktuelle
Interessierten sachlich zu informieren und weit     Publikationen vor. Hinweise zu diesen finden sich
verbreitete Mythen zu entkräften bzw. aus einem     im Anhang.
anderen Blickwickel zu beleuchten.

                                                                                                      3
Legenden und Wahrheiten

Wirkungsvolle Botschaften im Rahmen der Prä-
vention und im Umgang mit Konsumenten müssen
glaubwürdig und passgenau sein, nicht stigma-
tisierend. Diese nachvollziehbare Erkenntnis hat
das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung
(ZIS) mit seiner Befragung von Methamphetamin-
Konsumenten bekräftigt. Um die Kommunikation
                                                                                     1
                                                      Abhängigkeit nach erstem Konsum: Im Zusam-
                                                      menhang mit dem Bild der Horrordroge wird oft
                                                      vor einer Abhängigkeit bereits nach dem ersten
                                                      Konsum gewarnt. Das ist nicht richtig. Es gibt viele
                                                      Konsumenten, die Methamphetamin mehrere Male
                                                      probieren und dann damit wieder aufhören. Nach
                                                      dem ersten Kontakt besteht keinesfalls zwingend
mit Konsumenten und Konsumentinnen, mit An-           eine Abhängigkeit.
gehörigen und mit der Öffentlichkeit unter diesen
Vorzeichen führen zu können, sollte der Blick         Niedriges Einstiegsalter: Das Einstiegsalter bzw.
auf die Klienten unverstellt von den bekannten        der erste Kontakt mit Methamphetamin erfolgt
Klischees sein.                                       häufig durch Ausprobieren im Freundeskreis unter
                                                      Jugendlichen, also in einem Alter, in dem Jungen
                                                      und Mädchen gern probieren. Allerdings gibt es
                                                      sehr unterschiedliche Konsumgründe, Konsum-
                                                      muster und Anwender/-innen in allen Altersklas-
                                                      sen und gesellschaftlichen Schichten. (Siehe auch
1.1 Legenden                                          Konsumentinnen und Konsumenten, S. 16)

                                                      Schädigungen des Gehirns: Das Gehirn wird nicht
Es kursieren viele Gerüchte und falsche bzw. über-    beim einmaligen Konsum schwer und irreparabel
triebene Informationen über Methamphetamin.           geschädigt. Schädigungen sind andererseits durch
Mit dem Abschnitt „Legenden und Wahrheiten“ soll      das Absterben von Nervenzellen im Tierexperi-
keinesfalls die Gefahr, die vom Konsum ausgeht,       ment belegt. Die zu beobachtenden Aufmerksam-
bagatellisiert werden. Doch falsche Informationen     keits- und Konzentrationsstörungen sowie psy-
und Panik sind nicht geeignet, um vernünftig zu       chotischen Störungen sind vermutlich auf solche
informieren und Klienten der Suchtberatung an-        Strukturschäden zurückzuführen. (Siehe auch
gemessen zu begegnen.                                 Substanz, S. 9)

Schlechte Zähne: Kein Methamphetamin-Konsu-           Schneller körperlicher Verfall: Der intensive
ment verliert in kürzester Zeit seine Zähne. Zwar     Konsum von Methamphetamin hat starke körper-
sind bei langfristigem Konsum auch die Zähne          liche Auswirkungen und führt zur erheblichen
gefährdet, doch ist das häufig die Folge schlechter   Gewichtsabnahme. Dennoch stellen sich die
werdender Hygiene sowie eines generell schlech-       körperlichen Auswirkungen erst mit der Zeit ein.
ter werdenden Ernährungs- und Allgemeinzu-            Konsumenten, die selten konsumieren, zeigen
stands. Viele Konsumenten haben lange Zeit keine      nach außen keine auffälligen körperlichen An-
(äußerlich sichtbaren) Probleme mit den Zähnen.       zeichen. (Siehe auch Substanz, S. 8)

Neue Droge: Methamphetamin ist keine neue             Leistungsverlust: Methamphetamin wird häufig
Substanz. Sie wurde 1893 entdeckt und war zwi-        wegen seiner leistungssteigernden Wirkung
schen 1938 und 1988 als Medikament unter dem          eingenommen. Die Konzentration ist erhöht, die
Handelsnamen Pervitin erhältlich. Als illegale        Aufmerksamkeit geschärft, das Aufnahmever-
Substanz (Crystal) ist Methamphetamin als Nach-       mögen gesteigert. Wird über einen längeren Zeit-
folger des Pervitins seit den 1980er Jahren in        raum regelmäßig konsumiert, treten aber auch
Nordamerika im Umlauf. (Siehe auch S. 13)             Nebenwirkungen wie Konzentrationsstörungen,

4                                                                                 1 Legenden und Wahrheiten
Gedächtnisstörungen aufgrund von Schädigungen           Risiko für Psychosen, Paranoia, Halluzinationen
der Nerven oder depressive Phasen stärker in den        und Angstzuständen. Beim Konsum mehrerer
Vordergrund und bedingen einen Leistungsverlust.        Substanzen (Mischkonsum) ist zudem die Gefahr
                                                        für Psychosen stark erhöht (siehe Besondere
Unüberwindbare Abhängigkeit: Methamphetamin             Risiken, S. 31). Methamphetamin kann ein vor-
besitzt ein höheres Abhängigkeitspotenzial als          bestehendes psychisches Gesundheitsproblem
andere illegale Drogen. Dennoch ist es möglich,         zum Ausbruch bringen.
eine Abhängigkeit zu überwinden. Australische
Untersuchungen gehen davon aus, dass zwischen           Intensiviertes sexuelles Erleben: Methamphetamin
sechs und elf Prozent der Konsumenten mit               steigert das Lustempfinden. Die sexuellen Erleb-
einem Behandlungsangebot erreicht werden.               nisse werden von vielen, aber nicht allen Konsu-
(Ritter, 2003)                                          menten als außergewöhnlich intensiv und lang
                                                        andauernd beschrieben. Die Bereitschaft zu ris-
Deutschland wird überschwemmt: Entgegen dem             kanten Praktiken ist erhöht. Dadurch steigen auch
Eindruck, der in den Medien entsteht, ist Metham-       die Risiken für ungeschützten Verkehr und die
phetamin-Konsum in Deutschland noch immer vor           damit einhergehenden Gefahren einer Ansteckung
allem auf die grenznahen Gebiete zu Tschechien          mit sexuell übertragbaren Krankheiten und einer
begrenzt. Dort ist die Problematik in der Tat größer.   ungewollten Schwangerschaft. Männer berichten,
                                                        dass regelmäßiger Konsum zu Potenzproblemen
                                                        führen kann.

                                                        Körperliche und psychische Abhängigkeit: Beim
                                                        Konsum von kristallinem Methamphetamin erfolgt
                                                        schnell eine Toleranzentwicklung, die zu häufige-
                                                        rem Konsum und zum Konsum von mehr Substanz
                                                        führt, um den gleichen Effekt zu erzielen. Daher
                                                        werden auch riskante Konsumformen (rauchen,
                                                        spritzen) schneller gewählt und führen schnell in
1.2 Wahrheiten                                          die Abhängigkeit (Gonzalez Castro F., 2000). Die
                                                        Möglichkeit einer psychischen Abhängigkeit kann
                                                        bei regelmäßigem Konsum gegeben sein. Derzeit
Ebenso wie es „Legenden“ gibt, gibt es auch             ist nur die psychische Abhängigkeit bekannt, wäh-
„Wahrheiten“. Auch hier müssen die Aussagen             rend die Auswirkungen der Abhängigkeit psychisch
bzw. deren Zutreffen in der jeweiligen Beratungs-       und körperlich sichtbar werden können.
situation geprüft werden.
                                                        Riskanter Mischkonsum: Die Mischung von Meth-
Schlankmacher: Methamphetamin reduziert das             amphetamin mit anderen Substanzen ist hoch-
Hungergefühl und verstärkt den Bewegungsdrang.          riskant. Wirkungen verstärken sich und die Gefahr
Diese Eigenschaften führen dazu, dass zu Beginn         stärkerer Nebeneffekte (Anstieg des Blutdrucks,
des Konsums schnell Gewicht verloren geht. Diese        der Herzfrequenz u. a.) ist erhöht. Außerdem
Wirkung wird vor allem von Frauen geschätzt. Al-        neigen gerade Mischkonsumenten zu riskanteren
lerdings wird das Essverhalten insgesamt unregel-       Verhaltensweisen inklusive ungeschützten Sex
mäßiger, so dass bei regelmäßigem Konsum der            oder riskanten Sexpraktiken oder zur Teilnahme
Ernährungszustand und die Zufuhr an Nährstoffen         am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss.
schlecht sind.
                                                        Tagelange Wachphasen: Im Falle von Methamphe-
Hohes Psychoserisiko: Die Potenz der Droge bringt       tamin ist der kontinuierliche Konsum über mehr
es mit sich, dass Überdosierungen leicht möglich        als 48 Stunden nicht selten. Wachphasen von meh-
sind. Besonders bei riskanten Konsummustern             reren Tagen sind möglich. Dadurch ist das Risiko
(rauchen, spritzen) ist die Gefahr stark erhöht.        sozialer Verhaltens- und Gesundheitsprobleme,
Die Überdosierung führt – neben körperlichen            insbesondere Psychosen, erhöht.
Auswirkungen – vor allem zu einem erhöhten

1 Legenden und Wahrheiten                                                                                 5
Substanz

2.1 Name

Methylamphetamin ist unter verschiedenen
Bezeichnungen bekannt. Die häufigsten sind in
Europa Crystal, Crystal Meth, Ruppe, Pervitin und
                                                    2
                                                    2.2 Wirkung

                                                    Aufgrund der chemischen Ähnlichkeit zum
                                                    Amphetamin (Speed) sind auch die Effekte und
                                                    Wirkungen ähnlich. Methamphetamin mit hohem
Methedrin. Chemisch betrachtet ist Methamphe-       Reinheitsgrad wirkt jedoch etwa fünffach stär-
tamin eine Abwandlung des Amphetamins und           ker, länger und intensiver. Es ruft im Vergleich zu
wird über die chemische Reduktion von Ephedrin      Amphetaminen stärkere Reaktionen im zentralen
hergestellt.                                        Nervensystem hervor, während die Körperreak-
                                                    tionen (Anstieg der Puls- und Atemfrequenz und
                                                    des Blutdrucks) nicht im gleichen Maße verstärkt
                                                    sind. Die Wirkung entsteht durch die vermehrte
                                                    Ausschüttung und anschließend durch verminder-
                                                    te Wiederaufnahme der Botenstoffe Noradrenalin
                                                    und Dopamin im Gehirn. Die Konzentration der
                                                    Neurotransmitter zwischen den Nervenzellen, im
                                                    synaptischen Spalt, bleibt über lange Zeit hoch und
                                                    bewirkt die extrem starke Stimulation der Nerven-
                                                    zellen. Der Körper wähnt sich in einer extremen
                                                    Stress- und Kampfsituation und verringert Grund-
                                                    bedürfnisse wie Hunger- und Durstgefühle, unter-
                                                    drückt Schmerzen und Müdigkeit und versetzt
                                                    die Person in einen Zustand extrem geschärfter
                                                    Aufmerksamkeit und Aufnahmefähigkeit.

                                                    Der Wirkungseintritt ist abhängig von der Kon-
                                                    sumform (von wenigen Sekunden beim Rauchen
                                                    und Spritzen bis zu ca. 30–45 Minuten beim
                                                    Schlucken). Die Wirkungsdauer liegt etwa zwi-
                                                    schen 6 und 48 Stunden. Die psychischen Effekte
                                                    der Amphetamine hängen von der Dosis, der indi-
                                                    viduellen Verfassung des Anwenders sowie dem
                                                    Kontext des Drogenkonsums ab. Die Intensität
                                                    wird zusätzlich von der Substanzqualität und dem
                                                    Gewöhnungsgrad (Toleranz) beeinflusst.

6                                                                                            2 Substanz
2.3 Erwünschte und positive Wirkungen

Methamphetamin erzeugt Glücksgefühle,
ge- und übersteigertes Selbstbewusstsein und
erhöhte Risikobereitschaft. Weitere erwünschte
und als positiv erfahrene Wirkungen sind das
Aufgeputschtsein, die Gewichtsreduktion, langes
Wachsein, gesteigerte (sexuelle) Leistungsfähig-
keit und erhöhtes Rede- und Kontaktbedürfnis.
Viele Konsumenten empfinden auch den Drang
nach ordnenden oder sich wiederholenden Tätig-
keiten („Fließband“, Putzen usw.) als positiv. Die
frei werdende Energie benötigt der Körper für
die erhöhten Körperfunktionen (Stoffwechsel,
Atmung, Blutdruck, Puls, Körpertemperatur).

2.4 Nebenwirkungen und Risiken

Auf die gewünschten und positiv erlebten Wirkun-     Erschöpfungs- und Katerstimmung, depressiven
gen während des Rausches folgen beim „Runter-        Verstimmungen, erhöhter Ängstlichkeit, Lethargie
kommen“ sehr starke, teilweise mehrere Tage bis      und Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwierig-
Wochen anhaltende unangenehme Nebenwirkun-           keiten, Gedächtnisstörungen und Schlafstörungen,
gen. Sie können den Wunsch nach einem neuer-         die einige Tage bis mehrere Wochen andauern
lichen Kick fördern und begünstigen den Einstieg     können.
in einen gefährlichen Kreislauf wiederholten Kon-
sums oder einer Abhängigkeitserkrankung. Neben
dem starken „Kick“, den Methamphetamin anfangs       2.4.1   Unerwünschte kurzfristige Symptome
erzeugt und der für das hohe Abhängigkeitspoten-
                                                     X Mundtrockenheit (auch langfristig)
zial maßgeblich verantwortlich ist, gewöhnt sich
der Körper schnell an die Substanz – schneller       X Muskelkrämpfe
als an Speed oder Kokain. Die Dosis muss dann
in kurzen Abständen erhöht werden, um die            X Überaktivität der Kaumuskulatur
gewünschte Wirkung zu erzielen.                      X Hautjucken
Nach dem Rausch sind die Speicher des „Glücks-       X Schweißausbrüche
hormons“ Dopamin komplett entleert und füllen
sich nur langsam wieder. Vermutlich dadurch          X Schädigung/Verletzung der Nasen-
und durch den hohen Energieverbrauch während            schleimhäute/Nasenscheidewand
des Rausches kommt es zu starker Müdigkeit,             (durch nasale Aufnahme)

2 Substanz                                                                                          7
2.4.2   Unerwünschte langfristige Symptome

X Schwindel                                         X Psychosen aufgrund von Vergiftungs-
                                                       erscheinungen und Überdosierungen
X Zittern
                                                    X Schlafstörungen und Schlafentzugspsychosen
X Blutdruckschwankungen
                                                    X Hautveränderungen und -entzündungen,
X Appetitlosigkeit                                     u. a. durch Pickel-Aufkratzen
X Hyperthermie (Überhitzung des Körpers)            X Zersetzung der Nasenscheidewand
    verbunden mit einer Vielzahl an Symptomen          durch nasale Aufnahme
    und Folgen
                                                    X Starker Gewichtsverlust, Untergewicht
X Stereotype Verhaltensweisen wie Hautkratzen,
    Pickel-Quetschen u. Ä.                          X Schädigung der Zähne durch Zähneknirschen,
                                                       verminderten Speichelfluss und vernach-
Regelmäßiger Konsum von Methamphetamin führt
                                                       lässigte (Mund-)Hygiene
– egal in welcher Dosierung – zu körperlichen und
psychischen Schädigungen.                           X Gesteigertes Aggressionspotenzial

                                                    X Depressionen

                                                    X Panikattacken, Angstzustände

                                                    X Persönlichkeitsveränderungen

                                                    X Magenschmerzen, Magendurchbruch

                                                    X Beeinträchtigungen des Monatszyklus

                                                    X Herzrhythmusstörungen, erhöhter Blutdruck,
                                                       erhöhtes Infarktrisiko

                                                    X Hirnblutungen

                                                    X Nierenschäden durch Hyperthermie

                                                    X Schwächung des Immunsystems,
                                                       erhöhte Infektanfälligkeit, Nährstoffmangel

                                                    X Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung

                                                    X Schädigung von Nervenzellen mit beeinträch-
                                                       tigter Merkfähigkeit, Konzentrationsstörungen,
                                                       Wortfindungsstörungen

                                                    Es sollte berücksichtigt werden, dass neben den
                                                    Risiken, die von der (Haupt-)Substanz ausgehen,
                                                    unerwartete zusätzliche psychotrope Substanzen,
                                                    Verunreinigungen aus dem Herstellungsprozess,
                                                    Streckmittel und Schwankungen im Wirkstoffgehalt
                                                    ein zusätzliches Gefährdungspotenzial darstellen.

8                                                                                           2 Substanz
2.4.3   Risiken

Neben den ungewünschten kurz- und langfris-          Neurotoxizität. Ergebnisse aus internationalen
tigen Wirkungen der Substanz birgt der Konsum        Studien (Jayanthi, 2004; Cadet, 2003) weisen dar-
von Methamphetamin alle Risiken, die generell        auf hin, dass Methamphetamin bei regelmäßigem
mit der Illegalität von Drogen einhergehen (Krimi-   Konsum die Nervenzellen nachhaltig schädigt. Die
nalität und Straftaten, Probleme mit der Polizei,    Folgen sind Gedächtnisstörungen (Merkfähigkeit
Verlust des Führerscheins, Armut, Arbeitslosig-      nimmt ab), Aufmerksamkeitsstörungen, Konzen-
keit, Konflikte, familiäre Probleme, soziale Ent-    trationsstörungen und psychotische Störungen.
wurzelung u. a.).                                    Besonders bei Jugendlichen kann die Gehirnrei-
                                                     fung so stark gestört werden, dass Schädigungen
Weitere typische Risiken des regelmäßigen            auch nach der Beendigung des Konsums dauer-
Konsums von Methamphetamin sind:                     haft bestehen bleiben können – obwohl Studien
Abhängigkeit. Das Abhängigkeitspotenzial ist         zeigen, dass sich die geschädigten Nervenzellen
höher als bei anderen Stimulanzien. Da Metham-       bei Aufgabe des Konsums regenerieren können.
phetamin im Gehirn sehr schnell anflutet, ist das    Je nach Dauer des Konsums und den Schädigun-
Rauscherlebnis sehr intensiv. Die lange Wirkdauer    gen des Gehirns dauert dieser Prozess zwischen
von mehreren Stunden bis zu Tagen erlaubt ein        mehreren Monaten und zwei Jahren. Die Merkfä-
langes Hochgefühl, dem ebenso eine lange und         higkeit und das Konzentrationsvermögen können
sehr unangenehme Verstimmung folgt. In dieser        durch Gedächtnistraining wieder hergestellt wer-
Phase ist die Gefahr des erneuten Konsums groß.      den. Die entleerten Dopaminspeicher bei regelmä-
                                                     ßigem Konsum haben zur Folge, dass bei Gefühls-
Typische Kennzeichen sind Verlangen, Kontrollver-    reizen ohne Methamphetamin-Konsum teilweise
lust, Konzentrierung auf Substanzgebrauch, wie-      über Monate keine angenehmen Empfindungen
derholter Konsum trotz negativer Auswirkungen        oder Glücksgefühle verspürt werden (können)
in sozialen Bereichen wie Familie, Partnerschaft,    (keine / zu geringe Ausschüttung an Dopamin).
Schule und Arbeit, Toleranzentwicklung und Ent-      Dies erschwert das Aufhören.
zugssymptomatik. Aufgrund der nervenschädi-
genden Wirkung (siehe auch Neurotoxizität) kön-      Pränatale Schädigung. Methamphetamin ist pla-
nen angenehme Gefühle ohne die Droge teilweise       zentagängig und grundsätzlich fruchtschädigend.
mehrere Monate lang nicht mehr verspürt werden.      Einerseits führt Methamphetamin zur Reduktion
                                                     des Blutflusses in der Plazenta und dadurch zur
Überdosierung. Reines Methylamphetamin ist be-       Unterversorgung mit Sauerstoff und für die Ent-
reits in sehr geringen Dosierungen hochwirksam.      wicklung bedeutsamen Nährstoffen. Zudem er-
Meist ist jedoch der Reinheitsgrad nicht bekannt,    höht Methamphetamin den Blutdruck der Mutter,
so dass die Gefahr einer Überdosierung relativ       wodurch es zur vorzeitigen Ablösung der Plazenta
hoch ist. Der schnelle Gewöhnungseffekt ist eben-    und einer Fehlgeburt kommen kann. Andererseits
falls ein Grund, warum die Dosis gesteigert wird.    sind aufgrund der unmittelbaren Substanzwirkun-

2 Substanz                                                                                           9
gen im Körper des Kindes und der Mutter dauer-       nur selten festgestellt, weil keine eindeutigen
hafte Entwicklungsstörungen und Folgeschäden         körperlichen Anhaltspunkte vorliegen. Sofern eine
zu erwarten. Auch die unzureichende Versorgung       Schwangere die Vorsorgeuntersuchungen regel-
mit Nährstoffen aufgrund unregelmäßiger und          mäßig wahrnimmt, wird das Thema aus Angst vor
ungesunder Ernährungsgewohnheiten, vor allem         Strafverfolgung und Stigmatisierung vermieden
die fehlende Einnahme von Folsäure und anderen       oder bagatellisiert.
gegebenenfalls angezeigten Nährstoffen (z. B.
Eisen), tragen sicher zu den Entwicklungsstörun-     Versorgung von Kindern. Wenn Eltern von Kindern
gen der Kinder bei. Diese sind u. a. Fehlbildungen   (egal welchen Alters) Methamphetamin konsumie-
durch Gefäßverengungen, niedriges Geburtsge-         ren, stellt das immer eine potenzielle Gefahr für
wicht, Lippen- und Gaumenspalten, Herzfehler,        das Kindeswohl dar. Einerseits können die Kinder
Frühgeburt, geistige und / oder körperliche Behin-   durch unberechenbares, aggressives Verhalten
derung und Gehirnerkrankungen. Des Weiteren ist      und Stimmungsschwankungen gefährdet sein,
die motorische Koordination verringert, das Risiko   andererseits durch lange Schlafperioden während
für AD(H)S und Lernbehinderungen erhöht und die      der Konsumpause, in denen die Kinder mitunter
psychosoziale Wahrnehmung in den ersten drei         sich selbst überlassen sind. Die Beschaffung der
Lebensjahren eingeschränkt. Betroffene Kleinkin-     Droge, der Konsum im Haushalt oder in Anwe-
der zeigen verstärkt Ängstlichkeit, Depressivität    senheit eines Kindes und eine damit verbundene
und Launenhaftigkeit, ältere Kinder sind aggres-     Erreichbarkeit der Droge für Kinder können das
siver und weisen Aufmerksamkeitsdefizite auf.        Kindeswohl gefährden. Aus diesen Gründen ist
                                                     die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen
Bei bestehendem Kinderwunsch sollten Frauen          des Hilfesystems, z. B. zur Unterstützung der
daher spätestens mit dem Absetzen der Verhü-         Eltern mittels Erziehungsberatung, oder bei klaren
tung, während der gesamten Schwangerschaft           Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung mit dem
und Stillzeit vollständig auf den Konsum von         Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes
Methamphetamin verzichten. Häufiger ist aber         unbedingt sinnvoll und erforderlich.
wahrscheinlich der Fall einer ungeplanten
Schwangerschaft.                                     Infektionen. Die luststeigernde Wirkung von Me-
                                                     thamphetamin erhöht die Risikobereitschaft für
Ungewollte Schwangerschaft. Beim Konsum              riskantere Sexualpraktiken und Verkehr mit meh-
von Methamphetamin kommen bei Frauen meh-            reren und wechselnden Partnern. Konsumenten
rere Umstände zusammen, die eine ungewollte          und Konsumentinnen berichten darüber, dass die
Schwangerschaft begünstigen. Einige Frauen           Bereitschaft gesteigert ist, sexuelle Fantasien aus-
schätzen die schlank machende Wirkung, die sich      zuleben, vor denen man sonst Hemmungen hätte.
bei regelmäßigem Konsum einstellt. Doch Meth-        Die Verhütung wird häufig vernachlässigt. Neben
amphetamin kann in den weiblichen Zyklus ein-        dem Risiko für Infektionen mit sexuell übertrag-
greifen und dadurch Zyklusstörungen hervorrufen      baren Erregern durch ungeschützten oralen, vagi-
oder verstärken, so dass die Menstruation unre-      nalen oder analen Geschlechtsverkehr mit frem-
gelmäßig ist oder sogar ausbleibt. In Kombination    den / wechselnden Partnern begünstigt Metham-
mit dem gesteigerten Lustempfinden und sexuel-       phetamin das Austrocknen der Schleimhäute und
len Verlangen und dem erhöhten Risikoverhalten       setzt das Schmerzempfinden herab. Durch kleine
im Rausch kann eine Konsumentin ungewollt            Verletzungen (Risse) der Schleimhäute können
schwanger werden. Es wird vermutet, dass die         Krankheitserreger leicht übertragen werden.
Pille zur Empfängnisverhütung durch die verän-
derte Hormonproduktion nicht mehr zuverlässig        Mischkonsum. Der Konsum von Methamphetamin
wirken kann (Drug Scouts, persönliche Kommu-         zusammen mit anderen Substanzen birgt unbe-
nikation). Untersuchungen dazu liegen jedoch         rechenbare Risiken. Einzelne Substanzwirkungen
nicht vor.                                           können sich in unvorhersehbarer Weise gegen-
                                                     seitig verstärken oder abschwächen. Das Risiko
Methamphetamin konsumierende Schwangere              für unberechenbare Reaktionen, Notfälle oder
kommen oft in körperlich schlechtem Zustand          sogar Lebensgefahr ist stark erhöht. Dennoch
und wenig vorbereitet zur Entbindung. Von Ärzten     ist der Mischkonsum sehr häufig anzutreffen.
wird der Konsum während der Schwangerschaft          (Siehe auch S. 18)

10                                                                                             2 Substanz
Folgende Wechselwirkungen von Methamphe-
tamin mit psychoaktiven Substanzen sind bekannt
(angelehnt an „Crystal Meth“ der Stadtmission
Chemnitz e. V.):

Methamphetamin und Alkohol                         Methamphetamin und Heroin
Alkoholvergiftungsgefahr! Da unter Methampheta-    Unberechenbar! Durch schnelle Gewöhnung wird
min die Alkoholwirkung kaum spürbar ist, besteht   eine Steigerung der Dosis und Frequenz von bei-
potenziell die Gefahr der Alkoholüberdosierung     den Drogen erforderlich. Atemlähmung, spontane
bzw. -vergiftung. Subjektiv werden Alkoholmen-     Hirnblutungen, Herzrhythmusstörungen, massive
gen, die sonst betrunken machen würden, noch       Blutdruckkrisen, damit verbundene Kreislaufzu-
als wirksam erlebt, so dass die getrunkene Menge   sammenbrüche und Hirnschädigungen können die
oft gar nicht bewusst wahrgenommen wird.           Folge sein. Der Konsum beider Drogen kann als
                                                   zuverlässiger Weg in eine kombinierte Abhängig-
Methamphetamin und Benzodiazepine                  keit von beiden Drogen betrachtet werden. Außer-
Es besteht die Gefahr einer kombinierten Ab-       dem kann er als Selbstbehandlungsversuch bei
hängigkeit, wobei Methamphetamin zum Wach-         Methamphetaminpsychosen sowie als Zeichen
sein und Benzodiazepine zum „Runterkommen“         einer Abhängigkeit gewertet werden.
genommen werden.
                                                   Beobachtung: Langjährige Heroinkonsumenten
Methamphetamin und Cannabis                        steigen auf Methamphetamin um.
Unberechenbar! Cannabis verstärkt zunächst
die Wirkung von Methamphetamin, was den Kreis-     Methamphetamin und Kokain
lauf stark belasten kann. Ansonsten wirken beide   Kreislaufbelastung! Die Kombination von Meth-
Substanzen praktisch entgegengesetzt. Metham-      amphetamin und Kokain (dies gilt genauso für die
phetamin zum „Draufsein“, Cannabis zum „Runter-    Kombination von Amphetamin und Kokain) kann
kommen“, was von Konsumenten jedoch häufig         zu plötzlichen ernsthaften Kreislaufproblemen
gezielt genutzt wird. Die Gefahr besteht jedoch,   führen, die lebensgefährlich sein können. Sie
dass z. B. der Schlaf-Wach-Rhythmus zunehmend      reichen von der Atembeeinträchtigung bis hin
nur noch mit Substanzen zu regeln ist und sich     zum Herzstillstand.
eine kombinierte Abhängigkeit von beiden Drogen
entwickelt.                                        Methamphetamin und LSD
                                                   Horrortripgefahr! In Kombination mit Metham-
Methamphetamin und Energizer                       phetamin kann der LSD-Trip kürzer ausfallen als
Potenziert die unangenehmen Nebenwirkungen         gewohnt. Konsumenten berichten von unange-
wie Herzrasen und Kreislaufprobleme. Das Risiko    nehmen Halluzinationen auf Methamphetamin
eines Kreislaufkollapses ist erhöht. Ebenso be-    und LSD, die bei Dauerkonsum mit der ohnehin
steht die Gefahr der Überhitzung.                  schlechteren psychischen Verfassung in Zusam-
                                                   menhang stehen könnten.

2 Substanz                                                                                           11
Methamphetamin und MDMA (Ecstasy)
Methamphetamin hebt die MDMA-Wirkung auf.
Erst nach drei oder mehr Wochen Konsum-
pause hat sich der Körper so weit regeneriert,
dass Ecstasy eine Wirkung entfalten könnte.
Beide Substanzen in Kombination stellen eine
Extrembelastung für den Kreislauf dar.

Methamphetamin und Medikamente
(Beta-Blocker, Antidepressiva, MAO-Hemmer)
Kann durch starke Blutdrucksteigerung zu
lebensgefährlichen Komplikationen führen.

Methamphetamin und Poppers
Kreislaufbelastung! Wenn der Körper gleichzeitig
mit Poppers (Amylnitrit, Isopropylnitrit, Cyclohexyl-
nitrit) und Methamphetamin zurechtkommen
muss, sind die Risiken für Herz-Kreislauf-Zusam-
menbruch, Schlaganfall und Koma enorm hoch,
da beide Substanzen blutdruckerhöhend wirken
und die Herzfrequenz ansteigen lassen. Sie poten-
zieren sich in ihrer Wirkweise auf den Organismus.

Methamphetamin und Potenzpillen
Kreislaufbelastung! Die Risiken sind mit der
Kombination von Methamphetamin und Poppers
vergleichbar.

Hinweis: Poppers und Potenzpillen sollten niemals
gemeinsam konsumiert werden, da die Gefahr
eines Herzinfarktes zu hoch ist!

Methamphetamin und Speed (Amphetamin)
Verwechslungsgefahr! Als Nebenwirkungen
können Herzrasen und Schwindelgefühle auf-
treten, die durch die Kombination potenziert
werden. Das Risiko eines Kreislaufkollapses
steigt, Überhitzung ist möglich.

12                                                      2 Substanz
2.5 Aussehen und
		 Konsumformen                                       2.6 Rechtliches

Meist ist die Substanz in kristalliner oder in        Methamphetamin unterliegt dem Betäubungs-
Pulverform erhältlich. Besonders in kristalliner      mittelgesetz (BtMG). Wie bei allen anderen illega-
Form besitzt das Methamphetamin einen hohen           len Drogen ist der Umgang, also die Herstellung,
Reinheitsgrad. Im Pulver kann der Wirkstoffge-        der Handel, der Erwerb sowie der Besitz, gemäß
halt stark variieren. Mögliche Verschnittstoffe       §§ 1, 2 und 29 ff. BtMG verboten. Die strafrechtli-
sind Paracetamol, Milchzucker, Koffein oder auch      chen Konsequenzen gleichen denen aller anderen
Ephedrin, die Ausgangssubstanz für die Metham-        illegalen Drogen, die damit verbundenen Heraus-
phetamin-Herstellung. Die Substanz kann auch          forderungen zu Prävention und Therapie ebenso.
in Kapseln verpackt sein. Allerdings muss nicht
alles, was als Methamphetamin verkauft wird,
auch Methamphetamin sein. Wie bei allen illega-
len Drogen ist keine Qualitätssicherung möglich.
Daher empfiehlt es sich in der Beratung, nicht nur
auf die Angaben über eingenommene Substanzen
zu vertrauen, sondern sich ein Bild anhand der
                                                      2.7 Historisches
beschriebenen Symptome zu machen.

Methamphetamin kann gesnieft, geraucht (z. B.         Methamphetamin wird häufig als relativ neue
in speziellen Glaspfeifen oder auf Aluminiumfolie     Droge bezeichnet. Das ist nicht richtig. Meth-
verdampft und inhaliert), gespritzt und geschluckt    amphetamin wurde 1893 von dem japanischen
werden. Die Konsumformen unterscheiden sich           Chemiker Nagai Nagayoshi erstmals synthetisiert.
durch die Zeit bis zum Wirkungseintritt (beim Rau-    Ab 1934 wurde Methamphetamin von der Firma
chen und Spritzen innerhalb weniger Sekunden,         Temmler auch in Deutschland hergestellt und war
bei nasaler Aufnahme nach wenigen Minuten und         zwischen 1938 und 1988 als Medikament unter
beim Schlucken nach etwa 30 bis 45 Minuten), die      dem Handelsnamen Pervitin erhältlich. Nicht
Wirkungsdauer und das damit verbundene Risiko.        nur Soldaten im Zweiten Weltkrieg wurden mit
Riskante Konsumformen sind v. a. das Rauchen          „Panzerschokolade“ (Schokolade mit Pervitin-
und Spritzen, da die Substanz sehr schnell im         Beimischung) oder „Stuka-Tabletten“ zu höherer
Gehirn anflutet und dadurch ein großes Abhängig-      Leistungsfähigkeit und weniger Angst gebracht,
keitspotenzial besitzt. Zudem ist die Gefahr akuter   auch Adolf Hitler nutzte lange Zeit die „Vorzüge“
Vergiftungen und Überdosierungen bei schnellem        der Substanz. Als Droge ist Methamphetamin als
Wirkungseintritt höher als beispielsweise beim        Nachfolger des Pervitins seit den 80er Jahren im
Konsum von Kapseln, der seltensten Form des           Umlauf. In Deutschland steigt die Verbreitung seit
Konsums.                                              wenigen Jahren. (Siehe auch S. 4)

2 Substanz                                                                                             13
Konsumentinnen und Konsumenten

3.1 Epidemiologie

Methamphetamin wird im Rahmen des deutschen
Kerndatensatzes bis zum Jahr 2017 nur zusam-
                                                          3
men mit Amphetaminen erfasst. Bis zu diesem
Erhebungsjahr fehlen detaillierte Angaben zur
Verbreitung und zum Konsum. In der Tat verzeich-
nen Suchtberatungsstellen einen Anstieg der
Behandlungsnachfrage wegen Stimulanzienkon-
sums: Die Anzahl der Hilfesuchenden hatte sich
zwischen 2007 (ambulant: 2.695; stationär: 628)
und 2012 (ambulant: 7.803; stationär: 1.471) mehr
als verdoppelt. Im ambulanten Bereich stieg sie
zudem von 2013 (9,479) auf 2014 (10.682) um 13
Prozent, in der stationären Betreuung mit der
Hauptdiagnose „Stimulanzien“ um 18 Prozent
(2013: 1.897; 2014: 2.246) (Brand et al., 2014;
Brand, Künzel, Braun, 2015). Doch diese Feststel-
lung weist lediglich auf einen Trend zu vermehr-
tem Stimulanziengebrauch hin, lässt aber keine
Schlüsse auf eine starke Verbreitung von Metham-
phetamin zu. Bislang scheint vor allem die Grenz-
region zu Tschechien vermehrt betroffen, während
Amphetamine in ganz Deutschland gebräuchlich
sind. Einen weiteren Hinweis auf die Verbreitung
von Methamphetamin in Deutschland geben die
polizeilich sichergestellten Substanzmengen. Zwar
steigen die sichergestellten Mengen an Metham-
phetamin stetig an, doch nach Informationen des
Bundeskriminalamtes lag das Verhältnis im Jahr
2013 bei 77 kg sichergestelltem Methamphetamin/
Crystal zu 1.339 kg sichergestelltem Amphetamin.
Da die Sicherstellungsmengen als möglicher
Indikator für die Verbreitung einer Droge angese-
hen werden können, ist Methylamphetamin nach
wie vor ein – in weiten Teilen Deutschlands – über-
schaubares Problem. Diese Zahlen stehen in deut-
lichem Gegensatz zu der Berichterstattung in den
Medien, die sich sehr stark auf die Horrordroge
Crystal Meth fokussiert, während Amphetamine
und andere Stimulanzien weit weniger intensiv
thematisiert werden.

14                                                    3 Konsumentinnen und Konsumenten
3.2 Konsumtypen

Methamphetamin wird gerne als Partydroge
junger Erwachsener dargestellt, die nächtelang
durchtanzen. Es hat hier einen – wenn auch nach-
rangigen – Platz neben den klassischen „Party-
drogen“. Eine Stichprobe in Nachtclubs in Mün-
chen und Umgebung brachte 2014 zu Tage, dass
von 990 befragten Personen in den vergangenen
zwölf Monaten 9,5 Prozent Methamphetamin
konsumiert hatten. Damit lag Crystal Meth auf
Rang 11. Die zwölf-Monats-Prävalenz von Cannabis
lag bei 75,8 Prozent (Rang 1), gefolgt von Ecstasy
(52,2 Prozent), Speed (51,7 Prozent) und, in ab-
nehmender Reihenfolge, Kokain, LSD, Pilze, Keta-
min, Research Chemicals, Kräutermischungen
und GHB/GBL (Projekt MINDZONE, 2014).

3.2.1   Heterogene Konsumentengruppe

Zu betonen ist, dass sich Methamphetamin eben        von Methamphetamin sind dafür kurzfristig gut
nicht nur im Partyumfeld etabliert hat. Vielmehr     geeignet. So wird es teilweise in sehr niedrigen
stellen Methamphetamin-Konsumentinnen und            Dosierungen als „Kaffeeersatz“ in Phasen von
-Konsumenten eine heterogene Gruppe dar. Sie         Leistungseinbrüchen oder am Morgen konsumiert,
sind quer durch alle Altersklassen und Gesell-       um weiterhin aktiv, konzentriert und wach zu sein.
schaftsschichten zu finden. Dabei lassen sich        Dabei wird nach außen meist kein Methamphe-
Gemeinsamkeiten der Konsumenten ausmachen,           tamin-typisches Verhalten sichtbar. Da eine Zeit
z. B. hohe Belastung im Beruf. Das kann bei          lang keine starken negativen Auswirkungen be-
Schicht- und Fließbandarbeitern ebenso gegeben       merkt werden, wiegen sich diese Konsumenten
sein wie bei Managern oder Politikern und in         in falscher Sicherheit (Siehe auch „Doping“pro-
befristeten oder prekären Arbeitsverhältnissen       blematik / Langzeitrisiken, S. 31).
ebenso wie bei Studierenden.
                                                     Der Anteil an konsumierenden Frauen ist im Ver-
Während früher vorwiegend beruhigende Substan-       gleich zu anderen illegalen Drogen verhältnismäßig
zen konsumiert wurden, um dem Alltag zu entflie-     hoch. Daher sind auch die Aspekte Schwanger-
hen, lässt sich in den letzten Jahren ein Trend zu   schaft und Kinder im eigenen Haushalt im Bera-
aufputschenden Substanzen feststellen. Der Kon-      tungssetting relevant. Eine Studie des Hamburger
sum erfolgt (unter anderem), um den gesteigerten     Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS)
Anforderungen der Leistungsgesellschaft (mehr        zeigte, dass 15,5 Prozent der Methamphetamin-
leisten, schneller arbeiten, wenig Pausen, große     Konsumentinnen ein Kind, 7,5 Prozent mindestens
Kreativität) gerecht zu werden. Einige Wirkungen     zwei Kinder hatten (Milin, 2014).

3 Konsumentinnen und Konsumenten                                                                     15
3.2.2   Typologie der Konsumenten

Diese Studie konnte für Deutschland erstmals           summuster wechseln, ist nicht gezielt vor-
typische Gruppen von Methamphetamin-Konsu-             herzusagen. Vorsicht ist jedoch bei folgenden
menten empirisch belegen. Bei diesen stehen            Faktoren geboten: häufiger Konsum, Konsum
jeweils unterschiedliche Motive, Kontexte und          zur Leistungssteigerung in Schule/Studium,
Konsummuster im Vordergrund. Die Typen weisen          Ausbildung oder Beruf, risikoreiche Konsum-
daher auch unterschiedliche Bedarfe in Bezug           formen wie Rauchen oder Spritzen, Konsum
auf Prävention und Therapie auf. (Milin, 2014)         trotz bereits bestehender negativer Folgen
                                                       wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen,
Methamphetamin-Konsum tritt in folgenden               Depressionen, Angststörungen oder soziale
Ausprägungen auf:                                      Probleme, Konsum zur Gewichtsabnahme
X Konsum im Freizeit-Kontext                           oder als Versuch der „Selbstmedikation“.
  Methamphetamin wird meist auf Freizeitver-        X Konsum mit psychischer Komorbidität
  anstaltungen und im sozialen Setting spora-         und / oder Traumaerfahrungen
  disch eingenommen. Der Konsum ist auf das           Mehr als die Hälfte der Methamphetamin-
  Wochenende oder spezielle Gelegenheiten             Konsumenten gaben im Rahmen der Studie
  beschränkt. Im Gegensatz zu anderen illegalen       des ZIS (Milin, 2014) an, schon einmal im
  Drogen, die im Freizeitbereich konsumiert           Leben unter einer schweren Depression oder
  werden, ist die Methamphetaminverwendung            unter schweren Angst- oder Spannungszu-
  nicht auf Partys bzw. das Ausgehen begrenzt.        ständen gelitten zu haben. Beinahe jeder
  Auch bei Treffen im privaten Kreis, im Alltag       zweite hat auch schon Halluzinationen erlebt.
  oder bei sexuellen Aktivitäten wird konsumiert.     Auch von ernsthaften Gedanken an einen
X Konsum im Zusammenhang                              Suizid oder von durchgeführten Suizidver-
  mit Berufstätigkeit                                 suchen berichteten viele Methamphetamin-
  Der Konsum erfolgt, um beruflichen, teilweise       Konsumenten. Unter den Konsumenten und
  körperlichen Anforderungen gewachsen zu             Konsumentinnen schilderte die Mehrheit
  sein und nicht zu versagen (z. B. Fernfahrer,       etliche negative Entwicklungsbedingungen
  Schichtarbeiter, Handwerksberufe), um mono-         oder Traumatisierungen durch sexuelle,
  tone oder sich wiederholende Tätigkeiten            körperliche und / oder emotionale Gewalt,
  konzentriert durchführen zu können (z. B.           körperliche und / oder emotionale Vernach-
  Fließbandarbeit) oder auch um die Klarheit          lässigung, frühe Trennung oder Scheidung
  und Leistungsfähigkeit nicht nur zu erhalten,       der Eltern, häusliche Gewalt, Suchterkran-
  sondern – nach dem Empfinden der Konsu-             kungen oder psychische Probleme im Eltern-
  mentinnen und Konsumenten – sogar zu                haus oder durch den Haftaufenthalt eines
  steigern. Man erlebt sich in einem „Nüchtern-       Familienmitgliedes. Methamphetamin wird
  heitsrausch“, der unter geeigneten Rahmen-          im Sinne einer „Selbstmedikation“ konsumiert.
  bedingungen als produktiv und damit auch          X Konsumentinnen und Konsumenten
  wenig problematisch bewertet wird.                  mit Kindern
X Konsum im Zusammenhang mit Schule,                  Methamphetamin wird im Verhältnis zu ande-
  Ausbildung oder Studium                             ren Drogen stärker von Frauen konsumiert.
  Die Ziele des Konsums ähneln denen bei Be-          Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen
  rufstätigkeit. Besonders das verstärkte Gefühl      von dem Wunsch nach Gewichtskontrolle bis
  einer Klarheit, Aufnahmefähigkeit und Kon-          zu dem Versuch, Belastungen des Lebens oder
  zentrationsfähigkeit lässt Schüler, Studierende     des Alltags, die Elternschaft oder Mehrfachbe-
  und Auszubildende konsumieren.                      lastungen durch Elternschaft und Berufsleben
                                                      „erträglich“ zu machen. Doch wenn Mütter mit
X Besonders riskantes Konsumverhalten                 Kindern Methamphetamin konsumieren, ist
  Welche Personen von einem weniger proble-           eine Gefährdung für das Kind / die Kinder
  matischen Konsum, wie er im Freizeit-Kontext        nicht auszuschließen. (Siehe auch S. 10)
  häufig anzutreffen ist, in risikoreichere Kon-

16                                                                    3 Konsumentinnen und Konsumenten
3.2.3   Erstkontakt, Dauer und
                                                              Häufigkeit des Konsums

X Spezielle Subgruppen unter                         Das mittlere Erstkonsumalter liegt bei 20 Jahren,
  schwulen Konsumenten                               wobei ein relevanter Anteil den ersten Kontakt
  Diese Gruppe stellt einen Sonderfall des           vor dem 16. Lebensjahr hat, eine relevante Anzahl
  Konsums im Freizeit-Kontext dar. Zwar wird         aber auch erst mit über 30 Jahren zum ersten Mal
  fast ausschließlich in der Freizeit konsumiert,    Methamphetamin konsumiert. Der Erstkontakt fin-
  allerdings steht die Wirkung auf das sexuelle      det häufig auf Tanzveranstaltungen in Clubs oder
  Erleben im Vordergrund (was auch unter les-        auf Festivals statt oder auf privaten Veranstal-
  bischen und heterosexuellen Konsumierenden         tungen (Geburtstage, Familienfeiern). Der erste
  beobachtbar sein wird). Die Konsumenten sind       Konsum erfolgt häufig aus Neugier, um länger
  in der Regel sozial gut eingebunden und üben       durchzuhalten, im privaten Umfeld und Freundes-
  häufig akademische Berufe aus.                     kreis. Doch auch der bewusste Erstkonsum am
                                                     Arbeitsplatz oder in der Schule ist nicht unüblich.
X Kontrollierter Langzeitkonsum                      Auch erfolgt bereits der erste Konsum mit dem
  Die Befragungen lieferten auch Hinweise auf        konkreten Wunsch, besonders intensive sexuelle
  eine Gruppe von Konsumentinnen und Konsu-          Erfahrungen zu machen. Ebenso können belas-
  menten, die seit langer Zeit mehr oder weniger     tende Ereignisse wie Liebeskummer, Jobverlust,
  kontrolliert den Methamphetamin-Konsum             Probleme im Elternhaus, Tod des Partners oder
  betreibt.                                          eines Angehörigen und Depressionen Auslöser
                                                     für den Erstkontakt zu Methamphetamin sein.

Die Studie des ZIS kategorisiert die Konsumenten     Methamphetamin-Konsumenten gaben in der
in Gruppen. Es sollte jedoch beachtet werden,        Studie häufiger einen Langzeitkonsum an als
dass eine Kategorisierung für die Beraterin oder     Amphetamin-Konsumenten. 19,3 Prozent der
den Berater in der Suchthilfe zwar ein praktisches   Befragten konsumieren seit weniger als zwei
Hilfsmittel sein kann, diese aber eher vor dem       Jahren, alle anderen gaben längere Zeiträume
Hintergrund des jeweiligen Anwendungszusam-          an. Mehr als ein Viertel konsumiert bereits seit
menhanges bzw. bestimmter pragmatischer              elf Jahren oder länger.
Bedürfnisse zu sehen ist.
                                                     Die Konsumhäufigkeit variiert stark und ist ver-
                                                     mutlich auch von den Konsummotiven abhängig.
                                                     Auffällig ist jedoch, dass etwa ein Drittel der Kon-
                                                     sumenten zwischen 20 und 31 Tagen pro Monat,
                                                     also quasi täglich, konsumiert. 30,5 Prozent
                                                     nutzen Methamphetamin an ein bis fünf Tagen
                                                     pro Monat (Milin, 2014).

3 Konsumentinnen und Konsumenten                                                                        17
3.3 Konsummotive

So wie das Alter und die gesellschaftliche Situation
der Konsumierenden stark variieren, so sind auch
die Konsummotive der unterschiedlichen Konsum-
typen verschieden.

X Probierkonsum                                        X „Regulärer“ Konsum
In der späten Jugend und im frühen Erwachse-           Der Konsument nimmt Methamphetamin regel-
nenalter sind Neugier, Abgrenzung gegenüber            mäßig und gewohnheitsmäßig ein. Körperliche und
Erwachsenen und Zugehörigkeit zu Gruppen               psychische Abhängigkeitsmerkmale treten auf. Für
Motive, um illegale Substanzen wie Methamphe-          regelmäßig Konsumierende spielt Methampheta-
tamin auszuprobieren. Der Konsum ist typischer-        min im täglichen Leben eine bedeutende Rolle. Die
weise nur vorübergehend.                               Auswirkungen spielen in alle Lebensbereiche hin-
                                                       ein, mit Folgen für die Gesundheit, die körperliche
X Freizeitnutzung                                      und seelische Belastbarkeit und Zuverlässigkeit.
Methamphetamin wird meist auf Freizeitveran-
staltungen und im sozialen Setting sporadisch          X Mischkonsum
eingenommen. Der Konsum ist auf das Wochen-            Die unterschiedlichen Formen des Mischkonsums
ende oder spezielle Gelegenheiten beschränkt.          haben zum Ziel, die positiven Effekte von Metham-
Diese Form des Konsums wird meist als ange-            phetamin zu verstärken oder zu verlängern bzw.
nehm erlebt und ist mit wenig negativen Kon-           die unangenehmen Nebenwirkungen abzuschwä-
sequenzen oder Effekten bezüglich der sozialen         chen. Problematisch dabei sind die unberechen-
Funktionalität verbunden. Häufig wird der Konsum       baren Folgen sowie die Gefahr der Überdosierung.
mit fortschreitendem Alter eingestellt.                (Weitere Informationen ab S. 33, siehe auch S. 10)

X Gelegenheitskonsum
Diese Konsumform ist an spezifische Aufgaben
gebunden, die ein hohes Maß an Wachheit und
Ausdauer erfordern. Das sind z. B. Fahrten über
                                                       Wie die Beschreibung der Konsumtypen und
lange Strecken oder Schichtarbeit. In diese Kate-
                                                       Konsummotive zeigt, ist die Bandbreite an Nut-
gorie gehört auch der Konsum mit dem Ziel, das
                                                       zern und Nutzungsformen groß. Noch immer hält
Körpergewicht zu regulieren.
                                                       sich jedoch hartnäckig das Bild des Junkies mit
X Intermittierender oder Binge-Konsum                  zerstörten Zähnen und fahlem Gesicht. Als Be-
Diese Konsumform beschreibt Phasen intensiven          raterin und Berater in der Suchthilfe sollten Sie
Konsums von zwei bis zehn Tagen mit extremen           daher nicht nur nach den extremen Ausprägun-
Wachzeiten. Beim Abklingen des „Highs“ wird            gen schauen, sondern auch Klienten, die wegen
nachgelegt. Dabei werden immer größere Mengen          anderer Probleme zu Ihnen kommen, aufmerksam
mit immer schwächerem Effekt konsumiert und            und unvoreingenommen daraufhin betrachten,
Blutkonzentrationen erreicht, die neurotoxisch         ob mögliche Symptome vorliegen, die mit Meth-
sind. Die Konsumenten bleiben in diesem Stadium        amphetamin-Konsum in Zusammenhang stehen
viele Tage dauerhaft wach. Zeigt der Konsum            können. (Hinweise zur Erkennung von Metham-
keine Wirkung mehr, schlägt die Stimmung um            phetamin-Konsumenten auf S. 15)
und es folgen extrem negative Wahrnehmungen,
Psychosen, Angstvorstellungen, Halluzinationen,
depressive Stimmungen und Suizidgedanken.
Den Abschluss einer solchen Periode bildet eine
Schlafphase von bis zu 72 Stunden. Nach einer
Konsumpause folgt eine neuerliche intensive
Konsumperiode.

18                                                                         3 Konsumentinnen und Konsumenten
3.4 Konsumkreislauf

                                   Wie bereits beschrieben, ist durchaus über einen
                                   längeren Zeitraum sporadischer oder relativ kon-
                                   trollierter Konsum möglich. Das starke Hochgefühl
                                   durch Methamphetamin begünstigt aber den
                                   Wunsch nach mehr, so dass – unter gegebenen
                                   Umständen – ein Kreislauf entsteht, der in eine
                                   Abhängigkeit führt.

                                   Angelehnt an die von der Ambulanten Suchtkran-
                                   kenhilfe der Stadtmission Chemnitz e. V. entwi-
                                   ckelte Abbildung kann ein möglicher Kreislauf
                                   des Konsums wie auf S. 20 dargestellt werden.
                                   Andere Einnahmemuster (z. B. niedrig dosierte
                                   Einnahme zur Alltagsbewältigung oder regel-
                                   mäßiger hochdosierter Konsum) bedingen auch
                                   andere Konsumkreisläufe. Daher soll das Schau-
                                   bild nicht als Diagnoseinstrument verstanden
                                   werden, sondern vielmehr als Grundlage dienen,
                                   um mit Konsumentinnen und Konsumenten über
                                   ihr eigenes Erleben ins Gespräch zu kommen.

3 Konsumentinnen und Konsumenten                                                 19
Methamphetamin-
Konsumkreislauf                                                                                    Notausgang
                                                          Ist das geil!

                                                                       Hochgefühl

Jetzt geht’s los!                                                      ca. 4 – 16 Stunden
                                                                       Die Wirkung der Glücks- und Stresshormone
                                                                       hält an: Euphorie, gesteigertes Selbstbewusstsein
                                                                       und erhöhte Aufmerksamkeit sind die Folgen.
                                                                       Hunger und Müdigkeit werden unterdrückt. Meist
                                                                       besteht ein starker Rede- und Bewegungsdrang.
                                                                       Viele erleben eine Steigerung des Lustgefühls.
                                                                       Wer konsumiert, ist oft nervös, schmiedet viele
                    Eintauchen                                         Pläne und wird als sprunghaft in seinen Handlungen
                    ca. 0 – 30 Minuten (je nach Konsumform)            wahrgenommen. Typisch sind stereotype Hand-
                                                                       lungen (»Festgehen«, Hautkratzen, Putzen o. Ä.)
                    Methamphetamin gelangt über den Blutkreis-         und »Kau-Flashs«.
                    lauf ins Gehirn. Dort werden Glücks- und Stress-
                    hormone (Dopamin und Noradrenalin) in großen
                    Mengen freigesetzt. Puls und Blutdruck steigen,
                    ein Gefühl von unbegrenzter Energie und Kraft
                    stellt sich ein.                                   Restzustand
                                                                       ca. 30 – 90 Tage
                                                                       Wer weiterhin nicht konsumiert, fühlt sich zunächst
                                                                       recht normal. Erst ganz allmählich entwickeln sich
                                                                       Niedergeschlagenheit, Kraft- und Freudlosigkeit
                                                                       oder sogar Suizidgedanken. Viele berichten von
                                                                       starken Persönlichkeitsveränderungen, seelischem
                                 Notausgang                            Abstumpfen und Gefühlskälte. Dazu kommt eine
                                                                       ständige körperliche Unruhe. Dieser Zustand ist
                                                                       Folge der entleerten Glücks- und Stresshormon-
                                                                       speicher. Als Ausweg – um sich endlich besser zu
                                                                       fühlen – erscheint der erneute Konsum von Metham-
Es geht                                                                phetamin. Ein starkes Verlangen und ein sehr hohes
                                                                       Rückfallrisiko sind die Folge.
bergauf!

Regeneration
ca. 1,5 Jahre
Wer sich für Aufhören und Cleanbleiben entscheidet
und das über einen längeren Zeitraum durchhält,
wird sich aufgrund der Wiederankurbelung der
                                                                                            Irgendwie
körpereigenen Dopaminproduktion wieder besser
fühlen: Das Leben macht wieder mehr Freude,
                                                                                            alles scheiße!
Konzentration und Merkfähigkeit verbessern sich
deutlich. Ebenso verschwinden konsumbedingte
Stresssituationen wie ständiger Geldmangel,
Begehen von Straftaten zur Geldbeschaffung,
Versäumnisse von Terminen und Verpflichtungen.
Nichts muss so bleiben, wie es ist.                                    Grafik nach: Fachstelle für Suchtprävention
Auch Methamphetamin-Konsum ist veränderbar.                            im Direktionsbezirk Chemnitz der Stadtmission
                                                                       Chemnitz e. V., Jugendsucht- und Drogenberatungs-
                                                                       stelle der Stadtmission Chemnitz e. V. (Hrsg.):
                                                                       Crystal Meth Konsumkreislauf

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Ich will/brauch
mehr.

Exzess
ca. 3 – 15 Tage
Um das Hochgefühl aufrechtzuerhalten,
entscheiden sich einige, über Tage mehr
                                                                                       F***
und mehr Methamphetamin zu konsumieren,
                                                 Runterkommen
bei jedem Mal wird das Eintauchen weniger
                                                 ca. 4 – 24 Stunden
intensiv, bis sich schließlich kein Hochgefühl
mehr einstellt. Manche Konsumenten ver-          Das Runterkommen setzt ein, wenn
lieren die Kontrolle über die Menge und die      trotz anhaltendem Konsum keine Wirkung
Dauer des Konsums. In dieser Zeit ist man        mehr zu spüren ist, weil die Glücks- und
körperlich, psychisch und sozial hyperaktiv      Stresshormonspeicher im Gehirn entleert sind.
und schläft kaum.                                Man fühlt sich extrem nervös, verwirrt und gereizt.
                                                 Zudem erhöht sich durch den Schlafentzug das
                                                 Psychoserisiko. Es setzen ein Gefühl der Leere ein, ein
                                                 nicht mehr »Ich-Selbst-Sein« und das Verlangen nach
                                                 Methamphetamin. Da viele in dieser Situation Bedrohung
                                                 und Feindseligkeit empfinden, steigt das Risiko, sich
                                                 selbst oder andere zu verletzen. Oft wird in dieser
                                                 Phase u. a. Alkohol oder Cannabis konsumiert,
                                                 um den Körper zu beruhigen.

                                                                 Auszeit
                                                                 ca. 1 – 3 Tage
                                                                 Der Körper schaltet nach der
Nachwehen                                                        Überlastung ab, alle Reserven
ca. 2 – 14 Tage                                                  des Körpers sind aufgebraucht.
                                                                 Es folgt eine
Nach der Auszeit erwacht man ausgehungert,                       lange und tiefe
dehydriert sowie körperlich, geistig und emotional               Schlafphase.
erschöpft. In dieser Katerstimmung können
Antriebs- und Interessenlosigkeit vorhanden sein,
viele sind jedoch in der Lage, ihren Alltag normal
zu bewältigen. Je häufiger Methamphetamin
konsumiert wird, desto kürzer wird diese Phase
der Erholung.

                                                                                               Nix geht mehr!

                  Geht so!
Hinweise

X   Der hier gezeigte Konsumkreislauf ist ein Modell.        X   Es kann zur Selbstinformation und als Orientierung
                                                                 für Menschen dienen, die das Thema Methamphetamin
X   Es gibt auch andere Einnahmemuster                           beschäftigt.
    (z. B. niedrigdosierte Einnahme zur Alltagsbewäl-
    tigung oder regelmäßig hochdosierter Konsum).            X   Es ist kein Diagnostikinstrument, sondern dient zur
                                                                 Reflexion des Konsumverhaltens. Wer die Wirkweise
X   Jeder Mensch erlebt und empfindet den Konsum                 der Substanz kennt, kann Gefühle und Reaktionen bei
    individuell.                                                 sich selbst oder beim Gegenüber besser verstehen.
X   Das Schaubild kann dazu dienen, mit Konsumenten              Dies kann beispielsweise eine Veränderungsmotivation
    über ihr eigenes Erleben ins Gespräch zu kommen.             unterstützen.

3 Konsumentinnen und Konsumenten                                                                                        21
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