MISSION MIT VISION Wie Österreich seine Zukunft mit künstlicher Intelligenz gestaltet - Accenture
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MISSION MIT VISION Wie Österreich seine Zukunft mit künstlicher Intelligenz gestaltet
INHALT Ziel der Studie 4 Executive Summary 5 Die vierte industrielle Revolution 8 Künstliche Intelligenz heute 9 Warum der Hype? 10 Staaten im Wettbewerb 11 Auf dem Weg zu einer AIM AT 2030 13 Aktivierung des KI-Potenzials in Österreich 14 Forschung und Innovation 15 Gesellschaft, Ethik und Arbeitsmarkt 18 Qualifikation und Ausbildung 20 KI-Governance, Sicherheit und Recht 24 KI im öffentlichen Sektor 26 Infrastruktur für industrielle Führungspositionen 28 KI in der Wirtschaft 30 Auswirkungen der KI auf Wirtschaftszweige 34 Industrie Exkurs 1: KI in der Produktion 36 Industrie Exkurs 2: KI im Handel 38 Industrie Exkurs 3: KI in der Landwirtschaft 40 Schlussfolgerungen 42 Quellenangaben 44 3
ZIEL DER STUDIE In der im November 2018 veröffentlichten Broschüre zur Erstellung des Masterplans für Künstliche Intelligenz („Artificial Intelligence Mission Austria 2030“) stellen das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Tech- nologie (BMVIT) und das Bundesministerium für Digita- lisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) die hohe Relevanz von KI für Österreich fest und identifizieren Zukunftsfelder für eine politische Gestaltung der KI. Die vorliegende Studie von Accenture – im Auftrag des BMDW – beleuchtet diese Zukunftsfelder aus praxisnaher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Perspektive: Welche Vision sollte die österreichische Gesellschaft verfolgen? Welche Fortschritte hat Österreich bereits erzielt? Welchen Handlungsbedarf gibt es, damit unser Land im KI-Zeitalter wettbewerbsfähig bleibt? Ziel der Studie ist es, den mit der Erarbeitung der öster- reichischen KI-Strategie beauftragten Arbeitsgruppen einen Beitrag für Diskussionen und konkrete politische Handlungsempfehlungen zu bieten. 4
EXECUTIVE SUMMARY Der technologische Fortschritt beschleunigt sich in den Industriegesellschaften derzeit exponentiell. In den kommenden Jahren wird vor allem Künstliche Intelli genz (KI) für radikale Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft sorgen. Für Österreich kann aber gerade darin eine große Chance liegen – nicht zuletzt, weil der digitale Bildungsstand hierzulande im internationalen Vergleich hoch ist. Zwei Drittel (67 Prozent) der Einwohner Österreichs Dazu bedarf es nicht nur klarer Zielsetzungen, sondern weisen zumindest digitale Grundkompetenzen entlang auch Leitlinien, die von Verantwortungsbewusstsein und der vier Dimensionen Information, Kommunikation, Nachhaltigkeit geprägt sind. Zudem besteht ein Bedarf Erstellung von Inhalten sowie Problemlösung auf. Das an Standards und Normen, um für Transparenz, Sicher- bedeutet im Digital Economy and Society Index (DESI) heit, Fairness und Interoperabilität bei der Nutzung von den achten Platz unter 28 europäischen Staaten.1 KI zu sorgen. Austrian Standards International (A.S.I.) spielt in dieser Hinsicht auf nationaler Ebene, aber auch In einem Szenario bis 2035 hat Accenture errechnet, bei der Vertretung österreichischer Interessen in dass die Wachstumsrate der österreichischen Wirt- globalen Gremien, eine wichtige Rolle. schaft durch den Einsatz von KI auf drei Prozent anstei- gen kann. Bliebe es hingegen beim bisherigen techno- In der Studie „Mission mit Vision: Wie Österreich seine logischen Niveau, würde die Bruttowertschöpfung nur Zukunft mit Künstlicher Intelligenz gestaltet“ beleuchtet um 1,4 Prozent pro Jahr wachsen. Nicht zuletzt wird Accenture sieben Zukunftsfelder, die entscheidend die höhere wirtschaftliche Dynamik durch eine stark für den Erfolg von KI sein werden. Diese Zukunftsfelder steigende Arbeitsproduktivität möglich. Das Szenario wurden vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation geht von einer 30 Prozent höheren Produktivität der und Technologie (BMVIT) und dem Bundesministerium Beschäftigten in Österreich aus. Die zusätzliche Brutto- für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) wertschöpfung daraus beläuft sich auf 122 Milliarden in der im November 2018 veröffentlichten Broschüre Euro im Jahr 2035.2 „Artificial Intelligence Mission Austria 2030“ zur Erstel- lung des Masterplans für künstliche Intelligenz definiert. Es sind: 1. Forschung und Innovation ÖSTERREICH BRAUCHT EINE 2. Gesellschaft, Ethik und Arbeitsmarkt KI-STRATEGIE 3. Qualifizierung und Ausbildung Sollen diese Chancen genutzt werden, muss der 4. KI-Governance, Sicherheit und Recht Wandel aktiv gestaltet werden. Zu den drei klassi- 5. KI im öffentlichen Sektor schen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und 6. Infrastruktur für industrielle Führungspositionen Kapital tritt künftig die Künstliche Intelligenz als 7. KI in der Wirtschaft ein vierter hinzu – mit der Folge, dass zahlreiche neue Geschäftsmodelle in den bestehenden Indus Im Rahmen der Analysen dieser Zukunftsfelder hat trien massive Umbrüche verursachen werden. Accenture zentrale Herausforderungen identifiziert und daraus wesentliche Handlungsbedarfe abgeleitet. Längst hat allerdings der globale Wettbewerb um die besten Positionen in den neuen Märkten begonnen. Mehr als 20 Industrienationen haben bereits eine KI-Strategie definiert und beschäftigen sich mit der Umsetzung. Österreich muss also schnell handeln und ebenfalls festlegen, wie das Potenzial der neuen Technologien für die Gesellschaft und die Wirtschaft genutzt werden soll. 5
HERAUSFORDERUNGEN INITIATIVEN BÜNDELN Um in Österreich eine gute Basis für Innovationen In den letzten Jahren sind in Österreich viele Gremien, durch Künstliche Intelligenz zu schaffen, müssen Communities, Kooperationen und industriespezifische zunächst einige grundlegende Aufgaben erfüllt Plattformen entstanden, die sich dem Thema KI wid- werden. Die vorliegende Studie hat drei Heraus men. Teilweise wurden diese vom BMVIT oder BMDW forderungen als besonders dringend eingestuft. angestoßen. Viele sind aber auch aus der Wirtschaft heraus entstanden. Noch ist diese Vielfalt an Initiativen ZÖGERLICHKEIT ÜBERWINDEN aber zu unübersichtlich, um ein leistungsfähiges Öko- Unternehmen und Organisationen in Österreich system für KI sicherzustellen. Es fehlt eine Stelle, die haben die Bedeutung der Künstlichen Intelligenz sich mit der Koordination der Einzelaktivitäten beschäf- mehrheitlich erkannt. Zur operativen Anwendung tigt und Interessenten zielgerichtet zu geeigneten kommt es dennoch oft nicht. Gründe dafür sind das Initiativen und Beratungsangeboten navigiert. Fehlen von „Business Cases“ sowie das mangelnde Know-how. Beim Know-how ist in technisches Know- how sowie in Know-how zur KI-induzierten Transfor- HANDLUNGSBEDARF mation von Geschäftsmodellen zu unterscheiden. Accenture hat in der Studie sechs Handlungs Österreichs Unternehmen müssen in beiden Berei- empfehlungen herausgearbeitet, um KI in Öster- chen die entsprechenden Kompetenzen und Kapazi reich schneller voranzubringen. täten aufbauen oder über externe Dienstleister darauf zugreifen können. Sie haben das Sammeln und Aus- LEITLINIEN DEFINIEREN werten von betriebsinternen Daten noch nicht syste- Die Akzeptanz für KI kann durch die Definition von matisch begonnen. Nur selten befassen sie sich mit Leitlinien und Werten gesteigert werden. Dabei muss Datenmarktplätzen. In vielen kleineren Betrieben herausgestellt werden, dass KI in Österreich im Sinne fehlen jegliche Erfahrungen mit Cloud-Technologien einer „Responsible Artificial Intelligence“ aufgestellt und Big Data. Aufseiten der öffentlichen Hand hat wird. Denn 90 Prozent der österreichischen Unterneh- Open Data längst noch nicht die erforderliche men halten es für wichtig oder sehr wichtig, dass Kun- Bedeutung. den und Mitarbeiter nachvollziehen können, anhand welcher Daten und Kriterien KI-gestützte Entscheidun- Bezeichnend sind diese Zahlen: Einer Umfrage von gen in ihrem Unternehmen getroffen werden.4 Wichtig Accenture unter Unternehmen mit mehr als 500 Milli- ist auch, den Mittelstand einzubeziehen und zum Ein- onen Euro Umsatz ergab, dass 87 Prozent der Unter- stieg in KI zu motivieren sowie Ängste vor Arbeitsplatz- nehmenslenker KI-Technologien als Auslöser einer verlust abzubauen. Aller Voraussicht nach wird KI signifikanten oder sogar vollständigen Transformation nämlich nicht primär die Anzahl der Arbeitsplätze ihres Industriesektors sehen. Doch nur 61 Prozent senken, sondern Arbeitsinhalte verändern. geben an, dass KI auch zu einer signifikanten oder sogar vollständigen Transformation ihres eigenen Dem Institut für Höhere Studien5 zufolge werden Unternehmens führen wird.3 lediglich neun Prozent der Arbeitsplätze in Österreich durch Automatisierung in Gefahr geraten. Im Gegen- UNKLARHEITEN BESEITIGEN zug entstehen aber auch neue Jobs durch KI. Statt Die öffentlichen Debatten in Österreich zur KI offen Routinearbeiten werden kreative Tätigkeiten stärker baren ein hohes Maß an Unsicherheiten und Ängsten gefragt sein, denn die sich stets wiederholenden in den Unternehmen sowie begrifflichen Unklarheiten Aufgaben bewältigt auch der „Co-Arbeiter Maschine“. in diesem Themenbereich. Angst hemmt jedoch die Deshalb werden Weiterbildungen der Arbeitskräfte Initiative für die Gestaltung des Wandels. Im Verhältnis künftig eine besondere Bedeutung haben. In Öster- zu den Chancen wird den Risiken zu viel Aufmerksam- reich sehen 90 Prozent der Personalverantwortlichen keit gewidmet. Mit Transparenz und Verantwortungs einen hohen Schulungsbedarf bezüglich der Digital- bewusstsein muss deshalb mehr über KI informiert kompetenzen für ihre Belegschaft.6 Aber auch Fähig- werden. keiten wie emotionale Intelligenz, innovatives Denken und kritische Reflexion sollten im Fokus der Qualifi zierung stehen. 6
KOORDINATION GEWÄHRLEISTEN DATENRAUM VORANTREIBEN Österreichische KI-Initiativen und Innovationsförde- Der „Europäische Datenraum“ ist eine Vision, die Öster- rungen müssen koordiniert werden, um auch die Ori- reich mit eigenen nationalen Schritten und bilateralen entierung für KMU sicherzustellen und ihnen Zugang Abkommen – zum Beispiel mit Deutschland – voran- zu Ansprechpartnern und passenden Beratungsleis- treiben kann. Das gilt insbesondere für Maschinen- tungen zu bieten. Grundsätzlich sollte dabei die Förde- und Industriedaten. rung von Sprunginnovationen und deren Marktreife einen Schwerpunkt bilden. Für Österreich besteht die VERWALTUNG ALS VORREITER ETABLIEREN große Chance, sich als Testmarkt für KI-Anbieter in Der österreichische Staat kann vorangehen, indem Europa zu etablieren. Auch die Position des Vorreiters künftige Digitalisierungsprojekte in der Verwaltung für das neue Mobilfunknetz 5G ist erreichbar. mit starken KI-Komponenten aufgesetzt werden. Mit solchen Initiativen lassen sich die Qualität und Effizi- FORSCHUNGSSCHWERPUNKTE SETZEN enz der öffentlichen Dienstleistungen verbessern. Als ein eher kleines Land braucht Österreich eine Zudem kommen sie der Akzeptanz von KI in der öster- klare Vision für die Entwicklung von KI-Aktivitäten und reichischen Gesellschaft zugute. folglich auch Spezialisierungen in der KI-Forschung. In den Jahren 2012 bis 2017 förderte der Bund die ITERATIVE PROZESSE EINRICHTEN KI-Forschung mit fast 350 Millionen Euro.7 Damit ist Die permanente Weiterentwicklung der geplanten Österreich zwar bereits gut aufgestellt, jedoch ist ein KI-Strategie in einem iterativen, fortlaufenden Prozess weiterer Ausbau des Engagements wichtig. Insbeson- sichert die längerfristigen Perspektiven der Konzepte. dere gilt es, Schwerpunkte zu setzen. Infrage kommen So kann die Strategie jeweils an technische, wirtschaft dafür Themen, die schon bisher von großer Bedeutung liche und gesellschaftliche Entwicklungen anpasst waren, wie zum Beispiel logische Systeme, neuronale werden. Das gilt zum Beispiel für die Potenziale, die Netze, Robotik und sprachverstehende Systeme. sich aus der Kombination von KI mit Blockchain- Anwendungen ergeben. Dabei ist zu beachten, dass eine besonders hohe zusätzliche Wertschöpfung durch KI im Bereich Smart Production zu erwarten ist: Nach Berechnungen von Accenture wird schätzungsweise ein Drittel (32 Prozent) der durch KI zusätzlich generierten Bruttowertschöp- fung in Höhe von 122 Milliarden Euro im Jahr 2035 auf den Produktionssektor entfallen. Vor dem Durchbruch steht die KI-gestützte Auswertung von Betriebsdaten. Neben allgemeinen Effizienzgewinnen wird KI Effekte vor allem durch zusätzliche Wertschöpfung mit neuen datengetriebenen Produkten und Services entfalten. Auch die Sektoren Landwirtschaft, Handel, Verkehr und Lagerei sowie Finanzen können stark von KI profi- tieren. Derzeit werden die Potenziale mit all diesen Zukunftsthemen aber nicht ausgeschöpft. In der letzten Ausschreibung des Förderprogramms „Produktion der Zukunft“ der Österreichischen Forschungsförderungs- gesellschaft mussten aus budgetären Gründen 44 Prozent der eingereichten kooperativen Projekte, die förderwürdig waren, abgelehnt werden.8 7
DIE VIERTE INDUSTRIELLE REVOLUTION Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), das Internet der Dinge, Big Data Analytics, Nanotechnologie oder Blockchain verändern Wirtschaft und Gesell- schaft tiefgreifend. Der technologische Fortschritt hat sich in den letzten Jahren exponentiell beschleunigt. Neue digitale Geschäftsmodelle erschüttern Indus trien und Wertschöpfungsketten. Physische und digitale Welten verschmelzen in dieser vierten industriellen Revolution9. Ob und wieweit diese Veränderungen positiv oder negativ ausfallen, steht im Zentrum der aktuellen KI-Debatte. Jeder Wandel bringt naturgemäß Chancen und Heraus- Die vielleicht größte Herausforderung ist, den Wandel forderungen mit sich. Häufig aber konzentrieren wir aktiv zu gestalten. Nur so wird es gelingen, die Poten- uns auf die potenziellen negativen Auswirkungen und ziale möglichst umfangreich zu heben. Dafür braucht übersehen dabei die Vorteile, die sich ergeben können. es vor allem Visionen sowie ambitionierte und klare Viel gravierender aber ist, dass wir unsere Gestaltungs- Zielsetzungen, orientiert an ethischen, verantwortungs- macht unterschätzen. Technologien wie KI können vollen und nachhaltigen Leitlinien. Umso wichtiger ist eine treibende Kraft für positive Veränderungen sein. es, dass Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Sozial- Entscheidend ist, den Menschen bei Entwicklung, partner an einem Strang ziehen. Anwendung und Steuerung in das Zentrum der Überle- gungen zu stellen. Dazu braucht es nicht nur ethische Diese Studie möchte einen Beitrag zur aktuellen und rechtliche Rahmenbedingungen, sondern auch Diskussion leisten, den Fokus auf die Chancen richten Information, Aus- und Weiterbildung und vor allem: und Handlungsbedarf aufzeigen. Wir verlagern die viel Ausprobieren in den Klassenzimmern, Büros und Debatte von der Theorie in die Praxis: In welchen Fabriken. Auch für die Einführung der Dampfmaschine Bereichen wird KI bereits heute erfolgreich ange und des elektrischen Lichts war „trial-and-error“ ein wendet? Und wie können in Österreich die richtigen wichtiger Erfolgsfaktor. Weichen für die Zukunft gestellt werden? 8
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ HEUTE KI macht es möglich, menschliche Fähigkeiten und Intelligenz durch Erkennen, Verstehen, Handeln und Lernen zu unterstützen und zukünftig in Teilbereichen sogar zu ersetzen. KI ist ein Querschnittsthema, für das technische wie gesell- schaftliche Voraussetzungen zu schaffen sind. Implikationen bestehen für Industrie und Forschung, aber auch für Gesellschaft und Konsumenten. Die Basis der Künstlichen Intelligenz ist eine Kombina- Jedoch wurden Fortschritte primär im Bereich der tion neuer Technologien, Verfahren und Methoden. schwachen KI erzielt – Algorithmen, die etwa Doku- Dazu gehören Machine Learning, Natural Language mente verarbeiten und Informationen auslesen, für Processing und virtuelle Assistenten, kognitive robo- Konsumenten passende Produkte heraussuchen, tergesteuerte Prozessautomatisierung, Unique-Iden- Verkaufsberater bei ihrem Kundenservice unterstützen, tity-Technologie, Video Analytics und vieles mehr. Fahrzeuge steuern oder Schach-Champions schlagen. Von umfassenden Lösungen oder Anwendungen der Die Geburtsstunde der KI geht auf eine Forscher- starken KI sind wir nach Ansicht vieler Experten noch gruppe um John McCarthy und Marvin Minsky am weit entfernt. Mit starker KI ist die Entwicklung von Dartmouth College in Hanover (New Hampshire, USA) Maschinen gemeint, die wie Menschen denken, in den Fünfzigerjahren zurück. Seitdem wurden große Empathie empfinden und Recht von Unrecht unter- Fortschritte erzielt. Datenverfügbarkeit, Rechnerkapa- scheiden können.10 zitäten und die gesunkenen Kosten für Technologien sind heute eine wichtige Grundlage für KI. 9
WARUM DER HYPE? KI ist als Thema zunehmend in den Unternehmen angekommen. Größere und günstigere Rechenleistung sowie Datenspeicher, stark wachsende Datenmengen und sich etablierende Open-Source-Frameworks bahnen der KI zunehmend den Weg. Inzwischen gilt KI als General-Purpose-Technologie, die genau wie die Elektrizität oder das Internet umfassende Transformationen nach sich ziehen wird.11 Nicht von ungefähr sind die Investitionen in KI welt- Und dies ist erst der Anfang: Künstliche Intelligenz weit stark gestiegen: IDC berechnet, dass Unterneh- entwickelt sich exponentiell. Naturgemäß ist es men und andere Organisationen dieses Jahr weltweit schwierig, die daraus resultierenden Herausforderun- bis zu 32 Milliarden Euro für KI und kognitive Systeme gen und Chancen für das nächste Jahrzehnt präzise ausgeben werden.12 Laut CB Insights flossen im Jahr vorauszusehen. Einige Entwicklungen, wie zum Beispiel 2017 etwa 13,5 Milliarden Euro an Investitionen in das autonome Fahren, konkretisieren sich mittlerweile. KI-Start-ups. Das ist ein Anstieg um 141 Prozent gegen- Viele weitere neue KI-Anwendungen werden unsere über dem Jahr 2016.13 Lebens- und Arbeitsweise auf noch unvorhersehbare Art positiv verändern. Sie werden zu einem Treiber KI-Anwendungen etablieren sich zunehmend als für ein höheres Wirtschaftswachstum in Österreich. Bestandteil unseres Alltags. Apples Siri und Google Now können wir auf unseren mobilen Geräten ansprechen, Amazons Alexa in unseren Wohnungen. Chatbots helfen uns zunehmend als Kundenbetreuer weiter – etwa bei Reisebuchungen oder Geldanlageentscheidungen. Diese KI-basierten Tools ermöglichen den Menschen in Österreich, effizienter zu arbeiten sowie zielgenaue Informationen und Dienstleistungen zu erhalten. 10
STAATEN IM WETTBEWERB China und die USA gelten bislang als führend im Bereich KI. Das muss nicht so bleiben: Zahlreiche Staaten treten ambitioniert in den Wettlauf um techno- logische Führung ein. Sie schaffen geeignete Rahmenbedingungen für KI, zum Beispiel durch Investitionen in Forschung, Talentförderung und eine innovationsfreundliche Regulierung. Zahlreiche Staaten stehen im Wettbewerb um die Lediglich China und Großbritannien haben klare Ziele besten Voraussetzungen für die Weiterentwicklung formuliert und korrespondierend Investitionen ange- und Nutzung von KI. Seit März 2017 haben mehr als kündigt. China will 2030 weltweit führend im Bereich 20 Länder ihre KI-Strategien formuliert, Finanzmittel KI sein: sowohl in der Grundlagenforschung als auch allokiert und Governance-Strukturen etabliert. in der Anwendung sowie der Verfügbarkeit von Fach- kräften. Die Künstliche Intelligenz soll bis 2030 150 Unsere vergleichende Analyse zeigt: Jede der natio Milliarden Dollar zur Wertschöpfung des Landes bei- nalen KI-Strategien setzt andere Schwerpunkte. Sie tragen. Auch Großbritannien hat ambitionierte unter- reichen von Forschungs- und Wirtschaftsförderung nehmerische Ziele präsentiert. Unter anderem: Das über Bildungsoffensiven bis hin zur Verwaltungs Land plant einen Investmentfonds mit einem Volumen modernisierung. Vielerorts wurden Gremien zu regu von 2,5 Milliarden Pfund, der gezielt KI-Start-ups fördert. lativen, ethischen und handelspolitischen Frage stellungen eingerichtet. ABBILDUNG 1: AUSWAHL WICHTIGER INDUSTRIENATIONEN, DIE EINE NATIONALE STRATEGIE FÜR KÜNSTLICHE INTELLIGENZ ERSTELLT HABEN SCHWEDEN Mai 2018 FINNLAND EU DÄNEMARK Mai 2017 (Finaler Bericht April 2018 (Kommunikation) Januar 2018 April 2019) Dezember 2018 (Koordinierter Plan für KI in Europa) DEUTSCHLAND Dezember 2018 FRANKREICH März 2018 SÜDKOREA Mai 2018 (aktualisiert) KANADA JAPAN März 2017 März 2017 CHINA Juli 2017; VEREINIGTE Dezember 2017 STAATEN UK (Dreijahres-Aktionsplan) Mai 2018 (Summit on AI April 2018 for American Industry) INDIEN SINGAPUR Februar 2019 (Executive Juni 2018 May 2017 order on Maintaining American Leadership in Artificial Intelligence) ITALIEN AUSTRALIEN MEXIKO März 2018 Mai 2018 (2018/2019 Budgetveröffentlichung); Juni 2018 November 2018 (Digital Strategy mit KI-Komponente) Quelle: Accenture Analyse 2019, inklusive Tim Dutton, An Overview of National AI Strategies, medium.com 11
BEISPIELE FÜR SCHWERPUNKTE WEITERER NATIONALER STRATEGIEN: Innovationsförderung Ethik Frankreich investiert in KI-Start-ups.14 Singapur hat im Juni 2018 die Gründung eines zivil gesellschaftlich besetzten Ethikrates angekündigt, der Verwaltungsmodernisierung durch ein Forschungsprogramm unterstützt werden Die Vereinigten Arabischen Emirate haben Ende 2017 soll.21 Die EU-Expertengruppe für Künstliche Intelli- mit Omar bin Sultan al-Olama einen Minister für Künst- genz arbeitet auch an ethischen Richtlinien.22 Separat liche Intelligenz ernannt, der sich vorrangig um Kosten- hat Großbritannien das Centre for Data Ethics and reduzierung und Serviceverbesserung in der öffent Innovation geründet.23 China, Japan, die Vereinigten lichen Verwaltung kümmert.15 Staaten, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Finnland, Australien, Indien – sie alle fördern den ethischen Internationale Zusammenarbeit Aspekt von KI. Die nordischen Länder und die baltische Region kooperieren, um Wissenstransfer und Skaleneffekte Angewandte Technologieforschung zu ermöglichen.16 Japan fokussiert in seiner im März 2017 vorgelegten Strategie auf KI „as a service“ und stellt dafür eine Zukunft der Arbeit Roadmap vor.24 Im Juni 2018 veröffentlichte Finnland 28 Empfehlungen für Kompetenzbildung und Beschäftigungssicherung Inklusion im Zeitalter von KI.17 Großbritannien fokussiert als Teil Indien legt seinen Schwerpunkt auf gesamtgesell- des „AI Sector Deals“ ebenfalls auf KI-Fähigkeiten.18 schaftlichen Fortschritt und Reduzierung der sozialen Ungleichheit.25 Talentförderung Laut JFGAGNE gibt es weltweit lediglich 22.000 promo- Regulierung vierte KI-Experten.19 Kanada hat als erstes Land im Der New York City Council verabschiedete kürzlich März 2017 eine KI-Strategie vorgelegt, die ihren Fokus die Algorithm Accountability Bill, um potenzielle Partei auf Talentförderung und Research setzt.20 lichkeit von automatischen Entscheidungssystemen kommunaler Behörden zu adressieren.26 ABBILDUNG 2: SCHWERPUNKTE EINZELNER LÄNDERSTRATEGIEN UND AKTIONSPLÄNE (AUSWAHL) Nordische Länder Baltische Staaten 1 Wettbewerbsfähigkeit 2 Research- und Talentförderung Kompetenzbildung und gesell- 3 schaftlicher Wandel KI 4 Inklusion 5 Verwaltungsmodernisierung 6 Industrialisierung von KI 7 Nationale Sicherheit 8 Internationale Zusammenarbeit 12
AUF DEM WEG ZU EINER AIM AT 2030 Unsere Analyse der KI-Strategien zeigt: Viele andere führende Volkswirtschaften haben das Potenzial der KI erkannt, investieren und arbeiten an geeigneten Rahmenbedingungen. Auch Österreich sondiert, wie Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam die Potenziale von KI realisieren und das dafür not- wendige Vertrauen in der Gesellschaft stärken können. Die Zeit drängt – denn die Weiterentwicklung der KI wartet nicht auf politische Entscheidungen. Die Bundesregierung strebt an, den KI-induzierten Der dem Ministerrat vorgelegte Antrag zeigt mögliche Wandel in Österreich aktiv zu gestalten, Chancen zu Schwerpunkte der künftigen Strategie auf, die im nutzen und potenzielle negative Konsequenzen zu 3. Quartal 2019 veröffentlicht wird. So soll die KI-For- vermeiden. Im November 2018 legten Bundesminister schung in noch zu definierenden Schlüsselbereichen Norbert Hofer (BMVIT) und Bundesministerin Margarete auf ein weltweites Spitzenniveau gehoben, der Transfer Schramböck (BMDW) dem Ministerrat einen Antrag von KI-Anwendungen in kleinere und mittlere Unterneh- zur Ausarbeitung einer Strategie zur Künstlichen men unterstützt und sichere sowie verantwortungs- Intelligenz vor. Unter dem Arbeitstitel „Artificial Intelli- volle rechtliche Rahmenbedingungen für die KI-Nutzung gence Mission Austria 2030 (AIM AT 2030)“ sollen gesetzt werden. Wichtig sei dem Antrag zufolge auch Rahmenbedingungen für KI in Österreich in allen der gesellschaftliche Dialog zu KI, entsprechende Aus- Lebensbereichen erarbeitet werden. und Weiterbildungschancen sowie die Einführung der KI im sicherheits- und kriminalpolizeilichen Umfeld.28 Unter der Federführung des BMVIT werden ressort- übergreifende Arbeitsgruppen für die Ausarbeitung gebildet, die auch auf verschiedene internationale und nationale Studien zurückgreifen können, so zum Beispiel auf das White Paper des Österreichischen Rates für Robotik und Künstliche Intelligenz27. Neben BMDW und BMVIT sind das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (BMASGK) und Vertreter aus öffentlicher Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft in den Prozess intensiv eingebunden. 13
AKTIVIERUNG DES KI-POTENZIALS IN ÖSTERREICH Die Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz schreitet rasant voran. Es ist realistischerweise kaum absehbar, vor welche Chancen und Herausforderungen uns diese neuen Technologien in den nächs- ten Jahren und Jahrzehnten stellen werden. Umso wichtiger ist es, zügig geeignete und agile Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich KI entfalten kann. Bislang ist dies nur unzureichend geschehen: Österreich belegt in dem Government AI Readiness Index von Oxford Insights lediglich Platz 16 unter den OECD-Ländern.29 Doch wie kann das KI-Potenzial in Österreich aktiviert werden? Basis dafür ist, die Weichen in den Zukunftsfeldern der KI richtig zu stellen und kontinuierlich nachzujustieren. Nachfolgend blicken wir auf diese entscheidenden Zukunftsfelder: Welche Chancen und Heraus- forderungen ergeben sich durch KI für unser Land? Was ist zu tun, damit wir auch im KI-Zeitalter unsere hohe Lebensqualität und Wettbewerbsfähigkeit bewahren und weiter ausbauen können? 14
ZUKUNFTSFELD FORSCHUNG UND INNOVATION WAS WOLLEN WIR ERREICHEN? betreiben und hierfür international kooperieren zu wollen. Insbesondere ist aber auch der „Spillover“ zwi- Der Erfolg der „Artificial Intelligence Mission Austria schen Forschern und KI-Anwendern in Unternehmen 2030“ wird vom KI-Ökosystem aus Wissenschaft, und anderen gesellschaftlichen Bereichen von entschei- Wirtschaft und Politik abhängen, in dem diese Strategie dender Bedeutung. Zu einer erfolgreichen Innovation umgesetzt wird. Forschung und Entwicklung ist darin kann eine innovative Idee nur dann werden, wenn sie es ein Kernfaktor. Österreich hat bereits die Ambition for- tatsächlich zur Marktreife schafft und in ein durchdach- muliert, erfolgreich und auf Spitzenniveau K I-Forschung tes Geschäftsmodell eingebettet wird. ABBILDUNG 3: AUSWAHL ÖSTERREICHISCHER KI-FORSCHUNGSINSTITUTE UND -INITIATIVEN Pro²Future sieht seine Tätigkeit eingebettet in Im CD-Labor für Künstliche Intelligenz und Das Österreichische Forschungsinstitut die EU-Forschungsagenda, insbesondere dem Optimierung in Planung und Scheduling an der für Artificial Intelligence (OFAI) ist eine der H2020-Programm in den Säulen Excellence in Technischen Universität Wien werden gemein- führenden gemeinnützigen Auftragsforschungs- Science (ERC, FET), Industrial Leadership (LEIT) sam mit Unternehmenspartnern innovative institutionen in Europa. Das Methodenportfolio und Societal Challenges bezogen auf Energy, Lösungstechniken für Probleme der Ressourcen- des OFAI umfasst u.a. maschinelles Lernen und Transport und Materials. planung (z.B. im Gesundheitswesen, in der Data Mining, neuronale Netze, intelligente industriellen Produktion oder beim Verkehr) Softwareagenten. Die Universität Innsbruck arbeitet zusammen auf Basis von KI und Optimierung erforscht. mit den Firmen Onlim und feratel in der For- Das Land Steiermark ist mit über 80% Haupt schungskooperation MindLab zu den Chancen Das Institut für Artificial Intelligence and eigentümer an der Joanneum Research For- von KI u.a. für den Tourismus. Ziel des Projektes Decision Support (AID) an der Medizinischen schungsgesellschaft. Die Expertise des Insti- ist es, qualitativ hochwertige Daten, Methoden Universität Wien ist fokussiert auf die Entwick- tuts DIGITAL in den Bereichen Navigation, und Werkzeuge zur automatisierten Dialogfüh- lung intelligenter Anwendungssysteme in der Fernerkundung und Maschinelles Sehen stellt rung über Chatbots und Sprachassistenten Medizin unter Nutzung von KI und Verfahren ein Schlüssel-Know-how und auch Forschungs- zur Verfügung zu stellen. der computer-basierten Entscheidungsunter- schwerpunkt des Instituts für automatisiertes stützung. Fahren dar. Das Grazer Know-Center wurde 2000 als K1- Zentrum im Rahmen des Programm COMET – Das AIT Austrian Institute of Technology IST – Institute of Science and Technology Competence Centers for Excellent Technolo- ist Österreichs größte außeruniversitäre For- Austria in Klosterneuburg ist auf Grundlagen- gies – gegründet und entwickelt als Forschungs- schungseinrichtung. Mit seinen acht Centern forschung ausgerichtet ist und bietet inter zentrum für Data-driven Business innovative versteht sich das AIT als hoch spezialisierter disziplinäre PhD-Programme an. Die Gruppe Informations- und Kommunikationstechnolo- Forschungs- und Entwicklungspartner für die “Computer Vision and Machine Learning” gien für die Wirtschaft. Industrie und beschäftigt sich mit den zentralen entwickelt Algorithmen im Bereich des statis Infrastrukturthemen der Zukunft. tischen maschinellen Lernens und des Das Institut Salzburg Research im Eigentum Computer Vision. des Landes Salzburg betreibt Forschung auf internationalem Niveau und entwickelt markt relevante Innovationen für Unternehmen, Industrie und Verwaltung. Software Competence Center Hagenberg entwickelte eine Methode für Audio Scene Classification (ASC) – eine der Hauptaufgaben beim Machine Listening, welche Techniken aus Machine Vision und Machine Listening Donau-Universität Krems FH Oberösterreich IMC FH Krems kombiniert. Das SCCH gewann damit den Campus Hagenberg 1. und 2. Preis des IEEE Detection and Classi fication (DCASE 2016) Wettbewerbs. LINZ TU Wien Johannes-Kepler- FH Technikum Wien FH Wiener Neustadt WIEN Universität Linz Universität Wien Medizinische Universität Wien Wirtschaftsuniversität Wien SALZBURG Universität Salzburg FH Salzburg FH Kufstein Tirol Montan- TU Graz FH Vorarlberg universität MCI Management Center Innsbruck Karl-Franzens- Leoben Universität Graz INNSBRUCK FH Joanneum Graz Universität Innsbruck GRAZ Universität Klagenfurt KLAGENFURT 15
WO STEHEN WIR HEUTE? tionsvereinbarung. Das Institut für Computergrafik der JKU und das Department of Computing des Imperial In Österreich betreibt eine Reihe von Einrichtungen College werden zu Fragen von KI und Visualisierung, KI-Forschung auf hohem Niveau. Die Institute besetzen beispielsweise in Bezug auf Bildgebung für medizini- erfolgreich Nischen oder Spezialgebiete, sowohl in sche Anwendungen, kooperieren.31 der Grundlagenforschung als auch zur Entwicklung marktreifer Prototypen. Traditionelle Schwerpunkte Jüngst wurde das „Institute of Advanced Research in der österreichischen KI-Forschung sind zum Beispiel Artificial Intelligence“ (IARAI) mit den Standorten Linz, logische Systeme, neuronale Netze, Robotik und Wien und Zürich gegründet. Geschäftsführer sind sprachverstehende Systeme. In den letzten Jahren Sepp Hochreiter von der Universität Linz, David Kreil wurde auch zunehmend zur KI-unterstützten Produk- von der Universität für Bodenkultur Wien und Michael tion und Industrie 4.0 geforscht. Allein zwischen Kopp von Here Technologies in Zürich. Das Besondere 2012 und 2017 förderte der Bund die KI-Forschung an dem neuen Institut ist der offene Forschungsansatz, mit fast 350 Millionen Euro.30 Abbildung 3 zeigt eine bei dem durch eine Kooperation mit Here, einem Ent- Auswahl an bestehenden österreichischen Forschungs wickler und Anbieter von Geodatendiensten, Karten- instituten und -initiativen. und Verkehrsdaten in industriellem Maßstab für die Grundlagenforschung genutzt werden können.32 Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass Europa nur gemeinsam in der KI-Forschung auf In den letzten Jahren sind zudem in Österreich meh- Augenhöhe mit den USA und China mitspielen kann. rere Multi-Stakeholder-Initiativen entstanden, die sich Österreichische Forschungsinstitute haben bereits mit dem Innovationspotenzial von KI beschäftigen und begonnen, ihre internationalen Kooperationen aus die Vernetzung des nationalen KI-Ökosystems voran- zubauen. Im Mai 2018 unterzeichneten zum Beispiel treiben wollen. Abbildung 4 zeigt eine Auswahl dieser die Linzer Johannes-Kepler-Universität (JKU) und das- Initiativen.33 Londoner Imperial College in London eine Koopera ABBILDUNG 4: AUSWAHL ÖSTERREICHISCHER MULTI-STAKEHOLDER-INITIATIVEN, DIE SICH MIT KI IN ÖSTERREICH BESCHÄFTIGEN Digitalisierungs- Im Sommer 2018 hat die österreichische Digitalisierungsagentur DIA unter dem Dach der Österrei- agentur DIA chischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) ihre Arbeit aufgenommen. Sie fungiert als Plattform zur Vernetzung der relevanten Stakeholder und zur Beratung der Bundesregierung hin- sichtlich nationaler und internationaler Ansprechpartner. Ausdrückliches Ziel der DIA ist es, „Öster- reich und seine KMU nach vorne“ zu bringen und durch erfolgreiche Digitalisierung die Produktivi- tät, den Erfolg und die Innovationskraft von KMU zu fördern. Digital Das BMDW unternimmt mit der Entscheidung zur bundesweiten Errichtung von so genannten Digital Innovation Innovation Hubs (oder „Digitalzentren“) Schritte, um den digitalen Aufholbedarf bei KMUs zu adres- Hubs sieren. Explizite Zielsetzung ist laut Ausschreibung der FFG, die gemeinsam mit dem BMDW hinter der Initiative steht, auch eine große regionale Abdeckung, sodass ein Großteil der KMUs einen Hub in ihrer direkten Umgebung haben. Die Themenfelder Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit, Block- chain und 3D-Printing haben aus Sicht der FFG besondere Relevanz. Verein „Data Der 2018 gegründete Verein sieht sich als zentrale Plattform zur Förderung der Datenwirtschaft und Intelligence der Datenwissenschaft. Unterstützt vom BMVIT tauschen sich Experten aus Wirtschaft, Wissen- Initiative“ schaft und öffentlicher Verwaltung zum Einsatz relevanter Technologien, der Marktbildung und zum Management von Daten aus. Verein Der Verein „Industrie 4.0 Österreich“, der 2015 vom BMVIT, der Bundesarbeitskammer (BAK) sowie „Industrie 4.0 Fachverbänden und der Produktionsgewerkschaft gegründet wurde, ist eine Plattform insbesondere Österreich“ für intelligente Produktion, die politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Akteure vernetzen will. In Expertengruppen, zum Beispiel zu den Themen Normen und Standards sowie Forschung, Ent- wicklung und Innovation, werden Erfahrungen ausgetauscht und politische Empfehlungen verfasst. Verein Im Jahr 2018 hat sich der Verein „AI in Austria“ gegründet, der sich als unabhängiger Think Tank „AI in Austria“ für den Austausch rund um das Thema KI versteht und Österreich als international relevanten KI-Standort etablieren möchte. Quelle: Accenture Analyse 2019; Webseiten der Organisationen 16
HANDLUNGSBEDARF von der Forschung bis zur Markteinführung über einen passenden und flexiblen institutionellen Rahmen Vision für KI-Forschung erarbeiten nachgedacht werden, der „Spillover“-Prozesse erfolg- Wie der Österreichische Rat für Robotik und Künst reich begleiten kann. liche Intelligenz in seinem White Paper feststellt, fehlt es trotz diverser Erfolge an einer „klaren Vision“ für Anhaltspunkte, wie ein solcher Rahmen – möglicher- unsere KI-Forschungslandschaft. Angesichts der Größe weise eingebettet in die DIA – aussehen könnte, sind und Investitionsstärke weltweit führender Forschungs- beispielsweise in Deutschland zu finden: Die deutsche standorte wie den USA und China hält es der Rat für Bundesregierung gründete im August 2018 die „Agen- nicht sinnvoll, nach dem Gießkannenprinzip Förderung tur zur Förderung von Sprunginnovationen für den in der Breite zu betreiben. Es sollten vielmehr Schwer- zivilen Anwendungsbereich“, mit einem Fokus auf KI.35 punkte definiert werden, wobei die für Österreich in Spezielle Innovationsmanager der Agentur ebnen Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung besonders künftig Ideen und Forschungsergebnissen ihren Weg relevanten Anwendungsfelder miteinbezogen in die Praxis. In Workshops, Wettbewerben und anderen werden müssen. Formaten wird die Agentur im Austausch mit Wissen- schaft, Wirtschaft und Gesellschaft neue Ideen für Vernetzung des KI-Ökosystems und Bündelung Wertschöpfung generieren. Die neue Agentur soll von Information zu Beratungsmöglichkeiten Deutschland als Standort für KI sowie andere neue Das Ökosystem für die Entwicklung von Künstlicher Technologien wettbewerbsfähiger machen, indem Intelligenz ist in den vergangenen Jahren stark ange- differenzierende Innovationen schnell in den Markt wachsen und hat sich diversifiziert. Für KI-interessierte gebracht werden. Entscheidend für den Erfolg wird Unternehmen wird das Angebot an potenziellen sein, dass erfahrene Innovationsexperten mit techni- Kooperationspartnern und Beratungsunternehmen schem Know-how gewonnen werden und diese unab- immer unübersichtlicher und die Suche nach geeig hängig Erfolg versprechende Projekte aufnehmen neten Adressen, die Know-how und bereits etablierte können. KI-Anwendungen einbringen können, immer schwieri- ger. Die Bandbreite reicht von kleineren, spezialisierten Österreich könnte sich in Europa zudem verstärkt als KI-Beratungsunternehmen über große, international Testmarkt für innovative KI-Anwendungen positionieren. tätige Unternehmens- und Technologieberatungen Die Größe unseres Marktes erlaubt fundierte Rück- bis zu Forschungseinrichtungen, die ebenfalls Bera- schlüsse bei gleichzeitig überschaubaren Investitions- tung anbieten. rahmen für Firmen. Zudem bietet Österreich eine gute digitale Infrastruktur, ambitionierte 5G-Pläne KI-basierte Start-ups fördern und eine vergleichsweise hohe digitale Affinität der Noch zu selten gibt es in der österreichischen Start- Bevölkerung.36 up-Landschaft eine KI-Erfolgsgeschichte wie die des Wiener Start-ups Craftworks, das mit dem ÖBB ein Neben der Förderung von Sprunginnovationen darf Projekt im Güterverkehrsbereich umsetzt, welches die Bedeutung inkrementeller Innovation nicht unter- schnellere Preisvorhersagen ermöglichen und somit schätzt werden. Die Adaption und Weiterentwicklung den Güterverkehr auf der Schiene wettbewerbsfähiger bereits existierender KI-Anwendungen in Unternehmen machen soll.34 In den letzten Jahren sind Inkubatoren muss ausgeweitet werden. Vor allem im Mittelstand für KI-Start-ups entstanden (zum Beispiel Factory1 für bedarf es hier dringend eines Umdenkens: Neue Ideen, Mobilität der Zukunft), deren Erfolg jedoch noch nicht Konzepte und Technologien müssen evaluiert und bewertet werden kann. Für den Erfolg der Start-ups angewendet werden. Rechtzeitige Investitionen ist eine klare rechtliche Grundlage für KI-basierte in die Digitalisierung der Prozesse und in den Einsatz Produkte und Services notwendig, finanzielle und lernender Systeme werden zentral sein für die Wettbe- organisatorische Unterstützung sowie ein funktionie- werbsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen. rendes Ökosystem, in dem Kooperationen geschlossen werden können – sei es mit anderen Unternehmen, der Verwaltung oder der Wissenschaft. Markteinführung von KI-Innovationen sowie Wissenstransfer zwischen Forschung und Unternehmen vereinfachen Künftige Innovationen und deren Nachfrage auf dem Markt vorauszuahnen und vorzubereiten ist nur begrenzt möglich. Hilfreich für das gesamte Ökosys- tem ist aber, eine Vision und Schwerpunkte für die österreichische KI-Forschungslandschaft auszuarbei- ten. Zudem sollte hinsichtlich der Innovationsketten 17
ZUKUNFTSFELD GESELLSCHAFT, ETHIK UND ARBEITSMARKT WAS WOLLEN WIR ERREICHEN? WO STEHEN WIR HEUTE? KI kann die Lebensqualität nachhaltig verbessern und So wie Österreich sehen sich derzeit viele Länder mit aktuelle Herausforderungen adressieren. Schon heute ethischen Fragestellungen zur Künstlichen Intelligenz fördern erste KI-Anwendungen unter anderem die konfrontiert. Wie kann sichergestellt werden, dass gesellschaftliche Partizipation, die bessere und eine KI auf das „richtige“ und nicht auf das „falsche“ schnellere Diagnose von Krankheiten sowie Umwelt- Verhalten trainiert wird? Hier müssen die technischen schutz und bürgernahe öffentliche Dienstleistungen. Experten mit anderen Disziplinen ins Gespräch kommen Klare ethische und rechtliche Rahmenbedingungen und auch die Öffentlichkeit einbinden. Der Europäische sowie ein besseres Verständnis der KI in der Öffent- Wirtschafts- und Sozialausschuss fordert in seiner lichkeit werden essenziell sein, um eine breite gesell- Stellungnahme einen „[...] Verhaltenskodex für die Ent- schaftliche Akzeptanz zu erreichen. wicklung, den Einsatz und die Nutzung von KI, um zu gewährleisten, dass während der gesamten Nutzungs- Auch auf dem Arbeitsmarkt wird Künstliche Intelligenz dauer von KI-Systemen Menschenwürde, Integrität, einen tiefgreifenden Wandel bewirken. Doch anders Freiheit, Schutz der Privatsphäre, Datenschutz, kultu- als in der derzeitigen Debatte oftmals dargestellt, wird relle und Geschlechtervielfalt sowie die grundlegenden die größte Auswirkung der KI nicht in der Verringerung Menschenrechte gewahrt werden.“39 von Arbeitsplätzen bestehen, sondern in der Verände- rung von Arbeitsinhalten. Projektbasierte und kreative Können die Fragen nach dem „richtigen“ und „falschen“ Arbeit nehmen zu, während man dem „Co-Arbeiter Verhalten von KI-Systemen befriedigend beantwortet Maschine“ zeitgleich Routineaufgaben überträgt. Ent- werden, ist der Weg frei für „AI for Good“: KI-Anwen- sprechend sieht eine Studie des Instituts für Höhere dungen, die gesellschaftliche Herausforderungen wie Studien37 auch lediglich neun Prozent der Arbeits- Gesundheit, Inklusion und Umweltschutz angehen. plätze in Österreich durch Automatisierung in Gefahr Die folgenden Beispiele zeigen auf, was bisher erreicht – das ist ein geringerer Wert als die Prognose der wurde. Im Rahmen der zu erwartenden Weiterentwick- OECD von 14 Prozent für Industrieländer.38 Zugleich lung von KI-Technologien und klaren ethischen und können durch erfolgreiche Digitalisierung zahlreiche rechtlichen Rahmenbedingungen für die Datenver- neue Arbeitsplätze entstehen. Auch in der Vergangen- wendung ist in den kommenden Jahren mit weiteren heit haben technologische Neuerungen Ressourcen Meilensteinen zu rechnen. freigesetzt, die damit verbundenen Innovationen letzt- endlich aber zu mehr Arbeitsplätzen geführt. Bessere medizinische Diagnostik und Therapie INT BEISPIEL: International zeigen sich vielverspre- Ziel muss es sein, die derzeitigen und künftigen chende Ansätze, wie das Zusammenspiel von KI und Beschäftigten in unserem Land zu befähigen, im menschlicher Expertise bessere Ergebnisse erzielt: Ein KI-Zeitalter in Teams von Menschen und Maschinen Team von Pathologen an der Harvard Medical School zu arbeiten und sich hieraus neue Karrierewege zu hat ein KI-basiertes Verfahren zur präziseren Identifi- erschließen. Aus- und Weiterbildung ist hierfür von zierung von Brustkrebszellen entwickelt. Als Ärzte und zentraler Bedeutung (siehe Zukunftsfeld Qualifikation Technik unabhängig voneinander arbeiteten, übertraf und Ausbildung). die diagnostische Treffsicherheit der Pathologen die der Maschinen mit 96 zu 92 Prozent. Das Team aus Ärzten plus Künstlicher Intelligenz identifizierte Brust- krebszellen jedoch mit einer Quote von 99,5 Prozent. Bei weltweit fast 1,7 Millionen neu diagnostizierten Fällen von Brustkrebs jährlich bedeutet dies, dass die Zahl der Frauen, die eine akkurate Diagnose erhalten, um circa 60.000 steigt.40 18
Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Berührungsängste mit KI in der Bevölkerung Inklusion und in den Unternehmen abbauen INT BEISPIEL: Zusammen mit der indischen National Vielen Menschen in unserem Land ist nicht bewusst, Association for the Blind hat Accenture Labs die dass sie heute bereits von KI profitieren, sei es durch DRISTHI-App für Menschen mit Sehstörungen ent Sprachsteuerung im Auto oder durch personalisierte wickelt. Sie nutzt Natural Language Processing, Produktempfehlungen beim Online-Shopping. Mythen Optical Character Recognition und andere KI-Tech entlarven und „mögliche Ängste durch Information in nologien, um eine Audio-Beschreibung der direkten Interesse verwandeln“ sind Ziele des Virtuellen Hauses Umgebung einer sehbehinderten Person zu erstellen. der Digitalisierung in Niederösterreich. Die interaktive Die Lösung lässt sich in intelligente Brillen integrieren Plattform wurde im Januar 2019 eröffnet und als und unterstützt so Sehbehinderte in ihrem Alltag.41 Begegnungsort für alle Bürger konzipiert, die sich für Digitalisierung interessieren. Unter anderem bietet die Umweltschutz und Energieeffizienz Plattform ein Vorschlagsystem zur Vernetzung heimi- INT BEISPIEL: Das kanadische Unternehmen EMAGIN scher Betriebe mit Forschungseinrichtungen, um die Clean Technologies Inc. nutzt KI, um die Wasser- und Digitalisierung der Unternehmen voranzutreiben.46 Abwasserwirtschaft von Stadtwerken zu verbessern. Die operative KI-Software analysiert und „lernt“ von Erfolgsfaktoren und gesellschaftliche Implika Daten, die Wasserversorger bereits über Sensoren tionen von Mensch-Maschine-Kollaboration in generieren. Hierdurch können Prognosen zum Wasser- der Arbeitswelt erforschen bedarf erstellt und die Stromeffizienz erhöht werden.42 Arbeiten in Zukunft Mensch und Maschine Hand in Hand, birgt dies nicht nur neue Wertschöpfungspoten- ziale, sondern auch mögliche Konflikte, Missverständ- HANDLUNGSBEDARF nisse und sogar Gefahren. Das Doktorandenkolleg „TrustRobots“ an der TU Wien beschäftigt sich trans- Ethische Leitlinien erarbeiten und disziplinär mit der Komplexität der Mensch-Roboter- kommunizieren Interaktion, der sicheren Nutzung und ethischen Sach- KI muss auf verantwortungsvolle Weise konzipiert, verhalten. Sowohl technische Grundlagenforschung entwickelt und eingesetzt werden. Durch ethische als auch die Auseinandersetzung mit anwendungs Rahmenbedingungen wird auf allen Ebenen Vertrauen bezogenen Fragestellungen sind geplant, um die in das System erzeugt – ein wesentlicher Bestandteil gesellschaftlichen Implikationen von augmentierten der „social licence to operate“. Sie stellen zugleich Teams zu verstehen.47 eine nachhaltige Nutzung der KI-Vorteile sicher. Auch die Unternehmen in Österreich erkennen die Relevanz des Themas und sehen ihre Verantwortung: 90 Prozent geben an, es sei wichtig oder sehr wichtig, dass Kunden und Mitarbeiter nachvollziehen können, anhand welcher Daten und Kriterien KI-gestützte Entscheidungen in ihrem Unternehmen getroffen werden.43 Wie ein innovationsfreundlicher, agiler Ansatz für die ethische Entwicklung von KI in Unternehmen aussehen kann, zeigt zum Beispiel das von Accenture entwickelte Framework namens Launchpad. Es hilft Unternehmen, die Risiken zu verstehen, die sich aus KI-Initiativen ergeben können. Zudem zeigt es Möglichkeiten auf, durch Governance, technische Lösungen und sons- tige Methoden diese Risiken zu mindern.44 Des Weite- ren hat Accenture ein „Fairness Tool“ entwickelt. Es untersucht sensible Daten – die beispielsweise Variab- len wie Ethnizität oder Geschlecht beinhalten – und identifiziert Diskriminierungen.45 19
ZUKUNFTSFELD QUALIFIKATION UND AUSBILDUNG WAS WOLLEN WIR ERREICHEN? Die Beschäftigten weltweit nehmen den Wandel bereits wahr: 67 Prozent erachten es als wichtig, Fähig- Die Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt grund- keiten zu entwickeln, um mittelfristig mit intelligenten legend verändern, doch ihre genauen Auswirkungen Maschinen zusammenarbeiten zu können. Doch bekla- können wir noch nicht abschätzen. Die Integration gen sie mangelnde Unterstützung durch Arbeitgeber. der KI in die Wertschöpfungsketten der verschiedenen So geben 49 Prozent an, dass im Arbeitsalltag zu wenig Wirtschaftszweige steht erst am Anfang. Klar ist, dass Zeit für Weiterbildungen und das Erlernen neuer sich durch den zunehmenden Einsatz von KI die Aufga- Fähigkeiten bleibt.50 Tatsächlich wollen weltweit ledig- ben und Tätigkeiten der Beschäftigten ändern werden. lich drei Prozent der Führungskräfte zeitnah signifikant mehr in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren.51 Manche Tätigkeiten und Aufgaben in einem Unterneh- men oder einer anderen Organisation können automa- Der gefühlte Handlungsdruck hält sich jedoch in tisiert und durch Maschinen ersetzt werden. Oftmals Grenzen: Die Wirtschaftslage ist derzeit gut. Oftmals kann KI den Menschen bei der Bewältigung seiner setzen Unternehmen das Thema Künstliche Intelligenz Arbeit unterstützen, so zum Beispiel bei der Entschei- erst jetzt auf ihre Agenda. Das könnte sich rächen, dungsfindung. Diese sich ausweitende Schnittstelle denn an der Schnittstelle Mensch-Maschine müssen Mensch-Maschine stellt sowohl die Menschen als auch dringend neue Kompetenzen herangebildet werden. Maschinen vor Herausforderungen – und ist der ent- Das heißt aber nicht, dass jeder von uns zum Data scheidende Faktor, um die Chancen von KI tatsächlich Scientist werden muss. Auch in Bezug auf die aktuelle zum Wohle der Menschen zu nutzen. und künftige Studenten-Generationen müssen wir uns wenig Sorgen machen. Bei ihnen sind Digitalisierungs- Wie ein Bericht des World Economic Forums aufzeigt, berufe ohnehin „in“. Schwieriger kann es für jene wird die Arbeitswelt durch die vierte industrielle Revo- Arbeitnehmer werden, die noch zwanzig oder dreißig lution oft höhere Qualifikationen und insbesondere Jahre vor sich haben. Ihnen droht das Schicksal einer spezielle Kompetenzen an der Schnittstelle Mensch- nicht mitgenommenen „Lost Generation“. Maschine erfordern.48 Es besteht somit die Gefahr, dass es auf dem Arbeitsmarkt zu einer Polarisierung Von Führungskräften ist oft dieser Satz zu hören: „Ich kommt, indem mittlere Qualifikationen erodieren. Mit finde nicht die Leute, die ich brauche“. Die logische einem erhöhten Qualifikationsniveau über alle Quali Konsequenz daraus: eigene Aus- und Weiterbildung. fikationen hinweg kann diesem Szenario entgegen Noch immer denken wir dabei aber zu sehr in Rollen. gesteuert werden.49 Mitarbeiter sind entweder Controller, Ingenieure, Marketing-Spezialisten – nie aber alles zusammen. ABBILDUNG 5: ACCENTURE ETHNOGRAPHISCHE STUDIE, 2017 Die Evolution der Arbeit und die Augmentierung der Arbeiter Ein Fernfahrer steuert das Fahrzeug auf der Straße Der Fahrer wird zum „Systemmanager in der Kabine“ und und ist für Geschwindigkeit, Bremsen und Lenken leistet technische Arbeiten auf hohem Niveau, wie z.B. die verantwortlich. Überwachung von Diagnosesystemen und die Optimierung von Routineaufgaben, während das automatisierte Fahrzeug Bremsen und Geschwindigkeit steuert. Ein Software-Entwickler verbringt jede Woche Maschinelle Intelligenz identifiziert neue Spam-Keywords Zeit damit, neue Spam-Flags zu identifizieren und aktualisiert Erkennungsregeln, wodurch der Mitarbeiter und manuell Regeln für die Spam-Erkennung zu für die Entwicklung neuer Software befreit wird. schreiben. Ein Luft- und Raumfahrtingenieur entwirft eine neue Generatives Design imitiert den evolutionären Ansatz der Flugzeugkomponente und führt manuelle Berech- Natur, um Millionen von möglichen Designs vorzuschlagen, nungen durch, um widerstandsfähige und gleichzeitig und prüft auf Widerstandsfähigkeit und Leichtigkeit der leichte Konstruktionen zu erstellen. Komponenten. 20
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