OASEN IN DER STADT - 2 Euro - Arge für Obdachlose

Die Seite wird erstellt Kevin Mertens
 
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Arge für Obdachlose                                   Stra enzeitung von Randgruppen und sozial Benachteiligten

JUNI 2021 ı 1 Euro bleibt den VerkäuferInnen ı Achten Sie auf den Verkaufsausweis                           2 Euro

                                                                       OASEN IN DER STADT
IMPRESSUM                    LESERBRIEFE UND REAKTIONEN

Die Straßenzeitung Kupfermuckn ist ein Angebot zur
Selbsthilfe für Wohnungslose und für Menschen an oder
                                                         Collage aus
unter der Armutsgrenze. Unsere Zeitung versteht sich     Kupfermuckn-Bildern
als Sprachrohr für Randgruppen und deren Anliegen.
Der Zeitungsverkauf und das Schreiben bringen neben      Hallo liebes Kupfermuckn-Team!
dem Zuverdienst das Gefühl, gemeinsam etwas ge-
schaffen zu haben. Von Wohnungslosigkeit Betroffene
                                                         Mein Name ist Mary Mayrhofer,
bilden mit Mitarbeitern des Vereins »Arge für Obdach-    ich bin 18 Jahre alt und bin Schü-
lose« in partnerschaftlichem Verhältnis die Redaktion.   lerin an der HBLA für künstleri-
                                                         sche Gestaltung in Linz. Ich
Redaktion
Straßenzeitung Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020        kaufe fast jeden Monat ein Exem-
Linz, Tel. 0732/770805-13, kupfermuckn@arge-ob-          plar der Kupfermuckn-Zeitung,
dachlose.at, www.kupfermuckn.at                          wann und wo und wie ich auch
Projektleitung, Koordination, Layout, Fotos:             immer dazu komme und lese ge-
Heinz Zauner (hz), Chefredakteur                         spannt durch all die vielseitigen
Daniela Warger (dw), Leitung Redaktion                   Geschichten, Artikel und Be-
Daniel Egger (de), Redaktion
Katharina Krizsanits (kk), Vertrieb, Layout              richte. Vieles davon bleibt mir
Walter Hartl (wh), Technik                               lange im Gedächtnis und lässt
                                                         mich nachdenken. Das Interview
Redakteure: Anna Maria, August, Christine, Claudia,
Helmut, Heinz, Hermann, Johannes, Leo, Manfred F.,       mit dem Papst aus der Dezember-
Manfred R., Manfred S., Sonja, Ursula, Walter;           ausgabe von 2015 zum Beispiel.
                                                         Ich hätte nie gedacht, dass das ein
Titelfoto (hz): Manfred S. im Schillerpark
Auflage: 27.000 Exemplare                                Mensch ist, der Mark Twain liest
                                                         und Fußball spielt. Andererseits
Bankverbindung und Spendenkonto                          gibt es auch so Einiges, was mich
Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz
IBAN: AT461860000010635860, BIC: VKBLAT2L                zum Schmunzeln bringt (»...habe
                                                         meinen Lehrer in den Kasten ge-
Ausgabe in Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck             sperrt, um statt nachzusitzen,
Menschen, die in Armut leben und ihren Lebensmittel-
punkt in Oberösterreich haben, können sich Montag bis    schwimmen zu gehen...«). Be-
Freitag zwischen 8 und 12 Uhr bei den Ausgabestellen     sonders wunderbar finde ich auch
melden und erhalten einen Verkäuferausweis. 50 Pro-      die Bilder, die ihr immer für eure Zeitung         chen. Neulich habe ich eine Collage gemacht,
zent des Verkaufspreises verbleiben den Verkäufern.
                                                         verwendet. Ich mache sehr gern Collagen aus        die nur aus Bildern, Fotos und Artikeln eurer
Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel.,   Papier. Dabei arbeite ich viel mit Bildern, Zei-   Zeitung besteht und wollte damit meinen
0732/770805-19                                           tungen, Magazinen, Postkarten, Fotos, Zeich-       Missmut gegenüber der schwierigen Gesamt-
Soziales Wohnservice Wels, E 37, Salzburgerstraße 46,
4600 Wels, Tel. 07242/290663                             nungen, Briefmarken und lasse aus Teilen da-       situation ausdrücken. Ich möchte das gerne
Verein Wohnen Steyr, B 29, Hessenplatz 3, 4400 Steyr,    von völlig neue Bilder entstehen. Für mich ist     mit euch teilen, zum einen, weil ich hoffe,
Tel. 07252/50 211                                        das Arbeiten an solchen Werken wie ein             dass es euch eine Freude macht, und zum an-
Verein Wohnungslosenhilfe Mosaik, Gmundner Straße
102, 4840 Vöcklabruck, Tel. 07672/75145
                                                         Puzzle, bei dem man sich die Teile selbst aus-     deren, weil es eines meiner absoluten Lieb-
                                                         suchen kann. Nach dem Lesen kommt die              lingsbilder geworden ist. Danke vielmals für
Medieninhaber und Herausgeber                            Kupfermuckn bei mir also nie in den Müll –         die beste Straßenzeitung überhaupt! Alles
Vorstand des Vereines »Arge für Obdachlose«, Vorsit-
zende Mag.a Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11,
                                                         ich hebe alle Exemplare auf und blättere oft       Liebe euch und euren Schreiberlingen, Mary
4020 Linz, www.arge-obdachlose.at                        wieder durch, um daraus etwas Neues zu ma-         Mayrhofer

                          International
                          Die Kupfermuckn ist Mitglied
                          beim »International Network
                          of Street Papers« INSP
                                                         Achten Sie bitte auf den Verkaufsausweis
                          www.street-papers.com
                                                                                                                    Liebe Leserinnen und Leser!

                                                                                                                    Bitte kaufen Sie die Kupfermuckn
         ClimatePartner.com/53401-2105-1005
                                                                                                                    ausschließlich bei Verkäuferinnen
                                                                                                                    und Verkäufern mit sichtbar getrage-
                                                                                                                    nem und aktuellem Ausweis. Nur so
                                                                                                                    können Sie sicher sein, dass auch
                                                                                                                    wirklich die Hälfte des Ertrages der
                                                                                                                    Zielgruppe zu Gute kommt: Woh-
                                                                                                                    nungslosen und Menschen, die in Ar-
                                                                                                                    mut leben und ihren Lebensmittel-
                                                                                                                    punkt in Ober­österreich haben.

2                        06/2021
Als Schwarzfahren noch notwendig war
Erinnerungen an die mühsamen Zeiten vor dem Aktivpass

Als ich obdachlos war,                           immer leisten. Und da ich kein regelmäßiges        kehrsmitteln herumfahren. Diese Gedanken
                                                 Einkommen habe, ist mir die Monats-Karte           kommen gerade an Sonntagen in mir hoch, wo
war ich Schwarzfahrerin                          viel zu teuer. So fahre ich halt schwarz, in der   zumindest im Sommer nur die Wärmestube
                                                 Hoffnung, dass ich nicht erwischt werde. Das       offen hat und ich nirgends hineingehen kann.
Rückblick: Wieder einmal sitze ich in der        Gefühl dabei ist aber nicht gerade berau-          Heute ist wieder so ein Tag. Endlich öffnet die
Straßenbahn und fahre eine Runde nach der        schend. »Was mache ich, wenn die Kontrol-          Wärmestube ihre Pforten. Wieder fahre ich
anderen, von der Uni in Urfahr bis zur Solar-    leure mich irgendwann rausschmeißen«, frage        dahin, ohne Fahrkarte. Wieder einmal habe
City. Ich bin seit einiger Zeit obdachlos. Ich   ich mich immer. Wie peinlich wäre das vor          ich Glück. Ich werde nicht erwischt. Bezahlen
habe zwar kein Geld, jedoch unendlich viel       den anderen Fahrgästen. An solchen Tagen           könnte ich die Strafen nicht. Dann müsste ich
Zeit. Die letzten Sonntage besaß ich immer       wünsche ich mir eine Wohnung oder zumin-           das für ein paar Tage absitzen. Was ja auch
eine Tages-Karte. Dieses Mal jedoch nicht.       dest ein Zimmer zu haben. Dann müsste ich          nicht schlimm wäre, denn so hätte ich für ei-
Denn, eine solche kann und will ich mir nicht    nicht stundenlang mit den öffentlichen Ver-        nige Stunden ein Dach über dem Kopf. Ob-
                                                                                                                        06/2021                  3
ren wollte. Oft schaute der Kontrolleur nicht
                                                                                                            genau. Ich stellte mich blöd und sagte: »Es tut
                                                                                                            mir leid, ich war so in Eile!« Aber dieses Mal
                                                                                                            wollte die Kontrolleurin mir eine Strafe in
                                                                                                            Höhe von 60 Euro geben. Ich musste warten,
                                                                                                            weil er seinen Kollegen rief und noch andere
                                                                                                            Fahrgäste zu kontrollieren hatte. Zufällig ging
                                                                                                            die Straßenbahntüre auf und ich stieg schnell
                                                                                                            aus und lief davon. Er lief mir nicht nach, ich
                                                                                                            hatte Glück. Ein Freund von mir war lange
                                                                                                            ohne Arbeit. Er probierte auch, mit der U-
                                                                                                            Bahn »schwarz« zu fahren, aber er fuhr lange
                                                                                                            Strecken und irgendwann wurde er von einer
                                                                                                            Kontrolleurin nach seinem Fahrschein ge-
                                                                                                            fragt, den er nicht vorweisen konnte. Er
                                                                                                            wurde zu 60 Euro Strafe verdonnert. Mein
                                                                                                            Freund war nicht zur Vernunft zu bringen und
                                                                                                            fuhr über Jahre hinweg mit den Öffis für über
                                                                                                            1.500 Euro »schwarz«. Zehn Mal wurde er
                                                                                                            erwischt. Inkasso Haydn in Linz schickte ihm
                                                                                                            eine Rechnung. Die hohe Strafe musste er mit
                                                                                                            Mahnspesen zu monatlichen Raten von 50
                                                                                                            Euro begleichen. Schwarzfahren zahlt sich
                                                                                                            nicht aus. Mit dieser hohen Strafe kann man
                                                                                                            sich ein gebrauchtes Auto kaufen. Monika

                                                                                                            Ich bin schon seit jeher ein
                                                                                                            bewusster Schwarzfahrer
                     Andreas saß schon viele Male aufgrund Schwarzfahrens im Häfn. Foto: dw
                                                                                                            Unzählige Male wurde ich wegen Schwarz-
                                                                                                            fahrens angezeigt. Noch heute zahle ich diese
                                                                                                            Strafen in unregelmäßigen Abständen zurück.
wohl dies natürlich auch keine optimale Lö-               dem mit einem Wochenendticket mitfahren           Was Schwarzfahren betrifft, habe ich alles
sung ist. So habe ich damals meine Tage ver-              dürfte, weil es für fünf Personen galt. Die       schon erlebt. Wegrennen, sobald die Kontrol-
bracht. Heute lebe ich wieder eigenständig in             meisten Fahrgäste fuhren alleine, und ich fand    leure vor mir standen, war meine Taktik. Drei,
einer Wohnung und fahre nicht mehr schwarz.               immer einen netten Herrn oder eine Dame, die      vier Mal war ein sportlicherer Kontrolleur
Seit langer Zeit gibt es ja auch den leistbaren           mich kostenlos mitfahren ließen und mir au-       schneller als ich. Mit der Zeit kannte ich jeden
Aktivpass. Damit kann man sich sehr viel                  ßerdem oft ihre Wochenendfahrkarte als Ge-        einzelnen, sie kannten mich. Auch wenn sie in
Geld und Ärger sparen. (Autorin der Redak-                schenk am Zielbahnhof gaben. Ich fuhr also        Gruppen unterwegs waren und neue dabei wa-
tion bekannt)                                             nicht »schwarz« mit der Deutschen Bahn. Ei-       ren. Damals waren die Strafen noch nicht so
                                                          nen Fahrgast um eine Mitfahrgelegenheit zu        saftig wie heute. Mittlerweile kostet Schwarz-
                                                          fragen, hat mir noch niemand verboten. Im         fahren 80 Euro. Wenn man bestraft wird und
Dieses Mal bekam ich eine                                 Sommer 2019 wurde das leider eingestellt.         nicht gleich bezahlt, läuft das Prozedere wie
Strafe von 60 Euro                                        Als ich arbeitslos war, fuhr ich öfters ohne      folgt ab: Sie nehmen die Daten auf, dann be-
                                                          Fahrschein mit dem Zug. Ich sperrte mich in       kommt man Post. Nach der dritten Mahnung
Nach dem Mauerfall 1989, nach 28 Jahren                   der Toilette ein und fuhr bis Wien »schwarz«.     geht es zum Gericht. Das Gericht fordert die
DDR, war ich auf Urlaub in Berlin. Ich fuhr               Das ging so lange gut, bis jemand auf's Klo       Strafe über die Polizei ein. Dann heißt es end-
mit der U-Bahn. An jenem Tag hatte ich ver-               musste. Dann machte ich die Tür von der Toi-      gültig: zahlen oder die Strafe absitzen. Früher
gessen, eine Fahrkarte zu lösen und kam in                lette auf und ging in ein Zugsabteil. Dort war-   landete das noch beim Inkasso-Büro. Da
eine Fahrkartenkontrolle. Der Kontrolleur                 tete ich ein paar Minuten und suchte wieder       wuchs der Betrag von Mahnung zu Mahnung
packte mich und riss meinen Arm nach hinten,              eine freie Toilette. Der Schaffner ging zwar an   ordentlich an. Bis zu 750 Euro forderten sie
weil ich keinen Ausweis bei mir hatte. Schließ-           mir vorbei, aber er kontrollierte mich nicht.     ein. Bei mir erschien eines Tages der Gerichts-
lich ließ er von mir ab und gab mir einen Ein-            Hingegen in Wien mit der Straßenbahn oder         vollzieher. Mit ihm vereinbarte ich eine Ra-
zahlungsbeleg. Die Polizei wurde gerufen und              U-Bahn »schwarz« zu fahren, ist schon             tenzahlung. Seither stottere ich die Strafen ab.
überprüfte meinen Namen und Adresse auf                   schwieriger. Ich fuhr immer nur ein, zwei Sta-    Sitzen ist mir bisher erspart geblieben. Heute
der Polizeistation. Am darauffolgenden Tag                tionen und schaute genau, ob ein Kontrolleur      gibt es den Aktivpass. Aufgrund meiner Such-
bezahlte ich die Strafe beim Verkehrsbüro der             kam. So fuhr ich durch Wien. Einmal er-           terkrankung bin ich aber nicht immer bei kla-
Berliner Linien. Das schöne Wochenendticket               wischte mich ein Kontrolleur in der Nähe vom      rem Verstand. So vergesse ich es durchaus,
war 1995 eines der ersten pauschalen Nahver-              Westbahnhof in der Straßenbahn. Ich hatte nur     den Aktivpass zu verlängern. Wobei ich auch
kehrsangebote der Deutschen Bahn. Am                      einen Fahrschein, der auf der Rückseite ent-      oft absichtlich schwarz fahre, da derzeit coro-
Bahnhof im Zug fragte ich, ob ich bei jeman-              wertet war, weil ich damit mehrere Tage fah-      nabedingt selten kontrolliert wird. Eine oder
4                 06/2021
zwei Strafen sind günstiger als eine Jahres-       Aufgrund der Heldentat                            Personalausweis hatte ich bei mir. Nur eine
karte. So bin ich derzeit überzeugter Schwarz-                                                       E-Card. »Die zeige ich aber auch nicht her«,
fahrer. Autor der Redaktion bekannt
                                                   wurde ich eingesperrt                             dachte ich mir. Der Mann in Uniform wollte
                                                                                                     wissen, wie ich heiße. Ich nannte ihm einen
                                                   Als ich noch auf der Straße lebte, fuhr ich oft   falschen Namen. Kaum erreichten wir die
So wurden Strafen ausgestellt,                     schwarz. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich     Haltestelle »Goethekreuzung«, hieß es: »Aus-
die ich absaß                                      erwischt wurde. Bestimmt einige hundert           steigen!« Kaum standen wir draußen, wurde
                                                   Male. Das machte mir aber nichts aus, da ich      die Polizei verständigt. Als die Beamten ein-
Als ich noch in der Notschlafstelle lebte, fuhr    mir ohnehin nie eine Fahrkarte kaufte. Damals     trafen, fragten sie mich auch nach den Aus-
ich öfters schwarz. Ich besaß zwar einen Ak-       hatte ich ein geringes Einkommen von 600          weis. »Ich habe leider keinen«, antwortete ich.
tivpass, doch selten hatte ich einen gültigen      Euro. Dieses gab ich lieber für den Kauf von      Auch sie fragten nach meinem Namen. Nun,
Fahrschein. Mit den zehn Euro, die ich pro         Alkohol und Zigaretten aus. Ich hatte ja sonst    da ich schon bei den Kontrolleuren einen fal-
Tag bekam, machte ich als Raucher, der auch        keine Freude. Es war für mich wichtiger, als      schen Namen angegeben hatte, gab ich ihn
Durst hatte, keine weiten Sprünge. Und             eine Aktivpasskarte um zehn Euro zu kaufen.       auch bei der Polizei an. Da es Winter war,
schließlich hatte ich auch Hunger. Wobei das       Immer wieder wurde ich dafür im Polizeian-        hatte ich unter einer dickeren Jacke eine dün-
eigentlich nicht das große Problem war, da         haltezentrum in Linz aufgrund meiner »Hel-        nere an, in welcher auch meine Geldbörse
man in Linzer Einrichtungen reichlich Essen,       dentat« eingesperrt, aber das war mir mehr        eingesteckt war. In der äußeren Jackentasche
um nur wenige Cent oder gratis bekam. Als          recht als schlecht. Ich hatte ein Bett, bekam     hatte ich eine Klopapierrolle eingesteckt, da
                                                                                                     ich Schnupfen hatte. Der eine Beamte fragte
                                                                                                     über Funk meine Daten ab. Der andere meinte,
»Unzählige Male wurde ich wegen Schwarzfahrens angezeigt.                                            in der Brusttasche sei meine Geldbörse. Doch
Noch heute zahle ich die Strafen in unregelmäßigen Abständen                                         ich sagte: »Nein, das ist nur Klopapier«, und
zurück. Auch Ersatzfreiheitsstrafen musste ich absitzen.«                                            zeigte es ihm. Währenddessen erfuhr der an-
                                                                                                     dere Beamte, dass es den Namen nicht gibt.
                                                                                                     »Ich komme aus Vorderstoder«, erklärte ich
                                                                                                     ihnen. Die Polizisten meinten dann zu mir,
Obdachloser war es trotzdem hart. Da hatte         drei Mal am Tag etwas zu essen und Medika-        wenn ich die Strafe nicht einzahle, würden
ich oft keinen Cent dabei. Einen Aktivpass         mente, wenn ich welche brauchte. Diesen Lu-       sich mich suchen und zogen ab. Es passierte
gab es auch nicht ohne Meldeadresse. Das Ti-       xus hatte ich in Freiheit die meiste Zeit gar     nichts. Ich bin noch öfters erwischt worden,
cket konnte ich mir nur leisten, wenn ich im       nicht. Nach der Entlassung ging dann alles        aber einen falschen Namen gab ich nicht mehr
Trödlerladen arbeitete. Meistens ging ich zu       wieder von Neuem los: Saufen, rauchen und         an. Einige Male saß ich sogar eine Ersatzfrei-
Fuß. Aus Bequemlichkeit fuhr ich auch mit          kein Geld für ein Ticket. Also hieß es bald       heitsstrafe ab, da ich nicht zahlen konnte. Seit
der BIM, in der Hoffnung, nicht kontrolliert       wieder: »Ab in den Knast!« Seit ich wieder in     ich den Aktivpass habe, brauche ich nicht
zu werden. Da wurde ich dann oft erwischt.         einer Wohnung lebe, ist endlich Schluss mit       mehr schwarz zu fahren. Manfred S.
Das war unangenehm da meist auch die Poli-         dem Scheiß. Seit 2019 bin ich auf der Polizei
zei verständigt wurde. So wurden Strafen aus-      schuldenfrei, Schwarzfahren kommt nicht
gestellt, die ich nicht begleichen konnte. Und     mehr in Frage. Leo
                                                                                                     Viele Male hatte ich Pech. Und so
dann stapelten sich die Anzeigen. Ich wurde                                                          musste ich die Strafe absitzen
von der Polizei aufgegriffen und in die Nietz-
schestraße verfrachtet, wo man die Geldstrafe
                                                   Einige Male saß ich                               Für einen Obdachlosen, der sich ohne finanzi-
absaß, meist ein knappes Monat. Seit ich wie-      sogar die Strafe ab                               elle staatliche Unterstützung seit vielen Jahren
der einen festen Wohnsitz habe, fahre ich nicht                                                      durch den Alltag kämpft, ist oftmals sogar ein
mehr schwarz, was mir Ärger und Haftstrafen        Als ich das erste Mal beim Schwarzfahren er-      Aktivpass noch viel zu teuer. Jedenfalls kann
erspart. Es ist ja doch eine verlorene Zeit, die   wischt wurde, war ich obdachlos. Da ich das       ich mir diesen nich leisten, da ich jeden Cent
man da in der Zelle abhockt, überhaupt bei         wenige Geld anderswertig investierte, besaß       umdrehen muss, bevor ich ihn ausgebe. Meis-
herrlichem Wetter im Sommer. Manfred R.            ich keinen Fahrschein. Nicht einmal einen         tens marschiere ich ohnehin zu Fuß zu mei-

                                                                                                                          06/2021                  5
nem Schlafplatz im Freien, der außerhalb der      Leute gibt, die in einer ähnlichen Situation      Strafen und musste auch Ersatzfreiheitsstrafen
Stadt liegt. Es gibt jedoch Tage, an denen ich    sind wie ich, würde ich mir für die Zukunft für   absitzen. Vor fünf Jahren bekam ich dann von
körperlich nicht so fit bin. Dann bin ich froh,   mich und Meinesgleichen Folgendes wün-            der Linz AG das Angebot, meine Schulden in
wenn ich in ein öffentliches Verkehrsmittel       schen: Kostenlose Fahrten für Obdach- und         Höhe von über 2.500 Euro durch die Bezah-
steigen kann. Ich bin leider auf das Linzer       Wohnungslose! Da würde sich der Staat eini-       lung von nur 800 Euro zu tilgen. Das nahm ich
Stadtzentrum angewiesen, denn nur dort kann       ges ersparen. Denn, eine Nacht im Häfn und        dankend an. Heutzutage fahre ich mit dem
ich täglich die Kupfermuckn-Zeitung an den        der ganze Personaleinsatz kosten in Summe         Aktivpass um nur 14 Euro im Monat. Das
Mann bringen. Das ist notwendig, da ich jeden     mehr als Freifahrtscheine für uns. Eine Nacht     kann ich mir immer leisten. Gandhi
Tag aufs Neue schauen muss, wie ich über die      im Häfn kostet ungefähr hunder Euro. Ich bin
Runden kommen kann. Schnorren liegt mir           auch schon zwei Wochen lang aufgrund des
nicht. Außer dem Of(f)'nstüberl, wo ich täg-      Schwarzfahrens gesessen. Andreas
                                                                                                    Ich vergaß, die Monatskarte
lich frühstücke, mich wasche und rasiere,                                                           zu stempeln
meide ist jegliche Sozialeinrichtung. Es gibt
nun Tage, da geht es mir in der Früh ziemlich
                                                  Ich war einfach zu faul,                          Früher war ich einmal stolzer Besitzer eines
schlecht. Aus unterschiedlichen Gründen.          um zu Fuß zu gehen                                BMW. Durch sein Alter wurde die Karre dann
Und da schaffe ich es dann nicht, die vielen                                                        aber reparaturanfällig, sodass ich den Wagen
Kilometer zu Fuß zu gehen. In meiner Not          Meine erste Schwarzfahrt war von Stuttgart        irgendwann schweren Herzens verkaufen
steige ich dann in ein öffentliches Verkehrs-     nach München, weil ich umsteigen musste           musste. Ich ließ mir einen Aktivpass ausstel-
mittel ein. Oftmals hatte ich bei solchen Fahr-   und im Eifer des Gefechts meine Geldbörse         len, da mein Einkommen am Rande des Exis-
ten viel Glück. Niemand kam, um nach einem        samt Zugticket im Abteil liegen gelassen habe.    tenzminimums war. So kaufte ich mir zum
gültigen Ticket zu fragen. Viele Male jedoch      So musste ich schwarz bis nach München fah-       ersten Mal in meinem Leben eine Monats-
hatte ich Pech. Ich bin keiner, der davonrennt,   ren, wo ich Bekannte hatte, die mir aus der       karte, trug die Nummer ein, vergaß aber diese
wenn die Kontrolleure auf einen zusteuern.        Patsche halfen. Zum Glück wurde ich nicht         abzustempeln. Der Teufel schläft nicht. Zu
Trotzdem versuchte ich es auch mit Ausreden,      erwischt. Ein anderes Mal bin ich von Düssel-     meinem Unglück wurde ich ausgerechnet an
die ich mir im Vorfeld schon gut einstudiert      dorf nach Linz schwarz gefahren. Dabei habe       diesem Tag kontrolliert. »Scheiße«, dachte ich
habe, wie etwa: »Ui, heute habe ich leider die    ich vom Schaffner einen Erlagschein bekom-        mir. Ich erklärte der Kontrolleurin mit hoch­
falsche Jacke angezogen, das Ticket ist im        men, weil ich ihm gebeichtet habe, dass ich       rotem Gesicht, was los war. Sie war unbeein-
Anorak von gestern.« Je nach Kontrolleur          kein Geld bei mir hätte. Den Erlagschein habe     druckt von meinen Entschuldigungen und
funktionierte dieser Trick. Doch oftmals          ich aber nie einbezahlt. Als ich vor fast 40      schrieb meine Daten auf. Danach drückte sie
musste ich die Konsequenzen für meine Taten       Jahren von Innsbruck nach Linz fuhr, stellte      mir den Zahlschein in die Hand und stürtzte
selbst tragen: So saß ich unzählige Male Ver-     ich mich jedes Mal, wenn der Schaffner kam,       sich wieder ehrgeizig in ihre Arbeit. Wider-
waltungsstrafen einfach ab. Viele Leute wür-      schlafend. Unglaublicherweise hat das funkti-     willig steckte ich diesen ein. Zwei Tage später
den nun meinen, dass es im Winter für einen       oniert. In Linz bin ich dann hängen geblieben.    wollte ich dann die Rechnung sofort beglei-
Obdachlosen ein Segen sei, wenn er in einer       Auch dort bin ich schon oft schwarz gefahren.     chen. Ich wurde gefragt, warum ich nicht ge-
Zelle übernachten könne. Bei mir ist das nicht    Meistens wurde ich zwischen der Station           stempelt habe. Nach meinen Erklärungen ver-
der Fall. Ich bin noch nie gerne ins Häfn ge-     Volksgarten und dem Bahnhof erwischt. In          ließ die Dame kurz das Büro. Als sie zurück
gangen. Seit jeher bin ein freiheitsliebender     früheren Zeiten, als ich noch Alkohol trank,      kam, sagte sie, die Angelegenheit sei erledigt,
Mensch. So lehne ich auch jede Unterstützung      war ich oft zu faul, den Weg in betrunkenem       nahm meinen Zahlschein, zerriss ihn vor mei-
wie etwa Notschlafstellen ab. Ich bin und         Zustand zu Fuß zurück zu legen. Unzählige         nem Augen und wünschte mir einen schönen
bleibe ein Einzelkämpfer. Da es mehrere           Male wurde ich erwischt, bekam eine Menge         Tag. Walter

                                                  Aktivpass – Aushängeschild sozialer Leistungen
                                                  Der Aktivpass gilt als Aushängeschild sozi-           inz Linien: Monatskarte zum Preis von nur
                                                                                                       L
                                                  aler Leistungen der Stadt Linz.                      14 Euro.
                                                                                                       Linz Service: Eintritt in Bäder, Museen,
                                                  Wer hat Anspruch?                                     Galerien, Theater und viele andere städti-
                                                                                                        sche Einrichtungen frei oder ermäßigt.
                                                  Anspruch darauf haben alle Linzerinnen und         Veranstaltungen von LIVA, Musikschule der
                                                  Linzer, die ihr 18. Lebensjahr vollendet und        Stadt Linz, Posthof, OK im oö. Kulturquar-
                                                  ein monatliches Netto-Einkommen bis zu              tier, Landestheater, Ars Electronica Center,
                                                  1.294 Euro haben. Zusätzlich anspruchsbe-           Lentos, Nordico Stadtmuseum, Landesgale-
                                                  rechtig sind Jugendliche unter 18 Jahren, die       rie Linz, Schlossmuseum Linz, Tabakfabrik
                                                  keinen Anspruch auf Ermäßigung haben                  Handy- und Internetvergünstigungen bei
                                                                                                        
                                                                                                        Magenta und Liwest Shops
                                                  Ermäßigungen und Leistungen                           Botanischer Garten
                                                                                                      Volkshochschule, Stadtbibiliotheken
                                                  Mit dem Pass sind unter anderem folgende          Nähere Infos: 0732/70 70–0, info@mag.linz.at
                                                  Ermäßigungen verbunden:                           Foto: hz
Migration ist kein Verbrechen!
Rede des Schriftstellers Kurt Palm beim Solidaritätscamp für Moria am Linzer Martin-Luther-Platz

Im Sommer 1946 hielten sich alleine in            verletzen sich selbst oder bringen sich aus
Oberösterreich 153.000 Flüchtlinge auf.           Verzweiflung um. Auf die dramatische Situa-
Die meisten von ihnen waren staatenlos,           tion der Flüchtlinge auf den griechischen In-
besitzlos, arbeitslos und weitgehend recht-       seln angesprochen, meinte Innenminister Ne-
los. Und auch, wenn sie nicht besonders           hammer, dass auch ihn als Familienvater die
freundlich aufgenommen wurden, hat man            Bilder erschüttern und aufwühlen würden.
ihnen immerhin die Möglichkeit gegeben,           Nach dem Brand in Moria habe Österreich
für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen. Ob-        Griechenland allerdings besonders schnell mit
wohl in Österreich damals Hunger und Ar-          Sachleistungen unter die Arme gegriffen. Al-
mut herrschten, wurden im Gegensatz zum           les andere, so Nehammer, wären »falsche Sig-
Jahr 2021 keine Flüchtlingsfamilien von           nale«. Weiters warnte er vor einer »Destabili-
der Polizei in Nacht- und Nebelaktionen           sierung« und einem »Moria-Effekt«, sollte
aus ihren Betten geholt und abgeschoben.          man Menschen aus den Lagern in Österreich
Heute liegt Österreich beim materiellen           aufnehmen. Kein Wunder also, dass die Mehr-
Wohlstand in der EU auf dem dritten Platz,        heit in unserem Land die restriktive Flücht-
trotzdem weigert sich die türkis-grüne Re-        lingspolitik der Regierung unterstützt. Was
gierung seit Monaten Flüchtlinge aus den          die vom Innenminister erwähnten »Sachleis-        nicht mehr Herr werden. Wir müssen die De-
Elendslagern in Griechenland, Bosnien             tungen« betrifft, so wissen wir, dass diese auf   batte de-emotionalisieren, wir müssen sie rati-
oder Spanien aufzunehmen.                         Lesbos nie angekommen sind. Kara Tepe ist         onalisieren.« Aber die Menschen aus Afrika,
                                                                                                    Syrien, Afghanistan oder dem Irak flüchten
Jeder kennt die Horrormeldungen, die uns täg-     »Kara Tepe ist nach wie vor ein                   nicht, weil sie gerne reisen, sondern weil sie
lich aus Kara Tepe auf Lesbos, aus Lipa in                                                          das Leiden, weil sie der Krieg, weil sie der
Bihac oder aus den Lagern auf den Kanari-
                                                  provisoriches Zeltlager, in dem                   Hunger aus ihrer Heimat vertrieben hat. In-
schen Inseln erreichen. Und wir kennen auch       für 8.200 Menschen 1.000                          nenminister Nehammer behauptete, dass Ös-
die Bilder von den leck geschlagenen              Sommerzelte zur Verfügung                         terreich im vergangenen Jahr 5.000 unbeglei-
Schlauchbooten im Mittelmeer und den er-                                                            tete Flüchtlinge aufgenommen hätte, obwohl
trunkenen Frauen, Männern und Kindern, die        stehen.«                                          es Wirklichkeit nur 190 waren. Gleichzeitig
auf der Flucht vor Armut, Hunger und Krieg                                                          wurden 67 Minderjährige mit familiärer Be-
und in der Hoffnung auf ein besseres Leben                                                          gleitung abgeschoben, wobei Nehammer be-
einen qualvollen Tod erlitten haben. Als 2016     nach wie vor ein provisorisches Zeltlager, in     tonte, dass die Beamten in solchen Fällen be-
Bilder von im Mittelmeer ertrunkenen Flücht-      dem für etwa 8.200 Menschen 1.000 Sommer-         sonders sensibel vorgehen würden. Wenn
lingskindern um die Welt gingen, kommen-          zelte zur Verfügung stehen und in dem 1.200       Bundespräsident Alexander van der Bellen im
tierte das der damalige Außenminister Sebas-      unbegleitete Minderjährige in fünf Großzelten     Zusammenhang mit dem Ibiza-Skandal ge-
tian Kurz mit den Worten: »Es wird nicht ohne     untergebracht sind. Von den fünf Großzelten       meint hat: »Wir sind nicht so«, dann muss ich
hässliche Bilder gehen«. Im Klartext heißt das    sind nur zwei mit Stockbetten ausgestattet, in    ihm im Kontext der Flüchtlingspolitik der ös-
nichts anderes, als dass der Tod von Flüchtlin-   den anderen liegen die Kinder auf dem Boden.      terreichischen Regierung antworten: Das
gen im Mittelmeer, an den EU-Außengrenzen         Es gibt zu wenig Toiletten, zu wenig Duschen,     stimmt, wir sind noch viel schlimmer. Und
oder in den zahllosen Lagern ganz bewusst in      es mangelt an passender Kleidung und pro          was ist mit den Grünen? Vizekanzler Kogler
Kauf genommen wird. Adonis Georgiadis, der        Tag wird nur eine kleine Mahlzeit ausgegeben      hat vor einigen Monaten angekündigt, dass
Vizeparteichef der konservativen griechischen     und die ist kalt.                                 die Grünen alles tun würden, um zumindest
Regierungspartei »Neue Demokratie« hat es         Und obwohl auch Außenminister Schallen-           einhundert Familien aus Kara Tepe in Öster-
auf den Punkt gebracht: »Damit die Flücht-        berg um die Zustände weiß, erklärte er vor        reich aufzunehmen, geschehen ist bisher
linge aufhören zu kommen, müssen sie hören        zwei Wochen im Parlament: »Wir bleiben bei        nichts. Kurt Palms (gekürzte) Rede vom 10.
und sehen, dass es denen, die hier sind,          unserer Linie, keine Flüchtlinge aus den grie-    April
schlecht geht.« Nehmen wir als Beispiel das       chischen Lagern aufzunehmen. Wir haben
Lager Kara Tepe, in dem rund 2.500 Kinder in      eine klare Linie, und die heißt: Wir erreichen    Das Protest- und Solidaritätscamp Wo-
Kälte und Schlamm leben, wobei leben ei-          mehr und sind schneller, wenn wir vor Ort         chenende für Moria geht weiter. Seit Jän-
gentlich das falsche Wort ist. Viele von ihnen    helfen.« Weiter Originalton Schallenberg:         ner übernachten Menschen in Zelten an
sind krank, Babys werden in nassen Zelten         »Wir müssen sehr vorsichtig sein, dass wir        unterschiedlichen Plätzen in Linz, um ihre
von Ratten gebissen und minderjährige             hier nicht Signale ausschicken, die dann eine     Solidarität mit Geflüchteten in Österreich
Flüchtlinge sind ständiger Gewalt ausgesetzt,     Kettenreaktion auslösen, der wir vielleicht       und der EU zu zeigen.
                                                                                                                        06/2021                  7
Wohnraum unter freiem Himmel
Parks in der Innenstadt bieten Wohnungslosen oft einen wertvollen Lebensraum

Wer obdachlos ist oder in einer Wohnung ohne Balkon oder eigenem Garten
lebt, muss in öffentliche Parkanlagen oder in die Natur ausweichen, wenn er
ein wenig Sonne tanken möchte oder gar auf der Suche nach einer Schlafstät-
te ist. Einige Redakteure haben ihr Platzerl in der Stadt gefunden.

    Sandburg neben dem Brucknerhaus
    Wenn es die Sonne und ihre Wärme erlauben, bin ich sehr gern
    dort, bis zum Sonnenuntergang. Ich lese, schreibe, döse,
    schlafe, bete oder hänge einfach nur meinen Gedanken nach. In
    der Sandburg ist in Nicht-Corona-Zeiten immer Hochbetrieb,
    mit cooler Musik, mit Palmen und mit wahnsinnig vielen Lie-
    gestühlen und auch einigen Hängematten. Es gibt in der weit-
    aus größten Zone, dort, wo der viele Sand liegt, keinen Kon-
    sum-Zwang. Nur in dem relativ kleinen Bereich mit Stühlen
    und Tischen und dem Blätterdach herrschen normale Gastro-
    Bedingungen. Die Sandburg ist eines meiner Lieblings-Platzln
    in Linz, auch in der Vor- und Nach-Saison. Foto: dw, Text: Jo-
    hannes

                                                                              Der Schillerpark - ein Gedicht!
                                                                              Jo im Schiller-Park, do is oft lustig,
                                                                              oiwei aloan, do wirst jo frustig.
                                                                              Ma muas a weng unta d'Leit,
                                                                              da Supamoakt is a net weit.
                                                                              A poar Euro hama scho im Tascherl,
                                                                              a poar Doserl oder Flascherl.
                                                                              De Polizei, de schaut uns zua,
                                                                              mir reissn uns zaum und gebn a Rua.
                                                                              Waun daun do oana spinnt,
                                                                              kimts net drauf au, das oana gwinnt.
                                                                              Mir doan jo auf'n Friedn gleitn,
                                                                              sölten muas die Exekutive einschreitn.
                                                                              Des Virus hot Schillerpark-Verbot,
                                                                              mia haltn Abstand, ois im rechten Lot.
                                                                              San in da frischn Luft,
                                                                              wo des Virus eh vapufft.
                                                                              Miassn a schaun, das ma umikemman
                                                                              und uns ned in Räumlichkeiten drängan.
                                                                              Foto: hz, Text: Manfred S.

8                06/2021
Grillen im Wasserwald – ein besonderes Erlebnis
Es gibt in Linz Plätze, wo öffentliches Grillen noch erlaubt ist. Mein
Freund Joe und ich treffen uns öfters im urgemütlichen Wasserwald beim
Pavillon im englischen Garten. Eines Tages wollten wir dort auch einmal
selbst gegrillte Speisen essen. Joe ist sehr geschickt und baut aus Dingen,
die andere wegwerfen, brauchbare Sachen. So baute er einen, mit der
Kraft der Sonne betriebenen Griller. Dazu brauchte er einen beschichteten
alten Karton, eine gusseiserne Pfanne und ein silbernes Powertape. Am
nächsten Tag sagte der Wetterbericht 36 Grad Celsius voraus. Ideale Vor-
aussetzungen für den ersten Versuch. Wir gossen Öl in die Pfanne. Nach
einer Stunde stiegen leichte Rauchschwaden auf. Die von der Sonne ge-
bratenen Käsekrainer schmeckten vorzüglich. Es war ein besonderes Er-
lebnis. Foto: hz, Text: Manfred F.

                                                                              Eine Nacht auf der Parkbank
                                                                              Bei Schönwetter verbrachte ich die Tage oft auf einer
                                                                              Bank im Park. Dass ich jedoch einmal auf einer solchen
                                                                              übernachten werde, hätte ich mir nie gedacht. Eines
                                                                              Tages hatte ich Streit mit meinem betrunkenen Ex-
                                                                              Mann. Als ich von der Arbeit nach Hause kam, ließ er
                                                                              mich nicht in die Wohnung. Ich wusste nicht wohin. Bis
                                                                              zur Sperrstunde blieb ich bei einem Wirten auf einen
                                                                              Kaffee. In meiner Hilflosigkeit ging ich dann zu meiner
                                                                              Parkbank und legte mich drauf. Ich hatte große Angst,
                                                                              von der Polizei vertrieben zu werden. Alles lief gut. Am
                                                                              nächsten Tag konnte sich mein Lebenspartner nicht
                                                                              mehr erinnern. Ich schwor mir, beim nächsten Raus-
                                                                              wurf ein Pensionszimmer zu nehmen oder bei einer
                                                                              Freundin zu schlafen. Foto: de, Text: Anna Maria

Alkoholfrei im Hessenpark
Als ich noch in der Mozartstraße wohnte, hatte ich es nicht weit zum Hes-
senpark. Damals durfte man dort noch Alkohol trinken und Freunde tref-
fen. Das hatte Flair. Zum Einkaufen gingen wir in den Penny-Markt am
Rande des Parks, unsere Notdurft erledigten wir in der Wirtschaftskam-
mer. Wenn meine Freundin mit ihren zwei Kindern vorbeikam, die beliebt
waren, konnten sich sogar die hartgesottenen Alkoholiker für eine Zeit
lang zusammenreißen. Es lief relativ ruhig ab. Ansonsten war es meist
sehr laut im Park. Das eine oder andere Mal ging einer unfreiwillig im
Brunnen baden. Aber ansonsten passte alles. Es war eine schöne Zeit, die
damit endete, dass Verbote kamen und die Leute andere Parks aufsuchten.
Foto: hz, Text: Sonja

                                                                                                                06/2021                  9
Am Bahnhofs-Park gelandet
                                                                            In meiner zweijährigen Zeit als Obdachloser lernte ich viele Parks
                                                                            kennen. Ich konnte mir die Miete nicht mehr leisten. Zum Glück war
                                                                            das zu Sommerbeginn. So hatte ich nur einen Feind: Den Regen.
                                                                            Meine erste Schlaf-Bank befand sich am Linzer Bahnhof. Ich war je-
                                                                            doch nicht der Einzige, der auf Schlafplatz-Suche war. Eine Bank
                                                                            stand unter einer Laube, die als perfektes Vordach fungierte. Das wäre
                                                                            ein toller Schlafplatz, dachte ich mir. Kurz vor Anbruch der Dunkel-
                                                                            heit ging ich zu dieser Bank. Sie war noch nicht besetzt. Die erste
                                                                            Nacht war ruhig und angenehm. Ich lernte sogar einen Freund, der
                                                                            sich auf die Nachbar-Bank legte, kennen. Er bot mir an, bei ihm im
                                                                            Keller zu schlafen, falls es regnen sollte. So hatte ich dann auch bei
                                                                            Regen einen trockenen aber harten Schlafplatz. Heute, acht Jahre spä-
                                                                            ter, wohne ich in einer GWG-Wohnung und bin glücklich darüber.
                                                                            Foto: de, Text: Helmut

     Grüne Wohlfühloase
     Meine Wohnung, die ich über den Sozialverein B37 bekommen habe,
     liegt gleich neben dem Wasserwald, einem Naherholungsgebiet mit
     ausgedehnten Wald- und Wiesenflächen für Naturliebhaber. Im Park
     befinden sich genügend Parkbänke als Sitzgelegenheit. Ich sammle in
     diesem Park jedes Jahr meine Heilkräuter wie etwa Brennesseln, Lö-
     wenzahn und Spitzwegerich, die ich als Salat- oder Teemischungen
     zubereite. Mit meinem Rad kann ich alle Plätze im Park schnell und
     ideal erreichen. Manches Mal nehme ich die Isodecke mit, suche mir
     ein ruhiges Platzerl, nehme ein Buch zur Hand oder lasse meine Seele
     baumeln. Oft habe ich auch eine Jause dabei. Leider mangelt es dann
     jedoch an guter Gesellschaft. August

                                                                       Viele Tage im Lentia-Park
                                                                       Früher arbeitete ich als Schausteller. Zwei Jahre hintereinander hatte
                                                                       ich nach der Saison keine Unterkunft. Damals verbrachte ich den gan-
                                                                       zen Tag draußen, wobei ich die meiste Zeit im Park neben dem Lentia
                                                                       anzutreffen war. Wir waren eine Gruppe von ungefähr zehn Leuten,
                                                                       die sich täglich dort trafen und ein paar Bier tranken. Am Abend, wenn
                                                                       es dunkel und kalt wurde, ging ich ins Lentia, das damals in der Nacht
                                                                       noch offen war. Man musste den Eingang durch die Tiefgarage nut-
                                                                       zen, konnte sich dann aber ein ruhiges, warmes und vor allem trocke-
                                                                       nes Schlafplätzchen aussuchen. Bis irgendein Idiot auf die Idee kam,
                                                                       Mistkübeln und Kinderwägen anzuzünden. Von da an war das Lentia
                                                                       nachts geschlossen. Foto: de, Text; Gandhi

10                  06/2021
Rätselecke − Sudoku
Die Grundfläche besteht aus 9 mal 9 Zellen. Mehr oder weniger
gleichmäßig verteilt befinden sich dort bereits 2 bis 5 Ziffern. Je
mehr Ziffern vorgegeben sind, desto einfacher fällt die Lösung.
Alle leeren Zellen sollen so aufgefüllt werden, dass jede Ziffer in
einer Spalte (senkrecht), in einer Zeile (waagrecht) und in einem
Block (3 mal 3 Zellen) nur einmal vorkommt. Die Rätsel wurden
uns gratis von Dr. Bertran Steinsky zur Verfügung gestellt.

                                                                      Unfall mit Fahrerflucht
                                                                      Ein Unfall mit anschließender Fahrerflucht hat sich am
                                                                      Samstag, 10. April, knapp vor 21 Uhr an der Ecke Mozart-
                                                                      und Dametzzstraße ereignet. Das Opfer: Der obdachlose
                                                                      Kupfermuckn-Verkäufer Andreas. An den Unfall-Hergang
                                                                      selbst kann er sich nicht mehr erinnern. Nach einer Behand-
                                                                      lung im AKH erzählt er jedoch, was davor und danach pas-
                                                                      siert ist und hofft nun, einen Augenzeugen zu finden.

                                                                      Andreas erzählt, was geschah: »Es war schon dunkel. Leider war
                                                                      ich komplett schwarz gekleidet. Da ich derzeit in der Stadt
                                                                      bleibe, war ich auf dem Weg zu einem Schlafplatz im Freien.
                                                                      Knapp vor der Kreuzung Mozartstraße/Dametzstraße wurde es
                                                                      dann dunkel um mich herum. Ich erinnere mich erst wieder, dass
                                                                      ich auf dem Straßenrand liegend wie aus einem Tiefschlaf er-
                                                                      wachte. Als ich zu mir kam, rann das Blut über mein linkes
                                                                      Auge. Auch die Nase blutete. Mein Körper tat ziemlich weh. Ich
                                                                      hatte starke Kopf- und Nackenschmerzen. Auch mein Brustkorb
                                                                      tat weh. Um mich herum war es menschenleer.

                                                                      Unfall-Opfer Andreas sucht dringend nach Augenzeugen

                                                                      Ich weiß ja nicht einmal mehr, wie lange ich am Straßenrand
                                                                      gelegen bin. Irgendwie schaffte ich es dann, zu einem nahegele-
                                                                      genen Schlafplatz zu kommen. Dort schlief ich mehr schlecht als
                                                                      recht ein. Als ich in der Früh erwachte, sah ich, dass ich voller
                                                                      Blut war. Die Decke, die Hände, alles war rot gefärbt. Zuerst
                                                                      ging ich – wie jeden Tag – ins Of(f)'nstüberl. Duschen und Früh-
                                                                      stücken. Ein Sozialbetreuer rief dann sofort die Polizei und die
                                                                      Rettung, nachdem meine Pupillen beim Leuchten nicht reagiert
                                                                      hatten. Bevor ich ins Krankenhaus kam, machte ich bei den Po-
                                                                      lizisten noch eine »Anzeige gegen Unbekannt«. Im AKH wurde
                                                                      ich untersucht: Röntgen, Schädel-CT, Pupillen-Check. Abends
                                                                      hieß es nochmals: »Zur Kontrolle«. Schmerzmittel wurden mir
                                                                      angeboten, ich lehnte sie ab. Nun – drei Wochen später – spüre
                                                                      ich immer noch einen Schmerz in den Rippen. Falls jemand der
                                                                      Leserinnen oder Leser den Unfall beobachtet hat, bitte ich Sie,
Auflösung auf Seite 22                                                diesen zu melden.« Foto und Aufzeichung: dw
                                                                                                           06/2021                  11
Die erste große Liebe
Als würden wir einen               terlinge im Bauch. Wenn man die       sammen, denn die erste große           am 23. November 2017 als Fern-
                                   erste große Liebe trifft, fühlt man   Liebe bleibt für immer. Wenn           beziehung. Mittlerweile sehen
hohen Berg besteigen               sich vollständig. Die erste große     dein Partner nicht bei dir ist,        wir uns schon öfters in der Wo-
                                   Liebe übersteht mehrere Kilome-       fühlst du dich unvollständig und       che, wenn sich mein Freund Ur-
Die erste große Liebe im Leben     ter und kann Berge versetzen.         es bleibt die Zeit stehen. Der erste   laub nimmt. Wir erleben die Be-
eines Menschen hinterlässt tiefe   Man will zusammenziehen, denkt        Kuss fühlt sich an, als ob man         ziehung, als würden wir einen
Spuren im Herzen. Man erlebt       auch über eine Hochzeit nach.         fliegen könnte. Die Stimme klingt      Berg besteigen. Es liegen auf dem
zum ersten Mal im Leben alles      Man will sein ganzes Leben nur        wie Musik, sein Duft wird zu dei-      Weg auch Steine, die wir aus dem
zusammen und nicht alleine.        mit der einen Person verbringen.      nem liebsten Geruch, die Nähe ist      Weg räumen müssen. Man kann
Auch spürt man noch die Schmet-    Jeder Streit bringt einen näher zu-   unbezahlbar. Bei uns begann alles      über jedes Hindernis hinwegkom-
12                06/2021
men, wenn man zusammenhält.
Wir sind wie Pech und Schwefel,
wir halten immer zusammen.
Wenn es Probleme gibt, können
wir uns aufeinander verlassen.
Auch wenn wir gerade nicht zu-
sammen die Zeit verbringen, kön-
nen wir wenigstens telefonieren.
Oder wir reden auch ab und zu
nicht miteinander, aber wenn es
drauf ankommt, sind wir trotzdem
füreinander da. So wie jetzt, wo
ich erfahren habe, dass wir ein
Kind erwarten. Es wird nicht ein-
fach werden, aber wir müssen uns
erst auf die Situation einstellen.
Es ist schwer, damit klarzukom-
men, denn mein Freund hat an-
dere Pläne. Wir freuen uns trotz-
dem schon beide sehnsüchtig auf
unsere kleine Familie, und end-
                                                                Charly hat ein großes Herz für seine Frau und seine Hündin Daisy. Foto: dw
lich die zweite große Liebe in un-
seren Armen halten zu können.
Durch die wahre Liebe kann man       gangen. Wir fuhren nach Linz in          später sahen wir uns wieder. Ab                   Es bedurfte nur eines
alles überstehen. Ich hoffe für      einen Techno-Club. Es war eine           diesem Tag waren wir dann un-
euch alle, dass ihr ebenso die       Megaparty. Im Lokal tanzten alle.        zertrennlich. Heute weiß ich, dass                Blickes in die Augen
große Liebe findet oder bereits      Beim DJ-Pult gab es eine Ecke,           es Schicksal war, denn wir hatten
gefunden habt. Dann seid auch ihr    so eine Art Lounge. Dort konnte          vieles durchgemacht. Jahre später                 Wie alles begann und wie alles
im siebten Himmel. Jaqueline S.      man chillen, was ich dann auch           verliebte ich mich in den Freund                  endete: Die erste große Liebe
                                     machte. Dort saß ein Typ. Wenn           meiner Schwester. Ich arbeitete                   meines Lebens, die ich bewusst
                                     ich heute so darüber nachdenke,          damals in einem Wettbüro. Da                      erleben durfte, war Barbara. Ich
Oft frage ich mich:                  dann frage ich mich, gibt es Zu-         kam eines Tages eine Zigeunerin                   dachte zwar zuvor, dass ich die-
»Gibt es ein Schicksal?«             fälle oder ist es Schicksal? Keine       herein und fragte mich, ob sie                    ses einzigartige Gefühl schon er-
                                                                                                                                lebt hatte. Doch im Nachhinein
Ab meinem 18. Lebensjahr                                                                                                        entpuppte es sich als reine puber-
machte ich die ersten Erfahrun-      »Den Bauch voller Schmetterlinge, Herzklopfen                                              täre sexuelle Affäre, mit der ich
gen mit Männern. Daraus wurde        bei jeder Berührung und ein tränenreicher                                                  machen konnte, was ich wollte.
aber nie wirklich eine Liebesbe-     Abschied« Ursula                                                                           Sie hat so lange gedauert, bis sich
ziehung. Ich ging in Kremsmüns-                                                                                                 mir meine wahre Liebe endlich
ter in die Schule. Ich weiß nicht,                                                                                              vorgestellt hatte. Erst als ich die-
ob das heute auch noch so der                                                                                                   ses Geschöpf sah, das von einer
Brauch ist, aber wir führten da-     Ahnung, warum ich gerade ihn             Geld haben könne, sie würde mir                   anderen Welt zu sein schien, be-
mals Stammbücher. In meiner          angesprochen habe. Ich fragte            auch aus der Hand lesen. Sie sagte                griff ich die Worte und Zustände
Klasse war ein Mädchen, welches      ihn, wie er heißt. Er sagte: »Da-        zu mir, dass ich zwei Menschen                    von »Begierde«. Ich verstand,
mit Nachnamen »Schippani«            niel.« Anscheinend hatte ich ei-         liebe, und dass ich verflucht sei.                was es heißt, die ganze Zeit Lust
hieß. Ich wünschte mir, auch so      nen etwas komischen Gesichts-            Ich liebte Daniel über alles, aber                zu verspüren, jede einzelne Mi-
zu heißen, denn mir gefiel der       ausdruck, denn er fragte mich, ob        der andere reizte mich dann auch                  nute mit ihr verbringen zu wollen
Name sehr. Ich war damals neun       ich einen Geist gesehen hätte. Ich       sehr. Ich verbrachte mit ihm zwei                 und sie einfach auf jede erdenkli-
Jahre alt. Ich beendete die Schule   erzählte ihm, dass ich als Junge         Wochen in Indien. Als ich zurück-                 che Art und Weise glücklich zu
und ging nach Rohrbach in die        immer gerne so geheißen hätte.           kam, verbrachte ich die schlimms-                 machen. Ich weiß es noch, als
Berufsschule. Dann lebte ich         Wir haben dann stundenlang ge-           ten Jahre mit dem anderen. Ent-                   wäre es gerade geschehen. Keine
mein Leben und dachte nie wie-       redet. Wir verstanden uns sehr           weder, sie hatte mich damals ver-                 drei Monate vor Weihnachten ha-
der daran. Eines Tages überrede-     gut. Und, wie es der Zufall wollte,      flucht oder es war eben mein                      ben wir uns auf einer Party unse-
ten mich ein paar Freunde, mit       war er auch Berufsschüler in             Schicksal. Heute sind Daniel und                  rer Freunde das erste Mal getrof-
ihnen fortzugehen. Ich hatte null    Rohrbach. Wir tauschten dann die         ich sehr gute Freunde. (Autorin                   fen. Wir sahen uns in die Augen.
Lust, bin dann aber doch mitge-      Nummern aus. Erst drei Wochen            der Redaktion bekannt)                            Es dauerte keine zwei Minuten,
                                                                                                                                         06/2021                 13
konnte natürlich nicht lange gut      Gespräch miteinander gesucht,
                                                                                  gehen. Ich war dann bereits so        viel gelacht, viel geschäkert, auch
                                                                                  süchtig, dass der Stoff für mich      ernsthaft geredet, und da und dort
                                                                                  wichtiger war, als sie. Ohne Dro-     ist es auch schon zu ersten – sehr
                                                                                  gen konnte ich nicht mehr exis-       vorsichtigen – körperlichen Be-
                                                                                  tieren. Und so trennten wir uns,      rührungen gekommen. Die Wo-
                                                                                  was ich heute noch bereue. Mike       che war natürlich viel zu schnell
                                                                                                                        vorbei. Danach hat eine Brief-
                                                                                                                        freundschaft begonnen, auch an
                                                                                  Erste Liebe während des               eine Kassette mit Liebesliedern
                                                                                  Priesterseminars                      kann ich mich noch sehr gut erin-
                                                                                                                        nern, die ich von dir bekommen
                                                                                  Ich möchte etwas schreiben zu ei-     habe und immer, immer wieder,
                                                                                  ner meiner ersten, ganz großen        sicher unzählige Male abgespielt
                                                                                  Liebe, über die Petra. Ich weiß       habe. Einmal habe ich dich dann
                                                                                  gar nicht, ob ich irgendwann ein-     bei dir zu Hause in Pollham be-
                                                                                  mal so verliebt war. Da hat‘s         sucht, und einmal haben wir uns
                                                                                  wirklich gefunkt, obwohl wir ei-      in Wien getroffen – bei einem
                                                                                  gentlich nie wirklich zusammen        Treffen der Don-Bosco-Jugend.
                                                                                  waren, nie wirklich ein Paar wa-      Da hatten wir allerdings nicht
                                                                                  ren. Ich war noch Mitglied und        wirklich viel Zeit füreinander.
                                                                                  Student im Wiener Priestersemi-       Doch die Zeit blieb nicht stehen,
                                                                                  nar. Als katholischer Priester        meine Studienzeit war schon weit
                                                                                  muss man bekanntlich auf Ehe          fortgeschritten, und der Druck
                                                                                  und Familie verzichten. Ich hatte     »Weihe oder Austritt« wurde grö-
           Manfred und Sonja teilen ihre Liebe für die Black Wings. Foto: hz
                                                                                  eine gewisse Entwicklung durch-       ßer, ja gewaltig groß. Und da war
                                                                                  gemacht - von sehr streng zu of-      eben leider, für eine erotische Be-
                                                                                  fen auch im Hinblick auf meine        ziehung kein Platz (mehr). Das,
bis wir uns unterhielten. Auf das,           nen, dass ich damit den Höhe-        eigenen Bedürfnisse, auch hin-        was dann von mir verlangt war,
was jetzt kommt, bin ich zwar                punkt meines Glückes erreichte       sichtlich Erotik, Zärtlichkeit und    war wirklich sehr, sehr hart:
nicht stolz, trotzdem gehört es zu           und es von da an nur mehr bergab     das andere Geschlecht. Ich konnte     »Nein« zu sagen zu einer Bezie-
meiner Geschichte. Bis zu die-               ging. In meinem ersten Job habe      da in meinem Kopf mehr zulas-         hung mit dir, Petra, die ich doch
sem Abend konnte ich ohne Al-                ich mich hoch gearbeitet und         sen, ohne mich selber dafür zu        so geliebt habe. Das hat mich
kohol fast nie Spaß haben. Doch              auch in meinem zweiten Job lief      verurteilen. Es gab nur ein Prob-     viele schwere, lange Nächte im
an diesem Abend redeten wir nur.             es sehr gut. Ich wurde ins Taktik-   lem: die Sieben-Jahres-Klausel:       Gebet in der Kapelle gekostet, ein
Wir waren ganz vertieft in unsere            Management geholt. Insgesamt         Nach den Regeln sollte man sich       langes, mühsames, schweres Rin-
Gespräche. Es war dann früh                  arbeitete ich gefühlte 20 Stunden    nach sieben Jahren im Seminar         gen. Und schließlich habe ich
Morgens, als ich sie nach Hause              pro Tag. Mein Mentor sagte im-       definitiv für den geistlichen Beruf   mich zum Diakon weihen lassen
in ihr »Schloss« fuhr. Wir beide             mer: »Glaubst du, während du         samt Zölibat entscheiden– oder        und es tatsächlich auch geschafft,
waren nach dieser einen Nacht                schläfst, macht die Welt Pause?«     austreten. Und dann war da auf        den Zölibat zu versprechen. Auch
ein Paar. Was ich bis dahin nicht                                                                                       wenn meine Gefühle für dich wei-
wusste, war, dass ihren Eltern –                                                                                        ter sehr groß und stark waren, da
zwar ein bisschen übertrieben –
                                             »Hätte ich das wirklich von dir erwarten kön-                              war es zu spät. Du hattest dann
halb Kremsmünster gehörte. Also              nen, dass du so lang, unter so widrigen Um-                                später keinen Platz mehr für mich
hatte ich den Jackpot geknackt:              ständen auf mich warten würdest? « Johannes                                in deinem Leben. Natürlich war
Schön, klug lebensfroh, reich und                                                                                       das ein großer Schmerz für mich.
sie war genau so verliebt in mich                                                                                       Doch wie hätte ich es dir verübeln
wie ich in sie. Die ultimative                                                                                          sollen? Hätte ich das wirklich er-
Traumfrau für mich. Doch damit               Das blieb mir hängen. Der Kon-       einmal die Petra. Kennengelernt       warten können, dass du so lang,
beginnt erst das Glück meines                sum von Drogen wurde sowohl          haben wir uns in einer Sommer-        unter so widrigen Umständen, wo
Lebens. Ich bin mir sogar sicher,            bei mir, als auch bei meinen Kol-    woche für junge Leute, die sich       ich mich ja klar für den anderen
dass zwischen dem zehnten und                legen von der Geschäftsleitung       für einen kirchlichen Beruf inter-    Weg entschieden hatte, auf mich
16. August 2006 die glücklichs-              geduldet, zumal sie uns leistungs-   essieren. Liebe Petra! Wir waren      warten würdest? Nein, so was
ten Tage meines Lebens waren.                fähiger machten. Privat durften      sehr jung damals, ich 24, du über-    kann man von keinem Mädchen
Damals saß ich auf der Stiege ih-            weder meine Liebste noch ihre        haupt erst 16, also wirklich noch     erwarten, auch wenn man sie
res Elternhauses und blickte in              Eltern mitbekommen, dass ich         sehr jung. Beim Baden und bei         noch so sehr liebt. So schwer es
die untergehende Sonne. Zu die-              mittlerweile total abhängig von      den Wanderungen haben wir im-         war, das Kapitel »Petra« musste
sem Zeitpunkt konnte keiner ah-              diesem Zeug geworden war. Das        mer wieder den Kontakt und das        ich irgendwann abschließen. Wie
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das Leben weitergegangen wäre        stand. Wie ein Betrunkener weiß
mit dir? Es wäre vielleicht eine     ich nicht mehr, wie ich an diesem
schöne Zukunft. Naja, man wird       Tag nach Hause gekommen bin.
ja noch träumen dürfen. Seufz!       Ich hatte wohl Flügel. Es war ma-
Großer Seufzer. Johannes             gisch, ein wunderschönes Gefühl.
                                     Leider hielt dies nicht ewig an. Es
                                     ist jedoch noch tief in meiner Er-
Eingetaucht in einer                 innerung gespeichert. Das erste
rosaroten Wattewolke                 Mal so richtig verliebt. Wie es ihr
                                     wohl so ergangen ist im Leben?
Sie war sechs Jahre alt und im       Ich weiß es leider nicht. Damals
ersten Schuljahr. Ich war in der     haben sich unsere Wege noch ein
dritten Klasse. Kaum, dass ich sie   paar Mal gekreuzt. Leider war
gesehen habe, war ich in sie ver-    dann immer ihre beste Freundin

»Ich hatte wohl Flügel, ein wunderschönes Ge-
fühl. Leider hielt es nicht ewig an. Es ist jedoch
in meiner Erinnerung gespeichert.« Heikü                                   Antikörper-Schnell-Test
                                                                           Im November vorigen Jahres erkrankte ich an Corona. Ich
                                                                           habe über meinen schwierigen Krankheitsverlauf bereits
liebt. Sie war das hübscheste        dabei. Diese hat sie dann regel-      in der Kupfermuckn berichtet. Zum Glück leide ich nicht
Mädchen von allen im Dorf, die       recht von mir weggezogen.             an Langzeitschäden. Als geselliger Mensch kann ich es nun
ich bisher kannte. Eines Tages       Schade eigentlich. Heikü              kaum erwarten, wieder unbekümmert meine Freunde tref-
kam mir der Zufall zuhilfe. Ich                                            fen zu können. Ein Antikörper-Schnelltest sollte Klarheit
hatte Klassendienst oder wie das                                           über meine Immunreaktion bringen.
auch immer hieß. Das bedeutete,
                                     Sandkasten-Freund und
man musste das Klassenzimmer         dann endlich Manfred                  Anfang April machte ich mich auf den Weg ins Passage-Kauf-
auswischen und auskehren. Dabei                                            haus. Wo früher noch ein Optiker war, wurde nun eine Teststa-
entdeckte ich einen helblauen        Seit meiner ersten großen Liebe       tion eingerichtet. Ich schnappte mir eine Info-Broschüre, die
Plastikstein eines Ringes aus dem    sind mittlerweile schon viele         an einem Tisch auflag und stellte mich in die Schlange der
Kaugummi-Automaten. Ich sehe         Jahre vergangen. Meine erste          Wartenden. Ein Antikörper-Schnelltest um 39 Euro war das
es noch vor mir, wie ich damals      Liebe fand ich im Sandkasten. Er
den Stein in ihr Federpenal unter    wohnte im Nachbarhaus, wir tra-
eine Haltetasche schob. Die Zeit     fen uns regelmäßig am Nachmit-
                                                                           »Der Antikörper-Schnelltest war so harm-
verging und ich genoss das Ge-       tag und spielten gemeinsam.           los wie den Blutzuckerspiegel messen.«
fühl meiner ersten Verliebtheit.     Doch mehr als ein Bussi war nicht
Eines schönen Tages – die Tage       drinnen. Schließlich waren wir
damals waren dann überhaupt nur      beide ja auch noch sehr jung.         Richtige für mich. Der Testablauf wurde in der Broschüre ge-
schön –, kam ein Zauberer in un-     Dennoch sind die Erinnerungen         nau beschrieben. Endlich war ich an der Reihe. Zuerst musste
ser Dorf. Es sollte eine große       an diese Zeit noch sehr wach.         ich bezahlen, leider nicht mehr mit Bargeld, nur noch mit Kre-
Show werden. Ich ging hin, sie       Gerne denke ich an ihn zurück.        ditkarte. Die hatte ich bei mir. Das Geld wurde mir dann dan-
war glücklicherweise auch dort.      Bis zu seinem Tod blieb er damals     kenswerterweise von der Kupfermuckn retour gegeben. An-
Der Saal war riesig. Eine große      mein bester Freund und heimli-        schließend wurde ich zum Eingang »Test 2« geschickt. Dort
Kinderschar drängelte sich bis zur   cher Geliebter. Leider verstarb er    wartete bereits ein junger Herr mit Schutzanzug und Mund-
Bühne vor. Ich weiß nicht mehr,      viel zu früh. Mit nicht einmal 18     Nasenmaske auf mich. Es war kurz und schmerzlos. Durch
was dann geschah. Irgendwie          Jahren kam er durch einen schlim-     einen kleinen Stich in die Fingerspitze wurde mir ein Tropfen
hatte sie wohl das Heft in die       men Unfall ums Leben. Vor eini-       Blut abgenommen. Das war so harmlos wie den Blutzucker
Hand genommen. Wir stellten uns      gen Jahren habe ich dann die          messen. Danach wartete ich draußen auf das Ergebnis, da ich
in den hinteren Reihen auf zwei      große Liebe meines Lebens ge-         keine Mailadresse habe. Nach einer Viertelstunde kam der
Stühle. Von der Zaubershow be-       funden. Mit Manfred gehe ich          Herr zu mir mit einer schriftlichen Ergebnisübermittlung.
kamen wir glaube ich nichts mit.     seitdem durch dick und dünn. Wir      Demnach habe ich bereits Antikörper aufgrund der vorange-
Wir standen nur da und hielten       haben viele Tiefen miteinander        gangenen Infektion mit dem Virus gebildet. Drei Monate sei
uns an den Händen, eingetaucht       gemeistert, momentan kriselt es       der Test gültig. Ich solle den Test noch von meinem Hausarzt
in einer rosaroten Wattewolke.       aber leider ein wenig. Ich hoffe      bestätigen lassen. Nun kann ich mit gutem Gewissen wieder
Während der gesamten Show ge-        wir bekommen das wieder hin.          die Kupfermuckn verkaufen und hoffentlich bald wieder ohne
nossen wir diesen Schwebezu-         Sonja                                 Mundschutz meine Freunde treffen. Foto: dw, Text: Hermann
                                                                                                              06/2021                 15
Licht am Ende des Tunnels
Daniel gibt uns exklusive Einblicke in das Leben eines Alkoholikers

Daniel wuchs teilweise bei sei-      hatte mein Vater. Eigentlich bin    Die Zeit in der Spattstraße habe      ter übersiedeln konnte. Für mich
nen Eltern, Großeltern und           ich aber immer bei meinen Groß-     ich dennoch positiv in Erinnerung     war das ein schöner Moment. Zu
auch im Heim auf. Dieses ewige       eltern gewesen. Im Alter von fünf   behalten. Es war wie meine            der Zeit, als mich meine Mutter
Hin und Her hat bei ihm Spu-         Jahren steckte mich mein Vater      zweite Familie. Als meine Mutter      mit ihrem neuen Lebensgefährten
ren hinterlassen, die er mit Al-     ins Heim – ins »Zentrum Spatt-      und mein Stiefvater von meinem        und meiner Halbschwester Bi-
kohol zu verwischen versucht         straße« nach Linz. Den Grund da-    leiblichen Vater erfuhren, dass ich   anca wieder zu sich geholt hat,
hat. Viermal war er nun schon        für habe ich nie erfahren, obwohl   in der Spattstraße sei, kamen sie     war ich acht Jahre alt. Bianca war
auf Therapie, aber jetzt hat er      ich ihn mehrmals gefragt habe.      mich regelmäßig besuchen.             erst ein paar Monate alt. Der Kon-
gute Aussichten.                     Wahrscheinlich passte ich ihm                                             takt zu diesem Teil der Familie ist
                                     nicht in die Familienplanung mit    Meine Mutter holte mich               noch heute intakt. Zuerst wohnten
Ich wurde 1982 in Schärding ge-      seiner neuen Lebensgefährtin.                                             wir in Auwiesen, aber die Woh-
                                                                         wieder nach Hause zurück
boren. Teilweise wuchs ich bei       Heute habe ich nur sporadischen                                           nung wurde zu klein und wir zo-
meiner Mutter auf und teilweise      Kontakt zu ihm. Die Beziehung       Sie wollten mich zu ihnen holen,      gen in die Nähe der Heimbach-
bei meinen Großeltern. Meine El-     zu ihm ist nach wie vor schwierig   was gar nicht so einfach war. Ins-    siedlung. Ich besuchte die
tern ließen sich scheiden, als ich   – er ist ein sehr eigener Mensch,   gesamt hat es mehrere Monate          Karlhofschule, wo ich durch
drei Jahre alt war. Das Sorgerecht   an den man schwer herankommt.       gedauert, bis ich zu meiner Mut-      meine Vorkenntnisse aus der
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