Positionen zur Wahl - aok-bw-presse.de
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3/2021 AOK BADEN-WÜRTTEMBERG NEUE LEGISLATUR Positionen zur Wahl Was die AOK Baden-Württemberg für das Gesundheitssystem fordert 25 ALTER & Die Pflegereform, letzter schwerer Brocken 26 REDE & Wie es nach dem Abbruch des Tübinger PFLEGE der Legislatur, will viel und bringt wenig ANTWORT Wegs weitergeht, berichtet Lisa Federle
Seite 2 INHALT 08 16 20 04 TREFFPUNKT Nachrichten, Positionen, Meinungen aus dem Gesundheitswesen 08 SEISMOGRAF Die gesundheitspolitischen Positionen der AOK zur Bundestagswahl 12 GESUNDHEIT & VERSORGUNG Chronischer Schmerz ist vor allem eine Kopfsache Bundestagswahl: Das fordert Forschung: Die AOK gibt EU-Impfzertifikat: Eine die AOK Baden-Württemberg neue Impulse für das Land Übergangslösung fürs Reisen 14 HIER & JETZT Modellprojekte und Erfahrungen aus Baden-Württemberg 16 STANDPUNKT Der Verwaltungsrat der AOK Baden- Württemberg bezieht Stellung ZAHL DER AUSGABE 18 PRÄVENTION & INNOVATION Mit PromeTheus aktiv bis ins hohe Alter bleiben 20 VERSORGUNG & IT Das europäische Impfzertifikat soll freies und sicheres Reisen ermöglichen 22 ALTER & PFLEGE Wahlkreise Schwerstkranke Menschen können zu Hause in Würde sterben Baden-Württemberg ist in 38 Wahlkreise eingeteilt. Sie tragen die Nummern 258 bis 295. Für die 25 RECHT & GESUNDHEIT Bundestagswahl am 26. September sind hier rund Die Pflegereform – k(l)eine Lösung 7,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger wahlberech- vor der Bundestagswahl tigt. Im aktuellen 19. Deutschen Bundestag sitzen 96 Abgeordnete aus Baden-Württemberg. Darunter 26 REDE & ANTWORT sind nur 25 Frauen. Lisa Federle schaut in Tübingen nicht nur auf Inzidenzen 28 GESUNDHEIT & WIRTSCHAFT Für Hilfsmittel hat die AOK 2020 über 562 Millionen Euro ausgegeben 30 WEBSNACKS & TERMINE Welche Apps trenden und was Transparency International macht 31 AUS & EINSICHT Lukas Dürr ist Gärtner und spendet Stammzellen IMPRESSUM Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt: AOK Baden-Württemberg, Presselstraße 19, 70191 Stuttgart; Verlag: KomPart Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Rosent haler Straße 31, 10178 Berlin; Geschäftsführer: Frank Schmidt, Martin Gosen; C reative D irector: Sybilla Weidinger; Redaktionelles Konzept: Robin Halm, Anne Wäschle; Koordination: Stefan Rösch; Chefredaktion: Anne W äschle (awa), Telefon: 030 22011 121; Redaktion: Anette Frisch (af), Stephan Funk (stef), Robin Halm (roha), Grit Horn (gh), Ines Körver (ink), Fabian Obergföll (fob), Stefan Rösch (srö); Grafisches Konzept und Umsetzung: Katharina Doering; Nachdruck oder Weiterverwendung von Inhalten nur mit Genehmigung des Herausgebers. Der Redaktionsschluss für die Ausgabe 03/2021 war der 21. Mai 2021. Nächster Redakt ionsschluss: 26. Oktober 2021. Adressänderungen per E-Mail an agendagesundheitmagazin@bw.aok.de IDENT.-NR . 21- 0057 3/2021
S ietiet e3 3 R UEBI RN IBKLNI AC M Se KE Bild: DRF Luftrettung Trio mit Auf dieses Flugobjekt ist nicht nur die Crew stolz. Der H145 ist der erste Hubschrauber mit Fünfblattrotor, der bundesweit bei der Luftrettung im Einsatz ist. Seit dem Frühjahr fliegt er als fünf Flügeln „Christoph 51“ durch die Region Stuttgart – und zwar besonders ruhig, was Patientinnen und Patienten zugute kommt. Die neue Technik erlaubt außerdem mehr Nutzlast, heißt, bei Bedarf kann mehr medizinisches Personal und Treibstoff für längere Strecken aufgenommen werden. 3/2021
Seite 4 TREFFPUNKT MENSCH MIT MISSION S P Ä TA U S L E S E Digitale Leidenschaft UNZENSIERTER GEDANKEN Rund 200 Unternehmerinnen unterstützen die Initiative „FRAUEN unternehmen“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Eine ist Sybille Koch-Göpfrich aus Freiburg »Letztlich geht »Seid mutig. Nach wie vor machen sich weniger Frauen als Männer es immer um Beginnt klein, selbstständig. In Deutschland wird bisher nur jedes dritte die Abwägung Unternehmen von einer Frau geführt, bei technologischen aber denkt groß! Glaubt Start-ups sind es noch weniger. Das Bundesministerium zwischen für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat daher 2014 die an euch, dann Initiative „FRAUEN unternehmen“ ins Leben gerufen. Ziel Freiheit und tun es andere ist es, Frauen über Vorbilder zur beruflichen Selbstständig- Sicherheit. Die keit zu ermutigen und Mädchen für das Berufsbild „Un- wie Banken, Geschäfts ternehmerin“ zu begeistern. Das bundesweite Netz setzt Datenschützer sich aus Unternehmerinnen und Freiberuflerinnen zusam- partner oder men, die zwar aus verschiedenen Regionen und Bran- sind ja nicht Kunden auch« chen kommen, aber die eines verbindet: Sie möchten den moralisch Gründerinnengeist vorantreiben. Dr. Sybille Koch-Göpfrich So ist es auch bei Sybille Koch-Göpfrich, die seit zwölf höherwertig, Jahren die Hexental-Apotheke in Freiburg mit großer Mo- Inhaberin der Hexental-Apotheke in Freiburg tivation und Leidenschaft führt. Sukzessive hat sie ihr Un- weil sie mehr ternehmen weiterentwickelt, modernisiert und in Projekte Gewicht auf die investiert – unter anderem in ein Qualitätsmanagement, in Aus- und Weiterbildung oder in moderne Technik wie Freiheit legen. einem Kommissionierautomaten, der die klassischen Apothekerschränke ersetzt. Viele Prozesse laufen inzwi- Und ich schen digital. Ein Konzept der Unternehmerin für digitale bin kein Dienstleistungen im analogen Verkaufsraum landete beim Deutschen Apothekerpreis auf dem dritten Platz. Sie ist schlechterer überzeugt, dass der Digitalisierung die Zukunft gehört. Mensch, weil 2020 hat sie die Software Tracemedics mitentwickelt und die Marke coronagetestet.de angemeldet. Damit bildet ich mehr sie alle Prozesse von Coronatestzentren digital ab. Trotz- dem bleibt ihrer Meinung nach der Mensch das Gewicht auf Maß aller Dinge: Kundinnen und Kunden wün- den Schutz vor schen sich auch künftig vor allem eine gute per- sönliche Beratung. srö existenzgruenderinnen.de Verbrechern Bild: David Lohmüller lege« Sybille Koch-Göpfrich arbeitete nach dem Abitur bei Swiss Air als Flugbe- Wolfgang Schäuble gleiterin im Langstreckeneinsatz. Kurze Zeit fasste die Bundestagspräsident 41-Jährige eine Bewerbung als Pilotin ins Auge, ent- schied sich aber dann mit einem Stipendium der Deutschen Wirtschaft für ein Pharmaziestudi- um. 2009 übernahm sie die Geschäftsleitung der Hexental-Apotheke in Freiburg. Die- se wurde 1972 von ihrer Mutter Hannelore Koch gegründet und beschäftigt heute Bild: K. xxring 13 Frauen und einen Mann. 3/2021
Seite 5 TREFFPUNKT UMFRAGE WELCHE SOZIALPOLITISCHEN THEMEN MÜSSEN AUF DIE AGENDA? Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Der Ausgang entscheidet auch über die Gesundheitspolitik. Trotz des hohen Standards in der medizinischen Versorgung hat das deutsche System erhebliche strukturelle Defizite Ungerechtes Finanzsystem Klimaschutz zentrale Aufgabe Wichtig ist mehr Gerechtigkeit in den fö- Wir wissen, dass die Klimakrise die Ge- deralen Finanzbeziehungen der GKV. Ein sundheit von uns allen beeinträchtigt. System, das wirtschaftlich starke Län- Für die notwendige Transformation un- der mit effizienten Strukturen wie Ba- serer Gesellschaft zur Klimaneutralität Bild: BWKG Bild: privat den-Württemberg für andere bezahlen bleibt wenig Zeit. Neben dem Kampf ge- lässt und überdurchschnittliche Lohnkos- gen Corona muss deshalb der Klima- Matthias Einwag ten für Pflegekräfte und ärztliches Per- Dr. Robin T. Maitra schutz zur zentralen gesundheitspoliti- Hauptgeschäftsführer sonal in diesen Ländern ignoriert, muss Mitglied im Vorstand schen Aufgabe für den Schutz unserer Baden-Württembergische der Landesärztekammer Krankenhausgesellschaft überwunden werden. Baden-Württemberg Gesundheit werden. Wirksame Pflegereform Arbeitsbedingungen verbessern Die Pflege ist die große gesellschaftliche Wir brauchen bessere Arbeitsbedingun- Herausforderung. Wir brauchen mehr gen in den Gesundheitsberufen und ei- Bild: Matthias Busse qualifiziertes Personal und Versorgungs- ne Neuordnung der Kompetenzen. Auf- formen, die besser auf die Menschen zu- grund des demografischen Wandels wird Bild: privat geschnitten sind. Alles muss finanzierbar die Zahl der pflegebedürftigen Men- sein. Eine Pflegereform muss an ver- schen deutlich steigen. Gleichzeitig wer- schiedenen Stellen gleichzeitig ansetzen. Hans-Josef Hotz den bis 2035 etwa 500.000 Pflegefach- Andrea Kiefer Denn Pflegebedürftige brauchen drin- Vorsitzender des personen in Rente gehen. Der Beruf Vorsitzende Sozialverbands Landespflegerat gend Hilfe und finanzielle Entlastung. VdK Baden-Württemberg muss attraktiver gestaltet werden. Baden-Württemberg FALSCH NACHRICHTEN Sind IGeL eine sinnvolle Ergänzung zum GKV-Angebot? Im Gegenteil. Die Zusatzleistungen können mehr schaden als nützen, warnt der Medizinische Dienst der Krankenkassen Individuelle Gesundheitsleistungen, kurz IGeL, sind medizinische Zu- satzangebote, die selbst bezahlt werden müssen. Laut Medizinischem Dienst der Krankenkassen (MDS) geben gesetzlich Versicherte dafür jährlich etwa eine Milliarde Euro aus. Ein lukrativer Markt, auf dem es schätzungsweise 1.500 Angebote gibt, für die Patientinnen und Pati- enten im Schnitt 74 Euro zahlen, wie das Wissenschaftliche Institut der AOK errechnet hat. Es gibt sinnvolle IGeL, wie Reiseimpfungen gegen Cholera oder Typhus. Bei vielen Angeboten ist Skepsis angebracht, denn alles, was medizinisch notwendig ist, bezahlen die Krankenkassen. Der MDS warnt deshalb davor, dass gerade die eigenfinanzierte Diagnostik der Gesundheit mehr schaden als nützen kann. Denn falschpositive Er- gebnisse bei Gesunden können schädliche invasive Behandlungen nach sich ziehen. Im Zweifel handelt es sich um unzureichend geprüfte, risi- Bild: iStock.com © Nataliia Nesterenko koreiche und nutzlose medizinische Leistungen. Von den drei am häu- figsten angebotenen IGeL – der Augeninnendruckmessung zur Glaukom-Früherkennung, dem Ultraschall der Eierstöcke und dem Ultraschall der Brust zur Krebsfrüherkennung – ra- ten sogar die Fachgesellschaften ab. gh igel-monitor.de 3/2021
Seite 6 TREFFPUNKT KREUZVERHÖR TAT E N & TAT S A C H E N KREUZ VERHÖR Die Europäische Kommission Bereitschaft sinkt weiter steckt in der Pandemie in ihren Die Zahl der Organspenden in Krebsplan vier Milliarden Euro Baden-Württemberg ist rückläu- fig. Staatssekretärin Leidig ap- Krebsdiagnostik für alle, Sonderprogramme für Kinder, pelliert: Auch in der Coronapan- Wissenszentrum: Brüssel hat sich viel vorgenommen. Gut so? demie dürfe man dieses Thema nicht vergessen.1.066 Bürgerin- Alle Welt starrt auf die nen und Bürger aus Baden-Würt- Coronapandemie. Warum temberg stehen aktuell (Stand bringt die Europäische Kommis- Dr. Ute Leidig Ende April 2021) auf der War- sion gerade jetzt „Europas Plan Staatssekretärin im teliste von Eurotransplant. Von Ministerium für gegen den Krebs“ auf den Weg? Soziales, Gesund- Januar bis Mai 2021 gab es in Bild: Europabüro für Südwestfalen heit u. Integration Die Frage ist leicht zu beantworten: Baden-Württemberg 46 Organ Baden- Der Krebsplan war lange gefordert, Württemberg spender mit 153 gespendeten angekündigt und vorbereitet. Die Organen (Vorjahreszeitraum: 60 Bekämpfung von Krebs ist nach wie Spender mit 183 Organen). vor ein dringendes Thema, das »Das Thema keinen Aufschub zulässt. In der EU wurde im Jahr 2020 bei 2,7 Millio- Mehr Apps auf Rezept Krebs duldet nen Menschen Krebs diagnostiziert, Anne Sophie Geier will digitalen keinen und 1,3 Millionen Menschen sind Gesundheitsanwendungen wie Aufschub« dieser Krankheit erlegen. Hinter Apps und Webanwendung, die jeder Zahl steckt eine Tragödie und auf Rezept verschrieben werden Peter Liese in einigen Bereichen, zum Beispiel können, zum Erfolg verhelfen. Die Gesundheitspolitischer Sprecher bei Krebserkrankungen von Kindern, neue Geschäftsführerin des Spit- der EVP-Fraktion im EU-Parlament ist der Kampf ohne europäische zenverbandes Digitale Gesund- Kooperation nicht zu gewinnen. heitsversorgung (SVDGV) war zu- vor beim GKV-Spitzenverband Anne Sophie Geier Im Jahr 2040 sollen laut Plan weniger als fünf Prozent Sachgebietsleiterin für die frühe Geschäftsführerin der Bevölkerung rauchen. Wie will die EU das schaffen? Nutzenbewertung von neu zuge- Spitzenverband Digitale Gesund- Hier ist eine Doppelstrategie notwendig aus Aufklärung und regulato- lassenen Arzneimitteln. Dem 2019 heitsversorgung rischen Maßnahmen. Rauchen ist nach wie vor die Hauptursache gegründeten SVDGV gehören für eine Krebserkrankung. Wir müssen deshalb alles dafür tun, um rund 80 E-Health-Start-ups an. Jugendliche davon abzuhalten, damit zu beginnen, und starken Rauchern helfen, damit aufzuhören. In schwerwiegenden Fällen können aus meiner Sicht im Rahmen einer Schadensminimierung und Wechsel in den GBA reguliert auch E-Zigaretten eine Hilfe darstellen. Die gesundheitspolitische Spre- cherin der CDU/CSU-Bundes- Ziel ist auch, dass 90 Prozent der dafür infrage kommen- tagsfraktion hat ihr Mandat zum den Menschen bis 2025 Brustkrebs-, Gebärmutterhalskrebs- 1. Juli niedergelegt und wech- und Darmkrebsuntersuchungen angeboten bekommen. Müss- selt zum Gemeinsamen Bundes- te man dafür nicht massiv Geld in einige Staaten pumpen? ausschuss (GBA). Sie wird Nach- Je eher eine Krebsdiagnose gestellt wird, desto erfolgsversprechender folgerin von Prof. Elisabeth Pott ist in der Regel auch eine Therapie. Die Vorsorgeuntersuchungen und als unparteiisches Mitglied. Karin damit die steigenden Chancen einer Krebsentdeckung und erfolgrei- Karin Maag Maag wurde von der KBV, der MdB chen Behandlung spielen deshalb eine zentrale Rolle. Früherkennung MdB und gesund- KZBV und der DKG vorgeschla- durch Screening bietet die beste Chance, Krebs zu besiegen und Leben heitspolitische gen. Der GBA ist das höchste Bilder: Lena Lux; SVDGV; pag/Anna Fiolka Sprecherin der zu retten. Die finanziellen Mittel dafür kann die EU natürlich nicht aus- CDU/CSU-Bundes- Gremium der Selbstverwaltung. schließlich bereitstellen. Dennoch leistet sie hier wichtige Hilfestellung, tagsfraktion Er entscheidet über die Leistun- durch gemeinsame Ausschreibungen sowie Förderung und Nutzung gen im Katalog der gesetzlichen neuer Technologien. Zum Beispiel den Einsatz künstlicher Intelligenz, Krankenkassen. um schneller und präziser Vorhersagen treffen zu können. ink 3/2021
Seite 7 TREFFPUNKT ZEITSPRUNG Vorkämpferin für Frauenrechte: Die erste Bundesministerin für Gesundheit Als Emma Sophie Elisabeth rer Zeit immer weit voraus. Schwarzhaupt vor 60 Jahren, Als frühe Vorkämpferin für die ganz genau am 14. Novem- Gleichberechtigung der Frau ber 1961, im Bundestag ihren legte sie sich dabei sogar öf- Amtseid ablegte, stieg in der fentlich mit den Nazis an. Sie noch jungen Bundesrepublik leistete ebenso als Richterin Deutschland erstmals eine Frau Pionierarbeit wie bei der Be- in den Ministerrang auf. Diese kleidung hoher Kirchenäm- Bild: K. Doering Errungenschaft musste jedoch ter. 1953 wurde Schwarzhaupt erst hart erkämpft werden. Be- erstmals in den Bundestag ge- vor die damals 60-Jährige ih- wählt, wo sie sich im Rechts- ren Dienst als Bundesministerin und Familienausschuss be- nach wenigen Tagen mit dem für Ärzte. 1965 erhielt sie als für Gesundheitswesen antre- sonders für die Reform des Contergan-Skandal befassen. erste Frau das Große Bundes- ten konnte, mussten zunächst Ehe- und Familienrechts im Schwarzhaupt setzte sich für verdienstkreuz. Bis heute folg- mutige Unionsfrauen den Ka- Sinne der Gleichberechtigung die Verbesserung der medi- ten Elisabeth Schwarzhaupt binettssaal mit einem Sitzstreik engagierte. So war die Einfüh- zinischen Prävention und Le- acht weitere Frauen und sie- blockieren, um sich gegen- rung der Zugewinngemein- bensmittelhygiene ein, ordne- ben Männer an der Spitze des über Kanzler Konrad Adenau- schaft, durch die Ehefrauen te die Schluckimpfung gegen Bundesgesundheitsministeri- er durchzusetzen und endlich nach der Scheidung materiell Kinderlähmung und die Grün- ums. Ob nach sechs Jahrzehn- ein frauengeführtes Ministeri- bessergestellt wurden, mit ihr dung des Deutschen Krebsfor- ten wieder eine Frau dieses um zu bekommen. Verdienst. schungszentrums in Heidel- Amt bekleiden wird, entschei- Als emanzipierte Frau war Als Bundesgesundheitsmi- berg an und legte die Basis für det sich nach der Bundestags- Elisabeth Schwarzhaupt ih- nisterin musste sie sich schon die Bundesgebührenordnung wahl im September. stef PRO KONTRA Soll die Leihmutterschaft Katrin Helling-Plahr Prof. Dr. Godula Bild: DBT/Stella von Saldern FDP, MdB, Mitglied in Kosack den Ausschüssen für Gesundheit Vorstandsvorsitzende legalisiert werden? Bild: Jürgen Kunze sowie für Recht und Terre des Femmes Verbraucherschutz »Aus reiner Nächstenliebe« »Verstoß gegen Menschenrechte« Ein Viertel der Kinderlosen zwischen 20 und 50 Jahren ist unge- Bei der Mietmutterschaft wird das Kind zu einem Vertrags- wollt kinderlos. Der Gesetzgeber muss sich an ihre Seite stellen. gegenstand, die Mutter zu einer Miet-Gebärmutter degra- Wenn eine junge Frau sich mit ihrem Partner Kinder wünscht, diert. Es handelt sich um eine Vermarktung des weiblichen aber nach einer Gebärmutterhalskrebserkrankung keine Kinder Körpers. Er wird zum Gegenstand von Ausbeutung für die mehr austragen kann, verbietet das deutsche Recht der Schwes- Bedürfnisse anderer. Dieser Kinderhandel ist ein Verstoß ge- ter, die ihr gern helfen möchte, dies derzeit. Wenn Wunschel- gen die Menschenrechte. Die Mutter erhält zumeist eine Ent- tern nur durch Leihmutterschaft geholfen werden kann und die lohnung dafür, dass sie ein Kind produziert. Selbst bei der so- Leihmutter selbstbestimmt helfen möchte, hat der Staat kein genannten altruistischen Mietmutterschaft erhält die Frau Recht, dieses Glück zu verhindern. Leihmutterschaft aus rei- eine Aufwandsentschädigung, die oft so hoch ist, dass sie in ner Nächstenliebe muss, an strenge Auflagen geknüpft, erlaubt prekären Verhältnissen eine relevante Summe ist und als ge- werden. Mit der Legalisierung altruistischer Leihmutterschaft tarnte Vergütung fungiert. Aufgrund ungleicher Machtver- wäre letztlich gedient: den Wunschkindern, die in klare Verhält- hältnisse und sozialem Druck bleibt somit fraglich, inwieweit nisse hineingeboren werden, den Wunscheltern und den Leih- auch bei der sogenannten altruistischen Mietmutterschaft müttern, die selbstbestimmt helfen dürfen. von einer freien Entscheidung gesprochen werden kann. 3/2021
Seite 8 SEISMOGRAF K O M M E N TA R Gute Versorgung basiert auf stabilen Finanzen Wenn das Gesundheitswesen in Deutsch- land ein Mietshaus wäre, so lebten in ihm viele Parteien: Von A wie Apotheker oder B wie Beitragszahler über S wie Selbstverwal- tung oder Z wie Zahnärzte. Alle wollen ei- nes: Nachhaltig und sicher wohnen. Das Gebäudemanagement hat also mehrere Auf- gaben: In erster Linie, gut zu wirtschaften. Das heißt, verantwortlich mit den aus dem Hausgeld stammenden Mitteln umzugehen, gleichwohl für wertsteigernde Modernisie- rungen zu sorgen und Investitionen weit- sichtig anzugehen. Als oberster Dienstherr des Gesundheitswesens hat Jens Spahn keine dieser Aufgaben beherzigt. Er hat viel Geld ausgegeben, um die Interessen einzelner Be- rufsgruppen und Institutionen zu bedienen. Das belastet den Haushalt fortlaufend. Ef- fekt: Das Hausgeld – sprich die Beitragsätze – steigt für alle. Mehr noch: der Gesundheits- minister hat die gesamten Finanzierungs- rücklagen der Mieterschaft aufgebraucht, während die Einnahmen der GKV coronabe- dingt insgesamt aufgrund der Kurzarbeit sin- ken. Es tut sich jetzt und für die kommenden Jahre eine fortlaufende Finanzierungslücke von 16 bis 19 Milliarden Euro auf. Eine der- artig hemdsärmelige Finanzpolitik verbietet sich für Sozialversicherungen. Das Verspre- chen muss sein, dass sie nachhaltig Stabilität, hohe Qualität und Verlässlichkeit bieten. Für die kommende Legislatur fordern wir des- halb vom Gesundheitsminister, dass er oder sie für eine seriöse, nachhaltige und stabile Finanzierung von Kranken- und Pflegeversi- cherung sorgt. Zugleich sind die inhaltlichen Herausforderungen immens: Die Digitalisie- rung des Gesundheitswesens ist dringender denn je und der Klimawandel erfordert er- hebliche Investitionen, um die gesundheitli- chen Auswirkungen der Erderwärmung für Alles auf einen Blick die Menschen möglichst zu dämpfen. Anlässlich der Wahl illustriert die Titelgeschichte die Positionen der AOK Baden-Württemberg zu den Themen Finanzierung, Digitalisie- rung, Krankenhaus und Pflege. Parallel erscheint ein Positionspapier Johannes Bauernfeind Vorstandsvorsitzender zur Bundestagswahl. Sie finden es unter aok.de/bw/politik AOK Baden-Württemberg 3/2021
Seite 9 SEISMOGRAF Positionen zur Wahl Die Bundestagswahl stellt die Weichen für das Gesundheits- und Pflegesystem der kommenden Jahre. Die AOK Baden-Württemberg als größte Krankenkasse im Südwesten weiß aus der Praxis, welche Stellschrauben jetzt für eine nachhaltige Entwicklung gedreht werden müssen W enn am 26. Sep- Für Holger Pressel ist die Entwicklung alar- Holger Pressel fordert die Neuverhand- tember gewählt mierend. „So wichtig es ist, dass der Bei- lung eines Zuschusses für alle versiche- wird, stimmen die tragssatz stabil bleibt, es fehlt an einem ver- rungsfremden Leistungen und die Neuver- Bürgerinnen und lässlichen, nachhaltigen und wettbewerbs- messung der wettbewerblichen Rahmen- Bürger auch über orientierten Finanzierungsmodell für die bedingungen in der GKV. Eingriffe in die Fi- das Gesundheitssystem ab. Wie nie zuvor GKV“, betont der Politikchef der AOK Ba- nanzautonomie der Krankenkassen dürften wurde es im vergangenen Jahr diskutiert. den-Württemberg. Sie werde zunehmend sich nicht wiederholen, betont Pressel. Der Die Herausforderungen, die in der kom- von kurzfristigen und zentralen Entschei- Wettbewerb um die beste Versorgung fin- menden Legislaturperiode zu bewältigen de in der Region statt. „Die Krankenkassen sind, gehen aber längst nicht alle auf Co- »Es fehlt an brauchen einen Gestaltungsspielraum für rona zurück. eine adäquate und qualitativ hochwertige einem nachhaltigen Versorgung vort Ort. Hier sind die Kranken- GIGANTISCHES HAUSHALTSLOCH Finanzierungs kassen als Player in der Region gefragt und Die Einnahmen und Ausgaben in der ge- modell« nicht die Politik Berlins“, so Pressel. setzlichen Krankenversicherung (GKV) klaf- fen immer weiter auseinander. Das liegt Dr. Holger Pressel DIGITALISIERUNG MIT NACHDRUCK Leiter Stabsstelle Politik, Verbände & nicht an der Coronakrise, wie manche viel- Gremienmanagement Elektronische Patientenakte, Videosprech- leicht annehmen. Verantwortlich für die stunden: Die Digitalisierung des Gesund- immer größer werdenden Haushaltslücken dungen aus Berlin abhängig. „Wenn die ge- heitswesens schreitet voran. Der Gesetz- in der GKV ist Gesundheitsminister Jens setzlichen Krankenkassen zum Spielball po- geber will den Takt vorgeben und hat mit Spahn. Dessen teure Gesetzgebung – über litischer Entscheidungen nach Kassenlage dem jüngst verabschiedeten Digitale-Ver- 40 Gesetze in einem Volumen von mehr werden, dann fehlt es nicht nur an Nach- sorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Ge- als 40 Milliarden Euro bis 2022 – führen haltigkeit, sondern an jedweder Planbar- setz (DVPMG) binnen zwei Jahren bereits in Kombination mit den Pandemiekosten keit und Verlässlichkeit“, so Pressel. Ins Bild die dritte Regelung geschaffen. Mehr Tem- und wegbrechenden Einnahmen zu gigan- passt, dass Berlin die Pandemie zeitgleich po bei der Digitalisierung des Gesundheits- tischen Defiziten. Um den durchschnittli- dazu genutzt hat, sich der Rücklagen der wesens begrüßt auch Michael Noll, der den chen Zusatzbeitrag bei 1,3 Prozent stabil Krankenkassen zu bemächtigen und die Geschäftsbereich Digitale Innovation der zu halten, sorgt die Bundesregierung mit Selbstverwaltungsorgane zu schwächen. AOK Baden-Württemberg leitet: „Es wur- dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Ge- Spahns Amtszeit ist geprägt von Zentralisie- de höchste Zeit! Deutschland hinkt bei der Bilder: Ferdinando Iannone sundheitsversorgung (GVWG) für einen er- rungsbestrebungen, die wettbewerbliche Digitalisierung des Gesundheitswesens gänzenden Bundeszuschuss im Jahr 2022 Impulse in der Region für eine qualitativ hö- seit Jahren hinterher und es ist gut, dass von mindestens sieben Milliarden Euro. herwertige Versorgung einschränken. sich das jetzt ändert“, so Noll. „Es wurden 3/2021
Seite 10 SEISMOGRAF »Es wird Zeit für sorgung muss sich daran orientieren, wo und wie die Menschen leben wollen“, so einen Technologie- Stenzel. Damit das funktioniert, bedarf es sprung hin zu einer struktureller Anpassungen. Angefangen voll unterstützten bei den Schnittstellen von gesetzlicher digitalen Versorgung, Krankenversicherung und sozialer Pflege- die den Menschen in versicherung über das Zusammenspiel von Prävention, Rehabilitation und Pflege bis den Mittelpunkt stellt« hin zur sektorenübergreifenden Herange- hensweise. „Gerade bei der Aufweichung Michael Noll der Sektoren sind dicke Bretter zu bohren. Geschäftsbereichsleiter Digitale Innovation Eine vernetzte Herangehensweise ist da- für sinnvoll. Alle Gesundheitspartner müs- PFLEGE IN NETZWERKEN sen Hand in Hand arbeiten“, sagt Stenzel. D I G I TA L I S I E R U N G Angesichts der doppelten demografischen Herausforderung wird die Pflege zum Prüf- Deswegen sollten Pflegekassen und Ein- richtungsträger auch die rechtliche Mög- stein der Gesellschaft. Denn: Wie sollen im- lichkeit erhalten, Verträge für sektoren- mer mehr Pflegebedürftige von immer we- übergreifende, integrative Versorgungsan- nicht nur endlich die richtigen Rahmenbe- niger Pflegekräften versorgt werden? Dass gebote zu schließen. dingungen gesetzt, die Umsetzung wird sie schwierig zu beantworten ist, zeigt das auch vorangetrieben. Es gibt erkennbar die Gerangel um die jüngste Pflegereform (sie- KLINIKSTRUKTUR NEU ORDNEN ganzheitliche Vision eines vernetzten Ge- he S. 25). Im Fokus stehen eine bessere Be- Handlungsbedarf macht die AOK auch sundheitswesens“, sagt der AOK-Experte. zahlung von Pflegekräften und die Eigen- beim Thema Krankenhaus aus. Seit Jah- Dafür gelte es aber in den kommenden anteile der Pflegebedürftigen. Für die AOK ren kommen wissenschaftliche Gutachten Jahren, mit einem Technologiesprung die ist klar: „Pflege ist eine gesamtgesellschaft- zu dem gleichen Ergebnis: In Ballungsge- Voraussetzungen zu schaffen. „Die aktu- liche Aufgabe, die Bund, Länder, Kranken- bieten existieren erhebliche Überkapazi- ellen Anwendungen des Gesundheitswe- und Pflegekassen und auch die Versicher- täten; Leistungskonzentration und Spezi- sens, allen voran die elektronische Pati- ten selbst gemeinsam verantworten“, sagt entenakte, basieren noch auf dem alten AOK-Pflegeexperte T hilo Stenzel. Der Ge- »Bund, Länder, technologischen Standard und werden erst setzgeber müsse für die Stabilität der Pfle- Kommunen, Kranken- nach und nach angepasst“, sagt Micha- geversicherung sorgen, insbesondere durch und Pflegekassen sowie el Noll. Entscheidend für den Erfolg sind die staatliche Finanzierung versicherungs- für ihn Gestaltungsspielräume. Die ge- fremder Leistungen durch einen ausreichen- die Versicherten selbst matik solle dafür die Rahmenbedingun- den Bundeszuschuss, zum Beispiel die seit stehen in gemeinsamer gen setzen und nicht auch noch selbst mit Langem geforderte Steuerfinanzierung der Verantwortung« eigenen Lösungen am Wettbewerb teil- Rentenversicherungsbeiträge für pflegende nehmen, wie etwa mit der E-Rezept-App. Angehörige. Das bestehende Teilleistungs- Thilo Stenzel Die Krankenkassen bieten mit der elekt- system bedarf insgesamt einer dringenden, Geschäftsbereichsleiter Verhandlungen und ronischen Patientenakte ihren Versicher- aber gleichwohl behutsamen Weiterent- Verträge – Care ten die zentrale Plattform, mit der sie Zu- wicklung, um Pflegebedürftige und de- griff auf alle Daten haben. Deren Inhalte in ren Angehörige zu entlasten. Die Eigenleis- den kommenden Jahren sowie beispiels- tungen der Versicherten bleiben dabei aber weise Zugriffsrechte einzelner Akteure sind auch zukünftig wichtig. Ausgewählte för- bis ins kleinste Detail im Gesetz geregelt. derungswürdige Leistun- „Diese Reglungstiefe geht deutlich zu weit gen, wie die Kurzzeit- und nimmt den Krankenkassen den Spiel- pflege, sollen voll durch raum bei der Ausgestaltung“, so Noll. Die AOK engagiert sich stark in regionalen Ver- die Pflegeversicherung übernommen werden. PFLEGE netzungsvorhaben, wie der elektronischen „Als Pflegekasse Arztvernetzung, welche die Versorgung vor setzen wir uns dafür Ort konkret verbessert und die Ärzte or- ein, das Alter neu zu ganisatorisch entlastet. „Solche regiona- sehen – als eine Phase len Lösungen sollen auch in Zukunft ihren mit Möglichkeiten und Raum in einem vernetzen Gesundheits- nicht mit Beschrän- wesen haben“, sagt Michael Noll. kungen. Die Pflegever- 3/2021
Seite 11 SEISMOGRAF »In der Pandemie von Versorgungsstufen mit festgelegten Leistungsgruppen sowie personellen und hat sich gezeigt, strukturellen Kriterien und rechtssicher dass wir eine ausgebauten Mindestmengen. klarer geordnete Auch bei der Digitalisierung gibt es Krankenhaus- Nachholbedarf. Anders als bei den mit dem landschaft brau- Krankenhauszukunftsgesetz initiierten In- vestitionen in moderne Notfallkapazitäten chen, gestaffelt sollten hier aber nicht Gelder mit der Gieß- von der Basis- bis kanne verteilt werden. Stattdessen müsse zur Spitzenver- sich die Förderung auf die bedarfsnotwen- sorgung« digen Häuser konzentrieren. Eine dritte Auf- lage des Krankenhausstrukturfonds sei nö- tig. Hauptaugenmerk müsse dabei der Ab- KRANKENHAUS Carla Nonnenmacher Geschäftsbereichsleiterin bau von Doppelstrukturen sein. Sollten Verhandlungen & Verträge – Stationär die Länder weiterhin zu wenig in die Klini- ken investieren, müssten die Kassen ent- alisierung findet hingegen zu wenig statt. nenmacher, Geschäftsbereichsleiterin Ver- sprechende Investitionskostenaufwendun- Zudem kommen die Bundesländer nur un- handlungen & Verträge überzeugt. Sie gen aus dem Gesundheitsfonds erhalten. zureichend ihrer Aufgabe nach, die Investi- erläutert: „Fast jede vierte an Covid-19 er- Zudem ist noch eine weitere Vorausset- tionskosten der Krankenhäuser zu tragen. krankte Person musste wieder verlegt wer- zung zu schaffen: die Weiterentwicklung „In der Coronapandemie hat sich einmal den, weil sie nicht in ein geeignetes Kran- der derzeitigen Vergütung zu einem leis- mehr gezeigt, dass wir eine klarer geord- kenhaus eingeliefert worden war. Mit tungsgerechten und pauschalierten Vergü- nete Krankenhauslandschaft brauchen, einer gestaffelten Struktur hätte man das tungssystem. „Wir müssen die Versorgung und zwar gestaffelt von der Basis- bis zur vermeiden können.“ Die AOK plädiert da- noch stärker unter Qualitätsaspekten Spitzenversorgung“, zeigt sich Carla Non- her für bundeseinheitliche Regelungen und vom Patienten her betrachten“, resü- miert Nonnenmacher. Dazu gehöre auch, dass sektorenübergreifende Versorgungs- Kernforderungen der AOK Baden-Württemberg ideen kollektivvertraglich umgesetzt wer- den können. Hier seien allerdings erst ein- Das Gesundheits- und Pflegesystem muss nachhaltig weiterentwickelt und mal entsprechende Rechtsgrundlagen zu resilienter gegen Pandemienwerden. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben darf schaffen. roha, gh, ink, awa nicht a llein die gesetzliche Krankenversicherung tragen. Die Autonomie der Kassen muss gewahrt bleiben. Keine weiteren Eingriffe in die Selbstverwaltung. »Eingriffe in die Finanzautonomie Es braucht stabile finanzielle Verhältnisse, die durch einen verlässlichen Bundeszuschuss gesichert sind, und eine klare Strategie, wie Kosten eingespart der Kassen werden können, ohne die Versorgungsqualität zu gefährden. Fairer Wettbewerb dürfen sich nicht muss gefördert werden durch eine solidarische Wettbewerbsordnung mit einem wiederholen« zielgenaueren Morbi-RSA, der die Risikoselektion weiter verhindert. Dr. Holger Pressel Die Krankenkassen bieten ihren Versicherten mit der ePA die zentrale Platt- Leiter Stabsstelle Politik, form zum Zugriff auf die Gesundheitsdaten. Sie brauchen Gestaltungsspielräu- Verbände & Gremien management me, um dabei Mehrwerte zu schaffen und den Technologiesprung in ein voll vernetztes Gesundheitswesen zu vollenden. Die Pflegeversicherung sollte solidarisch gestaltet werden. Für Finanzstabilität würde ein Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen sorgen. Pflege leistungen sind unabhängig vom Wohnort zu denken. Die Sektorengrenzen müssen überwunden werden, damit Pflege in Netzwerken geplant werden kann. In der Krankenhauslandschaft muss die Zentrenbildung vorangetrieben werden. Es braucht bundeseinheitliche Vorgaben für Leistungsgruppen, personelle und strukturelle Kriterien sowie Mindestmengen für eine qualitative Versorgung. FINANZEN 3/2021
Seite 12 GESUNDHEIT & VERSORGUNG Bild: istockphoto.com © fizkes Generation Weit verbreitet: 17 Prozent der Deutschen sind betroffen Chronischer Schmerz ist vor allem eine Kopfsache Immer mehr Menschen in Deutschland sind von chronischem Schmerz betroffen. Die Dauerqualen sind längst eine Volkskrankheit wie Diabetes und Bluthochdruck A n jedem ersten nische Schmerzen jährliche Kosten von Schmerz gelernt und es hat sich mit der Zeit Dienstag im Juni fin- schätzungsweise 38 Milliarden Euro. Da- ein Schmerzgedächtnis gebildet. Geringste det der Aktionstag von sind etwa zehn Milliarden Euro Be- Reize können dann Schmerzen auslösen – gegen den Schmerz handlungskosten. Den Löwenanteil der auch wenn keine klare Ursache vorliegt. statt. Schmerzpati- Kosten verursachen aber Krankengeld, Darum ist es wichtig, Schmerzen recht- entinnen und -patienten sowie deren An- zeitig zu behandeln, um diese Spira- gehörige können sich über Behandlungs- »Man kann das le zu durchbrechen. Bei leichten bis mä- möglichkeiten informieren und beraten ßigen Schmerzen kommen nicht opioi- lassen. Organisiert wird die Veranstaltung Schmerzgedächtnis de Schmerzmittel zum Einsatz. Wenn die- von der Deutschen Schmerzgesellschaft. umprogrammieren se erfolglos sind, wird eine individuel- Denn: In jedem dritten Haushalt in Euro- und den Schmerz le Schmerztherapie verordnet. Parallel zur pa lebt ein Mensch, der unter Schmerzen auch wieder medikamentösen Behandlung empfiehlt leidet. Etwa 17 Prozent aller Deutschen die Schmerzmedizin Patientinnen und Pa- verlernen« sind von lang anhaltenden, chronischen tienten einen gesunden Lebensstil. Sich Schmerzen betroffen – mehr als zwölf Mil- so viel wie möglich zu bewegen, kann ei- Prof. Dr. Angela Dieterich lionen. Durchschnittlich dauert ihre Lei- Hochschule Furtwangen University (HFU) ne wichtige Rolle spielen. „Jeder Schritt ist densgeschichte sieben Jahre, bei mehr auch ein Schritt aus dem Schmerz heraus“, als 20 Prozent über 20 Jahre. Die Betrof- Arbeitsausfall und Frühberentung. sagt Angela Dieterich von der Hochschule fenen leiden nicht nur unter dem Dauer- Die Schmerzforschung zeigt: Ein anhalten- Furtwangen University (HFU). „Man kann schmerz, sondern auch unter körperlichen der, starker Schmerzreiz führt zu einem das Schmerzgedächtnis umprogrammie- Einschränkungen im Alltag. Dies geht oft Lernprozess im Rückenmark. Während der ren und den Schmerz auch wie- mit depressiver Stimmung, angstvollen Ge- akute Schmerz zeitlich begrenzt ist, wird der verlernen.“ Dabei können ei- danken, Schlafstörungen und verminderter chronischer Schmerz als Dauerschmerz be- ne kognitive Verhaltensthera- Konzentration einher. zeichnet. Die Nervenbahnen übertragen pie bei einer Psychotherapeutin Die Folgen für das Gesundheitssys- den elektrischen Reiz dann immer wie- oder Psychotherapeuten und ein tem sind gravierend. Laut der Deutschen der. Die Nervenzellen reagieren zunehmend Schmerztagebuch helfen. srö Schmerzgesellschaft verursachen chro- überempfindlich. Das Nervensystem hat den schmerzgesellschaft.de; hs-furtwangen.de 3/2021
Seite 13 GESUNDHEIT & VERSORGUNG Bei Cannabis auf Rezept S TA N D P U N K T ist vieles ungeklärt Seit nun vier Jahren dürfen Ärztinnen und Ärzte Cannabis verordnen. Gudula Kirtschig Hauptindikation sind chronische Schmerzen. Vor der Verordnung müssen Expertin für medizinische Voraussetzungen erfüllt sein und jeder Fall sorgfältig geprüft werden Bild: C. Zocher Qualitätsförderung der AOK Baden-Württemberg S eit 2017 dürfen Ärztinnen und Ärzte unter bestimmten Voraussetzungen Patienten lichen Anleitung auf Leistungspflicht hin begutachtet. Ein Problem, das alle Betei- ligten eint, ist die Frage, ob eine Krank- CANNABIS mit einer schwerwiegenden Erkrankung Cannabinoide verordnen, wenn keine heit schwerwiegend ist und welche ge- nauen Behandlungsvarianten der Patient Noch fehlen andere Behandlungsoption zur Verfü- vorher erfolglos absolviert haben muss, Erkenntnisse gung steht und der Einsatz von Cannabis bevor ihm Cannabis verordnet werden Aussicht auf eine spürbare Verbesserung darf. Denn dies ist gesetzlich nicht Das Genehmigungsverfahren für die Verordnung von Cannabinoiden ist in Deutschland ziemlich aufwendig. Es erfordert von den Ärztinnen und den Ärzten sowie den Krankenkas- sen, in jedem Einzelfall zu entschei- den, was eigentlich eine schwer- wiegende Krankheit ist und ob die Patientin oder der Patient bereits hinreichend und auch erfolglos mit Therapiealternativen behandelt wur- de. Die Ärztinnen und Ärzte müssen zudem auf einer bisher lückenhaf- Bild: Adobestock.com © Visual Generation ten wissenschaftlichen Erkenntnis- basis zum Thema einschätzen, ob die Patientin oder der Patient von die- ser Therapieform wirklich profitie- ren würde. Der Gesetzgeber hat mit gutem Grund geregelt, dass anhand einer Begleitstudie genau zu ermitteln ist, verspricht. Die Krankenkassen müssen genau definiert. Klarheit unter anderem ob das aktuelle Verfahren auch wirk- die Verordnungen in jedem Einzelfall über die genaue medizinische Wirkung lich funktioniert, bei welchen Indi- sorgfältig prüfen und bei positivem Er- und den möglichen Erfolg der Cannabis- kationen es angewandt wird und gebnis genehmigen. In der Regel werden arzneimittel soll eine Begleiterhebung bei welchen die Behandlung den die Anträge dem Medizinischen Dienst des Bundesinstituts für Arzneimittel und Patientinnen und Patienten wirk- vorgelegt, der sie nach einer einheit- Medizinprodukte bringen. ink lich hilft. Leider beteiligen sich der- zeit nicht alle Ärztinnen und Ärz- te, die Cannabis verordnen, auch an dieser Begleiterhebung. Das wird ei- So macht es die AOK ne Beurteilung der Effektivität und des Prozesses sicherlich allgemein er- Auch die AOK Baden-Württemberg erhält Anträge auf Kostenübernah- schweren. In sechs Monaten nach me einer Cannabistherapie. Die Prüfung einer Genehmigung der Therapie Übermittlung des Abschlussberichts in jedem Einzelfall ist nötig, weil für Cannabinoide keine arzneimittelrecht- soll der Gemeinsame Bundesaus- liche Zulassung besteht. Daher ist der Anspruch des Fünften Sozialgesetz- schuss dann Näheres zur Leistungs- buchs nicht erfüllt, wonach die jeweilige Leistung dem aktuellen Stand der gewährung regeln. medizinischen Erkenntnis entsprechen muss. 3/2021
Seite 14 HIER & JETZT MELDUNGEN MODELLPROJEKTE & ERFAHRUNGEN Sport stärkt Psyche Studienprogramm. Regelmäßige sportli- che Aktivität kann die Symptome von Depres- sionen, Panikstörungen oder Schlafstörun- gen lindern. Doch gerade psychisch Erkrank- ten in der ambulanten Akutversorgung fällt es schwer, sich dazu aufzuraffen. Diesen Miss- stand möchte das Projekt „ImPuls“ des Insti- tuts für Sportwissenschaft der Uni Tübingen verändern. Seit März haben 600 Versicherte der AOK und der TK die Möglichkeit, in zehn regionalen sport- und bewegungstherapeuti- schen Zentren an dem Programm teilzuneh- men. Dabei soll überprüft werden, ob das vom Innovationsfonds geförderte Projekt dauerhaft in die Regelversorgung von psychisch Erkrank- Bild: iStockphoto.com © CasarsaGuru ten integriert werden kann. Neben der Eber- hard Karls Universität Tübingen als Projektlei- tung und der AOK sind weiter die TK, die LMU München, die TU München sowie der Deutsche Verband für Gesund- Die Seele fit machen: Regelmäßige Bewegung heitssport und Sporttherapie e.V. verbessert die psychische Gesundheit am Projekt beteiligt. impuls.uni-tuebingen.de Neue Standorte für Ernährungshilfe gegen die Wissenschaft Mangelernährung Gesundheitsforschung. Tübingen, Ulm und Klinikkonzept. Jeder vierte Tumorerkrankte stirbt nach Angaben der Uniklinik Mannheim sollen künftig stärker vernetzt zur Tübingen nicht am Tumor, sondern an den Folgen von Mangelernährung. Das bundesweiten Gesundheitsforschung bei- versucht das Ernährungsteam der Uniklinik Tübingen seit 2015 zu ändern. Viele tragen. Ulm wird einer von sieben Standor- Patientinnen und Patienten werden bereits mangelernährt ins Krankenhaus auf- ten des Deutschen Zentrums für Kinder- und genommen. Häufig sind davon ältere Menschen betroffen, die aufgrund ihrer Jugendgesundheit. Tübingen und Mann- Erkrankung nicht mehr richtig essen, weil es zum Beispiel schmerzhaft ist. heim gehören zum neuen Deutschen Zent- Dadurch fehlen ihnen wichtige Nährstoffe. Das Team von der Stabsstelle Ernäh- rum für Psychische Gesundheit, das bundes- rungsmanagement will sein Konzept mit anderen Kliniken im Land teilen, um weit ebenfalls sieben Standorte hat. Die Zu- die Situation zu verbessern. Dabei wollen die Ernährungsexpertinnen und -exper- sammenschlüsse sollen nach dem Willen des ten zunächst herausfinden, wie viele Fachkräfte es bereits an den Kliniken in Bundesforschungsministeriums Fachwissen Baden-Württemberg gibt und wo Unterstützungsbedarf besteht. bündeln und die Forschung schneller voran- bringen. In Ulm stehen Hormonsystem, Stoff- wechsel, Immunsystem und Körperabwehr Einladung zum Darm-Check wirkt sowie psychische Gesundheit bei Kindern und Vorsorgeprogramm. Seit zehn Jahren versendet die AOK Baden-Württemberg Jugendlichen im Mittelpunkt. Mit Hirnstimu- an alle 55- bis 59-jährigen Teilnehmenden ihres Haus- und FacharztProgramms Ein- lation, verstärkter Psychotherapie und rech- ladungsschreiben zum Darm-Check. Diese Erinnerung an die Vorsorgekolosko- nergestützter Psychiatrie wollen Tübingen pie wirkt sich positiv auf die Darmkrebsinzidenz aus. Zu diesem Schluss kommt ei- und Mannheim die Grundlagen für eine bes- ne aktuelle Analyse der Daten aus den AOK-Haus- und FacharztProgrammen in sere Behandlung von Menschen mit psychi- Baden-Württemberg. Demnach lag die Inzidenzrate der über 50-jährigen Versi- schen Krankheiten legen. In den kommenden cherten in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) im Jahr 2019 im Vergleich zu Monaten sollen Konzepte entwickelt werden, 2010 bei -21,2 Prozent, in der Regelversorgung bei -5 Prozent. Pro 100.000 Versi- wie dies umgesetzt werden kann. Danach cherten entspricht dies einem Rückgang von 229,1 auf 180,5 Fälle in der HZV und beginnt die Förderphase, an der Bund und von 206,1 auf 195,7 Fälle in der Regelversorgung. Diese Entwicklung ist bei Frauen Land mitwirken. weniger zur beobachten, es profitieren besonders Männer. 3/2021
Seite 15 HIER & JETZT Wo das Atmen schwerfällt 3,4 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter der Lungenkrankheit COPD. Menschen in Baden-Württemberg sind seltener betroffen Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung betrifft haupt- sächlich Menschen in höherem Alter. In Deutschland leben circa 3,4 Millionen Menschen mit der Diagnose COPD. SCHLESWIG-HOLSTEIN Das entspricht 7,1 Prozent der erwachsenen Bevöl- 6,48 % kerung ab 40 Jahren. Wie der „Gesundheitsatlas MECKLENBURG-VORPOMMERN COPD“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK BREMEN 6,92 % (WIdO) zeigt, ist der Anteil der COPD-Erkrankten in 6,96 % Baden-Württemberg im Vergleich der Bundeslän- HAMBURG der mit 5,8 Prozent am niedrigsten, den höchs- 6,58 % BERLIN ten Anteil hat Berlin mit 8,6 Prozent. Auf Kreis- 8,60 % ebene findet sich der bundesweit niedrigste NIEDERSACHSEN COPD-Anteil mit 4,5 Prozent im 7,29 % baden-württembergischen Kreis BRANDENBURG Biberach, der höchste in der nord- rhein-westfälischen Stadt Gelsen- SACHSEN-ANHALT 7,27 % NORDRHEIN-WESTFALEN kirchen mit 12,1 Prozent. 8,40 % 7,90 % Die Erkrankung wird in den meisten Fällen durch das Rauchen verursacht, deswegen gilt Rauch- SACHSEN prävention als wichtigste Strate- HESSEN THÜRINGEN 6,04 % gie zur Vermeidung künftiger 6,45 % 8,02 % COPD-Erkrankungen. Bei der RHEINLAND-PFALZ AOK Baden-Württemberg gab es 7,42 % 2020 rund 170.000 Versicherte SAARLAND COPD: Baden-Württemberg mit COPD. Um die Gesundheits- 8,11 % hat den niedrigsten Länder- kompetenz lungenkranker Patien- schnitt. Der Bundesdurch- ten wirksam zu stärken und dadurch schnitt beträgt 7,1 Prozent die Versorgung zu verbessern, erweitert die AOK Baden-Württemberg im Juli ihr Facharzt BAYERN Programm um das Fachgebiet Pneumologie. BADEN-WÜRTTEMBERG 6,19 % Speziell für COPD-Patientinnen und -Pati- 5,83 % enten werden dadurch mehr Gesprächs- leistungen ermöglicht und vergütet. Ein Schwerpunkt liegt auf den Themen Rauchstopp und Tabakentwöhnung. COPD IN DER WOHNBEVÖLKERUNG BADEN-WÜRTTEMBERGS: PATIENTENVERTEILUNG NACH ALTER FRAUEN MÄNNER 30.000 Quelle: Gesundheitsatlas Deutschland – COPD © WIdO 2021 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 40 bis 44 45 bis 49 50 bis 54 55 bis 59 60 bis 64 65 bis 69 70 bis 74 75 bis 79 80 bis 84 85 bis 89 1/2021
Seite 16 STANDPUNKT FORSCHUNG Neue Impulse für das Land Innovationen im Gesundheitswesen bringen die Versorgung im Land voran. Eine der treibenden Kräfte ist dabei die AOK Baden-Württemberg Da passt es gut, dass sich in die- titutionen nicht nur bei neuen sem Jahr die Krankenkassen und Ideen und Projekten. Sie bringt ihre Verbände im Land mit den auch evidenzbasierte Konzepte Universitätskliniken Tübingen, in die Praxis und unterstützt die Ulm, Freiburg und Heidelberg Grundlagenforschung. Dadurch über die vertraglichen Rahmen- werden Problembereiche aufge- bedingungen zu den Zentren für deckt. Leistungserbringer kön- Personalisierte Medizin (ZPM) nen die Entwicklung neuer Kon- und deren Vergütung geeinigt zepte mitgestalten und aktuelle haben. Bei einer ZPM-Behand- wissenschaftliche Erkenntnisse in lung findet eine umfangreiche die Versorgung einbringen. molekulare Diagnostik und de- Die Basis bei allen Projek- ren Bewertung im sogenann- ten und Maßnahmen ist ein Ver- ten interdisziplinären Molekula- ständnis von Public Health, bei ren Tumorboard statt. So lässt dem eine sektorenübergreifen- sich eine bessere Therapieemp- de Versorgung und eine lebens- fehlung, beispielsweise bei einer lauforientierte Gesundheitsfor- Bilder: (c) Matthias Schmiedel Krebserkrankung, geben. Dass schung im Vordergrund stehen. die AOK Baden-Württemberg Ziel der Forschung ist immer der hier im Verbund mit den ande- weitestmögliche Erhalt von Teil- ren Krankenkassen beteiligt ist habe, Selbstbestimmung und und den Rahmenvertrag für die Lebensqualität der oft älteren D er Koalitionsvertrag ZPM mit vorangetrieben hat, ist Menschen in rehabilitativer und der neuen Landes- nicht verwunderlich. pflegerischer Versorgung. Da- »Die Brücken regierung umfasst Die AOK im Land ist dafür be- zu gehört es, Pflegebedürftig- zwischen stolze 162 Seiten. Immerhin kannt, sich in alle Gesundheits- keit hinauszuzögern und – wo Forschung auf fünf Seiten beschreiben und Pflegethemen einzubringen möglich – zu verhindern. Bei be- Grüne und Union, wie der und ihre regionalen Gestaltungs- stehender Pflegebedürftigkeit und Praxis Themenkomplex Gesundheit spielräume zu nutzen. Schon vor sollen Ressourcen erhalten und sollten weiter weiterentwickelt werden soll. Jahren hat sie beispielsweise die genutzt werden. ausgebaut Besonders ist zu begrüßen, dass Reha- und Pflegeforschung als Ein gutes Beispiel hierfür ist und gefestigt die Koalitionäre Baden-Würt- eigenen Bereich etabliert. Der das Präventionsprogramm Pro- temberg in der kommenden Anspruch dabei ist, Brücken zwi- meTheus für mehr Teilhabe im werden« Legislaturperiode zum Vorreiter schen Forschung und Praxis zu Alter (siehe Seite 18). Die AOK bei der Digitalisierung im Ge- bauen. In einer Vielzahl von Pro- Baden-Württemberg beglei- sundheitswesen machen wollen. jekten bringt ein Team von en- tet so die Gestaltung einer al- Peer-Michael Dick Alternierender Vorsitzender Neben einer Weiterentwicklung gagierten Wissenschaftlerin- tersfreundlichen Gesellschaft des Verwaltungsrates der der Strategie zur Digitalisierung nen und Wissenschaftlern der und übernimmt dabei Verant- AOK Baden-Württemberg, Arbeitgeberseite in Medizin und Pflege sollen AOK Baden-Württemberg For- wortung für den Erhalt der Wür- unter anderem die Förderung schungsinstitute und Leistungs- de jedes Menschen in allen Le- der Künstlichen Intelligenz (KI) erbringer zusammen. So kann bensphasen. Das ist ein zentraler und der personalisierten Medizin Versorgung innovativ weiterent- A spekt, damit eine solidarische Schwerpunkt der Arbeit in der wickelt werden. Die AOK unter- Gesundheitsversorgung dauer- aktuellen Legislaturperiode sein. stützt dabei als Partnerin die Ins haft gelingt. 2/2021
Seite 17 STANDPUNKT ERDERWÄRMUNG Aktiver Gesundheitsschutz Der Klimawandel hat schon heute negative Auswirkungen. Mit ihrer Umweltstrategie 2030 will die AOK Baden-Württemberg nachhaltig handeln E s ist zwar nur ein klei- Und dass nachhaltiges Han- genommen. Der Klimawandel ist ner Wald, aber dafür deln und der wirtschaftlich, erfahrbar geworden, beispiels- mit umso größerer ökologisch und sozial verant- weise durch die Zunahme von »Die AOK Symbolkraft. Als im vergangenen wortungsvolle Umgang mit Res- Waldbränden und Waldsterben packt Jahr AOK-Vorstandschef Johan- sourcen im Interesse der Versi- oder extremer Wetterlagen und beim nes Bauernfeind gemeinsam mit chertengemeinschaft ist, liegt höhere Temperaturen. 2020 gab dem damaligen Umweltminister auf der Hand. Denn der Klima- es schätzungsweise 4.000 hit- Klimaschutz Franz Untersteller den Spaten- wandel birgt enorme Risiken zebedingte Todesfälle. Beson- an – stich für den AOK-Wald mit über für die Gesundheit. Bereits heu- ders nachdenklich stimmt dabei: immer im 5.000 Bäumen setzte, war das te zeichnen sich Auswirkungen Es trifft vor allem die Älteren, ein deutliches Zeichen für Nach- auf Herz-Kreislauf- und Atem- Personen mit Vorerkrankungen, Sinne ihrer haltigkeit, verbunden mit einer wegserkrankungen sowie auf Kleinkinder und Menschen, die Versicherten klaren Botschaft: Klimaschutz die Verläufe von Infektionen ab. bei Hitze arbeiten müssen. Für und in und Gesundheit hängen eng Klimaschutz ist deshalb auch Ärztinnen und Ärzte bedeutet zusammen. Denn Wälder binden Gesundheitsschutz und muss als diese Entwicklung eine zuneh- vielen nicht nur CO2 und produzieren solcher im Gesundheitswesen mende Herausforderung. Ins- Projekten« Sauerstoff – sie erfüllen auch anerkannt werden. gesamt gilt: Wir müssen die Zu- eine wichtige Funktion als Ort sammenhänge weiter erforschen Monika Lersmacher der Ruhe und Erholung. »Der und unser Handeln so verän- Alternierende Vorsitzende des Die größte Krankenkasse im Klimawandel dern, dass sich die nächsten Ge- Verwaltungsrates der AOK Baden-Württemberg, Land nimmt ihre Verantwor- nerationen auf eine lebenswerte tung ernst. Das zeigen viele Pro- ist bereits Zukunft freuen können. Versichertenseite jekte als Teil des Umweltpro- erfahrbar gramms greenAOK, das die AOK geworden« Baden-Württemberg seit 2013 vorantreibt. Im Herbst 2020 ist Wie wichtig das ist, zeigt ein sie als deutschlandweit erste ge- Statement von Eckart von setzliche Krankenkasse dem Hirschhausen, Mediziner und Klimabündnis des Landes Ba- Gründer der Stiftung „Gesunde den-Württemberg beigetreten. Erde – Gesunde Menschen“, auf Dieses verfolgt das Ziel der Ver- der diesjährigen Pressekonferenz einten Nationen, die Erderwär- der Deutschen Gesellschaft für mung auf maximal 1,5 Grad zu Innere Medizin. Seiner Meinung begrenzen. In ihrer „Umwelt- nach bleibt die Klimakrise die strategie 2030“ hält die Gesund- größte Gesundheitsbedrohung heitskasse fest: Spätestens in des 21. Jahrhunderts. Diese The- neun Jahren will sie klimaneu- se unterstützen der Weltärzte- tral wirtschaften und nachhal- bund, die Weltgesundheitsor- tiges Handeln in die Unterneh- ganisation, der Lancet Climate mens-DNA integriert haben. Das Countdown, die Leopoldina und ist wichtig, denn auch die AOK viele andere Institutionen. hinterlässt einen CO2-Fußab- Und in der Tat: Die meisten druck – und der soll sukzessive von uns haben die Veränderun- immer kleiner werden. gen in der Natur bereits wahr- 3/2021
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