Praxis der Konfliktprävention - Vertragsrecht Ab 2022 neues Recht für Warenkaufverträge und Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen

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Praxis der Konfliktprävention - Vertragsrecht Ab 2022 neues Recht für Warenkaufverträge und Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen
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Praxis der Konfliktprävention – Vertragsrecht
Ab 2022 neues Recht für Warenkaufverträge und Verträge über
digitale Inhalte und Dienstleistungen

Einleitung
Bereits vor mehr als zwei Jahren (am 20. Mai 2019) ver-                        Zur Erhöhung von Funktionsfähigkeit und IT-Sicherheit er-
abschiedeten das Europäische Parlament und der Rat der                         worbener Geräte mit digitalen Inhalten (bspw. Smartpho-
Europäischen Union sowohl die EU-Warenkaufrichtlinie                           nes, vernetzte Fernseher und Haushaltsgeräte) gilt künf-
(WK-RL1) als auch die EU-Richtlinie über digitale Inhalte                      tig bspw. im Verbraucherrecht eine Update-Pflicht, d.h.
und Dienstleistungen (DID-RL2). Mit ihnen schafft die EU                       der Verkäufer muss dem Verbraucher auch noch nach
für bestimmte Aspekte des Warenkaufs (insbesondere                             Übergabe für einen gesetzlich nicht genau bestimmten
Kaufverträge über Sachen mit digitalen Elementen) und                          Zeitraum Software-Updates kostenfrei bereitstellen, da-
des sonstigen Angebots digitaler Inhalte und Dienstleis-                       mit es weiterhin als mangelfrei gilt. Neu ist auch, dass per-
tungen einen neuen, sich ergänzenden und harmonisier-                          sonenbezogene Daten von Verbrauchern als Währung
ten Rechtsrahmen. Er war von allen Mitgliedstaaten bis                         für Dienstleistungen anerkannt werden.
zum 1. Juli 2021 in nationales Recht umzusetzen und ist
                                                                               Die Änderungen betreffen allerdings nicht nur Digitali-
auf Verträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen wer-
                                                                               sierungsaspekte und den Verbraucherschutz. Ab dem
den, anzuwenden.
                                                                               kommenden Jahr wird auch der allgemeine Sachmangel-
Der deutsche Bundesgesetzgeber kam seinen Pflichten                            begriff für alle Kaufverträge grundlegend neu definiert
pünktlich nach und hat im Rahmen der Gesetzgebungsof-                          (auch B2B). Höchste Zeit also, das Unternehmer und Un-
fensive zum Schluss der 19. Wahlperiode des Deutschen                          ternehmen sich in den verbleibenden Monaten fragen
Bundestags mit dem Gesetz zur Regelung des Verkaufs                            und prüfen, welches ihre vertraglichen Pflichten schon
von Sachen mit digitalen Elementen und anderer As-                             sehr bald sein werden und ob sie ihre Verträge und Allge-
pekte des Kaufvertrags vom 25. Juni 2021 die EU-Richtli-                       meinen Geschäftsbedingungen (AGB) nun anpassen müs-
nien in deutsches Recht umgesetzt. Es wurde am 30. Juni                        sen.
2021 verkündet3, tritt am 1. Januar 2022 in Kraft und führt
                                                                               Nachfolgend geben wir unseren Lesern einen ersten
insbesondere zu Anpassungen und Ergänzungen der Vor-
                                                                               Überblick zu wesentlichen Regelungsinhalten des ab Jah-
schriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Die Recht-
                                                                               resanfang geänderten deutschen Rechts und einen Aus-
sänderungen werden teils als „revolutionär“ und sogar als
                                                                               blick auf etwaigen Handlungsbedarf.
bedeutendste Änderung des BGB seit der Schuldrechtsre-
form von 2002 bezeichnet.

                                                                               2
1   Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom         Richtlinie (EU) 2019/770des Europäischen Parlaments und des Rates vom
    20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs,         20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung
    zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG       digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen.
                                                                               3
    sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG (ABl. L 136 vom 22.5.2019,       Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 37, ausgegeben zu Bonn am 30.
    S. 28; L 305 vom 26.11.2019, S. 66).                                           Juni 2021, S. 2133-2136.

                                                                                                                                         Juli 2021 I Seite 1
Praxis der Konfliktprävention - Vertragsrecht Ab 2022 neues Recht für Warenkaufverträge und Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen
Digitale Elemente, Inhalte und                                  Erweiterung des Sachmangelbegriffs in Verbrauchsgü-
                                                                terkaufverträgen (Einführung der „Update-Pflicht“ für
Dienstleistungen
                                                                Sachen mit digitalen Elementen):
Zuvor eine Orientierung zu neuen Begrifflichkeiten: Unter
                                                                Im Verbrauchsgüterkaufvertrag gilt ab 2022 zudem ein er-
„Sachen mit digitalen Elementen“ und Angeboten mit „di-
                                                                weiterter Sachmangelbegriff für Kaufverträge über Sa-
gitalen Inhalten und Dienstleistungen“ versteht der Ge-
                                                                chen mit digitalen Elementen, bei denen sich der Unter-
setzgeber eine Sache, die in einer solchen Weise digitale
                                                                nehmer bereits im Kaufvertrag verpflichtet, dass er oder
Inhalte oder digitale Dienstleistungen enthält oder mit
                                                                ein Dritter dem Verbraucher digitale Elemente bereit-
ihnen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne diese
                                                                stellt. Sachen mit digitalen Elementen sind dann frei von
digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen nicht er-
                                                                Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjekti-
füllen kann (bspw. Smart-TVs). Digitale Elemente, die dau-
                                                                ven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und,
erhaft bereitzustellen sind, können aber auch Daten sein
                                                                in Bezug auf die digitalen Elemente, den Installationsan-
(bspw. Verkehrsdaten in einem Navigationssystem oder
                                                                forderungen entsprechen. In objektiver Hinsicht ist der
in einer Smartphone-App). Verkäufer müssen gegenüber
                                                                Unternehmer zukünftig verpflichtet, dem Verbraucher
dem Verbraucher dafür sorgen, dass die in der Ware ent-
                                                                während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des
haltenen digitalen Elemente während des (typischen) Be-
                                                                Zwecks der Sache und ihrer digitalen Elemente sowie un-
reitstellungszeitraums aktuell und damit mangelfrei sind
                                                                ter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Ver-
und bleiben.
                                                                trags erwarten kann, Aktualisierungen bereitzustellen,
Damit sind nicht nur Unternehmen der Multi-Media-               die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Sache erfor-
Branche oder Internetwirtschaft betroffen, sondern es           derlich sind, und er hat den Verbraucher über diese Aktu-
sollten sich auch Unternehmen „klassischer“ Branchen            alisierungen zu informieren. Den Verkäufer trifft daher
wie bspw. der Automobilindustrie, die heutzutage eben-          eine Aktualisierungs- und Informationspflicht („Update-
falls nicht mehr ohne Software oder andere digitale Ele-        Pflicht“).
mente (bspw. Verkehrsdaten) auskommt, mit den künfti-
                                                                Hinsichtlich der Dauer der Aktualisierungs- und Informa-
gen rechtlichen Anforderungen vertraut machen. Schließ-
                                                                tionspflicht stellt das Gesetz auf den Zeitraum ab, den der
lich steht im Fokus der Gesetzgebung zwar die Verbesse-
                                                                Verbraucher aufgrund der Art und des Zwecks der Sache
rung des Verbraucherschutzes (B2C), aber auch Verträge
                                                                und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichti-
zwischen Unternehmen müssen auf den Prüfstand ge-
                                                                gung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten
stellt werden (B2B).
                                                                kann. Während des vereinbarten Zeitraums sind die digi-
                                                                talen Elemente dem Verbraucher fortlaufend zur Verfü-
Umsetzungen der WK-RL                                           gung zu stellen. Die Aktualisierungs- und Informations-
Neudefinition des allg. „Sachmangels“ in § 434 BGB:             pflichten laufen für den Bereitstellungszeitraum, min-
                                                                destens aber für einen Zeitraum von zwei Jahren ab der
Der allgemeine Begriff des kaufrechtlichen Sachmangels          Ablieferung der Sache (kann aber den Gewährleistungs-
wird reformiert. Bisher sieht § 434 BGB noch ein Stufen-        zeitraum übersteigen, bspw. bei Betriebssystemen inter-
verhältnis vor, wonach primär die Beschaffenheitsverein-        netfähiger Endgeräte). Wenn der Verbraucher eine Aktu-
barung der Parteien gilt. Wenn es diese nicht gibt, ist sub-    alisierung nicht zeitnah installiert, haftet der Unterneh-
sidiär darauf abzustellen, ob sich die Sache (1) für die nach   mer nicht für einen Sachmangel, der allein auf dem Feh-
dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung bzw. (2) für die          len dieser Aktualisierung beruht sofern (1) er den Ver-
gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit           braucher über die Verfügbarkeit der Aktualisierung und
aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die    die Folgen der fehlenden Installation hingewiesen hat und
der Käufer erwarten darf. Künftig entfällt dieses Stufen-       (2) die Tatsache, dass der Verbraucher die Aktualisierung
verhältnis. Ab 2022 ist eine gelieferte Sache sowohl im         nicht oder unsachgemäß installiert hat, nicht auf eine
B2C- als auch im B2B-Bereich frei von Sachmängeln,              dem Verbraucher bereitgestellte mangelhafte Installati-
wenn sie zugleich den objektiven und subjektiven Anfor-         onsanleitung zurückzuführen ist.
derungen entspricht. Den subjektiven Anforderungen
entspricht die Sache, wenn sie kumulativ (1) die verein-        Änderungen zur Verjährung bei Verbrauchsgüterkauf-
barte Beschaffenheit hat, (2) sich für die nach dem Ver-        verträgen:
trag vorausgesetzte Verwendung eignet und (3) mit dem           Grundsätzlich gilt künftig bei Sachen mit digitalen Ele-
vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen,          menten die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren
einschließlich Montage- und Installationsanleitungen,           beginnend mit Übergabe der Sache, wenn die Parteien
übergeben wird. Den objektiven Anforderungen ent-               keinen Bereitstellungszeitraum für das digitale Element
spricht sie, wenn sie (1) sich für die gewöhnliche Verwen-      vereinbart haben. Im Fall der dauerhaften Bereitstellung
dung eignet und (kumulativ) (2) die übliche Beschaffen-         digitaler Elemente verjähren Ansprüche wegen eines
heit aufweist. Während ein Abbedingen der objektiven            Mangels an diesen digitalen Elementen nicht vor dem Ab-
Anforderungen im B2B-Bereich grundsätzlich möglich ist,         lauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstel-
gilt dies im B2C-Bereich nur, wenn der Unternehmer den          lungszeitraums. Ansprüche wegen einer Verletzung der
Verbraucher hierüber ausdrücklich informiert und unter-         Update-Pflicht verjähren nicht vor dem Ablauf von zwölf
richtet und der Verbraucher dem Verzicht schriftlich zu-        Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Update-
stimmt.                                                         Pflicht. Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist
                                                                gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von
                                                                vier Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der
                                                                Mangel erstmals gezeigt hat.

                                                                                                            Juli 2021 I Seite 2
Praxis der Konfliktprävention - Vertragsrecht Ab 2022 neues Recht für Warenkaufverträge und Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen
Verlängerung der Beweislastumkehr für Verbraucher bei          Mängel- und Gestaltungsrechte des Verbrauchers:
Sachmängeln:
                                                               In weiten Teilen entspricht das Gewährleistungsrecht aus
Die Dauer der Beweislastumkehr im Verbrauchsgüter-             der DID-RL demjenigen des bisherigen deutschen Allge-
kaufvertrag wird künftig für alle Waren auf ein Jahr ver-      meinen Schuldrechts. Ein Mangel liegt nun aber auch vor,
längert (derzeit noch sechs Monate). Bei Sachen mit digi-      wenn die digitalen Inhalte oder Dienstleistungen durch
talen Elementen, bei denen eine dauerhafte Bereitstel-         eine unsachgemäße Integration in die digitale Umge-
lung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart ist      bung des Verbrauchers von den Anforderungen an die
und bei denen der Mangel innerhalb des Bereitstellungs-        Vertragsmäßigkeit abweichen. Der Unternehmer muss
zeitraums oder innerhalb von zwei Jahren ab der Abliefe-       auch dafür sorgen, dass Software, die für die digitalen In-
rung der Sache auftritt, wird zudem vermutet, dass das         halte und Dienstleistungen notwendig ist, durch Updates
digitale Elemente während des Bereitstellungszeitraums         („Aktualisierungen“) auf einem aktuellen Stand ist – dazu
mangelhaft war.                                                zählen auch Sicherheitsupdates.
                                                               Die Beweislast für die Mangelfreiheit der digitalen Inhalte
Umsetzungen der DID-RL                                         oder Dienstleistungen zum Leistungszeitpunkt trifft in Fäl-
Anwendbarkeit:                                                 len der einmaligen Bereitstellung den Unternehmer,
                                                               wenn der Mangel innerhalb eines Jahres offenbar wird. In
Die neuen BGB-Vorschriften zur Umsetzung der DID-RL            Fällen fortlaufender Bereitstellung wird vermutet, dass
erfassen lediglich Verbraucherverträge (B2C). Sie gelten       die Leistung auch während der bisherigen Bereitstellung
für alle Vertragstypen, also nicht nur für den Kaufvertrag,    mangelhaft war. Allerdings greift die Vermutung dann
und werden daher auch im Allgemeinen Schuldrecht des           nicht, wenn das digitale Umfeld des Verbrauchers inkom-
BGB umgesetzt. Sie greifen, sobald Gegenstand der ver-         patibel war oder dies aufgrund fehlender Mitwirkung des
traglichen Vereinbarung mit einem Verbraucher die Be-          Verbrauchers nicht festgestellt werden kann, wobei die-
reitstellung digitaler Inhalte oder digitale Dienstleistun-    ser Ausschluss nur dann Anwendung findet, wenn der
gen sind.                                                      Verbraucher entsprechend belehrt wurde.
Digitale Inhalte sind Daten, die in digitaler Form erstellt    Neben den bereits bekannten Mängel- und Gestaltungs-
und bereitgestellt werden, wie zum Beispiel Computer-          rechten (Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt, Schadens-
programme, Anwendungen, Videodateien, Audiodateien             ersatz) wird mit Umsetzung der DID-RL im deutschen
etc. Digitale Dienstleistungen im Sinne der DID-RL sind        Recht künftig ein Recht zur „Beendigung des Vertrages“
Leistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, Verarbei-      des Verbrauchers als zusätzliches Gestaltungsrecht einge-
tung oder Speicherung von Daten in digitaler Form erlau-       führt. Dies entsteht dem Verbraucher, wenn der Unter-
ben oder den Zugriff auf sie ermöglichen. Darunter fallen      nehmer die Bereitstellung der digitalen Inhalte oder
nahezu alle digitalen Anwendungen der heutigen Zeit,           Dienstleistungen entweder nicht „unverzüglich“ nach
von Social-Media-Anwendungen über Internetverkaufs-            Aufforderung durch den Verbraucher oder bei Ablauf ei-
plattformen bis hin zu Cloud-Computing-Dienstleistungs-        ner zwischen den Vertragsparteien dafür vereinbarten
angeboten.                                                     Frist vornimmt. Nach bisherigem Recht konnte der Unter-
Ferner erstrecken sich die Regelungen ausschließlich auf       nehmer für die Nacherfüllung eine „angemessene Frist“
                                                               in Anspruch nehmen, bevor der Vertragspartei ein Rück-
entgeltliche Verträge. Dazu zählen künftig auch Ver-
                                                               trittsrecht zustand. Mit der neuen Regelung wird die (di-
träge, bei denen der Verbraucher seine personenbezo-
                                                               gital-spezifische) Frist für Unternehmer oftmals erheblich
genen Daten als Gegenleistung bereitstellt, solange
diese nicht nur zur Abwicklung des Vertrags oder zur Er-       kürzer ausfallen, als zuvor. Denn unverzüglich bedeutet
füllung rechtlicher Verpflichtungen notwendig sind. Ge-        nach überkommenem deutschen Rechtsverständnis, dass
hen die bereitgestellten personenbezogenen Daten dar-          eine Handlung ohne schuldhaftes Verzögern vorgenom-
                                                               men werden muss. Nach erfolgtem Rücktritt darf der Ver-
über hinaus, gelten solche Daten anstelle einer Finanzzah-
lung als entgeltliche Gegenleistung für die digitale Leis-     braucher die digitalen Inhalte und Dienstleistungen nicht
tung des Unternehmers.                                         weiter nutzen und auch nicht Dritten zur Verfügung stel-
                                                               len. Wurden ihm die digitalen Inhalte auf einem körperli-
Vertragsgegenstand und -leistung:                              chen Datenträger bereitgestellt, muss der Unternehmer
                                                               den Verbraucher zur Rückgabe auffordern. Hat der Ver-
Eine Hauptleistungspflicht des Unternehmers ist in diesen
                                                               braucher eigene digitale Inhalte und Dienstleistungen ein-
Fällen künftig die Bereitstellung der digitalen Inhalte oder
                                                               gebracht, besteht insoweit ein Nutzungsverbot für den
Dienstleistungen. Die Bereitstellung kann auf viele ver-
                                                               Unternehmer. Außerdem muss der Unternehmer dem
schiedene Arten erfolgen, zum Beispiel durch die Über-
                                                               Verbraucher die Möglichkeit geben, auch nach Rücktritt
mittlung auf einem körperlichen Datenträger, das Anbie-
                                                               an die vom Verbraucher erstellten digitalen Inhalte und
ten von Links zum Herunterladen auf Geräte des Verbrau-
                                                               Dienstleistungen zu gelangen.
chers oder das Streaming. Wird nichts anderes verein-
bart, muss der Unternehmer die digitalen Inhalte oder          Neu ist ferner, dass ein Anspruch des Verbrauchers auf
Dienstleistungen sofort nach Vertragsschluss zur Verfü-        anteilige Preisminderung von vornherein ausscheidet,
gung stellen. Der Unternehmer trägt die Beweislast dafür,      wenn dessen Gegenleistung in Form personenbezogener
dass die Inhalte oder Dienstleistungen dem Verbraucher         Daten erfolgt ist (vermeidet ansonsten absehbare Ausei-
zur Verfügung gestellt wurden, daher sollte er geeignete       nandersetzungen über den wirtschaftlichen Gegenwert
Maßnahmen ergreifen, mit denen eine spätere Beweis-            von personenbezogenen Daten).
führung möglich ist.

                                                                                                           Juli 2021 I Seite 3
Praxis der Konfliktprävention - Vertragsrecht Ab 2022 neues Recht für Warenkaufverträge und Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen
Unternehmer, die digitale Inhalte und Dienstleistungen in                   Sollten Sie bezüglich dieses Newsletters Fragen haben,
einem Dauerschuldverhältnis zur Verfügung stellen                           wenden Sie sich gerne an Ihr SCHIEDERMAIR Konfliktlö-
(bspw. Miete oder Leasing), haben schließlich die Mög-                      sungs-Team:
lichkeit, während der Vertragslaufzeit Änderungen am
Vertragsgegenstand vorzunehmen. Eine solche Änderung
muss allerdings durch den Vertrag gestattet sein, darf nur
mit einem wichtigen Grund erfolgen, darf keine zusätzli-
chen Kosten für den Verbraucher zur Folge haben und der
Unternehmer muss über die geplante Änderung informie-
ren. Als triftigen Grund nennt die Richtlinie beispielsweise
erhöhte Nutzerzahlen oder technische Neuerungen. Auch
bei kleinen Änderungen ist der Unternehmer gezwungen,
die Mitteilung an den Verbraucher zu machen, da andern-
falls kein Recht auf Vornahme der Änderung besteht.
                                                                            Christian Scholz                  Christian Falk (Autor)
Handlungsempfehlung                                                         Rechtsanwalt                      Rechtsanwalt, Fachanwalt für
                                                                            Advocat à la Cour                 Gewerblichen Rechtsschutz
Unternehmen sollten rechtzeitig prüfen, auf welche ihrer
                                                                           scholz@schiedermair.com          falk@schiedermair.com
Verträge die neuen Rechtsvorschriften Anwendung fin-                       +49 69 95508-132                 +49 69 95508-172
den werden.
Allgemein – und damit auch im Rechtsverkehr zwischen
Unternehmen – sollten Verträge und Allgemeine Ge-
schäftsbedingungen (AGB) vor allem mit Blick auf den re-
formierten Sachmangelbegriff hin überprüft und ange-
passt werden.
Im Rechtsverkehr mit Verbrauchern besteht mit Blick auf
die rechtliche Zulässigkeit (Wirksamkeit) von Verträgen
und vor allem AGB mehr Handlungsbedarf: Für Verbrau-
cher nachteilige Abweichungen von den umgesetzten
Richtlinienregelungen sind unzulässig und werden (in
                                                                            Dr. Till Vogel                    Alexander L. Dorf
Deutschland) einer AGB-Kontrolle nicht standhalten. Da                      Rechtsanwalt                      Rechtsanwalt
unzulässige AGB immer wieder auch Gegenstand von Ab-                       vogel@schiedermair.com           dorf@schiedermair.com
mahnwellen waren und sind, besteht unseres Erachtens                       +49 69 95508-225                 +49 69 95508-172
zudem die greifbare Gefahr, dass sich dies sogenannte
„Abmahnanwälte“ oder Verbraucherschutzverbände für
ihre eigenen „Geschäftsmodelle“ zunutze zu machen wer-
den. Hier besteht vor allem die Notwendigkeit, sich die
neuen kaufvertraglichen Unternehmerpflichten bei Wa-
ren und Leistungen im digitalen Umfeld vor Augen zu füh-
ren, insbesondere hinsichtlich der künftigen Informa-
tions- und Lieferpflichten von (Sicherheits-) Aktualisierun-
gen. Gegebenenfalls sind (zulässige) vertragliche Rahmen
zu schaffen und das eigene zugehörige Vertragsmanage-
ment anzupassen. Schließlich empfehlen wir, bestehende
interne Abläufe bei der Bearbeitung von Mängelgewähr-
                                                                            Dominik Schmidt (Autor)
leistungsrechten anzupassen bzw. zu optimieren und da-                      Rechtsanwalt
bei die geänderten Verjährungs- und Beweislastumkehr-                      schmidt@schiedermair.com
regelungen sowie die neue, eventuell kürzere Handlungs-                    +49 69 95508-173
und Reaktionszeit für die Bereitstellung digitaler Inhalte
oder Dienstleistungen zu implementieren.

                                                   ***

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                                                                                                         Partnerschaftsgesellschaft von
                                                                                                Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB
                                                                                                          Eschersheimer Landstraße 60
                                                                                                              60322 Frankfurt am Main
                                                                                                                www.schiedermair.com

                                                                                                                            Juli 2021 I Seite 4
Praxis der Konfliktprävention - Vertragsrecht Ab 2022 neues Recht für Warenkaufverträge und Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen Praxis der Konfliktprävention - Vertragsrecht Ab 2022 neues Recht für Warenkaufverträge und Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen
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