Sehen MITTENDRIN MAGAZIN DER KATHOLISCHEN - Katholische Kirche in Kerpen Süd-West
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Franz-Josef Pitzen, Pfarrer Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, „Sehen“ lautet der Titel dieser Ausgabe und da kommen Ihnen wie mir sicherlich zahlreiche Assoziationen in den Sinn wie etwa der Klassiker von Antoine de Saint- Exupery: „Man sieht nur mit dem Herzen gut...“ oder Gedanken wie: mit anderen Augen sehen, klarer (Durch-)Blick, Licht am Ende des Tunnels sehen, mit eigenen Augen sehen und viele andere mehr. Die einzelnen Autoren haben sich aus ver- schiedenen Perspektiven mit dem Thema beschäftigt und eine facettenreiche Aus- wahl getroffen. Die Zusendung zum Thema von Kai Kruse hat uns nicht nur über- rascht, sondern auch als Unterstützung unserer Arbeit gefreut. Wussten Sie, dass die Stadt Düren den keineswegs zweideutig gemeinten Beina- men oder sogar Ehrentitel „Stadt der Blinden“ führen kann? Der entsprechende Artikel von Frau Beier erklärt es Ihnen. Wie ein erblindeter Mensch lebt und arbei- tet, davon erzählt der Bericht von Frau Schwister. Herr Lochner bespricht den außerordentlich sehenswerten Film „Die Sprache des Herzens!“, er erzählt die Geschichte der taubblind geborenen Marie Heurtin, die zu den ersten Betroffenen gehörte, die durch die Sprache aus ihrer Isolation her- auskamen. Frau Jakobs Beitrag beschreibt, welche Bedeutung das Organ Auge in Religionen und Kulturen hat. Mit dem launigen Artikel von Herrn Wirtz werden wir eingeladen, mit den Augen der „Maria vom Stiftsplatz“ einmal in unsere Orts- geschichte zu blicken. Die Bilder und Erklärungen zum Baufortschritt der Kapelle und des Gemeindezentrums in Manheim-neu von Dr. Lambertz laden zum Blick hinter den Bauzaun ein. Das geistliche Wort von Pfarrer Möers und die anschlie- ßende Kinderseite runden den Themenkreis dieser Ausgabe ab. Möge unser Magazin Ihnen in dieser weiterhin von der Pandemie gezeichneten und beschwerlichen Zeit ein wenig Freude und Impulse bringen, die deutlich Licht am Ende des Tunnels wahrnehmen und sehen lassen! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und all Ihren Lieben auch im Namen des Redaktionsteams ein gesegne- tes Osterfest und eine hoffnungsvolle Zeit. Bleiben Sie behütet! Ihr 3 | MITTENDRIN SEHEN
Text und Bild: Susanne Schwister „Bei mir spricht alles!“ Leben ohne Augenlicht 77.000 Menschen in Deutschland Und nach dem Abitur? sind blind. Sie sehen selbst mit Kon‐ Ich kam zurück in die taktlinsen oder Brille nicht mehr als Heimat, da ich hier eine zwei Prozent eines normal Sehen‐ Ausbildungsstelle be- den. Sandra Weiß ist eine davon. Im kommen hatte. Ich bin Brutkasten verlor sie als Frühgeburt Beamtin im mittleren ihr Augenlicht. „Wahrscheinlich war nicht technischen die Sauerstoffzufuhr zu hoch“, er‐ Dienst. Mein Beruf gibt klärt die Frau mit dem sportlichen mir viel Sicherheit. (Sie Kurzhaarschnitt gelassen. Nein, Wut dreht den Kopf und und Zorn darüber, dass sie nichts nimmt Zorro näher zu sieht, empfinde sie nicht. „Ich kenne sich, aus der Ferne nä- es ja nicht anders, ich bin zufrieden“, hert sich ein Auto.) sagt sie und streichelt den schwar‐ Zorro nehme ich mit zen Labrador-Retriever-Mix, der ru‐ ins Büro. In der Mittags- hig an ihrer Seite steht. Zorro war pause gehen wir regel- lange ihr Blindenhund. „Jetzt ist er in mäßig spazieren. „Ich Rente“, lacht die 41jährige. Mit 11 würde mich freuen, Jahren möchte die Kerpenerin ihrem gäbe es einen Men- Begleiter die schwere Arbeit nicht schen, der sich wäh- mehr zumuten. „Die hohe Konzen‐ rend meiner Bürozeit tration beim Führen ist sehr anstren‐ um ihn kümmern wür- gend für ihn“, weiß die Hundehalte‐ de, damit er nicht den rin und streichelt Zorro über das ganzen Tag an meinem kurze, glänzende Fell. Schreibtisch verbringen muss.“ auch gerne Hörbücher, darunter auch Wie war Ihre Kindheit? Stimmt es, dass Ihre übrigen Sinne sehr aktuelle Literatur. Bis Bücher in Geboren bin ich in Solingen und kam aufgrund der Blindheit ausgeprägter Blindenschrift übersetzt werden, das dann in eine Pflegefamilie nach Ker- sind? dauert Jahre. Es ist ja auch sehr auf- pen. Hier bin ich aufgewachsen. In Nein, ich denke, sie sind nur geschul- wendig und geschieht deshalb nur, Düren ging ich auf eine Blindenschule ter. Durch das fehlende Augenlicht wenn die Nachfrage groß genug ist. und machte den Realschulabschluss. muss ich mich zum Beispiel viel mehr Am Wochenende gehe ich gerne mit Ich wollte das Abitur machen, das ging auf meine Ohren verlassen. Das gute meinem Freund ins Kino. Er kann se- aber nur in Marburg. Dort gab es das Gehör hilft mir auch bei meinen Hob- hen und ich kann mein Handy mit einzige Gymnasium für Blinde, ein In- bies: Ich spiele Gitarre und habe im dem Film synchronisieren und höre ternat. Die Abnabelung von meinen Chor gesungen. Da ich die Noten über Kopfhörer den Audiotext. Da Eltern war ganz gut für mich, ich wur- nicht sehe, höre ich mir das Stück ein werden die Bilder auf der Leinwand de selbständiger. Bis dahin war ich paar Mal an und spiele oder singe es zeitgleich beschrieben. Das funktio- sehr behütet. dann nach. In meiner Freizeit höre ich niert prima. 4 | MITTENDRIN SEHEN
ne Hilfsmittel – Zorro füttern, Kaffee Jetzt kann ich besondere Dinge mit ------- kochen, Wäsche waschen – das funkti- meinem Freund machen, zum Beispiel „Für Blinde ist die oniert durch Training, in der Wohnung auch größere Einkäufe. Früher habe ich kenne ich mich aus. im Laden eine Verkäuferin gebeten, mir Digitalisierung Auch draußen – Zorro ist ja im Ruhe‐ zu helfen, die entsprechenden Produk- te zu finden. Das hat immer gut funktio- wirklich ein großer stand? niert. Das Geld habe ich in meinem Die meisten Wege, die ich in Kerpen Portemonnaie gut sortiert, so dass mir Gewinn.“ gehe, habe ich im Kopf: Zur Arbeit, das Bezahlen nicht schwerfällt. Sollte ich Spaziergang mit Zorro, einkaufen. Da- einen Schein oder eine Münze nicht er- ------- für reicht mein weißer Stock, damit er- kennen, habe ich einen Cash-Tester kenne ich die Hindernisse. Hilfreich ist mit Größen- und Wertangaben. ein Blindenhund besonders auf großen Plätzen, weil man da schnell die Orien- Wie prüfen Sie das Rückgeld? Sicher auch im Beruf? tierung verliert. Oder auf Bahnsteigen, Gar nicht. Das würde zu lange dauern. Natürlich. Ich arbeite ja bei der Wohn- damit man nicht zu nah ans Gleis tritt, Ich vertraue auf die Ehrlichkeit der geldstelle. Dort berechne, telefoniere, weiß, wo der Einstieg ist und an Men- Menschen. berate ich. Da ist nichts in Blinden- schenmengen besser vorbeikommt. schrift. Mein Computer hat einen soge- Auch in großen Einkaufsstraßen hat Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, nannten Screenreader, der den mich Zorro früher unterstützt. Denken was würden Sie gerne einmal sehen? Bildschirminhalt vorlesen kann. So weiß Sie nur an die vielen Tische und Stühle, Einen Sonnenuntergang am Meer! ich, was ich bearbeiten muss und kann die im Sommer draußen stehen. Da ist auch meine Fehler korrigieren. Zusätz- man mit dem Stock sehr unsicher und lich werde ich von einer Assistentin un- langsam. terstützt, mit der ich zum Beispiel grafische Darstellungen bespreche. Vie- les wird heute in Grafiken dargestellt, die kann mir der Computer nicht vorle- sen, dazu braucht es noch den Men- schen. Wie finden Sie sich zu Hause zurecht? Da spricht auch alles, na ja, fast alles. Ich Bild: Horst Schaub / pfarrbriefservice.de habe eine sprechende Mikrowelle und eine sprechende Küchenwaage. Meine Kleidung erkenne ich eigentlich durch Fühlen – Knöpfe, Material, Form. Und sollte ich einmal an der Farbe zweifeln, gibt es den Color-Tester, den hält man ans Kleidungsstück und der sagt sie dann. Für viele Dinge benötige ich kei- 5 | MITTENDRIN SEHEN
Text und Bild: Claudia Jakobs Das Auge im Blick Die Bedeutung des Auges in verschiedenen Religionen und Kulturen Seit Menschengedenken spielt das Auge Im Christentum gilt das „Auge Gottes“ das „Geistige Auge“ bekannt, welches in Religionen und Kulturen als Symbol als Symbol der behütenden Allgegen- als eines der Hauptenergiezentren des eine sehr wichtige Rolle und wird auf wart Gottes, der Allwissenheit und der menschlichen Körpers und als Symbol vielfältigste Weise dargestellt und inter- Wachsamkeit. Wird im Christentum für Erleuchtung und Weisheit gilt. pretiert. Es steht unter anderem für das Auge in einem Dreieck dargestellt, Bei den indigenen Völkern Amerikas ist Schutz, Allwissenheit, Erleuchtung und so versucht man damit die göttliche das „Auge des Medizinmannes“ ein Weisheit. Dreifaltigkeit bildlich darzustellen, wo- wichtiges Symbol. Es ist eng verbunden bei der Mittelpunkt das „Allsehende In Ägypten spielt das "Udjat-Auge" eine mit dem Schamanen und gilt als Symbol Auge Gottes“ bildet, was alles sieht und wichtige Rolle, welches dem Gott Ho- für spirituelle Weisheit, Gelehrtheit und wahrnimmt. Es wird oft von einem rus zugeordnet wird. Laut einer Legen- Lebenserfahrung. Strahlenkranz umgeben, um die göttli- de wurde Horus in einem Kampf ein che Aura zu unterstreichen. Auch bei den indigenen Völkern in Mit- Auge durch Seth herausgerissen und tel- und Südamerika spielt das „Auge Thot, der Mondgott, heilte es wieder. Bei den Freimaurern gibt es das Auge in Gottes“ eine wichtige Rolle als Schutz- Es handelte sich hier um das linke Auge einem Dreieck als Symbol des „Auges und Glückssymbol. Traditionell werden von Horus bzw. um das Mondauge, der Vorsehung“. Es symbolisiert Wahr- z. B. Flechtarbeiten in Form einer Rau- wohingegen das rechte Auge als Son- heit, Weisheit und Gewissen sowie den te vom Vater, Großvater oder Onkel nenauge verehrt wurde. Das Auge ist Sieg des Guten über das Böse. zur Geburt eines Kindes angefertigt und u.a. auf vielen Grabeingängen und Sar- Im Hinduismus sowie im Buddhismus so kommt bei jedem weiteren Lebens- kophagen sowie Scheintüren zu finden, ist ebenfalls das Auge als Symbol zu fin- jahr bis zum 5. Lebensjahr ein neuer da ihm eine Schutzfunktion nachgesagt den und wird dort als das „Dritte Farbenkreis hinzu. Aber auch im alltägli- wird und es Unheil abwehren soll. Auge“, das „Innere Auge“ oder auch als chen Leben sind sie zu finden und die Weiterhin ist es ein Symbol für Heilung das „Auge der Weisheit“ bezeichnet, Götter schauen durch die Raute auf die und Ordnung. das für mehr Bewusstsein und Wahr- Menschen und schützen sie so vor Un- Ergänzend dazu gab es in Ägypten noch nehmung über das normale Maß hinaus heil. das „Auge des Re“, welches für die steht. Es gilt oft auch Sonne stand und das Horusauge spie- als der Eingang zu Ebe- gelverkehrt darstellte. nen höheren Bewusst- seins und Einkehr ins In vielen Ländern der Erde fürchtet Innere. Weiterhin man sich vor dem „Bösen Blick“. In steht es für vollkom- Griechenland und in der Türkei sowie mene Weisheit und für im Mittelmeerraum und im Nahen Os- unendliches Mitgefühl ten hat man zur Abwehr des „Bösen mit allem Lebendigen. Blicks“ und von Unheil ebenfalls das Symbol des Auges gewählt, welches Ebenso ist das Auge im u.a. als „Nazar-Amulett“ oder „Mati- Taoismus sowie im Amulett“ in Form eines „Blauen Auges" Caodaismus und in an- zu finden ist. Geht es kaputt, hat es sei- deren fernöstlichen ne Arbeit getan und wird durch ein Glaubensrichtungen als neues Amulett ersetzt. „Drittes Auge“ bzw. als 6 | MITTENDRIN SEHEN
Georg Wirtz Hinsehen! Was die Madonna am Stiftsplatz zu „erzählen“ hat. „Ihr kennt mich doch, oder? Ich stehe steh ich schon hier! Das kann man auf eigentlich ja mitten in Kerpen, am dem Sockel lesen auf dem ich stehe. ‘schönsten’ Platz, nicht ganz unschein- Da steht: ‘Zu der Gottesgebärerin hat bar in einer Nische direkt in der Be- Propst Johann Gottfried Bequerer das grenzungsmauer des Pfarrhauses von Werk errichtet.’ Also, der, der mich St. Martinus. Von hier aus habe ich alles hier hat ersteinern lassen, war der im Blick; den Stiftsplatz und vor allen Propst, der Chef der frommen Männer Dingen, den riesigen, hohen Kirchturm (Stiftsherren), die damals rund um den von St. Martinus. Und das sei schon Stiftsplatz wohnten. Was war das für mal verraten! Mich gibt’s zwei Mal: Ein- eine Zeit? mal steh ich drinnen in der Kirche, da Na ja, auf alle Fälle wars damals viel ru- bin ich im Original, ganz echt. Hier ter, wenn sie schon nicht als Mönche in higer, denn diese Straße hier direkt vor draußen ging es mir, als ich noch einzig- der Einsamkeit lebten, dann doch zu- mir, die gab’s noch lange nicht! Und artig war, oft ziemlich dreckig, ich bin sammenleben sollten, so, wie Jesus das der Platz hier war noch richtig schön, teilweise zertrümmert worden und das gewollt hatte. Jedenfalls waren die mit vielen Bäumen. Und dann liefen Wetter wird ja auch nicht besser. Also, Stiftsherren wahrscheinlich froh, uns hier an mir immer die Stiftsherren vor- wenn ihr mich in meiner ganzen, origi- zwei hier so inniglich zu sehen, wenn bei zur Kirche, jeden Tag! Zur Messe nalen Pracht anschauen wollt: ich stehe sie, wieder mal ein schlechtes Gewis- und auch noch zu Gebetszeiten. From- vorne links in einer Nische ganz in der sen hatten, weil das liebe Geld, ihre me Männer waren das, aber: die hatten Nähe vom Altarbereich. Pfründe (beispielsweise der Hof Hahn auch ganz schön, wie man heute sagen in Sindorf), sie doch wieder allzu sehr Und, gefall ich Euch? Schaut doch mal würde, ‘Asche’. Jeder sein eigenes beschäftigte. genau hin und rennt nicht immer an Haus! Und der ganze Stiftsbezirk war mir vorbei! Ehrlich gesagt, es ist schon nachts sogar noch abgeriegelt. Und, Sei‘s drum, wenn ihr mal wieder vor- ziemlich anstrengend diesen doch et- unter uns, so ganz fromm waren die beikommt, dann schaut mich doch ru- was zu schweren Knaben dauernd auf wohl nicht. Des Öfteren haben sie hig mal richtig an und denkt doch viel- dem Arm zu halten. Zum Glück bin ich wohl geschwänzt, ich meine in die Kir- leicht mal daran, was der kleine Jesus aber doch ganz kräftig. Aber: eigentlich che gehen und so…Und dann hat man da auf meinem Arm euch gerade jetzt mach ich das gern, lohnt sich ja diesen sich einen Trick ausgedacht, der, na ja, heute zu euch zu ‘sagen’ hat… Ihr Knaben aufzuziehen, ist ja was ganz Be- heute auch noch funktionieren könnte, müsst nur gut zuhören! sonderes. Und schaut doch mal, wie er vielleicht: die bekamen, wenn sie schön Ach ja, da fällt mir noch was ein: Ein- mit mir das kleine Bällchen hält. Aber pünktlich zum Beten kamen, Geld! So mal, das ist schon über 200 Jahre her, Bild: Achim Raschka/wikimedia commons halt: natürlich soll das die Erdkugel sein! eine Art Messlohn, die „Kollegen“. aber ich werd’s nicht vergessen, da Schon als Kind hat er die ‘im Griff’. Je- Ja richtig‚ Kollegen hießen die auch, habe ich die Orgel aus der Kirche so denfalls bin ich froh, dass ich nicht ir- denn sie gehörten ja zum Kollegiatsstift richtig fetzig laut gehört und nachher gendeine Krone tragen muss oder – Kerpen. Die einen meinen, schon der haben die Leute erzählt, dass das der wie sonst so oft – irgendwie fast über ‘große’ Karl hätte das hier in Kerpen junge Beethoven aus Bonn war. Der den Wolken schwebe. gründen lassen, aber er war wahr- war ja auch schon mal bei so einem Ich mag eigentlich die Kerpener, die scheinlich nur der Erfinder. Damals war Stiftsherrn zu Besuch, irgendwie ent- hier bis heute so vorbeilaufen. Und das nicht alles so schön organisiert in der fernte Verwandtschaft seiner Jugendlie- tun sie schon ziemlich lange. Seit 1697 Kirche und Karl wollte, dass die Pries- be. Ja, hier war schon was los…“ 7| MITTENDRIN SEHEN
Text und Bilder: Rosemarie Beier Düren - die Stadt der Blinden Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es zurzeit 36 Millionen blinde und 217 Millionen sehbehinderte Menschen weltweit. Im Mittelalter bis in die frühe Neuzeit Immer wieder braucht es Menschen, Blinde und Sehbehinderte zu unterstüt- gehörten Blinde zu den Ärmsten der die sich für eine gute Sache und Idee zen. Ein Teil der Einrichtungen und An- Gesellschaft. Sie hatten kein Anrecht stark machen. gebote steht auch nicht blinden oder auf Bildung und lebten in Abhängigkeit sehbehinderten Menschen zur Verfü- von Angehörigen, Kirchen oder Ar‐ So wurde in Düren die erste Einrich- gung. Zur Fürsorge und Förderung in menkassen. Betteln war ihr häufiges tung für Blinde dadurch möglich, dass beruflicher, wirtschaftlicher, pflegeri- Los. das Ehepaar Rudolf und Catharina scher und kultureller Hinsicht unterhält Schenkel ein geeignetes Gebäude zur der RBV aktuell folgende eigenständige Der Auftritt der blinden Pianistin Ma‐ Verfügung stellte. Am 13. November Einrichtungen mit verschiedenen Ange- ria Theresia von Paradis in Paris be‐ 1845 konnte mit Hilfe einer Spendenak- boten“ (aus der Satzung des RBV): geisterte 1784 den Diplomaten Valen‐ tion die Elisabeth-Stiftung für Blindenun- tin Haüy derart, dass er kurz darauf in terricht eröffnet werden, und 1886 Das Anna-Schoeller-Haus, befindet sich Paris eine Blindenanstalt gründete, gründete sich der Rheinische Blinden- nahe dem Stadtzentrum und liegt auf ei- eine Sensation, denn in der Bevölke‐ Fürsorge-Verein (RBV), der bis heute nem parkähnlich gestalteten Grundstück rung war man zu der Zeit der Über‐ besteht. Seine Hauptaufgaben sieht er mit zahlreichen Sitzgelegenheiten und zeugung, dass Blinde zu nichts nütze u.a. darin, für Blinde geeignete Beschäf- Ruhezonen. Es handelt sich um ein sind. Die Auffassung, dass auch Blinde tigungsanstalten zu errichten und zu un- dreigeschossiges Gebäude mit drei Flü- eine Chance im Arbeitsleben bekom‐ terhalten und noch nicht ausgebildeten geln und gliedert sich in drei übereinan- men sollten, entwickelte sich erst im Blinden der 'Rheinprovinz, Ausbildung derliegende Wohnbereiche. Jeder 19. Jahrhundert. Unter König Fried‐ und Beschäftigung zu ermöglichen. Wohnbereich verfügt über Platz für 24 rich Wilhelm III. wurde durch Prof. Durch die Schenkung des Ehepaares Bewohner. In der Mitte jedes Wohnbe- Zeune 1806 in Berlin die 1. Blindenan‐ Schoeller konnte1899 ein Blindenasyl, reichs liegt zentral der Gemeinschafts- stalt eröffnet. (vgl. WDR 11.08.2006) das „Annaheim“, erbaut werden, und raum mit der Wohnbereichsküche als 1904 folgte eine Blindenwerkstätte mit gesellschaftlicher Mittelpunkt. Gemütli- Wohnheim. Wegen der vielen Einrich- che Sitzecken laden im ganzen Haus tungen wird Düren bis heute noch die zum Verweilen ein. Stadt der Blinden genannt. (aus der Chronik zur Feier des 125-jährigen Be- Das angrenzende Rheinische Blinden- stehens des RBV) heim sichert und fördert durch die blin- den- und behindertengerechte Bauwei- Der Rheinische Blindenfürsorgeverein se und Ausstattung der Innenräume das 1886 Düren ist weltanschaulich und po- Wohlbefinden und die Lebensqualität litisch neutral. Diese wirtschaftlich orien- der Bewohner. Breite Gänge, Aufzug, tierte Organisation, die durch zahlreiche Handläufe und blindengerechte Markie- ehrenamtliche Helfer und Spenden un- rungen erlauben eine freie Bewegung terstützt wird, sieht sich bis heute in im Haus. Der große barrierefreie Park „der langen Tradition verpflichtet, vor- mit vielen Ruhezonen, lädt zur Entspan- Bild: Rosemarie Beier wiegend blinde und wesentlich sehbe- nung und Beschaulichkeit ein. Eine Bus- hinderte, von Blindheit und wesentli- haltestelle direkt vor den beiden Einrich- cher Sehbehinderung bedrohte tungen sorgt für eine gute Anbindung an Personen sowie mehrfach behinderte den Öffentlichen Personennahverkehr. 8 | MITTENDRIN SEHEN
Das Internat des RBV bietet in Düren ner 1995 einziehen. Der Abteilungslei- Die Bewohner leben hier wie in einer ein Wohnangebot für bis zu 56 schul- ter André Hering ergänzt die Einrich- großen Familie. Sie wohnen in acht fa- pflichtige Schüler der Louis-Braille-Schu- tungsbeschreibungen des RBV 1886 mit milienähnlichen Gruppen mit je acht le (Rheinische Förderschule, Förder- eigenen Hinweisen. Das Mindestalter Einzelzimmern, die einerseits persönli- schwerpunkt Sehen) zur Sicherstellung der Bewohner ist 18 Jahre. Die Verweil- chen Freiraum und Bewegungsmöglich- des Schulbesuchs und um der Schul- dauer dauert in der Regel ein Leben keit für den einzelnen sowie anderer- pflicht nachzukommen. Die Einrichtung lang. Von den ersten 24 Bewohnern, seits Raum für gemeinsame Unter- betreut Kinder und Jugendliche mit Seh- berichtet Herr Hering, leben derzeit nehmungen bieten. Mit Kreativität und behinderung sowie Schüler mit komple- noch 13 in der Einrichtung. Geschick schafft sich jede Wohngruppe xer Behinderung. 20 Plätze stehen für ihre eigene Atmosphäre. Die Wohn- ganzjährig durchgehende Betreuung zur Diese besteht aus zwei Gebäuden mit je gruppe ist der feste Anlaufpunkt für je- Verfügung. Das Internat mit seinen ver- vier Wohngruppen. Die Ausstattung bei- den Bewohner, die Mitarbeiter sind Be- schiedenen Gebäudeteilen ist durch der Häuser ist blinden- und behinder- zugsperson und Ansprechpartner. blindengerechte Zugangswege direkt tengerecht und umgeben von einer mit der Louis-Braille-Schule verbunden. großzügig und barrierefrei angelegten Pädagogisch wie auch pflegerisch ausge- Die Kinder können von ihren Familien Parkanlage mit Spielgeräten und einem bildetes Fachpersonal kümmert sich, er- besucht werden, seltener sind dagegen Pavillon. Die WFS liegt mitten in einem gänzt durch Zusatzdienste, in drei Besuche bei ihren Familien zu Hause; über Jahrzehnte gewachsenem Wohn- Schichten um die Belange der Bewoh- dazu sind die familiären Wohnsituatio- gebiet im Süden Dürens und wird von ner. Manche Bewohner arbeiten tags- nen in der Regel nicht geeignet. der Bevölkerung sehr gut angenommen. über in Behindertenwerkstätten. Für sie ist ein spezieller Fahrdienst eingesetzt. In Das Ambulant Betreute Wohnen ist ein Herr Hering weist darauf hin, dass die den Wohngruppen gibt es Kreativ-Ange- Wohnangebot des RBV 1886 Düren, Bewohner neben ihrer Sehbehinderung bote, deren Ergebnisse die Wohnberei- ergänzend zu seinen stationären Wohn- und zusätzlichen geistigen Behinderung che und das Treppenhaus verschönern. möglichkeiten. Die Betreuung findet in vielen Fällen auch schwer körperbe- Friseur und Therapeuten kommen zu punktuell und gezielt in der eigenen hindert sind, sodass Pflege und Versor- einzelnen Bewohnern ins Haus. Not- Wohnform statt. Es gibt die Möglichkeit gung auch eine erhebliche Rolle spielen. wendige Arztbegleitungen übernimmt in des Wohnens in einer eigenen Woh- Die Ursachen für die Behinderungen der Regel das Personal; Angehörige sind nung, einer Paarwohnung, einer Wohn- sieht er u.a. in Schädigungen durch Be- dazu selten in der Lage. Selbst am Le- oder einer Hausgemeinschaft. handlungsfehler, Impfungen, Frühgebo- bensende können die Bewohner mit renen-Behandlungen, Lennox-Gastaut- Unterstützung eines ambulanten Hospi- In die Wohn- und Förderstätte WFS Syndrom u.a.m. In jeder Wohngruppe zes bis zum Tod in der Einrichtung be- konnten die ersten blinden und wurden moderne Pflege- und Thera- gleitet werden. schwerst mehrfach behinderten Bewoh- pieräume eingerichtet. 9| MITTENDRIN SEHEN
„Warum schließen wir unsere Augen, wenn wir beten, weinen, küssen oder träumen? Weil die wundervollsten Dinge im Leben nicht gesehen, sondern mit dem Herzen gefühlt werden.“ Denzel Washington „Man sieht oft etwas hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum allerersten Mal wirklich sieht.“ Christian Morgenstern „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Antoine de Saint-Exupéry Die Sehenden sind es nicht, die sich für sehend halten, immer nur die Blinden. Marie von Ebner-Eschenbach 10 | MITTENDRIN SEHEN
Ein Blinder ist nicht blind, er sieht nur anders. Marion Gitzel „Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“ Richard von Weizäcker 11 | MITTENDRIN SEHEN
Matthias Lochner Die Sprache des Herzens Der bewegende Spielfilm basiert auf der wahren Geschichte von Marie Heurtin. Frankreich Ende des 19. Jahrhunderts: doch hoch, beruhigt Marie und holt sie sprache, das Fingeralphabet und Ein Mann fährt mit seinem Karren auf heil herunter. Die Begegnung lässt schließlich die Blindenschrift Braille. einem Hof vor. Neben ihm sitzt ein Marguerite nicht mehr los: „Heute bin Der Film beschönigt nichts und ist mit- Mädchen, das wild und verwahrlost ich einer Seele begegnet ....“, schreibt unter hart. Die Hauptdarstellerinnen aussieht: barfüßig, ungekämmte und sie am Abend in ihr Tagebuch. Ariana Rivoire (Marie), die selbst taub verfilzte Haare, nur ein schmutziges Die Mutter Oberin lehnt eine Aufnah- ist, und Isabelle Carré (Marguerite) Hemd am Körper. Es ist festgebun- me des Mädchens in das Kloster aller- überzeugen auf ganzer Linie. Man fühlt den, aber offensichtlich glücklich. dings ab: Aufgrund ihrer doppelten mit beiden Protagonisten. Der Film Die Episode steht am Beginn des Films Behinderung und fehlenden sozialen schafft es, eine Ahnung davon zu ge- „Die Sprache des Herzens“. Der fran- Kompetenz komme dies nicht in Fra- ben, wie Taubblinde sich fühlen müs- zösische Regisseur Jean-Pierre Améris ge. Monsieur Martin muss sie wieder sen, wenn sie keine Sprache erzählt darin die Geschichte der taub- mit nach Hause nehmen. Schwester beherrschen: gefangen im eigenen blinden Französin Marie Heurtin Marguerite jedoch bestürmt die Obe- Körper; aber auch, welche Befreiung (1885-1921), die in Vertou als Toch- rin geradezu, ihr zu erlauben, Marie zu es bedeutet, aus der Sprachlosigkeit zu ter eines Fassbinders zur Welt kommt. betreuen und zu unterrichten. Schließ- entkommen. Im Film explodiert Ma- Bereits von Geburt an ist sie taub und lich gibt die Oberin nach und Margue- ries Spracherwerb geradezu, nachdem blind. Dennoch gehört Marie zu den rite holt Marie ins Kloster. sie ihre erste Gebärde gelernt hat. Zu ersten Taubblinden, die die Sprache den berührendsten Szenen zählt dieje- Sie entdeckt, dass Marie sehr positiv entdecken und aus ihrer Isolation be- nige, in der Maries Eltern sie nach eini- auf Berührungsreize reagiert. Die freit werden. ger Zeit im Kloster besuchen und die Hände sind ihr Tor zu Welt. „Die Tochter zum ersten Mal mit ihnen Bis dahin ist es ein weiter Weg. Maries Hände sind die Augen, die Ohren und „spricht“. Der im Jahr 2014 auf Fran- Eltern verzweifeln. Sie finden keinen die Stimme des taubblinden Men- zösisch und 2015 auf Deutsch erschie- Zugang zu ihrer Tochter. Im Alter von schen“, heißt es auf der Webseite des nene, mehrfach ausgezeichnete 10 Jahren bringt ihr Vater sie ins Lar- Deutschen Taubblindenwerkes. So ist Spielfilm ist tief beeindruckend und ab- nay Institut bei Poitiers – das ist die es auch bei Marie Heurtin: Über Be- solut sehenswert. eingangs beschriebene Szene. Hier rührungen, wie das behutsame Abtas- kümmern sich Nonnen um taube ten der Gesichter, schätzt sie andere Die Sprache des Herzens (Originaltitel: Marie Heurtin). Frankreich 2014, Mädchen. Maries Vater wendet sich Menschen ein. Und sie lässt damit er- 94 Minuten, FSK 6, in allen namhaften Streaming- an die Mutter Oberin: Seine Tochter kennen, dass es einen „Schlüssel“ gibt, Diensten verfügbar und auf DVD ab 5,99 Euro im Handel erhältlich. bedürfe dringend einer Betreuung. Er Zugang zu ihr zu finden. möchte sie nicht in eine Irrenanstalt Doch bis es soweit ist, vergehen qual- geben. volle Monate. Schwester Marguerite Marie, die in Angst gerät, flüchtet auf zweifelt oft an sich. Es ist ihrer Hartnä- einen Baum. Hier nimmt eine beson- ckigkeit und ihrem tiefen Gottvertrau- dere Beziehung ihren Lauf: Unter den en zu verdanken, dass sie nicht aufgibt. Nonnen ist auch die lungenkranke Als sie nahe daran ist, zu verzweifeln, Schwester Marguerite. Sie soll Marie macht Marie ihre erste verwertbare vom Baum herunter holen. Margueri- Gebärde: Messer. Mit Marguerites Hil- te lehnt erst ab, klettert dann aber fe lernt sie in der Folge die Gebärden- 12 | MITTENDRIN SEHEN
Gastbeitrag und Bild: Kai Kruse Nicht sehen - nicht glauben (können)? Persönliche Gedanken eines jungen Erwachsenen Acht Tage später erscheint Jesus wie- Wie sollen wir denn das Undenkbare der den Jüngern, dieses Mal ist auch glauben, ohne es zu sehen, wenn Thomas dabei. Christus zeigt Thomas nicht einmal der Jünger Thomas das seine erlittenen Wunden und fordert schafft? ihn auf, zu sehen und zu glauben. Der Jesus ist sich dessen bewußt und sagt Aufforderung Christi folgt Thomas und uns: bekundet seinen Glauben. In der Wirkungsgeschichte dieser Bi- ------ belstelle ist aus Thomas oft der „un- „Selig sind, gläubige Thomas“ geworden. In einer die nicht sehen ersten Intuition würden wir wahr- und doch glauben“ scheinlich auch sagen: „Wie konnte (Joh 20, 29) Thomas es wagen, den Jüngern nicht zu vertrauen, ihrem Bericht keinen ------ Glauben zu schenken?“ Es geht also darum, trotz aller Zweifel, Aber sind wir nicht auch in unserem trotz der Abwesenheit von Beweisen Eine der wohl bekanntesten Bibelstel- Leben oft der „ungläubige“ Thomas? zu glauben, Christus den Sieger zu be- len vom Sehen und auch Nichtsehen Ist unser Leben nicht auch bestimmt kennen. Zweifel und Ratlosigkeit sind ist Joh 20,19-31. Jesus Christus offen- von der Maxime: sehen steht über er- nämlich kein Zeichen von Glaubens- bart sich zum ersten Mal seinen Jün- zählt bekommen? schwäche, wie die Wirkungsgeschichte gern nach seinem glorreichen Sieg suggeriert, sondern von Glaubensstär- über den Tod, nach seiner Auferste- Sagen wir nicht selber oft genug: „Das ke. Wer zweifelt und sich dennoch hung. Er zeigt ihnen seine Wunden, glaube ich erst wenn ich es mit eige- immer wieder auf das Wagnis des die er am Kreuze erlitten hat, und nen Augen gesehen habe?“ Wollen Glaubens an Christus einlassen kann, spricht seinen Sendungsauftrag. Offen- wir Unerklärliches nicht selbst erst an- wie Thomas, der ist nicht ungläubig, bart sich Jesus allen Jüngern? Eigentlich erkennen wenn wir es selbst beob- sondern ein wahrer Jünger und Zeuge nicht. Thomas war nicht gegenwärtig, achtet haben? Christi. Wer zweifelt und sich immer als sich Christus seinen Jüngern offen- Für Thomas lösen sich all diese Fra- wieder für den Glauben entscheidet, barte. gen. Er darf die Wunden Jesu noch der überdenkt, überlegt und prüft den sehen und berühren. Er kann das Un- Glauben und wird somit auch die Die Jünger erzählten Thomas nach glaubliche, das Undenkbare, sehen, Frage Pauli verneinen können: dessen Rückkehr von der Begegnung mit Christus. Thomas glaubt dem Be- nämlich, dass der Tod in letzter Kon- richt der anderen Jünger nicht und sequenz besiegt ist. sagt: ------ Aber was ist mit uns? Wir sind doch ------ auch oft der Jünger Thomas und zwei- „Oder habt ihr den „Wenn ich nicht sehe […], feln. Aber trotzdem bekommen wir Glauben vielleicht glaube ich nicht.“ die Wunden Jesu nicht zu sehen. Wir unüberlegt angenommen?“ (Joh 20,25) befinden uns unser ganzes Leben in (1 Kor 15,2) der Ausgangssituation des Thomas. ------ ------ 13 | MITTENDRIN SEHEN
Gastbeitrag und Bilder: Dr. Johannes Lambertz Blick über den Bauzaun Vieles ist seit Januar 2019 auf der Baustelle in Manheim-neu geschehen: Der Rohbau von Kapelle, Glockenturm und Gemeindezentrum ist fertiggestellt. Ein Band umschließt den Kapellenbau, Die technisch komplexe, filigrane das dreimal mit dem Namenszug der Stahlkonstruktion des Kapellenda- Schutzpatrone beschriftet ist. Die ches wurde eingebracht und die Wände wurden aus energetischen Dachfenster eingebaut. Im Innern Gründen mit Dämmbeton gegossen. der Kapelle befinden sich noch die Dabei werden statt Kies “LIAPOR“ Kü- Gerüste, die für die Zimmererar- gelchen verwendet, aufgeblähte Ton- beiten an der „Wolke“ erforderlich kügelchen, die im Innern schwarz sind. sind. Die Decke besteht an den Au- Durch meißeln mit pyramidal geform- ßenseiten aus einer umlaufenden, ten Schlagkopfspitzen (stocken) der quasi frei schwebenden Fenster- Oberfläche öffnen sich die Kügelchen, Der Blick vom Foyer aus ins Innere front. und es entsteht die schwarze Fläche. des Gemeindezentrums zeigt links den Mehrzweckraum mit großem Fenster Richtung Marktplatz, in dem u.a. die Bücherei untergebracht wird. Im hin- teren Bereich mit den vier Dachfens- tern befindet sich der Pfarrsaal. Der Wetterhahn, Kreuz und Kugel wurden am 2. August 2019 von der ehemaligen Kirche im alten Ort de- montiert, aufbereitet und neu ver- goldet. In 25,50 Meter Höhe leuch- tet seit dem 25. Januar 2021 der Wetterhahn auf dem Glockenturm der neuen Kapelle. Der Blick in den Pfarrgarten zeigt die Glasfassade des Gemeindezentrums, die Kommunionbank aus der alten Kirche und den im November 2020 gepflanzten Baum, ein Ostrya carpinifolia (gemeine Hopfenbuche). Links befindet sich die Glasfront der Kapelle mit Schiebeelementen, die sich zum Pfarrgarten hin öffnen lassen. Rund um den Pfarrgarten ist ein Weg mit „Manheim Pflaster“ hergestellt worden, den an der Kapellen Seite und der Seite des Gemeindezentrum eine Überdachung schützt. 14 | MITTENDRIN S E H E N
Ludger Möers, Pfarrer Hinsehen und Staunen „… so etwas haben wir noch nie gesehen...“ (Mk 2,12) Ein Jahr leben wir nun in einer beson- sein Leben bestimmen. Den gelähm- Ich stimme allen zu, die es so oder deren Zeit, einer Pandemiezeit, der ten Menschen wahrnehmen – die vier ähnlich sagen: Wir brauchen kein neu- Zeit von Corona. Was haben wir nicht Freunde wussten, dass sie mit diesem es Gesetz, das Ärzten erlaubt, Men- alles gesehen – im Fernsehen, im Anliegen bei Jesus genau richtig waren. schen einen Todescocktail hinzustel- Streamingdienst, an Überraschungen Der sieht den Mann vor sich. Er sieht, len. Was wir brauchen, ist eine bei den vielen Spaziergängen. Hinse- wie Licht durch das offene Dach fällt menschliche Gesellschaft, in der Men- hen und Staunen, weil wir dafür Zeit und durch das Loch vier Gesichter schen sich umeinander kümmern wie hatten, ist auch eine „Corona-Erfah- nach unten schauen. Jesus sieht ihren die vier Freunde um den Gelähmten. rung“. Hinsehen, Not sehen und hel- Glauben. Es ist ein tatkräftiger Glaube. Wir brauchen Gesetze, die dafür sor- fen war in dieser Zeit auch eine oft er- Die Vier packen kräftig zu, sie geben gen, dass genügend gut ausgebildete lebte Erfahrung mit Krankheit und ihrem Glauben Hände und Füße. Sie und ordentlich bezahlte Pflegekräfte Tod, die mir viel Mut gemacht hat. glauben an das Menschliche: Nie- für gebrechliche, coronakranke und mand, der sich selbst nicht mehr hel- sterbende Menschen da sind. Wir Diese „positive“ Erfahrung im Umgang fen kann, darf sich selbst überlassen brauchen eine Übereinkunft in unserer mit Krankheit und Tod steht im Kon- sein. Wer allein nicht mehr kann, dem Gesellschaft, die allen Menschen die trast zu der immer wieder geführten muss geholfen werden, der braucht Gewissheit gibt: Wenn ich nicht mehr Diskussion um aktive Sterbehilfe. An- Beistand, Betreuung, der braucht die kann, dann werde ich getragen. geblich sind drei Viertel der Deutschen Liebe und die Hoffnung anderer Men- dafür. Ich erlebe, auch in dieser Coro- Ich wünsche Ihnen eine gute Fasten- schen. na-Zeit, viele Menschen, die bewusst und Osterzeit, mit vielen netten Be- Menschen aus den Krankenhäusern Alle sehen, wie Jesus sich dem ge- gegnungen der Nachbarn und anderer holen, nachhause und in ein Hospiz, brechlichen Mann zuwendet und wel- Menschen auf Straßen und Plätzen – um eine gute Zeit des Abschiedes und che Kraft diese Zuwendung in dem Hauptsache draußen – und dass Sie des Sterbens zu gestalten. Im Rück- Gelähmten wachruft. Wir sehen das mit anderen viel Neues sehen, trotz blick benennen viele dies als wertvolle auch aus der Entfernung. Daraus erge- Corona und Co. Denn an Ostern fei- Zeit. Warum wollen Menschen immer ben sich Konsequenzen für uns. Nicht ern wir AUFERSTEHUNG. Also das alles selbst bestimmen und entschei- die Beihilfe zum Selbstmord ist das Leben genießen: voller Freude und den? Dieses Leben darf beginnen, die- Gebot der Stunde, sondern die For- Hoffnung. ses Leben muss/soll beendet werden? derung nach guter Betreuung. Ihr Ludger Möers , Pfr. Sind wir wirklich Herren und Damen über Leben und Tod? Selbstbestimmung heißt der Wert, der dabei ganz hoch gehandelt wird. Ein selbstbestimmtes Leben wird zum Maßstab dafür, was lebenswert ist und was nicht mehr. Zur Selbstbestim- mung gehört dann auch, selbst zu ent- scheiden, wann Schluss ist. Der Ge- lähmte in unserem Bibelzitat konnte schon lange nicht mehr selbst über 15| MITTENDRIN GEISTLICHES WORT
REGELMÄSSIGE MESSEN WEITERE GOTTESDIENSTE UND TERMINE ..................................................................................................................................................................................................................................... Samstag Aufgrund der anhaltenden Pandemie können auch in dieser Ausgabe kei- ne verbindlichen Angaben zu besonderen Gottesdiensten wie zum Bei- 18.00 St. Quirinus, Mödrath spiel Aschermittwoch und insbesondere auch für die Feiern der Kar- und 18.30 St. Rochus, Türnich/Balkhausen Osterwoche gemacht werden. Auch unsere Vereine und kirchlichen Sonntag Gruppen können weiterhin keine Veranstaltungen planen und veröffentli- chen. Beachten Sie deshalb auch bis auf Weiteres die Veröffentlichungen 9.30 St. Kunibert, Blatzheim im Mitteilungsblatt „Aktuell“ und auf der Homepage unseres Seelsorge- 9.30 St. Rochus, Türnich/Balkhausen bereiches Kerpen-Süd-West. Dort finden Sie dann die aktuellen Angaben 10.00 St. Martinus, Kerpen zu Messfeiern, Kreuzwegandachten, Frühschichten, Maiandachten und 11.00 St. Joseph, Brüggen gegebenenfalls von Veranstaltungsterminen. 11.00 St. Michael, Buir 11.15 St. Quirinus, Mödrath Es sei auch darauf hingewiesen, dass selbstverständlich alle aktuell gülti- 18.30 St. Martinus, Kerpen gen Schutz- und Hygienregeln des Landes NRW und des Erzbistums Köln gelten und zu beachten sind. Seit dem 25. Januar 2021 sind auch im Dienstag Gottesdienst ausschließlich medizinische oder FFP2-Schutzmasken zu 9.00 St. Michael, Buir tragen (ausgenommen die liturgischen Dienste an ihrem jeweiligen Platz). 9.00 St. Quirinus, Mödrath Wir hoffen auf Ihr Verständnis und bitten um Ihre Solidarität im Umgang 10.00 St. Rochus, Türnich/Balkhausen mit dieser langwierigen und alle belastenden Situation, ganz im Sinne un- entfällt bei Seniorenmesse seres Glaubens: Mittwoch Miteinander, füreinander unterwegs in guten wie in schlechten Zeiten 9.00 St. Martinus, Kerpen getragen vom Geist dessen, der uns zusagt: entfällt bei Seniorenmesse 10.00 St. Joseph, Brüggen „Ich bin da!“ Donnerstag 9.00 St. Martinus, Trauerhalle Manheim-neu 17.30 St. Rochus, Türnich/Balkhausen 19.00 St. Martinus, Kerpen Freitag 9.00 St. Kunibert, Blatzheim 10.00 St. Martinus, Kerpen 18.00 St. Joseph, Brüggen Bekanntmachung Widerspruchsrecht: Wir veröffentlichen gemäß den Ausführungsrichtlinien zur Anordnung über den kirchlichen Datenschutz – KDO – für den pfarramtlichen Bereich vom 22. Mai Der PGR von Kerpen-Süd-West wollte den Menschen in Kerpen am 2013 (Amtsblatt des Erzbistums Köln 2013, Nr. 134) kirchliche Amtshandlungsdaten (z. B. Taufen, Erst- Anfang des Jahres in diesen schwierigen Zeiten der Pandemie ein wenig kommunion, Firmung, Trauung, Weihen und Exequi- Zuversicht und Gottvertrauen schenken. Darum wurden im Stadtgebiet en) und sogenannte besondere Ereignisse. Besondere Ereignisse (Alters- und Ehejubiläen, Geburten, Sterbe- sechs verschiedene Plakate aufgehangen. fälle, Ordens- und Priesterjubiläen) werden mit Name, Vorname und Datum in kirchlichen Publikati- Wir hoffen, dass Gott auch im neuen Jahr an Ihrer Seite ist und er mit Ih- onsorganen (z. B. Aushang, Pfarrnachrichten und Pfarrmagazin Mittendrin) veröffentlicht, wenn der Be- nen geht, was das neue Jahr auch bringen mag. Denn wir sind überzeugt troffene der Veröffentlichung nicht rechtzeitig schriftlich davon, dass er zu uns hält und da ist! oder in sonstiger geeigneter Form bei der jeweiligen Wohnortpfarrei widersprochen hat. Auf das vorge- nannte Widerspruchsrecht des Betroffenen wird hier- Vielleicht hat der ein oder andere ja auch schon unsere sechs Impulse in mit hingewiesen. Eine Veröffentlichung im Internet (z. den Orten unseres Seelsorgebereiches geSEHEN. B. auf den Internetseiten der Kirchengemeinde) er- folgt nicht. Ihr PGR-Team 18 | MITTENDRIN REGELMÄßIGE MESSEN & NACHRICHTEN
PFARRER St. Martinus, Kerpen LUDGER MÖERS Stiftsstraße 6 Telefon: 02237-2316 50171 Kerpen Telefax: 02237-55640 Tel: 02237-3282 st.martinus@kerpen-sued-west.de pastor-moeers@gmx.de Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag 9.00 – 11.00 Uhr Donnerstag16.00 – 18.00 Uhr Pfarrbüro-Team: Renate Eilers, Ulrike Carlier, PFARRVIKAR Monika Welter, Ute Wolff THOMAS OSTER Tel: 02237-921947 St. Quirinus, Mödrath pastor-oster@gmx.de Kirchplatz 3 Telefon: 02237-922616 50171 Kerpen-Mödrath Telefax: 02237-922617 st.quirinus@kerpen-sued-west.de PFARRVIKAR Dienstag und Donnerstag 9.30 – 11.00 Uhr FRANZ-JOSEF PITZEN Mittwoch16.00 – 18.00 Uhr Pfarrbüro-Team: Anke Grabowitz und Anne Lips-Keppeler Tel: 02275-9183943 fj.pitzen@web.de St. Kunibert, Blatzheim Dürener Straße 278 Telefon: 02275-246 50171 Kerpen-Blatzheim Telefax: 02275-911062 DIAKON st.kunibert@kerpen-sued-west.de HARALD SIEBELIST Montag, Dienstag und Freitag 10.00 – 11.30 Uhr Dienstag 16.00 – 18.00 Uhr Tel: 02275-913404 Pfarrsekretärin: Birgit Davepon harald@siebelist.de St. Michael, Buir Eichemstraße 4 Telefon: 02275-360 GEMEINDEREFERENTIN 50170 Kerpen-Buir Telefax: 02275-5769 CLAUDIA OVERBERG st.michael@kerpen-sued-west.de Tel: 02237-9799560 Montag, Dienstag, Mittwoch 9.00 – 11.00 Uhr claudia.overberg@googlemail.com Donnerstag17.00 – 19.00 Uhr Pfarrsekretärin: Hilde Pohl St. Joseph, Brüggen GEMEINDEREFERENTIN Hubertusstraße 6 Telefon: 02237-7475 DAGMAR BILSTEIN 50169 Kerpen-Brüggen Telefax: 02237-975617 st.joseph@kerpen-sued-west.de Tel: 02237-9299039 dagmar.bilstein@googlemail.com Dienstag und Freitag 9.00 – 13.00 Uhr Mittwoch16.00 – 18.00 Uhr Pfarrsekretärin: Gabi Frohn PFARRER I.R. GEORG NEUHÖFER St. Rochus, Balkhausen/Türnich Heerstraße160 Telefon: 02237-7335 Tel: 02275-9199923 50169 Kerpen-Türnich Telefax: 02237-9799700 st.rochus@kerpen-sued-west.de Dienstag und Freitag 9.30 – 12.00 Uhr Donnerstag16.00 – 18.00 Uhr PFARRER I.R. Pfarrsekretärin: Anne Lips-Keppeler ENGELBERT ZOBEL Weitere Informationen unter www.kerpen-sued-west.de Tel: 02237-55752 Priesternotrufim Dekanat Kerpen: Tel: 01520-2922884 Telefonseelsorge: 0800-1110111 (Anruf kostenfrei) 19 | MITTENDRIN KONTAKT
„… so etwas haben wir noch nie gesehen ...“ (Mk 2,12) Bild: Dr. Johannes Lambertz
Sie können auch lesen