Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband

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Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
Mieten + Wohnen   Sondernummer Januar 2020   www.mieterverband.ch

   Sondernummer
   zur Abstimmung
   vom 9. Februar
Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
Editorial                                                          Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen                                                   Abstimmung Für mehr
und Leser                                                            bezahlbare Wohnungen            3
                                                                   Interview Jacqueline Badran
                                                                     zur Initiative                  6
                                                                   Initiative Antworten auf häufig
                                                                     gestellte Fragen              10
                                                                   Genossenschaften Warum sie
Die ersten Ergebnisse sind gut ausgefallen: Hätten                   so gut sind                    11
wir bereits im Dezember über unsere Initiative
abgestimmt, wäre sie gemäss SRG-Umfrage mit                        Sanierungen Kein Geld für
66 Prozent, gemäss Tamedia mit 63 Prozent ange-
nommen worden. Das ist sehr erfreulich! Wirft
                                                                     Luxussanierungen              14
man einen Blick auf die wohn­politischen Abstim-                   Haushalt Die heimlichen
mungen der vergangenen Jahre, erstaunen diese
Ergebnisse allerdings nicht. Seit 2010 hat es in der                 Stromfresser                  15
Schweiz 71 kantonale und kommunale Abstim-
mungen über wohnpolitische Vorlagen gegeben.
                                                                   Hotline Mündliche Verein-
Davon fielen 41, also rund 60 Prozent, zugunsten                     barung von Nebenkosten        17
von bezahlbarem Wohnraum aus. In den zehn
grössten Schweizer Städten wurden sogar drei                       Miettipp Was bedeutet «zu­
Viertel aller Abstimmungen zugunsten von
bezahlbarem Wohnraum angenommen.
                                                                     mutbar und zahlungsfähig»? 18
    Trotzdem sollten wir uns von diesen Um-                        Urteil Vermieter muss nach
fragen nicht blenden lassen, denn die Erfahrung
zeigt: Die Zustimmung zu Initiativen nimmt                           zehn Jahren zahlen            21
ab, je näher der Abstimmungstermin rückt. Bei
den meisten Stimmberechtigten kommen in
                                                                   Rechtsberatung Hier erhalten
diesen Tagen die Stimmunterlagen mit der Post.                       Sie Auskunft                  22
Höchste Zeit also, möglichst viele Leute von un-
serem Anliegen zu überzeugen. In dieser Ausgabe
haben wir deshalb nochmals das Wichtigste zur
Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» für Sie
zusammengefasst. Picken Sie sich zwei, drei
Argumente raus und überzeugen Sie ein paar
                                                                   Herausgeber                              Beglaubigte Auflage
Menschen in Ihrem Umfeld, am 9. Februar Ja zu                      Mieterinnen- und Mieterverband           126 556 Exemplare
stimmen. Gemeinsam schaffen wir es. Vielen                         Deutschschweiz                           Erscheinen
                                                                                                            6-mal pro Jahr
Dank für Ihr Engagement für mehr bezahlbare                        Redaktion                                Abonnementspreis
Wohnungen!                                                         Andrea Bauer                             Fr. 40.–/Jahr
                                                                   Administration und ­Adressverwaltung     Inserate und Beilagen
                                                                   Mieterinnen- und Mieterverband           Judith Joss,
   Herzlich                                                        Deutschschweiz                           judith.joss@mieterverband.ch
   Andrea Bauer                                                    Bäckerstrasse 52, 8004 Zürich            T 043 243 40 40
                                                                   T 043 243 40 40
                                                                   info@mieterverband.ch
                                                                   www.mieterverband.ch
   Korrigendum                                                     Mitarbeit
                                                                   Nadja Burri, Urs Geiser, Fabian Gloor,
   In der letzten Ausgabe (M+W 5/2019) ist uns im Artikel          Stefan Hartmann, Natalie Imboden,
«Das Geschäft mit den Mieten» ein Fehler unterlaufen.              Patric Sandri, Carlo Sommaruga,
In der Grafik sowie in den dazu­gehörenden Anmerkungen             Franziska Stocker, Michael Töngi
ist fälschlicherweise von den «Mobimo Anlagestiftungen»            Gestaltungskonzept
die Rede. Tatsächlich handelt es sich aber um die Pen­simo-­­      Hubertus Design GmbH, Zürich
Gruppe, zu der die Anlagestiftungen Adimora, Pensimo               Layout
                                                                   Atelier Bläuer, Joel Kaiser, Bern        www.facebook.com/Mieterverband
und Turidomos gehören. Mobimo und die Pensimo-
                                                                   Titelbild
Gruppe sind weder geschäftlich noch personell noch pro-            Andrea Bauer
jektbezogen miteinander verbunden. Wir entschuldigen               Druck
uns für diese Verwechslung.                                        Stämpfli AG, Bern                        Gedruckt in der Schweiz

Mieten + Wohnen                         Sondernummer Januar 2020                                                                             2
Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
Abstimmung                        Text von Andrea Bauer

                                                                          Michele Limina
Die Wohnbaugenossenschaft Oberfeld in Ostermundigen.

                         Für mehr bezahlbare
                             Wohnungen
                                     Unsere Mieten sind zu hoch.
                                    Um sie zu senken, braucht es am
                                       9. Februar ein Ja zu mehr
                                     gemeinnützigen Wohnungen.

Mieten + Wohnen                   Sondernummer Januar 2020            3
Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
Für nichts anderes geben wir in der Schweiz so viel                           ten Mietenden erhalten Mietzinsreduktionen. Im
Geld aus wie für unsere Mieten. Das Wohnen stellt                             Gegenteil: Die Mieten steigen (siehe Grafik unten
mit durchschnittlich 21 Prozent den grössten Posten                           rechts). Die Raiffeisen Bank hat festgestellt, dass
im Budget der Mieterinnen und Mieter dar. Zum                                 unsere Mieten heute um 40 Prozent tiefer wären,
Vergleich: Die Krankenkassenprämien machen                                    hätten die Vermieter alle Senkungen weitergegeben.
6 Prozent des Budgets aus. Die Belastung ist beson-                           So aber fliessen Milliarden aus den Einkommen
ders bei den mittleren und unteren Einkommen                                  der Mieterinnen und Mieter als Rendite an die
hoch. Sie müssen bis zu 36 Prozent ihres Budgets für                          Im­mo­­bilieneigentümer.
die Miete ausgeben (siehe Grafik unten links). Schon
das ist sehr viel. Die Mieten steigen aber immer                                 Die Lösung: Mehr Gemeinnützige
weiter an. Viel schneller als Löhne und Renten.                                  Es gibt einen Weg, die Mieten zu senken: den Aus-
                                                                              bau des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Gemein-
   Zu hohe Renditen                                                           nützige Wohnbauträger – es sind vor allem Genos-
   Der Grund für die hohen Mieten: Viele Vermie-                              senschaften – schaffen mit der Kostenmiete be­
terinnen und Vermieter machen mit den Wohnun-                                 zahlbaren Wohnraum, anstatt mit den Mieten der
gen zu hohe Gewinne. Gemäss geltendem Recht be-                               Menschen Profit zu machen. Bei der Kostenmiete
trägt die zulässige Rendite zurzeit 2 Prozent. Diese                          muss die Miete nur die Kosten für Bau, Instand­
Grenze wird jedoch oft überschritten. Und die Mög-                            haltung und zusätzliche Investitionen decken. Die
lichkeiten der Mietenden, überhöhte Mieten ein-                               Mieten von Genossenschaftswohnungen sind des-
zuklagen, sind sehr beschränkt. Der Referenzzins-                             halb auch viel tiefer als solche des renditeorien­tierten
satz, an den die Mieten eigentlich angepasst werden                           Marktes. Der Unterschied macht jährlich zwei Mo-
müssten, sinkt seit Jahren. Doch nur die wenigs-                              natsmieten aus, in Kernstädten sind es sogar drei.

Mietbelastung nach Einkommensklasse                                           Steigende Mieten trotz sinkenden Zinsen

               Miete                       Miete                      Miete   Prozent                                                                       Prozentpunkte
               36 %                        26 %                       20%     5,00                                                                                        135
                                                                              4,50                                                                                        130
                                                                              4,00                                                                                        125
                                                                              3,50                                                                                        120
                                                                              3,00                                                                                        115
                                                                              2,50                                                                                        110
                                                                              2,00                                                                                        105
                                                                              1,50                                                                                        100
Übrige Ausgaben            Übrige Ausgaben            Übrige Ausgaben
                                                                              1,00                                                                                        95
64%                        74 %                       80 %
                                                                                     2000

                                                                                            2001

                                                                                                   2002

                                                                                                          2003

                                                                                                                 2005

                                                                                                                         2007

                                                                                                                                2009

                                                                                                                                       2011

                                                                                                                                              2013

                                                                                                                                                     2015

                                                                                                                                                            2017

                                                                                                                                                                   2019

Bruttoeinkommen            Bruttoeinkommen            Bruttoeinkommen
 4000 CHF                 4001– 6000 CHF             6001– 8000 CHF                        Referenzzins                Mietpreisindex

Quelle: Bundesamt für Statistik/Bundesamt für Wohnungswesen; Zahlen: 2016.    Quelle: Bundesamt für Statistik; Basisjahr: 1993

Mieten + Wohnen                           Sondernummer, Januar 2020                                                                                                            4
Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
Kommentar

                                                               Ein grosses Ja
                                                               am 9. Februar

    Die vier Forderungen der Initiative
    Der Ausbau des gemeinnützigen Wohnungsbaus
ist deshalb auch der Kern der Initiative «Mehr be-
zahlbare Wohnungen» des Mieterinnen- und Mieter-               Am 9. Februar kommt unsere Initiative für
                                                               bezahlbares Wohnen an die Urne. Um sie zu
verbands, über die wir am 9. Februar abstimmen.                gewinnen, müssen wir jetzt handeln! Wir
Mit den folgenden vier Massnahmen will sie die                 müssen Familie, Freunde, unsere beruflichen
Situa­tion auf dem Mietwohnungsmarkt entschärfen:              und sozialen Netzwerke mobilisieren und alle
• Eine von zehn neu gebauten Wohnungen soll                    daran erinnern, dass unser Anliegen ein grosses
    künftig im Besitz von Wohnbaugenossenschaften              Ja verdient.
                                                                   Die Spekulation treibt die Mieten in der
    oder anderen gemeinnützigen Wohnbauträgern
                                                               Schweiz nach oben. Die Hypotheken sinken,
    sein.                                                      aber die Mieten halten nicht Schritt. Mit jedem
• Kantone und Gemeinden sollen ein Vorkaufsrecht               Mieterwechsel steigen sie weiter an. Wegen der
    für geeignete Grundstücke einführen können,                angestrebten Renditen sind die Marktmieten
    um diese dem gemeinnützigen Wohnungsbau zur                deutlich höher als die von Wohnbaugenossen-
    Verfügung zu stellen.                                      schaften, Gemeinden oder gemeinnützigen
                                                               Stiftungen. Das von den Mieterinnen und Mie-
• Der Bund und bundesnahe Betriebe wie etwa die                tern bezahlte Geld landet in den Taschen von
    SBB sollen ihr Land zuerst den Gemeinden und               Vermieterinnen und Vermietern.
    Kantonen zum Kauf anbieten.                                    Unsere Initiative will moderate Mieten. Sie
• Fördergelder der öffentlichen Hand für energeti-             will das Wohnen dem Profit und der Spekula-
    sche Sanierungen dürfen nur ausbezahlt werden,             tion entziehen. Genossenschaften erfüllen Be-
                                                               dürfnisse, und nicht Renditevorstellungen. Sie
    wenn sie nicht zum Verlust von preisgünstigem
                                                               bieten Sicherheit, fördern die Durchmischung
    Wohnraum führen.                                           von Generationen, von kleinen und mittleren
                                                               Einkommen und schaffen lebendige Nach­
Wohnen müssen wir alle. Wohnen ist deshalb auch                barschaften. Und die tieferen Mieten verrin-
ein Menschenrecht. Und die Forderung der Initiative            gern die Abhängigkeit von der Sozialhilfe.
steht eigentlich bereits in der Verfassung: Der Bund               Unsere Initiative will zudem den durch
                                                               Sanierungen entstehenden Verlust von bezahl-
müsste nämlich die gemeinnützigen Wohnbauträger                barem Wohnraum einschränken. Energetische
fördern und dafür sorgen, dass alle eine Wohnung zu            Sanierungen sind wichtig für das Klima und
tragbaren Bedingungen haben. Mit einem Ja zur                  es ist richtig, dass sie subventioniert werden.
Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» können wir              Nicht richtig ist es hingegen, wenn die Subven-
dafür sorgen, dass er dieser Verpflichtung endlich             tionen an Immobiliengesellschaften gehen,
                                                               die ganze Gebäude leeren und in Luxusimmo-
nachkommt.
                                                               bilien verwandeln.
   Mehr zur Initiative: bezahlbare-wohnungen.ch                    Unsere Initiative reagiert auf ein grosses
                                                               Bedürfnis in der Bevölkerung und sie geniesst
                                                               grosse Unterstützung. Der Sieg ist zum Greifen
                                                               nah. Ihre Stimme ist wichtig, aber auch die
                                                               Ihres Umfelds. Fordern Sie die Menschen in
                                                               Ihrem Umfeld auf, am 9. Februar ebenfalls
                                                                                                                 Christine Blaser

                                                               Ja zu stimmen. Es lohnt sich!
                                                                   Carlo Sommaruga, Präsident MV Schweiz

Mieten + Wohnen                     Sondernummer Januar 2020                                                 5
Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
Interview

«Genossenschaften
sind einfach nur gut!»
Nationalrätin Jacqueline Badran sagt im Interview,
warum Genossenschaften das richtige Mittel
gegen steigende Mieten sind.

Mieten + Wohnen   Sondernummer Januar 2020           6
Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
Christine Blaser

Mieten + Wohnen   Sondernummer Januar 2020   7
Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
posten in unserem Budget. Es macht          serer Volkswirtschaft und saugen den
                                              zVg

                                                    einen Unterschied, ob Sie für eine 4-Zim-   Leuten Einkommen ab. Das ist ein volks-
                                                    mer-Wohnung 2000 Franken Miete              wirtschaftlicher Super-GAU! Darum
                                                    zahlen oder 1500. Das sind 500 Franken,     braucht es Gegenwehr.
                                                    die Sie jeden Monat an einen rendite­
                                                    orientierten Vermieter als Gewinn ablie-        In Form der Initiative «Mehr bezahl-
                                                    fern. Diese Gewinne sind in den letzten     bare Wohnungen», die eine Ausweitung
                                                    zwanzig Jahren massiv gestiegen. Das ist    des gemeinnützigen Wohnungsbaus
                                                    inakzeptabel! Den Leuten fehlen Milli-      fordert?
                                                    arden in den Portemonnaies für Konsum,          Genau. Mit Grundgütern sollte im
                                                    fürs verlängerte Wochenende, um aus-        Prinzip niemand Gewinn machen dürfen:
                                                    wärts essen zu gehen oder zum Sparen        weder mit dem Wasser noch mit der Ge-
                                                    fürs Alter. Zudem können sich heute ge-     sundheit noch mit den Schulen. Und
                                                    rade noch 10 Prozent potenziell Wohn­       schon gar nicht mit dem Wohnen, denn
                                                    eigentum leisten – dieser Wert lag über     dabei handelt es sich um Zwangskonsum.
                                                    Jahre bei 40 Prozent.                       Man kann ja nicht nicht wohnen. Ge­
                                                                                                nossenschaften sind der dritte Weg im
                                                        Was ist in den letzten zwanzig Jahren   Wohnungsbau, eine Mixtur zwischen
                                                    passiert?                                   Eigentum und Miete. Sie halten sich frei-
                                                        Nach dem Börsencrash 2000 wurden        willig an die Kostenmiete – das heisst an
                                                    die Immobilien als Kapitalanlage wieder-    einen Mietzins ohne Rendite. Die Mieten
                                                    entdeckt – und nach der Finanzkrise         sind deshalb rund 20 Prozent tiefer als
Jacqueline Badran ist Nationalrätin (SP/ZH)         2008 grad noch einmal. Heute steckt viel    die der Renditeorientierten. Wer will
und Vorstandsmitglied des MV Schweiz.               mehr anonymes Kapital in den Immobi-        nicht eine Wohnung, die er erstens mit-
                                                    lien. Die Vermieter sind nicht mehr Herr    besitzt und bei der er zweitens nieman-
                                                    und Frau Müller, die noch wussten, wie      ­dem Gewinn abliefern muss? Das ist
    Jacqueline Badran, warum sollen                 hoch die Löhne sind. Die verstehen, dass     einfach nur gut.
wir am 9. Februar die Initiative «Mehr
bezahlbare Wohnungen» annehmen?                                                                  Sie scheinen ein Fan des gemein­
    Die entscheidende Frage lautet:                    Mit Grundgütern sollte                 nützigen Wohnungsbaus zu sein …
Wollen Sie an einem Ort wohnen, wo Sie                 niemand Gewinn machen                     Diese Art zu wohnen ist schlicht
einem Immobilieneigentümer jeden                       dürfen.                                gross­artig! Nur schon dieses Wort: «Ge-
Monat 500 Franken als Gewinn abliefern                                                        meinnutzen» … Wo der Nutzen an die
müssen, oder nicht? Wenn nicht, sollten                                                       Allgemeinheit fliesst und nicht an ein
Sie Ja zu dieser Initiative sagen.                  es für eine Familie schwierig ist, 3000   paar Einzelne oder gar an irgendwelche
                                                    Franken für eine 4-Zimmer-Wohnung zu Investmentbanken, die indirekt in un-
   Das müssen Sie etwas ausführen …                 zahlen. Die Müllers werden zunehmend      seren Immobilien hocken. Genossen-
   Unsere Mieten sind gegenüber dem                 ersetzt durch das anonyme Kapital, das in schaften bauen ausserdem innovativer,
gesetzlichen Pfad um 40 Prozent zu                  der Pensionskasse, einer börsenkotierten ökologischer, familienfreundlicher, al-
hoch. Und sie steigen weiter, obschon sie           Mobimo oder Allreal steckt. Sie sind      tersgerechter. Kein Wunder, gewinnen sie
wegen rekordtiefer Zinsen eigentlich seit           den Aktionären gegenüber zu einer maxi- fast alle Architektur-Preise. In einer Ge-
Jahren sinken müssten. Die Wohnkosten               malen Rendite verpflichtet. Wie ein rie-  nossenschaft bin ich geschützt davor,
sind mit Abstand der grösste Ausgabe-               siger Staubsauger schweben sie über un-   raus­geworfen zu werden. Es gibt gemein-

Mieten + Wohnen                      Sondernummer Januar 2020                                                                             8
Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
schaftliche Strukturen, Spielplätze, Ge-     zentriert, wirds richtig problematisch.      aufträge zum Wohnen, die nicht einge-
meinschaftsräume, in denen man Feste         Besitzen die Gemeinden den Boden hin-        halten werden. Der Bund macht nichts.
machen kann. Manche haben eine ge-           gegen selber, subventionieren sie mit der    Und das ist ein Skandal.
meinsame Sauna, Werkstätten, Gärten.         Infrastruktur nur sich selber.
Genossenschaften sind ein Ort, an                                                             Die Gegner sagen, es sei effizienter,
dem man ganz viele Träume realisieren            Die Nachfrage nach gemeinnützigen        denen, die es nötig haben, direkt zu
kann, ohne dass man jemandem eine            Wohnungen ist riesig. Trotzdem liegt         helfen …
                                             ihr Anteil am gesamten Mietwohnungs-             Klar sagen sie das! Denn das wäre
                                             Bestand seit Jahren bei unter 5 Prozent.     nichts anderes als eine Subventionierung
   Bund, Kantone und Gemeinden               Was ist das Problem?                         der Immobilieneigentümer: Du kriegst
   verdienen an einer Expansion                  Es gibt zwei grosse Probleme bei der     das Geld und musst es gleich wieder an
   der Gemeinnützigen.                       Expansion der Gemeinnützigen. Erstens        sie weitergeben, um ihre überhöhten
                                             kommen sie in der Regel nicht zu Land.       Renditen zu finanzieren. Für die mit dem
                                             Die anderen können meistens mehr be-         kleinen Portemonnaie gibt es mit der
Rendite abliefern muss. Und das Beste        zahlen, weil sie Eigentumswohnungen auf      Sozialhilfe oder der IV bereits jetzt genü-
ist, dass Bund, Kantone und Gemeinden        das Land bauen und diese teuer ver-          gend Instrumente. Für die Menschen des
an einer Expansion der Gemeinnützigen        kaufen. Die Genossenschaften dagegen         unteren bis oberen Mittelstands dagegen
sogar noch mitverdienen.                     wollen die Mieten tief halten und zahlen     haben wir nichts, die müssen es allein
                                             deshalb keine überhöhten Preise für den      stemmen. Besonders für sie ist die
    Inwiefern?                               Boden. Das zweite Problem ist das feh-       Initiative.
    Der Bund verdient ohne Risiko an den     lende Eigenkapital. Wenn eine Wohnung
rückzahlbaren, verzinslichen Darlehen,       400 000 Franken kostet, müssen davon            Was sagen Sie zum Argument, die Ini-
die Gemeinden und Kantone am Bau-            80 000 Franken als Eigenkapital eingelegt   tiative schade den Pensionskassen und
recht, für die ihnen die Gemeinnützigen      werden. Genügend Leute zu finden, die       damit unserer Altersvorsorge, weil diese
jeweils Zinsen zahlen. Und die Wertstei-     das können, ist schwierig. Also müsste die  mit Immobilien Rendite machen?
gerung des Bodens bleibt erst noch im        Genossenschaft irgendwo ein Kässeli             Das ist nun wirklich das dümmste Ar-
Volksvermögen. Ein super Geschäft also       haben. Das ist aber meist nicht der Fall,   gument. Erstens haben Pensionskassen
für die Gemeinwesen.                         weil sie ja keinen Gewinn erwirtschaftet.   mit Abstand den teuersten Verwaltungs-
                                                                                         apparat von allen Versicherungen. Zwei-
    Die Immobilienlobby sagt, der Bund           Diese beiden Probleme kann die Initia- tens dürfen deren Sammelstiftungen
würde die Gemeinnützigen mit günstigen       tive lösen?                                 10 Prozent des Bruttoertrags als Gewinn
Darlehen subventionieren …                       Ja. Die Initiative fordert für Kantone  einbehalten. Ich soll also mit meiner
    Mit diesem Argument muss mir nie-        und Gemeinden ein Vorkaufsrecht, damit Miete zuerst ihre riesige Bürokratie und
mand kommen. Wissen Sie, wer wirklich        sie Land erwerben und den Gemeinnüt-        dann noch 10 Prozent Gewinn finan-
subventioniert wird? Die privaten Immo-      zigen zur Verfügung stellen können. Auch zieren, und dann sagen sie mir, das sei
bilienfirmen. Mit jeder Investition der      was die Finanzierung betrifft, gibt es sehr wichtig für meine Rente. Nein! Wenn ich
Gemeinwesen in die Infrastruktur steigt      konkrete Vorschläge für die Umsetzung       eine tiefe Miete habe, dann ist das meine
der Wert einer Immobilie. Wer zahlt das?     der Initiative, etwa die Aufstockung des    beste Altersvorsorge. Wenn ich ein Ar-
Sie und ich mit unseren Steuern. Und         Fonds de Roulement oder eine nationale beitsleben lang 500 Franken weniger
wer profitiert? Die Eigentümer. Wenn das     Landstiftung. An beiden würde der Bund Miete pro Monat bezahlen muss, kann
viele verschiedene sind, ist es okay. So-    kräftig mitverdienen. Eigentlich steht ja   ich bei 1 Prozent Zins 300 000 Franken
bald sich das Eigentum aber bei einigen      vieles davon bereits in der Verfassung. Wir ansparen. Das toppt keine Pensionskasse
wenigen Immobilienfonds oder AGs kon-        haben nicht weniger als drei Verfassungs- der Welt.

Mieten + Wohnen                  Sondernummer Januar 2020                                                                            9
Sondernummer zur Abstimmung vom 9. Februar - Mieterverband
Abstimmung

                        Häufig gestellte Fragen
                            zur Initiative
    Wieso braucht es die Initiative – gibt es nicht eine             Wer garantiert, dass Leute in den Genossenschaften
Entspannung auf dem Wohnungsmarkt?                                wohnen, die darauf angewiesen sind?
    Leider nein. Aktuelle Zahlen des Bundesamtes für Statistik       Genossenschaften sind keine Sozialwohnungen. Sie stellen
zeigen: Seit 2005 sind die Mieten gemäss Mietpreisindex um        Wohnraum sowohl für sozial eher Benachteiligte als auch für
fast 19 Prozent angestiegen, während sich die allgemeine Teue-    Leute mit guter Bildung und höherem Lohn zur Verfügung.
rung in der gleichen Zeit bei unter 5 Prozent bewegte. Auch bei   Davon profitieren gerade Familien und der Mittelstand. Den-
der Verfügbarkeit von Wohnraum kann nicht von einer Ent-          noch ist es so, dass in Genossenschaften verhältnismässig viele
spannung gesprochen werden. Es gibt zwar in gewissen Ge-          Leute mit tiefem Bildungsniveau und geringeren finanziellen
bieten leerstehende Neubauten. Sie sind jedoch oft zu teuer       Ressourcen wohnen. Die günstigen Wohnungen kommen somit
und befinden sich nicht dort, wo die Menschen wohnen wollen.      auch denen zugute, die darauf angewiesen sind. Gewisse Ge-
Besonders in städtischen Gebieten ist freier Wohnraum nach        nossenschaften fördern die soziale Durchmischung durch be-
wie vor Mangelware und die Mieten sind hoch.                      hindertengerechte Wohnungen, Mehrgenerationenhäuser oder
                                                                  die Integration von Personen mit Asylhintergrund.
    Die Initiative fordert bei den Neubauten einen Anteil von
10 Prozent gemeinnützige Wohnungen. Ist das realistisch?              Warum sollen Areale des Bundes und bundesnaher Be-
    Bei einer Annahme der Initiative müssen Bund und Kantone      triebe für den gemeinnützigen Wohnungsbau zur Verfügung
sicherstellen, dass vor allem dort gemeinnützige Wohnungen        stehen?
entstehen, wo es an bezahlbarem Wohnraum fehlt. Also vor allem        Die SBB hat ihr Land ursprünglich für den Bau der öffent­
in Städten und Agglomerationen. Dort muss der Anteil deutlich     lichen Infrastruktur erhalten – zum Teil auch durch Enteig-
über 10 Prozent liegen. In Regionen mit genügend bezahlbaren      nungen. Heute werden Areale häufig an Investoren verkauft, die
Wohnungen dagegen können es auch weniger als 10 Prozent sein.     Wohn- und Geschäftsräume im obersten Preissegment an-
                                                                  bieten. Diese Rendite-Maximierung passt nicht zum ursprüng-
   Führt die Initiative nicht zu viel mehr Bürokratie, wenn       lichen Zweck, nämlich der Erfüllung eines öffentlichen
die Behörde bei jeder Baubewilligung die Umsetzung der            Interesses.
Initiative prüfen muss?
   Nein. Die Initiative lässt offen, welche Massnahmen der Ge-       Wenn Pensionskassen eine gute Rendite erwirtschaften,
setzgeber einführen soll, um das Ziel von 10 Prozent zu errei-    kommt das doch unseren Renten zugute?
chen. Auch gilt dieser Anteil nicht für jede einzelne Gemeinde,      Pensionskassen sollen aus ihren Immobilienanlagen eine an-
sondern gesamtschweizerisch. Denkbar ist etwa, dass ein Mass-     gemessene Rendite erzielen können. Ist sie jedoch überhöht,
nahmenpaket geschnürt und nach 5 Jahren überprüft wird, ob        geht das auf Kosten der Mieterinnen und Mieter. Wenn sie
das Ziel erreicht wurde. Das ist mit wenig Bürokratie möglich.    überteuerte Mieten zahlen müssen, haben sie letztlich weniger
                                                                  Geld zur Verfügung.
    Was kostet die Umsetzung der Initiative?
    Die Umsetzung verursacht kaum Kosten. In erster Linie            Gefährdet die Initiative den Fonds de Roulement?
braucht es raumplanerische Massnahmen: Zonen, in denen               Nein. Die 2019 beschlossene Aufstockung des Fonds de
ein bestimmter Anteil an gemeinnützigen Wohnungen vorge-          Roulement, der Darlehen zu günstigen Konditionen an Genos-
schrieben ist, oder ein Ausnützungsbonus für Projekte mit         senschaften vergibt, tritt zwar nur in Kraft, wenn die Initiative
einem hohen Anteil an gemeinnützigen Wohnungen. Diese Ins-        abgelehnt wird. Bei einer Annahme würde jedoch ein Massnah-
trumente sind sehr effektiv, ohne dass sie etwas kosten. Wenn     menpaket geschnürt, zu dem mit Sicherheit auch Starthilfen in
Gemeinden oder Kantone Grundstücke kaufen, erfordert das          Form von zinsgünstigen Darlehen gehören würden.
finanzielle Mittel. Wird das Land jedoch anschliessend im Bau-
recht an gemeinnützige Wohnbauträger abgegeben, fliessen             Wäre die Lösung nicht weniger Regulierung und mehr
Einnahmen aus den Baurechtszinsen zurück. Mit den Finanzie-       Markt?
rungshilfen – zinsgünstigen Darlehen oder Bürgschaften –             Wohnen ist ein Grundrecht – und ein Gut, das jeder Mensch
nimmt die öffentliche Hand Zinsen ein, im Jahr 2017 waren es      konsumieren muss. Der Boden ist eine beschränkte Ressource,
3,8 Millionen Franken. Was den Bund betrifft, so wurden in        die sich nicht vermehren lässt. Deshalb kann der Wohnungs-
den letzten fünfzehn Jahren alle Darlehen zurückbezahlt und       markt nicht mit gewöhnlichen Konsumgütern gleichgesetzt
keine einzige Bürgschaft musste eingelöst werden.                 werden und die reine Marktlogik ist fehl am Platz.

Mieten + Wohnen                 Sondernummer Januar 2020                                                                          10
10 Gründe für mehr
Genossenschafts-
wohnungen

                                                                                                                                   Michele Limina
1 Bezahlbare Mieten                                               6 Miteigentum
   Im Vergleich mit anderen Wohnungen sind die Mieten in             Genossenschaften bieten eine Mischform von Miete und
Genossenschaften um durchschnittlich 20 Prozent tiefer.           Eigentum, man nennt sie den «dritten Weg» im Wohnungsbau.
Genossenschaften verzichten freiwillig auf eine Rendite und       Wer Mitglied einer Genossenschaft ist, kauft seine Wohnung
wenden die Kostenmiete an. Die Mieterinnen und Mieter             zwar nicht, wird aber durch das Anteilscheinkapital Miteigen-
bezahlen nur so viel, wie für den Betrieb und den langfristigen   tümerin oder Miteigentümer. Anders als beim Wohneigentum
Unterhalt nötig ist.                                              braucht es dafür aber kein grosses Kapital.

2 Hohe Wohnsicherheit                                             7 Gute Altersvorsorge
    Wer Mitglied einer Genossenschaftswohnung ist, ist Mit­           Genossenschaften ermöglichen dank ihren tiefen Mieten
eigentümerin oder Miteigentümer und hat ein Wohnrecht.            eine gute Altersvorsorge. Denn wer ein Leben lang weniger
Das bedeutet, dass den Mitgliedern nicht so einfach gekündigt     Miete zahlt, kann mehr auf die Seite legen. Die preisgünstigen
werden kann. Die hohe Wohnsicherheit ist gerade für ältere        Wohnungen und die hohe Wohnsicherheit, die genossenschaft-
Menschen, aber auch für Familien oder Menschen mit einem          liche Wohnungen bieten, sind gerade auch im Alter von grosser
tiefen Einkommen besonders wichtig.                               Wichtigkeit.

3 Gemeinsam wohnen und leben                                      8 Hohe Wohnqualität
    In Genossenschaften können die Bewohnerinnen und Be-             Baugenossenschaften legen grossen Wert auf eine hohe
wohner gemeinsam Dinge nutzen, die sie sich alleine nicht         Qualität. Dazu gehören eine Architektur, die Begegnungen för-
leisten könnten: Gemeinschaftsräume, Bastelräume, Gäste-          dert, vielseitig nutzbare Aussenräume und Erdgeschosse, die
zimmer oder Spielplätze etwa. Auch gemeinschaftliche Anlässe,     einer gemeinschaftlichen Nutzung und dem Gewerbe Platz
Freizeitangebote, Kinderbetreuung oder Nachbarschaftshilfe        bieten. Gemeinnützige Bauträger gewinnen denn auch über-
gehören zum Leben in der Genossenschaft.                          durchschnittlich oft Preise und Auszeichnungen.

4 Nutzen für das ganze Quartier                                   9 Mitbestimmung
    Von den Angeboten in den Genossenschaftssiedlungen pro-           Genossenschafterinnen und Genossenschafter können mit-
fitieren ganze Quartiere oder Gemeinden. In vielen Siedlungen     bestimmen und mitgestalten. Als Mitglieder werden sie an die
sind öffentliche Angebote wie Kindertagesstätten, Kinder-         Generalversammlung eingeladen und können über wichtige
gärten oder Pflegewohnungen untergebracht. Es gibt Läden,         Geschäfte abstimmen, eigene Anträge stellen sowie den Vor-
Beizen, Coiffeur-Salons oder Arztpraxen und Raum für Vereine      stand wählen. Noch aktiver mitgestalten kann sein Wohnum-
und Initiativen aus dem Quartier.                                 feld, wer im Vorstand oder in einer Arbeitsgruppe mitwirkt.

5 Wohnen für alle                                                 10 Umweltbewusstsein
    Genossenschaften bieten grundsätzlich Wohnraum für alle.          Genossenschaften nehmen bezüglich Nachhaltigkeit beim
Sie achten aber freiwillig auf eine gute Durchmischung oder       Bauen und Wohnen eine Vorreiterrolle ein. Sie sind ausserdem
vermieten ihre Wohnungen insbesondere an Familien, wirt-          viel dichter bewohnt und haben einen markant tieferen Boden-
schaftlich schwächer gestellte Haushalte oder ältere Menschen.    verbrauch als Eigentumswohnungen und Wohnungen des
Tatsächlich leben in Genossenschaften überproportional viele      renditeorientierten Marktes. Damit tragen sie zu einem haus-
Personen mit geringen finanziellen Mitteln.                       hälterischen Umgang mit dem Boden bei.

Mieten + Wohnen                  Sondernummer Januar 2020                                                                     11
Abstimmung

Viele Stimmen
für mehr bezahlbare
Wohnungen

Corine Mauch                                 Ueli Mäder                                 Annemarie Berlinger-Staub
Stadtpräsidentin Zürich                      em. Professor für Soziologie               Gemeindepräsidentin Köniz
«Wohnen in den Städten darf nicht            «Ich unterstütze die Initiative. Sie ist   «Die Wohnkosten bestimmen über die
eine Frage des Portemonnaies sein.           dringlich. Über ein Drittel der älteren    Zusammensetzung der Bevölkerung in
Wirkung für mehr gemeinnützige Woh-          Frauen leben fast nur von der AHV.         einer Gemeinde. Eine gute Durch­
nungen erzielen wir mit einer aktiven        Sie sind auf bezahlbare Mieten ange-       mischung ist eine unabdingbare Voraus­
Wohn­politik.»                               wiesen, aber besonders von Kündigungen     setzung für ein funktionierendes und
                                             betroffen.»                                lebenswertes Gemeinwesen.»

Kenny Gubser                                 Rosmarie Okle                              Max Elmiger
Präsident BDP Kanton St. Gallen              Mitglied VASOS                             Direktor Caritas Zürich
«Hohe Mieten belasten das Haushalts-         «Unsere beste Altersvorsorge ist unsere    «40 % und mehr von tiefen Einkommen
budget gerade für Familien. Die Initiative   kostengünstige Mietwohnung. Deshalb        fürs Wohnen ist ein Skandal. Eine bezahl-
ist nötig, um bezahlbares Wohnen zu          sage ich aus Überzeugung Ja zur            bare und würdige Wohnung ist die halbe
fördern.»                                    Initiative.»                               Miete. Deshalb unterstütze ich die
                                                                                        Initiative.»

Mieten + Wohnen                  Sondernummer Januar 2020                                                                        12
Giorgio Tuti                                 Anne Varenne                                   Erich Fehr
Vizepräsident Schweizerischer                Präsidentin CVP Frauen Thurgau,                Stadtpräsident von Biel
Gewerkschaftsbund                            Präsidentin Bildung Thurgau                    «Der gemeinnützige Wohnungsbau ist
«Ich sage Ja, damit alle Familien – auch     «Ärmere Menschen, kinderreiche Fami-           der stabilisierende Faktor auf dem
solche mit tiefen oder mittleren Ein-        lien oder Pensionierte ohne Vermögen           Wohnungsmarkt! Deshalb sage ich Ja
kommen – eine zahlbare Wohnung               können die hohen Mietzinsen der Neu-           zur Volksinitiative für bezahlbaren
finden können.»                              bauten nicht zahlen. Es müssen darum           Wohnraum.»
                                             dringend mehr bezahlbare Wohnungen
                                             vorhanden sein. Ich unterstütze die Initi-
                                             ative, weil in der reichen Schweiz alle eine
                                             bezahlbare Unterkunft haben sollen.»

Georg E. Radecke                             Marianne Meyner, Vorsitzende der               Anja Scholz-Zwyssig
Bauingenieur (pensioniert)                   Direktion (CEO) der Heilsarmee                 Rechtsanwältin, CVP-Mitglied
«Ein Vertrag muss beiden Partnern            Schweiz, Österreich und Ungarn                 «Als Anwältin im Familienrecht sind die
DIENEN. Der Mieter erhält die Nutzung        «Wer heute kein grosses Einkommen              hohen Wohnkosten der Parteien immer
einer Wohnung, für Bau und Unterhalt         generiert, kann sich eine Wohnung, beson-      wieder ein grosses Thema. Es ist Zeit
derselben erhält der Vermieter Geld. Es      ders in Stadtnähe, kaum mehr leisten. Mit      zu handeln! Deshalb von mir ein Ja zur
geht nicht an, dass er sich dabei über-      der Initiative soll erreicht werden, dass      Ini­tiative für bezahlbare Wohnungen,
mässig bereichert.»                          Eigenständigkeit gefördert und Abhängig-       insbesondere für die Familien.»
                                             keit vermieden wird. Es sollen alle die
                                             Chance auf ein Dach über dem Kopf in
                                             der Nähe ihres Arbeitsplatzes haben.»

                                                                                               Diese Organisationen und Parteien
                                                                                               unterstützen die Initiative
                                                                                               • Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz
                                                                                               • Wohnbaugenossenschaften Schweiz
                                                                                               • SP/JUSO
                                                                                               • Grüne/Junge Grüne
                                                                                               • Schweizerischer Gewerkschaftsbund
                                                                                                 SGB/Unia
                                                                                               • Casafair (früher: Hausverein)
                                                                                               • Verband der Schweizer
Roger Jud Eggenberger                         Erstellen Sie ein eigenes                          Studierendenschaften VSS
Coaching & Consulting                         Testimonial unter                                • Vereinigung aktiver Senioren- und Selbst­
«Wohnen ist eines der Grundbedürfnisse        bezahlbare-wohnungen.ch/testimonials               hilfeorganisationen der Schweiz VASOS
                                                                                               • Verein zur Verteidigung der Rechte
der Menschen und soll deshalb bezahl-                                                            der Rentner AVIVO
bar sein. Als Buchhalter einer Genossen-                                                       • AvenirSocial Berufsverband
schaft mit 325 Wohneinheiten sehe ich,                                                           Soziale Arbeit Schweiz
dass das möglich ist.»                                                                         • Heilsarmee Schweiz

Mieten + Wohnen                  Sondernummer Januar 2020                                                                                13
Energetische Sanierungen               Text von Michael Töngi

Das Richtige                           Alte Wohnhäuser können richtige Ener-                 Besonders ärgerlich ist an der Sache:
                                       gieschleudern sein: Tausende Liter Heizöl         Sanierungen werden mit Zuschüssen des
                                       werden jeden Winter verbraucht. Wollen            Bundes gefördert. Das Geld dafür kommt

fördern                                wir den CO2-Ausstoss senken, so müssen
                                       diese Gebäude saniert werden. Gratis ist
                                       das nicht zu haben. Doch Berechnungen
                                                                                         aus der CO2-Abgabe, die von den Mie-
                                                                                         tenden bezahlt wird. Diese Fördergelder
                                                                                         sind richtig und wichtig, denn sie helfen
                                       zeigen, dass auch gute Sanierungen bis            mit, Mietzinsaufschläge weiter abzu-
Allzu oft fallen die Miet-             hin zu einem Minergiestandard mit den             dämpfen. Werden sie aber wie heute auch
zinserhöhungen nach ener-              üblichen energetischen Massnahmen und             bei Luxussanierungen ausbezahlt oder
                                       einer Überholung von Küche und Bad in             wenn den Mietenden gekündigt wird,
getischen Sanierungen viel             einer üblichen 4-Zimmer-Wohnung mit               bleibt das Geld bei den Vermietern
zu hoch aus. Wenn dann                 einem Mietzinsaufschlag von 150 bis               hängen. Die Fördergelder erhöhen so
noch Fördergelder drin                 300 Franken zu machen sind. Zieht man             einzig die Rendite der Vermieter. Diesen
                                       die Einsparungen beim Heizen und                  falschen Mechanismus will die Wohn­
stecken, verdoppelt sich               Warmwasser und die Fördergelder ab, so            initiative korrigieren: Sie setzt durch, dass
der Ärger.                             liegt der Aufschlag noch bei 100 bis              Fördergelder nicht zum Verlust von preis-
                                       200 Franken. Die supertiefen Hypothe-             werten Wohnungen beitragen dürfen.
                                       karzinsen sind ein wichtiger Grund, dass
                                       auch nach grösseren Investitionen die                 Klare Resultate einer neuen Studie
                                       Mietzinserhöhungen moderat ausfallen.                 Die Diskussion wird nun zusätzlich
                                                                                         durch eine neue Studie der Bundesämter
                                           Keine Luxussanierungen mit Fördergeldern      für Energie und Wohnungswesen be-
                                           Leider sind diese Berechnungen nach           feuert: Die Hochschule Luzern hat auf-
                                       den Vorgaben des Mietrechts allzu oft ein         gezeigt, dass die heutigen pauschalen
                                       theoretischer Wert. Der Grundriss wird            Überwälzungssätze von 50 bis 70 Pro-
                                       zusätzlich verändert, teure Innenaus-             zent Wertvermehrung bei umfassenden
                                       bauten kommen hinzu oder es wird ganz             Sanierungen zu hoch sind. Werden die
                                       einfach die Marktsituation ausgenützt:            Bau­abrechnungen auf wertvermehrende
                                       Nach der Sanierung wird die Wohnung               Investitionen abgeklopft, so machen
                                       mehrere Hundert Franken teurer – vor              diese nur 34 bis 58 Prozent der Gesamt-
                                       allem, wenn den Mietenden gekündigt               kosten aus. Vermieter können also heute
                                       wurde und die Wohnung auf Marktniveau             Mietzinserhöhungen durchdrücken, die
                                       neu ausgeschrieben wird. Marktkräfte,             kalkulatorisch nicht gerechtfertigt sind
                                       Renditedruck und die verzweifelte Suche           und letztlich ihre Rendite erhöhen. Im
                                       nach Investitionsmöglichkeiten be-                Interesse einer gerechten Verteilung der
                                       stimmen den Zeitpunkt und die Höhe                Sanierungskosten muss der Bundesrat
                                       der Mieten viel stärker als eine reale Not-       jetzt den zu hohen Überwälzungssatz
                                       wendigkeit für energetische Sanierungen.          senken.

                                                                                                                                         Kanton Luzern

                                       Allzu oft werden die Mieten nach Sanierungen zu stark erhöht.

Mieten + Wohnen            Sondernummer Januar 2020                                                                                 14
Haushalt          Text von Stefan Hartmann, Topten

                                                                                     iStock
Wohin der Strom fliesst

                                     Welches sind die heimlichen Stromfresser
                                     im Haushalt? Eine kleine Analyse fördert
                                     Überraschendes zutage.

Mieten + Wohnen   Sondernummer Januar 2020                                      15
Beim Wohnen verbrauchen wir ganz                 sind aber in Mietwohnungen in der Regel           effizienz und ausgewählte Produkteigen-
schön viel Energie: Die Schweizer Haus-          zentral gelöst und daher in der unten ab-         schaften. Bei der aktuellen Version ist
halte geben jährlich 3,8 Milliarden              gebildeten Übersicht nicht erfasst.               meist A+++ die Bestklasse. Ab 2021 wird
Franken für Strom aus. Das entspricht                                                              auf die «Plus»-Klassen verzichtet; A wird
einem Drittel des gesamten Strombedarfs             Was sich gegen Stromfresser tun lässt          dann die Bestklasse sein.
unseres Landes. Eine typische Mietwoh-               Obwohl immer mehr Geräte genutzt
nung verbraucht etwa 2000 kWh Strom              werden, hat der Verbrauch in Mehr­fami­              Standby-Verluste vermeiden
pro Jahr (zum Vergleich: Beim Einfami­           lienhäusern in den letzten zehn Jahren                Unnötiger Energieverbrauch lässt sich
lienhaus sind es gut 4000 kWh pro Jahr.)         um etwa einen Viertel abgenommen –                vermeiden, indem man Standby-Energie-
                                                 unter anderem dank effizienteren Kühl-            verluste durch Steckdosenleisten mit
   Rang 1: Elektronik und Gebäudetechnik         schränken und LED-Lampen.                         Abschaltfunktion ausmerzt. Oder indem
    Schauen wir uns das näher an: An der             Strom sparen lässt sich jedoch nicht          man LED statt Halogen-Lampen ver-
Spitze der Stromfresser-Rangliste steht          nur beim Kühlen und bei der Beleuch-              wendet; LED verbrauchen über 80 Pro-
mit 18 Prozent die Heim- und Büroelek­           tung: Viele andere Geräte liessen sich            zent weniger Energie. Nützlich sind
tronik. Das überrascht wenig, denn in            ebenso gegen effizientere Modelle aus-            dimmbare LED, die ausdrücklich als
vielen Haushalten kommen rasch einmal            tauschen, um die Energierechnung zu               solche gekennzeichnet sind.
zwei bis drei Dutzend Geräte zusammen.           entlasten. Allerdings sollte man sich dies            Um wirklich die Top-Energiesünder
Um nur einige zu nennen: Fernseher mit           wegen der grauen Energie zweimal über-            im Haushalt aufzuspüren, lohnt sich der
Settop-Boxen, Playstation, PC, Note-             legen. «Geräte soll man nicht überstürzt          Einsatz eines Energiemessgerätes. Damit
book, Modem, Drucker.                            austauschen, sondern erst nach Ablauf             kann einfach festgestellt werden, wie viel
    Ebenfalls 18 Prozent entfallen auf die       der Lebensdauer ersetzen», empfiehlt              Energie ein bestimmtes Gerät braucht
Gebäudetechnik, welche meist in der Ne-          Eric Bush, Gründer von Topten, einer              und wo sich Sparmassnahmen lohnen
benkostenabrechnung auftaucht. Dazu              neutralen und unabhängigen Plattform.             (vgl. www.topten.ch/messgeraete).
gehören Umwälzpumpen, Lüftungs­                  Ob Kühlschränke, Waschmaschinen,
anlagen oder die Garagen- und Treppen-           Staubsauger, LED-Lampen, Fernseher
hausbeleuchtung. Dahinter folgen mit             oder Notebooks: Auf www.topten.ch
15 Prozent diverse Geräte und Einrich-           finden sich schnell und einfach die jeweils
tungen wie der Staubsauger, das Aqua-            besten Produkte zum besten Preis. Be-
rium, das Wasserbett oder mobile Elekt-          sonders hilfreich ist die Angabe der Ver-
roheizer und Klimageräte.                        kaufsstelle. Der Fokus aller Produkte liegt
    Rang 4 teilen sich mit je 12 Prozent         bei Topten auf Energieeffizienz, geringer
die Kühl-/Gefriergeräte sowie Wasch­             Umweltbelastung und Qualität.
maschine und Tumbler. (Fest installierte)            Eine wichtige Orientierungshilfe bei
Elektroheizungen und Elektroboiler               der Auswahl von Geräten ist die Energie-
schlagen ebenfalls heftig zu Buche, sie          etikette. Sie informiert über die Energie-

                              Der Stromverbrauch im Haushalt (ohne Heizung und Warmwasser)

                                                                              Kochen und Backen    10%
                                     Gebäudetechnik     18 %

                                                                                            Kühlen und Gefrieren   12%

                              Beleuchtung   10 %                                               Geschirrspüler   5%

                                                                                            Waschen und Trocknen     12%
                                Diverse Geräte   15 %

                                                                          Heim- und Büroelektronik    18%

Mieten + Wohnen                   Sondernummer Januar 2020                                                                                 16
Hotline

                   Muss ich        Muss ich die Nachforderung
                   unterschreiben? bezahlen?
                   Meine Vermieterin hat in eine neue       Vor drei Jahren habe ich einen    kosten jedoch sind nur dann
                   Photovoltaikanlage investiert. Nun       mündlichen Mietvertrag für        geschuldet, wenn sie detailliert
                   hat sie mir einen neuen Mietvertrag      eine Wohnung abgeschlossen.       und ausdrücklich im Mietvertrag
Nadja Burri
beantwortet Ihre
                   und einen Zusatzvertrag zum              Die Miete betrug monatlich        erwähnt sind. Bei einem münd­
Fragen             Zusammenschluss in eine Eigen­           1500 Franken plus 150 Franken     lichen Mietvertrag ist diese
                   verbrauchsgemeinschaft zur Unter-        Nebenkosten. Weiteres haben wir   besondere Vereinbarung über die
                   schrift vorgelegt. Der Mietzins bleibt   nicht abgemacht. Jetzt – nach     Nebenkosten grundsätzlich
                   unverändert. Unter den Neben-            meinem Auszug – stellt der Ver-   ebenfalls möglich. Nur wird dies
                   kosten sind aber höhere Akonto­          mieter plötzlich eine Nachforde-  in der Praxis kaum gemacht. Dies
                   beträge und zusätzliche Positionen       rung im Umfang von 800 Franken    aus guten Gründen, denn der
                   wie «ind. Strom» und «Service            für die Nebenkosten. Muss ich     Vermieter muss beweisen
                   Photovoltaikanlage» aufgelistet.         diesen Betrag bezahlen?           können, dass die Nebenkos­ten
                   Im Zusatzvertrag steht zudem, dass                                         auch tatsächlich vereinbart
                   ich auch für die Wartung der Anlage      Wer von jemandem Geld fordert, worden sind. Ihrem Vermieter
                   hafte und den Strom neu nur noch         benötigt dafür eine rechtliche    wird dieser Beweis kaum
                   über die Eigenproduktion beziehen        Grundlage. Als Mieter müssen      gelingen, ausser jemand anderes
                   dürfe. Muss ich diese beide Verträge     Sie dem Vermieter deshalb nur     war beim Vertragsabschluss dabei
                   unterschreiben?                          das bezahlen, was Sie mit ihm im und könnte diese besondere Ver-
                                                            Mietvertrag vereinbart haben. Sie einbarung über die Nebenkosten
                   Nein, denn Sie haben bereits einen       haben mit Ihrem Vermieter zwar bezeugen. Leitet der Vermieter
                   gültigen Mietvertrag. Will die           nur einen mündlichen Mietver-     eine Betreibung ein, sollten Sie
                   Vermieterin die vertraglichen Be­­       trag abgeschlos­sen, dieser ist   unbedingt Rechtsvorschlag
                   dingungen ändern, kann sie das           trotzdem gültig. Ein Mietvertrag erheben. Die Betreibung ist dann
                   frühestens auf den nächsten ver-         muss nicht unbedingt schriftlich, gestoppt und der Vermieter muss
                   traglichen Kündigungstermin tun.         sondern kann auch per Hand-       den ordentlichen Rechtsweg
                   Zudem müssen solche Än­derun­            schlag oder sogar stillschweigend beschreiten.
                   ­gen auf einem amtlich genehmig-         abgeschlossen werden. Neben-
                    ­ten Formular mitgeteilt werden.
                     Dieses muss eine klare Begrün-
                     dung und eine Rechts­mittel­
                     belehrung enthalten. Die Vermie-
                     terin muss auch deklarieren, ob sie
                     für die Anlage Fördermittel
                     erhalten hat. Die Vertragsände-
                     rung kann innert 30 Tagen bei der
                     kantonalen Schlichtungsbehörde
                     angefochten werden. Sie können
                     also abwarten, bis die Vermieterin
                     die Mietvertragsänderung mit
                     dem amtlichen Formular mitteilt.
                     Tut sie dies, sollten Sie beim MV
                     abklären, ob eine Anfechtung
                     sinnvoll ist. Rechtlich gibt es nur
                     wenig Gründe, die gegen die
                     Einführung von Solarstrom spre-
                     chen. Die Vermieterin kann nicht
                     mehr für den Solarstrom ver-
                     langen, als Sie bisher bezahlt
                     haben. Der Preis ist gesetzlich
                     definiert. Auf keinen Fall kann
                                                                                                                                               123RF

                     sie die Haftung der An­lage sowie
                     die Reparaturkosten auf Sie            Ein Mietvertrag kann per Handschlag abgeschlossen werden. Das gilt auch für
                     überwälzen.                            Nebenkosten, es wird jedoch kaum gemacht – mit gutem Grund.

Mieten + Wohnen                Sondernummer Januar 2020                                                                                   17
Miettipp          Text von Fabian Gloor
Illustration Patric Sandri

                             Mieten + Wohnen   Sondernummer Januar 2020   18
Mieterinnen und Mieter können frühzeitig
aus einem Mietvertrag aussteigen, indem
sie eine zumutbare und zahlungsfähige Nach-
folge finden. Doch was bedeutet «zumutbar
und zahlungsfähig» genau?

            Ausserterminlich ausziehen

«Wir freuen uns, Sie als neue Mitarbeite-         höht sie die Chance, dass sich darunter      aus dem Betreibungsregister zur Woh-
­rin begrüssen zu dürfen.» Eva Meier              jemand befindet, der oder die zumutbar       nungsbesichtigung mitgebracht. Damit
 kann ihr Glück kaum fassen. Bereits in           und zahlungsfähig ist.                       kann sie belegen, dass diese auch tatsäch-
 zwei Monaten wird sie eine neue Stelle               Sofort teilt Meier ihrem Vermieter per   lich zahlungsfähig sind. Generell gelten
 antreten. Und das nicht irgendwo,                Brief mit, dass sie in zwei Monaten aus-     Nachmieterinnen und Nachmieter als
 sondern in Berlin, ihrer Lieblingsstadt.         serterminlich ausziehen und ihm deshalb      zahlungsfähig, wenn deren Betreibungs-
 Das Blöde ist nur: Sie ist erst vor knapp        so bald wie möglich eine Nachmieterin        registerauszug höchstens vereinzelte Ein-
 einem halben Jahr in eine 3-Zimmer-              oder einen Nachmieter melden werde.          träge aufweist, die nicht auf Zahlungs-
 Wohnung in Zürich gezogen. Ihr Mietver-          Rasch schaltet sie auf diversen Immobi-      schwierigkeiten oder eine schlechte
 trag enthält eine einjährige Mindestdauer,       lien-Portalen ein Wohnungsinserat samt       Zahlungsmoral schliessen lassen.
 was bedeutet, dass sie erstmals auf den          einiger aussagekräftiger Bilder online.          Viele Vermieterinnen und Vermieter
 30. Juni 2020 kündigen kann. Solche Min-         Auch das Anschlagbrett des Quartier­         lehnen alle Personen ab, deren Betrei-
 destdauern sind üblich und Eva Meier ist         ladens schmückt sie mit einer Anzeige.       bungsregister nicht astrein ist. Diese Hal-
 an diesen Kündigungstermin grundsätz-                Es läuft wie am Schnürchen. Innerhalb    tung ist übervorsichtig. Wer nur einzelne
 lich gebunden. Ist ihr Traum von Berlin          weniger Tage besichtigen zahlreiche Inte-    Betreibungen hat, die nicht generell auf
 deshalb bereits ausgeträumt? Nicht ganz,         ressierte die Wohnung, darunter ein Paar     Zahlungsprobleme hinweisen, ist als
 denn das Gesetz sieht einen Ausweg aus           mit Baby sowie zwei Studentinnen, eine       Nachmieterin oder Nachmieter zu-
 dieser Sackgasse vor: Sie kann sich von          davon mit Hund, die zusammen eine            mutbar. Als nicht genügend zahlungs-
 ihren mietvertraglichen Verpflichtungen          Wohngemeinschaft gründen möchten.            fähig gelten nur Personen, die mehrere
 befreien, indem sie eine zumutbare und           Beide Parteien möchten die Wohnung           Betreibungen aufweisen, insbesondere
 zahlungsfähige Nachmieterin oder einen           bereits ab dem 1. Februar mieten. Sowohl     von der Steuerverwaltung oder der Kran-
 Nachmieter für ihre Wohnung findet.              die Familie als auch die WG füllen das       kenkasse. Als weiteres Indiz für die Zah-
                                                  Formular zur Meldung von Nachmietern         lungsfähigkeit gilt der Lohn. Wer nicht
   Eine Person reicht, besser sind viele          aus, das Meier von der Webseite des MV       mindestens das Dreifache des Mietzinses
    Gemäss Gesetz genügt es, wenn Meier           kostenlos heruntergeladen hat.               verdient, gilt als nicht solvent.
ihrem Vermieter eine einzige Person prä-
sentiert. Besser ist es aber, wenn sie so             Kriterium Zahlungsfähigkeit                 Kriterium Zumutbarkeit
viele potenzielle Nachmieterinnen und               Viele der Interessierten haben auf             Und wann gilt jemand als Nachmie-
Nachmieter wie möglich findet. So er-             Meiers Bitte hin einen aktuellen Auszug      terin oder Nachmieter als zumutbar?

Mieten + Wohnen                       Sondernummer Januar 2020                                                                          19
Zumutbar sind im Prinzip alle Personen,              Zulässige Ablehnungsgründe                         Wohnung ist die Hundehaltung zwar
bei denen der Ärger mit der Nachbar-                 Zwei Wochen verstreichen. Dann teilt               nicht generell verboten. Gemäss Vertrag
schaft nicht bereits programmiert ist. All-      ihr der Vermieter per Brief mit, dass für              muss der Vermieter jedoch dafür eine
gemeine menschliche Eigenschaften wie            ihn weder das Paar noch die WG mit                     Einwilligung erteilen. Meier besitzt
Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit,             Hund als Nachmieter in Frage kommen.                   keinen Hund und hat folglich auch nie
sexuelle Orientierung und Nationalität           Beide Parteien seien zwar solvent, die                 eine Einwilligung eingeholt. Die Hunde-
sind unzulässige Ablehnungsgründe.               3-Zimmer-Wohnung sei für drei Personen                 haltung ist in diesem Fall deshalb ein
    Meier schickt die Formulare der inter-       jedoch zu klein. Es handle sich schliess-              zulässiger Ablehnungsgrund.
essierten Personen zusammen mit den je-          lich um eine Single-Wohnung. So sei es
weiligen Betreibungsregisterauszügen an          auch im Mietvertrag vermerkt. Deshalb                     Mieterin ist entlastet
den Vermieter – per Einschreiben. So             komme auch die WG nicht in Frage, erst                     Muss der Vermieter also die Familie
kann sie später beweisen, wann sie ihm           recht nicht mit einem Hund.                            als Nachmieterin akzeptieren? Nein. So-
welche Person gemeldet hat. Die Kopien               Sind diese Argumente rechtlich                     fern es sich um seine Wohnung handelt,
der Unterlagen sowie die Postquittung            haltbar? Gegenüber dem Paar mit Kind                   kann man dem Vermieter keine Nachmie-
bewahrt sie auf. Sie könnten in einem            sicherlich nicht. Eine Überbelegung ist                terin aufzwingen. Sobald jedoch der Ver-
möglichen Rechtsstreit wichtige Beweis-          zwar ein berechtigter Ablehnungsgrund.                 mieter eine Person ablehnt, obwohl diese
mittel sein.                                     Doch viele Vermieterinnen und Vermieter                zahlungsfähig und zumutbar ist, ist die
    Nun braucht Meier ein wenig Geduld,          gehen voreilig von einer Überbelegung                  Mieterschaft aus dem Mietvertrag ent-
damit der Vermieter die Dossiers prüfen          aus. Zwei bis drei Personen sind in einer              lassen. Sie muss ab demjenigen Zeitpunkt
kann. Dies sollte er innert nützlicher Frist     3-Zimmer-Wohnung grundsätzlich zu-                     keinen Mietzins mehr bezahlen, ab dem
tun. Trödelt er zu lange herum, ist Meier        mutbar, insbesondere dann, wenn eine                   die von ihr präsentierte Nachmieterschaft
von ihren mietvertraglichen Pflichten            dieser Personen noch ein Kind ist. Das                 die Wohnung gemietet hätte.
befreit. Auch dann, wenn die Interes-            gilt auch, wenn es sich laut Mietvertrag                   Was tut Eva Meier als Nächstes? Sie
sierten wieder abspringen, etwa weil sie         um eine Single-Wohnung handelt. Solche                 schreibt ihrem Vermieter einen einge-
inzwischen eine andere Bleibe gefunden           Angaben zur Personenzahl sind unver-                   schriebenen Brief. Darin teilt sie ihm mit,
haben. Wie lange er sich dafür Zeit lassen       bindlich. Deshalb kämen eigentlich auch                dass sie die Wohnung Ende Januar ab-
kann, hängt von den Umständen ab.                die beiden jungen Frauen als Nachmiete-                geben und ab diesem Zeitpunkt keinen
Für eine professionelle Immobilienver-           rinnen in Frage – wenn da nicht noch ein               Mietzins mehr bezahlen werde. Ihrem
waltung sollte es innerhalb von 10 bis           Hund mit von der Partie wäre. Relevant                 Umzug nach Berlin steht nichts mehr im
20 Tagen zu bewerkstelligen sein – ist ja        ist die Gesetzesbestimmung, wonach                     Wege.
schliesslich ihr «daily business». Private       die Nachmieterinnen die Wohnung zu
Vermieter dürfen sich bis zu 30 Tage Zeit        den gleichen Bedingungen wie die Vor-
nehmen.                                          mieterin übernehmen müssen. In Meiers

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                                                                           tatkräftige Arbeitshilfen
                    Für Nichtmitglieder und Mietende, die es eilig
                    haben.                                                 beim Wohnungswechsel,
                    Auf der Hotline beantworten FachjuristInnen Ihre       beim Putzen, bei Räumungen,
                    mietrechtlichen Fragen.                                im Garten etc.
                    Werktags 9 bis 12.30 h, montags bis 15 h
                                                                           www.etcetera-zh.ch
                    Legen Sie vor dem Anruf allfällige Unterlagen          Dietikon   044 774 54 86       Thalwil   044 721 01 22
                    (Mietvertrag, Kündigung usw.) bereit.                  Glattbrugg 044 403 35 10       Zürich    044 271 49 00
                                                                           Ein Angebot des SAH ZÜRICH

Mieten + Wohnen                     Sondernummer Januar 2020                                                                                     20
Urteil                                        Text von François Zutter

                                              Gericht befindet Miete
                                              nach zehn Jahren als nichtig
                                              Weil der Vermieter es verpasst hat, ihm das offizielle
                                              Formular zuz­ustellen, wird der Mietzins eines Waadtlän-
                                              ders nach zehn Jahren als nichtig befunden. Der Vermie-
                                              ter muss die zu viel bezahlten Beträge zurückerstatten.
Wie lange kann die Anfangsmiete ange-             Zehnjährige Verjährungsfrist               mietet und den Mietvertrag Anfang Juni
fochten werden? Generell gilt: Innerhalb          Sobald ein Richter den gesetzlichen        2016 vorzeitig gekündigt. Weil der Ver-
von 30 Tagen nach Erhalt der Schlüssel        Mietzins festgelegt hat, stellt sich die       mieter den vom Mieter präsentierten Er-
(und nicht nach Vertragsunterzeichnung!)      Frage, wie lange der Mieter eine Erstat-       satzmieter ablehnte, entstand ein Streit
gemäss Artikel 270 OR. Nach Ablauf            tung der zu viel bezahlten Miete fordern       darüber, wie lange der Mieter die Miete
dieser Frist gilt der im Mietvertrag fest­    kann. Zur Anwendung kommt in diesem            noch schuldete: Der Mieter sah sich per
gesetzte Mietzins als akzeptiert.             Fall nicht die fünfjährige Verjährungsfrist    Ende Oktober als von seinen Verpflich-
    In Kantonen mit einer Formular-           von Art. 128 OR für periodische Dienst-        tungen befreit, während der Vermieter
pflicht gemäss Art. 270 Abs. 2 OR muss        leistungen: Diese Frist betrifft nur die vom   die Miete bis Ende Dezember verlangte.
die Vermieterin dem Mieter inner-             Mieter zu zahlenden Mieten, weshalb es             Der Streit führte dazu, dass der Mieter
halb von 30 Tagen ein offizielles For-        unerlässlich ist, dass der Mieter die Zah-     im Juli 2016 seine Rechtsschutzversiche-
mular aushändigen, auf dem insbeson-          lungsnachweise für fünf Jahre aufbewahrt.      rung konsultierte und erfuhr, dass die
dere der Mietzins der Vormieterschaft         Wie bereits erwähnt, gilt hier für die Rück-   Miete aufgrund der fehlenden Zustellung
steht. Verpasst sie diese Frist, gilt der     forderung die zehnjährige Verjährungs-         des amtlichen Formulars nichtig war.
Mietzins nicht als akzeptiert. Der Mieter     frist. Diese Frist beginnt nicht mit dem           Die Richter setzten die Miete schliess-
kann folglich den Anfangsmietzins             Beginn des Mietverhältnisses, sondern je-      lich auf 1650 Franken fest. Gegenüber
auch über die 30 Tage hinaus anfechten        weils mit der Zahlung der Miete.               der tatsächlich bezahlten Miete ist das
und allenfalls zu viel bezahlte Beträge                                                      eine Differenz von 450 Franken pro
zurückfordern.                                 Kein Formular: Miete ist nichtig              Monat und über zehn Jahre gerechnet ein
                                               Dies wurde durch ein Urteil des Ge-           Betrag von 54 000 Franken! Nach Abzug
    Unrechtmässige Bereicherung            richtshofs des Kantons Waadt vom 8. Juli einiger unbezahlter Mieten und anderer
    Wie lange aber kann die Anfangsmiete 2019 in einer Rechtssache betreffend die            Kosten wurde der Vermieter angewiesen,
im vorliegenden Fall angefochten werden? Region Montreux bestätigt. Der Mieter               dem Mieter einen Betrag von fast
Dafür gelten die Vorschriften über die     hatte am 1. Januar 2004 eine Wohnung für 42 000 Franken zu erstatten.
unrechtmässige Bereicherung gemäss Ar- eine Nettomiete von 2100 Franken ge-                      Originaltext französisch
tikel 62 ff. Der Mieter muss innerhalb
eines Jahres ab dem Tag, an dem er von
seinem Recht Kenntnis erlangt hat, auf
jeden Fall aber innerhalb von zehn Jahren
nach der Entstehung des Anspruchs
rechtliche Schritte einleiten, indem er an
die Schlichtungsbehörde gelangt.
    Von seinem Recht Kenntnis hat ein
Mieter dann, wenn er tatsächlich weiss,
dass die nicht erfolgte Zustellung des
amtlichen Formulars (in Kantonen ohne
Formularpflicht: die fehlende Angabe des
Mietpreises des Vormieters bzw. des
Grundes für die Mietsteigerung) zur
Nichtigkeit des Anfangsmietpreises führt
und dass der von ihm gezahlte Mietpreis
                                                                                                                                           Dreamstime

zu hoch und daher missbräuchlich war.
Es reicht nicht aus, dass er davon hätte
wissen können oder sollen.                 Ein Mieter aus der Region Montreux erhält 42 000 Franken zu viel bezahlte Miete zurück.

Mieten + Wohnen                   Sondernummer Januar 2020                                                                            21
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