St. Marien in Gera-Untermhaus - Marienkirche-Gera
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INHALT In Gera-Untermhaus, in pittoresker Lage 5 Überblick über die Geschichte zwischen Weißer Elster und Schloss Osterstein 19 Der Untermhäuser Marienaltar und in unmittelbarer Nachbarschaft 27 Erläuterungen zu einzelnen Ausstattungsstücken zum Geburtshaus von Otto Dix gelegen, 39 Zeittafel steht eine der schönsten und ältesten 45 Das Kriegerdenkmal Kirchen Geras – die Marienkirche. 51 Ein Altar wird Musik 2 3
Die Kirche St. Marien in Gera-Untermhaus Überblick über die Geschichte der Kirche und Kirchgemeinde Eine der bekanntesten Stadtansichten von Gera zeigt die St. Ma- Es sind leider keine Aufzeichnungen bekannt, die den Bau der rien-Kirche am Ufer der Weißen Elster gelegen, unmittelbar hin- Kirche zeitlich genau festlegen, man kann aber davon ausgehen, ter der genieteten Stahlfachwerkbrücke von 1863. Über der Kirche, dass sie in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstand, was auch zum auf dem nahen Hainberg, thronte das leider im Krieg zerstörte, spätgotischen Stil des Bauwerks passt. In vielen, meist älteren Be- ehemals mächtige Schloss Osterstein, zuletzt Herrschaftssitz der schreibungen der Kirche2 wird ein romanischer Vorgängerbau jüngeren Linie des reußischen Fürstenhauses. vermutet. Gelegentlich soll sogar der gesamte Chorraum aus ro- manischer Zeit stammen. Von Romanik sind jedoch keine sichtba- Mit diesem Schloss ist die Entstehung der Siedlung Untermhaus ren Spuren vorhanden. Da auf dem nahen Schloss Osterstein eine („unter dem Haus“, gemeint ist das Schloss) und damit auch der anscheinend romanische, also ältere Schlosskapelle vorhanden Bau der Kirche untrennbar verbunden. Am Ufer des Flusses, an war 3, ist eine weitere so alte Kapelle in der damals noch kleinen einer Furt siedelten sich zunächst die für das Schloss benötigten Ansiedlung eher unwahrscheinlich und derzeit weder aus Baube- Handwerker und Bediensteten an. Es entstand ein Vorwerk mit funden noch aus alten Schriften nachweisbar. Wirtschaftsgebäuden ebenso wie Gebäude für die Verwaltung. Irgendwann wurde wohl den Bewohnern des kleinen Ortes der Weg in die Johanneskirche der benachbarten Stadt Gera zu weit, zumal im sächsischen Bruderkrieg 1450 Stadt und Kirche schwere Zerstörungen erlitten. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wohnten die Herren von Gera auf Schloss Osterstein und die Siedlung Un- 1 Sammlung Trinks termhaus erlebte einen Aufschwung. Die im Schloss vorhandene 2 Ferdinand Hahn, 1855, Geschichte von Gera und dessen nächster Umgebung, S. 193 alte Kapelle war für so viele Menschen ohnehin zu klein. Eine eige- 3 Geraer Hefte, Heft 5, 2017, „Gera hus und stat“ – Wo stand die Burg der Vögte von Gera – 4 Lithografierte Ansichtskarte, gelaufene Postkarte, datiert 27.07.1902 1 ne Kirche für Untermhaus wurde notwendig. Christine Müller, S.65 5
Schon aus dieser Zeit stammt das wertvollste Kunstwerk unserer Historische Ansicht von Untermhaus mit Schloss Osterstein, Marienkir- Kirche, der Marienaltar, der im Rahmen dieses Kirchenführers je- che und Holzbrücke nach einem Holzschnitt aus dem Jahr 1670 4 doch nur in einer Übersicht Erwähnung findet. Auf den Altar wird in einem zweiten Band ausführlich eingegangen. Hier ein alter Holzstich mit darauf abgebildeter Marienkirche. Die typischen Formen von Turm, Chor und Langhaus sind deutlich zu erkennen: Untermhaus und die unmittelbar benachbarten Siedlungen Gries und Cuba, heute insgesamt als Untermhaus bezeichnet, bildeten lange Zeit keine eigene Kirchgemeinde und hatten keinen eigenen Pfarrer. Die Bewohner gehörten zur Stadtgemeinde mit der Pfarr- kirche St. Johannes. Gottesdienste wurden nur gelegentlich in der St. Marienkirche gehalten, Taufen, Trauungen und Beerdigungen mussten normalerweise in der Stadt Gera stattfinden, Ausnah- men waren jedoch möglich 5. 4 Stadtarchiv Gera, Bildsammlung A-1943 6 5 Denkschrift zur Erinnerung an die 200-Jahrfeier der Kirchgemeinde Gera-Untermhaus, 1936, S.4 7
Das änderte sich im Jahr 1736. Untermhaus wurde selbständige des Geheimen Regierungs- und Baurates K. W. Hase aus Hannover Pfarrgemeinde. Erster Pfarrer war der Hofprediger Mag. theol. erfolgte eine Umgestaltung und Erweiterung unter Hinzufügung Gottlob Friedrich Gschwend. Er ließ die Kirche im Stile des Barock von neogotischen Elementen. umgestalten. Eine neue Kanzel über dem Altartisch ersetzte die alte Kanzel an der Basis des Triumphbogens zwischen Chorraum und Langhaus, der Altarschrein wechselte an einen nicht be- nannten Ort, wahrscheinlich aber an die Nordwand des Chores. Die ganze Kirche wurde weiß ausgemalt und durch lichte Fenster erhellt 6. Aus dieser Zeit ist uns leider keine Darstellung des Kir- cheninneren erhalten, dafür aber einige Abbildungen der Kirche von außen, z. B dieses Foto. Man erkennt sehr schön die äußere Form der Kirche. Die Westfassade war im Giebelbereich eine Fach- werkkonstruktion. Auf der östlichen Elsterseite gab es erst wenige Gebäude; zu sehen sind u.a. Häuser der jetzigen Gutenbergstraße und die alte Cubamühle. Um die Kirche herum sind (im Uhrzei- gersinn rechts der Kirche beginnend) das Lummersche Backhaus, das Justizamt, jetzt Mohrenplatz 1 als Teil des Kammergutes, das spätere Geburtshaus von Otto Dix (Mohrenplatz 4) und die alte Porzellanmanufaktur am Gries zu erkennen. Wie unter anderem an der neuen stählernen Brücke ersichtlich, sie wurde durch die Geraer Fabrik Moritz Jahr anno 1863 errichtet, Foto vom Bergfried des Schlosses Osterstein auf jetzigen Mohrenplatz war die Industrialisierung des Landes mittlerweile weit fortge- mit Marienkirche und genieteter Stahlfachwerkbrücke, Aufnahmezeit- schritten. Es gab in Gera und selbst in Untermhaus immer mehr raum zwischen 1863 und 1882, wahrscheinlich um 1880 7 und größere Fabriken, die Zahl der Einwohner stieg kontinuier- lich an. Ende der 1870-er Jahre zeigte es sich, dass die Kirche die Gemeindeglieder nicht mehr fassen konnte. Zuerst plante man einen Abriss mit anschließendem Neubau, vielleicht im neogoti- 6 Denkschrift zur Erinnerung an die 200-Jahrfeier der Kirchgemeinde Gera-Untermhaus, 1936, S.17 8 schen Stil, besann sich dann jedoch eines Besseren: Unter Leitung 7 Stadtmuseum Gera 9
Die Kirche erhielt eine Verlängerung in westlicher Richtung um ca. 2 m, die bisherige, wahrscheinlich im Stile der regionstypi- schen Dorfkirchen, flache Balkendecke ersetzte ein hölzernes Tonnengewölbe unter optimaler Ausnutzung des überdachten Raumes. Es wird getragen durch geschnitzte spitzbogige hölzer- ne Arkaden, die den Einbau einer umlaufenden Empore und zu- sätzlich eine zweite Orgelempore ermöglichen. Die Bestuhlung des Kirchenschiffes wird bis in den bisherigen Chorraum vorge- zogen, ein Fürstenstand eingebaut, die bisherige Sakristei unten im Turm ebenfalls durch Einbau von Sitzbänken für die Gemein- de erschlossen. Die Anzahl der Plätze erhöht sich dadurch auf bis zu 300. Zur Erschließung der neuen Emporen erfolgt der Anbau zweier Treppentürme an den Ecken der Westfassade, der Fürsten- stand erhält einen neuen Zugang durch einen an der Nordseite angebauten Turm. An der Südseite wird eine neue kleine Sakristei zwischen zwei Strebepfeilern angebaut. Der barocke Kanzelaltar aus dem 18. Jahrhundert bekommt einen zeittypischen Ersatz und der Chorraum erhält neue farbige Glasfenster als Blickfang. Die ganze Kirche wird in vermeintlich gotischer Farbigkeit ausge- malt, alles Holzwerk ist in einem warmen Braunton gehalten. Der alte Marienaltar ist jetzt nachweislich in ziemlicher Höhe an der Nordwand des Chores befestigt. Aus dieser Zeit ist uns dieses nicht datierte Bild eines unbekannten Malers überliefert. Kircheninneres nach 1883 und vor 1936, an der Nordwand ist neben dem Fürstenstand der Altaraufsatz zu sehen 10 11
Zu Beginn des Jahres 1919 kam es zur Zwangseingemeindung des zusammen mit den wichtigsten Kunstschätzen des Schlosses. Als Ortes Untermhaus in die Stadt Gera, was für Kirche und Kirchge- beim größten Luftangriff auf die Stadt am 06.04.1945 das Schloss meinde jedoch keine wesentlichen Veränderungen brachte. fast völlig ausbrannte, nahm man schon an, dass die dort gela- gerten Kunstschätze unwiederbringlich verloren wären. Wunder- In den Jahren nach dem 1. Weltkrieg erhielt die Kirche zur Erin- barer Weise hatte das Gewölbe der Hitze des Brandes und dem nerung an die gefallenen Soldaten ein Kriegerdenkmal von Prof. Druck des Schuttes jedoch standgehalten und der Altar konnte Fritz Behn aus München, gestiftet von Kommerzienrat Dr. h.c. Ge- bald wieder an seinen gewohnten Platz zurückkehren.11 org Hirsch. Dazu mehr in einem gesonderten Abschnitt. Man erkennt hier deutlich das Kriegerdenkmal im Chorraum und Anlässlich des 200-jährigen Bestehens der Kirchgemeinde im Jah- die freigelegten Sandsteinumrahmungen der Chorfenster. re 1936 gestaltete man das Kircheninnere erneut um. Die Farbig- keit des Innenraumes wurde unter Betonung der vorhandenen Sandsteinbauteile durch Weiß ersetzt, was nach damaligen Er- kenntnissen dem ursprünglichen Charakter der Kirche entsprach. Wichtigste Maßnahme bei dieser Umgestaltung war jedoch die umfassende Restaurierung des alten gotischen Altarretabels8 im Landesmuseum Eisenach und seine Wiederanordnung auf dem ursprünglichen Altartisch, getragen von einer neu angefertigten Predella9 und gekrönt vom alten Kruzifixus von ca. 1500. Dabei stellte man fest, dass das zentrale Chorscheitelfenster von 1883 in seiner Farbigkeit und Leuchtkraft den gotischen Altar „überbrüll- te“ und dämpfte deshalb diese Leuchtkraft durch eine Überma- Foto der weihnachtlich geschmückten Kirche vor 1957 12 lung mit Kaltfarben10. Die Kirche erhielt eine neue Kanzel, da die bisherige von 1882/83 nicht mehr verwendbar war. 8 Altaraufsatz 9 Altarsockel, der auf dem Altartisch steht und das Retabel trägt Es kamen die Jahre des 2. Weltkrieges. Die zunehmende Häufig- 10 Gemeindearchiv A I 100/1, Bericht über die Kirchgemeinde Untermhaus vom 21.01.1947, keit der Luftangriffe weckte die Angst vor der Zerstörung wertvol- Pfr. Dr. jur. Deter ler Kulturgüter wie des gotischen Altars. Im Sommer 1942 lagerte 11 Ebenda 12 man das Altarretabel in einem Gewölbe auf Schloss Osterstein 12 Autor unbekannt, das Diapositiv wurde in sehr schlechtem Zustand überliefert 13
Im Sommer 1954 drohte neues Unheil. Es kam nach mehrtägigen Turmknopf und Wetterfahne mit den beteiligten Handwerkern Regenfällen zu einem Hochwasser der Weißen Elster, die über bei- vor Montage auf der Turmspitze 1959 13 de Ufer trat und das Stadtgebiet großflächig überschwemmte. Das Wasser drang auch in unsere Kirche ein und stand bis zur Höhe der Altarstufen, was zu umfangreichen Feuchteschäden führte. Daraus resultierte eine Innenerneuerung der Kirche im Jahre 1957. Die alte Sakristei unten im Kirchturm, 1882 mit Bänken für die Gemeinde versehen, wurde wieder durch eine massive Mau- er vom Kirchenschiff abgetrennt und damit ihrer ursprünglichen Bestimmung zugeführt. Die Treppen zu den Emporen erhielten wegen störender Zugluft hölzerne Abtrennungen mit Türen und teilweisen Verglasungen. Auf Anraten des Denkmalschutzes ver- putzte man den erst 1936 freigelegten Sandstein der Fensterum- randungen und des Triumphbogens ebenso wie den gesamten Innenraum neu und versah ihn mit einem weißen Anstrich. Der „Betende Krieger“ von Fritz Behn wird an seinen jetzigen Standort unter der Südempore umgesetzt, da er bis dahin den gesamten Chorraum dominierte. In den Folgejahren war dann der Kirchturm an der Reihe. Nach teilweiser Erneuerung der Holzkonstruktion erhielt er eine neue Schieferdeckung. Der bisher außen am Turm hochgeführte und einsturzgefährdete Schornstein der Heizungsanlage bekam sei- nen neuen Platz im Turm, von außen nicht sichtbar. Die Turmuhr erhielt neue Zifferblätter und die Turmspitze eine neue Wetter- fahne in Gestalt eines Schiffes. Bei der Gelegenheit konnte auch der Turmknopf geöffnet, die darin enthaltenen Urkunden einge- 14 sehen und der Inhalt fortgeschrieben und ergänzt werden. 13 Dia aufgenommen von Heinrich Trinks, Sammlung Trinks 15
Bis zur Wende 1989 versuchte die Gemeinde kontinuierlich, ihre Kirche instand zu setzen bzw. instand zu halten. So gab es über viele Jahre Erneuerungsarbeiten an der Sandsteinfassade, die aus Material- und Arbeitskräftemangel aber nur sehr langsam voran- kamen. Ab den 1990-er Jahren konnten neue Möglichkeiten und Materia- lien genutzt werden, so dass in den Folgejahren auch mit Förder- mitteln aus verschiedensten Quellen wieder eine Innenerneue- rung der Kirche sowie vielseitige Arbeiten am Kirchenäußeren erfolgten. Näheres dazu kann man in der Zeittafel nachlesen. An so einem alten Bauwerk hört die Arbeit niemals auf; derzeit ist die Restaurierung der Chorfenster in Arbeit und für die nächsten Jahre eine umfassende Sanierung der äußeren Fassade geplant und aktuell in Vorbereitung. Aktuelles Foto unserer weihnachtlich geschmückten Kirche als Blick durch 16 die einen natürlichen Rahmen bildenden Arkadenbögen der Empore 17
Der Untermhäuser Marienaltar Der kostbarste Schmuck der Marienkirche ist der von den Kauf- mannsfamilien Kudorff und Waltheym gestiftete spätgotische Al- tarschrein. Wahrscheinlich wurde er durch den Naumburger Bischof Peter von Schleinitz kurz nach 1443 geweiht 14 und war vermutlich für die Hospitalkapelle Beatae Mariae Virginis gedacht, die an der Stelle des heutigen Stadtmuseums stand. Es ist derzeit nicht geklärt, wann und warum der Altar in die Marienkirche nach Untermhaus kam. Wir können nur dankbar sein, dass dieser Schatz in unserer Kirche durch alle Wirren der Zeiten erhalten blieb. Auf den folgenden Seiten sind lediglich die Gesamtansichten beider Altarseiten mit einer kurzen Erläuterung der dargestellten Szenen zu finden, eine ausführliche Betrachtung dazu erscheint in einem ge- sonderten Heft. 20 14 Ernst Kretschmer „Die Kirchen der Stadt Gera“, 1943 21
Übersicht über die Szenen des Marienaltars Mittelschrein: Zentrum: Gekrönte Maria mit dem Christuskind – Offenbarung 12, 1 und Legende („Die Himmelskönigin“) Links oben: Ankündigung der Geburt durch den Engel Gabriel an Maria – Lukas 1, 26-38 („Die Verkündigung“) Rechts oben: Maria besucht Elisabeth, die zukünftige Mutter Johannes des Täufers - Lukas 1, 36-56 („Die Heimsuchung“) Links unten: Christi Geburt – Lukas 2, 1-20 Rechts unten: Anbetung der drei Weisen – Matthäus 2, 1-12 Außenflügel: Links oben: Jesus wird von Simeon als „Licht der Völker“ erkannt und im Tempel durch ein Opfer ausgelöst („Lichtmess“) – Lukas 2, 21-40 („Die Darstellung“) Rechts oben: Flucht nach Ägypten – Matthäus 2, 13-23 Links unten: Kindermord zu Bethlehem – Matthäus 2, 16-18 22 Rechts unten: Tod Mariens im Kreise der Jünger – Legende („Der Marientod“) 23
Rückseite: Links oben: Maria Magdalena trifft den Auferstandenen, den sie für den Gärtner hält - Johannes 20, 11-18 Rechts oben: Der Auferstandene und der ungläubige Thomas – Johannes 20, 24-31 Links unten: Die Heilige Margarete von Antiochien / Wappen der Stifterfamilie Kudorff 24 Rechts unten: Die Heilige Elisabeth speist einen Bedürftigen / Wappen der Stifterfamilie Waltheym 25
Erläuterungen zu einzelnen Ausstattungsstücken 26 27
Die Orgel stammt von der Firma Ernst Poppe & Sohn in Roda (heu- Das Chorscheitelfenster stammt aus dem Jahr 1882. Es zeigt Christus te Stadtroda) und wurde 1894 eingebaut. 1908 und mehrfach in der als Weltenherrscher umgeben von den vier Evangelisten Matthäus, Folgezeit bis zum Beginn der 1940-er Jahre erfolgte eine Erneuerung Markus, Lukas und Johannes. bzw. ein Umbau durch die Firma Jehmlich in Dresden. Die Orgel hat auf zwei Manualen und Pedal 26 klingende Stimmen, 1274 Pfeifen Unten sind das reußische und das württembergische Wappen mit und eine Transmission, Kegelladen und pneumatische Ton- und Re- der Jahreszahl MDCCCLXXXII zu sehen. Der Stifter Heinrich XIV. war gistertraktur.15 Im Jahr 2000 wurde sie durch die Firma Bochmann in erster Ehe mit Agnes, einer württembergischen Prinzessin verhei- aus Kohren-Sahlis restauriert und der Prospekt mit einem neuen ratet. Farbanstrich versehen. 15 Dr. Hartmut Haupt „Orgeln im Bezirk Gera“ 198 Chorraum der Kirche mit dem Fürstenstand von 1882 und der Kanzel von 1936. Gut zu sehen ist hier das gotische Gewölbe aus dem 15. Jahr- 28 hundert. 29
Bei der Umgestaltung der Kirche 1882/83 wurde die ursprünglich ein- An der Brüstung des ehemaligen Fürstenstandes ist zwischen ge- fache Mittelempore für die Orgel durch eine dreiseitig umlaufende schnitzten Verzierungen das reußische Wappen abgebildet. Es wurde Empore mit Arkaden bildendem, spitzbogigen und geschnitzten Bal- den Reußen am 06.12.1561 in einer kaiserlichen Urkunde verliehen 16. kenwerk ersetzt, welches das neu eingebaute Holzgewölbe und die obere Empore mit der Orgel trägt. Besonders bemerkenswert sind die 16 Sven Michael Klein, „Zum Reußischen Wappen“ Durchblicke durch diese Arkaden, die sich von der Mittelempore er- geben und den Blick auf den Chorraum regelrecht einrahmen. Das Langhaus wirkt für seine geringe Größe sehr hoch und erhält durch das dunkle Holz eine warme Atmosphäre. Die für unsere Regi- on ungewöhnliche Holztonne als oberer Abschluss des Innenraumes nutzt den Platz unter dem Satteldach optimal aus. Das hier abgebildete Chorraumgestühl wurde 1882/83 aus den ver- wendbaren Teilen eines Vorgängergestühls geschaffen. Die Sitzflä- chen lassen sich hochklappen, so dass ein Abstützen auch im Stehen möglich ist. 30 31
In der Nordwand der Sakristei ist eine alte gotisch verzierte Säule Die nur in der Weihnachtszeit aufgestellte geschnitzte Krippe wurde Den Chorraum schließt ein gotisches Gewölbe mit sechskappigem verbaut, die vor 1882 als Untersatz für die Treppe zum alten Fürsten- von Prof. Hermann Blechschmidt vor 1934 gestaltet. Er war der Leiter Schlussjoch und vierkappigem Westjoch nach oben ab, hier ist auch stand diente; ihr ursprünglicher Zweck ist unbekannt, denkbar wäre der noch heute existierenden Schnitzschule Empfertshausen in der die in den 1990-er Jahren in einem kleinen Bereich freigelegte florale eine Nutzung als Fuß der ursprünglichen Kanzel vor der barocken Rhön. Ausmalung der Decke aus der Entstehungszeit des Gotteshauses zu Umgestaltung in der Mitte des 18. Jahrhunderts. sehen. Die Kanzel ist eine Stiftung des Fabrikanten Alfred Dix von 1936. Die Vorgängerkanzel aus dem Jahr 1882 war nach der Umgestaltung 1936 anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der Kirchgemeinde nicht 32 mehr zu verwenden. 33
Bei der Umgestaltung der Kirche im Jahr 1936 hängte man diese „Zeppelin“-Leuchten auf. Der Entwurf stammt von Prof. Emil Högg und wurde durch die Kunstglaserei Kraus in Weimar realisiert. Über der Tür zur Sakristei von 1882/83, heute Nebenraum und Zu- gang zur Kirche, finden wir ein Fenster mit der sogenannten Luther- rose, dem Wappen Martin Luthers. Hinter dem Altar finden wir in der Ostwand (bis 1882 in NO-Wand) die sogenannte „Blende“, ursprünglich wohl Sakramentsschrein, später Aufbewahrungsort des Bornkindl, der „Puppe“, eines angeb- lich wundertätigen Marienbildes, das erst 1882, weil völlig verfallen, Kruzifixus von ca. 1500, der ursprüngliche Aufstellungsort ist unbe- beseitigt wurde; unter der Blende ein ausgehöhlter Stein, der wohl kannt, von 1936 bis zum Anfang der 1990-er Jahre war er über dem einen Opferstock aufnahm. Das geschmiedete Gitter stammt wahr- 34 Marienaltar angeordnet. scheinlich aus der Entstehungszeit der Kirche. 35
Der heutige Taufstein wurde im Jahre 1975 angeschafft. Auf dem Foto Der Turm aus der Entstehungszeit der Kirche hat Rechteckfenster und ist er für den Erntedankgottesdienst geschmückt. zwei sich kreuzende Satteldächer, die an den vier charakteristischen Giebeln gotisches Blendmaßwerk mit sich schneidenden Schweifbo- gen und kleeblattbogigen Füllungen tragen und durch einen schlan- ken, beschieferten Dachreiter gekrönt sind. 17 Unten im Foto ist das spitzkeglige Dach des Treppenturmes zum Fürstenstand aus dem Jahr 1882 zu sehen. 17 Ernst Kretschmer „Die Kirchen der Stadt Gera“, 1943 Wie fast alle Glocken in Deutschland schmolz man auch die Bron- zeglocken unserer Kirche während des 1. Weltkrieges (1917) für Rüs- tungszwecke ein. Am 31.01.1923 lieferte die Firma Schilling/Apolda die in Lauchhammer gegossenen neuen Stahlglocken. Am 18.02.1923 fand die Glockenweihe statt. Die Glocken wiegen 890, 530 und 320 kg und haben die Töne g1, b1 und c2. Im Jahr 2007 fand in Gera und Ronneburg die Bundesgartenschau statt. Die Kirche lag unmittelbar am Rande des Geraer Ausstellungs- geländes. Viele BUGA-Gäste besuchten sie während der täglichen 36 Öffnungszeiten. 37
Zeittafel 38 39
15. Jahrhundert bogigem und passförmigen Füllungen tragen und durch einen Turm, Altarraum und ältester Teil des jetzigen Langhauses im schlanken, beschieferten Dachreiter gekrönt sind. spätgotischen Stil errichtet aus Falkaer Sandstein (wie Schloss Tinz und Rathaus Gera). 1736 Untermhaus mit Cuba und Gries, vorher zur Parochie Gera gehö- Gotische Merkmale rig, wird eigene Pfarrgemeinde. Der 1. Seelsorger, zugleich Hofpre- Gewölbe im Chorraum mit sechskappigem Schlussjoch und vier- diger auf Schloss Osterstein, gestaltet das Kircheninnere im Stile kappigem Westjoch, hier ist auch die in einem kleinen Bereich des Barock um; Verlegung des alten Altarschreines vermutlich an freigelegte florale Ausmalung der Chorraumdecke aus der Ent- nördliche Seitenwand: Errichtung der Kanzel über dem Altar, zwi- stehungszeit zu sehen. schen Holzsäulen angeordnet; alles Holzwerk Weiß und Gold ge- strichen; Fenster gelichtet charakteristischer Triumphbogen; in der Ostwand hinter dem Altar (bis 1882 in NO-Wand) die sogenannte „Blende“, ursprüng- 1882/83 lich wohl Sakramentsschrein, später Aufbewahrungsort des Born- Statt eines schon fest geplanten Kirchenneubaus gründliche Er- kindl, der „Puppe“, eines angeblich wundertätigen Marienbildes, neuerung der Kirche, um für schnell wachsende Gemeinde Raum das erst 1882, weil völlig verfallen, beseitigt wurde; unter der Blen- zu schaffen (Leitung Geheimer Regierungs- und Baurat Haase / de ein ausgehöhlter Stein, der wahrscheinlich einen Opferstock Hannover): aufnahm. Schiff bis in Chorraum verlängert und um 2 m nach Westen er- weitert. Neue Westfassade mit zwei runden Türmchen als Trep- Die Längsachse zwischen Chorraum und Schiff ist, wie in vielen penaufgänge. Unter den hoch angelegten Fenstern des Langhau- alten Kirchen, gebrochen. Über die Gründe hierfür besteht keine ses vier neue rechteckige Fenster und Südeingang zu Kirchenschiff volle Klarheit. geschaffen. Neue Verglasung der Chorraumfenster. In Sakristei Spitzbogentür mit sich kreuzendem Stabwerk und alte Alte Sakristei geöffnet und als Seitenschiff benutzt. Über dersel- gotisch verzierte Säule, die vor 1882 als Treppenuntersatz diente; ben Einbau des Fürstenstandes mit Emporenbrüstung und dar- der ursprüngliche Zweck ist unbekannt. auf abgebildetem reussischem Wappen. Kanzel wieder an Seite verlegt. Vorbau errichtet an Westseite des Turmes als Zugang zu Turm mit Rechteckfenstern und zwei sich kreuzenden Satteldä- Fürstenloge und neuem Seitenschiff; darüber eigenartiges Rund- chern, die an den vier charakteristischen Giebeln gotisches Blend- türmchen, kleine neue Sakristei an Südseite angebaut. Erhöhung 40 maßwerk von sich schneidenden Schweifbogen und kleeblatt- des Langhauses durch Einbau eines hölzernen Tonnengewölbes. 41
Verlegung der Orgel auf neu gewonnene obere Empore. Erweite- hängende, von ca. 1500 stammende Kruzifixus einen würdigen die alte Sakristei vom Kircheninneren trennte, wird aus gleichem terläden als Schutz vor Vandalismus, nachdem es zu einer schwe- rung der unteren Emporen. In Spitzbogen endendes, nach 3 Seiten Platz. Freilegung des Sandsteines an Gewölberippen, Triumphbo- Grund durch massives Mauerwerk ersetzt, der Altarraum mit ren Beschädigung des Altares infolge eines Einbruches gekom- Arkaden bildendes Balkenwerk mit schönem Durchblick. gen und Fensterwölbungen. Neue Kanzel als Stiftung des Fabri- neuen Beleuchtungskörpern versehen. men war. Äußere Sanierung von Turm und Dächern, Öffnung des kanten Alfred Dix auf Südseite. Nach 1. Weltkrieg durch Familie Wegen störender Zugluft wird die Westseite des Schiffes durch Turmknopfes, 1908 Hirsch gestifteter betender Krieger von Prof. Behn / München jetzt Holzverschläge gegen das Treppenhaus abgeschlossen; an den Kruzifixus wird an Chorraumnordwand umgesetzt. Einbau einer neuen Orgel der Fa. Jehmlich aus Dresden als Stif- der Kanzel gegenüber aufgestellt. (1957 umgesetzt an Südostecke Emporen werden Türen angebracht. tung des Fabrikanten Dix des Kirchenschiffes). Einbau einer Heißluftheizung anstelle einer 1999/2000 früheren Dampfheizung. Installation der „Zeppelin“-Leuchten 1959–60 Einbau einer Toilette über dem nicht mehr benötigten Heizungs- 1916 von Prof. Emil Högg über den Seitenemporen Neueindeckung des Turmes mit Schiefer, teilweise Erneuerung keller neue Turmuhr (Stiftung Walter Dix) Balkenwerk, neue Wetterfahne (Schiff), neue Zifferblätter und 1942–1945 Zeiger der Uhr in der jetzigen Form 2003/04 1917 Auslagerung des gotischen Altarretabels in ein Gewölbe auf Sanierung von Gewölbe und Treppe im Nordtürmchen von 1882 Einschmelzung der Bronzeglocken für Rüstungszwecke Schloss Osterstein, wo er den Bombenangriff auf das Schloss am 1968 06.04.1945 unbeschadet übersteht Einbau einer elektrischen Läuteanlage 2007 1923 Bundesgartenschau in Gera und Ronneburg, die Kirche liegt un- Lieferung und Einbau neuer Stahlglocken 1956 1975 mittelbar am Rande des Ausstellungsgeländes, ist täglich geöff- Abriss alter Heizungsschornstein außerhalb des Turmes, der ein- Stiftung des neuen Taufsteines net und wird von sehr vielen BUGA-Gästen besucht 1927 zustürzen drohte, Errichtung eines neuen Schornsteines im Turm Erneuerung Zifferblätter Turmuhr (Milchglas mit schwarzen Stri- 1985 2009/11 chen) 1957 Einbau Fußbodenheizung Erneuerung der Bekrönung (Fialen) beider westlichen Treppen- Innenerneuerung der Kirche, da besonders durch Hochwasser türme vor 1934 1954, welches die Altarstufe noch überflutete, schwere Schäden Anfang der 90-er Jahre geschnitzte Weihnachtskrippe von Prof. Hermann Blechschmidt am Putz entstanden waren. Innen- und Außenerneuerung der Kirche: weitere Entfernung des wird erworben Dicker Asphaltanstrich (von 1883 oder 1936) unter dem Putz des Asphaltanstriches, neuer Putz in großen Teilen von Chorraum und Chorraumes wird zur besseren Durchlüftung des Mauerwerkes Schiff, Freilegung der unter vielen Farbschichten verborgenen go- Die älteste Urkunde von 1662 im Turmknopf (1959 und Anfang der 1936 mühsam entfernt, der Chorraum in hellem Ton neu verputzt und tischen Bemalung der Chorraumdecke in einem kleinen Bereich, 90-er Jahre geöffnet) beginnt mit Sprüche 18, V.10: Innenerneuerung der Kirche: Der in ursprünglicher Schönheit gemalt einschließlich der Fensterwölbungen, da dies nach Urteil Einbau einer Alarmanlage, Einbau einer Funkuhr zur Steuerung wiederhergestellte Flügelaltar rückt wieder an zentrale Stelle. der Sachverständigen dem ursprünglichen Charakter der Kirche der Turmuhr, Erneuerung der elektrischen Läuteanlage, Der Name des Herrn ist ein festes Schloss; 42 Über ihm findet nach gründlicher Renovierung der zuvor seitlich besser entspreche. Die 1950 angebrachte Holzverkleidung, welche Erneuerung und Ausbesserung des Sandsteines, Anbau von Fens- der Gerechte läuft dahin und wird beschirmt! 43
Das Kriegerdenkmal 44 45
Zuhause ist Krieg! Wort zum Sonntag für die Osthüringer Zeitung vom 30. Juni 2018 „Was ist das für ein Mann? Er trägt einen Helm. Seht ihr?“ Ich lege sich neben mir ein Mädchen: „Bei uns zu Hause ist Krieg.“ – „Wo dem Standbild meine rechte Hand auf den Kopf. Er ist aus rotem kommst du denn her?“ – „Aus dem Irak.“ Ich nicke. „Bei uns war Mamor. Es dauert eine Weile. Dann meldet sich ein Junge: „Ein schon lange kein Krieg mehr. Aber bei euch zu Hause ist Krieg.“ Soldat!“ Ich stehe mit einer Klasse Grundschüler in der Marien- Nun erzählt das Mädchen: „Meine Oma, meine Tante und deren kirche, und der betende Krieger von Fritz Behn hat ihre Aufmerk- Familie sind noch dort. Meine Mutter betet jeden Abend, dass ih- samkeit gefesselt. „Warum steht ein Soldat in der Kirche?“, frage nen nichts passiert.“ ich. Schweigen. „Ist er traurig oder fröhlich?“ Die Antwort kommt sofort: „Traurig.“ – „Warum ist er traurig?“ Wieder großes Über- Wissen die Kinder, was beten ist? Vorsichtig sage ich: „Keiner von legen. „Seine Frau ist gestorben.“ – „Er musste seine Familie um- uns kann machen, dass kein Krieg mehr ist. Aber wir können Gott bringen.“ – „Er hat Angst.“ bitten, dass er deine Familie beschützt. Und dass der Krieg einmal aufhört im Irak. Und auf der ganzen Welt.“ Das Mädchen nickt Ich stutze. Dies ist die erste Schulklasse, die nichts mehr von den ernst. Sie weiß, wovon sie spricht und wovon ich spreche. Weltkriegen weiß. Sie haben wahrscheinlich noch nie ein Krieger- denkmal bewusst gesehen. Kein Wunder. Die Großväter dieser Kriegerdenkmale fallen uns nicht mehr auf. Die Flüchtlinge erin- Kinder sind nach dem Krieg und selbst nach der Nachkriegszeit nern uns jetzt an den Krieg. geboren. Wer soll ihnen davon erzählt haben? Frank Hiddemann, Pfarrer Sankt Marien, Gera-Untermhaus So erzähle ich kurz von den beiden Kriegen. Wie viele Menschen gestorben sind und dass Teile der Stadt zerstört wurden. Dann sage ich: „Die Menschen haben diesen Soldaten in die Kirche ge- 46 stellt, weil sie sich an den Krieg erinnern wollten.“ Da meldet 47
In den Jahren nach dem 1. Weltkrieg stiftete der in Untermhaus woh- nende Kommerzienrat Dr. h. c. Georg Hirsch ein Kriegerdenkmal. Prof. Fritz Behn aus München gestaltete es aus Salzburger Marmor. Der ursprüngliche Standort des Kriegers ist nicht bekannt. Im Jahre 1936 wurde das Denkmal auf einen hohen Sockel an der Nordwand des Chores gestellt, wo es den gesamten Raum dominierte (siehe Foto auf Seite 11). Bei der Sanierung der Kirche 1957 kam es dann an die Trennwand zwischen Chor und Schiff unter die südliche Seiten- empore. Die Statue stellt einen betenden Krieger dar und kann durchaus auf unterschiedliche Weise interpretiert werden. In der heutigen Zeit sollte es für den Betrachter jedoch immer eine Mahnung zum Frie- 48 den sein. 49
… und sie bewegte die Worte in ihrem Herzen 50 51
Ein Altar wird Musik Die Kammerkantate zum Untermhäuser Marienaltar von Peter Helmut Lang Neben ihrer reichen Ausstattung an materiellen Kunstwerken nung nicht auf Bestehendes zurückzugreifen, sondern mit der besitzt die Untermhäuser Marienkirche mit der Kammerkan- Beauftragung des Komponisten Peter Helmut Lang dem Un- tate … und sie bewegte die Worte in ihrem Herzen von Peter termhäuser Marienaltar etwas Neues und untrennbar zu ihm Helmut Lang auch ein immaterielles Kunstwerk, das sich in Gehörendes zu widmen. besonderer Weise ihrem Marienaltar widmet. In ihrer komplet- ten Form stellt sie ein abendfüllendes Werk dar, das die Details Über den ungewöhnlichen Auftrag aus Gera äußerte sich der des Untermhäuser Marienaltars musikalisch erlebbar macht, Weimarer Komponist später wie folgt: seinen Darstellungen in kammermusikalischen Klängen nach- spürt und dem Altar somit auch eine nicht zu unterschätzende Einen Altar und seine neun Gemälde und Reliefs in eine mehr- musikhistorische Bedeutung verleiht. sätzige Kammerkantate zu übersetzen, war schon eine besondere Aufgabe. Ihren Anfang nahm die Kantate mit dem Vorhaben des Pfarrers Zu einer Herausforderung wurde sie, da die einzelnen Musik- Dr. Frank Hiddemann, die einzelnen Altarbilder in einer Gottes- sätze jeweils zu bestimmten, in das Kirchenjahr eingebetteten dienstreihe vorstellen zu wollen, und der Anfrage an das Geraer Gottesdiensten erklingen sollten und die Entstehungszeit so ensemble diX, diese Reihe mit Musik zu begleiten. einen ungewöhnlich langen Zeitraum umfasste. Um diesen zu überbrücken und der Kantate einen inneren Zusammenhalt zu Das ensemble diX, eine Vereinigung von Mitgliedern des Philhar- geben, entschloss ich mich zu einer Kompositionsweise mit Leit- monischen Orchesters Altenburg Gera, war bis dahin vor allem motiven. So entwickelte ich neben anderen Motiven ein Engels- mit Bach-Adaptionen und Vertonungen von Gemälden seines motiv, ein Motiv der Göttlichkeit, ein Motiv der Königswürde und Namensgebers – Otto Dix – in Erscheinung getreten. Schnell ein Motiv der Demut, welche sich durch die einzelnen Sätze der 52 entschloss es sich, für die reizvolle Aufgabe einer Altarverto- Kantate ziehen sollten. 53
Dass Peter Helmut Lang dabei den Anspruch erhob, keine allge- Von April 2016 bis Mai 2017 erfolgten die Uraufführungen der CD & BUCH meine Vertonung des Marienlebens zu komponieren, sondern einzelnen Kantatensätze in der Reihenfolge: Die Verkündigung In Gera-Untermhaus, in pittoresker Lage zwischen Weißer Elster und Schloss den Versuch unternahm, die speziellen Eigenheiten des Altars zu (17.04.2016), Im Tempel (22.05.2016), Die Flucht (03.07.2016), Der Osterstein und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Geburtshaus von Otto Dix gelegen, steht eine der schönsten und ältesten Kirchen Geras – die reflektieren, spiegelte sich in seiner Herangehensweise wider: Tod Marias (04.09.2016), Der Besuch bei Elisabeth (11.12.2016), Die Marienkirche. Ihre Baugeschichte reicht bis in die Zeit um 1200 zurück; ihr Geburt Jesu (25.12. 2016), Die Anbetung der Weisen (22.01.2017), kostbarstes Schmuckstück ist ein spätgotischer Flügelaltar. Im Vorfeld zur Komposition eines jeden Kantatensatzes galt es, das Der Kindermord zu Bethlehem (02.04.2017) und Die Himmels- Der Komponist Peter Helmut Lang hat die Bilder dieses Marienaltars in einer Kantate vertont und mit dem Geraer ensemble diX und der Untermhäuser jeweilige Altarbild zu deuten und seine Eigenheit herauszuarbei- königin (28.05.2017). Über ein Jahr hatte die Beschäftigung mit Kirchgemeinde in neun Themengottesdiensten gleichsam eine mehrmonatige ten, um eine angemessene musikalische Entsprechung finden zu ihrem Altar das Leben der Kirchgemeinde geprägt. Immer mehr Peter Helmut Lang Reise durch das Leben der Heiligen Maria unternommen. Eine Reise, die nun ... und sie bewegte die Worte in ihrem Herzen vollendet ist und die in Wort, Bild und Musik nachzuvollziehen Sie hiermit können. Hierfür wandte ich mich immer wieder an Herrn Pfarrer Interessierte waren den Aufführungen gefolgt, bis schließlich herzlich eingeladen sind. Hiddemann und es entstanden angeregte, tiefgreifende Diskussio- am 25. August 2017 die vollendete Kammerkantate vor einer gro- nen und wunderbare gemeinsame Interpretationsversuche. ßen Zuhörerschaft erstmals komplett erklang. Kammerkantate ... und sie bewegte zumdie Untermhäuser Marienaltar Worte in ihrem Herzen fürKammerkantate Sopran und Holzbläserquartett (2016/17) ... und sie bewegte die Worte in ihrem Herzen zum Untermhäuser Marienaltar Ganz einfach war die Übersetzung in eine kammermusikalische Noch am Abend dieser Erstaufführung entstand die Idee, das von Peter Helmut Lang für Sopran und Holzbläserquartett (2016/17) Texte nach dem Matthäus-Evangelium, dem Lukas-Evangelium und der Schrift Transitus Mariae. Form jedoch nicht und es erforderte eine besondere Sichtweise, Werk in Form einer CD mit Begleitbuch festzuhalten. Knapp ein Texte nach dem Matthäus-Evangelium, 1. Prolog – Die Himmelskönigin 2:33 die Vielzahl der Figuren des Altars in eine überschaubare Anzahl Jahr später, am 26. Mai 2018, konnte dank der Unterstützung dem Lukas-Evangelium 2. Die Verkündigung 4:57 und der Schrift Transitus Mariae. von Musikern und eine schlüssige Dramaturgie zu führen. zahlreicher Vereine, Unternehmen und Privatpersonen diese in 3. Der Besuch bei Elisabeth 3:19 4. Die Geburt Jesu 4:54 einem Erscheinungsfest der Öffentlichkeit übergeben werden. Akiho 5. DieTsujii Anbetung– Sopran der Weisen 4:35 Peter Helmut Lang Um Maria in den Mittelpunkt zu rücken, wurde die Kantate ledig- Seither gehört sie als besonderes Exponat zum Inventar der Ma- & 6. Im Tempel 5:51 7. Der Kindermord zu Bethlehem 4:12 lich mit einem Sopran als einzige Gesangsstimme besetzt. Damit rienkirche von Gera-Untermhaus. ensemble 8. Die FluchtdiX ... und sie bewegte 3:42 dennoch die verschiedenen im Altar dargestellten Personen zu Andreas Knoop – Flöte, Altflöte 9. Der Tod Marias 6:11 10. Epilog – Die Gottesmutter 3:16 Gesamt 43:32 Wort kommen konnten, wählte ich eine Perspektive, in der Maria Worte singt, wie sie sie entsprechend der Bibel-Szenen von an- Albrecht Pinquart – Oboe, Englischhorn Hendrik Schnöke Akiho Tsujii – Sopran •– Bassetthorn ensemble diX die Worte in ihrem Herzen Andreas Knoop – Flöte, Altflöte; Albrecht Pinquart – Oboe, Englischhorn; Kammerkantate zum Untermhäuser Marienaltar deren gehört hat – quasi als innerliches Nachhören, Reflektieren Roland HendrikSchulenburg – Fagott Schnöke – Bassetthorn; Roland Schulenburg – Fagott und Nachspüren des Gesagten. Der biblische Satz „Maria aber be- Buchtexte von Dr. Frank Hiddemann, Thomas Stöß und Hendrik Schnöke hielt all die Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“ wurde somit Akiho Tsujii I ensemble diX zum Motto und Titel meines Werkes. Aufnahme: 19. – 21.01.2018 | Aufnahmeort: Konzertsaal des VKJK Eine Produktion von querstand, dem Klassiklabel derLangVerlags- GEMA DDD Theaters Gera | Aufnahme und Schnitt: Peter Helmut 1803 Mischung und Mastering: Harms Achtergarde gruppe Kamprad (VKJK 1803). ©Kamprad VKJK 1803 2018 by querstand, dem Klassiklabel der Verlagsgruppe | www.vkjk.de 54 Erhältlich über das Gemeindekirchenbüro bzw. im Fachhandel. 55
„Du hast uns großer Gott dein Heiligthum erhalten, Da schnell entstandne Gluth den Untergang gedroht, Laß deine Güt und Treu noch ferner ob uns walten, Bewahre Hof und Stadt und Land vor aller Noth ...“ (aus einer im Turmknopf befindlichen Urkunde von 1769) Dieses Heft wurde geschrieben, um dem Besucher der Marien- kirche einen Überblick über ihre Geschichte zu verschaffen und gleichzeitig die wichtigsten Ausstattungsstücke der Kirche vor- zustellen. Das Ziel ist erreicht, wenn das Büchlein zum erneuten Besuch des Gotteshauses anregt: um offene Fragen zu klären, ein- IMPRESSUM zelne Details genauer zu betrachten oder auch an einem Gottes- Layout: Christoph Beer dienst teilzunehmen bzw. ein Konzert zu besuchen. Texte: Dr. Frank Hiddemann (Seiten 23–25, 47) Hendrik Schnöke (Seiten 53–55) Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass unser Marienaltar Johann-Christoph Trinks (restliche Seiten) hier nur im Überblick erläutert wird, da dafür eine gesonderte Fotos: Karsten Heinig (Titel), Wolfgang Hesse (Seite 52) Publikation vorgesehen ist. Johann-Christoph Trinks (wenn im Bildtext nicht anders vermerkt) Gera, im Mai 2020
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