Statistik und Informationsmanagement Monatshefte - Stadt ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Statistik und Informationsmanagement Monatshefte Herausgeberin: Landeshauptstadt Stuttgart Themen 5/2020 Der Einzelhandel in Stuttgart und anderen Großstädten – Unterschiediche Kaufkraftimpulse aus dem regionalen Umland 100 Jahre und älter – Wie viele Personen dieser Altersgruppe leben in Stuttgart? Verändertes Mobilitätsverhalten in Zeiten der SARS-CoV-2- Pandemie – Nutzerdaten als Ergänzung der amtlichen Statistik und Beitrag zur Debatte über die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Beschränkung sozialer Kontakte Veröffentlichungen zu den Themen 79. Jahrgang
Themen Seite Statistik und Aktuelle Grafik: Informationsmanagement Monatsheft 5/2020 100 Jahre und älter – Wie viele Personen dieser 79. Jahrgang Altersgruppe leben in Stuttgart? 103 Kurzbericht: Verändertes Mobilitätsverhalten in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie – Nutzerdaten als Ergänzung der amtlichen Statistik und Beitrag zur Debatte über die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Beschränkung sozialer Kontakte104 Hauptbeitrag: Der Einzelhandel in Stuttgart und anderen Großstädten – Unterschiedliche Kaufkraftimpulse aus dem regionalen Umland 106 Veröffentlichungen zu den Themen Rückseite Impressum: Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 Herausgeberin: Landeshauptstadt Stuttgart Statistisches Amt, Eberhardstraße 37, 70173 Stuttgart Telefon 0711 216-98587, Telefax 0711 216-98570 E-Mail: poststelle.12@stuttgart.de Internet: www.stuttgart.de/statistik Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt: Thomas Schwarz Preis pro Monatsheft: 4 €
Aktuelle Grafik Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 100 Jahre und älter – Wie viele Personen dieser Altersgruppe leben in Stuttgart? Pasquale Frisoli und Attina Mäding Nach Angaben der Vereinten Natio- Der hohe Lebensstandard, die gute 100. Geburtstag bei den Altersjubila- nen kamen weltweit im Jahr 2019 auf Gesundheitsversorgung und die lange ren nachgefragt, ob sie Besuch von eine Million Menschen geschätzt 69 Friedenszeit seit Ende des Zweiten einem Vertreter der Stadt (z. B. Bür- (Über-)Hundertjährige, knapp 20 Jahre Weltkriegs haben hierzulande zu germeister/-in oder Bezirksvorsteher/ zuvor waren es nur 251. Was im glo- einer steigenden Anzahl der Hundert- -in) erhalten möchten und ob die balen Maßstab beobachtet werden jährigen geführt. Der Rückgang der Presse und ein/e Fotograf/-in dabei kann, lässt sich auch in Stuttgart er- Zahlen in den Jahren 2017 und 2018 sein darf. Wenn kein Besuch ge- kennen: Die Anzahl der Menschen, hat seine Ursache im Geburtenrück- wünscht wird, werden die Geschenke die mindestens hundert Jahre alt sind, gang zum Ende des Ersten Weltkriegs (Urkunde des Oberbürgermeisters wächst. vor 100 Jahren. Der hohe Frauenanteil und Ministerpräsidenten sowie ein in den älteren Altersjahrgängen hat Blumenarrangement) durch einen Ende 2019 waren 126 Einwohner im nicht nur mit der generell höheren Boten überbracht. Der Brief des Bun- Alter von hundert Jahren oder älter Lebenserwartung der Frauen zu tun, despräsidenten wird immer direkt per mit Hauptwohnsitz in Stuttgart ge- auch haben die zwei Weltkriege deut- Post zugestellt. meldet, darunter waren 88 Prozent lich mehr männliche Todesopfer ge- Frauen. Das bedeutet, es kommen in fordert. der Landeshauptstadt auf eine Million Einwohner 205 Hundertjährige. Im Trotz der gestiegenen Anzahl der Jahr 2000 betrug dieser Wert noch Hundertjährigen ist das Erreichen die- 109. Der Anteil dieser Altersgruppe ser Altersmarke immer noch etwas 11 United Nations (2019): World Population Prospects 2019. https://population.un.org/ 103 liegt in Stuttgart also deutlich höher Besonderes. Deswegen wird von der wpp/Download/Standard/Interpolated/, als im internationalen Vergleich. Landeshauptstadt Stuttgart ab dem 05.05.2019. Abbildung 1: Einwohner im Alter von 100 Jahren und älter in Stuttgart seit 19751 nach Geschlecht Personen 160 140 120 100 80 60 40 Männlich Weiblich 20 0 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 1 Bis einschließlich 1985 zum 30.06, ab 1986 zum 31.12. Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Kurzbericht Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 Verändertes Mobilitätsverhalten in Zeiten der SARS-CoV-2-Pandemie Nutzerdaten als Ergänzung der amtlichen Statistik und Beitrag zur Debatte über die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Beschränkung sozialer Kontakte Dr. Till Heinsohn Im Zuge der anhaltenden COVID-19- förderungsmitteln (ÖPNV, Gehen, Basisvolumen am 13. Januar 2020. Pandemie stellen Technologieunter- Fahren) getrennt und in aggregierter Apple definiert die Städte als nicht nehmen wie Google LCC. und Apple Form ausgegeben und sind für ausge- näher definierten Großraum – behält INC. Daten der Nutzung ihrer Dienste wählte Länder, Regionen und Städte die geografischen Grenzen aber für für einen begrenzten Zeitraum frei im abrufbar. Die Daten der Nutzer wer- den gesamten Untersuchungszeit- Internet zur Verfügung. Laut Angabe den insofern geschützt, dass die Be- raum bei. Über die tatsächliche An- der Unternehmen dient die Veröffent- wegungen laut Selbstauskunft des zahl der Anfragen nach Wegbeschrei- lichung dieser Daten der Unterstüt- Unternehmens nicht mit der entspre- bungen schweigt sich das Unterneh- zung öffentlicher Stellen bei der chenden Apple-ID verknüpft und die men aus. Gleichwohl können Städte, Koordinierung der Maßnahmen in Orte, an denen sich die Nutzer befin- in denen die tägliche Anzahl der An- Zusammenhang mit COVID 19.1 Die den, nicht gespeichert werden. fragen einen nicht weiter spezifizier- in diesem Beitrag verwendeten Be- ten Mindestwert unterschreitet, in der nutzerdaten des Unternehmens Apple Die als CSV-Datei zum Download be- Mobilitätsanalyse nicht berücksichtigt INC. spiegeln die täglichen Änderun- reitgestellten und in Abbildung 1 visu- werden. Die hier präsentierten Daten gen in den Anfragen nach Wegbe- alisierten Daten zeigen das relative erheben zudem keinen Anspruch auf schreibungen in Apple-Karten (Apple Anfragevolumen für Wegbeschrei- Repräsentativität. Zum einen handelt Maps) wieder. Diese werden nach Be- bungen in Stuttgart im Vergleich zum es sich ausschließlich um die Daten Abbildung 1: Verändertes Mobilitätsverhalten in Stuttgart 104 Relative Änderungen in den Anfragen zur Routenführung in Stuttgart im Vergleich zum Basisvolumen am 13. Januar 2020 (Daten für den 11. und 12. Mai sind nicht verfügbar) Beschränkung sozialer Kontakte +140% ÖPNV Gehen Fahren +100% +60% +20% Basis -20% -60% Empfehlung zur Absage Schließungen Öffnungen von Großveranstaltungen Schulen, Kitas Einzelhandel 13. 20. 27. 03. 10. 17. 24. 02. 09. 16. 23. 30. 06. 13. 20. 27. 04. 11. 18. Jan Jan Jan Feb Feb Feb Feb Mrz Mrz Mrz Mrz Mrz Apr Apr Apr Apr Mai Mai Mai Quelle: www.apple.com/covid19/mobility Eigene Darstellung Quelle: www.apple.com/covid19/mobility, Eigene Darstellung Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Kurzbericht Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 der Nutzer von Apple-Geräten. Be- Welche Erkenntnisse lassen sich Denn nur durch die Einführung des trachten wir die mobilen Plattformen, aus dem veränderten Mobilitäts- umfangreichen Kontaktverbots konnte so liegt der Marktanteil von iPhone in verhalten hinsichtlich der hitzigen die Reproduktionszahl auf einem Ni- Deutschland bei rund 30 Prozent.2 Debatte über die Wirksamkeit der veau nahe 1 gehalten werden. Ohne Zum anderen wissen wir nicht, ob es Beschränkung sozialer Kontakte das Kontaktverbot, so das RKI, wäre sich bei den Apple-Nutzern in Stutt- auf die Reproduktionszahl R ge- die Reproduktionszahl wieder ange- gart um einen Querschnitt der Stadt- winnen? stiegen.5 Dieser Argumentation liegen bevölkerung handelt, oder ob sich der Erfahrungswerte menschlichen Ver- Nutzerkreis möglicherweise durch be- Unstrittig ist, dass die Reproduktions- haltens zugrunde. Denn ebenso wie stimmte Merkmale (z.B. durch das zahl R, die beschreibt, wie viele Men- wir in der Lage sind unser Verhalten Alter) von den Nicht-Appelianern un- schen eine infizierte Person im Mittel eigenverantwortlich anzupassen, steht terscheidet. ansteckt, bereits vor der Beschrän- zu befürchten, dass wir auch schnell kung sozialer Kontakte auf einen wieder in alte Muster zurückfallen Trotz dieser Einschränkungen stellen Wert nahe 1 gesenkt werden konnte. und Ermüdungserscheinungen die die zur Verfügung gestellten Daten Dies ist zum einen auf Maßnahmen Oberhand gewinnen. Ein empirischer eine ausgesprochen hilfreiche Quelle zur Eindämmung des Virus zurückzu- Beleg hierfür steht in der derzeitigen zur Abschätzung von Trends im Mobi- führen. Hierzu zählt insbesondere die Lage gleichwohl aus. litätsverhalten der Bevölkerung dar, Absage von Großveranstaltungen vom welche die amtliche Statistik nicht lie- 9. März 2020 und die Bund-Länder Die von dem Technologieunterneh- fern kann. So ist in Abbildung 1 zu Vereinbarungen vom 16. März 2020, men Apple zur Verfügung gestellten sehen, dass die Mobilität in Stuttgart die unter anderem die Schließung von Daten zum Mobilitätsverhalten stellen bereits vor der eigentlichen Beschrän- Schulen und Kitas in Baden-Württem- eine empirisch belastbare Quelle dar, kung sozialer Kontakte am 23. März berg am 17. März 2020 zur Folge die über unsere ganz persönliche Wahr- 2020 deutlich abgenommen hat. hatte.4 Zum anderen haben die Bür- nehmung und Beobachtung hinaus- Diese Erkenntnis gilt für alle drei Be- gerinnen und Bürger durch Einschrän- geht. Die Bürgerinnen und Bürger in förderungsmittel. Der stetige Rück- kungen ihres Mobilitätsverhaltens Stuttgart haben ihr Mobilitätsverhalten gang der Mobilität setzt vom 7. auf einen ganz wesentlichen Beitrag zur in Eigenverantwortung bereits zwei den 8. März 2020 ein und wird mut- Eindämmung des Virus geleistet. Wie Wochen vor der eigentlichen Kontakt- 105 maßlich nur von der Austragung des in Abbildung 1 ersichtlich, haben die beschränkung angepasst. Damit lässt Fußballspiels zwischen dem VfB Stutt- Menschen ihr Verhalten schon zwei sich das Absinken der Reproduktions- gart und Arminia Bielefeld mit rund Wochen vor der eigentlichen Kon- zahl vor dem eigentlichen Lockdown 54 000 Zuschauern am Abend des 9. taktbeschränkung angepasst. Durch erklären. Für die amtliche Statistik März in der Mercedes-Benz Arena un- die intensive Medienberichterstat- sind solche Mobilitätsdaten ausge- terbrochen. Der vorläufige Tiefpunkt tung, die mitunter erschreckenden sprochen hilfreich. Gleichwohl bleibt der Mobilität wird am 21. März 2020 Nachrichten aus dem Ausland und die zu bemängeln, dass der Anbieter erreicht. In der darauffolgenden Phase allgegenwärtige Krisenkommunika- keine Einblicke in die absolute Anzahl der Beschränkung sozialer Kontakte tion wurde die Bevölkerung entspre- der täglichen Routenanfragen gewährt. verharrt das Mobilitätsverhalten zu- chend sensibilisiert. In Anbetracht der Ebenso gilt es zu berücksichtigen, dass nächst auf niedrigem Niveau. Ab der vorbildlichen, eigenverantwortlichen, die Mobilität der Gesamtbevölkerung zweiten Aprilwoche nimmt die Mobi- Verhaltensanpassung der Bevölkerung hier auf der Grundlage der über lität wieder leicht zu, bleibt aber noch stellten sich zuletzt immer mehr Bür- Apple Maps getätigten Anfragen ab- weit vom Ausgangswert entfernt. gerinnen und Bürger die Frage nach geschätzt wird, und es sich nicht um Preisen wir zusätzlich mit ein, dass das der Notwendigkeit der Kontaktbe- alle, tatsächlich gemachten Wege in relative Anfragevolumen und damit schränkung. Denn wenn die Repro- Stuttgart handelt. Trotz eines Markt- auch die Mobilität in der ersten Jahres- duktionszahl bereits am 22. März anteils durch Apple von rund 30 Pro- hälfte für gewöhnlich zunehmen3, unter dem Wert 1 lag, warum wurde zent können wir nur von einer können wir von einem deutlich abge- die Kontaktbeschränkung dann noch Näherung und nicht von der Reprä- schwächten Mobilitätsverhalten bis in benötigt? Die Antwort des Robert sentativität der bereitgestellten Daten den Mai hinein berichten. Koch-Instituts (RKI) fällt eindeutig aus: ausgehen. 11 Siehe hierzu die Nutzungsbedingungen von Apple INC.: https://www.apple.com/covid19/mobility (aufgerufen am 06.05.2020). 12 Siehe hierzu: https://computerwelt.at/news/iphone-vs-android-wer-hat-die-groesseren-marktanteile/ (aufgerufen am 06.05.2020). 13 Laut Auskunft des Unternehmens entspricht die Zunahme der Anfragen in der ersten Jahreshälfte der normalen saisonalen Nutzung von Apple Maps. 14 Siehe hierzu die Ausführungen des Robert Koch-Instituts zu verschiedenen Infektionsschutzmaßnahmen und der Frage, warum die Reproduktions- zahl R bereit am 22. März, und damit vor der eigentlichen Beschränkung sozialer Kontakte, unter dem Wert von 1 lag: https://www.rki.de/ SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html#FAQId13985890 (aufgerufen am 12.05.2020). 15 Siehe hierzu Fußnote 4.
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 Dr. Werner Münzenmaier1 Regionale Kaufkraftimpulse für den Einzelhandel in Stuttgart und anderen Großstädten Weite Bereiche des stationären Einzelhandels wurden von den Maßnahmen, die 2020 im Zusammenhang mit dem Coronavirus unternommen wurden, erheblich beeinträchtigt. Insofern kann der vorliegende Beitrag, der auf Einzelhandelsdaten für 2019 Bezug nimmt, die besondere Lage des Jahres 2020 nicht adäquat wiedergeben, vielmehr beschreiben die Strukturdaten die Gegebenheiten in einem normalen Jahr wie hier 2019. Untersuchungsgegenstand ist die Frage, in welchem Umfang der Einzelhandel in den 15 deutschen Großstädten mit mehr als 400 000 Einwohnern von der Kaufkraft aus dem jeweiligen Umland profitiert; der Schwerpunkt liegt dabei auf den acht Städten mit besonders ausgeprägter Ausrichtung auf den Einzelhandel. Kennzahlen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zu Einkommen der privaten Haushalte 2017 Ausgaben im Einzelhandel als Teil der Der Einzelhandel wird maßgeblich durch die Konsumausgaben der privaten Haus- privaten Konsumausgaben halte (einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck) bestimmt. Mit einem Anteil von derzeit rund 53 Prozent am Bruttoinlandsprodukt Deutschlands bilden sie nicht nur das größte Nachfrageaggregat, sie haben in den letzten 15 106 Jahren auch regelmäßig real zugenommen und sich so als sichere Konjunkturstütze bewährt. Ein erheblicher Teil der privaten Konsumausgaben für Güter und Dienst- leistungen wird nach wie vor über den Einzelhandel bezogen, 2017 und 2018 waren es jeweils 31,8 Prozent mit zuletzt wieder leicht steigender Tendenz. Dabei wurde der private Verbrauch im Allgemeinen und der Einzelhandel im Besonderen infolge steigender Einkommen, sinkender Arbeitslosigkeit, geringer Preissteigerungen und niedriger Zinsen begünstigt. Einkommen der privaten Haushalte, Die Zusammenhänge zwischen den Einkommen der privaten Haushalte am Wohnort, private Konsumausgaben und Ausga- den privaten Konsumausgaben und hierunter den Bezügen über den Einzelhandel ben im Einzelhandel in den VGR (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen, aber einschließlich Internet- und Versandhan- del) entsprechend den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für Deutschland im Jahr 2017 gehen aus Tabelle 1 hervor.2 Dort sind zwei Einkommensgrößen hervor- gehoben, weil nur sie für Stadt- und Landkreise Deutschlands vorliegen3: Definition von Primäreinkommen … Das Primäreinkommen der privaten Haushalte (einschließlich privater Organisa- tionen ohne Erwerbszweck) umfasst die gesamten Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögen, die den privaten Haushalten am Wohnort zugeflossen sind. Hierzu zählen das Arbeitnehmerentgelt, die Einkommen der Einzelunternehmen und Selbstständigen, der Betriebsüberschuss aus Wohnungsvermietung einschließlich eigengenutztem Wohnraum und die netto empfangenen Vermögenseinkommen einschließlich Finanzdienstleistungen. … und Verfügbarem Einkommen der Das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte (einschließlich privater Or- privaten Haushalte ganisationen ohne Erwerbszweck) errechnet sich aus dem Primäreinkommen durch Abzug der Einkommen- und Vermögensteuern, der Sozialbeiträge und sonstigen, von den privaten Haushalten zu leistenden Transfers sowie Hinzufügen der Sozi- alleistungen und weiterer, durch die privaten Haushalte vom Staat empfangener Transferleistungen. Das Verfügbare Einkommen ist damit das Einkommen, das den privaten Haushalten letztlich zufließt und für Konsum- oder Sparzwecke verwendet werden kann; es wird auch als (allgemeine) Kaufkraft bezeichnet und stellt so einen ersten Bezug zu den privaten Konsumausgaben dar.
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 Tabelle 1: Gesamtwirtschaftliche Einkommens- und Konsumgrößen Gegenstand der Nachweisung Mio. Euro der privaten Haushalte und privaten Organisationen ohne Erwerbszweck Empfangene Arbeitnehmerentgelte 1 668 810 in der Bundesrepublik Deutschland 2017 + Betriebsüberschuss und Selbstständigeneinkommen 221 404 - Geleistete Vermögenseinkommen 24 790 + Empfangene Vermögenseinkommen 404 514 = Primäreinkommen (Nettonationaleinkommen) 2 269 938 - Geleistete Einkommen- und Vermögensteuern 322 161 - Geleistete Nettosozialbeiträge 674 845 + Empfangene monetäre Sozialleistungen 565 202 - Geleistete sonstige laufende Transfers 78 224 + Empfangene sonstige laufende Transfers 110 006 = Verfügbares Einkommen (Ausgabenkonzept) 1 869 916 - Private Konsumausgaben 1 732 176 + Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche 52 080 = Sparen 189 820 Private Konsumausgaben 1 732 176 - Konsumausgaben der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck 55 548 = Konsumausgaben der inländischen privaten Haushalte 1 676 628 - Konsumausgaben der Inländer in der übrigen Welt 73 645 + Konsumausgaben der Gebietsfremden im Inland 33 166 = Konsumausgaben der privaten Haushalte im Inland 1 636 815 darunter nach den quantitativ wichtigsten Lieferbereichen: Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen) 550 349 Kraftfahrzeughandel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 114 199 107 Immobilienwesen, Erziehung, Gesundheit, Öffentliche und sonstige Dienstleister 528 398 Quelle: Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen; eigene Berechnungen Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt Kennzahlen für den Einzelhandel 2019 Einzelhandelsdaten der Michael Bauer Da die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen für Kreise – und damit auch für Research GmbH große Städte – keine einzelhandelsbezogenen Daten bereitstellen, muss auf andere Quellen zurückgegriffen werden. Für die nachfolgenden Analysen sind dies drei Kennzahlen, die von der Michael Bauer Research GmbH, inzwischen schon für das Jahr 2019, errechnet wurden: Einzelhandelsrelevante Kaufkraft: Der Erstens die einzelhandelsrelevante Kaufkraft, das ist derjenige Teil der allge- für den Einzelhandel ausgegebene Teil meinen Kaufkraft, der im Einzelhandel (einschließlich Online- und Versandhandel) der Nettoeinkünfte ausgegeben wird. Ausgangspunkt ihrer Berechnung sind die Nettoeinkünfte, die konzeptionell dem Verfügbaren Einkommen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrech- nungen entsprechen.4 Aus diesen Nettoeinkünften bestimmt die Michael Bauer Re- search GmbH die einzelhandelsrelevante Kaufkraft als den Teil des Einkommens, der im Einzelhandel ausgegeben wird. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft ist insoweit deutlich enger gefasst als die allgemeine Kaufkraft, repräsentiert durch das Verfüg- bare Einkommen. Umsatz des stationären Einzelhandels Zweitens der Einzelhandelsumsatz, das sind die im örtlichen Einzelhandel getä- ohne Internet- und Versandhandel tigten Umsätze zu Endverbrauchspreisen; zum Einzelhandel in dieser Abgrenzung gehören auch Apotheken, Bäckereien, Konditoreien und Metzgereien sowie Factory Outlet Center, nicht jedoch der Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen und Krafträdern, Tankstellen sowie der Internet- und Versandhandel; der stationäre Einzelhandelsum- satz auf der Angebotsseite ist damit erheblich kleiner als die einzelhandelsrelevante Kaufkraft auf der Nachfrageseite.
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 Einzelhandelsbezogene Zentralität: Drittens die einzelhandelsbezogene Zentralität, das ist zunächst der Quotient Einzelhandelsumsatz je einzelhandels- aus Einzelhandelsumsatz und einzelhandelsrelevanter Kaufkraft, womit die spezi- bezogene Kaufkraft fische Kaufkraftbindung einer Stadt ausgedrückt wird; üblicherweise werden die beiden Größen in der Dimension je Einwohner und Deutschland = 100 zueinander in Beziehung gesetzt.5 Zentralitätskennziffer für Deutschland Die Zusammenhänge gehen, dargelegt am Beispiel der Stadt Stuttgart für 2019, aus insgesamt informiert über den Anteil Tabelle 2 hervor. Nach den Berechnungen von Michael Bauer Research GmbH hat des stationären Einzelhandels am ge- samten Einzelhandelsumsatz … demnach der vom Stuttgarter Einzelhandel erzielte Einzelhandelsumsatz in Höhe von 8317 Euro je Einwohner die dort gemessene einzelhandelsrelevante Kaufkraft (7900 Euro je Einwohner) um 417 Euro je Einwohner oder 5,3 Prozent übertroffen. In Deutschland insgesamt lag dagegen der Einzelhandelsumsatz mit 6202 Euro je Einwohner unter der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft von 7086 Euro je Einwohner, und zwar um 884 Euro je Einwohner; daraus errechnet sich für Deutschland eine auf die Kaufkraft bezogene Ziffer von 87,5 Prozent. Bezieht man die entsprechende, für Stuttgart errechnete Ziffer in Höhe von 105,3 Prozent auf diese Bundesziffer, so ergibt sich als einzelhandelsbezogene Kaufkraft in Relation zum Bundesdurchschnitt für Stuttgart ein Wert von 120,3 Prozent. Bezugnehmend auf die Zahlen in Tabelle 2 bedeutet dies zum einen, dass 2019 in Deutschland rund 884 Euro je Einwohner für Käufe außerhalb des stationären Ein- zelhandels, also vor allem im Internet- und Versandhandel ausgegeben wurden. Zum anderen wird mit der Verhältniszahl „Einzelhandelsumsatz je einzelhandelsrele- vante Kaufkraft“ für Deutschland insgesamt ausgedrückt, wieviel an einzelhandels- relevanter Kaufkraft der Bevölkerung Deutschlands für Käufe vom in Deutschland ansässigen stationären Einzelhandel ausgegeben wird; im Beispiel sind dies 87,5 Prozent. 108 … und erlaubt Aussagen zum Kauf- Verglichen mit dieser Relation für Deutschland insgesamt, also mit Deutschland = kraftzu- oder -abfluss einer Stadt 100 Prozent, beinhaltet ein höherer Wert für eine Stadt (also im Beispiel 120,3 % für Stuttgart) einen entsprechend größeren Kaufkraftzufluss im stationären Einzelhandel als in Deutschland insgesamt (für die Stadt Stuttgart also um 20,3 Prozent ihrer einzelhandelsrelevanten Kaufkraft), ein geringerer Wert (zum Beispiel 90 %) einen Nettoabfluss an Kaufkraft im stationären Einzelhandel (im Beispiel in Höhe von 10 % der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft der Stadt). Diese Zahlen können sogar dahingehend interpretiert werden, dass Stuttgart einen Kaufkraftzu- fluss von netto 20,3 Prozent seiner einzelhandelsrelevanten Kaufkraft und die Ver- gleichsstadt einen Kaufkraftabfluss um zehn Prozent aufweist, und zwar aufgrund folgender Modellüberlegung: Es kann realistischer Weise davon ausgegangen wer- den, dass der Saldo aus Einkäufen von Einwohnern Deutschlands im Ausland und Einkäufen von Einwohnern des Auslands in Deutschland in etwa ausgeglichen ist, Tabelle 2: Ermittlung der einzelhandelsbezogenen Zentralitätskennziffer am Beispiel Stuttgart für 2019 Tabelle 2: Ermittlung der einzelhan- delsbezogenen Zentralitätskennziffer am Beispiel Stuttgart 2019 Indikator Stuttgart Deutschland Einzelhandelsumsatz in Euro je Einwohner 8317 6202 Einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Euro je Einwohner 7900 7086 Einzelhandelsbezogene Zentralität als Quotient in % 105,3 87,5 Deutschland = 100 120,3 100,0 Quelle: Michael Bauer Research GmbH; eigene Berechnungen Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 also per Saldo kein großer Kaufkraftab- oder -zufluss von beziehungsweise nach Deutschland erfolgt.6 Liegt deshalb die Einzelhandelszentralität einer Stadt mit einem bestimmten Prozentsatz über oder unter dem Bundesdurchschnitt dieser Ziffer, so liegt ein entsprechender Kaufkraftzufluss oder Kaufkraftabfluss dieser Stadt vor. Kennzahlen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zu Arbeitnehmer- entgelten 2017 Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer Alle bisher genannten Indikatoren beziehen sich auf den Wohnort der Einkom- als Indikator für die Verdienstmöglich- mensbezieher beziehungsweise Konsumenten, weshalb die Zahl der Einwohner keiten am Arbeitsort auch die geeignete Bezugsgröße darstellt. Demgegenüber werden das Arbeitnehmerentgelt und die Zahl der Arbeitneh- mer in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auf Kreisebene nur für den Arbeitsort nachgewiesen; das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer soll in dieser Untersuchung die Verdienstmöglichkeiten der (unselbstständig) Beschäftigten am Arbeitsort repräsentieren. Arbeitnehmerentgelt setzt sich zusammen aus den Löh- nen und Gehältern der beschäftigten Arbeitnehmer sowie der Lohnsteuer und den Sozialbeiträgen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber; letztere beinhalten auch unterstellte Sozialbeiträge für Beamte und Richter.7 Einzelhandelsumsatz und einzelhandelsrelevante Kaufkraft in den Groß- städten 2019 In Abbildung 1 sind die von der Michael Bauer GmbH für 2019 ermittelten Werte von Einzelhandelsumsatz und einzelhandelsrelevanter Kaufkraft, jeweils je Einwoh- ner, für die 15 größten Städte zusammengestellt 109 Einzelhandelsumsatz Einzelhandelsumsatz je Einwohner in Beim Einzelhandelsumsatz unangefochten an der Spitze lag München, das 2019 München, Düsseldorf, Nürnberg und mit 9045 Euro je Einwohner als einzige Großstadt die 9000er-Marke überschritten Stuttgart deutlich über dem Bundes- durchschnitt, … und den Bundesdurchschnitt (6202 Euro je Einwohner) um fast die Hälfte (45,8 %) übertroffen hat. Deutlich über der 8000er-Linie blieben auch die Städte Düsseldorf, Nürnberg und Stuttgart, sie haben das Bundesergebnis noch merklich um jeweils über ein Drittel (37,7 %, 34,2 % und 34,6 %) überboten. Immerhin noch über dem Durchschnitt der Großstädte (7324 Euro je Einwohner) konnten sich Hannover, Hamburg, Köln und Frankfurt am Main behaupten; die Abstände dieser vier Städte zum Bundesdurchschnitt bewegten sich in einer recht engen Bandbreite zwischen 24,9 und 21,2 Prozent. … aber in Leipzig und Duisburg dar- Dagegen hat der Einzelhandelsumsatz je Einwohner der Städte Bremen, Essen, Dort- unter mund, Berlin und Dresden den Bundesdurchschnitt um 13,8 bis 4,3 Prozent hinter sich gelassen. Und Leipzig sowie vor allem Duisburg haben den Bundesdurchschnitt sogar um 3,0 beziehungsweise 9,4 Prozent verfehlt. Wie groß das Gefälle zwischen dem Spitzen- reiter München und dem Schlusslicht Duisburg ist, unterstreicht die sogenannte Spann- weite, die 3424 Euro je Einwohner oder 46,6 Prozent des Bundesdurchschnitts beträgt. Einzelhandelsrelevante Kaufkraft München, Düsseldorf, Frankfurt und Bei der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft zeigen sich 2019 für die Großstädte eben- Stuttgart mit der höchsten einzelhan- falls erhebliche Unterschiede: So weist München mit 9010 Euro je Einwohner einen delsrelevanten Kaufkraft der Groß- städte, … Wert auf, der die gesamtdeutsche einzelhandelsrelevante Kaufkraft (7086 Euro je Einwohner) um über ein Viertel (27,2 %) übertroffen hat; aber auch in den drei Städten Düsseldorf, Frankfurt am Main und Stuttgart überragt die für den Einzel- handel relevante Kaufkraft den Bundesdurchschnitt noch deutlich, nämlich um fast ein Sechstel bis gut ein Zehntel (15,2 %, 11,3 % und 10,4 %). Noch über dem Durchschnitt der Großstädte (7355 Euro je Einwohner) blieben die entsprechen- den Pro-Kopf-Werte in Hamburg, in Köln und in Nürnberg, der Bundesdurchschnitt wurde in diesen Städten um 8,4 Prozent, 6,1 Prozent und 4,0 Prozent übertroffen.
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 Abbildung 1: Einzelhandelsumsatz und einzelhandelsrelevante Kaufkraft je Einwohner in den Großstädten Deutschlands 2019 Abbildung 1: Einzelhandelsumsatz und einzelhandelsrelevante Kaufkraft Euro je Einwohner je Einwohner in den Großstädten 9045 Deutschlands 2019 München 9010 8540 Düsseldorf 8172 8323 Nürnberg 7372 8317 Stuttgart 7900 7743 Hannover 7263 7644 Hamburg 7682 7602 Köln 7517 7514 Frankfurt am Main 7916 7058 Bremen 6847 6882 Essen 7023 6864 Dortmund 6688 6526 Berlin 6786 6466 Einzelhandelsumsatz je Dresden 6669 Einwohner 6015 Leipzig 6454 Einzelhandelsrelevante 5621 Kaufkraft je Einwohner Duisburg 6200 0 2000 4000 6000 8000 10 000 110 Quelle: Michael Bauer Research GmbH Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt … ostdeutsche und Ruhrgebietsstädte Hannover und Essen verfehlten zwar den Großstädtedurchschnitt, übertrafen aber sowie Bremen und Berlin mit niedriger immerhin die 7000er-Marke, und Hannover blieb auch über dem Bundeswert. Leicht einzelhandelsbezogener Kaufkraft unter dem Bundesdurchschnitt bewegten sich die Pro-Kopf-Zahlen außer in Essen (um 0,9 %) auch in Bremen und Berlin, nämlich um 3,4 und 4,2 Prozent, schon deut- licher in den beiden anderen Ruhrgebietsstädten Dortmund und Duisburg sowie in den beiden ostdeutschen Städten Dresden und Leipzig; die bundesdurchschnittliche Kaufkraft wurde von diesen Städten um 5,9 bis 12,5 Prozent unterboten. Immerhin war die Spannweite zwischen den Werten von München und Duisburg bei der ein- zelhandelsrelevanten Kaufkraft mit 2810 Euro je Einwohner oder 40,0 Prozent des Bundesdurchschnitts geringer als beim Einzelhandelsumsatz (46,6 %). Gegenüberstellung beider Einzelhandelsindikatoren Einzelhandelsumsatz im Großstädte- Im Durchschnitt der 15 Großstädte verfehlte 2019 der Pro-Kopf-Umsatz des statio- durchschnitt praktisch gleich hoch wie nären Einzelhandels mit 7324 Euro je Einwohner die dort zur Verfügung stehende, einzelhandelsrelevante Kaufkraft, … umfassender definierte einzelhandelsrelevante Kaufkraft in Höhe von 7355 Euro je Einwohner nur knapp um 0,4 Prozent. Dagegen ist in Deutschland insgesamt der Umsatz mit 6202 Euro je Einwohner um 12,5 Prozent und damit recht deutlich hin- ter der Kaufkraft in Höhe von 7086 Euro je Einwohner zurückgeblieben. … in Stuttgart und weiteren sieben In etwa der Hälfte der Großstädte übertraf der Pro-Kopf-Einzelhandelsumsatz die Städten aber darüber, … einzelhandelsrelevante Pro-Kopf-Kaufkraft, nämlich in den Städten München, Düs- seldorf, Nürnberg, Stuttgart, Hannover, Köln, Bremen und Dortmund; die ersten sechs dieser insgesamt acht Städte zeichneten sich außerdem durch einen beson- ders hohen Pro-Kopf-Einzelhandelsumsatz aus. In Hamburg lagen die Werte der beiden Indikatoren praktisch gleichauf, und in Frankfurt blieb der auf die Einwoh- nerzahl bezogene Einzelhandelsumsatz hinter der dortigen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft zurück.
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 … in Frankfurt und fünf weiteren Der Einzelhandel in fünf Städten mit relativ niedrigen Umsätzen je Einwohner konnte Städten darunter die dort gemessene einzelhandelsrelevante Kaufkraft ebenfalls nicht ausschöpfen; dies betrifft neben den Ruhrgebietsstädten Duisburg und Essen sowie den beiden sächsischen Städten Leipzig und Dresden auch die Bundeshauptstadt Berlin. Die Rangfolge der 15 Städte bei den Pro-Kopf-Umsätzen des Einzelhandels ent- spricht weitgehend der Reihenfolge bei der darauf ausgerichteten Kaufkraft; ledig- lich in Nürnberg, Hannover und Dortmund ist der Rang beim Pro-Kopf-Umsatz um mehr als einen Platz höher als bei der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft, und nur in Frankfurt ist es umgekehrt. Einzelhandelsrelevante und allgemeine Kaufkraft Überblick Großstädte bei einzelhandelsrelevanter 2019 lag in den 15 größten Städten die für den Einzelhandel entscheidende Kauf- Kaufkraft leicht über dem Bundes- kraft mit 7355 Euro je Einwohner über dem entsprechenden Wert für Deutschland durchschnitt, … insgesamt (7086 Euro je Einwohner), nämlich um 3,8 Prozent. … bei allgemeiner Kaufkraft leicht Ein abweichendes Bild ergibt sich bei einer Gegenüberstellung mit dem Verfügbaren darunter Einkommen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen als Indikator der allgemeinen und damit deutlich umfassender definierten Kaufkraft: Bei dieser Größe verfehlten die 15 Großstädte 2017 mit 22 340 Euro je Einwohner den Bundesdurchschnitt in Höhe von 22 623 Euro je Einwohner knapp um 1,3 Prozent. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass nach diesen Daten die Großstädte im Durchschnitt eine etwas geringere allgemeine Kaufkraft, aber eine leicht höhere einzelhandelsbezogene Kaufkraft auf- weisen als Deutschland insgesamt. Dies ist insoweit erstaunlich, als in großen Städten normalerweise ein höherer Anteil des Einkommens für Mieten und Dienstleistungen 111 unterschiedlicher Art ausgegeben wird als in kleineren Städten oder in ländlichen Regi- onen. Eine Erklärung könnte die in Fußnote 4 erwähnte Einbeziehung fiktiver Mieten aus eigengenutztem Wohnraum in die Einkommen der privaten Haushalte nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sein, was außerhalb der Großstädte relativ stärker zu Buche schlagen dürfte. Außerdem gehen niedrigere Einkommen, wie hier an- satzweise in den Großstädten, ganz allgemein mit einer höheren Konsumquote einher. Gegenüberstellung für die einzelnen Großstädte Für die 15 Großstädte gehen die Unterschiede zwischen einzelhandelsrelevanter und allgemeiner Kaufkraft aus Abbildung 2 hervor, in der die Pro-Kopf-Zahlen beider Indi- katoren für die Jahre 2019 beziehungsweise 2017 auf der Basis Bundesdurchschnitt = 100 gegenübergestellt sind. Hieraus lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen: Rangfolge beider Kaufkraftziffern bei Die Rangfolge beider Pro-Kopf-Indikatoren ist für die meisten, nämlich elf Städte den meisten Städten gleich ganz oder ungefähr gleich (maximal ein Platz Unterschied). Größere Verschiebungen lassen sich zum einen für die Stadt Frankfurt feststellen, deren Abstieg von Platz 3 bei der einzelhandelsrelevanten auf Rang 7 bei der allgemeinen Kaufkraft mit dem Aufstieg Nürnbergs von 7 auf 5 korrespondiert, zum anderen für Bremen, das sich insoweit von 10 auf 8 verbessern konnte. Tendenziell bleibt einzelhandelsrele- Bei einer Gegenüberstellung beider Pro-Kopf-Größen – jeweils bezogen auf den vante Kaufkraft hinter allgemeiner Bundesdurchschnitt = 100 – zeigen sich des Weiteren folgende Tendenzen: In Städ- Kaufkraft in einkommensstarken Städ- ten zurück, bei einkommensschwachen ten mit einer hohen Kaufkraft liegt die einzelhandelsrelevante Pro-Kopf-Kaufkraft Städten ist es umgekehrt unter oder nur leicht über der allgemeinen Kaufkraft, gemessen am Verfügbaren Einkommen je Einwohner; in Städten mit einer relativ geringen allgemeinen Pro- Kopf-Kaufkraft wird die so dimensionierte Ziffer dagegen von der für den Einzel- handel relevanten Kaufkraft je Einwohner durchweg übertroffen, und zwar bei abnehmender Kaufkraft in tendenziell steigendem Maße. Erheblich aus dieser Reihe tanzt allerdings die Stadt Frankfurt am Main; des Weiteren fallen die Abweichungen beider Kaufkraftziffern, im genannten Trend des Städterankings betrachtet, für Köln und Hannover etwas zu groß aus.
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 Abbildung 2: Gegenüberstellung der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft 2019 und des Verfügbaren Einkommens der privaten Haushalte 2017 in den Großstädten Deutschlands Abbildung 2: Gegenüberstellung der einzelhandelsrelevanten Kaufkraft Pro-Kopf-Zahlen Deutschland = 100 2019 und des Verfügbaren Einkom- 127,2 München mens der privaten Haushalte 2017 in 128,0 den Großstädten Deutschlands Düsseldorf 115,3 114,1 111,7 Franfurt am Main 97,9 111,5 Stuttgart 113,0 108,4 Hamburg 107,9 106,1 Köln 98,7 104,0 Nürnberg 100,2 102,5 Hannover 92,9 99,1 Essen 89,8 96,6 Bremen 96,9 95,8 Berlin 89,4 94,1 Dresden 86,3 94,1 Einzelhandelsrelevante Dortmund 85,6 Kaufkraft 2019 91,1 Leipzig 81,2 Verfügbares Einkommen 87,5 der privaten Haushalte Duisburg 75,4 je Einwohner 2017 0 20 40 60 80 100 120 140 160 Quelle: Michael Bauer Research GmbH, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen 112 Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt In Ergänzung zu den obigen Feststellungen steht als ökonomische Erklärung da- hinter, dass mit zunehmendem Einkommen ein tendenziell immer größerer Anteil gespart wird, für laufende Ausgaben wie vor allem Mieten aufzubringen ist oder für Dienstleistungen unterschiedlicher Art ausgegeben wird.8 Einzelhandelsbezogene Zentralitätskennziffer Überblick Einzelhandelsbezogene Zentralitäts- Durch Bezug des Einzelhandelsumsatzes auf die einzelhandelsrelevante Kaufkraft kennziffer als Indikator für den Zu- lässt sich die spezifische Kaufkraftbindung einer Stadt ausdrücken; die geeignete oder Abfluss an Kaufkraft Maßzahl ist die bereits erwähnte einzelhandelsbezogene Zentralitätskennziffer, hier stets in der Dimension Deutschland = 100. Bei einem Wert über 100 übersteigen die Kaufkraftzuflüsse die Kaufkraftabflüsse einer Gebietseinheit, bei einem Betrag unter 100 überwiegen die Abflüsse gegenüber den Zuflüssen an Kaufkraft, jeweils in Relation zum Bundesdurchschnitt sowie unter Beachtung der unterschiedlichen Abgrenzungen von stationärem Einzelhandelsumsatz und umfassenderer einzelhan- delsrelevanter Kaufkraft. Netto-Kaufkraftzufluss bei allen Groß- Betrachtet man die Zentralitätskennziffer der 15 größten Städte Deutschlands in städten, … Abbildung 3, so fällt zunächst Folgendes auf: Zwar weisen alle Städte insoweit einen Nettokaufkraftzufluss beim Einzelhandel auf, innerhalb dieser Städtegruppe gibt es jedoch bemerkenswerte Unterschiede. … am höchsten in Nürnberg, Hannover Absoluter Spitzenreiter ist die Stadt Nürnberg mit einer einzelhandelsbezogenen und Stuttgart Zentralitätskennziffer in Höhe von 129,0 Prozent in Relation zum Bundesdurch- schnitt; an zweiter Stelle folgt Hannover mit 121,8 Prozent vor Stuttgart mit 120,3 Prozent und Düsseldorf mit 119,4 Prozent. Während diese vier Städte den Bundes- durchschnitt um knapp 20 Prozent oder mehr übertreffen, gibt es ebenfalls vier Städte mit einer Zentralitätskennziffer von weniger als 110 Prozent bezogen auf
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 den Bundesdurchschnitt, nämlich Duisburg mit 103,6 Prozent, Leipzig mit 106,5 Prozent, Frankfurt am Main mit 108,5 Prozent und Berlin mit 109,9 Prozent. Inner- halb des breiten Mittelfelds mit einer Bandbreite zwischen 110,8 und 119,4 Prozent liegen die Städte Düsseldorf, Bremen, Dortmund, Köln und München über dem Großstädtedurchschnitt von 113,8 Prozent, die Städte Hamburg, Essen und Dresden mehr oder weniger stark darunter. Gegenüberstellung zu anderen Indikatoren Gegenüberstellung der einzelhandels- In Abbildung 3 werden der einzelhandelsbezogenen Zentralitätskennziffer zum Jahr bezogenen Zentralitätskennziffer zu 2019 zwei weitere Kenngrößen gegenübergestellt, die für gesamtwirtschaftliche gesamtwirtschaftlichen Kenngrößen mit regionalpolitischer Relevanz Zusammenhänge mit regionalpolitischer Bedeutung stehen; sie sind den Volks- wirtschaftlichen Gesamtrechnungen für das Jahr 2017 entnommen. Allen drei Kenngrößen ist gemeinsam, dass jeweils eine produktions- beziehungsweise ar- beitsortbezogene Größe (Einzelhandelsumsatz; Pro-Kopf-Arbeitnehmerentgelt; Zahl der Erwerbstätigen) ins Verhältnis zu einer wohnortbezogenen Kennziffer (einzel- handelsrelevante Kaufkraft; allgemeine Pro-Kopf-Kaufkraft; Zahl der Einwohner) gesetzt wird. Eine Interpretation der beiden allgemeinen Indikatoren kann Aufschlüsse für die unterschiedliche Ausprägung der einzelhandelsrelevanten Zentralitätskennziffer in den 15 Großstädten geben: Einzelhandelszentralität und Pendlerverhalten Einpendlerüberschuss erhöht das Nach- Ein hoher Wert der Relation „Erwerbstätige je Einwohner“ signalisiert einen deut- fragepotential des Einzelhandels, … lichen (Ein-)Pendlerüberschuss der betreffenden Stadt. Hieraus ergibt sich ein spe- zifisches Nachfragepotential, weil viele Berufspendler einen Teil ihrer Einkäufe am 113 Arbeitsort tätigen. So gesehen korrespondiert ein Pendlerüberschuss mit der Ein- zelhandelszentralität, wenngleich damit über die Größenordnung der Zusammen- hänge nichts ausgesagt werden kann. … so merklich in Nürnberg, Hannover, Für die vier Städte mit der höchsten Einzelhandelszentralität, also Nürnberg, Hanno- Düsseldorf und Stuttgart, … ver, Stuttgart und Düsseldorf, sind diese Zusammenhänge klar gegeben. Aus Abbil- dung 3 geht deutlich hervor, dass diese vier Städte mit Werten von 144 bis über 161 Prozent bei der Relation „Erwerbstätige je Einwohner“ weit überdurchschnittlich hohe Einpendlersalden aufweisen. Eine entsprechende Parallelität zwischen hoher Einzelhandelszentralität und ausgeprägtem Pendlerüberschuss lässt sich auch für Köln, München und Hamburg erkennen, abgeschwächt auch für Bremen. … weniger ausgeprägt in Leipzig, Umgekehrt sind in vielen Großstädten mit relativ niedriger einzelhandelsbezogener Dresden, Berlin, Essen und vor allem Zentralität auch die Einpendlerüberschüsse gering, so in Leipzig, Dresden, Berlin Duisburg und Essen; in Duisburg als der Stadt mit der geringsten Einzelhandelszentralität liegt sogar ein Auspendlerüberschuss vor. Pendlerverhalten in vielen Städten Aber es gibt auch Städte, bei denen keine entsprechenden Gemeinsamkeiten vorlie- Ausdruck attraktiver Arbeitsplätze be- gen. Insbesondere weist Frankfurt am Main zwar die mit Abstand höchste Relation ziehungsweise geringer Wohnqualität im Vergleich zum Umland von Erwerbstätigen zu Einwohnern auf (176,1 %), entgegen dem Trend ist dort aber die Einzelhandelszentralität mit 108,5 Prozent, bezogen auf den Bundesdurch- schnitt, recht niedrig und liegt deutlich unter dem Großstädtedurchschnitt. In umge- kehrter Weise weicht Dortmund vom Trend ab, wo überdurchschnittliche Werte bei der Einzelhandelszentralität mit niedrigen Einpendlerüberschüssen korrespondieren. Pendlerverhalten und Standortqualität Sonderfall Ruhrgebiet ohne ausgepräg- Ein hoher Betrag der Kennziffer „Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer in Relation tes Zentrum zum Verfügbaren Einkommen je Einwohner“ weist auf eine wichtige Funktion der Stadt als Arbeitsort hin, nicht zuletzt mit Bezug auf ihr regionales Umfeld; ein nied- riger Wert steht dagegen für eine stärkere Attraktivität als Wohnort. Dabei bestehen
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 Abbildung 3: Gegenüberstellung der einzelhandelsrelevanten Zentralitäts- kennziffer 2019 zu demographischen und ökonomischen Relationen 2017 in den Großstädten Deutschlands Abbildung 3: Gegenüberstellung der Verhältniszahlen Deutschland = 100 einzelhandelsrelevanten Zentralitäts- kennziffer 2019 zu demographischen 129,0 Nürnberg 144,0 und ökonomischen Relationen 2017 112,0 in den Großstädten Deutschlands 121,8 Hannover 148,6 117,0 120,3 Stuttgart 155,2 117,1 119,4 Düsseldorf 161,4 112,8 117,8 Bremen 119,3 106,8 117,6 Dortmund 102,2 119,7 115,5 Köln 132,0 119,3 114,7 München 142,4 102,5 113,7 Hamburg 127,7 110,8 112,0 Essen 106,1 118,1 110,8 Dresden 112,5 108,2 109,9 Berlin 101,6 113,6 114 108,5 Frankfurt am Main 176,1 136,1 106,5 Einzelhandelsrelevante Zentralitätskennziffer 2019 Leipzig 108,9 Erwerbstätige je Einwohner 2017 110,7 Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer/ 103,6 Verfügbares Einkommen je Einwohner 2017 Duisburg 85,9 142,1 80 100 120 140 160 180 200 Quelle: Michael Bauer Research GmbH, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder; eigene Berechnungen Landeshauptstadt Stuttgart, Statistisches Amt zweifelsohne auch Zusammenhänge zum Indikator „Erwerbstätige je Einwohner“, also zwischen den Verdienstmöglichkeiten sowie Richtung und Umfang der Pend- lertätigkeit. Für Baden-Württemberg konnte dies jedenfalls gut nachgewiesen wer- den.9 Wie aus Abbildung 3 hervorgeht, korrespondieren hohe Werte der Relation „Arbeit- nehmerentgelt je Arbeitnehmer zu Verfügbares Einkommen je Einwohner“ auch in den Städten Frankfurt, Köln, Hannover und Stuttgart mit dort ebenfalls großen Einpendlerüberschüssen. Die Situation in Dresden und Leipzig liegt insofern auch auf dieser Linie, als dort beide Indikatoren niedrige Werte aufweisen. Einzelhandelsattraktivität und Allerdings gibt es keine durchgehende Parallelität für beide Größen. Das extreme Wirtschaftsstärke im Vergleich Beispiel ist Duisburg, wo das Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer das Verfügbare Einkommen je Einwohner am stärksten unter allen Großstädten übertrifft (Relation: 142,1 %), und dennoch aus dieser Stadt als einziger Großstadt mehr Erwerbstätige aus- als einpendeln (Relation 85,9 %). Dies ist durchaus typisch für eine Stadt im dicht besiedelten Ruhrgebiet ohne eindeutiges Zentrum, denn auch in Essen und Dortmund stehen niedrige Einpendlersalden recht hohen, über dem Großstädte-
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 durchschnitt von 116,3 Prozent liegenden Werten der Relation „Arbeitnehmerent- gelt je Arbeitnehmer zu Verfügbares Einkommen je Einwohner“ gegenüber. Um- gekehrt weisen bei dieser Relation die Städte München, Hamburg, Nürnberg und Düsseldorf unterdurchschnittliche Werte auf, obwohl diese Städte durch beachtliche Einpendlerüberschüsse geprägt sind. Einzelhandelszentralität und Standortqualität Stuttgart gehört zu den wirtschafts- Die spezifische Bedeutung einer Stadt als Einkaufsort lässt sich auch daran erkennen, und einzelhandelsstarken Großstädten wie die Attraktivität des Einzelhandels, ausgedrückt über die einzelhandelsrelevante Zentralitätskennziffer, im Vergleich zur allgemeinen wirtschaftlichen Standortqua- lität steht, gemessen über die Verdienstmöglichkeiten am Arbeitsort (Arbeitneh- merentgelt je Arbeitnehmer) in Relation zur allgemeinen Kaufkraft am Wohnort (Verfügbares Einkommen je Einwohner); übertrifft die einzelhandelsbezogene Ziffer diese umfassendere wirtschaftliche Kenngröße in nennenswertem Umfang, jeweils mit der Dimension Bundeswert = 100, so weist dies auf einen relativ gesehen star- ken Einzelhandelsstandort hin. Abbildung 3 gibt hierzu ebenfalls Auskunft: Danach können Nürnberg, München und Bremen, obwohl zum Teil durchaus auch wirtschaftsstark, als bedeutende Ein- zelhandelsstandorte bezeichnet werden. Vergleichbares trifft auch noch für Han- nover, Stuttgart, Hamburg und Düsseldorf zu, mit Einschränkungen ebenso für Dresden. In allen anderen Städten bleibt, so betrachtet, die Bedeutung als Einzel- handelsstandort hinter derjenigen als Wirtschaftsstandort zurück. Zwischenfazit Die einzelhandelsbezogene Zentralität, die den Kaufkraftzu- oder -abfluss einer 115 Stadt zum Ausdruck bringt und damit für deren Gewicht als Einkaufsstandort steht, kann über das Pendlerverhalten der dort lebenden beziehungsweise arbeitenden Menschen und dessen ökonomische Hintergründe nur teilweise erklärt werden. Möglicherweise sind deshalb die konkreten Gegebenheiten vor Ort von größerer Bewandtnis. Allgemeine Rahmenbedingungen für die Höhe der Einzelhandelszentralität Einzelhandel wird durch infrastruk- Für die Höhe der einzelhandelsbezogenen Zentralität einer großen Stadt sind sehr turelle Gegebenheiten sowie attrak- unterschiedliche Aspekte von Bedeutung. An erster Stelle zu nennen sind die infra- tive Handels- und Freizeitangebote bestimmt, … strukturellen Gegebenheiten wie vor allem überzeugende Angebote des Einzel- handels, attraktive Einkaufsmöglichkeiten, ergänzende Freizeitangebote und gute Verkehrsanbindungen speziell in der Region. Außerdem sind manche Städte be- wusst auf den Einkaufstourismus in- und ausländischer Besucher ausgerichtet. … aber auch durch sozio-ökonomische Darüber hinaus sind verschiedene geografische und sozio-ökonomische Rahmenbe- Rahmenbedingungen und geografische dingungen für die Anziehungskraft eines Einkaufsstandorts und damit die Höhe der Gegebenheiten Zentralitätskennziffer von Relevanz; ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind nach- folgend einige hierfür zentrale Argumente aufgeführt: Mit Blick auf die Kaufkraftbindung des Umlands an die betreffende Stadt spielt die Größe ihres Einzugsgebiets und ihre Stellung im regionalen Umfeld eine wesentliche Rolle, also beispielsweise ob die Stadt alleiniges Zentrum eines be- stimmten Gebiets ist (Monozentralität) oder ob sie sich diese Funktion mit an- deren, vergleichbaren Städten teilt (Polyzentralität). Von Bedeutung ist ferner, ob Wohngebiete am Rand der Stadt administrativ als Vororte zur betreffenden Stadt gehören oder selbstständige Gemeinden bilden; dies ist gerade deshalb von Relevanz, weil in den Rändern einer Stadt in der Regel Haushalte mit besseren Einkommensverhältnissen und damit hoher Kauf- kraft wohnen.
Hauptbeitrag Statistik und Informationsmanagement, Monatsheft 5/2020 berhaupt ein wesentlicher Faktor für den Umfang des Kaufkraftzuflusses ist Ü natürlich die Stärke der Kaufkraft des regionalen Umfelds und damit auch das Einkommensgefälle zwischen Stadt und Umland; im (aus der Sicht einer Stadt) idealen Fall tätigen einkommensstarke Bewohner umliegender Kommunen ihre großen Einkäufe in dieser Stadt. Statistisch gesehen eher dämpfend auf den Wert der Zentralitätskennziffer wirkt, wenn die Stadt selbst eine relativ hohe Kaufkraft auf sich vereint, auch wenn diese in größerem Umfang im Einzelhandel der Stadt umgesetzt wird – wobei dies aus Sicht dieser Stadt natürlich allemal besser ist als ein Kaufkraftabfluss ins Umland. Einzelhandelsumsatzkräftige Großstädte im Verhältnis zu ihrem Umland Inwieweit profitieren die acht Groß- Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, in welchem Ausmaß die acht Groß- städte mit ausgeprägter Ausrichtung städte mit einem besonders hohen Einzelhandelsumsatz je Einwohner (vgl. Abbil- auf den Einzelhandel von ihrem regio- nalen Umland? dung 1) vom Kaufkraftzufluss aus ihrem regionalen Umland profitieren. Zu dieser Betrachtung werden Regierungsbezirke oder Verbände mit explizit regionalplane- rischer Zweckbestimmung herangezogen, die ein relativ überschaubares Gebiet umfassen. Sie sollten außerdem aus Gründen der Datenverfügbarkeit möglichst kreisscharf abgegrenzt sein. Nürnberg Nürnberg: Günstige Rahmenbedingun- Nach den Zahlen von Michael Bauer Research GmbH hat die Stadt Nürnberg 2019 gen für Einzelhandel aufgrund zentraler mit 129,0 Prozent, verglichen mit dem Bundesdurchschnitt = 100, unter allen 15 Stellung im Umland, … Großstädten die höchste einzelhandelsrelevante Zentralitätskennziffer erreicht. Im Jahre 2017 wohnten in dieser größten Stadt Frankens 513 400 Einwohner, im Regie- rungsbezirk Mittelfranken, in dessen Zentrum Nürnberg liegt, waren es 1,755 Mio. 116 Einwohner; der Bevölkerungsanteil Nürnbergs an einem Regierungsbezirk betrug damit 29,3 Prozent. … das einkommens- und damit kauf- In Tabelle 3 sind die in diesem Beitrag verwendeten Eckdaten der Volkswirtschaft- kraftstärker ist als Nürnberg selbst lichen Gesamtrechnungen für Nürnberg und den Regierungsbezirk Mittelfranken zusammengestellt. Danach lag Nürnberg 2017 beim Verfügbaren Einkommen mit 22 663 Euro je Einwohner um 5,9 Prozent unter dem Durchschnitt des Regie- rungsbezirks Mittelfranken; schlechter hat nur die Stadt Ansbach (Abstand 9,6 %) abgeschnitten. Vor allem in den zentrumsnäheren Landkreisen Nürnberger Land, Er- langen-Höchstadt, Fürth und Roth sowie in den kreisfreien Städten Schwabach, Fürth und Erlangen erreichte die so definierte allgemeine Kaufkraft 2017 dagegen teils deutlich höhere Werte und übertraf den Bezirksdurchschnitt um 1,4 bis 9,5 Prozent. Gleichzeitig kommen gute Verdienst- Genauso bemerkenswert ist die starke Diskrepanz zwischen der Kaufkraft und den möglichkeiten in Nürnberg dem Verdienstmöglichkeiten in und um Nürnberg. So erzielten die Arbeitnehmer 2017 Umland zugute in der Stadt Nürnberg mit 46 801 Euro je Arbeitnehmer ein Pro-Kopf-Entgelt, das um 5,3 Prozent über dem Durchschnitt des Regierungsbezirks Mittelfranken lag und nur von der Stadt Erlangen (57 854 Euro je Arbeitnehmer oder 30,2 % über Bezirksdurchschnitt) übertroffen wurde; in allen anderen Stadt- und Landkreisen des Regierungsbezirks Mittelfranken waren die Verdienstmöglichkeiten der dort arbeitenden Menschen zum Teil deutlich geringer als in Nürnberg. Offensichtlich leben also viele, in Nürnberg gut entlohnte Arbeitnehmer nicht in der Stadt selbst, sondern in deren Umland. Es überrascht deshalb nicht, wenn – wie aus Abbildung 3 abzulesen ist – das Verhält- nis „Arbeitnehmerentgelt je Arbeitnehmer bezogen auf das Verfügbare Einkommen je Einwohner“ 2017 in Nürnberg um 12,0 Prozent über dem Bundesdurchschnitt lag. Auch die Intensität der beruflichen Pendlertätigkeit ist in Nürnberg besonders stark ausgeprägt – bei der Relation „Zahl der Erwerbstätigen zu Zahl der Einwoh- ner“ hat Nürnberg 2017 den Bundesdurchschnitt um 44,0 Prozent überboten und ebenso den Durchschnittswert der Großstädte (124,5 % bei Deutschland = 100 %) deutlich hinter sich gelassen.
Sie können auch lesen