TAN RAMA - Ein Bild in vielen Farben: Integrierte Sozialplanung und kommunales Bildungsmanagement

 
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TAN RAMA - Ein Bild in vielen Farben: Integrierte Sozialplanung und kommunales Bildungsmanagement
TAN RAMA
Das Magazin der Transferagentur Nord-Ost 1 | 2020

                              Ein Bild in vielen Farben:
                         Integrierte Sozialplanung und
                     kommunales Bildungsmanagement
TAN RAMA - Ein Bild in vielen Farben: Integrierte Sozialplanung und kommunales Bildungsmanagement
Editorial
                Wer an der Stellschraube „Bildung“ in der Gesellschaft drehen und
                Chancengerechtigkeit schaffen will, kommt nicht umhin, die Schnitt-
                mengen zu anderen gesellschaftlichen Faktoren wie sozialräumlichen
                Entwicklungen, sozialer Infrastruktur, individuellen Lebenslagen sowie
                gesundheitlicher Versorgung zu berücksichtigen: Es braucht eine fach-
                bereichsübergreifende, integrierte strategische Planung. Und das vor
                allem in Landkreisen und kreisfreien Städten, die – neben Bund und
                Ländern – u.a. als Trägerinnen von Kindergärten, Schulen und Jugend-
                hilfeeinrichtungen in erheblichem Maße für das regionale Bildungs-
                angebot Verantwortung tragen und z.B. durch Museen und Theater
                umfassende lebensortnahe kulturelle und non-formale Bildungser-
                fahrungen vermitteln.

                Diese aktuelle Ausgabe unseres Magazins „TANORAMA“ widmet sich
                daher fachübergreifenden Ansätzen der kommunalen Bildungspla-
                nung von ihrer theoretischen und vor allem auch praktischen Seite.
                Hierfür konnten wir – für Sie hoffentlich spannende – Expertinnen und
                Experten aus Forschung und Kommunen gewinnen, die Ihnen die
                Grundlagen einer fachbereichsübergreifenden Planung näherbringen
                und aus ihrem Arbeitsalltag in den Kommunen berichten. Und davon,
                wie durch die Integration verschiedener Fachbereiche neue Chancen
                zur Vernetzung und zum Austausch der kommunalen Akteure und
                zum Aufbau effektiver Angebots- und Versorgungsstrukturen vor Ort
                entstehen bzw. bereits entstanden sind.

                Sprechen Sie uns bei Fragen und Anregungen gerne an.
                Darauf freut sich

                Maja Hornberger
                Leiterin Transferagentur Nord-Ost

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TAN RAMA - Ein Bild in vielen Farben: Integrierte Sozialplanung und kommunales Bildungsmanagement
TANORAMA 1 | 2020

Inhalt

                    04	Integrierte Sozialplanung als Voraussetzung für
                        Bildungsgerechtigkeit

                    07	Produktive (Un-)Ordnung: Soziale Räume in der
                        kommunalen Planung

                    08	Integrierte Sozialplanung als Herausforderung in und
                        zwischen Kreisen, Städten und Gemeinden

                    12	Interkommunale Zusammenarbeit in der
                        Sozialplanung am Beispiel der Landeshauptstadt
                        Schwerin und des Landkreises Ludwigslust-Parchim

                    14	„Fachübergreifende Planung braucht vor allem
                        Kommunikation“

                    18	Automatisierte Analysen der Integrierten
                        Sozialplanung für kommunale Quartiersentwicklung

                    20 BOARD als Werkzeug der Integrierten Sozialplanung

                    21	Für zwischendurch: Suchrätsel zum datenbasierten
                        kommunalen Bildungsmanagement

                    22	Blick in die Praxis - Berufsbilder im DKBM:
                        Jugendhilfe- und Sozialplaner/-innen

                    24	Datenbasiertes Arbeiten in der Landeshauptstadt
                        Schwerin

                    26 Integrierte Sozialplanung im Kreis Segeberg

                    28	Schneller, schlauer, digitaler: Business Intelligence
                        Flensburg geht in die nächste Phase

                    30 Literaturtipps

                    31	Impressum

                                                                          TANORAMA | 3
TAN RAMA - Ein Bild in vielen Farben: Integrierte Sozialplanung und kommunales Bildungsmanagement
INTEGRIERTE SOZIALPLANUNG
ALS VORAUSSETZUNG FÜR
BILDUNGSGERECHTIGKEIT
VON PROF. DR. JÖRG FISCHER

Einleitung                                      sehr unterschiedlich sein kann. So nähert       Eine Wahrnehmung aus der Praxis
Bildungsgerechtigkeit ist kein ausschließlich   sich zum Beispiel der philosophische Zugang     Es ist eine immer wiederkehrende Situation:
statischer Zustand, sondern vielmehr als ein    normativ der Frage an, was vom moralischen      Die bundesweit angelegten Studien zu unter-
Prozess zu begreifen, in dem fortwährend        Standpunkt aus gerecht sein könnte und was      schiedlichen Lebensbedingungen und Bil-
Fragen der Bildungszugänge, der Bildungs-       demnach Gerechtigkeit erfordern würde. Da-      dungschancen malen ein homogenes Bild.
bedingungen, Bildungsabschlüsse und da-         gegen präferiert der empirische Ansatz eher     Trotz aller Fortschritte gibt es in Deutschland
mit Bildungschancen generell so beantwortet     die Frage, was in einer Gesellschaft tatsäch-   manifeste Formen von sozialer Ungleichheit –
werden sollen, dass sie den demokratischen      lich als gerecht erlebt wird, welche Gerech-    gerade auch im Bildungsbereich. Die meisten
und sozialstaatlichen Grundprinzipien unse-     tigkeitsvorstellungen die Menschen beein-       Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
rer Gesellschaft entsprechen. Unter dem Be-     flussen und wie sich diese auf ihr Verhalten    sehen sich bei der Präsentation neuer Er-
griff der Bildungsgerechtigkeit können nach     auswirken.                                      kenntnisse in ihren bereits vorliegenden Be-
Bourdieu (1992) mit der Chancengerechtig-                                                       funden bestärkt. Die Fachkräfte fühlen sich
keit, Chancengleichheit und Teilhabegleich-     An dieser Stelle kann die notwendige Diskus-    zum Weiterhandeln ermutigt und die Politik
heit mindestens drei gängige Auslegungen        sion um Bildungsgerechtigkeit nicht geführt     nimmt viele Ideen auf, um Bildungsunge-
von Gerechtigkeit subsumiert werden, die in     werden. Doch lassen sich mit Blick auf das      rechtigkeiten abzubauen. Gleichwohl ändert
Fragen der Bildung gleichzeitig Verwendung      Beitragsthema wichtige Ableitungen treffen,     sich in der Realität nur wenig; die Unterschie-
finden. Im konkreten Fall bedarf es jeweils     die für die Planung von Bildung von höchster    de in den Bildungschancen bleiben hartnä-
einer Begründung, warum gerade diese spe-       Bedeutung sind. Denn ohne Planung ist Bil-      ckig bestehen. Nach wie vor zeigen sich auch
zifische Auslegung von Gerechtigkeit zur An-    dungsgerechtigkeit nicht denkbar und kann       Widerstände und eigeninteressenbezogene
wendung kommt – und nicht etwa ein an-          demnach auch nicht erreicht werden. Was         Befindlichkeiten. Erfolge stellen sich nur in
deres weitergehendes oder kürzer gefasstes      aber macht Planung zu einem unverzicht-         Minimalgeschwindigkeit ein. Der beträcht-
Gerechtigkeitsverständnis.                      baren Bestandteil, ja zu einer Bedingung im     liche Aufwand und die geringen faktischen
                                                Streben nach Bildungsgerechtigkeit? Auf die-    Veränderungen auf Bundesebene und im
Hinzu kommt, dass die Herangehensweise          se Frage soll nachfolgend knapp eingegangen     Austausch mit den Bundesländern lassen
zur Bestimmung von Bildungsgerechtigkeit        werden.                                         selbst Wohlmeinende unbefriedigt zurück.

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Eine andere Beobachtung: Wenn Sozialraum-              stark aufgeladene und kontroverse Feld der       oder wenn ein eigener Handlungsauftrag und
analysen und Strategien zur Armutspräventi-            Bildung ist dafür ein Paradebeispiel.            Gestaltungsspielraum negiert wird.
on auf der lokalen Ebene von Stadtteilen, Ge-      »   Mittels kommunaler Planung lassen sich
meinden und Sozialräumen in kommunalen                 stärkere lokale Bezüge bei häufig abstrakt       Sozialplanung als Schlüssel zur Bildungsge-
Ausschüssen vorgestellt werden, macht sich             diskutierten Themen wie der Bildungsfrage        rechtigkeit
regelmäßig eine große Betroffenheit breit,             herausarbeiten und somit auch eine indivi-       Der Ansatzpunkt von Sozialplanung liegt
etwa wenn die völlig unterschiedlichen Rück-           duelle Betroffenheit herstellen, die für poli-   in der Verwirklichung der kommunalen Da-
stellungsquoten beim Übergang in die Schule            tische Willensbildungsprozesse notwendig         seinsvorsorge und begründet sich mit dem
oder die Gymnasialquote in benachbarten                ist.                                             Anspruch, empirische Wissensbestände zum
sozialen Räumen thematisiert werden. Es            »   Planung beeinflusst diese Willensbil-            Ausgangspunkt fachlichen und politischen
geht dann um die eigenen Kinder, das Pro-              dungsprozesse im Gegensatz zu öffentli-          Handelns zu machen. Gerade im Bereich der
blem ist unmittelbar greifbar, die Auswirkun-          chen Kampagnen einzelner Akteursgrup-            Bildungspolitik stoßen sehr viele Perspekti-
gen auf den eigenen Sozialraum sind spürbar            pen nicht mit dem Ziel, eigene Interessen        ven mit konträren Absichten aufeinander, die
und die Verbindungen zu anderen Themen                 durchzusetzen. Vielmehr ist sie dem Ge-          einer sachlichen Herangehensweise bedürfen
offensichtlich.                                        meinwohl verpflichtet und an eigene Qua-         und nicht abhängig sein sollten von den lau-
                                                       litätsstandards und fachliche Prinzipien         testen Minderheitenpositionen, klassischem
Dies ist der Punkt, an dem Sozialplanung sei-          gebunden.                                        Eigennutz, milieubedingten Befürchtungen
ne Legitimation erfährt und Entscheidungs-         »   Integrierte Planung schwächt nicht – wie         und ideologischen Widerständen. Sozialpla-
tragenden klar wird, dass es im Streben nach           häufig angenommen – die Fachplanung              nung kann und sollte dazu beitragen, Zugän-
Bildungsgerechtigkeit einer langfristigen, stra-       etwa in der Jugendhilfe, sondern stärkt die-     ge zu Bildung zu erleichtern und Bildungsge-
tegischen, strukturell verankerten, kompetent          se. Nur durch das Zusammentragen und             rechtigkeit zu befördern. Mittels transparenter
agierenden und gut ausgestatteten Planung              Zusammendenken von Befunden der ein-             und fundierter Methoden werden dabei Wis-
bedarf, die in einer übergreifenden Sozialpla-         zelnen Fachplanungen kann eine integrier-        sensbestände geschaffen, die in einem fach-
nung zusammengefasst wird. Daraus folgt,               te Sozialplanung wirken. Gleichzeitig birgt      lichen und politischen Aushandlungsprozess
dass nicht die allgemeine Erkenntnis, son-             der integrierte Ansatz die Möglichkeit, syn-     münden können.
dern die fachlich fundierte Verbindung von             ergetisch einen Basissatz an Datenbestän-
Wissensbeständen mit dem lokalen Lebens-               den in abgestimmter Form zu erheben, der         Es wurde bereits angesprochen, dass So-
umfeld, dem eigenen Erfahrungszusammen-                ansonsten von den Fachplanungen jeweils          zialplanung dabei – im Gegensatz zu den
hang und den aktuellen Herausforderungen               einzeln erhoben werden müsste.                   meisten anderen Akteuren – den politischen
vor Ort Betroffenheit erzeugt. Daraus entste-      »   Integrierte Planung schafft also von der         Willensbildungsprozess mit fachlicher Exper-
hen Räume für öffentliche Debatten, an die             Zielentwicklung über die Bedarfsanalyse          tise zu begleiten versucht und dabei auch an
sich die Suche und Umsetzung von geeigne-              und Angebots(fort)entwicklung bis hin zur        fachliche Standards gebunden ist. Nur durch
ten Lösungen anschließen kann. Genau das               Evaluation eine gemeinsame Wahrneh-              hohe Fachlichkeit und ein transparentes Vor-
ist der Ansatz für Sozialplanung und genau             mung der beteiligten Akteure. Diese erhöht       gehen kann sich Sozialplanung die notwendi-
darin liegt der Auftrag für ein möglichst integ-       den Stellenwert von Planung allgemein,           ge Akzeptanz und damit Legitimität verschaf-
ratives Vorgehen begründet.                            vermag eher auf die Belange von Politik          fen. Fürst (1995) hat diese Aufgaben in einer
                                                       einzugehen und befördert das eingangs            Funktionszuweisung schlüssig formuliert.
Ableitungen für ein Verständnis von (integ-            erwähnte Zusammendenken von Gefühls-             Aus seiner Sicht obliegt die Sozialplanung auf
rierter) Sozialplanung                                 lagen und empirischen Wissensbeständen.          kommunaler Ebene folgenden Funktionen:
Aus dem Beispiel lassen sich folgende Ab-
leitungen für eine integrative Sozialplanung       Bei aller Sinnhaftigkeit sozialplanerischen          » Frühwarnfunktion: Planung will rechtzei-
herauslesen:                                       und integrativ-sozialplanerischen Denkens:             tig auf Probleme Einfluss nehmen, indem
                                                   Oftmals geschieht es, dass Daten zuständig-            sie auf Basis der ihr zur Verfügung stehen-
» Angesichts ganzheitlich auftretender Be-         keitsübergreifend zusammengelegt werden                den Informationen bestehende Probleme
  darfe ist analog dazu eine systemisch ver-       und die Befunde in der Wucht ihrer Aussage-            wahrnimmt, definiert und dann versucht,
  schränkte Planung notwendig. Diese ver-          kraft überraschen. Wenn es dann gelingt, die           einen möglichen Problemlösungsraum
  mag über Zuständigkeiten hinaus Bedarfe          Befunde nicht in der Schublade zu verges-              vorzustrukturieren.
  und Angebote zusammenzufassen, um die            sen, sondern diese zum Anlass zu nehmen,             » Orientierungsfunktion: Planung verlängert
  operative Verinselung (vgl. Schubert 2008,       um themenspezifisch und fachübergreifend               die Zeitachse des Handelns in der Zukunft.
  S. 21) zu überwinden.                            die Ursachen und Auswirkungen zu deu-                » Koordinationsfunktion: Planung will Kon-
» Planung umfasst den zirkulär verlaufenden        ten, ist der erste Schritt getan. Wenn daraus          flikte frühzeitig ausräumen, indem sie
  Prozess von der Definition des Planungs-         anschließend noch gemeinsame fachliche                 sachliche Interdependenzen und deren in-
  ziels über die räumliche Analyse, die Er-        Handlungsschritte abgeleitet und in politi-            teressenabhängige Bewertung aufzeigt.
  stellung von Programmen, Produkten und           sche Entscheidungsprozesse überführt wer-            » Moderationsfunktion: Planung will Vertei-
  Prozessen bis hin zur Evaluation und Be-         den, ist es möglich, mehr Bildungsgerechtig-           lungs- und Interessenkonflikte zwischen
  wertung (vgl. Böhmer 2015).                      keit zu erreichen. Sozialplanung ist somit kein        Beteiligten und Betroffenen entschärfen
» Planung kann Gefühlslagen und Themen             technischer Vorgang, sondern mit bestimm-              und diese zur Gestaltung gemeinwohl-
  mit einem hohen Ideologisierungsgrad             ten Werten verbunden. Genau diese Werte                orientierter, kooperativer Lernprozesse er-
  oder hoher Emotionalität versachlichen, in-      müssen verteidigt werden, wenn bestimmte               mutigen (Fürst 1995, S. 709).
  dem eine Debatte auf der Basis empirischer       Themen etwa in der Verteilung knapper Res-
  Wissensbestände geführt wird. Ein solches        sourcen oder aufgrund lautstarker Partikular-        Genau mit diesem Funktionsverständnis
  Vorgehen kann auch zu einer höheren Lö-          interessen im Interesse des Gemeinwohls ge-          kann Sozialplanung Bildungsgerechtigkeit
  sungsfähigkeit beitragen. Das emotional          rade nicht öffentlich diskutiert werden sollen       ermöglichen und in diesem Prozess selbst-

                                                                                                                                     TANORAMA | 5
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bewusst eine eigene Rolle einnehmen. Das          Die große Aufgabe für eine Sozialplanung im
                                                                                                     Literatur
konkretisierende, strategische, methodenge-       Rahmen der Public Governance liegt nun-
                                                                                                     Böhmer, A. (2015): Konzepte der Sozial-
leitete und klar am Gemeinwohl ausgerich-         mehr darin, den spezifischen Auftrag im Rah-
                                                                                                     planung. Wiesbaden: Springer VS.
tete Vorgehen, die fachliche Untersetzung         men dieser Verortung zu finden, zu definie-
und die Fokussierung auf den Prozess sind         ren und fortzuentwickeln. Dies beinhaltet für      Bourdieu, P. (1992): Die verborgenen
wichtige Besonderheiten. In manchen beob-         Planung eine ansteigende Steuerungs- und           Mechanismen der Macht. Hamburg.
achteten kommunalen Diskussionen um Bil-          Koordinierungsfunktion im Umgang mit den
                                                                                                     Fürst, D. (1995): Planung. In: ARL, S.
dung sind es sogar Alleinstellungsmerkmale,       gesellschaftlichen Akteuren, indem Externe
                                                                                                     708-711.
mit denen sich Sozialplanung konstruktiv          methodisch gut untersetzt eingebunden wer-
und wohltuend vom Agieren anderer Akteure         den und gleichzeitig die eigene fachliche und      Lange, S./Schimank, U. (2004): Gover-
unterscheidet.                                    strukturelle Identität und Expertise sicherge-     nance und gesellschaftliche Integration.
                                                  stellt wird. Demnach bedeutet eine Planung         In: Lange, S./Schimank, U. (Hrsg.):
Sozialplanung in der Entwicklung zur Public       unter Ansprüchen der Governance die Ko-            Governance und gesellschaftliche Integ-
Governance                                        ordination und hierarchische Steuerung im          ration. Wiesbaden: Springer, S. 9-46.
Integrierte Sozialplanung entspringt einer        Sinne einer Interdependenzbewältigung, also        Schubert, H. (2008): Netzwerkkoopera-
Verwaltungslogik, die sich als Teil der Gesell-   im Wissen der gegenseitigen Abhängigkeit           tion – Organisationen und Koordination
schaft versteht – und sich weniger aus sich       der Akteure Gleichzeitig beruht sie auf insti-     von professionellen Vernetzungen. In:
heraus mit hoher Selbstfokussierung betrach-      tutionalisierten Regelsystemen, die das Han-       ders. (Hrsg.): Netzwerkmanagement.
tet. Im Rahmen des vormals dominierenden          deln der involvierten Akteure lenken. Dabei        Koordination von professionellen Ver-
Public Managements lag der Fokus auf einer        können üblicherweise verschiedene Regel-           netzungen – Grundlagen und Praxis-
Optimierung des Verwaltungshandelns im            systeme (Hierarchie, Polyarchie, Netzwerk,         beispiele. Wiesbaden: VS Verlag für
Rahmen wirtschaftlicher Dimensionen und           Gemeinschaft, Markt und weitere Formen der         Sozialwissenschaften, S. 7-105.
damit war der Blickwinkel auf sich selbst vor-    Beobachtung, Beeinflussung oder Verhand-           Schubert, H. (2018): Netzwerkmanage-
herrschend. Inzwischen ist eine Öffnung nach      lung) kombiniert werden. Dieser Ansatz birgt       ment in Kommune und Sozialwirtschaft.
außen, eine Hinwendung zur gesellschaftli-        somit Chancen und ist zugleich mit Heraus-         Eine Einführung. Wiesbaden: Springer
chen Umwelt feststellbar. Die Logik des Pu-       forderungen verbunden, wenn er erfolgreich         VS.
blic Managements mit einem Menschenbild           umgesetzt werden soll.
des rational, egoistisch und autonom han-
delnden Homo Oeconomicus befindet sich            Gelingende integrierte Sozialplanung als Teil    Zugang zu begreifen und die Vorteile integ-
in einer schleichenden Ablösung durch eine        von Bürgerorientierung                           rierter Sozialplanung zu nutzen. Dabei wird
Governancelogik mit einem stärkeren Blick         Innerhalb des kommunalen Handelns sind           nicht nur innerhalb von professioneller Ver-
auf das Individuum, dessen Entscheidungen         mannigfaltige Überlegungen und Strategien        waltung und lokaler Politik nach Lösungen
von seiner sozialen Einbettung abhängig sind      zur Weiterentwicklung des Planungsgedan-         gesucht, sondern die gesellschaftlichen Res-
(Schubert 2018, S. 11). Damit ist kein Aus-       kens vorhanden. Die Modernisierungsbemü-         sourcen – das Engagement der Bürgerinnen
schließlichkeitsanspruch verbunden, sondern       hungen sind in der Regel von der Einsicht        und Bürger – werden vernetzt eingebunden.
vielmehr eine Tendenz in der Blickrichtung        geprägt, dass eine Veränderung der Pla-
enthalten, die aber dennoch das Selbstver-        nungspraxis nicht nur eine Fortentwicklung       Die zentrale Herausforderung besteht darin,
ständnis von Verwaltung im Kern berührt.          von technischen Verfahren darstellt und sich     die Fähigkeit auszubilden, lokale Erfolgsfak-
                                                  auch nicht darin erschöpft, in der kommu-        toren zu identifizieren, örtlich gebundenes
Sozialplanung und gerade eine integrierte So-     nalen Verwaltung einzelne neue Instrumente       Wissen und spezifische Erfahrungen in die
zialplanung sind davon unmittelbar betroffen      einzuführen. Vielmehr zeigen sich im ange-       eigene Kommune zu transferieren sowie den
und werden in den Kommunen häufig zu              wandten integrativen und strategischen Pla-      jeweiligen kulturellen Kontext bei der Einbin-
einem Motor im Übergang zu einem anderen          nungshandeln Konsequenzen für das Wirken         dung von Bürgerinnen und Bürgern zu be-
Selbstverständnis von Verwaltung. Gover-          von Verwaltung und Politik, es wird aber auch    rücksichtigen und ein räumlich angepasstes
nance umfasst in diesem Verständnis hete-         generell ein anderes Verhältnis zu den Bürge-    Verständnis von Bildungsgerechtigkeit zu
rogene gesellschaftliche Koordinations- und       rinnen und Bürgern sichtbar. Allerdings kann     entwickeln. Eine integrierte Sozialplanung
Steuerungskonstellationen und verweist zu-        nicht vorausgesetzt werden, dass diese Kon-      kann hierbei ein wirksames Instrument zur
nächst ganz allgemein auf Muster der Inter-       sequenzen flächendeckend Teil eines umfas-       umfassenden Modernisierung kommunalen
dependenzbewältigung zwischen Akteuren            senden, a priori ganzheitlichen konzeptionel-    Handelns darstellen und dabei helfen, neue
(Lange/Schimank 2004, S. 18). Das Wissen          len Handelns darstellen und in ihrer Wirkung     Wege im Streben nach Bildungsgerechtigkeit
um die gegenseitige Abhängigkeit in der Er-       von vornherein intendiert sind.                  zu gehen.
reichung eigener Ziele und die Nutzung ver-
schiedener Handlungsrelationen jenseits des       Dennoch lassen sich viele Kommunen an-
hierarchischen Bestimmens ist demzufolge          gesichts nicht zu übersehender Verände-
für Planung im Rahmen von Governance ent-         rungsbedarfe in der Wahrnehmung und Be-
scheidend. Der Schwerpunkt von Governance         arbeitung von kommunalen Aufgaben wie
als neuer Steuerungslogik beruht daher vor        der Bildungspolitik bewusst auf eine Verän-
allem auf Prozessen der Abstimmung und            derung ein, die nicht nur operativ angelegt      Prof. Dr. Jörg Fischer ist Professor für
Koordination verschiedener Akteure sowie der      ist, sondern eine strategische Tiefe umfasst.    Bildungs- und Erziehungskonzepte an der
Einsicht, dass öffentliche Verwaltung ihre Zie-   In einem evolutionären Prozess gelingt es        Fakultät für Angewandte Sozialwissen-
le nur erreichen kann, wenn sie ihr Handeln in    diesen Kommunen, bei der Suche nach Ant-         schaften der Fachhochschule Erfurt und
den gesellschaftlichen Kontext einbettet und      worten zur Sicherstellung der kommunalen         Leiter des dortigen Instituts für kommunale
mit gesellschaftlichen Ressourcen verknüpft.      Daseinsvorsorge Planung als einen zentralen      Planung und Entwicklung (IKPE).

6 | TANORAMA
TAN RAMA - Ein Bild in vielen Farben: Integrierte Sozialplanung und kommunales Bildungsmanagement
PRODUKTIVE (UN-)ORDNUNG: SOZIALE
RÄUME IN DER KOMMUNALEN PLANUNG
VON ROBERT RÖMER, M.A.

Als der Autor mit Freude zusagte, einen          es sich im Blick auf den kommunalen Raum          Literatur
kurzen Beitrag über den Begriff des „Sozial-     um etwas sozial Hergestelltes und nicht etwa
                                                                                                   Bengesser, Andreas (2019): Sozial-
raums“ zu verfassen, wähnte er sich noch         um etwas natürlich Gegebenes zu handeln           monitoring – ein steuerungsrelevantes
in dem Glauben, dass es ein nervenscho-          scheint (Schroer 2019).                           Instrument als Basis für die SRO-Pla-
nendes Unterfangen werden würde. Wenig                                                             nung. In: Fürst, Roland/Hinte, Wolfgang
später fand er sich inmitten einer seit vielen   Hinzu kommt: unabhängig von den adminis-          (Hrsg): Sozialraumorientierung. Ein
Jahren andauernden, auf unzähligen „histo-       trativen, historisch gewachsenen, geografi-       Studienbuch zu fachlichen, institutio-
rischen“ und aktuellen Artikeln, Monografien     schen Raumgrenzen, finden vor Ort (soziale)       nellen und finanziellen Aspekten. Wien:
und Handbüchern fußenden Fachdebatte             Interaktionen zwischen Menschen statt. Die-       Facultas.
wieder, deren Ende bis zum heutigen Tage         se Interaktionen bringen, ebenso wie raum-        Einstein, Albert (1960): Vorwort von
noch nicht abzusehen ist. Spätestens seit Al-    bezogene Aneignungsprozesse durch die Be-         Albert Einstein. In: Jammer, Max: Das
bert Einstein ringen Physiker, Mathematiker,     völkerung, eigene Grenzziehungen und damit        Problem des Raumes. Die Entwicklung
Soziologen, Stadtplaner, Ökonomen, Sozial-       weitere soziale Räume hervor. Sie verleihen       der Raumtheorien. Darmstadt: Wissen-
pädagogen und Gesundheitswissenschaftler         aus Perspektive der Kommunalverwaltung            schaftliche Buchgesellschaft.
(und wahrscheinlich noch zahlreiche weitere      den administrativ definierten Räumen ihr
                                                                                                   Schroer, Markus (2019): Räume der
Angehörige akademischer und fachprakti-          „typisches Gesicht“.
                                                                                                   Gesellschaft. Soziologische Studien.
scher Disziplinen jedweder Couleur) um die                                                         Wiesbaden: Springer VS.
terminologische Deutungshoheit des Raum-         Nicht selten ist die Beschreibung kommuna-
begriffs. Obwohl sich die Positionen bis-        ler Sozialräume daher einerseits stark an die
weilen diametral gegenüberstehen, ist die        in ihnen befindlichen strukturellen Elemen-     rausforderungen: Raumgrenzen müssen
Debatte im Kern auf eine wesentliche Kon-        te gekoppelt: Stehen ausreichend nutzbare       Fachbereichs- und Ämterübergreifend abge-
troverse zurückzuführen: „Ist der Raum Be-       Schulgebäude für Grund- und Regelschulen        stimmt werden, Daten müssen in einer ho-
hälter aller körperlichen Objekte, oder ist er   zur Verfügung? Sind die Kapazitäten in der      hen Qualität vorliegen und entsprechend der
die Lagerungsqualität der körperlichen Ob-       Kindertagesbetreuung hinreichend bemes-         Raumgrenzen erhoben worden sein. Kurzum:
jekte?“ (Einstein 1960) Im ersten Falle im-      sen? Ermöglicht die bauliche Struktur ein       hier sollen mehrdimensionale gesellschaft-
pliziert die Vorstellung des Raumes eine den     barrierefreies Fortkommen im Alltag? Ist die    liche Prozesse räumlich abgebildet werden,
in ihm befindlichen Dingen übergeordnete,        Anbindung an den ÖPNV gewährleistet?            die sich üblicherweise einer direkten Mes-
(vor)strukturierte Realität. Im zweiten Falle    Stehen genügend Versorgungsmöglichkeiten        sung entziehen. Es bedarf daher der Konst-
ist ein Raum ohne seine spezifischen Inhalte     und Erholungsflächen bereit? Andererseits       ruktion von Indikatoren und eines generellen
gar nicht zu denken. Was zunächst wie eine       besteht weitgehend Einigkeit darin, dass (so-   Konsenses, mithilfe welcher Daten soziale
wissenschaftlich-abstrakte      Formulierung     zialräumliche) Lebenslagen der Bevölkerung      Lagen räumlich abgebildet werden sollen
des „Henne-Ei-Problems“ klingt, ist in der       anhand von Daten zu Alter, Geschlecht, Fa-      (Bengesser 2019, 50). Mehr noch: Es bedarf
Praxis der integriert angelegten, kommuna-       milienzusammensetzung, Einkommen, Bil-          einer gezielten Erhebung von Daten jenseits
len (Sozial-)Planung folgenreich.                dungsstand sowie nationaler Zugehörigkeit       pragmatischer (zufälliger) Verfügbarkeit. Die-
                                                 zwar nicht abschließend bestimmt, jedoch        se Herausforderung kann und sollte dazu
Die Wahl einer den Planungszwecken ange-         zumindest treffend charakterisiert werden       genutzt werden, in einen gemeinsamen, pro-
messenen, raumbezogenen Beobachtungs-            können. Kommunale Planung greift bei der        duktiven Austausch mit kommunalen Fach-
perspektive kann einiges an Kopfzerbrechen       Raumbestimmung somit auf beide Raum-            akteuren unterschiedlicher Disziplinen und
bereiten. Allein die statistische Unterschei-    vorstellungen zurück. Einerseits werden         Verwaltungsstrukturen zu treten. Eine Ver-
dung kommunaler Räume sorgt im Alltag der        Räume anhand von Objekten aus ihrer phy-        ständigung über Raumvorstellungen kann
Verwaltung für Unordnung: Schuleinzugs-          sisch-materiellen Umwelt geografisch lokali-    letztlich auch dabei helfen, Raumgrenzen
bezirke, Planungsräume der Jugendhilfe,          siert (z.B. entlang von Straßenzügen, Plätzen   innerhalb der Verwaltung zu verschieben und
Stadtteile in der Quartiersentwicklung – sel-    und/oder Gemeindegrenzen), anderseits           den „administrativen Blick“ zu schärfen.
ten liegen diese geografisch betrachtet auf-     wird versucht, unter Zuhilfenahme von In-
einander. Gemeinsam ist ihnen oftmals nur,       dikatoren die soziale Lage der Bevölkerung
dass sie, wie alle Räume, das Ergebnis einer     innerhalb dieser Raumgrenzen zu umreißen
Grenzziehung sind und diese Konstruktionen       und Grenzen auf Basis charakteristischer        Robert Römer ist wissenschaftlicher Mit-
bisweilen mehr über die Gruppe derjenigen        Unterschiede zu definieren.                     arbeiter an der Fachhochschule in Erfurt
aussagen, die sie vornehmen, als über die                                                        und Mitgründer von SOFOKLES. Er berät
Bevölkerung, welche sich in diesen geogra-       Im Blick auf die Beschreibung sozialer Räu-     kommunale Akteure aus dem Bildungs- und
fisch definierten Räumen überwiegend auf-        me in der kommunalen Planungspraxis             Sozialbereich zu Themen der Netzwerkarbeit
hält. Daran lässt sich bereits ablesen, dass     ergibt sich daraus eine ganze Reihe an He-      und (Sozial-)Planung: www.sofokles.org

                                                                                                                             TANORAMA | 7
TAN RAMA - Ein Bild in vielen Farben: Integrierte Sozialplanung und kommunales Bildungsmanagement
INTEGRIERTE SOZIALPLANUNG
ALS HERAUSFORDERUNG IN UND
ZWISCHEN KREISEN, STÄDTEN UND
GEMEINDEN
VON PROF. DR. HOLGER WUNDERLICH

Unsere Gesellschaft wird immer komplexer         nung auf und soll dazu beitragen, das sozial-                 Im Folgenden werden drei Ebenen von So-
und dynamischer. Die damit verbundenen           planerische Rollenverständnis zu reflektieren                 zialplanung unterschieden (vgl. Wunderlich
Veränderungen zeigen sich trotz Globali-         und sich der eigenen Stärke(n) bewusst zu                     2019):
sierung und Digitalisierung zu einem großen      werden. Aus einer wirkungsorientierten Pers-
Teil im direkten Wohnumfeld oder zumin-          pektive gilt es auch den Blick auf interkom-                  1. Handlungsfeldorientierte Sozialplanung,
dest innerhalb der Städte bzw. Gemeinden.        munale Kooperationen in der Sozialplanung                        die sich an den einzelnen Fachplanungen
Die Bedeutung kommunaler Bezüge bei der          zu lenken, denn die angesprochenen Heraus-                       und Fachpolitiken orientiert
Bearbeitung dieser Folgen steigt daher und       forderungen orientieren sich nicht an kom-                    2. Strategisch-integrative Sozialplanung, die
ein zentraler Akteur in diesem Kontext ist die   munalen Grenzen. Für eine Sozialplanung,                         erstens als integrative Klammer der einzel-
kommunale Sozialplanung.                         die sich explizit als Steuerungsunterstützung                    nen handlungsfeldorientierten Sozialpla-
                                                 von Politik und Verwaltungsspitze versteht,                      nungszugänge verstanden werden kann
Aufgrund der Interdependenz der Herausfor-       gilt es zudem die strategische Rolle von So-                     und die zweitens das Scharnier darstellt zur
derungen ist es folgerichtig, dass immer stär-   zialplanung zu diskutieren. Beiden Aspekten                      dritten Planungsebene
ker über integrierte Sozialplanung diskutiert    wird daher im vorliegenden Beitrag besonde-                   3. Integrative kommunale Entwicklungspla-
wird. Hier zeigt sich eine weitere Professio-    re Beachtung geschenkt.                                          nung, welche sich auf die Stadt-/Gemein-
nalisierung der Sozialplanung. Eine Heraus-                                                                       de-/Kreisentwicklung bezieht (vgl. unten
forderung dabei scheint das mitunter sehr        Ebenen und Phasen von (integrierter) Sozial-                     Abbildung 1)
unterschiedliche Verständnis von Ebenen,         planung
Funktionen und Aufgaben von Sozialplanung        Den Begriff „Soziale Planung“ bezeichne-                      Zwar muss auch die handlungsfeldorientierte
zu sein. Dies ist problematisch, da es den       te Nimmermann (1971: 85) schon vor einem                      Sozialplanung strategisch ausgerichtet und
konzeptionell-methodischen Fachdiskurs er-       halben Jahrhundert als „schillernd und viel-                  integrativ angelegt sein, allerdings bezieht
schwert und in der Praxis zu Enttäuschungen      deutig“, der viele Interpretationen ermögliche.               sich eine so verstandene Sozialplanung pri-
führen kann. Der vorliegende Text zeigt aus-     „Die Reichweite des Begriffs geht von der Ko-                 mär auf die Planung in den einzelnen Hand-
gehend von unterschiedlichen Ebenen von          ordination sozialer Dienste bis hin zu allum-                 lungsfeldern wie der Jugendhilfeplanung, der
Sozialplanung Herausforderungen, Dilemma-        fassender Gesellschaftsplanung“ (ebd.).                       Gesundheitsplanung etc. Eine strategisch-in-
ta und Chancen einer integrierten Sozialpla-                                                                   tegrative Sozialplanung hingegen bezieht die

   Abbildung 1: Ebenen                               Integrative Kommunale Entwicklungsplanung
   und Funktionen von                                                                     Scharnierfunktion
   Sozialplanung
   Quelle: Wunderlich                Handlungsfeld-                                                                                              Handlungsfeld-
   2019, 96                          Orientierte                                                                                                 Orientierte
                                     Sozialplanung(en)                                         Planungs-                                         Sozialplanung(en)
                                                                                                 anlass
                                                                                 Evaluation
                                                                                                              Bestands-
                                                            Klammerfunktion

                                                                                                                               Klammerfunktion

                                                                                                              erhebung
                                                                                Maß-      Integrative
                                                                              nahmen-
                                                                               durch-
                                                                                            Sozial-
                                                                              führung      Planung             Bedarfs-
                                                                                                              ermittlung

                                                                                  Maßnahmen-    Ziel-
                                                                                    planung  entwicklung

8 | TANORAMA
TAN RAMA - Ein Bild in vielen Farben: Integrierte Sozialplanung und kommunales Bildungsmanagement
einzelnen handlungsfeldorientierten Fach-                             Planungswissen
planungsprozesse aufeinander. Dies ist von
                                                  Erkenntnis-
großer Bedeutung, da viele Themen in der           dilemma            Überblickswissen
Sozialplanung Querschnittsthemen sind und                         1
mehrere Politik- und Handlungsfelder berüh-
ren. Eine die einzelnen handlungsfeldorien-
tierten Planungen koordinierende Planungs-              Informations-             Diskurs-             Netzwerk-                 Kooperations-
                                                           aufgabe                aufgabe               aufgabe              3     aufgabe
instanz scheint daher dringend notwendig.
Zudem kann eine solche strategisch-integra-                                                                         Umsetzungs-
tive Sozialplanung soziale Themen und Inter-                                               Zielformulierung          dilemma
essen im Kontext einer übergreifenden integ-                             Diskurs-      2
rativen kommunalen Planung vertreten.                                    dilemma           Maßnahmenplanung/-umsetzung

Die Klärung der unterschiedlichen Ebenen ist
mit Blick auf ein einheitliches Verständnis in                                                       Zu überlegen ist vor diesem Hintergrund, ob
den Kommunen wichtig, aber auch mit Blick            Abbildung 2: Aufgaben und Dilem-                es insbesondere für Sozialberichterstattungs-
auf die Identifikation von Herausforderungen,        mata im Prozess integrativer Sozial-            aktivitäten außerhalb von kreisfreien Städten
die im Zuge einer integrierten Sozialplanung         planung                                         alternative Formen von Sozialberichterstat-
auftreten können. Sozialplanung im hier skiz-        Quelle: eigene Abbildung Wunderlich             tung zu entwickeln gilt. Empirisch beleg- und
zierten Sinne soll erstens Informationen be-                                                         begründbare Anknüpfungspunkte für sozial-
reitstellen, zweitens auf dieser Basis Diskurse                                                      politisches Handeln im Sinne der traditionel-
anstoßen, drittens auf vernetztes Handeln         und sich ggf. widersprechenden (politischen)       len Sozialberichterstattung sind unerlässlich,
hinwirken und viertens konkrete Koopera-          Interessen stehen einer gelingenden integ-         aber es sollte geprüft werden, ob es ausge-
tionen initiieren (vgl. ausführlicher Wunder-     rierten Sozialplanung nicht selten diametral       hend von (belegbarem) Theorie-, Praxis- und
lich 2019). Ausgehend von dieser Logik lassen     entgegen. Wahrscheinlich ist hier sogar die        Erfahrungswissen auch andere Formen von
sich verschiedene Dilemmata identifizieren,       zentrale Herausforderung für integrierte So-       kommunaler Sozialberichterstattung geben
die bei der Umsetzung integrierter Sozialpla-     zialplanung zu sehen. Bezogen auf interkom-        kann. Ein Anknüpfungspunkt könnte dabei
nung eine Rolle spielen können (vgl. rechts       munale Kooperationen in der Sozialplanung          beispielsweise die stärkere Berücksichtigung
Abbildung 2).                                     ist in diesem Zusammenhang zu denken an            von Umgangswissen der Sozialen Arbeit sein
                                                  politisch häufig komplizierte Konstellationen      (vgl. Böhnisch 2018: 129).
Das Erkenntnisdilemma                             zwischen (Nachbar-)Kommunen bzw. zwi-
Entgegen der häufig aufgestellten These,          schen Kreisen und ihren kreisangehörigen           Das Diskursdilemma
dass es kein Erkenntnis-, sondern ein Um-         Städten und Gemeinden.                             Sozialplanerische Diskurse haben in der Pra-
setzungsproblem gibt, wird hier eine andere                                                          xis nicht selten den Charakter von Betroffen-
These vertreten. Wir haben ein Erkenntnispro-     Weitere Auffälligkeiten mit Blick auf viele So-    heits- und Selbstvergewisserungsdiskursen!
blem! Zwar liegt entlang politischer und ad-      zialberichterstattungsaktivitäten sind zum         Fertige Sozialberichte werden im Rahmen
ministrativer Zuständigkeiten eine Fülle von      Beispiel die engführende Dominanz quanti-          großer Tagungen oder in Arbeitsgruppen vor-
relevanten Informationen über die Lebens-         tativer Daten und die unzureichende Reflekti-      gestellt und mit der Erwartung verknüpft,
situation der Menschen vor Ort vor, allerdings    on über einen thematisch adäquaten Raum-           jetzt möge man sich doch auf Maßnahmen
werden diese isolierten Wissensbestände           bezug (vgl. Wunderlich 2020). Unabhängig           verständigen und „zur Tat schreiten“. Häufig
(aus unterschiedlichen Gründen) nach wie vor      von der notwendigen Differenzierung zwi-           bleibt es dann aufgrund mangelnder Verstän-
zu selten aufeinander bezogen. Zusammen-          schen Sozialräumlichkeit und Kleinräumigkeit       digung, fehlender Ressourcen, Zuständig-
hangswissen ist aufgrund des Querschnitts-        gilt es mit Blick auf eine wirkungsorientierte     keitsgerangel etc. bei (durchaus gut gemein-
charakters sozialer Themen jedoch unerläss-       Sozialplanung beispielsweise auf eine inter-       ten) Absichtserklärungen.
lich. Verstärkt wird dieses Defizit dadurch,      kommunale Sozialplanung hinzuwirken (So-
dass auf der strategischen Ebene Überblicks-      zialraumstrukturen halten sich nicht an die        Mitunter entsteht sogar der Eindruck, dass die
wissen für politische Entscheidungen und auf      kommunale Gebietskörperschaftsgrenzen)             Sensibilisierungsfunktion von bestimmten
der operativen Ebene detailliertes Planungs-      und bei der Sozialberichterstattung von Krei-      Akteuren als ausreichend empfunden und
wissen benötigt wird. Sozialberichterstattung     sen eine Bezugsgröße zu wählen, die sowohl         ein ernstgemeinter Diskurs über Ableitungen
muss diese divergierenden Verwendungszu-          für den Kreis als auch die Gemeinden sinn-         gar nicht stattfinden soll. Unter Umständen
sammenhänge berücksichtigen.                      voll ist.                                          auch, weil Ableitungen in der Regel Kompro-
                                                                                                     misse bedeuten, Geld kosten und hinsichtlich
Mit Blick auf die Sozialberichterstattung muss    Bezüglich der Themen wird häufig nur auf           der Umsetzungszuständigkeit nicht im Vagen
zudem konstatiert werden, dass die Datenla-       Probleme fokussiert und vorhandene Res-            bleiben dürfen und damit überprüfbar sind.
ge für eine integrierte Sozialberichterstattung   sourcen bleiben unberücksichtigt, was für
häufig nicht gegeben ist, weil die Daten nicht    eine umsetzungsorientierte Sozialplanung           Andererseits enthalten Sozialberichte ge-
zur Verfügung stehen oder nicht zur Verfügung     zu einseitig ist. Zudem orientiert sich die        legentlich bereits differenzierte Handlungs-
gestellt werden (selbst innerhalb von Verwal-     Sozialberichterstattung auch in den Kreisen        empfehlungen, die im Prozess der Berich-
tungen werden Daten aus diversen Gründen          und kleinen Kommunen in der Regel an den           terstellung nicht mit den für die Umsetzung
nicht immer von den datenhaltenden Stellen        Themen kreisfreier Städte, womit die Beson-        einzubindenden (örtlichen) Akteuren disku-
weitergeben). Die arbeitsteilig-hierarchische     derheiten dieser Gebietskörperschaftstypen         tiert wurden. Trotzdem wird dann erwartet,
Organisation von Verwaltungen und die da-         bzw. des ländlichen Raumes unberücksich-           dass diese sich den Empfehlungen anschlie-
mit einhergehenden Machtkonstellationen           tigt bleiben oder nur partiell zu erfassen sind.   ßen.

                                                                                                                                 TANORAMA | 9
TAN RAMA - Ein Bild in vielen Farben: Integrierte Sozialplanung und kommunales Bildungsmanagement
Die Entkoppelung von Sozialberichterstat-          kommunale Zusammenhängen übertragbar.            ist die partizipativ-diskursive Entwicklung
tung und Handlungsebene ist problematisch,         Interkommunale Zusammenarbeit im Be-             von Zielen und die konsequente Ausrichtung
wenn keine Verständigung über die Befunde          reich der Sozialplanung ist erfahrungsgemäß      an diesen Zielen auf der Maßnahmenebene.
der Sozialberichterstattung erfolgt und keine      ungleich schwieriger, wenn die politische Ver-   Die zentrale Aufgabe in diesem Zusammen-
gemeinsamen Zielsetzungen formuliert wer-          ortung der kommunalen Spitzen eine unter-        hang ist es, die häufig in Form von (explizi-
den.                                               schiedliche ist bzw. die politischen Mehrhei-    ten oder impliziten) Leitbildern existierenden
                                                   ten sich in den beteiligten Kommunen bzw.        abstrakten Zielsetzungen mit den Ergebnis-
Finden ernstgemeinte Diskurse statt, so sind       zwischen dem Kreis auf der einen Seite und       sen der Sozialberichterstattung über Mittler-
diese hinsichtlich der Beteiligten mitunter        den kreisangehörigen Städten und Gemein-         und Handlungsziele zu verbinden (vgl. Lober-
recht selektiv und exkludieren weite Teile         den auf der anderen Seite unterscheiden. Be-     meier/Wunderlich 2020).
der (professionellen) Akteure. Auch die Be-        züglich der Themen gilt es zu berücksichtigen,
teiligung von bzw. der Diskurs mit den Bür-        dass (unabhängig von unterschiedlichen Pla-      Mit Blick auf das Umsetzungsdilemma sei an
gerinnen und Bürgern ist häufig „simulierte“       nungskulturen und politischen Ausrichtun-        dieser Stelle auf das Kohäsionsdilemma, das
Beteiligung. Wohlwissend, dass Beteiligung         gen) manche Zuständigkeiten beim Kreis und       Dilemma der verhandlungsbasierten Koope-
schwierig ist, darf dies kein Argument dafür       andere bei den kreisangehörigen Städten und      rationsbildung und das Dilemma der Vertrau-
sein, sich dem Schicksalsspruch „Es betei-         Gemeinden verortet sind und damit auch           ensbildung verwiesen (vgl. Duschek/Wetzel/
ligten sich immer dieselben und dann meist         unterschiedliche Zugriffe auf Ressourcen und     Aderhold 2005: 155). Zu Gunsten des Fokus
die, um die es uns gar nicht geht“ zu ergeben.     Finanzen berücksichtigt werden müssen. Mit       auf die strategische Ebene von Sozialplanung
Ohne Diskurse und ohne ernst gemeinte Be-          Blick auf das Thema Vernetzung muss be-          wird an dieser Stelle darauf nicht weiter ein-
teiligung kann es sich aus wirkungsorientier-      rücksichtigt werden, dass es ggf. weniger bzw.   gegangen und stattdessen die (mögliche)
ter Perspektive nur um „Sozialplanung light“       räumlich distanzierter verortete Akteure gibt    Rolle strategischer Sozialplanung in der So-
handeln.                                           und dies Vernetzung erschwert. Diskursive        zialpolitik vor Ort skizziert.
                                                   Elemente müssen hier anders als beispiels-
In Landkreisen und zwischen Kommunen               weise in kreisfreien Städten gestaltet werden.   Welche Rolle kann eine strategisch-integrati-
ist das Diskursdilemma noch einmal größer,         Und dies gilt nicht nur mit Blick auf die pro-   ve Sozialplanung in der Sozialpolitik spielen?
denn die häufig vorbehaltlose Orientierung         fessionellen Akteure, sondern auch bezogen       Wird strategisch-integrative Sozialplanung
an betriebswirtschaftlichen Steuerungslogi-        auf die Bürgerinnen und Bürger.                  als Klammer zwischen den einzelnen Fach-
ken ist nicht nur für kreisfreie Städte kritisch                                                    planungen und als Scharnier zur übergreifen-
zu sehen. Aufgrund der in der Regel kom-           Viele der vorab skizzierten Herausforderun-      den kommunalen Planung verstanden (siehe
plexeren politischen Konstellationen ist dies      gen lassen sich durch eine wirkungsorientierte   oben), so kann sie eine wichtige Rolle dabei
noch einmal weniger auf Kreise und inter-          Sozialplanung angehen. Entscheidend hierfür      spielen, dass sozialpolitische Probleme auf

10 | TANORAMA
die kommunalpolitische Agenda gelangen              Allerdings, und das weist in Richtung einer
                                                                                                     Literatur
und letztlich politische Entscheidungen ge-         günstigen Problemstruktur, können sie eine
                                                                                                     Böhnisch, Lothar (2018): Die Verteidi-
troffen werden. Politikwissenschaftlich sind        große symbolische Bedeutung haben. Hin-
                                                                                                     gung des Sozialen. Ermutigungen für
dafür drei Voraussetzungen relevant, wobei          sichtlich ihrer Attraktivität scheinen soziale   die Soziale Arbeit, Beltz Juventa.
die Sozialplanung eine jeweils spezifische          Themen für Politiker damit einen ambiva-
Rolle spielen kann:                                 lenten Charakter zu haben. Die stadtgesell-      Duschek, Sigrid/Wetzel, Ralf/
                                                    schaftliche Relevanz bestimmter Themen           Aderhold, Jens (2005): Probleme mit
1. Eine Bedingung dafür, dass ein sozia-            herauszuarbeiten und damit für Politiker         dem Netzwerk und Probleme mit dem
   les Problem bearbeitet wird bzw. auf die         „attraktiv“ zu machen, kann auch Aufgabe         Management. Ein neu justierter Blick auf
                                                                                                     relevante Dilemmata und auf Konse-
   Agenda kommt, ist die Definition und Ar-         der Sozialplanung sein.
                                                                                                     quenzen der Steuerung. In: Aderhold, J./
   tikulation dieses Problems (Jann/Wegrich                                                          Meyer, M./Wetzel, R. (Hg.): Modernes
   2009: 85). Schneider/Janning (2006: 51)        Das Zusammentreffen der drei Ströme öffnet         Netzwerkmanagement.
   führen hierzu an, dass die Abweichung ei-      Politikfenster für politische Entscheidungen
   nes Ist-Zustandes von einer sozialen Norm,     (Kingdon 1995: 197ff.). Das Agenda-Setting         Jann, Werner/Wegrich, Kai (2009):
   einem Erwartungsniveau oder einer techni-      ist dabei in einem hohen Maße situativ: Nicht      Phasenmodelle und Politikprozesse: Der
   schen Notwendigkeit erst dann zum sozia-       jedes Problem mit einem (hohen) Hand-              Policy-Cycle. In: Schubert, Klaus/Ban-
                                                                                                     delow, Nils C. (Hg.): Lehrbuch der Politik-
   len Problem wird, wenn sie sich auf die Le-    lungsdruck und günstiger Problemstruktur
                                                                                                     feldanalyse 2.0. München: Oldenbourg,
   benschancen von Menschen auswirkt, von         gelangt auf die politische Agenda und nicht        S. 75–113.
   diesen wahrgenommen und als Problem            jedes Problem, mit dem sich Politik befasst,
   definiert wird. Eine zweite Voraussetzung      hat einen hohen Handlungsdruck. Sozial-            Kingdon, John W. (1995): Agendas,
   dafür, dass ein Problem Handlungsdruck         planung kann mithelfen, dass Probleme mit          Alternatives, and Public Policies. New
   erzeugt, ist die gesellschaftliche Akzeptanz   einer ungünstigen Problemstruktur sichtbar,        York: Longman.
   dieses Problems. Kingdon (1995: 197ff.)        diskutiert und politisch verhandelbar werden
                                                                                                     Lobermeier, Olaf/Wunderlich, Holger
   spricht bezogen auf den durch soziale          (Wunderlich 2019).                                 (2020): Tagungsdokumentation der
   Probleme entstehenden Handlungsdruck                                                              Tagung „Wirkungsorientierte Prävention
   vom problem stream. Die Rolle kommu-           Fazit und Plädoyer                                 im Sozialraum“ am 29.11.2019 (im Er-
   naler Sozialplanung ist es, problematische     Das strategische Potenzial einer integrierten      scheinen)
   Strukturen und Missstände aufzudecken          Sozialplanung, so der Ausgangspunkt des
                                                                                                     Nimmermann, Peter (1971): Sozial-
   und für die individuellen und gesellschaft-    vorliegenden Beitrags, wird bisher nicht aus-
                                                                                                     planung in den USA, In: Müller, Carl
   lichen Implikationen zu sensibilisieren.       geschöpft. Unter der Voraussetzung politi-
                                                                                                     Wolfgang/Nimmermann, Peter (1971):
                                                  scher Akzeptanz und mit der Rückendeckung          Stadtplanung und Gemeinwesenarbeit,
2. Die zweite Voraussetzung dafür, dass ein       der Verwaltungsspitze kann Sozialplanung           Juventa.
   Problem bearbeitet werden kann, ist das        nicht nur eine wichtige Planungsfunktion für
   grundsätzliche Vorliegen von Lösungs-          einzelne Handlungs- und Politikfelder ha-          Schneider, Volker/Janning, Frank
   möglichkeiten. Diese entstehen häufig          ben, sondern als strategisch-integrative So-       (2006): Politikfeldanalyse. Akteure, Dis-
   ohne akuten Problembezug bzw. ohne             zialplanung auch eine wichtige Funktion im         kurse und Netzwerke in der öffentlichen
                                                                                                     Politik. Wiesbaden: VS-Verlag.
   konkreten (politischen) Auftrag und kön-       Rahmen nachhaltiger Stadt-/Gemeinde-/
   nen bei Bedarf aus der Schublade geholt        Kreisentwicklung erfüllen. Sie soll diese dabei    Wunderlich, Holger (2019): Kommunale
   werden. Kingdon (ebd.) bezeichnet diesen       ebenso wenig ersetzen, wie die differenzierte      Sozialpolitik, strategische Sozialplanung
   Strom als policy stream. Bestandteil der       Planung in den zuständigen Fachämtern.             und politisches Agenda-Setting, In:
   wirkungsorientierten Sozialplanung kann                                                           Kolhoff, L. (Hg.): Aktuelle Diskurse der
   und sollte es sein, solches (Problem-)         Die Herausforderungen der Sozialplanung            Sozialwirtschaft II, S. 77-120, Reihe „Per-
   Lösungswissen zu generieren, zu syste-         sind groß und werden noch einmal größer,           spektiven Sozialwirtschaft und Sozial-
                                                                                                     management, Springer VS.
   matisieren und zu kommunizieren. Vor-          wenn sie auf interkommunale Kooperationen
   aussetzung dafür ist unter anderem die         bezogen werden. Sowohl auf der operativen          Wunderlich, Holger (im Erscheinen):
   interkommunale Vernetzung von Sozial-          Ebene als auch auf der strategischen Ebene,        Sozialraumorientierung, Sozialraum-
   planerinnen und Sozialplanern, damit trotz     also mit Blick auf das sozialpolitische Agen-      analyse und Soziale Arbeit, in: Aktuelle
   lokaler Besonderheiten die Welt nicht in je-   da-Setting, gilt es Sozialplanung partizipa-       Diskurse der Sozialwirtschaft III, Reihe
   der Kommune immer wieder neu erfunden          tiv auszurichten und diskursive Räume zu           „Perspektiven Sozialwirtschaft und So-
   werden muss.                                   organisieren. Gelingt dies, übernimmt eine         zialmanagement“, Springer VS.
                                                  integrierte Sozialplanung gesellschaftliche
3. Die dritte Voraussetzung dafür, dass ein       Verantwortung vor Ort. Dieser Rolle gerecht
   Thema auf die Agenda gelangt, wird von         zu werden erfordert Ressourcen, die Rücken-
   Kingdon (ebd.) als political stream be-        deckung von Politik und Verwaltungsspitze
   zeichnet und bezieht sich auf die Attrak-      sowie einen langen Atem.
   tivität von sozialpolitischen Themen für
   Politikerinnen und Politiker. Die Attrak-
   tivitäten des Themas definiert sich, so        Prof. Dr. Holger Wunderlich lehrt an der
   Schneider/Janning (2006: 56), über die         Fakultät Soziale Arbeit der Ostfalia Hoch-
   Problemstruktur, wobei diese bei sozialen      schule für angewandte Wissenschaften
   Themen tendenziell eher ungünstig zu sein      in Braunschweig / Wolfenbüttel und ist
   scheint. Sie sind häufig mehrdeutig und        wissenschaftlicher Leiter der Faktor Familie
   komplex und keine Routineangelegenheit.        GmbH in Bochum.

                                                                                                                                 TANORAMA | 11
INTERKOMMUNALE ZUSAMMENARBEIT IN
DER SOZIALPLANUNG AM BEISPIEL DER
LANDESHAUPTSTADT SCHWERIN UND DES
LANDKREISES LUDWIGSLUST-PARCHIM
VON LISA MANHART UND CHRISTIAN TIEDE

                Seit vielen Jahren tauschen sich die Sozialplanerinnen und -planer in Meck-      Bericht zur Pflegesozialplanung
                lenburg-Vorpommern fachlich miteinander aus. In Kleingruppen oder bilate-        Nach dem Landespflegegesetz Mecklen-
                ral werden Themen, fachpolitische Diskussionen und Vorhaben gegenseitig          burg-Vorpommern (LPflegeG M-V) haben die
                vorgestellt, diskutiert und methodisch abgestimmt. Darüber hinaus werden         Landkreise und kreisfreien Städte die Aufga-
                verschiedene Methoden, Verfahren und weitere Elemente der Sozialplanung          be, alle fünf Jahre Planungen für ambulante,
                präsentiert. Die Treffen – die selbständig von den Sozialplanenden organi-       teilstationäre und stationäre Pflegeeinrich-
                siert werden – dienen vor allem der themenspezifischen Vertiefung und Wei-       tungen zu erstellen (§ 5 Abs. 2 LPflegeG M-V).
                terentwicklung der Sozialplanung vor Ort.                                        Die Pflegesozialplanung untersucht die be-
                                                                                                 stehende Versorgungsstruktur und schätzt
                Die Landeshauptstadt Schwerin liegt umgeben von den beiden Landkrei-             ab, welche pflegerischen und pflegeergän-
                sen Nordwestmecklenburg und Ludwigslust-Parchim. Da es sich bei beiden           zenden Angebote derzeit und in Zukunft er-
                Landkreisen um große Flächenlandkreise handelt, ist davon auszugehen,            forderlich sind. Damit wird das Ziel verfolgt,
                dass diese teilweise auch die städtische Infrastruktur und die gesundheitlich-   eine grundlegende Analyse bedarfsgerech-
                pflegerische Angebotsstruktur der Landeshauptstadt Schwerin als regionales       ter Unterstützungsangebote in ambulanten,
                Oberzentrum mit nutzen.                                                          teil- und vollstationären sowie darüber hi-
                                                                                                 nausgehenden Versorgungsbereichen unter
                Im Folgenden wird anhand einiger ausgewählter Beispiele die Zusammen-            Berücksichtigung der Lebenssituation der
                arbeit zwischen dem Landkreis Ludwigslust-Parchim und der Landeshaupt-           älteren Bevölkerung und des fortlaufenden
                stadt Schwerin vorgestellt:                                                      demografischen Wandels durchzuführen.
                                                                                                 Auch werden auf der Basis der empirischen
                Beispiel 1: Pflegesozialplanung                                                  Erhebungen und Analysen in der Pflege-
                Der demografische Wandel stellt nicht nur das Land Mecklenburg-Vorpom-           sozialplanung Handlungsempfehlungen zur
                mern, sondern auch die Landeshauptstadt Schwerin und den Landkreis Lud-          Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen und
                wigslust-Parchim vor große Herausforderungen. Schon jetzt sind in beiden         realisierbaren pflegerischen und pflegeergän-
                Regionen die Anteile älterer Menschen höher als im Landes- und deutlich          zenden Versorgungsstruktur in der Kommune
                höher als im Bundesdurchschnitt. Aktuell ist etwa ein Drittel der Bevölkerung    abgeleitet. Dazu gehören auch Empfehlun-
                Schwerins (33,0 Prozent) und Ludwigslust-Parchims (32,6 Prozent) 60 Jahre        gen, z.B. zu geeigneten Wohnangeboten und
                und älter. Und diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren noch zuneh-         zur Entwicklung eines Netzes ehrenamtlich
                men. Für Schwerin wird erwartet, dass sich der Anteil der Menschen ab 60         Helfender.
                Jahren bis zum Jahr 2040 auf 34,3 Prozent erhöht. Im Landkreis Ludwigs-
                lust-Parchim wird er auf 40,7 Prozent stark ansteigen. Ausgehend von diesen      Neben seiner Funktion als Informations- und
                Entwicklungen ergibt sich die Frage, wie viele Menschen jetzt und in Zukunft     Planungsinstrument stellt der Bericht gleich-
                Pflegeleistungen benötigen und wer diese Pflegeleistungen erbringen kann.        zeitig ein Angebot an die Bevölkerung, In-

12 | TANORAMA
vestoren sowie Handelnde aus dem Bereich          INTERAKTIVE PFLEGEKARTE                          Fachkräfte. Aktuelle Zahlen im Rahmen der
Pflege dar, sich in den Gestaltungsprozess        Die interaktive Pflegekarte finden Sie           Pflegesozialplanung zeigen, dass der Fach-
aktiv einzubringen und diesen zu beglei-          auf der Internetseite der Landeshaupt-           kräftemangel in der Pflege noch weiter zu-
ten. Herausforderungen, die der zunehmen-         stadt Schwerin unter ...                         nehmen wird. Um einer weiteren Verknap-
de Pflegebedarf mit sich bringt, können auf       https://www.schwerin.de/mein-                    pung der pflegerischen Ressourcen und somit
kommunaler Ebene nur in enger Kooperation         schwerin/leben/gesellschaft-soziales/            einer Verschlechterung der Pflegequalität bis
von Pflegesozialplanung, Pflegeberatung,          senioren-pflege/pflege/pflegekarte/              hin zur Gefährdung der Versorgungssicherheit
Pflegekassen und Anbietern erörtert werden.                                                        entgegenzuwirken, bedarf es einer zielgerich-
                                                                                                   teten Analyse der Problemfelder sowie nach-
Zur Gewährleistung einer einheitlichen Heran-                                                      haltiger Lösungsstrategien.
gehensweise sowie vergleichbarer Ergebnisse
in der Erarbeitung und Umsetzung der Pfle-                                                         Die Sozialplanerin der Landeshauptstadt
gesozialplanung müssen die Landkreise und                                                          Schwerin, Lisa Manhart, hatte gemeinsam mit
kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpom-                                                          dem Sozialplaner aus dem Landkreis Lud-
mern seit 2019 einen Berichtsstandard sowie                                                        wigslust-Parchim, Christian Tiede, im März
einen festgeschriebenen Indikatoren-Katalog                                                        2020 das erste interkommunale Symposium
verwenden, der im Auftrag des Ministeriums                                                         zum Thema „Fachkräftemangel in der Pfle-
für Soziales, Integration und Gleichstellung      ... bzw. auf der Internetseite des Land-         ge“ geplant. Die Veranstaltung richtete sich
Mecklenburg-Vorpommern von der Hoch-              kreises Ludwigslust-Parchim unter:               an Fachkräfte und Experten mit Bezügen
schule Neubrandenburg entwickelt wurde.           https://www.kreis-lup.de/leben-im-               zum pflegerischen Bereich und zum Thema
                                                  landkreis/gesundheit-soziales/pflege-            Fachkräftemangel sowie weitere Interessierte.
Parallel zu den Treffen mit der Hochschu-         portal/pflegekarte/                              Die an diesem Tag eigentlich stattfindenden
le Neubrandenburg fand ein regelmäßiger                                                            Impulsvorträge sollten eine Grundlage für
Fachaustausch zwischen den Sozialplanen-                                                           einen Fachaustausch zum Thema bieten.
den in Mecklenburg-Vorpommern statt. Die-                                                          Gemeinsam mit den Teilnehmern sollten die
ser Austausch wird auch nach Ende der Arbeit                                                       verschiedenen Blickwinkel des Pflegenot-
regelmäßig fortgeführt.                                                                            stands beleuchtet, Praxisbeispiele kennen-
                                                                                                   gelernt und Anregungen für die eigene Arbeit
Pflegekarte (siehe Infobox rechts)                                                                 gegeben werden. Aufgrund der Corona-Pan-
Der Landkreis Ludwigslust-Parchim hat die                                                          demie musste die Veranstaltung aber leider
Grundlage dafür geschaffen, dass seit 2016                                                         verschoben werden – ein Nachholtermin ist
Daten und Informationen zu Pflege- und                                                             derzeit noch nicht bekannt.
Wohneinrichtungen kartenbasiert im Geo-         gemeinsamen fachlichen Austausch zum
datenportal sowie mittels einer interaktiven    konkreten Thema „Bedarfs- und Zielwert-            Beispiel 2: Ausbau und Weiterentwicklung
Pflegekarte in beiden Kommunen online ab-       ermittlung“ im Rahmen der Pflegesozialpla-         der Beratungslandschaft in Mecklenburg-
rufbar sind. Die Pflegekarte ermöglicht Bür-    nung gab.                                          Vorpommern
gerinnen und Bürgern, aber auch Fachkräften                                                        Darüber hinaus findet ein regelmäßiger Aus-
und Beratungspersonen im Pflegebereich,         Das Seminar, das von Herrn Prof. Dr. phil.         tausch der Sozialplanerinnen und -planer in
z.B. im Pflegestützpunkt, eine zielgenaue       Bernhard Rohde, emeritierter Professor an          Mecklenburg-Vorpommern über Methoden
Suche nach Pflege- und Wohneinrichtungen        der Fakultät Angewandte Sozialwissenschaf-         zur Ermittlung von Bedarfen in Bezug auf die
und hält weitere Detaildaten wie z.B. Betreu-   ten der HTWK Leipzig geleitet wurde, richte-       Planung von Beratungsangeboten statt. Das
ungskapazitäten und Ansprechpersonen vor.       te sich an alle Sozialplanerinnen und -planer      Land Mecklenburg-Vorpommern hatte im
Die Karte lässt sich nach Kategorien filtern    des Landes Mecklenburg-Vorpommern ein-             November 2019 ein Gesetz über die Finan-
und ermöglicht eine Umkreissuche sowie die      schließlich interessierter Vorgesetzter, Pflege-   zierung und Transparenz in der freien Wohl-
Berechnung der Anfahrtswege zu den Ein-         kassen sowie Mitarbeitender des Sozialmi-          fahrtspflege in Mecklenburg- Vorpommern
richtungen. Die Grundlage für die interaktive   nisteriums. Es zielte darauf ab, gemeinsam         (WoftG M-V) beschlossen. Das Ziel des Ge-
Kartenanwendung bildet eine Versorgungs-        einheitliche Kriterien und Qualitätsstandards      setzes ist, im Rahmen der Weiterentwicklung
datei aus der Pflegesozialplanung.              zu entwickeln, welche die Kommunen bei             der Beratungslandschaft ein bedarfsgerech-
                                                der Bedarfsanalyse und damit einher bei            tes Angebot an sozialer und Gesundheits-
Fachtag zum Thema „Bedarfsdefinition und        der Zielwertermittlung im Rahmen von Pla-          beratung in den Landkreisen und kreisfreien
Methoden zur Bedarfsermittlung, Zielwerte       nungsprozessen unterstützen können. Infol-         Städten vorzuhalten. Auch dieses Thema
im Rahmen der Pflegesozialplanung“              ge der Abstimmung der dafür notwendigen            wird u.a. von der Sozialplanung in Mecklen-
Die Sozialplanerin der Landeshauptstadt         Maßnahmen sollte langfristig eine höhere           burg-Vorpommern behandelt. Dazu gehört
Schwerin hatte Ende 2016 – in sehr enger        Vergleichbarkeit der Planungen erzielt wer-        die Entwicklung aussagekräftiger Bestands-
Abstimmung mit den Verantwortlichen für         den. Das Seminar bildete den Auftakt für den       und Bedarfsanalysen zur Beratungsland-
Sozialplanung der kreisfreien Stadt Ros-        weiteren Fachaustausch der Sozialplanenden         schaft vor Ort.
tock, der Landkreise Ludwigslust-Parchim,       in Mecklenburg-Vorpommern.
Mecklenburgische Seenplatte sowie Nord-                                                            Lisa Manhart ist Sozialplanerin in der
westmecklenburg – ein Tagesseminar zum          Fachtag zum Thema „Fachkräftemangel in             Fachstelle Planung und Controlling in der
Thema „Bedarfsdefinition und Methoden zur       der Pflege“                                        Landeshauptstadt Schwerin. Christian Tiede
Bedarfsermittlung, Zielwerte im Rahmen der      Die Entwicklungen in der Pflegebranche er-         ist Sozialplaner im Fachdienst für Sozial-
Pflegesozialplanung“ entwickelt. Im Vorfeld     fordern ein intensives Zusammenarbeiten.           management und Entgelte des Landkreises
war festgestellt worden, dass es noch keinen    Bereits heute fehlen in allen Pflegeberufen        Ludwigslust-Parchim.

                                                                                                                              TANORAMA | 13
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