Ute Gerken (Hg.) Lernzeiten am Gymnasium _ Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Praxisbeispiele - Lernpotenziale 2014 _ Heft 2 - Stiftung Mercator

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Ute Gerken (Hg.) Lernzeiten am Gymnasium _ Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Praxisbeispiele - Lernpotenziale 2014 _ Heft 2 - Stiftung Mercator
ISSN 2199-8205                       Lernpotenziale
                                     2014 _ Heft 2

Ute Gerken (Hg.)
Lernzeiten am Gymnasium _
Rahmenbedingungen, Voraussetzungen
und Praxisbeispiele
Ute Gerken (Hg.) Lernzeiten am Gymnasium _ Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Praxisbeispiele - Lernpotenziale 2014 _ Heft 2 - Stiftung Mercator
Folgende Publikationen entstanden im Rahmen des Pro-
                                             jekts Lernpotenziale. Individuell fördern im Gymnasium.

                                             Lernpotenziale 2014 Heft 1
                                             Gerda Eichmann-Ingwersen (Hg.). Lernpotenziale. Individu-
                                             ell fördern im Gymnasium. — Praxisbeispiele

                                             Lernpotenziale 2014 Heft 2
                                             Ute Gerken (Hg.). Lernzeiten am Gymnasium — Rahmen-
                                             bedingungen, Voraussetzungen und Praxisbeispiele

                                             Lernpotenziale 2014 Heft 3
                                             Kirsten Althoff (Hg.). Die Netzwerkarbeit im Projekt Lernpo-
                                             tenziale — Rahmenbedingungen und Erfahrungen (erscheint
                                             im Dezember 2014)                                                  Ute Gerken (Hg.)
Impressum                                    Gemeinsame Partner des Projekts sind das Ministerium für
                                             Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen,
                                                                                                                Lernzeiten am Gymnasium _
Erscheinungsort
Münster, Nordrhein-Westfalen
                                             die Stiftung Mercator und das Institut für soziale Arbeit e. V.
                                             als Träger der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Nordrhein -
                                             Westfalen.
                                                                                                                Rahmenbedingungen, Voraussetzungen
Herausgeber
Serviceagentur „Ganztägig lernen“ NRW
Institut für soziale Arbeit e.V.
                                             Die Serviceagentur „Ganztägig lernen“ Nordrhein-Westfalen
                                             ist eine gemeinsame Einrichtung des MSW NRW, MFKJKS
                                             NRW, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung gGmbH und
                                                                                                                und Praxisbeispiele
Friesenring 40                               des Instituts für soziale Arbeit e.V.
48147 Münster
serviceagentur.nrw@ganztaegig-lernen.de      Für die konstruktive Begleitung des Projekts sei an dieser Stel-
info@isa-muenster.de                         le Dank ausgesprochen an die Mitglieder der Steuergruppe:
www.isa-muenster.de
www.nrw.ganztaegig-lernen.de                 Für die Stiftung Mercator: Katharina Tesmer
www.ganztag.nrw.de
                                             Für das Ministerium für Schule und Weiterbildung NRW:
Redaktion                                    Renate Acht, Kay Brügmann, Paul-Dieter Eschbach,
Kirsten Althoff                              Dr. Norbert Reichel
Herbert Boßhammer
Gerda Eichmann-Ingwersen                     Für das Ministerium für Familie, Kinder, Jugendliche, Kunst
Birgit Schröder                              und Sport: Uwe Schulz
Serviceagentur „Ganztägig lernen“ NRW
                                             Für die Qualitäts- und UnterstützungsAgentur — Landesinsti-
Gestaltung und Herstellung                   tut für Schule NRW: Eva Adelt
Agentur für Kommunikation
www.pars-pro-toto.de                         Für die Schulaufsicht: Joachim Schöpke, Bezirksregierung
                                             Düsseldorf
Druck
Bitter und Loose GmbH — Print mit Konzept    Für das Institut für soziale Arbeit, die Serviceagentur
www.bitterundloose.de                        „Ganztägig lernen“ NRW: Kirsten Althoff, Herbert Boßham-
                                             mer, Gerda Eichmann-Ingwersen, Birgit Schröder, Truda Ann
2014 © by Institut für soziale Arbeit e.V.   Smith.
Ute Gerken (Hg.) Lernzeiten am Gymnasium _ Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Praxisbeispiele - Lernpotenziale 2014 _ Heft 2 - Stiftung Mercator
Einführung

    Inhalt                                                                                                Das Projekt „Lernpotenziale. Individuell fördern im Gymna-                        rische Umsetzung dieser Lernzeiten kann dabei auf unter-
                                                                                                          sium.“ hat 137 Gymnasien bei der Entwicklung schulbezoge-                         schiedliche Art erfolgen: z. B. in speziellen Zeitfenstern
    Einführung                                                                                        5   ner Vorhaben begleitet, die die unterschiedlichen Lern- und                       und -bändern zum Üben und Vertiefen, in Unterrichtspha-
                                                                                                          Förderbedarfe von Schülerinnen und Schülern berücksichti-                         sen mit Freiarbeit oder in Selbstlernzentren. Dieses Ver-
    Rahmenbedingungen und Voraussetzungen von Lernzeiten                                              8   gen. Ziel des vom Ministerium für Schule und Weiterbildung                        ständnis wird auch von den am Projekt teilnehmenden
                                                                                                          des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stiftung Mercator                          Schulen geteilt: 94 Prozent der Befragten stimmen folgen-
    1 Lernstrategien: Neurodidaktische Zugänge zur Gestaltung von Lernzeiten                          8   geförderten Projekts war es, die Schülerinnen und Schüler                         der Aussage zu: „Unter Lernzeiten verstehe ich Zeit zum
       Heinz Schirp                                                                                       durch individuelle Fördermaßnahmen im Rahmen des Un-                              selbständigen fachbezogenen Arbeiten.“ (Althoff 2014).3
                                                                                                          terrichts und anderer Lernarrangements von den Anforde-                           93 Prozent der Teilnehmenden bezeichnen Lernzeiten als
    2 Niveaudifferenzierte Aufgabenstellungen im Rahmen von Lernzeiten                               12   rungen der Schulzeitverkürzung (G8) zu entlasten und die                          „Zeit zum Üben in der Schule“, die zudem einen „Beitrag
       Horst Zeinz                                                                                        Bildungsgerechtigkeit zu erhöhen.1                                                zum Abbau von Bildungbenachteiligungen“ leisten kann
                                                                                                                                                                                            (75 Prozent Zustimmung, ebd.).
    3 Lernzeiten: Von der Wissensvermittlung zum Lerncoaching — die sich verändernde Rolle der            Ein spezielles Lernarrangement stellen in diesem Zusam-
      Lehrkräfte                                                                                     16   menhang die sogenannten „Lernzeiten“ dar. Ursprünglich                            Diese Publikation gibt einen Überblick über die Vielfältig-
       Torsten Nicolaisen                                                                                 vor allem von Ganztagsschulen eingeführt, um die Schüle-                          keit der Lernzeitenkonzepte an den Gymnasien, die am
                                                                                                          rinnen und Schüler von Hausaufgaben zu entlasten, die noch                        Projekt teilgenommen haben.4 Die schuleigenen, stark
    4 Potenziale und Herausforderungen bei der Ausgestaltung von Lernzeiten an Ganztagsgymnasien —        nach Schulschluss erledigt werden müssen (vgl. MSW   2013),                       variierenden Auslegungen des Begriffes „Lernzeit“ werden
      empirische Befunde der Bildungsberichterstattung Ganztagsschule NRW                            20   werden mittlerweile ganz unterschiedliche und pädago-                             ebenso deutlich wie die auftretenden Herausforderungen
       Agathe Tabel                                                                                       gisch weiterentwickelte Konzepte verfolgt. Ziele von Lern-                        bei der Umsetzung der geplanten Vorhaben.5 Nicht zu-
                                                                                                          zeiten sind u.a. die Erledigung von Haus- und Übungsauf-                          letzt werden wichtige Gelingensbedingungen für die er-
                                                                                                          gaben während des Schultages, die Befähigung zum selbst-                          folgreiche Gestaltung von Lernzeiten benannt und damit
    Praxisbeispiele                                                                                       bestimmten und eigenverantwortlichen Lernen, individuelle                         den Leserinnen und Lesern aus der Praxis zur Adaption für
                                                                                                          Förderung und Beratung der Schülerinnen und Schüler sowie                         die eigene Schule an die Hand gegeben.6 Gerahmt und ein-
    5 Entwicklung und Erprobung eines Konzeptes zur Gestaltung individueller Lernwege                     das Erlernen unterschiedlicher Sozialformen und Arbeits-                          geführt werden die Praxisbeispiele von Fachartikeln, die die
      im Rahmen von Binnendifferenzierung                                                            24   techniken (vgl. Kamski 2013, Kaufmann 2012, Haenisch 2011                         Grundlagen und Rahmenbedingungen erfolgreicher Lehr-
       Marienschule Münster                                                                               und Nordt 2010).                                                                  und Lerrnprozesse erläutern.

    6 Die Weiterentwicklung der Lernzeiten zur Lernwerkstatt                                         27   Da es keine einheitliche Definition gibt, was genau unter                         Einführend erläutert Heinz Schirp die neurodidaktischen
       Clemens-Brentano-Gymnasium, Dülmen                                                                 Lernzeiten zu verstehen ist, kann jede Schule und muss                            Grundlagen des Lernens und damit zusammenhängende
                                                                                                          jedes (Forschungs-)Projekt sich mit einer eigenen Defini-                         Lernblockaden, die erfolgreiches Lernen verhindern. An-
    7 Lernpotenziale — Förderung von individuellen Neigungen, Stärken und Begabungen                      tion auf den Weg machen.2 Das Projekt „Lernpotenziale.                            schließend stellt er verschiedene Lernstrategien vor,
      im Förderband für die Jahrgangsstufe 7                                                         32   Individuell fördern im Gymnasium.“ vertritt folgendes Ver-                        anhand derer mögliche Lernschwierigkeiten umgangen
       Albert-Martmöller-Gymnasium, Witten                                                                ständnis: Lernzeiten beziehen sich auf die „Zeiten zum                            werden können. Diese „Werkzeuge“ nachhaltigen Lernens
                                                                                                          selbstgesteuerten Arbeiten“ der Schülerinnen und Schüler                          können vor allem in Lernzeiten Anwendung finden, da hier
    8 Neigungsprojekte und Lernstudios zum selbstgesteuerten Lernen                                  35   innerhalb und außerhalb des Unterrichts. Lernstands- und                          flexible Rahmenbedingungen für die individuelle Gestaltung
       Gymnasium Horn-Bad Meinberg                                                                        Entwicklungsdiagnosen bilden dabei die Grundlage für in-                          von Lernumgebungen geschaffen werden können.
                                                                                                          dividuell angepasste Aufgabenstellungen. Die organisato-
    9 Werde ein SchLAUfuchs: Projektorientiertes Arbeiten im Rahmen der Lernzeiten
      zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler                                        40
                                                                                                          1
       Gymnasium Laurentianum Warendorf                                                                       Zudem wurde mit dem Projekt die Idee verfolgt, die Erfahrungen der Ganztagsschulen mit der Entwicklung von der klassischen Hausaufgaben-
                                                                                                              betreuung hin zu Lernzeiten auch für Halbtagsgymnasien nutzbar zu machen, sodass beide Organisationsformen unter den teilnehmenden Schulen
    10 Von der Lernzeit zum Förderturm                                                               43       vertreten sind und auch in dieser Publikation Berücksichtigung finden.
                                                                                                          2
       Otto-Hahn-Gymnasium, Herne                                                                             Vgl. exemplarisch die Definition der Bildungsberichterstattung Ganztagsschule NRW im Beitrag von Agathe Tabel in dieser Publikation.
                                                                                                          3
                                                                                                              Im Rahmen einer Online-Befragung wurden die am Projekt teilnehmenden Schulen u.a. zum Thema Lernzeiten befragt und konnten ihre Zustimmung
    11 Reflexive Koedukation in Zeiten des Lernens                                                   45       zu verschiedenen Aussagen auf einer Skala von 1=stimme gar nicht zu bis 4=stimme voll und ganz zu angeben.
                                                                                                          4
       Gymnasium am Neandertal, Erkrath                                                                       Weitere Publikationen im Rahmen des Projekts Lernpotenziale:
                                                                                                              Gerda Eichmann-Ingwersen (Hg.): Lernpotenziale. Individuell fördern im Gymnasium. — Praxisbeispiele, Heft 2 und Kirsten Althoff (Hg.): Die Netzwerk-
                                                                                                              arbeit im Projekt Lernpotenziale — Rahmenbedingungen und Erfahrungen, Heft 3 (erscheint im Dezember 2014).
    Autorinnen und Autoren                                                                           47   5
                                                                                                              Ebenfalls deutlich wird in einigen Konzepten das nach wie vor stark defizitorientierte Verständnis von individueller Förderung und die noch wenig
                                                                                                              ressourcenorientierte Haltung von Lehrkräften (vgl. auch den Beitrag von Torsten Nicolaisen in dieser Publikation).
                                                                                                          6
                                                                                                              Interessant erscheint an dieser Stelle auch der Hinweis auf eine (schulformübergreifende) Darstellung der Lernzeitenkonzepte von sieben Schulen
                                                                                                              eines von der Serviceagentur „Ganztägig lernen“ NRW moderierten Netzwerks (vgl. http://www.ganztag-nrw.de/thematisches/lernzeiten/). Diese
                                                                                                              Synopse gibt Hinweise darauf, dass es zwischen den Schulformen nur geringfügige Unterschiede in der Ausgestaltung und Umsetzung ihrer Konzepte
                                                                                                              gibt: So legen Gesamtschulen neben der Stoffvermittlung auch viel Wert auf die Vermittlung fachübergreifender und überfachlicher Kompetenzen,
                                                                                                              während bei Gymnasien fachbezogene Konzepte im Vordergrund stehen. Insgesamt betrachtet bietet sich hier demnach die Möglichkeit, auch schul-
                                                                                                              formübergreifend voneinander zu lernen.

4                                                                                                                                                                                                                                                                    5
Ute Gerken (Hg.) Lernzeiten am Gymnasium _ Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Praxisbeispiele - Lernpotenziale 2014 _ Heft 2 - Stiftung Mercator
Einführung

In engem Zusammenhang dazu stehen die Ausführungen               senverband angeboten werden, wird in Jahrgangsstufe 6         „Förderturm“ nennt sich das Projekt des Otto-Hahn-Gym-
von Horst Zeinz, der sich mit der notwendigen Differen-          zu einer fachgebundenen Binnendifferenzierung gewech-         nasiums in Herne. Ziel des Projektteams ist es, den Kin-       Literatur
zierung in der Formulierung von individualisierten Aufga-        selt, die auch Raum für projektorientiertes Arbeiten lässt.   dern einen angstfreien Start in der Erprobungsstufe
ben beschäftigt. Welche Maßnahmen sind notwendig, um                                                                           zu ermöglichen und sie daran anschließend — entsprech-         Althoff, Kirsten (2014): Evaluationsbericht der ersten Online-Umfrage
der zunehmenden Heterogenität der Schülerschaft gerecht          Seine Weiterentwicklung der Lernzeiten zur „Lernwerk-         end ihrer Bildungsbiographien — möglichst individuell zu       im Rahmen des Projekts Lernpotenziale. Individuell fördern im Gymna-
zu werden und ihnen in unterschiedlichen Lernsettings            statt“ stellt das ganztägig organisierte Clemens-Brentano-    fördern und zu fordern. In Mathe, Deutsch und Englisch wer-    sium. (bisher unveröffentlicht).
die Möglichkeiten zu eröffnen, ihre Kompetenzen zu ent-          Gymnasium aus Dülmen vor. In der Erprobungsstufe werden       den dazu in halber Klassenstärke Förder- und Fordergruppen
wickeln? Er beschreibt zudem, welche Einflussgrößen für          die Schülerinnen und Schüler darauf vorbereitet, ab Klasse    gebildet, hinzu kommen Coachinggruppen, Methodentrai-          Haenisch, Hans (2011): Gebundene Ganztagsschule — Ansätze zur Ge-
die erfolgreiche Entwicklung von Lehr- und Lernprozessen         7 selbständig mit dem Lernplaner zu arbeiten und in der       nings für überfachliche Lern- und Arbeitstechniken sowie       staltung. Eine qualitative Studie zu ersten Erfahrungen in gebundenen
umumgänglich sind und wie effektiv diese Elemente einer          doppelstündigen Lernwerkstatt ihre Pflicht-, Wahl- und Pro-   „Lernboxen“.                                                   Ganztagsrealschulen und –gymnasien. In: Der GanzTag in NRW. Beiträge
veränderten Lernkultur sich auf lernbezogene Eigenschaf-         jektaufgaben zu erledigen. Je älter die Schülerinnen und                                                                     zur Qualitätsentwicklung, Jg. 7, Heft 19.
ten von Schülerinnen und Schülern auswirken.                     Schüler werden, desto mehr Selbständigkeit wird von ihnen     Das Vorhaben des Gymnasiums am Neandertal in Erkrath
                                                                 erwartet, um sie so auf die gymnasiale Oberstufe vorzube-     geht schließlich deutlich über spezifische Lernzeitenkon-      Kamski, Ilse (2013): Rhythmisierung: Lernzeiten am Vor- und Nachmit-
Torsten Nicolaisen widmet sich den aktuellen Entwicklun-         reiten.                                                       zepte hinaus und nimmt ein übergreifendes Thema in den         tag. In: Erdsiek-Rave, Ute / John-Ohnesorg,  Marei (Hrsg.): Gute Ganz-
gen hin zu eine neuen Lernkultur und einer veränderten                                                                         Blick: Sein Anliegen ist es, Lehrkräfte für den Einfluss des   tagsschulen. Schriftenreihe des Netzwerk Bildung. Berlin: Friedrich-
Ausgestaltung von Lehr- und Lernprozessen aus der Perspek-       „Lernpotenziale“ heißt das Projekt des Albert-Martmöller-     Geschlechts auf schulisches Lernen und die unterschiedli-      Ebert-Stiftung.
tive des Lehrpersonals. Je stärker die Individualisierung die-   Gymnasiums in Witten und befasst sich mit der Förderung       che Lebenskonzeptentwicklung von Mädchen und Jungen
ser Prozesse voranschreitet, desto stärker ändert sich auch      von individuellen Neigungen, Stärken und Begabungen in        zu sensibilisieren. Das Projekt „Reflexive Koedukation“ hat    Kaufmann, Elke (2012): Ganztag ohne Hausaufgaben? Forschungsergeb-
die Rolle der Lehrkräfte weg von der Stoffvermittlung hin        Jahrgangsstufe 7. Im Rahmen einer wöchentlichen Ergän-        entsprechend geschlechterreflektierte Konzepte für die in-     nisse zur Gestaltung von Übungs- und Lernzeiten.
zu einer beratenden und begleitenden Funktion. Diagnose-         zungsstunde werden von den Lehrkräften Kurse wie z.B.         dividualisierte Förderung von Schülerinnen und Schülern im
kompetenzen und die Fähigkeiten der Lehrenden, sich auf          „Die Mathe-Macher“ oder „English Sketches“ angeboten,         Unterricht, den Lernzeiten und allen weiteren außerunter-      MSW – Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-
die individuellen Belange der Schülerinnen und Schüler ein-      die von den Schülerinnen und Schülern anhand ihrer selbst     richtlichen Lern- und Förderangeboten des Ganztags entwi-      Westfalen (2013): Hausaufgaben in der Primarstufe und in der Sekun-
zulassen, müssen gestärkt werden. „Lerncoaching“ ist das         eingeschätzten Neigungen und Begabungen belegt werden         ckelt.                                                         darstufe I. RdErl. d. Kultusministeriums v. 2. 3. 1974. BASS 12 — 31 Nr.
Stichwort und wird an praxisnahen Beispielen systemischer        können.                                                                                                                      1 (Stand: 1.7.2013).
Ansätze und ressourcenorientierter Methoden vorgestellt.                                                                       Ich danke allen Autorinnen und Autoren aus den Schulen und
                                                                 Das Gymnasium Horn-Bad Meinberg bietet Neigungspro-           der Wissenschaft für ihre Mitarbeit und wünsche allen Lese-    Nordt, Gabriele (2010): Hausaufgaben/Lernzeiten aus Sicht der päda-
Der Beitrag von Agathe Tabel schließlich rundet die Reihe        jekte und Lernstudios zum selbstgesteuerten Lernen an.        rinnen und Lesern viel Inspiration beim Lesen!                 gogischen Kräfte und Kinder. In: Wissenschaftlicher Kooperationsver-
der Fachbeiträge ab, indem er Ergebnisse der Bildungs-           Ab Jahrgang 5 werden für alle Schülerinnen und Schüler                                                                       bund (Hg.): Lernen und Fördern in der offenen Ganztagsschule. Wein-
berichterstattung Ganztagsschule NRW zum Thema Lern-             vier fächerübergreifende Neigungsprojekte angeboten,          Ute Gerken                                                     heim und München, S. 630-633.
zeiten vorstellt. Inwieweit haben Ganztagssgymnasien in          die ein selbständiges Erarbeiten von Zusammenhängen und
Nordrhein-Westfalen die Umsetzung verschiedener Gestal-          Problemlösungen ermöglichen. Ausgewählte Schülerinnen
tungselemente von Lernzeiten bereits umgesetzt und kön-          und Schüler haben für eine begrenztes Zeitfenster die Mög-
nen damit weiterhin als gute Beispiele für Halbtagsschulen       lichkeit, auf Empfehlung einer Fachlehrkraft ihr Neigungs-
vorangehen ­— und wo sehen die befragten Lehr- und Fach-         projekt zu verlassen, um ein Lernstudio zu besuchen und
kräfte noch Verbesserungsbedarfe und Entwicklungspoten-          vorhandene Schwächen auszugleichen.
ziale?
                                                                 „Werde ein SchLAUfuchs!“ animiert das Ganztagsgymnasi-
Die Praxisbeispiele werden angeführt von der Marienschule        um Laurentianum Warendorf seine leistungsstarken Schü-
Münster, einem bischöflichen Mädchengymnasium. Das               lerinnen und Schüler zum projektorientierten Arbeiten in
Gymnasium hat sich der Entwicklung und Erprobung eines           den Jahrgangsstufen 5 und 6. Konzentrationsstarke und aus-
Konzeptes zur Gestaltung individueller Lernwege im Rah-          dauernde Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit,
men von Binnendifferenzierung verschrieben. Der Fokus            sich unterschiedlichste Kompetenzen über die Ausarbeitung
liegt hier auf den Bedingungen für ein selbständiges und         von fachübergreifenden Projekten anzueignen und diese vor
eigenverantwortliches Arbeiten der Schülerinnen. Während         Mitschülerinnen und Mitschülern, Lehr- und Fachkräften so-
die Lernzeiten in Klasse 5 noch fachübergreifend im Klas-        wie Eltern zu präsentieren.
Ute Gerken (Hg.) Lernzeiten am Gymnasium _ Rahmenbedingungen, Voraussetzungen und Praxisbeispiele - Lernpotenziale 2014 _ Heft 2 - Stiftung Mercator
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen von Lernzeiten

    1. Lernstrategien: Neurodidaktische Zugänge zur Gestaltung von Lernzeiten7

    Heinz Schirp

                                                                                                                                                                                                3) Abrufstrategien: Zugriffe auf bereits Gelerntes
    Unter Lernzeiten werden Phasen verstanden, in denen im         Stress (hier ist Disstress, also die negative Variante ge-    der Verstärkung und Aktivierung von Verabeitungskapazität
                                                                                                                                                                                                   verbessern
    Rahmen verschiedener Kontexte Lernarrangements gestal-         meint) sorgt häufig dafür, dass Wissensbestände nicht wie-    bezieht sich darauf, dass unser Gehirn dann besonders ak-
    tet werden, die Raum für spezifische Fördermöglichkeiten       der aktiviert und genutzt werden können, weil das Gehirn      tiv ist, wenn es dazu genutzt wird, Zusammenhänge und          Wissens- und Kenntnisbestände werden letztlich nur dann
    bieten. Ein interessanter Ansatz, Lernzeiten zu gestalten,     durch Stresshormone in seiner Arbeit stark beeinträchtigt     Erkenntnisse zu erklären. Und schließlich stellen Präsenta-    zu wirklich sichereren Beständen, wenn wir sie auch ab-
    ergibt sich u.a. aus neurowissenschaftlichen Befunden und      wird und Gedächtniszugänge blockiert werden. Solche           tionen und Visualisierungen von Lernschritten und -ergeb-      rufen können — und zwar „on demand“, also bei Bedarf
    den daraus herleitbaren neurodidaktischen Anregungen.          Stresssymptome entstehen etwa durch Leistungsdruck, zu        nissen für unser Gehirn höchst intensive Aktivierungsformen    und genau in den Situationen, in denen wir sie benötigen,
    Ausgangspunkte sind Lernblockaden, die bei Verarbeitungs-      hohe Leistungserwartungen und Versagensängste etwa in         dar; sie sind gewissermaßen Superzeichen, die gut erinnert     um etwa fachliche Zusammenhänge zu klären, Probleme
    und Verstehensprozessen auftreten können. Förderung und        Prüfungssituationen.                                          und reaktiviert werden können.                                 zu lösen oder anderen etwas zu erklären. Entwicklung und
    Nutzung von Lernstrategien erweisen sich dabei als interes-                                                                                                                                 Nutzung von Abrufstrategien helfen dabei, Kenntnisbe-
    sante Ansätze zur individuellen Förderung.                                                                                                                                                  stände zu stabilisieren; dies setzt allerdings voraus, dass
                                                                   Lernstrategien
                                                                                                                                 Elaborationsstrategien lassen sich z.B. entwickeln             Lernende über die Fähigkeit verfügen, gelernte Zusam-
                                                                   Lernstrategien sind operative Instrumente und „Werkzeu-       und fördern durch aufmerksamkeitsstiftende Impulse,            menhänge zu rekonstruieren. Abrufstrategien lassen sich
    Lernblockaden und Lernprobleme
                                                                   ge“, die für selbständiges Lernen eine hohe Bedeutung         Visualisierungen von Problemstellungen (z.B. eye cat-          z.B. dadurch trainieren, dass man zunächst in Form eines
    Aus neurowissenschaftlicher Sicht lassen sich vor allem        haben (vgl. dazu Mandl / Friedrich 2006). Häufig werden in    cher), Aktivierung von Vorwissen, episodischen, emo-           Assoziogramms selbst notiert, an welche Sachverhalte,
    vier elementare neuronale Zusammenhänge identifizieren,        Nachhilfe- und Förderphasen Unterrichtsinhalte oder– er-      tionalen, autobiographischen und situativen Zugängen           die etwa zur Bearbeitung einer Lernaufgabe benötigt wer-
    die Verarbeitungsprozesse negativ beeinflussen und nach-       gebnisse einfach nur wiederholt und „gebüffelt“. Bei lern-    sowie interaktiven und kooperativen Arbeitsformen.             den, man sich noch erinnert. Danach sollten die eigenen
    haltiges Lernen und Verstehen stören oder gar verhindern       fördernden Maßnahmen sollte es aber auch darum gehen,                                                                        Erinnerungsbruchstücke mit den Assoziationen der Mitschü-
    können.                                                        Lernende (wieder) zu befähigen, selbstständig zu arbeiten                                                                    lerinnen und Mitschüler verglichen und ggf. ergänzt wer-
                                                                                                                                 2) Erhaltungsstrategien: Kenntnis- und Wissensbestände
                                                                   und Lernprozesse aus eigener Kraft erfolgreich durchzu-                                                                      den. Ein weiterer Trainingsschritt besteht dann darin, aus
                                                                                                                                    regelmäßig nutzen
    Fehlende Anschlussfähigkeit entsteht immer dann, wenn          führen zu können. Die nachfolgenden sechs Lernstrategien                                                                     den Ergebnissen der gemeinsamen Wissensrekonstruktion
    neue Informationen zwar in das Arbeitsgedächtnis (ABG)         verweisen darauf, wie Lernarrangements gestaltet werden       Die Leistungsfähigkeit unserer neuronalen Netze ist nut-       eine eigene Mind-Map oder eine Concept-Map zu generie-
    aber nicht in das Langzeitgedächtnis (LZG) gelangen. Dies      können, um gehirnfreundliches und nachhaltiges Lernen         zungsabhängig nach dem Motto „Use it or lose it!“ Was          ren. Rekonstruktionsverfahren verbessern zum einen die
    führt u.a. dazu, dass „Gelerntes“ schnell wieder verges-       zu organisieren; insofern geben diese Überlegungen auch       an neuronalen Bahnungen, Potenzialen und Netzwerken            assoziative Leistungsfähigkeit unseres Gehirns, sie stel-
    sen wird. Anschluss- und Erinnerungsfähigkeit sind darauf      Anregungen zur gehirnfreundlichen Gestaltung von Lern-        nicht regelmäßig genutzt wird, wird schwächer, verblasst       len aber auch ganz praktische Hilfen dar, wenn es etwa in
    angewiesen, dass alte und neue Informationen sinnvoll und      zeiten. Dabei wird deutlich, dass sich die einzelnen Lern-    allmählich und kann zunehmend schlechter reaktiviert wer-      Stress- und Prüfungssituationen darum geht, Erinnerungs-
    nachhaltig miteinander verbunden werden können, dass           strategien überschneiden und sich in ihren Effekten wech-     den. Wenn also Lernergebnisse behalten werden sollen,          und Ideenblockaden zu überwinden. Je häufiger solche Ver-
    es also so etwas gibt wie individuelle „Erinnerungsbrücken“    selseitig unterstützen.                                       dann müssen sie auch immer wieder in Gebrauch genommen         fahren genutzt und als erfolgreich wahrgenommen werden,
    etwa zum eigenen Vorwissen, zu eigenen episodischen Er-                                                                      werden. Dabei helfen Pauken und mechanisches Üben nur          umso eher werden sie zu „Standardwerkzeugen“ für das Ab-
    fahrungen, zu individuellen Sinnkonstruktionen (z.B. „Esels-                                                                 bedingt; effektiver sind Formen intelligenten Übens und        rufen von Wissensbeständen. Hinter diesem Effekt steckt
                                                                   1) Elaborationsstrategien: Verarbeitungs- und Verstehens-
    brücken“) oder zu eigenen Vorstellungsmustern.                                                                               das bedeutet u.a., Wiederholungs- und Übungsformen in va-      das neurobiologisch belegbare Phänomen, dass für das Be-
                                                                      prozesse unterstützen
                                                                                                                                 riierende Kontexte einzubinden. Als erfolgreich und effektiv   halten nicht die Länge eines Übungsvorgangs entscheidend
    Fehlende Nutzungsfähigkeit führt ebenfalls dazu, dass Ge-      Zahlreiche neurowissenschaftliche Befunde zeigen auf,         haben sich ebenfalls sogenannte verteilte Übungsformen er-     ist, sondern die Häufigkeit, mit der ähnliche Impulse die
    lerntes nicht dauerhaft behalten wird. Der Grund dafür liegt   dass Wissen und Verstehen nicht einfach durch Belehrung       wiesen. Dabei geht es darum, den Übungsprozess in kleine,      neuronalen Potenziale (Nervenzellen, Synapsen, neuronale
    hier aber in dem neuronalen Phänomen des „pruning“, d.h.       vermittelt werden können. Da unser Gehirn ein sich selbst     überschaubare Schritte zu zerlegen. Verteilte Übungsfor-       Bahnungen und Netzwerke) aktivieren. Erhaltungsstrategien
    Gelerntes „verkümmert“ und „verblasst“, wenn es nicht re-      organisierendes System ist, müssen vielmehr neuronale         men sind etwa beim Erlernen von Vokabeln, von Gedichten        lassen sich darüber hinaus besonders effektiv in tutoriellen
    gelmäßig reaktiviert wird. Das geschieht etwa, wenn Voka-      Bahnungen und Netze intensiviert und aktiviert werden,        und beim Verstehen und Üben komplexer Lösungsmuster            Verfahren realisieren.
    beln, mathematische Aufgaben oder Sachinformationen, die       um neue Informationen und Zusammenhänge mit alten             wichtig.
    gelernt, bearbeitet und kurzfristig auch sinnvoll verwendet    zu verbinden. Gesagt ist eben noch nicht gehört und gehört
    werden konnten, über längere Zeit nicht wieder aufgegrif-      ist längst noch nicht verstanden.
    fen werden; sie geraten in Vergessenheit und können nicht                                                                    Erhaltungsstrategien lassen sich z.B. entwickeln und               Abrufstrategien lassen sich z.B. entwickeln und för-
    oder nur schlecht erinnert werden nach dem Motto: “Use it      Elaborationsstrategien und Verarbeitungsprozesse begin-       fördern durch das Anwenden und Variieren von bewähr-               dern durch Memotechniken, Mind-Maps, Concept-Maps,
    or lose it!“                                                   nen mit dem Herstellen von Aufmerksamkeit. Ohne Auf-          ten Routinen, Arbeitsmustern und Lerntechniken. Dabei              Assoziogramme, Gedankenkarten, grafische Darstel-
                                                                   merksamkeit werden die neuronalen Prozesse, die für das       spielen Werkzeuge wie Lern-Karteien, Schaubilder und               lungen von erinnerten Zusammenhängen, Think-Pair-
    Fehlende Kontextualisierung kann der Grund dafür sein,         Verarbeiten von Informationen, für das Vernetzen und Ver-     die Dokumentation eigener Lernschritte und -ergebnis-              Share-Verfahren, Lernspiralen, Placemats etc.
    dass Informationen nicht wieder abgerufen werden können,       stehen von Zusammenhängen benötigt werden, nicht in           se eine besondere Rolle, weil man sich in neuen Lern-
    obwohl sie bereits erfolgreich ins LZG enkodiert wurden.       Gang gesetzt. Ein zweiter Zugang zur Verstärkung neuro-       situationen an diesen Arbeitsmustern orientieren kann.
    Das liegt ggf. daran, dass etwa die fachlichen Kontexte des    naler Verarbeitungsintensität besteht darin, Assoziationen,
    Lernstoffes nicht mehr rekonstruiert werden können; man        Vorwissen und Präkonzepte zu aktivieren und in den Ver-
    spricht bei diesem Phänomen von „Inselwissen“.                 arbeitungsprozess gezielt einzubauen. Eine dritte Variante

    7
        Vgl. dazu ausführlich Schirp 2009.

8                                                                                                                                                                                                                                                              9
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen von Lernzeiten

     4) Nutzungsstrategien: Wissen und Kompetenzen anwenden       5) Konzentrationsstrategien: Die eigenen Lernvorausset-
        und ausbauen                                                 zungen verbessern
     Wissensbestände, die keinerlei Bezüge zu Anwendungs-         Effektive Lernprozesse sind auf Ruhe, Aufmerksamkeit          Durch die Erfahrung, dass man gelernt hat, Arbeitsaufga-
     und Nutzungssituationen haben, werden als „träges Wis-       und Konzentration angewiesen. Zur Unterstützung sol-          ben zu bewältigen, entwickeln und verstärken sich positi-       Literatur
     sen“ charakterisiert. Unter „trägem Wissen“ (inert know-     cher Lernbedingungen lässt sich ein breites Spektrum von      ve Einstellungen und Emotionen (somatische Marker), die
     ledge) wird z. B. Faktenwissen verstanden, das mechanisch    Verfahren nutzen. Visuelle Zugänge durch Aufmerksamkeit       selbst wieder die Grundlage für weitere erfolgreiche Lern-      Mandl, Heinz Friedrich, Helmut, Felix (Hrsg.) (2006): Handbuch Lern-
     auswendig gelernt, aber nicht wirklich begriffen und ver-    stiftende Bilder (eye catcher), motorische und kinästhe-      erfahrungen sind. Letztlich geht es darum, das eigene           strategien, Göttingen: Hogrefe.
     standen wurde. Träges Wissen kann zwar durch häufiges        tische Übungen (Brain Gym), kleine Bewegungsübungen,          Selbstbewusstsein und die eigene Selbstwirksamkeit (Al-
     Wiederholen und Memorieren gespeichert werden; da es         Anspannungs- und Dehnungsübungen können dabei helfen,         bert Bandura) zu entwickeln.                                    Schirp, Heinz (2009): Wie „lernt“ unser Gehirn? Neurodidaktische Zu-
     aber überwiegend nur für die Schule gelernt worden ist,      Lernblockaden zu beseitigen, soweit diese durch ein zu ho-                                                                    gänge zur Lern- und Unterrichtsentwicklung, in: Rolff, Hans-Günther,
     bleibt es weitgehend funktionslos und lässt sich nicht       hes Ablenkungspotential verursacht werden. Für diese Ent-                                                                     Rhinow, Elisabeth, Röhrig, Theresa. (Hrsg.) Unterrichtsentwicklung —
     auf neue Sachverhalte transferieren, weil das Gelern-        spannungs- und Konzentrationsübungen gibt es jeweils          Kontroll- und Selbstregulationsstrategien lassen sich z. B.     Eine Kernaufgabe der Schule, Köln: LinkLuchterhand, S. 3 —28.
     te nicht wirklich verstanden wurde. Franz Weinert plä-       altersgerechte Übungsformen. Sie helfen dabei, Stresssitu-    entwickeln und fördern durch die Dokumentation eige-
     diert deshalb für die Entwicklung intelligenten Wissens.     ationen zu bewältigen. Darüber hinaus zeigen Studien zur      ner Stärken, die Routinisierung erfolgreicher Lernschrit-
     Darunter wird ein Wissen verstanden, das genutzt, erwei-     Lernentwicklung auf, wie wichtig Bewegung generell für        te und Arbeitsverfahren, durch Ergebnispräsentationen,
     tert und ausgebaut werden kann, mit dem man selbst wie-      erfolgreiches Lernen ist. Bewegung bildet nicht nur in der    Lerntagebücher und Portfolios.
     der neues Wissen generieren kann, das zu Einsichten sowie    Kindheit die Grundlage für motorische Koordination und die
     zu selbständigen Denk- und Verstehensprozessen führt, das    Ausdifferenzierung kognitiver Kompetenzen; sie erweist
     lebenspraktisch vernetzt, sinnhaft verknüpft und sozial-     sich in allen Altersphasen als lernförderlich.
                                                                                                                                Lernstrategien und Lernzeiten
     interaktiv gestaltet ist. Nutzungsstrategien können dabei
     mit ganz unterschiedlichen Verfahren realisiert werden.                                                                    Lernstrategien und die damit verbundenen Arrangements
     Das Spektrum reicht von der Nutzung in Alltagssituationen,       Konzentrations- und Selbstregulationsstrategien lassen    haben eine zentrale Bedeutung für die gesamte schulische
     über unterrichtliche Aufgabenstellungen und Lernaufgaben         sich z. B. entwickeln und fördern, durch Entspannungs-    Lernkultur. Sie lassen sich aber auch und besonders intensiv
     bis hin zum Transfer eines Lernzusammenhangs auf ganz            übungen, kinesiologische Übungen, Bewegungspausen,        für die Gestaltung von Lernzeiten nutzen, weil es hier grö-
     andere fachliche Problemstellungen. Nutzungsstrategien           meditative Ruhephasen, Einbau von Bewegungsübungen        ßere Gestaltungsfreiräume gibt. Zum einen lassen sich da-
     können aber auch darin bestehen, das eigene Wissen ein-          in möglichst viele unterrichtliche Lernverfahren.         bei die individuellen Lernschwierigkeiten und –stärken der
     zusetzen, anderen etwas zu erklären. Neben dem sozialen                                                                    Schülerinnen und Schüler genauer in den Blick nehmen und
     Nutzen, der etwa in tutoriellen Lernsituationen erkennbar                                                                  damit zentrale Zugänge zu individuellen Förderkonzepten
                                                                  6) Kontroll- und Selbstregulationsstrategien:
     wird, profitiert auch derjenige, der etwas erklärt, selbst                                                                 herstellen; zum anderen können Lernstrategien aber auch
                                                                     Das eigene Selbstkonzept stabilisieren
     von einem solchen Verfahren; er festigt dadurch sein eige-                                                                 ganz gezielt als Werkzeuge in unterschiedlichen Kontexten
     nes Wissen. Das ist auch die neurodidaktische Begründung     Kontrollstrategien sind metakognitive Zugänge, die vieles     geübt werden.
     für Programme wie „Lernen durch Lehren“. Wenn ich etwa       von dem bündeln, was in den vorab skizzierten Strategien      Dazu ist es allerdings notwendig, dass Lehrerinnen und Leh-
     anderen Zusammenhänge erkläre, dann führt das zu neu-        als lernbedeutsam dargestellt wurde. Sie beziehen sich auf    rer
     ronalen Prozessen, in denen die eigenen Wissensbestände      alle Phasen des Lernens — von der eigenen Zielsetzung und
     reaktiviert und genutzt werden. Und schließlich sind ei-     der damit verbundenen Motiviertheit über die Stimmigkeit      •   ein gemeinsames Konzept zur Gestaltung von Lernzeiten
     gentlich alle medialen Formen von Ergebnispräsentationen     der gewählten Arbeitsverfahren bis hin zur Beurteilung der        entwickeln (KONSENS),
     geeignet, die eigenen Wissensbestände zu nutzen und zu       eigenen Lernergebnisse. Solche Selbstregulationsformen        •   methodische Verfahren für die altersgerechte und ge-
     festigen. Ergebnisdarstellungen sind dabei gewissermaßen     stellen aus lernpsychologischer Sicht Kontrollüberzeu-            zielte Unterstützung einzelner Lernstrategien erstellen
     externe Repräsentationen interner Verarbeitungsergebnisse.   gungen dar. Sie sollen Schülerinnen und Schülern helfen,          (REPERTOIRE),
                                                                  ihre Lernprozesse erfolgreich zu gestalten; Lernende sollen   •   die spezifischen Lernblockaden und -stärken ihrer Schü-
                                                                  und können dabei erfahren, dass sie selber Einfluss auf die       lerinnen und Schüler identifizieren und entsprechende
     Nutzungsstrategien lassen sich z. B. entwickeln und för-     Qualität ihrer Lernergebnisse nehmen können. Dazu ist es          Fördermöglichkeiten koordinieren (ABSPRACHEN),
     dern durch die Erstellung von Präsentationen, Transfers      notwendig, dass Schülerinnen und Schüler selbst dokumen-      •   „gehirnfreundliche“ Lernzugänge, z. B. Bewegung, krea-
     auf Alltagssituationen und/oder fächerübergreifende          tieren, wo und wie sie erfolgreiche Lernergebnisse er-            tivitätsfördernde Verfahren, tutorielle Lerngemeinschaf-
     Kontexte, durch tutorielle Verfahren und Formen von          reicht haben. Solche Erfahrungen bieten die Chance, dass          ten einplanen (FREIRÄUME),
     „Lernen durch Lehren“.                                       erfolgreiche Arbeitsmuster routinisiert und zur Steuerung     •   für sich selbst, aber auch für die Schülerinnen und Schü-
                                                                  des eigenen Arbeitsverhaltens dauerhaft genutzt werden.           ler — und gemeinsam mit ihnen — Instrumente entwickeln
                                                                                                                                    und nutzen, die belegen, dass Lernergebnisse durch die
                                                                                                                                    Förderung von Lernstrategien tatsächlich verbessert wer-
                                                                                                                                    den können (EVALUATION).

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Rahmenbedingungen und Voraussetzungen von Lernzeiten

2. Niveaudifferenzierte Aufgabenstellungen im Rahmen von Lernzeiten

Horst Zeinz

In diesem Beitrag werden Forschungsbefunde und aktuel-                       Nach Veröffentlichung der Ergebnisse der PISA-Untersu-         der erreichten Kompetenzen in jeder Stufe ermöglichen.            Erfolg behindern. Hier ist die Metastudie von Hattie (2009)
le Diskurslinien der Erziehungswissenschaft vorgestellt, die                 chung 2000 wurde der Kompetenzbegriff als Modewort             Entscheidend bei den Kompetenzstufenmodellen, die in-             zu nennen, welche einen wesentlichen Beitrag zur Klärung
auf eine Optimierung individueller Lehr-/ Lernprozesse fo-                   teils inflationär verwendet und ersetzte im Alltagssprach-     zwischen für die verschiedensten Fächer und Jahrgangs-            der Beziehungen zwischen Schul- bzw. Unterrichtsmerk-
kussieren. Ferner wird ausgeführt, wie diese Forschungs-                     gebrauch häufig Begriffe wie Fähigkeiten, Fertigkeiten         stufen vorliegen (vgl. http://www.iqb.hu-berlin.de),ist           malen und den Lernerfolgen lieferte. Einen kleinen unter-
ergebnisse in Bezug auf differenzierende Maßnahmen und                       und Wissen bzw. deren Anwendung. Es wurde unter anderem        es, dass nicht nur die Leistung von Personen, sondern auch        richtsnahen Ausschnitt beleuchtet der „Lernmotor“, den
Aufgabenstellungen in Unterricht und gleichermaßen in                        verstärkt darüber diskutiert, ob eine Umorientierung von       Aufgaben auf dieser Skala verortet werden können. So kön-         Zeinz und Scheunpflug (2010) vorstellten.
Lernzeiten bedeutsam sind und Anwendung finden können.                       einer Inputorientierung zu einer Outputorientierung erfol-     nen Aufgaben identifiziert werden, die mit hoher Wahr-            Eine Optimierung von Lehr- und Lernprozessen ist vom Zu-
                                                                             gen müsse, die weniger das Faktenwissen, sondern stärker       scheinlichkeit nur von Personen gelöst werden können,             sammenwirken verschiedener Einflussgrößen abhängig: Ein
                                                                             die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in den Blick      die den entsprechenden Wert auf derselben Skala erreicht          gutes Schul- und Klassenklima, der Glaube an Verände-
Heterogenität, Differenzierung und Kompetenzerwerb
                                                                             nimmt. Aber: Input- und Outputorientierung ergänzen sich       haben. Auf diese Weise kann anhand des Schwierigkeits-            rung und die Veränderbarkeit eigener Kompetenzen, sowie
Um der Herausforderung gerecht zu werden, angesichts ei-                     und bedingen sich gegenseitig. Und: Faktenwissen und Kom-      grads einer Aufgabe analysiert werden, welche konkreten           „guter Unterricht“ (vgl. Meyer 2004) und die förderliche
ner zunehmend heterogenen Schülerschaft jedem einzelnen                      petenzen sind weder gegensätzlich noch lassen sie sich auf     Leistungen erforderlich sind, um diese zu lösen. Wichtig da-      Wirkung dieser Einflussgrößen auf das Selbstwertgefühl
eine bestmögliche Förderung zu ermöglichen, werden (ge-                      einen der Bereiche (Input bzw. Output) beschränken. Die        bei ist das Verständnis, dass es sich bei der Beschreibung        sind wichtige Bausteine in diesem Gefüge. In Abbildung 1
rade nach PISA und IGLU) immer wieder Maßnahmen der Dif-                     Unterscheidung zwischen Input und Output macht vor al-         der Kompetenzstufen um Abgrenzungen handelt, die auf der          wird dies durch die grünen Pfeile symbolisiert. Gefühle,
ferenzierung und Individualisierung gefordert (vgl. Helmke                   lem Sinn bei der Betrachtung eines (schulischen) Prozesses,    Darstellung eines Leistungskontinuums getroffen wurden,           die den Umgang mit Erfolg und Misserfolg sowie Neuigkei-
2012).                                                                       weniger aber bei der Betrachtung von einzelnen Bereichen       d.h. dass es sehr wohl fließende Übergänge zwischen den           ten betreffen, können, ebenso wie die Vergleiche eige-
                                                                             bzw. Einflussgrößen schulischen Lernens. So kann beispiels-    einzelnen Stufen gibt und dass die Bestimmung der Kom-            ner Leistungen, positive (grüne Pfeile) wie auch negative
Dass Differenzierung nicht gleich Differenzierung ist, zeig-                 weise Wissen im Sinne von Vorwissen „Input“ darstellen,        petenzstufen nicht alleine aufgrund empirischer und didak-        (rote Pfeile) Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl haben.
ten u. a. Analysen der Internationalen Grundschul-Lese-                      jedoch auch ein Ergebnis des Lernprozesses, also „Output“      tischer Erwägungen, sondern beispielsweise auch aufgrund          Während Erfolge und Neuigkeiten in der Regel das Lernen
Untersuchung (IGLU): Während beispielsweise in Schott-                       sein. Gleiches gilt für Kompetenzen und für motivationale      von politischen und normativen Überlegungen erfolgt (vgl.         fördern, sind Misserfolge häufig lernhemmend. Individuel-
land, England und Schweden die meisten der befragten                         Aspekte, wie das Interesse der Schülerinnen und Schüler,       Köller 2010).                                                     le und kriteriale Leistungsvergleiche wirken sich ebenso
Lehrkräfte betonten, dass sie unterschiedliches Material                     die ebenfalls während des gesamten Lernprozesses eine                                                                            förderlich auf Lernprozesse aus, wohingegen soziale Ver-
für Schülerinnen und Schüler auf unterschiedlichem Niveau                    wichtige Rolle spielen.                                        Abb. 1: Ein „Lernmotor“ zur Optimierung von Lehr-/Lernprozessen   gleiche meist ungünstig sind, da stets nur einer der Beste
verwenden, gab die Mehrzahl der Lehrkräfte aus Deutsch-                                                                                     (Zeinz/Scheunpflug 2010: 38)                                      innerhalb einer Gruppe sein kann und der Zweitplatzierte
land, Frankreich und Griechenland an, dass sie das glei-                                                                                                                                                      dies meist als Niederlage empfindet. Durch die Berück-
che Material verwenden und die Schülerinnen und Schüler                          Als Kompetenzen beschrieben werden „die bei Indivi-                                                                          sichtigung der Komplexität dieser zentralen Einflussgrößen
in unterschiedlicher Geschwindigkeit arbeiten lassen (Bos                        duen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kogniti-                      „Lernmotor“                                        kann eine Veränderung der schulischen Lernkultur hin zu
u.a. 2003). Unterschieden wird vielfach zwischen zielin-                         ven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Pro-                                              Gutes                       einem stärken- und potentialorientierten Lernen erfolgen.
differenter Differenzierung (bei gleichem Lernziel vari-                         bleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motiva-                                              Klima                       Kompetenzen sind, wie geschildert, nicht nur auf den kog-
ieren Lernhilfen, Lernmaterialen, –hilfen, und –zeit) und                        tionalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und                                                                       nitiven Bereich beschränkt. Vielmehr sind auch sozioemo-
zieldifferente Differenzierung (für spezifische Interessen,                      Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situ-                                                                       tionale Kompetenzen Ziele von Erziehung und Bildung.
                                                                                                                                                               Glaube an       Guter
Lernvoraussetzungen und Bedürfnisse werden verschieden                           ationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu                          Veränderung     Unterricht                     Als Ergänzung zu den ministeriell vorgegebenen Zeugnissen
Lerninhalte und –ziele angeboten). Weiter werden als For-                        können.“ (Weinert 2001: 27f).                                                                                                werden z. B. an Thüringer Schulen seit 2003 Kompetenzbö-
men der Differenzierung genannt: äußere und innere Dif-                                                                                                                                                       gen eingesetzt, in denen „Lernkompetenz“ als Einheit von
ferenzierung (Binnendifferenzierung), sowie „natürliche                                                                                                              Selbstwertgefühl                         Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz gesehen
Differenzierung“, die auf dem Gedanken aufbaut, dass bei                     Zum Messen und Abbilden von Kompetenzen gibt es mehr                                                                             wird und die weniger als Beurteilungs-, sondern mehr als
einer umfassenden Erarbeitung eines Themas Aufgaben un-                      und weniger standardisierte Möglichkeiten bzw. Ansätze.                                                                          Beratungsinstrument eingesetzt werden und als Hilfe bei
terschiedlicher Schwierigkeitsniveaus anfallen, bei denen                    Eine in der Schulpraxis häufig angewendete Methode ist                            Gefühle:       Vergleiche:                     der Kompetenzentwicklung verstanden werden (vgl. Exner
                                                                                                                                                               - Misserfolg    - individuell
sich alle Schülerinnen und Schüler (von leistungsschwäche-                   es, Aufgabenschwierigkeiten zu modifizieren und Leistungen                        - Erfolg        - sozial                       2010). Eine veränderte Lernkultur (hin zur Kompetenzori-
ren bis leistungsstarken) nach ihren Möglichkeiten beteili-                  zu ermitteln, indem zwischen vier Anforderungsniveaus (Re-                        - Neuigkeit     - kriterial                    entierung) bedingt auch eine veränderte Aufgabenkultur:
gen können. Durch dieses Arbeiten auf unterschiedlichen                      produktion, Reorganisation, Transfer und problemlösendes                                                                         Es bedarf kompetenzorientierter Aufgaben. Um kompe-
Anforderungsniveaus kann der Gefahr vorgebeugt werden,                       Denken) unterschieden wird. Eine weitere standardisierte                                                                         tenzorientierten Unterricht zu ermöglichen, ist es für die
                                                                                                                                                                        Lernen
dass schwache Schülerinnen und Schüler über‐ und leis-                       Methode stellt das Abbilden von Leistungen der Schüle-                                                                           Schülerinnen und Schüler nötig, Aufgaben zu erhalten,
tungsstarke unterfordert werden. (vgl. Wittmann/Müller                       rinnen und Schüler mit Hilfe von Kompetenzstufenmodel-                                                                           die nicht nur im Sinne von Reproduktion oder Reorganisation
1995). Zu bedenken ist auch die Gruppierung der Schüle-                      len dar. Im Zuge der Einführung von Bildungsstandards8                                                                           Wissen abfragen, sondern zudem den Transfer von Gelern-
rinnen und Schüler: Sie kann beispielsweise nach Leistung,                   wird versucht, diese Kompetenzstufenmodelle im Sinne                                                                             tem auf andere Bereiche und problemlösendes Denken in
                                                                                                                                            Ein „Lernmotor“ und die Veränderung der schulischen Lern-
Interesse oder Geschlecht erfolgen. Sie kann situativ fle-                   der Qualitätssicherung gewinnbringend einzusetzen. Da-                                                                           neuen Lernsituationen ermöglichen und anregen.
                                                                                                                                            kultur
xibel, oder längerfristig angelegt sein, und die Einteilung                  bei werden, wie bei PISA, Leistungen bzw. Kompetenzen
kann durch die Lehrkraft oder durch die Schülerinnen und                     auf einer Skala abgebildet. Die Kompetenzstufen, die zur       Die empirische Unterrichtsforschung widmet sich unter an-         Wenn eine nachhaltige Veränderung der schulischen Lern-
Schüler vorgenommen werden. Wie im Unterricht sind also                      Überprüfung der Bildungsstandards entwickelt wurden,           derem der Frage, welche Merkmale von Unterricht dazu              kultur das Ziel ist, so sollte sich mit einer veränderten
auch in „Lernzeiten“ die verschiedensten Arten von diffe-                    werden so definiert, dass sie die Leistungsskala in fünf Ab-   beitragen, dass Schülerinnen und Schüler nachhaltig zu            Aufgabenkultur einhergehend auch das Feedback für die
renzierenden Maßnahmen und Aufgabenstellungen denkbar.                       schnitte einteilen und auch eine inhaltliche Interpretation    hohen Lernerfolgen kommen, und welche Merkmale diesen             Schülerinnen und Schüler (und somit die Feedbackkultur)

8
    Vgl. hierzu http://www.iqb.hu-berlin.de/bista (Zugriff am 30.06.2014).
Rahmenbedingungen und Voraussetzungen von Lernzeiten

verändern: Rückmeldungen sollten individuell auf die Ergeb-                   wurden das Schulleben und der Unterricht berücksichtigt.       Tab. 1: Beispiele statistisch signifikanter Merkmale stärkenorientierter Förder-
nisse eingehen, z. B. durch das Aufzeigen und Würdigen ver-                   Ein weiteres Merkmal von KOMPASS lag darin, dass die Um-       maßnahmen im Projekt KOMPASS auf Seite der Schülerinnen und Schüler 11
schiedener Lösungsmöglichkeiten bei ein und derselben Ma-                     setzung einer Stärkenförderung auf vielen verschiedenen
thematikaufgabe. Eine Stärkung der individuellen Bezugs-                      Ebenen ansetzte: Es wurden Maßnahmen für die Schülerin-
                                                                                                                                                          Zu Messzeitpunkt 2:                   Zu Messzeitpunkt 3:
normorientierung kann dazu beitragen, das Selbstvertrau-                      nen und Schüler entwickelt, Lehrerfortbildungen angeboten
                                                                                                                                                          Förderung der/des…                    Förderung der/des…
en der Lernenden zu bestärken: Wenn sich eine Schülerin                       (z. B. eine Ausbildung zum „Lerncoach“9) und die Zusam-
oder ein Schüler beispielsweise im Diktat von 30 Fehlern                      menarbeit mit den Eltern wurde intensiviert.                    5.-7.       - Selbstkonzepte in den Fächern       - positiven Schulwahrnehmung
auf zehn Fehler verbessert hat und sich dies (noch) nicht in der                                                                              Jgst.         Mathematik und Deutsch              - wahrgenommenen individuel-
nach kriterialen Maßstäben bewerteten Note niederschlägt,                     Die Arbeit mit Kompetenzrastern10 kann als ein Beispiel für                 - Interesses im Fach Mathematik         len Bezugsnormorientierung
so sollte diese individuelle Verbesserung im Unterricht durch                 Maßnahmen dieses Modellversuchs genannt werden. Dabei                       - Überzeugung in die Veränderbar-       der Lehrkraft
Lehrkraft und Mitschülerinnen und Mitschüler gewürdigt                        stellt die Lehrkraft unterschiedliche Lernmaterialien zu ei-                  keit eigener Fähigkeiten
                                                                                                                                                          - Präferenz für Kooperation
werden. Nicht nur das Feedback durch die Lehrkraft ist ent-                   nem bestimmten Thema oder Fach bereit, und die Schüle-
scheidend. Für das Selbstvertrauen der Schülerinnen und                       rinnen und Schüler schätzen ihren aktuellen Leistungsstand
Schüler ist gerade auch das Feedback der eigenen Peer-                        (Ist-Stand) in verschiedenen Kompetenzrastern ein. Diese        7.-9.       - allgemeinen Schulinteresses         - Interesses im Fach Deutsch
Group von entscheidender Bedeutung. Aus diesem Grund ist                      Einschätzung wird auch durch Tests, welche die Lehrkraft        Jgst.       - Interesses im Fach Deutsch          - wahrgenommenen Strukturie-
es wichtig, Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen,                   bereithält, unterstützt. Anschließend wird von den Schüle-                  - positiven Umgangs mit Misserfolg      rungshilfen der Lehrkraft
selbst eine stärkenorientierte Feedbackkultur zu entwickeln                   rinnen und Schülern bestimmt, welches Niveau sie inner-
(vgl. Scheunpflug/ Zeinz 2009). Entscheidend ist auch der                     halb der Kompetenzraster in einem definierten Zeitraum
Gedanke, dass im Rahmen der individuellen Förderung Eva-                      erreichen wollen (Soll-Stand). Weiter wird geklärt, welche
luation von Lernvoraussetzungen und ein Erheben des Ist-                      Materialien und welche Methoden genutzt werden, um die
Stands, Zielsetzung, Durchführungs-/ Übungsphase, sowie                       gesetzten Ziele zu erreichen. Abschließend reflektieren
eine erneute Messung/ Evaluation des neuen Lernstands und                     Schülerinnen und Schüler mit den Lehrkräften gemeinsam
ein Feedback darüber als zirkulärer Prozess zu sehen ist,                     über den bisherigen Erfolg und das weitere Vorgehen, womit
an dem die verschiedensten Personen und Gruppen beteiligt                     der geschilderte Prozess von vorne beginnen kann.              Literatur
sein können: Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Eltern,
usw.                                                                                                                                         Bos, Wilfried / Lankes, Eva-Maria / Prenzel,  Manfred / Schwippert, Knut/       Scheunpflug,  Annette / Zeinz, Horst (2009): Schülerfeedback — Schüler ler-
                                                                              Positive Effekte einer veränderten Schul- und Lernkultur
                                                                                                                                             Valtin, Renate / Walther, Gerd (Hrsg.) (2003): Erste Ergebnisse aus IGLU.       nen konstruktive Kommunikation. In: Schulmanagement 4/ 2009, S. 8-11.
Feedback ist auch dann an Stärken und Kompetenzen ori-                        In einer Evaluationsstudie mit drei (jeweils ein Jahr aus-     Schülerleistungen am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationa-
entiert, wenn Fehler als etwas gesehen werden, die im                         einander liegenden) Messzeitpunkten konnten zahlreiche         len Vergleich. Münster/ New York: Waxmann.                                      Weinert, Franz (2001):  Vergleichende Leistungsmessung in Schulen  —
Lernprozess natürlich sind und als Ausgangspunkt für wei-                     Hinweise auf den Erfolg einer potential- und stärkenori-                                                                                       eine umstrittene Selbstverständlichkeit.
tere Lernschritte dienen können. Anders formuliert trägt                      entierten Förderung im Rahmen des Projekts KOMPASS bei         Exner, Silvia (2010): Dokumentation der Kompetenzentwicklung.                   In: Weinert, Franz (Hrsg.): Leistungsmessungen in Schulen.
ein positiver Umgang mit Fehlern zu einer Veränderung der                     Schülerinnen und Schülern sowie bei Lehrkräften gefunden       In: Schulmanagement 6/ 2010, S.12-14.                                           Weinheim/ Basel: Beltz, S. 17-31.
Fehlerkultur, und damit ebenso zu einer veränderten (schu-                    werden.
lischen) Lernkultur bei.                                                                                                                     Hattie, John (2009): Visible Learning. A Synthesis of Over 800 Meta-            Wittmann,  Erich / Müller, Gerhard (Hrsg.) (1995): Mit Kindern rechnen.
                                                                              Befragt wurden ca. 3600 Schülerinnen und Schüler und ca.       Analyses Relating to Achievement. London/ New York: Routledge.                  Beiträge zur Reform der Grundschule. Frankfurt/ M.: Arbeitskreis Grund-
Die Stiftung Bildungspakt Bayern initiierte 2007 den an zwölf                 900 Lehrkräfte mittels Fragebögen. Kleine, jedoch statis-                                                                                      schule.
Realschulen durchgeführten Modellversuch „KOMPASS —                           tisch signifikante Effekte der Fördermaßnahmen konnten         Helmke, Andreas (2012): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionali-
Kompetenz aus Stärke und Selbstbewusstsein“. Im Rahmen                        bei den Schülerinnen und Schülern beispielsweise in den in     tät. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts.                     Zeinz,  Horst / Scheunpflug,  Annette (2010): Selbstbewusstsein und
dieses Modellvorhabens erarbeiteten die beteiligten Lehr-                     Tabelle 1 dargestellten Bereichen festgestellt werden.         Seelze: Klett-Kallmeyer.                                                        Lernerfolg. In: Pädagogik 10/2010, S. 36-39.
kräfte Maßnahmen, die — je nach Voraussetzung und Ziel-                       Differenzierende Maßnahmen bieten im herkömmlichen
setzung der jeweiligen Schule — dazu beitragen sollten, die                   Unterricht wie auch in „Lernzeiten“ vielfältigste Gestal-      Köller, Olaf (2010): Schülerleistungen und Kompetenzstufenmodelle.
Idee einer Stärkenförderung umzusetzen (vgl. Scheunpflug                      tungsmöglichkeiten, schulische Lehr- und Lernprozesse zu       In: Schulmanagement 6/2010, S. 20 — 22.
u.a. 2012). KOMPASS zielte dabei auf eine breit angeleg-                      optimieren. Kompetenzorientierte und niveaudifferenzierte
te Förderung von Schülerinnen und Schülern: einerseits auf                    Aufgabenstellungen stellen eine wichtige Stellschraube in      Meyer, Hilbert (2004): Was ist guter Unterricht?
eine Verbesserung motivationaler Aspekte (wie Lernfreude                      einem komplexen Gefüge von Einflussgrößen dar. Diese gilt      Berlin: Cornelsen Scriptor.
und Selbstwertgefühl) und den Ausbau von Kompetenzen.                         es zu beachten, wenn eine bestmögliche Förderung aller
Andererseits wurde eine Veränderung der Lern- und Schul-                      Schülerinnen und Schüler das Ziel der Bemühungen ist.          Scheunpflug,  Annette / Stadler-Altmann, Ulrike / Zeinz,  Horst (2012):
kultur im Sinne einer Stärkenorientierung angestrebt. Dabei                                                                                  Bestärken und fördern — Wege zu einer veränderten Kultur des Lernens
                                                                                                                                             in der Sekundarstufe I. Erarbeitet und erprobt im Modellversuch KOM-
                                                                                                                                             PASS — Kompetenz aus Stärke und Selbstbewusstsein. Seelze: Friedrich.

9                                                                                                                                            11
    Vgl. hierzu den Beitrag von Torsten Nicolaisen in dieser Publikation.                                                                         Die genauen statistischen Kennwerte zu diesen und weiteren Forschungsergebnissen (z.B. zu den Befragungen der Lehrkräfte) sind bei Scheunpflug
10
     Vgl. exemplarisch hierzu: http://www.institut-beatenberg.ch/wie-wir-lernen/instrumente/kompetenzraster.html (Zugriff am 30.06.2014).         u. a. (2012) dargestellt.
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