Waldstrategie 2020 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - eine gesellschaftliche Chance und Herausforderung - SDW Schutzgemeinschaft Deutscher ...

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Waldstrategie 2020 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - eine gesellschaftliche Chance und Herausforderung - SDW Schutzgemeinschaft Deutscher ...
Waldstrategie 2020
 Nachhaltige Waldbewirtschaftung –
 eine gesellschaftliche Chance und Herausforderung
Waldstrategie 2020 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - eine gesellschaftliche Chance und Herausforderung - SDW Schutzgemeinschaft Deutscher ...
„
Der Gedanke der Nachhaltigkeit verbindet wirt-

schaftliche Leistungsfähigkeit mit ökologischer

Verantwortung und sozialer Gerechtigkeit.

Diese drei Ziele bedingen einander. Denn auf

Dauer ist kein Wirtschaftswachstum vorstellbar,

das auf Raubbau an der Natur oder auf sozialen

Ungerechtigkeiten beruht. Diese Erkenntnis ist

Ausdruck unserer Verantwortung nicht nur für

jetzige, sondern auch für künftige Generationen.

Was wir heute tun, darf nachfolgenden

Generationen die Chancen auf ein Leben in

          “
einer intakten Umwelt und in Wohlstand

nicht nehmen.

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
beim Food Business Weltgipfel, 18. Juni 2008

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VORWORT

Nachhaltige Waldbewirtschaftung – eine gesellschaftliche
Chance und Herausforderung

Von den finnischen Urwäldern bis zu den               Damit der Wald und seine vielfältigen Talente uns
Pinienwäldern Süditaliens, von den Kiefernwäl-        auch in Zukunft erhalten bleiben, dürfen wir den
dern Andalusiens bis zu den russischen Birken-        Wald nicht einseitig fordern oder gar überfordern.
wäldern – nichts prägt das Landschaftsbild            Deshalb hat die Bundesregierung die Waldstrate-
Europas so wie der Wald. Allein bei uns in            gie 2020 für den Natur- und Wirtschaftsraum
Deutschland ist ein Drittel der Landesfläche mit      Wald verabschiedet. Anhand der Waldstrategie
Wald bedeckt. Und ebenso vielseitig wie die           können wir die vielfältigen Ansprüche an Klima-
Gesichter des Waldes sind auch seine Talente.         leistung, Biodiversität, Rohstoffe, Erholungs-
Der Wald ist Heimat für Tiere und Pflanzen.           leistung und Energie aufeinander abstimmen und
Er leistet seinen Beitrag zum Schutz von Klima,       mögliche Konflikte lösen. „Schützen und nützen“
Wasser und Boden. Gleichzeitig ist er ein Raum        gleichermaßen ist dabei das Ziel. Zudem wird die
für Erholung und sportliche Aktivitäten. Wälder       Waldstrategie ihren Beitrag leisten, bei den Bürge-
sind tief in unserer kulturellen Identität verwur-    rinnen und Bürgern das notwendige Wissen und
zelt: Für uns Deutsche haben sie einen festen         Verständnis für den heimischen Wald zu fördern.
Platz in unseren Herzen.                              Unser Wald hat Aufmerksamkeit verdient.
                                                      Denn uns ist klar: Der Wald braucht uns, aber vor
Der Wald liefert uns den vielseitigen Rohstoff        allem brauchen wir den Wald.
Holz: Holz kann vom Bau- und Werkstoff bis hin
zum Energieträger die vielfältigsten Aufgaben
erfüllen. Dabei wird nicht mehr Holz genutzt, als
im Wald wieder nachwächst. Dieses Prinzip hat
bei uns seit 300 Jahren Tradition. Zugleich verste-
hen wir heute Nachhaltigkeit umfassend: Unsere
nachhaltige Forstwirtschaft berücksichtigt die        Ilse Aigner
Nutz- und Schutzaufgabe des Waldes ebenso wie         Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft
seine Erholungsfunktion.                              und Verbraucherschutz

3
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INHALT

1.   Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .             5

     1.1.         Herausforderungen und Chancen für den Wald –
                  Notwendigkeit einer Waldstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                           5
     1.2.         Verlauf der Diskussion und Beteiligung der Verbände . . . . . . . . . .                                         6

2.   Vision und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             8

3.   Handlungsfelder und Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                                   9

     3.1.         Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel . . . . . . . . . . . . . .                                        9
     3.2.         Eigentum, Arbeit und Einkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                           12
     3.3.         Rohstoffe, Verwendung und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                            14
     3.4.         Biodiversität und Waldnaturschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                          18
     3.5.         Waldbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        22
     3.6.         Jagd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   24
     3.7.         Schutz von Boden und Wasserhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                                26
     3.8.         Erholung, Gesundheit und Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .                             29
     3.9.         Bildung, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . .                                 30

                                                                                                                                  4
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1.      EINLEITUNG                                    In Zeiten wachsender Holznot und drohender Aus-
                                                      beutung der Wälder reifte in Deutschland bereits
                                                      vor rund 300 Jahren die Erkenntnis, dass nur ein
                                                      nachhaltiges Wirtschaften künftigen Generationen
1.1.    Herausforderungen und Chancen                 den gleichen Nutzen aus dem Wald sichern kann.
        für den Wald – Notwendigkeit                  Während sich dieser Grundsatz in den Anfängen
                                                      zunächst auf die Holzversorgung bezog, entwik-
        einer Waldstrategie
                                                      kelte die Forstwirtschaft das Prinzip der Nachhaltig-
                                                      keit kontinuierlich weiter. Heute verfolgt die nach-
Die Anforderungen an die natürlichen Ressourcen       haltige Forstwirtschaft das Ziel, dauerhaft und
und deren verantwortungsvolle Nutzung nehmen          optimal die vielfältigen ökonomischen, ökologi-
aufgrund globaler Entwicklungen weiter zu. Für        schen und sozialen Leistungen des Waldes zum
eine wachsende Weltbevölkerung sind Ernährungs-       Nutzen gegenwärtiger und zukünftiger Generatio-
sicherung, Rohstoff- und Energieversorgung, die       nen sicherzustellen. Diese Zielsetzung ist anspruchs-
Erhaltung unserer natürlichen Umwelt und biologi-     voll und wird in Deutschland über den integrativen
schen Vielfalt, sowie der Klimawandel die zentra-     Ansatz einer nachhaltigen, multifunktionalen
len Herausforderungen unserer Zeit. In einer auf      Forstwirtschaft verfolgt.
Nachhaltigkeit ausgerichteten gesellschaftlichen
Entwicklung kommt deshalb auch einer klima-,          Wald ist in Deutschland die potenzielle natürliche
umwelt- und naturschonenden Produktion nach-          Vegetation. Heute werden über 11 Mio. Hektar
wachsender Rohstoffe eine zentrale Bedeutung zu.      Wald, das sind 31 % der Landesfläche, meist seit
                                                      Generationen nachhaltig forstlich bewirtschaftet.
In Europa besteht politischer Konsens, die knapper    Die Waldfläche hat in den letzten vier Jahrzehnten
werdenden endlichen Rohstoffe effizienter zu nut-     um 1 Million Hektar zugenommen. Hierzulande ist
zen und soweit möglich zunehmend durch nach-          der Wald neben den landwirtschaftlichen Nutzflä-
wachsende Rohstoffe zu ersetzen. Sowohl im stoffli-   chen die bedeutendste Rohstoffquelle für Biomasse,
chen als auch im energetischen Bereich ist deshalb    die bei nachhaltiger Bewirtschaftung dauerhaft
von einem stärkeren Einsatz und Verwendung            zur Verfügung steht. Die Wuchsbedingungen in
nachwachsender Rohstoffe und erneuerbarer Ener-       Deutschland sind überwiegend günstig. Der Holz-
gieträger – und damit auch von Holz, Deutschlands     zuwachs ist seit Jahrzehnten deutlich größer als die
bedeutendstem nachwachsenden
Rohstoff – auszugehen.

Der Wald hat für die Menschen in
Deutschland seit alters her eine
besondere Bedeutung. Er prägte die
deutsche Kultur und fand Nieder-
schlag in Mythen, Sagen, Gedichten
und Liedern. Er war aber schon
immer von elementar wichtiger
Bedeutung als Wirtschaftsfaktor,
Rohstofflieferant, Klimaregulator,
Lebensraum für Flora und Fauna und
Rückzugsraum für Erholung
suchende Menschen. Das Erschei-
nungsbild des Waldes ist dabei im
Laufe der Jahrtausende wesentlich
durch die Einflussnahme und wirt-
schaftliche Tätigkeit des Menschen
geprägt worden.

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Holzentnahme, dadurch wurden erhebliche Holz-          Wissen und Verständnis sind jedoch Voraussetzung
vorräte aufgebaut.                                     für die Akzeptanz einer auf Nachhaltigkeit ausge-
                                                       richteten Waldbewirtschaftung.
Wald und Forstwirtschaft sind wie kein anderer
Sektor mit dem Klima verbunden. Während der            Die Ansprüche an Wald und Forstwirtschaft werden
Erhalt der Wälder sowie eine nachhaltige Wald-         in Deutschland weiter zunehmen: Verändertem
wirtschaft und Holznutzung das Klima positiv           Freizeitverhalten, wachsenden Ansprüchen zur
beeinflussen, können sich Klimaänderungen auch         Sicherung der Umwelt- und Naturschutzleistungen
negativ auf das Gedeihen unserer Wälder auswir-        des Waldes und von Seiten der Jagd sowie dem wei-
ken. Durch die Kohlenstoffspeicherung in den Wäl-      ter steigenden Holzbedarf gilt es im Rahmen einer
dern, den Ersatz fossiler Energieträger und durch      nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder gerecht
Einlagerung von Kohlenstoff in langlebigen Holz-       zu werden.
produkten kann CO2-Freisetzung vermieden bzw.
gesenkt werden. Die Potenziale der heimischen          Die steigenden Ansprüche aus nahezu allen Berei-
Wälder zur Verbesserung des Klimaschutzes über         chen – Nutzung, Schutz und Erholung – können
die Nutzung von Holz werden aktuell noch nicht         aber in Zukunft in regional unterschiedlicher Aus-
überall ausgeschöpft. Auf der anderen Seite unter-     prägung zu Zielkonflikten führen. Herausforderung
liegt der Wald den klimatischen Veränderungen,         für Politik ist es, die verschiedenen Ansprüche in
die geeignete Anpassungsmaßnahmen erfordern.           einer Gesamtabwägung zu bewerten und Rahmen-
                                                       bedingungen zu setzen, die es der Forst- und Holz-
Eine effiziente und nachhaltige Waldwirtschaft,        wirtschaft ermöglichen, die Herausforderungen
der sparsame Umgang mit den zur Verfügung ste-         dauerhaft möglichst optimal zu erfüllen.
henden Ressourcen sowie eine regionale, verarbei-
tungsnahe Rohstofferzeugung sind nicht nur unter       Die Waldstrategie 2020 der Bundesregierung leistet
Aspekten der Ökobilanz von hoher Relevanz; sie         hierzu einen Beitrag.
sind zudem eine wichtige Grundlage für eine
leistungsfähige und weltweit wettbewerbsfähige
Holz- und Papierwirtschaft. Versorgungssicherheit
aus heimischen und globalen Märkten ist gleicher-
                                                       1.2     Verlauf der Diskussion und
maßen Voraussetzung zur Sicherung von Arbeits-
plätzen und Wertschöpfung insbesondere im länd-                Beteiligung der Verbände
lichen Raum.
                                                       Die Waldstrategie wurde auf der Grundlage der
Der Wald erfüllt darüber hinaus wesentliche Funk-      Ergebnisse von 4 Symposien in München und Berlin
tionen für Mensch, Natur und Umwelt. Er ist Lebens-    formuliert. Mit einer bundesweiten „Clusterstudie“
raum für Tiere und Pflanzen, Klimaregulator,           im Rahmen der Charta für Holz wurde das poten-
Schutzwald in Steillagen, Trinkwasser- und Luftfil-    zielle Holzangebot und die Nachfrage heute und in
ter, Erholungsraum und vieles mehr. Die Funktio-       Zukunft analysiert (München, Mai 2008). Schwer-
nen des Waldes und die Maßnahmen zur dauerhaf-         punkt der wissenschaftlichen Veranstaltung im
ten Sicherung sind in den Wald- und Naturschutz-       Dezember 2008 in Berlin war, Wald und Forstwirt-
gesetzen des Bundes und der Länder verankert. Der      schaft im Spannungsfeld unterschiedlicher gesell-
größte Teil der Waldfläche ist darüber hinaus auf      schaftlicher Interessen zu betrachten, Interessen-
freiwilliger Basis nach anerkannten Systemen auf       konflikte aufzuzeigen und Lösungsmöglichkeiten
Basis hochwertiger Kriterien nachhaltiger Forstwirt-   zu entwickeln. Im Mai 2009 folgte ein weiteres
schaft zertifiziert.                                   Symposium, in dem das Thema im Kreis der Vertre-
                                                       ter aus Politik und Verbänden weiter entwickelt
In der Bevölkerung nimmt allerdings das Wissen         wurde. Bei der 4. Veranstaltung im April 2010 ging
über das Ökosystem Wald und die Zusammen-              es um die Frage: Wie kann unser Zukunftswald aus-
hänge, Leistungen und Handlungserfordernisse           sehen, der die vielen Erwartungen, die wir zukünf-
nachhaltiger Forstwirtschaft nachweislich ab.          tig an ihn haben, bestmöglich erfüllt?

                                                                                                        6
Waldstrategie 2020 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - eine gesellschaftliche Chance und Herausforderung - SDW Schutzgemeinschaft Deutscher ...
dieser allgemeinen Ziele
                                                                            und Handlungsempfehlun-
                                                                            gen sowie die Lösung von
                                                                            Zielkonflikten im Rahmen
                                                                            des NWP nicht vollständig
                                                                            möglich war. In der „Wald-
                                                                            strategie 2020“ wird daher
                                                                            ein alternativer Weg
                                                                            beschritten, um die Ziele
                                                                            für die Waldwirtschaft zu
                                                                            konkretisieren und
                                                                            Lösungsansätze für Pro-
                                                                            bleme und Konflikte aufzu-
                                                                            zeigen, welche durch die
                                                                            Vielzahl unterschiedlicher
                                                                            gesellschaftlicher Interes-
                                                                            sen entstehen.

                                                                              Die „Waldstrategie 2020“
Vertreter des Waldeigentums, der Forst-, Holz- und   ist Ausdruck der Verantwortung der Bundesregie-
Energiewirtschaft und der Länder sowie der Natur-    rung für den Natur- und Wirtschaftsraum Wald. Sie
schutzverbände waren zu allen Veranstaltungen        richtet sich gleichermaßen an alle relevanten
eingeladen und haben sich mit umfassenden Dis-       Akteure auf Ebene von Bund und Ländern. Mit der
kussionsbeiträgen eingebracht. Im weiteren Verlauf   Initiative der Bundesregierung zur „Waldstrategie
sind Gruppen, wie der Deutsche Jagdschutzver-        2020“ wurde eine neue Diskussion begonnen und
band, Vertreter von Sport und Naturschutz sowie      Impulse für eigene Aktivitäten in den Ländern
der Arbeitnehmerseite einbezogen worden. Dabei       gegeben („Wälder für Niedersachsen“, Waldstrate-
wurde eine große Bandbreite mit zum Teil wider-      gie 2020 in Sachsen Anhalt, Holzimpulsprogramm
sprüchlichen Vorstellungen und Forderungen           Schleswig-Holstein, „Wald im Wandel“ Thürin-
erkennbar. Von allen bestätigt wurde, dass die       gen / NRW arbeitet derzeit ebenfalls an einer Wald-
Anforderungen an den Wald insgesamt zunehmen         strategie). Die Waldstrategie 2020 trägt dadurch
sowohl von Seiten der Holznachfrage als auch in      mit dazu bei, das Verständnis der Bürger für das
den Bereichen Klimaschutz, Schutz der biologi-       Ökosystem Wald und die Leistungen nachhaltiger
schen Vielfalt und Erholung und dass daher ausge-    Forstwirtschaft zu erhöhen.
wogene aber gleichermaßen lösungsori-
entierte Antworten gebraucht werden.

Die „Waldstrategie 2020“ greift auch
wesentliche Ergebnisse des „Nationalen
Waldprogramms“ (NWP) auf. Im NWP
sind seit 1999 in einem mehrere Phasen
umfassenden Prozess unter Beteiligung
einer Vielzahl von Interessengruppen,
Verbänden und Behörden Leitbilder
und allgemeine Ziele und Handlungs-
empfehlungen für die Waldbewirtschaf-
tung in Deutschland entwickelt und von
den meisten Beteiligten im Konsens
akzeptiert worden. Allerdings hat sich
auch gezeigt, dass die Umsetzung

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Waldstrategie 2020 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - eine gesellschaftliche Chance und Herausforderung - SDW Schutzgemeinschaft Deutscher ...
2.       VISION UND
         ZIELSETZUNG                                     Handlungsfelder und Teilziele
                                                         der Waldstrategie 2020:
Vision: Standortgerechte, vitale und an den Kli-         1. Klimaschutz und Klimaanpassung
mawandel anpassungsfähige Wälder mit überwie-
gend heimischen Baumarten werden durch eine                Der Beitrag der Forst- und Holzwirtschaft zum
nachhaltige Bewirtschaftung erhalten und weiter            Klimaschutz soll gesichert und gesteigert wer-
entwickelt. Die Wälder stellen die erforderlichen          den. Eine Anpassung des Waldes an Klimaän-
Rohstoffe bereit, bieten vielfältige Lebensräume für       derungen ist erforderlich, um auch weiterhin
Flora und Fauna, erfüllen ihre Schutzfunktionen            alle Funktionen des Waldes für Gesellschaft,
und laden zur Erholung ein. Die Naturnähe, Stabili-        Eigentümer, Natur und Umwelt gewährleisten
tät und Vielfalt der Wälder in Deutschland hat             zu können.
deutlich zugenommen.
                                                         2. Eigentum, Arbeit und Einkommen
Ziel der Waldstrategie 2020 ist es, eine den zukünfti-      (Wertschöpfung)
gen Anforderungen angepasste, tragfähige Balance
zwischen den steigenden Ansprüchen an den Wald             Die wirtschaftliche Grundlage der Forstbe-
und seiner nachhaltigen Leistungsfähigkeit zu ent-         triebe sowie die Wertschöpfung und Arbeits-
wickeln. Grundlage dafür ist die gleichrangige             plätze der Forst- und Holzwirtschaft sollen
Beachtung der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit          erhalten bleiben.
(Ökologie, Ökonomie, Soziales). Denn das Ziel einer
nachhaltigen Nutzung des Waldes erfordert die            3. Rohstoffe, Verwendung und Effizienz
gleichgewichtige Verbindung wirtschaftlicher Lei-
stungsfähigkeit mit ökologischer Verantwortung und         Die Produktion von Holz aus nachhaltiger
sozialer Gerechtigkeit. Die Waldstrategie soll zudem       Forstwirtschaft soll sichergestellt werden und
mit den anderen Strategien der Bundesregierung,            die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige
wie z. B. der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie,         Bereitstellung von Rohstoffen für die Holz-,
der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt,        Papier und Energiewirtschaft verbessert
dem Biomasseaktionsplan sowie mit den Maßnah-              werden. Der steigende inländische Holzbedarf
men gegen den Klimawandel kohärent sein.

                                                                                                            8
Waldstrategie 2020 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - eine gesellschaftliche Chance und Herausforderung - SDW Schutzgemeinschaft Deutscher ...
soll auch nach 2020 überwiegend aus heimi-            und Leistungen sollen erhalten und negative
      scher Erzeugung und durch die nachhaltige             Auswirkungen auf Natur, Waldbesitz und
      Erschließung weiterer Rohstoffquellen                 Bewirtschaftung durch geeignete Maßnahmen
      gedeckt werden.                                       vermieden werden.

    4. Biodiversität und Waldnaturschutz                9. Forschung, Bildung, Verbraucherauf-
                                                           klärung
      Die biologische Vielfalt im Wald soll durch
      geeignete Maßnahmen weiter verbessert                 Zur Vermeidung und Minimierung von Ziel-
      werden. Zusammenhänge zwischen Waldbe-                konflikten in den genannten Handlungsfel-
      wirtschaftung und biologischer Vielfalt sollen        dern sind erhebliche Anstrengungen in der
      weiter erforscht werden und deren Erkennt-            Forschung erforderlich. Gleichzeitig gilt es im
      nisse in weitere Entscheidungs- und Planungs-         Rahmen von Bildungsangeboten und einer
      prozesse einfließen.                                  verstärkten Verbraucheraufklärung das Ver-
                                                            ständnis für das Ökosystem Wald, die Leistun-
    5. Waldbau                                              gen nachhaltiger Forstwirtschaft, sowie den
                                                            effizienten Einsatz nachwachsender Rohstoffe
      Die Waldfläche in Deutschland soll erhalten           zu fördern.
      und wo möglich ausgebaut werden. Stabilität,
      Produktivität, Vielfalt und Naturnähe der
      Wälder sollen durch den bewährten integrati-
      ven Ansatz einer nachhaltigen, multifunktio-
      nalen Forstwirtschaft gesteigert werden.
      Der Anbau standortgerechter und überwie-         3.       HANDLUNGSFELDER
      gend heimischer Baumarten leistet hierzu                  (Ausgangslage,
      einen wichtigen Beitrag.
                                                                Herausforderungen,
                                                                Lösungsansätze)
    6. Jagd

      Die Jagd dient einer nachhaltigen Forstwirt-     3.1.     Klimaschutz und Anpassung an
      schaft im besonderen Maße. Eine stringente                den Klimawandel
      und effiziente Jagdausübung sichert den
      Erhalt des Ökosystems Wald und fördert natur-    Ausgangslage:
      nahe, sich natürlich verjüngende Wälder.
                                                       Wälder produzieren mit Sonnenenergie, entspre-
    7. Schutz von Boden und Wasserhaushalt             chendem Wasserangebot, einem ausgeglichenen
                                                       Stoffhaushalt und CO2 aus der Luft den natürlichen
      Der Boden als wichtiger Produktionsfaktor für    Rohstoff Holz. Holz besteht zu 50 % aus Kohlen-
      den Wald soll geschützt, schädliche Einwir-      stoff. Dieser Kohlenstoff wird beim Wachstum der
      kungen vermindert werden. Die Leistungen         Bäume als Kohlenstoffdioxid aus der Luft entnom-
      der Forstwirtschaft für die Wasserbereitstel-    men. Für jedes Kilogramm Holz werden der Atmo-
      lung sollen bewertet und Möglichkeiten der       sphäre rund 2 kg CO2 entnommen und als Kohlen-
      besseren Honorierung überprüft werden.           stoff in Holz zum Teil längerfristig gebunden. Wald
                                                       ist also ein riesiger natürlicher Kohlenstoffspeicher.
    8. Erholung, Gesundheit und Tourismus
                                                       Die Wälder der Erde speichern 50 % des gesamten
      Der Wert des Waldes für Erholung und Freizeit    Kohlenstoffvorrates der terrestrischen Biosphäre.
      und seine besonderen kulturellen Funktionen      Anders als in Deutschland werden weltweit durch
                                                       unkontrollierte Abholzung und Brandrodung, ins-

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Waldstrategie 2020 Nachhaltige Waldbewirtschaftung - eine gesellschaftliche Chance und Herausforderung - SDW Schutzgemeinschaft Deutscher ...
besondere in den tropischen Regionen, jährlich         längere Vegetationsperioden gibt, überwiegen
über 13 Mio. ha Wald zerstört. Aufforstungen kom-      eindeutig die negativen, da insbesondere längere
pensieren nur einen Teil. Nach jüngsten FAO-Anga-      Trockenphasen im Frühjahr die Vitalität der
ben bleiben insgesamt immerhin noch 5,2 Mio. ha        Wälder großflächig über mehrere Jahre schwächen
Waldverlust pro Jahr. Die globale Waldzerstörung       können.
ist verantwortlich für fast 20 % der weltweiten Koh-
lendioxid-Emissionen. Ohne internationalen Wald-       Auf Grund der Bedeutung der großen Waldflächen
schutz, die Einführung und Förderung nachhaltiger      in Deutschland sowie der langen Lebenszyklen und
Waldwirtschaft und geeignete Anpassungsmaßnah-         Produktionszeiträume von Wäldern sind nachhal-
men können die globalen Klimaschutzziele nicht         tige Anpassungsmaßnahmen dringlich, wie sie
erreicht werden.                                       auch in der von der Bundesregierung im Dezember
                                                       2008 vorgelegten Deutschen Anpassungsstrategie
Künftige Herausforderung                               an den Klimawandel umrissen werden. Hierfür wer-
                                                       den weitere regionale Voraussagen zu Klimaände-
Wald und nachhaltige Forstwirtschaft haben einer-      rungen als Entscheidungshilfen für die Baumarten-
seits nachweislich positive Wirkung auf das Klima,     wahl bei waldbaulichen Maßnahmen benötigt, da
sie sind auf der anderen Seite aber auch von den       die existierenden Vorhersagen noch mit großen
Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere von        Unsicherheiten behaftet sind. Zusätzlich erschwe-
zunehmenden Trockenperioden und extremen               ren unvorhersehbare Wechselwirkungen zwischen
Witterungen wie Stürme und Starkniederschläge          Klima und Schaderregern die Entscheidung über
betroffen. Während einzelne Witterungsextreme          waldbauliche Anpassungsmaßnahmen. Die Schwie-
                                                                                 rigkeiten werden am Bei-
                                                                                 spiel der Fichte beson-
                                                                                 ders deutlich. Die Fichte
                                                                                 ist in Deutschland der
                                                                                 häufigste Waldbaum und
                                                                                 wirtschaftlich besonders
                                                                                 bedeutsam. Weil die
                                                                                 Fichte schnell wächst,
                                                                                 wurde sie in vielen Regio-
                                                                                 nen außerhalb ihrer
                                                                                 natürlichen Standorte
                                                                                 angebaut. Fichten gelten
                                                                                 jedoch als anfällig gegen-
                                                                                 über indirekten Auswir-
                                                                                 kungen des Klimawan-
                                                                                 dels wie dem zunehmen-
                                                                                 den Borkenkäferbefall
                                                                                 und gegenüber Schäden
                                                                                 durch extreme Wetterer-
                                                                                 eignisse wie Windwurf.
                                                                                 Daher lohnt sich in man-
                                                                                 chen Regionen der
die Stabilität der Wälder in der Regel nicht oder      Anbau von Fichten wegen geänderter klimatischer
nur lokal beeinträchtigen, können langfristige Kli-    Bedingungen kaum noch. In Zukunft dürfte dies
maänderungen großflächige Gefährdungspoten-            noch mehr Regionen betreffen.
ziale für Wälder bergen. Wasserknappheit, Schäd-
lingsbefall und Waldbrände können dazu führen,         In ihrem Grünbuch zum Waldschutz stellt die Euro-
dass ganze Waldbestände absterben. Obgleich es         päische Kommission fest: „Langfristig leistet eine
auch positive Wirkungen des Klimawandels, wie          nachhaltige Waldbewirtschaftung zur Erhaltung

                                                                                                        10
Darüber hinaus sind in Deutschland rund 118 Mil-
                                                        lionen Tonnen CO2 in teilweise langlebigen Holz-
                                                        produkten gespeichert. Durch den Einsatz von Holz
                                                        in der stofflichen und energetischen Verwendung
                                                        wird jährlich die Freisetzung von rund 80 Millio-
                                                        nen Tonnen CO2 aus fossilen Brennstoffen vermie-
                                                        den. Eine Kaskadennutzung des Holzes, bei der die
                                                        energetische Nutzung erst nach der stofflichen
                                                        steht, hat dabei den größten Klimanutzen.

                                                        Der positive Beitrag der Holzprodukte ist jedoch
                                                        bisher nicht in dem internationalen Klimaregime
                                                        berücksichtigt. In einem möglichen Kyoto-Nach-
                                                        folgeabkommen sollte diese Lücke geschlossen
                                                        werden.

oder Verbesserung der CO2-Speicherkapazität der
Wälder und eine nachhaltige Produktion von Nutz-         Lösungsansätze:
holz, Holzwerkstoffen und Brennholz den größten
Beitrag zum Klimaschutz“.                                4   Wald soll als CO2-Senke erhalten bleiben.
                                                             Mit Maßnahmen zur Anpassung der deutschen
In Deutschlands Wäldern sind rund 1,2 Milliarden             Wälder an den Klimawandel und zur Er-
Tonnen Kohlenstoff in der ober- und unterirdischen           schließung des CO2-Minderungspotenzials
Biomasse gebunden. Die Entwicklung dieses Spei-              von Wald und Holz werden die Klima- und
chers bestimmt auch den Einfluss des Waldes auf das          Energieziele der Bundesregierung unter-
Klima. Ist der Zuwachs größer als die Holznutzungen,         stützt.
steigen die Vorräte und der Wald wirkt als CO2-
Senke. Liegen die Holznutzungen über dem Zuwachs,        4   Die Verwendung von Holz aus nachhaltiger
sinken die Vorräte und der Wald wird zur CO2-Quelle.         Forstwirtschaft zur Substitution energieinten-
Die Kohlenstoffbilanz hängt entscheidend vom                 siver Materialien mit nachteiliger Öko- und
Altersklassenaufbau ab. Junge Wälder besitzen eine           CO2-Bilanz soll über geeignete Maßnahmen
starke Senkenleistung, während sich in alten Wäl-            gefördert werden.
dern, bezogen auf die oberirdische Biomasse, langfri-
stig ein Gleichgewicht zwischen CO2-Aufnahme             4   Die Bundesregierung setzt sich in der EU und
(Wachstum) und Abgabe (Verrottung) einstellt.                in den internationalen Klimaverhandlungen
                                                             für die Anrechnung von Holz und Holzproduk-
In den letzten Dekaden wurden in Deutschland in              ten in die nationale Klima-/CO2-Bilanz ein.
den ehemals durch Kriegseinschläge und Reparati-
onshiebe stark ausgebeuteten Wäldern hohe Vorräte        4   Die Forschung über die Auswirkungen der
aufgebaut, die aktuell mit 330 Vorratsfestmetern/ha          Klimaänderungen auf den Wald und seine
die höchsten in Europa sind. Große Teile der deut-           Leistungsfähigkeit, sowie von geeigneten
schen Wälder sind daher in einem höheren Alter, in           Anpassungsmaßnahmen soll insgesamt ver-
dem das Baumwachstum abflacht. Damit nehmen                  stärkt werden (vgl. Kapitel 3.9).
die Kapazitäten für weitere Kohlenstoffbindung
durch Vorratsaufbau ab. Zu Anfang der 90er Jahre         4   In vorhandenen nutzungsfreien Wäldern soll
betrug die Senkenleistung noch ca. 80 Millionen              das Klimaanpassungspotenzial untersucht und
Tonnen CO2 im Jahr und hat seither kontinuierlich            Hinweise für die Forstwirtschaft gegeben
abgenommen. Derzeit werden jährlich 20 Millionen             werden.
Tonnen CO2 zusätzlich im Wald gespeichert.

11
3.2.    Eigentum, Arbeit und Einkommen                 Holz aus heimischen Wäldern ist auch in den euro-
                                                       päischen Mitgliedstaaten Rohstoffgrundlage für
Ausgangslage:                                          eine leistungsfähige Holzwirtschaft. 2007 waren in
                                                       der EU (27) im Holz-, Papier- und Druckgewerbe
Nutzung und Verwendung des Rohstoffes Holz sind        (forest-based industries) einschließlich Möbelher-
ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Für    steller ca. 3,3 Mio. Menschen in rund 365.000
die Waldbesitzer ist der Holzverkauf die bedeutend-    Unternehmen beschäftigt und erzielten einen Jah-
ste Einkommensquelle. Die Wälder in Deutschland        resumsatz von 454 Mrd. € 1.
werden von rund 160.000 privaten, staatlichen und
kommunalen Forstbetrieben und über 4.200 Forst-
betriebsgemeinschaften bewirtschaftet. Insgesamt       Künftige Herausforderung:
gibt es in Deutschland ca. 2 Mio. private Waldbesit-
zer; sie bewirtschaften ca. 47 % der Waldfläche.       Beim Nadelholz kann die zu erwartende Nachfrage-
Der Kommunalwald umfasst ca. 20 %, der Staats-         steigerung, verbunden mit einem Rückgang des
wald ca. 33 % der Waldfläche. Diese Verteilung der     Nadelholzanteils am Waldaufbau, mittel- und län-
Eigentumsarten hat sich bewährt. Sie trägt neben       gerfristig zu Engpässen und in deren Folge zum
den unterschiedlichen standörtlichen Gegebenhei-       Abwandern von Nadelholzsägewerken, Holzwerk-
ten wesentlich zur Vielfalt der Wälder bei. Rund       stoff- und Zellstoffbetrieben führen. Dadurch wären
100.000 Beschäftigte in staatlichen, kommunalen        Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft – insbesondere
und privaten Forstbetrieben erzielen einen Jahres-     in ländlichen Räumen – gefährdet.
umsatz von 5 Milliarden €. Hinzu kommen viele
Leistungen der Forstwirtschaft für den Schutz der      Demgegenüber ist der Anteil der Laubbäume an
Naturgüter, für die Erholung und Gesundheit, die       der Waldfläche in den letzten Jahrzehnten ständig
aber bislang kaum bewertet und meist nicht ent-        gestiegen und der Laubholzvorrat erheblich
lohnt werden.                                          gewachsen. Die Forstwirtschaft nutzt derzeit nur
                                                       rund die Hälfte des Zuwachses. Für viele Laubholz-
Die deutsche Forstwirtschaft kann dem Cluster          sortimente fehlen vielfach noch Verarbeitungs- und
Forst und Holz mit 1,2 Millionen Beschäftigten und     Verwendungsmöglichkeiten, innovative Technolo-
168 Milliarden € Umsatz (2009) bei geeigneten Rah-     gien und zukunftsträchtige Absatzmärkte mit
menbedingungen eine sichere Rohstoffquelle bie-        hoher Wertschöpfung.
ten. Die Wertschöpfung der deutschen Holzwirt-
schaft basiert derzeit zum überwiegenden Teil auf      Die große Gruppe der Kleinwaldbesitzer mit einer
Nadelholz. Im Jahr 2009 standen knapp 20 Millio-       durchschnittlichen Waldfläche von weniger als
nen Kubikmeter Nadelschnittholz nur 1 Million          10 Hektar hat den beruflichen Schwerpunkt über-
Kubikmeter Laubschnittholz gegenüber. Der Absatz       wiegend außerhalb der Forstwirtschaft. Ihre indivi-
beim Nadelholz ist insbesondere eng an die Ver-        duellen Zielvorstellungen sind sehr heterogen. Mit
wendung im Baubereich gekoppelt. Beim Laubholz         zunehmender Entfremdung besteht häufig kein
werden aus überwiegend technischen Gründen die
möglichen Verwendungspotenziale bei weitem
noch nicht genutzt.                                    1 Quelle: http://ec.europa.eu/enterprise/index_en.htm

                                                                                                               12
wirtschaftlicher Anreiz, sich forstwirtschaftlich zu
engagieren und entsprechendes Wissen anzueig-           4   Die Förderung von Forstbetriebsgemeinschaf-
nen. Diese – mit Blick auf die Holzmobilisierung            ten wird, insbesondere durch den Einsatz
und Pflege der Wälder – ungünstige Eigentümer-              forstfachlichen Personals, verstärkt. Bislang
größenstruktur kann sich durch die demographi-              „passive“ Waldbesitzer sollen durch forstli-
sche Entwicklung und den Strukturwandel in länd-            ches Fachpersonal gezielt angesprochen,
lichen Räumen eher noch verschärfen.                        informiert und dafür geworben werden, in
                                                            forstliche Betriebsgemeinschaften (FBG) und
                                                            Zusammenschlüsse einzutreten. Neben Effek-
 Lösungsansätze:                                            ten zur Mobilisierung nachhaltig nutzbarer
                                                            Rohstoffreserven wird darüber hinaus gleich-
 4   Die Bundesregierung steht für eine breite              zeitig ein Beitrag zur Gewährleistung der
     Streuung des privaten Eigentums und wird               Waldpflege und Stabilisierung der Bestände
     sich weiterhin für dessen Gewährleistung ein-          geleistet.
     setzen.
                                                        4   Zur Erhaltung von Arbeitsplätzen ist es not-
 4   Basis für eine verantwortungsvolle, nachhal-           wendig, die nachhaltig verfügbaren Nadelroh-
     tige Bewirtschaftung des Waldes und der                holzpotenziale auszuschöpfen und damit das
     Sicherung all seiner Funktionen sind wirt-             Risiko der Abwanderung bedeutender Teile
     schaftlich gesunde Forstbetriebe und Zusam-            der Holz- und Zellstoffindustrie als große
     menschlüsse von Waldeigentümern. Die Forst-            Arbeitgeber, insbesondere im ländlichen
     wirtschaft ist die Grundlage für eine leistungs-       Raum, zu verhindern.
     fähige und international wettbewerbsfähige
     Holzwirtschaft. Die Rahmenbedingungen sol-         4   Zur Nutzung der Potenziale von Laubholz ist
     len so gestaltet werden, dass die ökologischen         die Holz-, Zellstoff- und Papierwirtschaft
     und sozialen Funktionen des Waldes, damit              gefordert, weitere innovative und Ressourcen
     verbundene Arbeitsplätze und Wertschöpfung             schonende Verwendungsmöglichkeiten zu
     auch in Zukunft gesichert und ausgebaut                entwickeln.
     werden können.
                                                        4   Die Arbeitgeber bekennen sich zu ihrer Ver-
 4   Grundsätzlich sollen die politischen und recht-        antwortung für ihre Beschäftigten. Im Mittel-
     lichen Rahmenbedingungen so gestaltet wer-             punkt stehen dabei bewährte Sozialstandards,
     den, dass Waldbesitzer aus eigener Kraft wirt-         ein effektiver Gesundheits- und Unfallschutz,
     schaftlich, Markt orientiert und nachhaltig            die Einführung moderner Arbeitszeitmodelle
     arbeiten und ihre Existenz sichern können.             sowie eine leistungsgerechte Bezahlung.

 4   In Anbetracht der steigenden gesellschaftli-       4   Eine zukunftsfähige Forstwirtschaft braucht
     chen, klimapolitischen, ökologischen und wirt-         qualifizierte eigene Fachkräfte und Dienst-
     schaftlichen Ansprüche an Wald und Forstwirt-          leister. Waldbesitzer und Forstunternehmer
     schaft sollen entsprechende Beratungsleistun-          sind aufgefordert, auch zukünftig vertrauens-
     gen für den Kleinprivatwald als öffentliche            und verantwortungsvoll zusammen zu
     Aufgabe im Sinne der Daseinsvorsorge und des           arbeiten.
     Gemeinwohls weiter ausgebaut werden.
                                                        4   Zur dauerhaften Sicherung der komplexen
 4   Die Mobilisierung der Holzpotenziale, insbe-           Leistungsfähigkeit des Waldes darf eine Min-
     sondere auch im Kleinprivatwald unter 10 ha,           destpräsenz gut ausgebildeter Fachkräfte
     soll durch Maßnahmen zum Ausgleich der                 nicht unterschritten werden. Hier trägt der
     organisatorischen und logistischen Struktur-           öffentliche Waldbesitz ein hohes Maß an
     probleme verbessert werden.                            Verantwortung.

13
3.3.       Rohstoffe, Verwendung und                                 wachsenden Baustoffes erschließen sich im Bereich
           Effizienz                                                 der energetischen Sanierung von Gebäuden, des
                                                                     mehrgeschossigen Bauens, sowie dem Industrie-
                                                                     und Gewerbebau. Allein der Rohstoffverbrauch der
Ausgangslage:                                                        Holzwerkstoff- und Zellstoffwirtschaft stieg seit
                                                                     dem Jahr 2000 von rund 19 auf knapp 36 Millionen
Der inländische Verbrauch von Holzrohstoffen hat                     Kubikmeter im Jahr 2009 an. Hinzu kam ein stei-
in den vergangenen zwei Jahrzehnten kontinuier-                      gender Holzbedarf für die Energieerzeugung. Das
lich zugenommen und beträgt derzeit rund 130                         führte erstmals 2006/2007 zu einem Versorgungs-
Millionen Kubikmeter pro Jahr. Die Messgröße                         engpass mit rasantem Preisanstieg für alle Nadel-
„Holzrohstoffe“ ist ein Bruttowert, der teilweise                    holzsortimente. Mit den Windwürfen von „Kyrill“
Doppelzählungen enthält. Zu den Holzrohstoffen                       entspannte sich Anfang 2007 der Holzmarkt vor-
gehören Waldholz, Altholz (Gebrauchtholz), Land-                     übergehend. Derzeit zeichnen sich bei den Nadel-
schaftspflegematerial, aber auch Industrierestholz,                  holzsortimenten erneut zunehmende Versorgungs-
das auch im Waldholz bereits enthalten ist. Insge-                   engpässe ab.
samt werden rund 77 Millionen stofflich und rund
53 Millionen Kubikmeter energetisch genutzt. Die                     Holz ist ein nachwachsender Rohstoff mit einem
Verwendung von Nadelholz ist dabei deutlich ange-                    breiten Spektrum von der stofflichen bis zur ener-
stiegen; die von Laubholz gesunken 2.                                getischen Verwendung. Noch heute werden welt-
                                                                     weit rd. 10 % des Primärenergiebedarfs aus Bio-
                                                                     masse – insbesondere Holz – gedeckt. Der Energie-
                                                                     gehalt von 2 bis 2,5 Kilogramm Holz entspricht
                                                                     etwa dem von 1 Liter Heizöl. Holz hat gegenüber
                                                                     Öl und Gas derzeit einen deutlichen Preisvorteil.
                                                                     Zudem kann Holz vergleichsweise risikoarm
                                                                     erzeugt und transportiert werden. Der nachwach-
                                                                     sende Energieträger Holz ist meist ortsnah verfüg-
                                                                     bar und vermindert die Abhängigkeit von Öl- und
                                                                     Gasimporten. Regionale Wirtschaftskreisläufe wer-
                                                                     den unterstützt. Die Wertschöpfung bleibt vor Ort.
                                                                     Die Emissionswerte bei der Verbrennung sind
                                                                     inzwischen durch innovative Technologien über-
                                                                     wiegend auf einem niedrigen Niveau. Spätestens
                                                                     2025 wird die Marktdurchdringung emissionsar-
                                                                     mer Technologien abgeschlossen sein3.

Die in den zurückliegenden Jahren in Deutschland                     Die Verwendung von Holz insbesondere zur
zusätzlich aufgebauten Kapazitäten in der Säge-                      Wärme- und Stromgewinnung hat in den letzten
werk-, Holzwerkstoff- und Zellstoffindustrie basie-                  Jahren wegen schwankender und in der Tendenz
ren insbesondere auf Einsatz von Nadelholz. Inno-                    steigender Preise bei fossilen Energieträgern deut-
vative Produkte auf Basis von Nadelholz haben                        lich zugenommen. Mehr als die Hälfte des Energie-
dazu beigetragen, dass sich Holz als Baustoff                        holzes (28 Millionen Kubikmeter) wurde 2009 in
immer neue Verwendungsbereiche erschließen                           privaten Haushalten verwendet. Dabei handelt es
konnte. Mittlerweile wird jedes siebte Eigenheim                     sich überwiegend um Waldholzsortimente in Form
aus Holz gebaut. Zusätzliche Potenziale des nach-                    von Scheitholz, die für stoffliche Verwendungsalter-

2 MANTAU, U. (2009): Holzrohstoffbilanz Deutschland: Szenarien des   3 Umsetzung des Sanierungsprogramms 2014 bis 2024 der am
  Holzaufkommens und der Holzverwendung bis 2012 (Sonderheft           22.03.2010 in Kraft getretenen Novelle der 1. Bundesimmissions-
  327 Waldstrategie 2020; Tagungsband zum Symposium des                schutzverordnung zur Reduzierung von Schadstoffemissionen aus
  BMELV, 10.-11. Dezember 2008 in Berlin; Seiten 27 - 36)              Kleinfeuerungsanlagen

                                                                                                                                   14
nativen nicht geeignet sind oder zu wettbewerbs-      Vor diesem Hintergrund werden Fragen der Mate-
fähigen Preisen nicht erschlossen werden könnten      rialeffizienz und Kreislaufwirtschaft zunehmend an
(Selbstwerber). Durch die Fördermaßnahmen der         Bedeutung gewinnen. Der Holz- und Papiersektor
Bundesregierung zur Erreichung der Klimaziele im      hat gezeigt, wie ökonomische und ökologische Vor-
Jahr 2020 werden aber auch Anreize mit dem Ziel       teile miteinander verbunden werden können. Die
einer vermehrten und effizienteren Nutzung von        steigenden Quoten beim Papierrecycling von 60 %
Holz gegeben. Die zukünftigen energieeffizienten      auf über 70 % im Zeitraum 2000 bis 2009 ist dafür
Neubauten und Altbausanierungen mit anspruchs-        ein eindrucksvolles Beispiel. Das gilt gleicherma-
voller Wärmedämmung sowie der Einsatz moder-          ßen für die stoffliche Nutzung von Industrie- und
ner Holzheizungen mit deutlich geringerem Brenn-      Altholz durch die Holzwerkstoff- und Zellstofftech-
stoffbedarf wirken dabei tendenziell dämpfend auf     nologie, sowie die verstärkte Nutzung von Restholz
die Nachfrage nach Energieholz.                       zur Wärme- und Energieversorgung in den eigenen
                                                      Produktionskreisläufen der Unternehmen der Holz-
                                                      wirtschaft.

                                                      Zur Deckung des Rohstoffbedarfes tragen zusätzlich
                                                      Kurzumtriebsplantagen (KUP) außerhalb des Wal-
                                                      des bei. Der Anbauumfang in Deutschland ist der-
                                                      zeit mit rund 3.000 Hektar noch gering. Gegenüber
                                                      intensiven Ackerkulturen und alternativen Energie-
                                                      pflanzen können KUP bei Beachtung landschafts-
                                                      ökologischer Zusammenhänge und standortgemä-
                                                      ßer Artenwahl ökologisch positive Effekte in Bezug
                                                      auf Nährstoffhaushalt, Humusbildung und Arten-
                                                      vielfalt aufweisen.

                                                       Lösungsansätze:

Künftige Herausforderung:                              4   Die Holzernte wird maximal bis zum durch-
                                                           schnittlichen jährlichen Zuwachs gesteigert
Die Auswertung der vorliegenden Expertenszena-             (Basis ist das Referenzszenario der Bundesre-
rien zeigt, dass der Holzrohstoffbedarf in Deutsch-        gierung für die Klimaverhandlungen / rd. 100
land weiter steigt. Die Option, die prognostizierte        Mio. m3 pro Jahr). Der Wald soll als C02-Senke
Rohholznachfrage dauerhaft über den Weltmarkt              erhalten bleiben.
decken zu können, erscheint aus heutiger Sicht
unsicher. China hat inzwischen Japan als weltgröß-     4   Der erste Schritt beim Umgang mit knapper
ten Holzimporteur abgelöst. Große Produktionslän-          werdenden Ressourcen ist deren effizientere,
der wie Russland versuchen, ihre Holzreserven stär-        d. h. Material sparende Verwendung. Zur Stei-
ker selbst zu veredeln und erheben deshalb Export-         gerung der Ressourceneffizienz sind die Ver-
zölle. Zwar hat sich die Situation im Rahmen der           meidung von Abfällen und die Rückführung
aktuellen WTO Verhandlungen entspannt. Eine                von Wertstoffen aus Abfällen in den Wirt-
Analyse der ökonomischen Bedingungen bei der               schaftskreislauf unverzichtbar. Grundsätzlich
Rohholzeinfuhr zeigt aber, dass die Umschlags- und         soll die sinnvolle Kaskadennutzung knapper
Transportkosten zu einer erheblichen Verteuerung           Rohstoffe in der Holz- und Papierwirtschaft
der Rohstoffe führen können. Neben der Abwägung            weiter verstärkt werden. Hier bestehen
von Aspekten der Ökobilanz (bspw. Energieaufwand           zusätzliche Reserven, die – unterstützt von
für Transport) ist beim Import von Holz die Her-           Forschungsmaßnahmen – erschlossen
kunft aus legaler und nachhaltiger Erzeugung               werden müssen.
sicherzustellen.

15
4   Ein weiterer Ansatzpunkt zur Steigerung der            Beitrag zur Verbesserung der Holzversorgung
    Ressourceneffizienz liegt in der Verbesserung          insbesondere für die energetische Verwen-
    der stofflichen und energetischen Ausnutzung           dung geleistet werden. Anbaupotenziale für
    des Rohstoffs Holz durch Umwandlungstechni-            KUP auf geeigneten landwirtschaftlichen und
    ken und der Absenkung von spezifischen Ver-            anderen Flächen sind aufgrund teilweise gün-
    bräuchen, zum Beispiel durch ganzheitliche             stiger natürlicher Produktionsbedingungen
    Gebäudesanierungen und den Einsatz effi-               vorhanden. Das Ertragspotenzial kann zudem
    zienter Kleinfeuerungsanlagen und Heizkraft-           durch Auslese und Züchtung langfristig gestei-
    werke.                                                 gert werden. Die Förderbedingungen sollten
                                                           überprüft werden.
4   Ein zusätzlicher Ansatzpunkt für die nachhal-
    tige und effiziente energetische Nutzung der       4   Auch die verstärkte Nutzung von Landschafts-
    begrenzten Ressource Biomasse ist die wei-             pflegeholz kann ein Beitrag zur Verbreiterung
    tere Förderung der Verwertung der Biomasse             der Holzrohstoffbasis leisten. Nach der Holz-
    in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Dies ist bei          rohstoffbilanz werden gegenwärtig rd. 5 Mio.
    hohen Gesamtnutzungsgraden der effiziente-             Kubikmeter Holz aus der Landschaftspflege in
    ste Nutzungspfad, da hier die bestmögliche             kleineren Biomasseheizkraftwerken genutzt.
    Brennstoffausnutzung und Treibhausgasein-              Das entspricht nur rd. 20 % des geschätzten
    sparung bei gleichzeitiger Bereitstellung von          Potenzials an Landschaftspflegeholz.
    Wärme und Strom möglich ist.
                                                       4   Zur Zertifizierung fester Biomasse sind die
4   Grundsätzlich sind förderpolitische Fehlan-            bestehenden forstlichen Zertifizierungssy-
    reize mit Blick auf bestehende Konkurrenzen            steme PEFC und FSC grundsätzlich geeignet.
    zwischen stofflicher und energetischer Nut-
    zung zu vermeiden.                                 4   Zur Sicherung der Markttransparenz und als
                                                           Entscheidungsgrundlage für unternehmeri-
4   Durch die Anlage von Kurzumtriebsplantagen             sche und politische Entscheidungen ist eine
    (KUP) außerhalb des Waldes kann vergleichs-            fundierte Datengrundlage erforderlich.
    weise schnell (3 bis 10 Jahre) ein flankierender       Die Forst- und Holzwirtschaft ist auf-

                                                                                                         16
gefordert, die Markt-                                               Standards (z. B. PEFC, FSC)
     berichterstattung dau-                                              soll zu einem Entschei-
     erhaft abzusichern. Die                                             dungskriterium der Endver-
     Bundeswaldinventuren                                                braucher beim Kauf von
     und Holzaufkommens-                                                 Holzprodukten weiterent-
     prognosen sollen auch                                               wickelt werden. Die Be-
     in Zukunft von Bund                                                 schaffungsregelung des
     und Ländern durchge-                                                Bundes für Holzprodukte ist
     führt werden. Nach                                                  beispielgebend und soll in
     Vorliegen der Ergeb-                                                der öffentlichen Verwaltung
     nisse der nächsten Bun-                                             von Ländern, Kommunen
     deswaldinventur (BWI 3)                                             und der Privatwirtschaft
     wird eine detaillierte                                              übernommen werden.
     Holzaufkommens-
     prognose für Deutsch-                                               4 Die vorhandenen, nach-
     land erstellt.                                                          haltig verfügbaren
                                                                             Rohstoffpotenziale sol-
 4   Die Rahmenbedingun-                                                     len stärker mobilisiert
     gen für das Cluster                                                     und marktgerecht
     „Forst- und Holz“ sollen                                                bereitgestellt werden.
     weiter verbessert, die                                                  Dabei sollen beste-
     regionale und überregio-                                                hende Instrumente zur
     nale Zusammenarbeit ausgebaut und damit         Rohholzmobilisierung weiterentwickelt und
     die Wettbewerbsfähigkeit der Forst- und Holz-   effektiver eingesetzt werden. Dazu zählen die
     wirtschaft gestärkt werden.                     forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse, die
                                                     Beratung und Betreuung der Waldbesitzer –
 4   Das Instrument einer Zertifizierung von Holz    insbesondere der Kleinprivatwaldbesitzer,
     und Holzprodukten aus nachhaltiger Waldwirt-    Waldflurbereinigungen oder Waldpacht-
     schaft nach hochwertigen ökologischen           modelle.

17
3.4.     Biodiversität und Waldnatur-               räume für Tier- und Pflanzenarten geschaffen
         schutz                                     wurden. Sie erweitern das Artenspektrum und
                                                    besitzen ein hohes Naturschutzpotenzial.

Ausgangslage:                                       Für den Landschaftsraum Wald bestätigt der jüng-
                                                    ste Indikatorenbericht der Bundesregierung zur
Ohne menschlichen Einfluss wäre unser Land über-    „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“
wiegend bewaldet. Starke Rodungen und Übernut-      (November 2010) der Forstwirtschaft gute Werte für
zung haben besonders vom Mittelalter bis ins 19.    den Indikator „Artenvielfalt und Landschafts-
Jahrhundert die Waldfläche vermindert, beste-       qualitität“ (bezogen auf spezifische Vogelarten).
hende Waldbestände degradieren lassen und in        Demnach fördert die moderne Waldbewirtschaf-
ihrer Artenzusammensetzung in erheblichem Maße      tung die biologische Vielfalt und verbessert deren
verändert. Erst die Einführung der nachhaltigen     Status. Die heimischen Wälder haben mit 81 % des
Forstwirtschaft seit etwa 300 Jahren und der Ein-   erreichbaren Höchstwertes den besten Teilindika-
satz vieler Generationen von Förstern und enga-     torwert aller Flächennutzungen erreicht. Die Förde-
gierten Waldbesitzern haben wieder zu einer         rung naturnaher Waldbewirtschaftung durch Bund
Zunahme der Waldfläche und der Entwicklung der      und Länder und die hohe Eigenverantwortung der
heutigen vielfältigen Waldökosysteme geführt.       Waldbesitzer zeigen hier deutliche Erfolge. Der
So konnte ein Teil der ursprünglichen Ausstattung   Artenverlust im Wald ist deutlich geringer als in
der biologischen Vielfalt in Deutschland bewahrt    anderen Biotopen. In den Gefährdungskategorien
werden.                                             0 - 2 wurden vom Bundesamt für Naturschutz (BfN)
                                                    47 von 1213 Waldpflanzen gezählt (4 Prozent)
Nachhaltige Forstwirtschaft ist im Vergleich zu     gegenüber 438 von 3001 (14,6 Prozent) bei allen
anderen Landnutzungsformen besonders naturnah.      Gefäßpflanzen. Zur Zielerreichung bis 2015 muss
Im Bundeswald- und Bundesnaturschutzgesetz          der positive Trend beibehalten werden. Anderseits
sowie den entsprechenden Landesgesetzen sind        weisen die Roten Listen Deutschlands für den Wald
hohe Naturschutzstandards für die Forstwirtschaft   einige Tier- und Pflanzenarten aus, die als gefähr-
verankert. Bei der Bewirtschaftung von Wald wer-    det und vom Aussterben bedroht gelten. Dies
den heute anspruchsvolle Anforderungen an den       betrifft insbesondere Arten, die auf alte Waldbe-
Schutz und die Erhaltung von Natur und Umwelt       stände, eine ungestörte Waldentwicklung und Alt-
gestellt. In den Wäldern Deutschlands werden in     und Totholzkomponenten angewiesen sind. Der Tot-
der Regel Maßnahmen zur Erhaltung und zum           holzanteil, ein Weiser für die naturschutzfachliche
Schutz der biologischen Vielfalt
in die Nutzung integriert, das
heißt, es findet grundsätzlich
keine Trennung zwischen reinen
Wirtschaftswäldern und reinen
Schutzwäldern statt. Dies ist einer
der wesentlichen Bestandteile der
modernen multifunktionalen
Forstwirtschaft. Waldnaturschutz
bleibt auch künftig ein integraler
Bestandteil der modernen Forst-
wirtschaft.

Eine Besonderheit sind die histo-
rischen Waldnutzungsformen
(z. B. Mittel-, Nieder- oder Hute-
wälder), durch deren Art der
Bewirtschaftung spezielle Lebens-

                                                                                                    18
Qualität von Wäldern, hat in den letzten sechs Jah-    schaftsschutzgebieten kaum eingeschränkt ist,
ren um 19 % auf 14,7 m3/Hektar 4 zugenommen.           haben Naturschutzziele in anderen Gebieten Vor-
Ursache dieser starken Zunahme sind Kalamitäten        rangfunktion oder sind – im Falle von Kernzonen
und Totholzprogramme in den Ländern.                   von Nationalparken und Biosphärenreservaten –
                                                       insbesondere für den Naturschutz bestimmt.
Im Bereich der Zertifizierung nachhaltiger Forst-      Je nach Schutzziel ergeben sich daraus mehr
wirtschaft liegt Deutschland weltweit und im euro-     oder weniger große Bewirtschaftungseinschrän-
päischen Vergleich an der Spitze. Der überwie-         kungen.
gende Teil der deutschen Forstwirtschaft stellt sich
freiwillig den Vorgaben privater Zertifizierungs-      In den letzten Jahren sind zudem insgesamt rund
systeme, die über die gesetzlichen Regelungen hin-     100.000 Hektar bundeseigener Flächen als Nationa-
aus gehen. Mehr als 70 % der deutschen Wälder          les Naturerbe an Länder und an Naturschutzver-
sind bisher nach PEFC oder FSC zertifiziert. Wald-     bände und -stiftungen übertragen worden, weitere
naturschutzmaßnahmen der Länder z. B. zur Erhal-       25.000 Hektar sollen folgen. Von den Naturerbe-
tung seltener Baumarten und Biotope, Totholzkon-       flächen sind rund 2/ 3 Wald. Nach Schätzungen
zepte, sowie die Umsetzung von naturnahen Wald-        sind derzeit rund 2 % der Waldfläche vollständig
bewirtschaftungskonzepten haben wertvolle Wald-        aus der Nutzung genommen (Beispielsweise
biotope entstehen lassen.                              Kernzonen von Nationalparken und Biosphären-
                                                       reservaten, Naturwaldflächen, Flächen in Eigentum
Nach aktuellen Schätzungen sind bereits heute          von Naturschutzverbänden und -verwaltungen
rund zwei Drittel der deutschen Waldfläche minde-      sowie dauerhaft nicht genutzte Flächen). Genaue
stens einer Schutzgebietskategorie nach Bundesna-      Angaben hierzu werden derzeit in einem For-
turschutzgesetz, den Landeswaldgesetzen, der           schungsvorhaben des Bundesumweltministeriums
europäischen FFH-Richtlinie und der Vogelschutz-       erarbeitet.
Richtlinie (Natura 2000) zugeordnet. Davon sind
der größte Anteil Landschaftsschutzgebiete. Diese      In der deutschen Forstwirtschaft gibt es, insbeson-
Schutzgebiete dienen im Wesentlichen dem Schutz        dere wenn nach den Prinzipien der naturnahen
der Landschaft und der Erhaltung der biologischen      Forstwirtschaft gewirtschaftet wird, bei der Erhal-
Vielfalt oder z. B. in Naturparken auch der Erho-      tung und Entwicklung von Wäldern als Lebens-
lung und der nachhaltigen Regionalentwicklung.         räume für Tier- und Pflanzenarten viele Synergien
Während die Waldbewirtschaftung z. B. in Land-         mit dem Naturschutz. Waldbesitzer und Förster
                                                       begreifen sich zudem als Naturschützer im Wald
                                                       und arbeiten auf regionaler Ebene vielerorts erfolg-
4 Totholz über 10 cm Durchmesser                       reich mit Naturschutzeinrichtungen zusammen.

19
Künftige Herausforderung:

                                                   Die Bundesregierung hat im Jahr 2007 mit der
                                                   Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt eine
                                                   Reihe von Maßnahmen zur Erhaltung und zum
                                                   Schutz der natürlichen Lebensräume beschlossen.
                                                   Auch zum Wald wurden Ziele formuliert, die die
                                                   Aspekte des Schutzes und der Erhaltung der biolo-
                                                   gischen Vielfalt mit einer nachhaltigen Waldnut-
                                                   zung verbinden.

                                                   Das in Deutschland praktizierte Prinzip der integra-
                                                   tiven, nachhaltigen und multifunktionalen Forst-
                                                   wirtschaft ist anerkannt und international beach-
                                                   tet. Segregierende Ansätze oder Verfahren werden
                                                   von der Forstwirtschaft – mit Blick auf das Gesamt-
                                                   ziel einer nachhaltigen Entwicklung der Gesell-
                                                   schaft und die bestehenden Potenziale der heimi-
                                                   schen Wälder – kritisch bewertet, während Vertre-
                                                   ter des Naturschutzes zum Erhalt der Ökosystem-
                                                   leistungen zusätzliche nutzungsfreie Flächen für
                                                   notwendig erachten.

                                                   Die Natur liefert den Menschen eine Vielzahl von
                                                   Gütern und Leistungen, die das Fundament
                                                   menschlichen Wohlergehens darstellen. Intakte
Die Bundes-                                        Böden, Nahrung, Trinkwasser, Brennstoffe und Arz-
regierung unter-                                   neimittel, Schutz vor Überschwemmungen und
stützt mit dem                                     Bodenerosion sowie Klimaregulation oder Kohlen-
Bundespro-                                         stoffspeicherung sind „ökosystemare Dienstleistun-
gramm Biologi-                                     gen“, die uns von der Natur kostenlos bereitgestellt
sche Vielfalt die                                  werden, die aber nicht immer auf Anhieb sichtbar
Umsetzung der                                      sind. Viele Dienstleistungen der Natur sind bisher
Nationalen Stra-                                   bei konventionellen ökonomischen Bewertungen
tegie zur Biolo-                                   entweder gar nicht berechnet oder als selbstver-
gischen Vielfalt                                   ständlich angenommen worden. Weltweit führt
(NBS) mit 15 Mio.                                  dies dazu, dass wertvolles Naturkapital vernachläs-
Euro jährlich. Im                                  sigt oder zerstört wird. Die Dienstleistungen der
Bundespro-                                         Ökosysteme und der Biodiversität besitzen jedoch
gramm werden                                       einen hohen ökonomischen Wert. Die Studie
Vorhaben geför-                                    „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“
dert, denen im                                     (TEEB) des Umweltprogramms der Vereinten
Rahmen der NBS gesamtstaatlich repräsentative      Nationen (UNEP) zeigt Ansätze zur Bewertung der
Bedeutung zukommt oder die diese Strategie in      Ökosystemleistungen wichtiger Ökosysteme und
besonders beispielhafter und Maßstab setzender     demonstriert, wie Kosten und Nutzen der Erhal-
Weise umsetzen. Die geförderten Maßnahmen          tung oder Wiederherstellung der Natur und ihrer
sollen dazu beitragen, den Rückgang der biologi-   Leistungen bei Entscheidungsprozessen umfassend
schen Vielfalt in Deutschland zu stoppen und       berücksichtigt werden können. Künftig soll auch
mittel- bis langfristig in einen positiven Trend   die Bewertung von Waldökosystemdienstleistun-
umzukehren.                                        gen in Entscheidungsprozesse integriert werden.

                                                                                                    20
4   Die Bundesregierung wird die Förderung
 Lösungsansätze:                                            naturnaher Waldbewirtschaftung überprüfen
 4   Das Spannungsverhältnis zwischen Nutzung               und weiterentwickeln. Ziel ist es, bundesweit
     biologischer Ressourcen und dem Erhalt der             einen konkreten Förderkatalog mit attraktiven
     biologischen Vielfalt soll entschärft und auf-         Konditionen für „Wald-Umweltmaßnahmen“
     gelöst werden.                                         anzubieten.

 4   Die bereits heute gut ausgeprägte Biodiversi-      4   Ökologische Leistungen der Forstwirtschaft,
     tät im Wald wird weiter ausgebaut. Die biolo-          die über die nachhaltige, ordnungsgemäße
     gische Vielfalt im Wald soll entsprechend der          Forstwirtschaft hinausgehen, sollen angemes-
     Ziele der Nationalen Strategie zur Biologischen        sen ausgeglichen werden.
     Vielfalt (NBS) z. B. durch nicht bewirtschaftete
                                                        4   Ökosystemdienstleistungen der Forstwirt-
     Flächen, Steigerung des Totholzanteils, Ver-
                                                            schaft (Leistungen der Waldökosysteme) sol-
     mehrung von Naturwaldzellen und Umsetzung
                                                            len als Fördertatbestände in der 2. Säule der
     und Vernetzung der Natura 2000 Flächen wei-
                                                            Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 berück-
     ter verbessert werden. Dem öffentlichen Wald-
                                                            sichtigt werden. Überschneidungen (z. B. mit
     besitz, insbesondere dem Staatswald, kommt
                                                            dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt)
     dabei eine Vorbildfunktion zu.
                                                            sind auszuschließen.
 4   Zur Klärung des Status Quo über den Anteil
     nicht bewirtschafteter Waldflächen hat das
                                                        4   Die Bewertungsansätze der TEEB Studie sollen
                                                            auf die Ökosystemleistungen des heimischen
     Bundesumweltministerium über das Bundes-
                                                            Waldes und der Biologischen Vielfalt übertra-
     amt für Naturschutz ein Forschungsvorhaben
                                                            gen und deren Wert quantifiziert werden. Die
     beauftragt, auf dessen Erkenntnissen mögli-
                                                            ermittelten Werte von Waldökosystemdienst-
     cher Handlungsbedarf für die politische
                                                            leistungen sollen in Entscheidungsprozesse
     Umsetzung konkretisiert werden soll. Die
                                                            integriert werden.
     Bundesregierung wird einen Zwischenbericht
     über den Projektstand vorlegen.
                                                        4   Der Anteil nach hochwertigen ökologischen
 4   Zusätzliche Einschränkungen der Forstwirt-             Standards zertifizierter Waldflächen (PEFC, FSC)
     schaft sollen national wie auch auf EU-Ebene           soll bis 2020 weiter steigen. Die Verbraucher
     sorgfältig mit dem erzielbaren nachhaltigen            sollten ermuntert werden, solche Zertifikate für
     Nutzen unter Berücksichtigung ökologischer,            eine nachhaltige Waldbewirtschaftung stärker
     ökonomischer, sozialer sowie klimarelevanter           bei ihren Kaufentscheidungen zu berücksichti-
     Aspekte abgewogen werden.                              gen. Bei Beschaffungen im Bereich der Bundes-
                                                            verwaltung wird bereits nur Holz aus nachhalti-
 4   Maßnahmen zur Sicherung von Naturwaldflä-              ger Waldbewirtschaftung gekauft. PEFC, FSC
     chen im Rahmen der NBS werden im Privat-               sowie vergleichbare Zertifizierungsstandards
     wald durch freiwillige Vereinbarungen mit              sind dabei geeignete Nachweise. Länder, Kom-
     den Betroffenen umgesetzt und finanziell aus-          munen und Wirtschaft sind aufgefordert, die
     geglichen.                                             Beschaffungsregelung des Bundes für Holzpro-
                                                            dukte auch in ihren Zuständigkeitsbereichen zu
 4   Zusätzliche Erkenntnisse über die Zusammen-            übernehmen und damit für mehr Akzeptanz
     hänge und Auswirkungen von Waldbewirt-                 beim Verbraucher zu werben.
     schaftung und Naturschutz sollen ausgewer-
     tet, Wissenslücken durch geeignete For-            4   Die Forstwirtschaft insbesondere in staatli-
     schungsvorhaben geschlossen werden. Die                chen und kommunalen Wäldern soll eine
     Ergebnisse sollen in die Zielformulierung für          aktive Rolle bei der Sicherung des europäi-
     integrative Naturschutzkonzepte im Rahmen              schen Naturerbes insbesondere im Rahmen
     nachhaltiger Forstwirtschaft einfließen.               von Natura 2000 übernehmen.

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