Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex

 
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Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
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                                                               P fi   ster,
                                                           nne
                                                      Maria
  George
        s   T. Roos
                   ,   57
                                                                                 Marian
                                                                                       ne P fis
                                                                                               ter, 78

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                                                 Dominique Truchot-Cardot, 51

                                                                                     Dominiq
FOKUS «Der Spitex-Klient der Zukunft» Seite 15                                              ue Truc
                                                                                                    hot-C   ardot,
                                                                                                                   71

Wir alle altern und brauchen
eines Tages vielleicht die Spitex
    DIENSTLEISTUNG Die zweite Covid-19-Welle beschäftigt die Spitex stark. Seite 9
    GESELLSCHAFT Auch während der Weihnachtstage wird die Spitex gebraucht. Seite 10
    NETZWERK Forscher untersuchen Möglichkeiten des Personalerhalts in der Pflege. Seite 40
Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
Die zweite
             Schöpfung
             6.11.20–11.7.21

                                                      Kundenbegeisterung
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                                                      rantin und Dienstleisterin von medizinischen
                                                      Hilfsmitteln in den Bereichen Inkontinenz,
                                                      Stoma- und Tracheostoma-Versorgung sowie
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                                                      Publicare AG
                                                      Vorderi Böde 9
             Eine Stiftung von
                                                      5452 Oberrohrdorf
             Unterstützt von
                                                      Telefon 056 484 15 00
www.mfk.ch                       UBS Kulturstiftung
Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER / JANUAR                                                   EDITORIAL
                                                                                                                 3
                                                              Ein riesiger Dank und
                                                              ein Blick nach vorn
                                                                           Die zweite Welle der Covid-19-Pandemie hat
                                                                           die Spitex derzeit vielerorts fest im Griff.
                                                                           ­Tausende Spitex-Mitarbeitende geben jeden Tag
                                                                            alles, um ihre Klientinnen und Klienten zu
                                                                            versorgen und einen zentralen Beitrag zur
                                                                            Eindämmung der Pandemie zu leisten. Für
                                                                            diesen erneuten Kraftakt, der noch länger nicht
                                                                            vorbei sein dürfte, möchte Spitex Schweiz
                                                                            allen Spitex-Mitarbeitenden ein riesiges «Danke
                                                              für Ihr enormes Engagement in dieser herausfordernden
                                                              Zeit!» zukommen lassen. Spitex Schweiz setzt sich weiterhin
 4   AUFTAKT
                                                              mit Kräften dafür ein, dass die Anliegen der Spitex in
                                                              dieser anspruchsvollen Zeit gehört werden (vgl. Seite 9).
     DIENSTLEISTUNG
 9   Die Spitex und Covid-19 aktuell
                                                              Schon bald neigt sich das Jahr dem Ende zu. Wir wünschen
                                                              Ihnen und Ihren Nächsten schöne Festtage und hoffen, dass
   GESELLSCHAFT
                                                              Sie trotz allem etwas innehalten können und dass die Pande-
10 Die Spitex und Weihnachten
                                                              mie bald abflaut.
15   FOKUS «Der Spitex-Klient der Zukunft»
                                                              Diese Ausgabe des «Spitex Magazins» blickt noch weiter nach
16   Fachpersonen über den Klienten der Zukunft
24   Ein Besuch in einem Pflegelabor                          vorn: «Der Spitex-Klient der Zukunft» heisst das Fokusthema.
30   Eine Umfrage zu den Wünschen für die Zukunft             Um zu ergründen, was die Klientinnen und Klienten der Spitex
36   Wer finanziert künftig die Betreuung?
                                                              in 10, 20 oder mehr Jahren ausmacht und was sie wünschen,
   NETZWERK                                                   hat die Redaktion verschiedene Fachpersonen interviewt, ein
40 Wie Pflegende im Beruf gehalten werden können
                                                              Pflegelabor besucht und mit potenziellen Klientinnen und
   DIALOG                                                     Klienten der Zukunft gesprochen. Dass wir alle älter werden
45 «5 Fragen» an Sänger Michael von der Heide
                                                              und darum vielleicht eines Tages Pflege und Betreuung
47   DIE LETZTE                                               benötigen – dies zeigen die Porträts in dieser Ausgabe, die
                                                              ­digital um rund 20 Jahre gealtert wurden.
Titelseite: Einige der Interviewten dieser Ausgabe, per
                                                              Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen eine spannende
FaceApp um 20 Jahre gealtert. Schliesslich wird jeder älter
und ist damit der potenzielle «Spitex-Klient der Zukunft».    Lektüre, schöne, geruhsame Weihnachtstage und schon jetzt
Bild: zvg / FaceApp / POMCANYS                                einen guten Start ins neue Jahr!

                                                              Marianne Pfister, Geschäftsführerin Spitex Schweiz

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Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
4           AUFTAKT                                                                   SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER / JANUAR

Ein Boxsack für ein Power-Team
                                                                                    sich hier fürs interne Dampfablassen einsetzt, hat eine Vor-
                                                                                    geschichte: Als Spitex-Mitarbeiterin Sonia Kull kürzlich
                                                                                    nach 20 Jahren im Dienste der Spitex in den Ruhestand ging,
                                                                                    schenkte sie ihrem Team als Abschiedsgeschenk weder Pra-
                                                                                    linen noch Blumen – vielmehr kaufte die 64-Jährige einen
                                                                                    Boxsack, liess ihn von der Kunstgewerblerin Nicole Malzach
                                                                                    beplotten und stellte ihn in die Räumlichkeiten der Spitex.
                                                                                       Sonia Kull machte vor 30 Jahren eine Ausbildung zur Pfle-
                                                                                    gefachfrau am Kantonsspital Luzern. Später kam sie zur Spi-
                                                                                    tex und bildete sich dort zur Berufsbildnerin weiter. Der Kon-
                                                                                    takt mit den Menschen im Team und den Klientinnen und
                                                                                    Klienten hielt sie geistig und körperlich beweglich. «Wir ar-
                                                                                    beiten professionell mit viel Vernunft. Persönliche Gefühle
                                                                                    bleiben oft unverdaut im Magen hängen. So ein Boxsack hät-
                                                                                    te mir oft bei der ‹Verdauung› geholfen», sagt sie scherzend.
                                                                                    «Wenn zum Beispiel der Zeitdruck gross, die Situation
                                                                                    schwierig ist oder die Krankenkasse kompliziert tut, hätte
                                                                                    ich gerne einmal so einen Boxsack gehabt», gesteht sie.
                                                                                       Seit dem 9. Oktober geniesst Sonia Kull nun ihren Ru-
                                                                                    hestand. Ob Sie nicht ab und zu Sehnsucht nach ihrem Be-
Sonia Kull mit ihrem Geschenk fürs Team Obergrund. Bild: zvg                        ruf verspüren werde? Sonia Kull winkt ab und sagt: «Bei
                                                                                    der Spitex konnte ich mich beruflich und menschlich wei-
                 Beb. Dieser Boxsack muss viel einstecken können. In den            terentwickeln. Sollte ich privat einmal das Bedürfnis ha-
                 Räumlichkeiten der Spitex Stadt Luzern am Standort Him-            ben, Dampf abzulassen, darf ich jederzeit ambulant bei der
                 melrich ist er nämlich ab jetzt dem äusserst starken Spi-          Spitex vorbeischauen und mit einem Kaffee gedopt dem
                 tex-Power-Team Obergrund schutzlos ausgeliefert. Dass er           Boxsack zu Leibe rücken.»

«Gemeinsam meistern wir                           zu Tag stärker», sagte er. Die Pandemie verun-    Spitex-Statistik zeigt:
                                                  mögliche eine Feier allerdings. Darum würdi-
alle Herausforderungen»                                                                             Immer mehr Mitarbeitende
                                                  ge er die Spitex nun eben auf virtuellem Weg,
Red. Weil die Jubiläumsfeier «25 Jahre Spitex     denn eine Würdigung habe sie verdient. Dar-       Red. Die Mitte November veröffentlichte
Schweiz» vom 19. November wegen der Pan-          aufhin ging er auf die Geschichte des Dachver-    Spitex-Statistik 2019 des Bundesamtes für
demie ausfallen musste, wurde die National-       bands genauso ein wie auf dessen Erfolge (vgl.    Statistik (BSV) zeigt, dass sich der Trend un-
verbandskonferenz (NVK) mit den Geschäfts-        Ausgabe 5/2020). Und er blickte auf die vielen    gebrochen fortsetzt, dass immer mehr Spitex-­
führenden sowie Präsidentinnen und                zukünftigen Herausforderungen der Branche.        Mitarbeitende (39 545; 2018: 38 850), immer
Präsidenten der Spitex-Kantonalverbände in        «Ich bin zuversichtlich, dass wir alle dies ge-   mehr Klientinnen und Klienten (312 070;
digitaler Form durchgeführt. Zum Abschluss        meinsam meistern werden», betonte er. «Mei-       2018: 293 457) versorgen Die Nonprofit-Spi-
richtete sich Thomas Heiniger, Präsident von      ne Zuversicht ist insbesondere darin begrün-      tex ist nach wie vor klare Marktführerin mit
Spitex Schweiz, mit einer Jubiläums-Grussbot-     det, dass ich all die hochmotivierten und gut     79 Prozent aller Klienten und 71 Prozent der
schaft an die Teilnehmenden. «Zum 25-Jahr-Ju-     qualifizierten Mitarbeitenden sehe, die sich      geleisteten Pflegestunden. Die Anzahl Stun-
biläum würde man gerne feiern, was man in         tagtäglich in den vielfältigen Bereichen der      den pro Klientin und Klient in der Langzeit-
all den Jahren erreicht hat. Man würde gerne      Spitex mit Herzblut, aber auch mit grosser Pro-   pflege ist bei der Nonprofit-Spitex nur halb
auf die vielen Herausforderungen anstossen,       fessionalität engagieren. Ich möchte heute die    so hoch (48) wie bei erwerbswirtschaftlichen
die man für die Spitex gemeistert hat – und sie   Gelegenheit nutzen, Ihnen allen herzlich Dan-     Organisationen (113), unter anderem weil die
damit zur schweizweit sehr beliebten und sehr     ke zu sagen!» Es werde bestimmt an einer          Nonprofit-Spitex auch viele Kurzeinsätze
anerkannten Organisation gemacht hat, die         nächsten Versammlung die Möglichkeit ge-          übernimmt. Mehr Zahlen und Fakten gibt es
sie heute ist: nicht mehr wegzudenken, von Tag    ben, doch noch auf das Jubiläum anzustossen.      unter www.spitex.ch.
Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER / JANUAR                                                               AUFTAKT
                                                                                                                                 5
Fachtagung gibt Einblick
in Rekrutierung und Personalerhalt
Im Herbst 2021 statt wie ursprünglich geplant am 16. März 2021 findet in
Bern die Fachtagung von Spitex Schweiz unter dem Titel «Spitex – attraktive
Arbeitgeberin heute und morgen» statt.

Red. Die nächste Fachtagung von Spitex        übersetzung in Deutsch oder Französisch         des Luzerner Forums für Sozialversicher­
Schweiz wird die Gegenwart genauso im         bieten – stehen als Erstes Inputreferate zu     ungen und Soziale Sicherheit sowie Dozent
Blick haben wie die Zukunft, lautet ihr Ti-   Themen wie «Gesundheitspersonal: aktuel-        für Wirtschaft an der Hochschule Luzern,
tel doch «Spitex – attraktive Arbeitgebe-     le Entwicklungen und Bedarfsprognosen».         der sich auf seiner Website als «Vater von
rin heute und morgen». Der Anlass hätte       Nach einer Pause samt einer Präsentation        drei Kindern, Partner, Politologe, Dozent,
ursprünglich am Dienstag, 16. März 2021,      von Neuroth, Premiumpartner von Spitex          Geschäftsführer, Veranstalter, Moderator,
im Wankdorf-Stadion in Bern stattfinden       Schweiz, geht es mit einer Podiumsdiskus-       Rock-Bassist, ­­Velo-, Zug- und Autofahrer»
sollen. Spitex Schweiz hat nun aber ent-      sion weiter: Deren Teilnehmer debattieren,      bezeichnet.
schieden, die Tagung aufgrund der Co-         wie genügend qualifizierte Fachkräfte für die
vid-19-Pandemie auf Herbst 2021 zu ver-       Spitex gewonnen und im Beruf gehalten           Das neue Datum wird online publiziert
schieben.                                     werden können – und welchen Beitrag die         Wer sich bereits für den 16. März 2021 für
                                              Politik, der Arbeitnehmerverband SBK, die       die Tagung angemeldet hat, wird über das
Referate und eine Podiumsdiskussion           Bildungsinstitute und die Spitex-Organisa-      Verschiebungsdatum im kommenden
An der Fachtagung werden Expertinnen          tionen hierzu leisten.                          Herbst informiert – und er muss keine
und Experten aus Wissenschaft, Politik,                                                       Angst haben, dass er den Eintrittspreis ver-
Bildung und Pflege über bewährte und in-      Parallelsessionen und ein Künstler              geblich entrichtet hat, wurden die Stornie-
novative Massnahmen für die Rekrutie-         Nach einem Stehlunch werden dann zwei           rungsbedingungen doch der aktuellen Situ-
rung und den Personalerhalt bei der Spi-      Runden mit jeweils vier Parallelsessionen       ation rund um die Pandemie angepasst.
tex diskutieren. Dabei sollen Fragen          durchgeführt, die sich um Themen drehen            Das neue Veranstaltungsdatum im
geklärt werden wie: Was muss die Spitex       wie «Welche Kanäle nutzen die jungen Leute      Herbst 2021 wird in der ersten Dezember-
tun, um eine attraktive Arbeitgeberin zu      heute bei der Stellensuche?» und «Wie der       hälfte auf der Website der Fachtagung so-
bleiben und in Zeiten des drohenden Fach-     Wiedereinstieg in die Spitex gelingen kann».    wie auf www.spitex.ch bekannt gegeben.
kräftemangels auch als solche wahrge-             Am Ende der Fachtagung gilt es schliess-
nommen zu werden? Wie kann sie also ge-       lich für alle Teilnehmerinnen und Teilneh-          Auf https://fachtagung.spitex.ch wird in der
nügend qualifizierte Fachkräfte für sich      mer, ihre mit zahlreichen Informationen ge-     ersten Dezemberhälfte das neue Veranstal-
gewinnen und bestehende Mitarbeitende         füllten Köpfe durchzulüften. Behilflich ist     tungsdatum publiziert. Zudem finden sich dort
halten?                                       ihnen hierbei der Auftritt eines jungen         das genaue Programm, Anmeldemöglichkeiten,
   Auf dem Programm der Fachtagung – alle     Schweizer Künstlers. Moderiert wird der An-     Stornierungsbedingungen, Eintrittspreise und
Programmpunkte werden eine Simultan-          lass von Hannes Blatter, Geschäftsführer        weitere Informationen.
Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
6           PUBLIREPORTAGE	                                                     SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR

Gut zu hören muss (wieder)
gelernt sein
Schlechter hören bedeutet nicht nur häufig nachzufragen, sondern sich sozial abzukapseln. Mit den
Hörlösungen von Neuroth findet man wieder zurück zur alten Lebensfreude – Schritt für Schritt. Denn
Gehör und Gehirn brauchen etwas Zeit, um sich wieder an das natürliche Hören zu gewöhnen.

                                                hen stets der Mensch und seine Hörbedürf-      Das erste Erfolgserlebnis
                                                nisse im Mittelpunkt. Denn jeder Mensch        Danach wartet die grösste Herausforderung
                                                hört anders. «Nachdem Sprache und Geräu-       auf den Hörgeräte-Träger: Klänge und Ge-
                                                sche über Jahre nicht oder nur vermindert      räusche, die zuvor noch in die Kategorie
                                                wahrgenommen wurden, muss das Gehirn           «neu» gefallen sind, erkennt der Hörgerä-
                                                erst wieder lernen, diese Eindrücke richtig    te-Träger jetzt wieder und kann sie richtig
                                                zu verarbeiten und als normal empfinden zu     zuordnen. In dieser Zeit ist es besonders
                                                können. Dieser Prozess dauert ungefähr         wichtig, die Hörgeräte so oft wie möglich zu
Hörgeräte werden bei Neuroth individuell an     sechs Monate», sagt Fabian Heeg, Hörakus-      tragen. «Je öfter ein Hörgerät getragen wird,
die Bedürfnisse der Träger angepasst. Quelle:
                                                tikmeister im Neuroth Hörcenter in Zug.        desto schneller schreitet der Gewöhnungs-
Neuroth
                                                «Hörminderungen beeinträchtigen den sozi-      prozess voran», so Heeg.
24 Stunden ist unser Gehör «on air» – beina-    alen Kontakt, was psychisch belasten kann.
he unbemerkt. Dabei zählt es zu einem der       Viele Betroffene kommen mit gewissen Un-       Der natürliche Höreindruck
wichtigsten Sinnesorgane des Menschen.          sicherheiten zu uns, sind gleichzeitig aber    In der letzten Phase geht es schlussendlich
Denn nur wer gut hört, kann die schönen         voller Erwartungen», erklärt Fabian Heeg.      um das Verstehen von Sprache – dem eigent-
Klänge des Alltags in vollen Zügen genie-       Umso schöner ist es, wenn der Betroffene       lichen Ziel jeder Hörgeräte-Versorgung. Auch
ssen. Wer schlecht hört, zieht sich hingegen    Fortschritte macht. «Den Weg zurück zu bes-    hier ist laufendes Training wichtig. Zum Bei-
meist aus der Gesellschaft zurück. Hörgerä-     serem Hören so hautnah mitzuerleben, ist       spiel durch Gespräche mit Vertrauten, um
te helfen dabei, wieder zurück zu alter Le-     berührend. Wenn man Menschen ein Stück         das Sprachverstehen zu verbessern. Nach ei-
bensfreude zu finden. An das natürliche Hö-     Lebensqualität zurückgeben kann und ihre       nigen Wochen wird das Leben mit Hörgerä-
ren müssen sich Ohren und Gehirn aber erst      Freude darüber spürt, weiss man, wie sinn-     ten immer leichter. «Aber auch danach ist
wieder gewöhnen. Gerade deshalb ist eine        voll unsere Aufgabe ist», sagt Fabian Heeg.    eine persönliche Betreuung von besonderer
persönliche Betreuung in der Eingewöh-                                                         Bedeutung. Denn nur durch den laufenden
nungsphase von besonderer Bedeutung –           Das richtige Hörgerät                          Kontakt mit einem Akustiker und einen regel-
eine Verantwortung, die ein Hörakustiker        In einem ausführlichen Beratungsgespräch       mässigen Hörgeräte-Service ist die volle Hör-
Tag für Tag übernimmt und so zum engen          mit dem Hörakustiker wird zuerst genau         leistung auf Dauer gewährleistet.»
Begleiter auf dem Weg zum besseren Hören        analysiert, in welchen Situationen der Be-
wird. Dieser Weg kann in mehrere Phasen         troffene wieder besser hören möchte. Ge-
eingeteilt werden – von der Hörgeräte-An-       meinsam werden die passenden Hörgeräte
passung bis zum natürlichen Höreindruck.        ausgewählt und so individuell angepasst,
                                                dass sie in verschiedensten Alltagssituatio-
Der Weg zum besseren Hören                      nen optimal zu tragen sind.
Denn so einzigartig jedes Ohr ist, so indivi-
duell müssen auch Hörgeräte angepasst           «Nach der umfassenden Beratung folgt das
werden. Dabei ist besonderes Feingefühl ge-     Probetragen: Jeder kann mehrere Hörgerä-
fragt – genauso wie Geduld. Bei Neuroth ste-    te-Modelle 30 Tage lang kostenlos testen»,
                                                sagt Neuroth-Experte Fabian Heeg. Im Zuge
                                                dieser Phase prasseln viele neue oder be-
 Neuroth: Hörkompetenz seit 1907
                                                reits verlernte Höreindrücke auf den Betrof-
 68 × in der Schweiz & Liechtenstein
                                                fenen ein. Es geht nun darum, sich den Un-
 Info-Tel.: 00800 8001 8001                                                                    Hörakustiker werden auf dem Weg zum
                                                terschied bewusst zu machen, wie man           besseren Hören zu treuen Begleitern.
 www.neuroth.com
                                                ohne und mit Hörgeräten hört.                  Quelle: Neuroth
Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER / JANUAR                                                                       AUFTAKT
                                                                                                                                       7
Neues Rollenmodell
für APN in der Spitex
Spitex Zürich Sihl hat im Projekt CASE die Rolle der                                                  weisung im ersten halben Jahr auf durch-
                                                                                                      schnittlich 1,8 Zuweisungen pro Monat
Pflegeexpertin APN w ­ eiterentwickelt. Fokus war das                                                 gesteigert werden. Die APN-Rolle wurde
Zusammenspiel zwischen Spitex und Hausarztpraxis.                                                     während der Projektphase bei Spitex Zürich
                                                                                                      Sihl implementiert; das APN-Team wird nach
                                                                                                      Projektende weitergeführt.
                                                                                                         Der nun vorliegende Schlussbericht lis-
                                                                                                      tet sechs Erkenntnisse auf:
                                                                                                      1. Die Rolle «Pflegeexpertin und Pflege­
                                                                                                           experte APN» in einer Spitex-Organisa-
                                                                                                           tion ist wirksam und attraktiv.
                                                                                                      2. Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten
                                                                                                         APN wenden ihre klinische Expertise
                                                                                                         ­direkt zu Hause bei der Klientin, dem
                                                                                                          Klienten und den Angehörigen an.
                                                                                                      3. Als Arbeitsmethode für die strukturier-
                                                                                                          te Erfassung des Versorgungsbedarfs
                                                                                                          haben sich das multidimen­sionale geri-
                                                                                                          atrische Screening, Fokus-Assessments
                                                                                                          und die Körperuntersuchung bewährt.
APN Jeanine Altherr im Gespräch mit Klienten. Bild: Jacqueline Morgenroth, Spitex Zürich Sihl         4. Nur ein systematischer und klienten­
                                                                                                          orientierter Zuweisungsprozess ermög-
Martin Radtke. «Unser Projekt hat gezeigt,          dazu notwendige Informationsfluss sowohl              licht, dass Pflegeexpertinnen und
dass Klientinnen und Klienten selbst bei einem      innerhalb der Spitex als auch mit externen            ­Pflegeexperten APN in einer Spitex-­
schwierigen gesundheitlichen Befund weiter zu       Partnerorganisationen der Grundversorgung              Organisation ihr Potenzial voll aus-
Hause versorgt werden können», sagt Devrim          verbessert werden könnten.                             schöpfen und für die Klientinnen und
Yetergil Kiefer, Geschäftsleiterin Spitex Zürich       Das Projekt fokussierte auf drei Risikogrup-        Klienten wirksam sein können.
Sihl, über das nun abgeschlossene Pilotprojekt     pen und zwei Zuweisungswege. Dazu wurden           5. Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten
CASE. Das bedeutet «Coordinated APN Sup-           fünf Gruppen definiert, wobei die APN wäh-              APN können nur Wirkung entfalten,
port for the Elderly», also koordinierte Unter-    rend der Projektdauer am häufigsten Klientin-         wenn alle involvierten Schlüsselperso-
stützung von älteren Menschen durch Pflege-        nen und Klienten der Gruppen 1 sowie 5                nen die Kompetenzen und Aufgaben
expertinnen APN. Der Fokus lag dabei auf der       ­betreuten: 1) Personen über 65 mit einer ver-        voneinander kennen.
APN als Bindeglied zwischen Spitex und Haus-        änderten Kognition, 2) Zuweisung durch Hau-       6. Die Rollenentwicklung zur Pflegexpertin/
arzt. «Die im Projekt entwickelte Pflegeexper-      särztinnen und Hausärzte, 3) gebrechliche            zum Pflegeexperten APN ist ein heraus-
tise hilft, komplexe Situationen im häuslichen      Personen über 80 (Frailty), 4) Personen über         fordernder, komplexer Prozess, der im-
Umfeld gut zu meistern», sagt Devrim Yeter-         80 nach einem Spitalaufenthalt und 5) Zuwei-         mer alle involvierten Personen betrifft.
gil Kiefer. Die veränderte Demografie, die Zu-      sung durch fallführende Pflegefachpersonen.
nahme an chronischen Krankheiten und Mehr-                                                            Wie geht es nun weiter? «Für uns ist klar:
facherkrankungen sowie die stärkere Betonung       APN-Rolle kopieren erwünscht                       Auch wenn es noch offene Fragen bezüglich
der ambulanten Versorgung verlangen neue           Die Hauptziele des Projekts konnten erreicht       der Finanzierung gibt, treiben wir die Entwick-
Versorgungsmodelle. «Hierfür wollten wir mit       werden: Es wurden für Pflegexpertinnen und         lung voran», so Devrim Yetergil Kiefer. «Und
dem CASE-­Projekt einen Beitrag leisten.»          Pflegeexperten APN neue Aufgabenbereiche           wir freuen uns, wenn auch andere Spitex-­
    Das Projekt dauerte drei Jahre und wurde       und Kooperationsprozesse eingeführt. Die           Organisationen unserem Beispiel folgen!»
wissenschaftlich begleitet. Es wollte unter an-    Zusammenarbeit mit Hausarztpraxen wurde
derem aufzeigen, wie durch APN neue Aufga-         etabliert. Entsprechend konnten die Zuwei-             Der Projektbericht steht zum Download
benbereiche, Kooperationsprozesse und der          sungen durch Hausarztpraxen von einer Zu-          bereit unter www.bit.ly/CASESpitex
Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
Neuer Basislehrgang
                                                                  Gerontopsychiatrie
                                                                  Start: 5. März 2021

    WEITER                                                        Mehr unter: www.stadt-zuerich.ch/sgz

    KOMMEN                                                        Wir bilden. Professionalität.                        SGZ Campus

2020113-SGZ Anzeige Spitex Mag_184 x 61.indd 1                                                                          13.11.2020 10:29:18

        Symposium für Gesundheitsberufe                                                                         021
                                                                                                          ärz 2
        Der alternde Mensch                                                                        12. M –17.15
        Multiprofessionelle und innovative Ansätze in der Gesundheitsversorgung                     12.30 pital,
                                                                                                       Insels tsspital
                                                                                                           rsitä
        Auch die Schweiz muss sich den Herausforderungen der Gesundheitsversor-                     Unive ern
                                                                                                            B
                                                                                                                  e
        gung des alternden Menschen stellen und innovative Ansätze finden, um den                           Onlin
        Bedürfnissen der Betroffenen und ihrer Angehörigen gerecht zu werden.

        Themen
        • Aufgaben der Pflege im interprofessionellen Kontext        Informationen und Anmeldung:
        • Betreuungsangebote in verschiedenen Settings               www.inselgruppe.ch/sym2021
        • Ernährung und Training im Alter
        • innovative Wohnformen
        • Vermeiden von Notfalleintritten
        • Advance Care Planning

        Vorstellung aktueller Projekte in Posterform

        Diskussion mit Autorinnen und Autoren

                                                                                                                                210080

210080_184x127.5_Inserat_Symposium für Gesundheitsberufe.indd 1                                                         05.11.2020 09:48:20

                                                                                           Im Alter zu Hause leben
                                                                                           Heimelig Betten möchte, dass Sie sich
                                                                                           zuhause fühlen. Wir beraten Sie gerne und
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                                                                                           chen administrativen Aufgaben mit den
                                                                                           Kostenträgern.   Heimelig   Betten     liefert
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Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR                                                          DIENSTLEISTUNG
                                                                                                                                    9
Die Spitex in der zweiten Welle
Die zweite Covid-19-Welle trifft die Schweiz heftig. Die Spitex-Organisationen
leisten erneut einen zentralen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie. Im Vergleich
zur ersten Welle versorgen sie schweizweit mehr Covid-Erkrankte, und auch
hinsichtlich der Personalsituation und des Schutzmaterials gibt es Unterschiede.

Auch in der zweiten Welle entlastet die Spitex die Spitäler,       Spitex Schweiz setzt sich ein
indem sie Covid-19-Infizierte und Risikopatienten zu Hau-          «Wichtig ist, dass das Personal nicht übermässig belas-
se professionell versorgt. Schweizweit werden mehr Co-             tet wird, damit es nicht zu Erschöpfungen kommt, denn
vid-Klienten von ihr versorgt als in der ersten Welle, sowohl      die Pandemie wird nicht so schnell vorbei sein», erklärt
von Beginn an als auch in der Nachsorge nach dem Spital-           Marianne Pfister, Geschäftsführerin von Spitex Schweiz.
austritt. Gegenüber der ersten Welle ist genügend Schutz-          Es braucht Lösungen, um zusätzliches Personal einset-
material vorhanden, einzig bei den Handschuhen wird es             zen zu können: ­Bildung von Personalpools in den Regio-
teilweise knapp. Die Spitex-­Organisationen sind regional          nen, Akquirieren von pensioniertem Pflegepersonal, Auf-
unterschiedlich gefordert. Besonders hoch ist der Druck bei-       stockung der Kleinpensen, Zurückholen von ehemaligen
spielsweise in den Kantonen Waadt und Genf. Die Genfer             Mitarbeitenden, Entlastung des Personals bei administrativen
Spitex IMAD (Institution genevoise de maintien à domicile)         Arbeiten, Möglichkeiten, die Quarantäne bei negativem Test
musste die höchste Stufe ih-                                                                         zu verkürzen, sowie die Ent-
res Krisenaktionsplans in
Kraft setzen. Die Zahl der
                                   «Wichtig ist, dass das                                            lastung des Personals von
                                                                                                     unnötigen oder nicht drin-
Klienten, die gleichzeitig an
Covid-19 litten, überstieg
                                   Personal nicht unnötig                                            genden administrativen Ar-
                                                                                                     beiten. Wichtig ist, dass
zeitweise 200. Dies ist ein        belastet wird, damit es                                           Schutzkonzepte eingehalten
viel höherer Spitzenwert als                                                                         werden, um das Personal und
in der ersten Welle, was           nicht zu Erschöpfungen                                            die Klienten zu schützen.
auch damit zu erklären ist,                                                                             Auch in dieser zweiten
dass Patienten, die damals         kommt.»                                                           Welle setzt sich Spitex
im Spital blieben, jetzt zu          Marianne Pfister                                                Schweiz für gute Rahmen­
Hause betreut werden. Die                                                                            bedingungen der Spitex-Or-
Waadtländer Spitex AVASAD (Association Vaudoise d’Aide             ganisationen ein. Der nationale Dachverband steht in engem
et de Soins à Domicile) betreut gemäss Angaben auf ihrer           Kontakt mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG), der
Website (Stand 19.11.2020) in ihren sozialmedizinischen            Schweizerischen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und
Zentren 330 Covid-Betroffene, das entspricht 1,9% der ins-         anderen Institutionen. Er fordert, dass die Covid-bedingten
gesamt 17377 AVASAD-Klienten (Monatsdurchschnitt).                 Zusatzkosten vollumfänglich übernommen werden und Spi-
    Aus den Ergebnissen einer Umfrage, die Spitex Schweiz bei      tex-spezifische Merkblätter ausgearbeitet werden. So hat Spi-
den Spitex-Kantonalverbänden durchführte, geht hervor, dass        tex Schweiz beispielsweise erwirkt, dass das BAG das Co-
(Stand 2.11.2020) die Mehrheit der Kantonalverbände die Per-       vid-Merkblatt «Informationen und Empfehlungen für
sonalsituation in der Spitex besorgt beobachtet. Im Unter-         Organisationen und Gesundheitsfachleute, die im Bereich der
schied zur ersten Welle werden kaum Einsätze von Klienten          häuslichen Pflege tätig sind» vom Mai 2020 aktualisiert hat.
oder Angehörigen abgesagt, mehr Mitarbeitende sind in Qua-         Ursprünglich wollte das BAG die Empfehlungen für die Spitex
rantäne oder Isolation oder fallen aus, weil sie zur Risikogrup-   und die Empfehlungen für Alters- und Pflegeheime bündeln
pe gehören.Weil in dieser zweiten Welle insgesamt viel mehr        und in einem gemeinsamen Dokument publizieren. Nun ist
                Personen getestet werden und weil die Posi-        das Merkblatt mit spezifischen Empfehlungen für die Spitex
                   tivitätsrate deutlich höher ist, sind zurzeit   neu aufgelegt und auf der BAG-Coronavirus-Website unter
                     mehr Spitex-Mitarbeitende in Quarantä-        «Empfehlungen für Gesundheitsfachpersonen» abrufbar.
                     ne, da sie in ihrem privaten Umfeld Kon-
                     takt zu einer infizierten Person hatten.                                                Francesca Heiniger
Wir alle altern und brauchen eines Tages vielleicht die Spitex
10   GESELLSCHAFT                          SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR

                                                         Claudia Vanoni von der Bülacher
                                                         Spitex (rechts) hat ihrer
                                                         Klientin Ruth Thalmann ein Weih-
                                                         nachtsgeschenk mitgebracht.
                                                         Bild: Leo Wyden

Auch an Heiligabend
kommt die Spitex
           Die Spitex wird auch an den Festtagen von vielen Menschen
            ­gebraucht. Das «Spitex Magazin» hat mit einer Bülacher
              ­Spitex-Mitarbeiterin und einer ihrer Klientinnen über die
               ­besondere Stimmung während dieser Zeit gesprochen.
             Und ein Spitex-Klient aus Luzern erzählt von den Weihnachts-
          tagen seiner Kindheit genauso wie von den heutigen, die
       er mit seiner an Demenz erkrankten Frau verbringt.
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR                                                           GESELLSCHAFT
                                                                                                                                  11
Neben dem Christkind oder auch dem Weihnachtsmann               ventskranzes das Kompliment gemacht, dass ich eine
sind während der Festtage noch ganz andere Akteure un-          tolle Frisur habe. Sie hat es sehr geschätzt, dass sich je-
terwegs, die weder Engelsflügel noch einen Sack mit Ge-         mand für sie an diesem speziellen Tag hübsch
schenken dabeihaben. Vielmehr fahren sie in Autos mit der       macht. Ich glaube, an den Festtagen haben die
Aufschrift «Spitex» durch weihnachtlich beleuchtete Stras­      Menschen Freude an solchen Kleinigkeiten, die
sen und bringen ihren Klientinnen und Klienten Hoffnung,        Wertschätzung ausstrahlen», erzählt sie. Viele
Trost und Freude in die kalte, dunkle und mitunter auch         der Klientinnen und Klienten seien dann auch
recht einsame Zeit. Darum sind die Mitarbeitenden der Spi-      speziell an ihr als Person interessiert. «Einmal
tex gerade dann überall in der Schweiz ein Lichtblick. Ohne     sagte eine Klientin, ich solle doch nur das Nö-
grosses Aufheben stellen sie ganz bewusst ihr Privatleben       tigste machen und dann lieber nach Hause gehen, um
in den Hintergrund und kümmern sich auch während der            selbst Weihnachten zu feiern», berichtet sie.
Festtage und mancherorts                                                                           Manchmal sind an Weih-
im 24-Stunden-Dienst um                                                                            nachten Angehörige da, die
kranke oder betagte Men-         «Einmal sagte eine Klientin,                                      der Mutter, dem Vater oder
schen. Wie zum Beispiel um
die Bülacherin Ruth Thal-
                                 ich solle doch nur das                                            den Grosseltern bei der Kör-
                                                                                                   perpflege helfen können
mann. Die 90-Jährige ist
geistig noch total fit, stets
                                 Nötigste machen und dann                                          und sie auch ins Bett brin-
                                                                                                   gen. Gelegentlich sind sie
zu einem Spässchen aufge-        lieber nach Hause gehen,                                          dann aber überfordert und
legt und kann immer noch                                                                           benötigen trotzdem die Spi-
im eigenen Haus wohnen.          um selbst Weihnachten                                             tex. Dazu kommt, dass Pati-
Jeden Tag kommt die Spitex                                                                         enten im Spital zeitweise
zu ihr – auch an Weihnach-       zu feiern.»                                                       darauf drängen, die Festta-
ten. «Sie pflegen mich für          Claudia Vanoni                                                 ge zu Hause zu verbringen.
den Festtag. Zuvor geniesse                                                                        Manchmal überschätzen sie
ich ein feines Mittagessen, das mir der Mahlzeitendienst        diese Herausforderung und müssen noch am Austrittstag
der Stiftung Alterszentrum Grampen bringt», sagt sie und        wieder im Spital einchecken. «Aber oft geht es gut. Mit der
erklärt, dass sie sich auf den Christbaum freue, den ihr Sohn   Hilfe der Spitex ist es für die Klientinnen und Klienten dann
immer über die Weihnachtszeit vor ihrem Fenster platziert.      möglich», erzählt Claudia Vanoni. So war das vor einigen
                                                                Jahren im Fall der Dame, die Weihnachten zu Hause so rich-
Wertschätzung der Spitex                                        tig genoss. Als Claudia Vanoni abends eintraf, um ihr die
Claudia Vanoni arbeitet seit vier Jahren bei der Spitex         Kompressionsstrümpfe auszuziehen und die Medikamente
­Region Bülach ZH, die der Stiftung Alterszentrum Region        zu verabreichen, war die ganze Familie versammelt. «Für die
 Bülach angehört. Auf ihren bevorstehenden Einsatz am           anwesenden Kinder waren meine Dienstleistungen beinahe
 Heiligabend angesprochen, sagt die 37-jährige Fachfrau         spannender als Weihnachten selbst. Sie umringten mich und
 Gesundheit (FaGe): «Ich habe kein Problem damit. Schliess-     schauten interessiert zu», berichtet die FaGe. Später, als die
 lich gehört das zu meinem Beruf.» Und so organisiert die       Kerzen am Weihnachtsbaum brannten, lud man die Spi-
 Single-Frau ihre private Weihnachtsfeier einfach um ihren      tex-Mitarbeiterin ein, doch noch ein wenig zu bleiben. «Ich
 Spitex-Einsatzplan herum. «Zum Glück sind meine Eltern         bin wirklich keine begnadete Sängerin. Aber als ich mit der
 und Geschwister extrem flexibel. Sie wissen halt, wie sehr     Familie ’O du fröhliche’ sang, spürte ich, wie man die Arbeit
              ich meinen Beruf liebe», erklärt sie. «Meine      der Spitex wertschätzt», berichtet sie. Ab und zu bekommt
                     Mutter kocht dann immer etwas, das         Claudia Vanoni von den Klientinnen und Klienten auch eine
                      sich auch warmhalten lässt. Ich schät-    kleine Aufmerksamkeit. «Einmal schenkte mir eine Dame
                      ze diese Momente mit der Familie,         eine Kerze, ganz grob in eine Serviette gehüllt, weil ihre Fin-
                       denn ich weiss, dass das nicht selbst-   ger nicht mehr in der Lage waren, ein Päckchen zu machen.
                       verständlich ist.»                       So etwas berührt mich schon», sagt sie. Für Betagte und Ein-
                          Für ihren Einsatz am Heiligabend      same werden die Festtage dieses Jahr – Corona-bedingt –
                    bindet sich Claudia Vanoni einen bunten     noch einmal anders sein. Die Anzahl der Gäste ist auch im
                    Schal um oder trägt aufmunternde Ac-        privaten Bereich beschränkt, und es wird wohl weniger Be-
                    cessoires. «Die Klientinnen und Klienten    such vorbeischauen. Wer möchte schon riskieren, Eltern oder
                   schätzen das an Weihnachten ganz be-         Grosseltern in Gefahr zu bringen. «Es zeichnet sich ab, dass
                   sonders. Einmal hat mir eine Klientin ne-    man uns von der Spitex noch mehr benötigen wird als sonst
                    ben den brennenden Kerzen des Ad-           schon», sagt Claudia Vanoni.
12   GESELLSCHAFT                                                          SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR

     Szenenwechsel nach Luzern
        Obwohl die Spitex auch an den Festtagen vorbeischaut,
             sehnen sich viele Menschen dann ganz besonders
               nach den Angehörigen. So wie Walter Reichlin aus
              Luzern. Der 83-Jährige vermisst seine Frau Mona.
           «Seit Januar 2019 lebt die 82-Jährige im Viva-Betag-
        tenzentrum Wesemlin in Luzern. Mona hat es dort
          schön und es geht ihr gut», sagt er, presst die Lippen
           zusammen und versucht zu lächeln. Als Mona vor
            zehn Jahren die Diagnose «Demenz vom Alzhei-
            mer-Typus» erhielt, fiel ihr Ehemann aus allen Wol-
            ken. «Ich landete recht unsanft auf dem Boden der
          Realität. Wir hatten es doch eben noch so schön zu-
     sammen, machten Reisen und genossen das Leben. Mona
     war ausserordentlich intelligent und sprachbegabt. Sie
     machte Korrespondenz und Stenografie in Deutsch, Fran-
     zösisch, Italienisch und Englisch. Nach der Hochzeit enga-
     gierte sie sich im sozialen Bereich. Und dann das …», er-
     zählt er.
        Am ersten Weihnachtsfeiertag wird Walter Reichlin sei-
     ne Mona zu sich nach Hause nehmen und auch ihre Toch-
     ter Petra wird zu Besuch kommen. Er plant, einen kleinen
     Christbaum zu kaufen und ihn mit den roten Kugeln von
     früher zu schmücken. Es wird fast so sein, wie damals am       So haben Mona und Walter Reichlin mit ihrer Tochter Petra
     2. Weihnachtsfeiertag, als er Mona den Verlobungsring mit      1967 Weihachten gefeiert. Bild: Walter Reichlin
           der Gravur «Julen 61 Walti» an den Finger steckte.
            «Ich kaufte ihn in Göteborg, Schweden. Julen heisst     mich ein kompletter Bauernstall unter dem Christbaum»,
            auf Deutsch übersetzt Weihnachten», berichtet er.       erzählt er und strahlt dabei übers ganze Gesicht. Gemein-
            Er weiss schon jetzt, dass seine Frau den Christbaum    sam hatte ihn sein Bruder mit der Unterstützung eines
         anschauen werde, als sehe sie zum ersten Mal so ein        Schreiner-Kollegen mit der Laubsäge gebaut. «Acht Sim-
      geschmücktes Bäumchen. Und auch beim Anblick der              mentaler Kühe, zwei Rössli und ein Wagen zum Vorspan-
     Päckchen werde sie ihn fragen, was das denn eigentlich soll.   nen. Wahnsinnig schön», sagt er. Walter Reichlin hat den
     Und wie schon im vergangenen Jahr wird er zu ihr sagen:        Krieg miterlebt. Er berichtet über die Verdunklung am
     «Mona, das sind Geschenke für dich. Die darfst du auspa-       Abend und von den Scheinwerfern der Fliegerabwehr, die
     cken.» Bis jetzt ist Walter Reichlin ohne die Hilfe der Spi-   in der Dunkelheit den Luftraum über dem Vierwaldstätter-
     tex an Heiligabend ausgekommen. Sollte er aber dieses Mal      see absuchten.
     Unterstützung benötigen,                                                                        Als Kind stapfte er auf sei-
     hat er eine Notfallnummer,
     die er jederzeit anrufen
                                      «Dass ich die Spitex bei                                       nem Schulweg eine Stunde
                                                                                                     lang durch den Schnee.
     kann. «Das gibt mir grosse       einem Notfall jederzeit                                        «Aber ich durfte auch noch
     Sicherheit», erklärt er.                                                                        im Wald mit anderen Kin-
                                      anrufen kann, gibt mir                                         dern Feuer machen. Das
     Das Grösste und Beste                                                                           wäre heute gar nicht mehr
     Als jüngstes von acht Kin-       grosse Sicherheit.»                                            möglich», erzählt er und
     dern wuchs Walter Reichlin        Walter Reichlin                                               betont dann, dass seine
     in Hinterwürzenbach un-                                                                         Frau Mona das Grösste und
     weit von Luzern auf. «Meine Mutter ging vor Heiligabend                    Beste sei, das ihm in seinem Leben passierte.
     immer noch schnell auf die Bank. Dort schaute sie, ob die                    «Jetzt ist meine Mona da und doch nicht da.
     Kunden meines Vaters, der selbstständiger Zimmermann                         Sie lebt in einer anderen Welt und sucht oft
     war, gezahlt hatten. Erst dann konnte sie sagen, ob und wel-                 ihre Gedanken in den Wolken», sagt er. Früher
     che Geschenke es gab», berichtet er. Und wenn die Zah-                     lud das Paar an Weihnachten Gäste ein und be-
     lungsmoral dann doch schlechter als erwartet war, schenk-            kochte diese mit Freude. Bis 2010 wie aus heiterem
     te man sich einfach Selbstgemachtes. «Einmal stand für         Himmel die ersten Anzeichen der Krankheit auftauchten.
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR                                                            GESELLSCHAFT
                                                                                                                                   13

Auch dieses Jahr malt der pensionierte Grafiker Walter Reichlin Weihnachts­karten für Freunde und Bekannte. Und wieder widmet er die kleinen
Kunstwerke seiner Frau Mona. Bild: Beatrix Bächtold

        Bei Gesprächen wiederholte sich Mona. Sie stell-         chen jeden Morgen eine liebe, freundliche Person von der
         te auch immer wieder die gleichen Fragen. «An-          Spitex Stadt Luzern kam, um mir bei der Körperpflege zu
         fangs akzeptierte sie die Diagnose nicht. Sie sag-      helfen, und sich auch Zeit für gute Gespräche
         te, dass das doch Humbug sei und auch andere            nahm», berichtet er.
         allerlei vergessen. Manchmal wurde sie auch rich-          Auf das kommende Weihnachtsfest freut
          tig ghässig. Das erforderte Liebe und Geduld von       sich der pensionierte Grafiker. In seinem
          mir», erzählt er.                                      Atelier entwirft er, wie jedes Jahr, eigene
                                                                 Weihnachtskarten und widmet sie seiner
Die Spitex half mehrfach                                         Mona. «Dieses Jahr ist das Motiv der Stall von
Rückblickend ist Walter Reichlin glücklich, sich frühzeitig      Bethlehem», sagt er, setzt seine Brille auf, knipst die Lam-
Unterstützung von Fachpersonen geholt zu haben. So lern-         pe an und greift zum Pinsel. Und während er den Engeln
te er zum Beispiel bei Pro Senectute und der Alzheimerstif-      eine leuchtend gelbe Farbe verleiht, sagt er: «Ich bin fest
tung, mit der Krankheit seiner Frau zu leben, und die Haus-      davon überzeugt, dass über den Wolken jemand ist, der da-
halthilfe der Spitex leistete wertvolle Dienste. «Alle           für sorgt, dass ich meine liebe Mona noch lange begleiten
Mitarbeitenden der Spitex wussten sehr gut mit Mona und          darf.»
ihrer Krankheit umzugehen. Ich lernte viel und gewann an
Sicherheit», sagt er. Grosse Hilfe war ihm auch ein Work-                                                     Beatrix Bächtold
shop der Spitex Stadt Luzern. Dort gab ihm die diplomier-
te Pflegefachfrau und Diplompsychologin Dr. Bettina Ugo-
lini in ihrem Referat folgenden Schlüsselsatz mit auf den           DOK-Sendung mit Spitex-Klienten
Weg: «An Demenz Erkrankte lügen nie, machen nie etwas               Walter und Mona Reichlin werden im kommenden Jahr Protagonisten
falsch und haben immer recht.» Dass das Zusammen­                   einer DOK-Sendung des Schweizer Fernsehens SRF sein, die sich
leben mit an Demenz Erkrankten viel, fast zu viel Kraft             um das Thema «Alleine oder einsam» dreht. Die Dreharbeiten sind
braucht, spürte er am eigenen Leib. Psychisch und physisch          abgeschlossen. Der Termin für die Ausstrahlung 2021 steht noch
am Boden erlitt Walter Reichlin 2019 einen Zusammen-                nicht fest. Das «Spitex Magazin» wird auf seiner Facebook-Seite
bruch. «Nach dem Spitalaufenthalt allein zu Hause zu sein,          darüber informieren.
war für mich nicht leicht. Ich war froh, dass für einige Wo-
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SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR                                                   GESELLSCHAFT
                                                                                                      FOKUS
                                                                                                                          15

                                                                                 62
                                                                          legel,
                                                                   es Sc h
                                                            Johann
         Doris F
                 ischer-
                        Taesch
                              ler,       65
                                                                                  Joha
                                                                                      nne
                                                                                          s   Sc hl
                                                                                                      ege
                                                                                                            l, 8
                                                                                                                2

                                                      5
                                               hler, 8
                                 isc her-Taesc
                         Doris F

                                                          Iren Bischofberger, 55
Drei der im Fokusteil Interviewten wurden mit
FaceApp um rund 20 Jahre gealtert, um zu
zeigen, dass wir alle älter und damit vielleicht
                                                                                        Iren Bis
pflegebedürftig werden. Fotos: zvg / FaceApp                                                     c ho fbe      rger, 7
                                                                                                                      5

Wir alle sind potenzielle
künftige Spitex-Klienten
Wir alle werden älter, und darum sind wir alle vielleicht eines Tages die
Klientinnen und Klienten der Spitex. Dies sollen die um rund 20 Jahre
gealterten Porträts der Interviewten in diesem Fokusteil aussagen. Doch was
wollen die Spitex-Klienten in 10, 20 oder auch mehr Jahren? Dieser Frage
gehen die Berichte auf den kommenden Seiten nach: Es werden Fachpersonen
befragt und es wird ein Labor besucht, eine innovative App genauer betrachtet,
über die künftige Finanzierung der Betreuung diskutiert – und eine Umfrage
soll zeigen, was die Spitex-Klienten selbst von der Spitex der Zukunft wollen.
16          GESELLSCHAFT
            FOKUS
                                                                  SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR

Drei Fachpersonen
blicken auf die Klienten
der Zukunft
Was wird die Klientinnen und Klienten der Spitex in Zukunft ausmachen, welche
Ansprüche werden sie haben und wie wichtig werden Technologien für sie sein?
Solchen Fragen gehen drei Fachpersonen mit unterschiedlichen Blickwinkeln in
drei Interviews nach: eine Spitex-­Geschäftsführerin, ein Zukunftsforscher und eine
Pflegewissenschaftlerin.                                  Interviews: Kathrin Morf; Bilder: zvg/FaceApp

            «Digitalisierung und Diversifizierung
            werden den Klienten der Zukunft prägen.»
            Claudia Aufdereggen
            Geschäftsleiterin Spitex Regio Liestal / Vorstandsmitglied Spitex Schweiz

                                                           Spitex Magazin: Frau Aufdereggen, wenn Sie die
                                                           Entwicklungen betrachten, welche Sie in über
                                                             30 Jahren in der Pflege miterlebt haben: Was wird
                                                                 den Spitex-Klienten der Zukunft von demjeni-
                                                                    gen von heute unterscheiden?
                                                                            Claudia Aufdereggen: Das Leben der Klien-
                                                                           tinnen und Klienten der Zukunft wird sicher-
                                                                             lich von digitalen Technologien durchdrun-
                                                                             gen sein. Dazu gehört, dass sie häufiger
                                                                             digital mit der Spitex kommunizieren. Die
                                                                            Digitalisierung wird auch das «Tele Nursing»
                                                                         vorantreiben, also die Pflege über digitale Ka-
                                                                        näle. Dies gilt insbesondere für Bereiche wie die
   Claudia Aufdereggen, 55                                              Psychiatrie, in denen die Spitex nicht immer phy-
                                                                       sisch präsent sein muss. Eine andere Entwicklung
                                                                      betrifft die Angehörigen: Wie eine Studie der
                                                                      Fachhochschule Nordwestschweiz kürzlich ge-
                                                                     zeigt hat, werden bereits jetzt 8 Prozent der 70-
                             Claudia                                bis 80-Jährigen ohne Familienangehörige alt, Ten-
                                       Aufder
                                             eggen,                 denz steigend. Unsere Klienten werden demnach
                                                      75
                                                                   immer weniger Familienangehörige haben, die sich
                                                                   an ihrer Pflege und Betreuung beteiligen. Stattdes-
SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR                                                            GESELLSCHAFT
                                                                                                               FOKUS
                                                                                                                                    17
sen wird jeder Klient ein sehr individuelles Beziehungsnetz      hält. Dieses Verhalten wird auch durch die marktwirtschaft-
aufbauen, das er als seine «Familie» betrachtet. Und die Spi-    liche Entwicklung unseres Gesundheitssystems forciert.
tex muss lernen, mit all diesen sozialen Systemen zu koope-      Schliesslich darf der Klient inzwischen sogar sein Spital frei
rieren. Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass Digita-        wählen. Anspruchsvoller werden unsere Klienten auch in Be-
lisierung und Diversifizierung die Klientinnen und Klienten      zug auf die Kommunikation: Sie wollen intensiver über das
der Zukunft prägen werden.                                       Vorgehen der Pflegefachpersonen informiert werden – und
                                                                 begegnen der Spitex dabei zunehmend kritisch, indem sie
Die Klienten der Zukunft wollen zu Hause leben, wie              zum Beispiel ihre Einsatzzeiten und ihre Kontinuität in der
Studien zeigen [vgl. auch Umfrage S. 30]. Forscher               Pflege hinterfragen.
gehen nun aber davon aus, dass Menschen künftig
sehr alt werden und viel Unterstützung benötigen.                Und muss die Spitex auf solche Kritik reagieren,
Wird es künftig also vermehrt Formen des betreuten               selbst wenn solche Sonderwünsche einen finanziel-
Wohnens geben, die zwischen dem u       ­ rsprünglichen          len Mehraufwand bedeuten?
Zuhause und einem Altersheim angesiedelt sind?                   Bereits jetzt ist es für die Spitex eine grosse Herausforde-
Die Häufigkeit und die Beliebtheit von Formen des betreu-        rung, gute Einsatzpläne zu erstellen. Würde sie dabei auf je-
ten Wohnens werden sicherlich zunehmen. Wichtig wird da-         den Sonderwunsch eingehen, würde sie ihr Budget spren-
bei sein, dass Angebote des betreuten Wohnens zentral ge-        gen. Vielleicht muss auch die Nonprofit-Spitex ihr Angebot
legen sind, damit die Bewohnerinnen und Bewohner am              künftig differenzieren und neben ihren normalen Leistun-
gesellschaftlichen Leben teilhaben und öffentliche Ver-          gen, mit denen sie ihre Versorgungspflicht effizient erfüllt,
kehrsmittel schnell erreichen können. Auch in Bezug auf be-      bezahlpflichtige Sonderleistungen wie Einsatzzeiten nach
treutes Wohnen bin ich mir sicher, dass es von Diversifizie-     Wunsch einführen. Dies würde einem unternehmerischen
rung geprägt werden wird: Je nach Kanton und Region              Denken und Handeln entsprechen, das laut Experten auch
werden sich unterschiedliche Formen durchsetzen. Und die         für Nonprofit-Organisationen immer wichtiger wird.
Spitex braucht auch hier Flexibilität, damit sie ihre Dienst-
leistungen an all diese Formen anpassen kann.                    Angesichts der zunehmenden Zahl an alleinstehen-
                                                                 den Menschen dürfte auch die Nachfrage nach – oft
Ein weiterer Trend bei der Spitex scheint die Zunahme            auch nicht verrechenbaren – Betreuungsleistungen
der Komplexität der Fälle zu sein? Dies, weil Fort-              durch die Spitex zunehmen?
schritte in Medizin und Technologie die Möglichkeiten            Das halte ich für wahrscheinlich. Auch hier muss die Spitex
der Pflege zu Hause laufend erweitern und weil der               unternehmerisch denken und Angebote wie Wäschediens-
Leitsatz «ambulant vor stationär» umgesetzt wird.                te, Beistandschaften und Fahrdienste schaffen. Sonst wer-
Ich habe vor diesem Interview in der Spitex Regio Liestal eine   den die Klienten vermehrt auf private Spitex-Organisatio-
Umfrage zum Thema durchgeführt, und diese hat eindeutig          nen ausweichen, die alle gewünschten Leistungen aus einer
ergeben, dass die pflege- und medizintechnischen Anforde-        Hand anbieten. Ich bin aber optimistisch, dass sich parallel
rungen an die Spitex immer weiter steigen. Die Spitex wird       zu diesem Trend auch Modelle für unentgeltliche Betreu-
in Zukunft also sehr viele sehr komplexe Fälle wie multimor-     ungsleistungen etablieren. So wäre es unter anderem denk-
bide Klienten versorgen, und dies mit den unterschiedlichs-      bar, dass die wachsende Zahl der Rentnerinnen und Rentner
ten modernen Therapien und Technologien.                         sich künftig häufiger gegenseitig unterstützt.

Klientinnen und Klienten werden laut einer explorati-            Sie haben im Vorstand von Spitex Schweiz das Res-
ven Umfrage, die Spitex Schweiz 2019 durchgeführt                sort Qualität inne. Wie kann die Spitex die hohe Qua-
hat, nicht nur in Bezug auf ihren Bedarf anspruchsvol-           lität ihrer Dienstleistungen aufrechterhalten, obwohl
ler – sondern auch in Bezug auf ganz persönliche
Wünsche und Ansprüche. Ist der Klient der Zukunft
also fordernder und kritischer?                                    Zur Person
Auch diese Entwicklung zeigt sich im Spitex-Alltag deutlich
                                                                   Claudia Aufdereggen, 55, ist Pflegefachfrau HF mit einem Master in
und dürfte weiter voranschreiten. Denn die künftigen Be-
                                                                   Betriebsökonomie und Gerontologie. In den 1980er-Jahren war sie eini-
tagten sind es gewohnt, dass sie aus zahlreichen Angeboten
                                                                   ge Jahre für die Spitex tätig und kehrte im Jahr 2000 zur Spitex zurück;
wählen dürfen – zum Beispiel täglich zwischen Aldi, Coop
                                                                   seit 2003 ist sie Geschäftsleiterin der Spitex Regio Liestal [vgl. auch ihre
oder auch einem Spezialitätenladen. Ähnlich wird der Klient
                                                                   Ausführungen zum betreuten Wohnen S. 39]. Seit 2015 ist sie zudem
der Zukunft über die Spitex denken: Er wird alle Angebote
                                                                   Vorstandsmitglied von Spitex Schweiz mit dem Ressort Qualität, zuvor
auf dem Markt genau prüfen und öfters den Anbieter wech-
                                                                   war sie mehrere Jahre im Kantonalverband tätig.
seln, wenn er ein anderes Angebot für besser oder günstiger
18   GESELLSCHAFT
     FOKUS
                                                                             SPITEX MAGAZIN 6 / 2020   |  DEZEMBER/JANUAR

     sie immer mehr Technologien beherrschen und                      genden zum Beispiel beim Mobilisieren von Klienten unter-
     Sonderdienstleistungen anbieten sollte?                          stützen. Über kurz oder lang wird die Spitex im Markt nur
     Erstens muss die Spitex gezielt Aus- und Weiterbildungen         bestehen können, wenn sie mit der rasanten Entwicklung
     organisieren, um den steigenden Ansprüchen gerecht zu            solcher Technologien mithält – oder sie sogar durch inno-
     werden. Zweitens muss sie                                                                      vative Projekte vorantreibt.
     sich aktiv in die Entwicklung                                                                  Wichtig ist dabei, dass jeder
     der Ausbildung in der ge-         «Wollen wir, dass unsere                                     Mensch die Wahl hat, ob er
     samten Branche einbringen.
     Und drittens sollte sie sich
                                       älteren Mitmenschen auch                                     die Technologien nutzen
                                                                                                    will. Das gilt auch für Spi-
     horizontal und vertikal spe-
     zialisieren: Horizontal be-
                                       in Zukunft gut gepflegt                                      tex-Mitarbeitende: Vor ei-
                                                                                                    nigen Jahren haben Ange-
     deutet Spezialisierungen in-      werden, müssen wir jetzt                                     hörige in der Wohnung
     nerhalb jeder Organisation.                                                                    eines Klienten mehrere Vi-
     In den vergangenen Jahren         in die Pflegebranche                                         deokameras installiert. Da-
     zeigte sich zum Beispiel klar                                                                  mit überwachten sie aber
     ein steigender Bedarf nach        investieren.»                                                auch die Spitex, was un-
     Psychiatriepflege und Pal­        Claudia Aufdereggen                                          ethisch ist. Um unsere Mit-
     liative Care. Und an solche                                                                    arbeitenden zu schützen,
     Entwicklungen sollte die Strategie jeder Spitex-Organisa­tion    haben wir durchgesetzt, dass die Kameras während unse-
     angepasst werden. Mit vertikaler Spezialisierung meine ich,      rer Einsätze abgeschaltet wurden.
     dass die Spitex ihr Angebot auch erweitern kann, indem sie
     die Kooperation mit anderen Leistungserbringern optimiert.       Die Zahl der Spitex-Klienten steigt laufend
                                                                      [vgl. S­ pitex-Statistik S. 4]. Deswegen ist in der ambu-
     Stichwort Kooperation: Die integrierte Versorgung,               lanten Pflege bis 2030 mit einem Mehrbedarf an
     die eines Ihrer Spezialgebiete ist, wird oft als Zukunft         ­Fachkräften von rund 57 Prozent zu rechnen, wie der
     unseres Gesundheitssystems bezeichnet. Ist der Spi-               nationale Versorgungsbericht 2016 festhält.
     tex-Klient der Zukunft also eigentlich ein Klient des             Wird der K  ­ lient der Zukunft unter dem Fachkräfte-
     Gesamtsystems, in dem sich die Grenzen zwischen                   mangel leiden?
     den Leistungserbringern auflösen?                                 Das droht zu passieren, denn hinsichtlich des Fachkräfteman-
     Ich glaube nicht, dass sich die Grenzen komplett auflösen.        gels ist es 5 vor 12. Die Politik muss hier dringend etwas un-
     Die integrierte Versorgung soll die einzelnen Leistungser-        ternehmen. Denn wollen wir, dass unsere älteren Mitmen-
     bringer aber näher zusammenrücken, damit sie gemeinsam            schen auch in Zukunft gut gepflegt werden, dann müssen wir
     die optimale Lösung für jede Klientin und jeden Klienten su-      jetzt in die Pflegebranche investieren. Gerne wird vergessen,
     chen. Der Klient der Zukunft wird von der Spitex insbeson-        dass jeder immer älter wird und möglicherweise eines Tages
     dere erwarten, dass sie die Schnittstellen zu anderen Leis-       Hilfe und Pflege benötigt. Ausserdem gilt es, die Branche Spi-
     tungserbringern optimiert. Diese schwierige Aufgabe dürfte        tex auch jungen Menschen als tollen Arbeitsplatz mit guten
     durch die Digitalisierung vereinfacht werden. Beispielswei-       Laufbahnmöglichkeiten schmackhaft zu machen. Diese Auf-
     se kann eine Spitex-Mitarbeiterin während eines Einsatzes         gabe müssen wir selbst wahrnehmen und uns im Ausbil-
     einen Arzt zuschalten, wie es in Genf bereits getan wird [vgl.    dungsbereich weiterhin tatkräftig engagieren.
     «Spitex Magazin» 4/2020; Anmerkung der Redaktion].
                                                                       Nun haben wir über vieles gesprochen, was den­
     Die moderne Technologie wird die Spitex künftig                   ­Klienten der Zukunft von demjenigen heute unter-
     auch anderweitig unterstützen, zum Beispiel durch                  scheidet. Gibt es auch Aspekte, die sich kaum
     Roboter – oder durch Sensoren, welche die Klienten               ­verändern werden?
     überwachen [vgl. Artikel S.27]. Diese Technologien                 Ich denke, dass sich viele grundpflegerische Aspekte eben-
     werden aber auch kritisch betrachtet. Zu Recht?                    so wenig verändern werden wie die Bedürfnisse der Men-
     Solche Technologien werden sich unaufhaltbar durchset-             schen, von denen die Spitex viele abzudecken vermag. Dazu
     zen. Die Spitex tut folglich gut daran, die Chancen dieser         gehört zum Beispiel der Wunsch nach einer positiven Bezie-
     Entwicklung zu sehen. So können uns Sensoren in Zukunft            hung zu den Spitex-Mitarbeitenden. Viele Kernaufgaben der
     bei der Früherkennung von Demenz helfen. Und viele be-             Pflege – wie die Beziehungsarbeit, der empathische Aus-
     tagte Menschen akzeptieren die Überwachung durch Sen-              tausch und das einfühlsame Beraten – werden in Zukunft
     soren bereitwillig, wenn sie dafür sicher zu Hause leben           genauso wichtig sein wie heute, egal ob sie im direkten Kon-
     können. Roboter sind ebenfalls hilfreich, weil sie die Pfle-       takt oder über digitale Kanäle geschehen.
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