YOUTH-MENTORING: LITERATURÜBERSICHT - OKTOBER 2015 erstellt von Elisabeth Buchner, ifz Salzburg - IFZ-Salzburg

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YOUTH-MENTORING: LITERATURÜBERSICHT - OKTOBER 2015 erstellt von Elisabeth Buchner, ifz Salzburg - IFZ-Salzburg
YOUTH-MENTORING:
LITERATURÜBERSICHT
OKTOBER 2015
erstellt von Elisabeth Buchner, ifz Salzburg
YOUTH-MENTORING: LITERATURÜBERSICHT - OKTOBER 2015 erstellt von Elisabeth Buchner, ifz Salzburg - IFZ-Salzburg
INHALTSVERZEICHNIS

Inhalt
Einleitung _________________________________________________________________________________________________________ 1
Definition __________________________________________________________________________________________________________ 2
Wirkung von Youth-Mentoring __________________________________________________________________________________ 3
Auswahl der Mentees _____________________________________________________________________________________________ 5
Auswahl der MentorInnen (Lernbuddys) _______________________________________________________________________ 6
Matching___________________________________________________________________________________________________________ 9
Ausbildung/Training & Support _______________________________________________________________________________ 10
Mentoringbeziehung ___________________________________________________________________________________________ 11
Programmdesign _______________________________________________________________________________________________ 15
Literatur _________________________________________________________________________________________________________ 16
EINLEITUNG

Einleitung
Mentoringprogramme sind im Bildungsbereich und in der Arbeitswelt weit verbreitet und mittlerweile auch
relativ gut erforscht. Oft fließen die Ergebnisse akademischer Forschung jedoch nicht in die praktische
Umsetzung von Programmen ein.

So hat Mentoring laut aktuellem Forschungsstand zwar einerseits das Potential, die effektivste pädagogische
Fördermaßnahme („Goldstandard“) zu sein, andererseits weisen viele Programme in der Umsetzung
gravierende und oft vermeidbare Mängel auf. (vgl. Ziegler 2009, 12-14)

Dies ist umso bedauernswerter, als über einige Erfolgsbedingungen mittlerweile ein relativ breiter Konsens in
der wissenschaftlichen Fachwelt besteht. Die Nichtberücksichtigung dieser Erkenntnisse kann die
Wirksamkeit von Mentoring-Programmen im Vergleich zu ihrem Potential stark verringern und
schlimmstenfalls sogar nicht intendierte negative Auswirkungen (vgl. Rhodes 1994) haben.

Diese Literaturübersicht möchte deshalb für das Projekt „Lernen macht Schule“ relevante
Forschungsergebnisse überblicksweise darstellen, mit dem Ziel, bei der Umsetzung und wissenschaftlichen
Begleitung an schon existierende Forschungsergebnisse zu Erfolgsbedingungen anzuknüpfen sowie allen
interessierten Beteiligten einen Überblick über den aktuellen Stand der Forschung zum Thema „Youth
Mentoring“ zu ermöglichen.

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DEFINITION

Definition
      „Mentoring ist eine zeitlich relativ stabile dyadische Beziehung zwischen einem/einer
      erfahrenen MentorIn und seinem/r ihrem/r weniger erfahrenen Mentee. Sie ist durch
      gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen geprägt, ihr Ziel ist die Förderung des Lernens und
      der Entwicklung sowie das Vorankommens des/der Mentee.“ (Ziegler 2009, 11)
Im Zentrum von Mentoring steht eine wohlwollende, positive Beziehung. Man unterscheidet zwischen
informellem Mentoring (natural mentors) und formellem Mentoring. Letzteres zeichnet sich durch die
Strukturierung der Beziehung im Rahmen einer Maßnahme oder eines Programms aus. Mentoring ist, wie
auch das Coaching, eine Feedback-basierte Lernmethode und unterscheidet sich diesbezüglich von
erfahrungs- und edukationsbasierten Zugängen. Der Unterschied zum Coaching liegt darin, dass es sich beim
Mentoring um eine integrative und umfassende, weniger spezifische (jede Alltagssituation kann ein „teaching
moment“ sein) Lernbeziehung handelt, die die „gesamte Person“ einbezieht und tendenziell langfristiger
angelegt ist. Die Beziehung zwischen MentorIn und Mentee ist stärker kollaborativ und komplementär
definiert als beim Coaching. Nichtsdestotrotz kommt dem/der MentorIn die Rolle des Rollenmodells oder
Vorbilds zu, um dem Mentee durch Unterstützung, Beratung, Freundschaft, Ermutigung und Vorbildwirkung
hilft, sein Potential zu verwirklichen (Empowerment). Anders als beim Coaching besteht dieses Potential nicht
nur in messbaren „Skills“ und Verhaltensweisen, sondern kann Wissen, Fähigkeiten, Einstellungen und
Netzwerke umfassen. (vgl. Höhrer 2014, 109-111; Ziegler 2009, 11ff.)

Beim formellen Youth Mentoring ist der/die MentorIn in der Regel ein nicht erziehungsberechtigter
Erwachsener, der eine „Zwischenposition“ zwischen Familienangehörigem und professionellem
pädagogischen Betreuer einnimmt. Wenngleich viele Definitionen, wie auch die oben angeführte, Mentoring
als Eins-zu-Eins-Beziehung begreifen, deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass ähnliche Effekte
grundsätzlich auch in einem Kleingruppensetting (group mentoring) möglich sind. (vgl. DuBois et al. 2011, 57)

Auch wenn Mentoringbeziehungen explizit auf wechselseitiges Lernen ausgerichtet sind, bestehen
Machtungleichgewichte zwischen MentorIn und Mentee, die reflektiert werden müssen. Diese sind jedoch
nicht nur als Herausforderung für die Mentoringbeziehung, sondern auch als Ressource zu sehen: eben
dadurch, dass der/die MentorIn in vielen Bereichen über mehr „Kapital“ (zB: in Form von Wissen, Erfahrung,
Netzwerken, sozialen Kontakten und materiellen Mitteln) verfügt, kann er/sie dem Mentee neue Türen und
Perspektiven eröffnen. (vgl. Rhodes et al. 2013, 513-14)

Youth-Mentoring ist mit einer breiten Palette von möglichen positiven Effekten verbunden: effektives
Mentoring kann die Beziehungsfähigkeit, die Schulleistungen, das schulische Interesse und die Integration der
Mentees in den Schulalltag erhöhen und ihnen zu einem zuversichtlicheren Blick in die Zukunft verhelfen.
(vgl. Rhodes et al. 2006) Mentoring kann demnach sowohl der Prävention wie auch der Förderung von
Kindern und Jugendlichen dienen (vgl. DuBois et al. 2011, 57) Eine Metastudie, die 10 US-
Mentoringprogramme, die durch ein experimentelles Forschungsdesign untersucht wurden, vergleicht,
kommt zu dem Ergebnis, dass Mentoring Einstellung, Verhalten und soziale Beziehungen positiv beeinflussen
kann:

      “Mentored youth are likely to have fewer absences from school, better attitudes towards
      school, fewer incidents of hitting others, less drug and alcohol use, more positive attitudes
      towards their elders and toward helping in general, and improved relationships with their
      parents.” (Jekielek et al, 2002, 1)

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WIRKUNG VON YOUTH-MENTORING

Wirkung von Youth-Mentoring
Wirkungsmodelle erlauben       eine    theoretisch    orientierte    Begründung       für   die konkrete
Programmausgestaltung. Die Mentoringforschung widmet sich erst seit wenigen Jahren verstärkt der Frage,
wie, unter welchen Bedingungen und hinsichtlich welcher Ziele Mentoring wirkt. (vgl. Nakkula/Harris 2005)

Viele Mentoringprogramme und die dazugehörende Forschung sind jedoch weiterhin theoretisch
unterspezifiziert, was bedeutet, dass sie bestimmte positive Programmeffekte (z.B.: Delinquenzprävention,
Identitätsentwicklung, Resilienzstärkung, kognitive Fähigkeiten, …) annehmen und anekdotisch oder auch
systematisch belegen (WAS?), ohne dem jedoch ein theoretisches Modell des Wirkungsprozesses (theory of
change – WIE?) zugrunde zu legen. Dies ist deshalb problematisch, weil Mentoringprogramme je nach
Zielgruppe und Programmschwerpunkt unterschiedliche Wirkweisen anstreben und verwirklichen können.
Ob das spezielle Programmdesign den Zielsetzungen bestmöglich gerecht wird und wo
Adaptionsbemühungen ansetzen sollen, erschließt sich jedoch nur, wenn man eine überprüfbare Vorstellung
davon hat, durch welche Mechanismen die Wirkungen zustande kommen sollen und die Programmevaluation
daran ausrichtet.

Metastudien, beispielsweise jene von DuBois et al. (2002), welche 55 Evaluationsstudien von Youth-
Mentoring-Programmen vergleicht, kamen zu dem Ergebnis, dass der durchschnittliche Effekt von Mentoring-
Programmen hinsichtlich der emotionalen, sozialen und schulischen Kompetenzen der Mentees zwar positiv,
aber sehr gering ist. Noch wichtiger ist die Erkenntnis, dass dieser niedrige Durchschnittswert auf Basis
starker Varianz zwischen den Programmen zustande kommt: es gibt also zwischen verschiedenen
Mentoringprogrammen große Unterschiede hinsichtlich des Ausmaßes und der Konsistenz der positiven
Mentoring-Effekte. Eine andere Metastudie kam zu ähnlichen Ergebnissen: zwar steht Mentoring mit einer
Vielzahl von positiven Effekten in so unterschiedlichen Dimensionen wie Verhalten, Einstellungen/Motivation,
soziale Beziehungen, Gesundheit, psychologische Effekten wie ein positive Selbstbild, besseres
Emotionsmanagement und psychosoziales Wohlbefinden sowie schulischer/beruflicher Erfolg in
Zusammenhang. Die Effektstärke ist jedoch im Durchschnitt niedrig. Am stärksten wirkt sich Youth Mentoring
auf Einstellungen (z.B. Einstellung gegenüber der Schule, Zukunftsperspektiven, Möglichkeitssinn) aus,
während konkrete Verbesserungen hinsichtlich Schulleistungen, psychosozialem Wohlbefinden, Gesundheit
und Motivation seltener nachweisbar waren. (vgl. DuBois et al. 2002; DuBois/Silverthorn 2005; Eby et al.
2008, 254; 265)

      “It may be that attitudes are more amenable to change than are outcomes that are more
      contextually dependent or more influenced by stable person variables. For instance, an
      individual’s decision to engage in substance use may be strongly influenced by peer pressure,
      access to drugs, and parental role modeling, making it difficult for a mentoring relationship to
      have substantial impact.” (Eby et al. 2008, 263)
DuBois et al. (2002) isolierten eine Reihe von theorie- und empiriebasierten „Erfolgsbedingungen“ und
fanden heraus, dass diese eine kummulative Wirkung haben: je mehr dieser Best-Practice Elemente in ein
Programm integriert sind, desto größer ist der Effekt (vgl. Punkt: Programmdesign).

Ein umfassendes, wenngleich sehr allgemein gehaltenes Wirkungsmodell wurde von Jean Rhodes (2002,
2005) vorgeschlagen. Dieses ist auch für Lernen macht Schule als Grundlage passend. Demnach sind drei
wechselseitig verwobene Prozesse für die positive Wirkung von Youth Mentoring auf die Mentees

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WIRKUNG VON YOUTH-MENTORING

verantwortlich. Das Ausmaß der Wirkung wird dabei durch die Beziehungsqualität beeinflusst, wobei eine
Vielzahl an Moderatorvariablen ebenfalls Einfluss nehmen kann.

      “Attempts to arrive at general conclusions about the influence of mentoring are complicated by
      the relationship context and numerous other personal, environmental, and situational factors
      that are potential moderators of mentoring effects. Strategies employed by mentors to promote
      positive identity development, for example, may be more effective with some youth than
      others, depending on their background, beliefs, and values.” (Rhodes et al 2006, 702)
Mentoring kann (vgl. Rhodes et al 2006, 692-695):

(1) die sozialen Beziehungen und das emotionale Wohlbefinden der Mentees stärken, indem (a) Auszeit vom
    Alltag(sstress) durch gemeinsame, vergnügliche Aktivitäten ermöglicht wird, (b) eine „korrektive
    Erfahrung“ bei jenen Mentees stattfinden kann, die bis dahin wenig positive Beziehungen mit
    Erwachsenen aufgebaut haben, (c) neue Kompetenzen zum Umgang mit (negativen) Gefühlen durch
    „emotion coaching“ von Seiten des Mentors erlernt werden, was wiederum die übrigen sozialen
    Beziehungen des Mentees (zu Eltern, LehrerInnen, Peers) positiv beeinflussen kann
(2) die kognitiven Fähigkeiten durch Anleitung und Austausch stärken, indem der Mentee neuen, bis dato
    unbekannten Lernmöglichkeiten (Horizonterweiterung hinsichtlich geografischen Räumen, Orten und
    Aktivitäten) begegnet, intellektuell herausgefordert und angeleitet wird (jede Gelegenheit kann vom
    Mentor als ein „teaching moment“ genutzt werden) sowie Ansporn für Weiterentwicklung erhält.
(3) eine positive Identitätsentwicklung durch Vorbild- und Fürsprecherrolle unterstützen, indem Mentoren
    Anerkennung und Möglichkeitssinn (many possible selves) vermitteln und die Mentees bei der
    praktischen Umsetzung ihrer Ziele unterstützen.

WIRKUNGSMODELL VON RHODES (2005)

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AUSWAHL DER MENTEES

Auswahl der Mentees
Mentoring ist grundsätzlich für Kinder und Jugendliche unabhängig von Alter, Geschlecht, Ethnizität oder
Familienstruktur als Präventions- und Fördermaßnahme geeignet. (DuBois et al 2002, 186) Allerdings gibt es
Faktoren, die eine positive Wirkung (1) wahrscheinlicher und/oder (2) stärker/effektiver machen.
Zu (1): Das Herzstück des Youth-Mentoring bildet die Beziehung zwischen MentorIn und Mentee (vgl. Punkt:
Mentoringbeziehung). Junge Menschen, denen es aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen (z. B.:
Missbrauchsgeschichte) oder Lebensumstände (z. B. psychische Erkrankung) unmöglich ist, sich auf eine
Beziehung mit einer erwachsenen Bezugsperson einzulassen, profitieren nicht oder wenig von Mentoring und
könnten vermutlich besser durch andere Maßnahmen unterstützt werden, bevor eine Mentoringbeziehung
forciert wird. (vgl. DuBois et al. 2011, 76)
Zu (2): Mentoring ist dann besonders effektiv, wenn es dem Mentee Ressourcen und Stimuli zur Verfügung
stellt, die im eigenen sozialen und familiären Umfeld rar sind. So profitieren bspw. Kinder von Müttern mit
relativ niedrigem Bildungsstatus und niedrigen Werten hinsichtlich prosozialem Verhalten stärker von
einem/einer MentorIn mit hohem Bildungsgrad und stark ausgeprägten prosozialen Haltungen als ihre peers.
(vgl. Kosse 2015, 78)
Kinder und Jugendliche, die bereits über eine oder mehrere ältere nicht-elterliche Bezugspersonen (natural
mentors) verfügen, profitieren nicht so stark von der Teilnahme in einem Eins-zu-Eins Mentoring-Programm.
(DuBois/Neville/Parra/Pugh-Lilly 2002, 49)
Mentoring hat laut aktuellem Forschungsstand den größten positiven Effekt bei Kindern und Jugendlichen,
die aufgrund ihrer gegenwärtigen Lebensumstände verletzlich, sozio-ökonomisch benachteiligt oder
gefährdet sind, jedoch nicht zu einer Hochrisikogruppe mit multiplen, schon ausgeprägten Problemen
gehören. (vgl. DuBois et al. 2002, 189) Letztere benötigen in der Regel eine weitaus intensive und
spezialisiertere Betreuung, als Mentoring durch Freiwillige allein leisten kann. Allerdings kann Mentoring
durchaus ein Teil eines Bündels an Unterstützungsmaßnahmen sein, wenngleich damit auch umfassendere
Ausbildungsanforderungen an die MentorInnen einhergehen (vgl. Eby 2008, 263; DuBois et al., 2002, 189).
Hier ist auch die Unterscheidung zwischen strukturellen Benachteiligungen und individuellen Problemlagen
relevant. Erstere beziehen sich auf Aspekte, die das Lebensumfeld und die Lebensumstände betreffen (zB:
benachteiligtes Wohnviertel, niedriger sozio-ökonomischer Status, Zugehörigkeit zu einer diskriminierten
Gruppe....):
      “The strongest empirical basis exists for utilizing mentoring as a preventive intervention with
      youth whose backgrounds include significant conditions of environmental risk and
      disadvantage.” (DuBois et al. 2002, 190)
Wenn Kinder und Jugendliche rein aufgrund von individuellen Eigenschaften bzw. persönlichen Problemen als
gefährdet gelten (zB: schlechte Schulleistungen, Verhaltensauffälligkeiten) oder eine Kombination von
individuellen Risiken und Umwelt- bzw. Strukturfaktoren vorliegt, hängt die Wirkung von Mentoring stärker
von der Orientierung des Mentoringprogramms an wissenschaftlich belegten Praktiken (z. B. hinsichtlich
Auswahl und Ausbildung der MentorInnen, Unterstützung und Monitoring,..) ab. (vgl. DuBois et al. 2002, 189-
190) Das Programm muss also professioneller strukturiert sein und eine intensivere Begleitung ermöglichen.
Ist dies gewährleistet, kann Mentoring für diese Zielgruppen besonders gewinnbringend sein. (vgl. DuBois et
al. 2011, 76)

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AUSWAHL DER MENTORINNEN (LERNBUDDYS)

Auswahl der MentorInnen (Lernbuddys)
Der Auswahl der MentorInnen sollte große Aufmerksamkeit geschenkt werden, wenngleich die meisten
Mentoringprogramme vor der Herausforderung stehen, dass die Zahl der potentiellen Mentees die Zahl der
Freiwilligen übersteigt. Hier sollte bedacht werden, dass Mentoring nicht in jedem Fall positiv wirkt, sondern
dass beispielsweise eine frühzeitige Beendigung negative Auswirkungen auf den Mentee hinsichtlich
Selbstwertempfinden und schulischem Selbstbewusstsein haben kann. (vgl. Grossmann/Rhodes 2002, 213-
214)

Aus der Literatur ist bekannt, dass die Motivation der MentorInnen Einfluss auf die Mentoringbeziehung und
– wirkung nimmt. So haben Karcher et al. (2005) herausgefunden, dass jene MentorInnen, die überwiegend
altruistisch motiviert sind (etwas zurückgeben, anderen weiterhelfen,…) ihre Mentoringbeziehung positiver
erleben, als jene, die vorwiegend durch Eigeninteresse (etwas lernen, die eigene Karriere voranbringen,…)
motiviert sind. Positiv erlebte Mentoringbeziehungen führen wiederum zu längerer Teilnahme am Programm.
Eine überwiegend durch Eigeninteresse geleitete Motivation kann durch eine fundierte Ausbildung der
MentorInnen im Rahmen des Mentoringprogramms ausgeglichen werden. Vorzeitiger Beendigung von
Mentoringbeziehungen kann also durch qualitativ hochwertiges Training und Begleitung vorgebeugt werden.
Das Mentoringprogramm sollte außerdem die Mentoringerfahrung bei der Bewerbung realistisch darstellen,
damit die Erfahrungen der MentorInnen mit ihren Erwartungen kompatibel sind. Andernfalls steigt das Risiko
eines vorzeitigen Abbruchs. (vgl. Spencer 2007a, 331-354) Interessanterweise kann sich die Motivation im
Lauf einer Mentoringbeziehung verändern: Davis et al. (2003) stellten fest, dass die ursprünglich durch
Eigeninteresse geleitete Motivation zur Teilnahme sich nach einer Laufzeit von mehr als sechs Monaten in
eine stärker altruistische Motivation transformierte, nachdem die ursprünglichen Erwartungen erfüllt waren.

Die Lebensumstände der MentorInnen sollten mit den Anforderungen des Programms und den aus der
Forschung bekannten Voraussetzungen für die Beziehungsentwicklung kompatibel sein. Die Anforderungen
des Mentoringprogramms müssen deshalb im Rahmen des Auswahlverfahrens transparent gemacht und
realistisch dargestellt werden. Dazu zählen insbesondere die zeitlichen Ressourcen, um langfristig und
regelmäßig im vereinbarten Rahmen Zeit mit dem Mentee verbringen zu können. Zeitknappheit ist einer der
häufigsten Gründe für den Abbruch von Mentoringbeziehungen. So weiß man, dass MentorInnen, die
verheiratet sind bzw. sehr weitreichende familiäre bzw. berufliche Verpflichtungen haben, eher dazu
tendieren, die Mentoringbeziehung vorzeitig abzubrechen. (vgl. Spencer 2007b, 4; 7)

Die sozialen und persönlichen Kompetenzen der MentorInnen spielen eine wesentliche Rolle für die
Mentoringbeziehung. Obwohl diese auf Wechselseitigkeit beruht, verläuft die Hauptwirkrichtung vom
Mentor/der Mentorin zum Mentee, weswegen ersterem/r auch die Hauptaufgabe der Steuerung zukommt.
MentorInnen sollten sich weder als „Retter“ noch als überlegen empfinden bzw. definieren und nicht
versuchen, die Eltern oder professionelle BetreuerInnen zu ersetzen. Damit geht eine gewisse notwendige
Unbestimmtheit und Wagheit der MentorInnenrolle und des für diese Rolle adäquaten Verhaltens einher,
was hohe Anforderungen an die sozialen Kompetenzen der MentorInnen stellt. Aus diesem Grund empfehlen
manche ForscherInnen, MentorInnen auszuwählen, die schon Erfahrung im Sozialbereich haben. (vgl. DuBois
et al. 2002) Allerdings ist grundsätzlich nicht eine bestimmte Fachausbildung entscheidend, sondern die
Fähigkeit des Mentors/der Mentorin, eine enge, unterstützende, vertrauensvolle Beziehung zu ermöglichen.
Die Fähigkeit Beziehungsbarrieren zu erkennen und zu überwinden, setzt Empathie und Einstimmung auf das
Gegenüber (attunement) sowie Selbststeuerungskompetenzen und Selbstwirksamkeitsempfinden voraus. So
fanden Frankenberg und Aufhammer (2012, 10ff) heraus, dass bei MentorInnen, die in Stresssituationen dazu

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AUSWAHL DER MENTORINNEN (LERNBUDDYS)

tendieren, das Gespür für sich selbst und die eigenen Wünsche zu verlieren, die zu Selbstvorwürfen neigen
oder vermeidende Coping-Strategien (z. B. Ablenkung) einnehmen, die Lernfreude ab- und das Stresserleben
sowie Stressbewältigungsfähigkeit der Mentees zunehmen.

      "Der adäquate Umgang mit den Herausforderungen in den Mentoring-Beziehungen steht und
      fällt letztlich mit den sogenannten Selbststeuerungskompetenzen des Mentors, d. h. den
      Stressbewältigungsstrategien, der Fähigkeit zur Selbstberuhigung sowie zur Selbstmotivation
      und Vieles mehr." (Frankenberg/Aufhammer 2012, 35)
Analog dazu beschreiben auch DuBois/Neville/Parra/Pugh-Lilly (2002, 47-48) Selbstvertrauen, Zuversicht und
Selbstwirksamkeitsempfinden auf Seiten der MentorInnen als entscheidende Fähigkeiten, um (anfängliche)
Schwierigkeiten in der Mentoringbeziehung zu überwinden und Vertrauen aufzubauen.

Neben offensichtlichen Faktoren, die jemand für die MentorInnenrolle ungeeignet (Vorstrafen, Zeitmangel,
Unzuverlässlichkeit, rein egoistische Motivation zur Teilnahme …) machen, führen auch eine autoritäre
Grundhaltung, das Fehlen der Fähigkeit oder des Willens zur Reflexion von eigenen Vorurteilen, der Wille,
primär die Werte oder das Verhalten der Mentees zu verändern statt eine vertrauensvolle Beziehung
aufzubauen, sowie fehlende Sensibilität für die sozio-ökonomischen und kulturellen Einflüsse, denen der
Mentee ausgesetzt ist, häufig zu negativen Mentoring-Erfahrungen. (National Mentoring Partnership o. J.,
100) Dem kann (teilweise) durch adäquates Training vorgebeugt werden.

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AUSWAHL DER MENTORINNEN (LERNBUDDYS)

WHAT MAKES A GOOD MENTOR? (vgl. Mentor - National Mentoring Partnership 2005, 125)

Many people feel that being a mentor requires special skills, but mentors are simply people who have
the qualities of good role models.

• Mentors listen: They maintain eye contact and give mentees their full attention.
• Mentors guide: Mentors are there to help their mentees find life direction, never to push them.
• Mentors are practical: They give insights about keeping on task and setting goals and priorities.
• Mentors educate: Mentors educate about life and their own careers.
• Mentors provide insight: Mentors use their personal experience to help their mentees avoid mistakes
and learn from good decisions.
• Mentors are accessible: Mentors are available as a resource and a sounding board.
• Mentors criticize constructively: When necessary, mentors point out areas that need improvement,
always focusing on the mentee’s behavior, never his/her character.
• Mentors are supportive: No matter how painful the mentee’s experience, mentors continue to
encourage them to learn and improve.
• Mentors are specific: Mentors give specific advice on what was done well or could be corrected, what
was achieved and the benefits of various actions.
• Mentors care: Mentors care about their mentees’ progress in school and career planning, as well as
their personal development.
• Mentors succeed: Mentors not only are successful themselves, but they also foster success in others.
• Mentors are admirable: Mentors are usually well respected in their organizations and in the
community

TIPS FOR MENTORS (vgl. Mentor - National Mentoring Partnership 2005, 11-12)

• Maintain a steady presence in the mentee’s life. That means showing up for scheduled meetings or,
when that is not possible, telling the mentee in advance, in order to avoid any disappointment. A phone
call, e-mail or fax can help when a face-to-face meeting isn’t possible.
• Focus on the mentee’s needs––not the mentor’s own wants and needs. Mentors should look to improve
the mentee’s prospects while respecting the young person’s life circumstances and perspective. This
includes not trying to transform the mentee or impose the mentor’s own values on the mentee.
• Pay attention to the mentee’s need for fun.
• Get to know the mentee’s family without getting over involved. Mentors need to understand that they
are not substitutes for parents.
• Seek out and use the help and support of mentoring program staff.

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MATCHING

Matching
Ein Schwachpunkt vieler Mentoringprogramme ist, dass sie es nicht schaffen, Paare ausreichend lange
zusammenzuhalten, damit das Mentoring Wirkung zeigen kann. Ungefähr die Hälfte der
Mentoringbeziehungen bestehen demnach nur für ein paar Monate. (Grossmann/Rhodes, 2002, 200)

Beim Matching gibt es wenig wissenschaftlich belegte Kriterien. Einerseits wird häufig das Matching anhand
von Ähnlichkeiten wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Interessen empfohlen. Allerdings gibt
es wenig Belege, dass beispielsweise Alter und ethnische Zugehörigkeit einen signifikanten Einfluss auf die
Beziehungsqualität haben. Deshalb wird in der Literatur mittlerweile häufig das Matching hinsichtlich
„relevanter“ Kriterien empfohlen. Diese können sich einerseits aus dem spezifischen Mentoringprogramm
ergeben. Andererseits empfiehlt sich die Orientierung an dem Grundsatz, das Matching an jenen
Dimensionen auszurichten, die die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen einer stabilen, vertrauensvollen
Beziehung erhöhen. Insbesondere die Wahrnehmung von Gemeinsamkeiten zwischen MentorInnen und
Mentees erleichtert das Entstehen von Vertrauen. Berücksichtig werden sollten deshalb, die persönlichen
Präferenzen (zB. Wunsch nach jemanden mit dem gleichen Geschlecht), die Persönlichkeit sowie
insbesondere ähnliche Interessen und Erfahrungen von MentorInnen und Mentees. (vgl. Mentor – National
Mentoring Partnership o. J., 103; DuBois et al. 2011, 77)

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AUSBILDUNG/TRAINING & SUPPORT

Ausbildung/Training & Support
Die Qualität und das Ausmaß von (1) Training, (2) Begleitung und (3) Ressourcen der MentorInnen korreliert
stark positiv mit der Beziehungsqualität und der Beziehungsdauer (vgl. Herrera et al., 2007, 25). Diese drei
Komponenten werden deshalb als Best Practice für Mentoringprogramme empfohlen. (vgl. Miller 2007)

(1) Die Schulung der MentorInnen zu Beginn kann die Wahrnehmung der Mentoringbeziehung durch die
MentorInnen stark positiv beeinflussen. Da die Motivation der MentorInnen besonders am Beginn der
Mentoringbeziehung starken Einfluss nimmt, kommt der Reflexion von (unrealistischen) Erwartungen und
Motiven im Rahmen der Schulung große Bedeutung zu. Ähnlich verhält es sich hinsichtlich dem Empfinden
von Selbstwirksamkeit auf Seiten der MentorInnen, das eine wichtige Rolle für den Erfolg der
Mentoringbeziehung spielt. Diese kann durch eine als hilfreich empfundene Vorbereitung erhöht werden. Da
das Identifizieren und Überwindung von Beziehungsbarrieren stärker Aufgabe der MentorInnen als der
Mentees ist, sollte auch die Beziehungsentwicklung Thema im Rahmen der Ausbildung sein. Die Evaluation
eines großen amerikanischen Mentoringprogramms zeigte auf, dass jene MentorInnen, die weniger als zwei
Stunden Schulung vor dem Matching erhielten, die Beziehung als weniger eng beschrieben, weniger Zeit mit
ihrem Mentee verbrachten und weniger wahrscheinlich ein zweites Jahr am Programm teilnahmen als ihre
KollegInnen, die eine umfassendere Ausbildung absolvierten. (vgl. Mentor 2009, 10) Eine Ausbildung von
mindestens sechs Stunden wird als Best Practice empfohlen (vgl. Mentor – National Mentoring Partnership
2005, 11)

(2) Kontinuierliches Monitoring und Begleitung der Paare nach dem Matching erhöht die positive Wirkung
von Mentoring auf die Mentees und kann sehr wirksam hinsichtlich der Prävention von vorzeitigen
Beziehungsabbrüchen sein, indem Schwierigkeiten der MentorInnen aktiv thematisiert und die
Beziehungsentwicklung unterstützt werden. (vgl. Rhodes/DuBois 2006) Eine weitere wichtige Funktion
betrifft die Reflexion der eigenen, oft unbewussten Wertvorstellungen, Vorurteile und
Machtungleichgewichte in der Mentoringbeziehung (durch Alter, sozio-ökonomische Lage,…), die im
Beziehungsverlauf manifest werden und die Beziehung belasten können. Dazu gehört auch die Wirkung von
sozialer Ungleichheit, die sich unbewusst auch in der Mentoringbeziehung ausdrücken und bei fehlender
Reflexion zur unbewussten Bestätigung vorhandener Vorurteile führen kann. (vgl. Rhodes/Liang/Spencer
2009, 454)

      “Training, adopted from counseling professions and directed toward helping mentors to identify
      their culture- and class-based privileges and expand their cultural knowledge, can be critical to
      the success of mentoring relationships.” (dies.)
(3) Mentoringprogramme, die monatlich strukturierte Aktivitäten (z. B. Ausflüge) oder Veranstaltungen (z. B.
Eintrittskarten,..) anbieten, an denen die Paare gemeinsam teilnehmen können, zeigen bessere Ergebnisse,
da sie Gelegenheiten für beziehungsfördernde Aktivitäten zu Verfügung stellen. (vgl. Miller 2007).

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MENTORINGBEZIEHUNG

Mentoringbeziehung
Die wahrgenommene Beziehungsstärke ist der entscheidende Faktor, der effektives von ineffektivem
Mentoring unterscheidet:

      "At the crux of the mentoring relationship is the bond that forms between the youth and
      mentor. If a bond does not form, then youth and mentors may disengage from the match before
      the mentoring relationship lasts long enough to have a positive impact on youth." (Herrera et
      al. 2000, 28)
Die Häufigkeit der Treffen, die Dauer der Mentoringbeziehung und die wahrgenommene Nähe und
Vertrautheit sind starke Prädiktoren für die positive Wirkung von Mentoring auf die Mentees. (vgl. DuBois et
al. 2002; Grossmann/Rhodes 2002) Eine wesentliche Aufgabe jedes Mentoringprogramms besteht also darin,
die Entstehung qualitativ hochwertiger Beziehungen sowie die Regelmäßigkeit der Treffen über eine gewisse
Zeitspanne zu stützen.

PROZESSMODELL VON PARA ET AL. (2002, 368)
Parra et al. visualisieren durch ihr Prozessmodell, inwiefern die beiden Faktoren Beziehungsqualität und
Beziehungsdauer/Kontakthäufigkeit sich im Verlauf der Mentoringbeziehung gegenseitig beeinflussen. Die
Auswahl der Mentees, die Schulung und Begleitung der MentorInnen und das Matching beeinflussen das
Selbstvertrauen der MentorInnen (Mentor Efficacy Beliefs), was wiederum direkt auf die Häufigkeit und
Intensität der Kontakte wirkt. Das Ausmaß der Interaktion hängt jedoch auch signifikant mit der
Beziehungsqualität (relationship closeness) sowie mit der Effektivität (gemessen am wahrgenommenen
Nutzen für die Mentees und am Fortbestehen der Mentoringbeziehung) zusammen.

BEZIEHUNGSDAUER & HÄUFIGKEIT DER TREFFEN
Mentoring beruht auf der regelmäßigen, aktiven Teilnahme der MentorInnen am Leben der Mentees (und
umgekehrt) über einen längeren Zeitraum. Wenngleich die Festlegung eines Schwellenwerts nicht
unumstritten ist, gibt es starke Indizien, dass eine Mentoringbeziehung mindestens ein Jahr andauern sollte,
um stabile Effekte zu zeigen. Je nach Programmdesign und Zielsetzungen können auch kürzere Versionen

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MENTORINGBEZIEHUNG

Wirkung zeigen können, wenn die vorgegebene Programmlaufzeit erfüllt wird. (Grossman & Rhodes, 2002;
Mentor 2009, 8) Als Faustregeln, die sich über mehrere Studien hinweg nachweisen ließen, gilt demnach: (1)
je länger, umso besser und (2) je häufiger und regelmäßiger, umso besser. Lange Unterbrechungen (z. B.
während der Ferienzeit) sollten, soweit möglich, vermieden werden.

Vorzeitig beendete Mentoringbeziehungen können den Mentees im schlimmsten Fall schaden. Slicker und
Palmer (1993) stellten fest, dass jene Mentees, die eine hinsichtlich Qualität und Länge zufriedenstellende
Mentoringbeziehung erlebten, ihre Schulleistungen im Vergleich zur Kontrollgruppe verbesserten. Bei jenen
TeilnehmerInnen, der Beziehung vorzeitig beendet wurde, verschlechterte sich das Selbstbewusstsein sogar
im Vergleich zur Kontrollgruppe, die kein Mentoring bekam. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch
Grossmann/Rhodes (2002, 213-214) hinsichtlich der Faktoren Selbstwertempfinden und wahrgenommene
schulische Kompetenz. Forschungsergebnisse lassen außerdem vermuten, dass Beziehungsabbrüche
besonders für Kinder mit Migrationserfahrung, die durch die Migration schon nahe Bezugspersonen verloren
haben, besonders schädlich sein können. (vgl. Mentor 2009, 11)

Zentral ist also, dass das Screening, Matching, die Ausbildung und Begleitung daran orientiert ist, dass die
vorgegebene Projektlaufzeit, an denen sich die Erwartungen der MentorInnen und Mentees orientieren, auch
eingehalten werden kann und dass es durchdachte Vorgehensweisen im Fall einer unvermeidbaren
vorzeitigen Beendigung gibt. (vgl. Mentor 2009, 8)

BEZIEHUNGSQUALITÄT
      “Emotional closeness in relationships between mentors and youth is a stronger and more direct
      predictor of the perceived benefits and longevity of mentoring relationships than the frequency
      of contact between mentors and youth (Parra et al. 2002).
Das Gefühl der Nähe in der Mentoringbeziehung ist der beste Prädiktor für das Fortbestehen der Mentoring-
Beziehung und die Höhe des wahrgenommenen Nutzens. Die gefühlte Nähe erhöht die Wahrscheinlichkeit,
dass die Beziehung über längere Zeit bestehen bleibt, da MentorIn und Mentee sich stärker darum bemühen
werden. (vgl. Parra 2002, 383-384)

Der wahrgenommene Nutzen durch den Mentee ist zweidimensional: einerseits wirkt die empfundene Nähe
direkt positiv auf den Mentee, insofern als er/sie emotionale Unterstützung, Sicherheit, Anerkennung und
Bestätigung erfährt, andererseits bildet sie auch die Basis, damit andere Facetten der Mentoring-Beziehung
(zB: Gespräche zwischen Mentor und Mentee über die berufliche Zukunft, Probleme oder Werte) überhaupt
Wirkung zeigen können (zB. in Form von veränderten Einstellungen oder Verhaltensweisen). Je größer die
emotionale Nähe, desto weniger wichtig ist die reine Dauer der Mentoringbeziehung.

MENTORINGSTILE
In der Literatur wird zwischen (1) vorschreibendem (prescriptive), (2) Laissez-Faire, (3)
entwicklungsorientiertem (developmental) und (4) instrumentellem Stil differenziert. Die beiden zuerst
genannten gelten in der Literatur als ineffektive Mentoringstile, während letztere laut Stand der Forschung
die längsten, stärksten und erfolgreichsten Mentoringbeziehungen hervorbringen. Beim Laissez-Faire-Stil
werden weder zielgerichtete noch beziehungsorientierte Aktivitäten bewusst ausgeführt und es wird auch
nicht kollaborativ entschieden, da niemand das Ruder in die Hand nimmt. Die Beziehung ist „richtungslos“
und erinnert eher an das Verhältnis lockerer Bekannter, der/die MentorIn nimmt keine Vorbildfunktion ein.

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MENTORINGBEZIEHUNG

Der vorschreibende Stil zeichnet sich dadurch aus, dass der/die MentorIn allein bestimmt, wie die Interaktion
aussieht und dass der Fokus auf den Schwächen oder Problemen des Mentees liegt, die durch strukturiertes
Vorgehen behoben werden sollen. (vgl. Karcher/Nakkula 2010, 28-29)

Beim Laissez-Faire Stil kann durchaus ein Gefühl der Nähe bestehen, jedoch zeigt die Forschung, dass darüber
hinaus keine positiven Effekte für die Mentees verbunden sind. Ohlemann und Angermann (2012, 103; 108)
fanden beispielsweise bei der Evaluation des Mentoringprogramms „Balu und Du“ heraus, dass sich das
Stresslevel bei jenen Mentees nicht reduzierte, deren MentorInnen in der Beziehung häufig non-direktives
Kontrollverhalten (dem Mentee aus Unsicherheit gegen die eigene Überzeugung nachgeben) und unsichere
Reaktionen in schwierigen Situationen zeigten.

Die beiden effektiven Mentoringstile unterscheiden sich vom vorschreibenden Stil dadurch, dass beide nicht
an den Zielen des/der Mentors/Mentorin, sondern am Mentee hinsichtlich seiner Interessen und
Bedürfnissen orientiert sind und dass MentorIn und Mentee kollaborativ bei der Entscheidungsfindung über
die Gestaltung der Mentoringbeziehung und Aktivitäten vorgehen. Beide Stile kombinieren (1) zielgerichtete
(goal-oriented) Aktivitäten und (2) Interaktionen, die primär dem Beziehungsaufbau (relational) dienen,
jedoch nicht in der gleichen Reihenfolge. Beim entwicklungsorientiertem Ansatz liegt der Fokus zu Beginn auf
dem Beziehungsaufbau, weshalb mehr gegenwartsbezogene, fun-orientierte und vertrauensbildende als
zielorientierte Aktivitäten gesetzt werden. Im Verlauf der Beziehungsentwicklung werden dann vermehrt
zielorientierte, zukunftsbezogene Elemente einbezogen. Beim instrumentellen verläuft der Prozess genau
andersherum: die Mentoring-Beziehung beginnt ausgehend von einem gemeinsam vereinbarten Ziel bzw.
Zweck und dementsprechenden Aktivitäten. Mit der Zeit kann sich die Mentoringbeziehung über den
ursprünglich vereinbarten Zweck hinaus entfalten, wodurch vermehrt auch rein beziehungsorientierte
Aktivitäten ausgeführt werden. (vgl. Karcher/Nakkula 2010, 16-19)

An welchem der beiden Mentoringstile man sich eher orientiert, hängt von mehreren Faktoren, nicht zuletzt
von der Persönlichkeit von MentorIn und Mentee ab. Es gibt jedoch Hinweise, dass für Kinder und Teenager
ein eher entwicklungsorientierter Ansatz besser wirkt, während für Jugendliche und junge Erwachsene ein
instrumenteller Zugang mit von Anfang an klaren gemeinsamen Zielsetzungen die Wahrscheinlichkeit für die
Aufrechterhaltung der Mentoringbeziehung erhöht. (vgl. Hamilton/Hamilton 2005, 352-353)

ART DER AKTIVITÄTEN
Beim Thema Mentoringstile wurde dargelegt, dass grundsätzlich eine Kombination aus zielorientierten und
beziehungsbezogenen Aktivitäten gewählt werden sollte. Gelegenheiten für gemeinsame, angenehme
Aktivitäten werden also mit der Arbeit an gemeinsam festgelegten Zielen und der Bewältigung auftretender
Schwierigkeiten oder Herausforderungen verbunden. Die Aktivitäten sollten kollaborativ gewählt werden,
also weder einseitig vom Mentor/von der Mentorin vorgegeben werden, noch ausschließlich dem Willen des
Mentees folgen.

      „(…) it appears that mentoring relationships characterized by structure, activity and
      expectations (i. e. conditional support) are more beneficial that mentoring relationships
      characterized by little structure, low activity and unconditional support.”
      (Langhout/Rhodes/Osborne 2004, 304)

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MENTORINGBEZIEHUNG

Welche Aktivitäten geeignet sind, diese Ziele zu erreichen, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab.
Beispielsweise wird für jüngere Kinder empfohlen, den Fokus stärker auf Spielen und strukturierten
Aktivitäten (z. B. Ausflügen, Hausaufgaben machen) zu setzen, während bei Jugendlichen vermehrt auch
offene Gespräche und einfaches „Zeit miteinander verbringen“ zum Vertrauensaufbau geeignet sind. Dabei
sollte jedoch darauf geachtet werden, den Mentee durch die Gesprächsinhalte und Gesprächsführung nicht
in innerliche Konflikte zu bringen:

      “Mentors may express beliefs or opinions that are at odds with the experiences, values, and
      beliefs of their protégés, creating conflict for the young person. Mentors should thus strive to
      refrain from religious or political proselytizing, raise their own awareness of power dynamics in
      cross-age and cross-cultural relationships, and seek consultation from mentoring programs to
      effectively negotiate these differentials.” (vgl. Rhodes/Liang/Spencer 2009, 454)
Grundsätzlich sind nur wenige allgemein gültige Ergebnisse zum Nutzen konkreter Aktivitäten vorhanden. Als
eines der wenigen, ergab die Evaluation des Mentoringprogramms „Balu und Du“, dass kreative Aktivitäten
wie Basteln, Malen und Kochen sowie Alltagstätigkeiten (z. B. Kaufen eines Bustickets, Ausleihen eines
Buches in der Bücherei) und Gesellschaftsspiele mit einer signifikant besseren Selbstorganisation auf Seiten
der Mentees einhergehen. (Müller-Kohlenberg/Drexler 2013, 113-114)

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PROGRAMMDESIGN

Programmdesign
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass effektive Mentoring-Programme:
•   theoriegeleitet
•   orientiert an empirisch nachgewiesenen Best-Practice-Elementen sind.

Zu diesen Best-Practice-Elementen gehören insbesondere Maßnahmen, die geeignet sind, die Entstehung
von langfristigen, stabilen Beziehungen zu fördern (vgl. Punkt: Beziehungsqualität). Dazu zählen nach
derzeitigem Stand der Forschung (vgl. DuBois et al. 2002, 187-188; Rhodes 2005, 37; Dubois et al. 2011, 77)

•   kontinuierliches Training und Unterstützung der MentorInnen (in Form von Schulung vor dem Matching
    und z. B. Supervision, Gruppentreffen während der Mentoringbeziehung)
•   Matching primär auf Basis gemeinsamer Interessen, die für das Mentoringprogramm relevant sind
•   regelmäßige strukturierte Aktivitätsangebote (zB. Ausflüge, Eintrittskarten...) für MentorInnen und
    Mentees
•   hohe, klar kommunizierte Erwartungen hinsichtlich der Kontaktfrequenz
•   Unterstützung und Einbeziehung der Eltern
•   Kontinuerliches Monitoring der Programmumsetzung

Mentoringprogramme sollten speziell darauf ausgerichtet sein, die Beziehungsentwicklung in der ersten
Phase der Mentoringbeziehung zu unterstützen und zu strukturieren. Dazu gehört neben den schon
genannten Best Practice-Empfehlungen auch das sorgfältige Screening und Matching der zukünftigen
MentorInnen und Mentees in Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit einer engen Beziehung (statt andere
Kriterien). (vgl. DuBois et al. 2002)

Da Mentoring strukturbedingt mit einer gewissen notwendigen Unbestimmtheit und Wagheit hinsichtlich der
MentorInnenrolle und des für diese Rolle adäquaten Verhaltens einhergeht, sind klare Abmachungen mit
allen Beteiligten (MentorInnen, Mentees, Eltern, ev. LehrerInnen) wichtig. (vgl. Mentor - National Mentoring
Partnership 2005, 41)

Insgesamt kann Youth-Mentoring für Kinder und Jugendliche, die schon problematisches Verhalten zeigen,
die gefährdet oder strukturell benachteiligt sind, jedoch zu keiner Hochrisikogruppe mit multiplen stark
ausgeprägten Problemlagen gehören, die stärksten Effekte entfalten. (vgl. DuBois et al. 2011, 76)

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