ZEITUNG 4.0 - DIE NEUE ÄRA - LOCAL IS SOCIAL. 23. Forum
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23. Forum Lokaljournalismus der Bundeszentrale für politische Bildung LOCAL IS SOCIAL. ZEITUNG 4.0 – DIE NEUE ÄRA. vom 27. bis 29. Mai 2015 in Köln in Kooperation mit dem Kölner Stadt-Anzeiger Das Magazin zum Kongress
Editorial „Ich bin digital unterwegs.“ Typisch Sarah. Typisch Ford. Lutz Feierabend Berthold L. Flöper Stellvertretender Chefredakteur Leiter Lokaljournalistenprogramm der "Kölner Stadt-Anzeiger" Bundeszentrale für politische Bildung „Der Aufbruch in eine neue Ära“ W as wird vom Forum Lokaljourna- Change ist die große Herausforderung für lismus 2015 in Köln bleiben? Die die Branche. Aber auch die Gesellschaft vielleicht wichtigste Erkenntnis befindet sich im Wandel. Gesellschafts- ist eine Haltung, die man bei nahezu allen politische Entwicklungen und Phänome- Teilnehmerinnen und Teilnehmern erken- ne gilt es zu analysieren und aufzugreifen. nen und spüren konnte. Wir sind längst Das ist wichtig, denn sie wirken sich direkt aufgebrochen und voller Selbstvertrauen. auf die Lebenswelt und schließlich auch Lokalredaktionen sind die kompetentesten auf die Demokratie aus. Debatten um Pe- Begleiter für alle, die sich für ihre Nahwelt gida, Flüchtlinge und Finanzkrise sind die interessieren – sei es analog auf Papier Herausforderungen der Zeit – besonders oder digital, auf welchem Endgerät auch auch für den Lokaljournalismus. Sie zu immer. Dass dies von Standort zu Stand- meistern, ist Pflicht und Chance zugleich. ort unterschiedlich aussehen kann, ist Aus- druck der publizistischen Vielfalt. Aber es Und was noch bleiben wird, ist … Köln. geht um die Köpfe: Nur wer sich selbst Wer bei Sonne und klarem Himmel vom ändert, kann andere verändern. KölnSky, der 29. Etage des Deutzer Hoch- hauses, auf die Stadt blickt, wird nach- Das erfolgreichste Format des Forums drücklich darauf hingewiesen, welche zen- sind die Praxisgespräche. Nicht nur, weil trale Rolle der Dom für die Identität der die Intimität der Arbeitsgruppen ernsthaf- Kölner hat. Das nächtliche Orgelkonzert SYNC mit AppLink te Debatten und offene Worte ermöglicht. im leeren Kirchenschiff, exklusiv für die Sondern auch, weil alle Teilnehmenden Forums-Teilnehmenden, war nicht nur Du möchtest auch unterwegs nicht auf Deine Connections sich einbringen und – unabhängig von erhebend, sondern zeigt dies noch deutli- verzichten? Dann nimm Dein digitales Leben doch einfach der Größe der Redaktion und dem Stand cher. Und die Einführung in die Welt des mit! Dank Ford SYNC 1 mit AppLink kannst Du Deine Apps der Entwicklung – von den Berichten und Karnevals ist auch eine in das Selbstver- jetzt auch während der Fahrt nutzen, ganz einfach per Best-Practice-Beispielen profitieren. Sie ständnis der Kölner, die nach dem Motto Sprachsteuerung. So bist Du immer und überall connected. haben gezeigt: Der Lokaljournalismus be- „Leben und leben lassen“ verfahren. findet sich im Aufbruch in eine neue Ära – auf dem Weg zur Zeitung 4.0. Herzlich 1 Die Verfügbarkeit der verschiedenen SYNC-Funktionen (Wunschausstattung gegen Mehrpreis) ist abhängig von der Kompati- bilität Ihrer mobilen Geräte. Details erfahren Sie bei Ihrem Ford Partner. 03
Inhalt Inhalt 22 38 Impressum Nachlese zum 23. Forum Lokaljournalismus vom 27. bis 29. Mai 2015 in Köln. Herausgeber: Kölner Stadt-Anzeiger, c/o Lutz Feierabend, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, E-Mail: lutz.feierabend@mds.de; www.ksta.de Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), Fachbereich Multimedia/Lokaljournalisten- programm der bpb, c/o Berthold L. Flöper, Adenauerallee 86, 53113 Bonn, E-Mail: floeper@bpb.de; www.bpb.de. Redaktion: Anke Vehmeier (CvD), Michael Greuel, 33 Thomas Schmitz 16 08 Produktion: mdsCreative GmbH Der Aufbruch in Texte: eine neue Ära 03 Marion Bacher, Sabrina Gaisbauer, Tanja Editorial von Lutz Feierabend Brandes, Jenny Filon, Merle Sievers, Christina Michaelis, Jennifer Stötzel, David Freches, und Berthold L. Flöper Lukas Thiele, Thomas Schmitz, Marco Schyns, Benjamin Quiring und Michael Greuel Das Kleine im Großen 06 Fotos: Stefan Worring und Max Grönert Klare Strukturen und Wichtige Liebe zum Detail 26 Vermittler-Rolle 35 Der gesellschaftliche Auftrag Inspiration Lokaljournalismus: „Warum braucht Demokratie der Wirtschaft und der Best of European Newspapers lokale Massenmedien?“ Medien vor Ort The Oscar goes to... 28 Unser wichtigstes „Nicht an der Qualität Projekt 36 sparen“ 07 Quotes von Teilnehmenden des Robert von Heusinger, Dr. Dieter Forums Lokaljournalismus Steinkamp und Bernhard Mattes 12 im Gespräch Neue Wege zum Leser 38 Lösungen für den Wandel von der Mein Wein - Zeitung zum Medienhaus „Es muss süchtig „Print ist die Sonne“ 12 Wie werde ich Preisträger? Wege aus dem Praxisgespräche machen“ Wie disruptiver Wandel unsere 08 Aus alt mach neu: So geht Wandel Die Leser nicht Labyrinth 40 Lust auf Wein! Schluss mit umsonst 14 Die Zeitung lebt 19 Branche betrifft – Keynote von unterschätzen 30 Paid Content – Konzepte und Augmented Reality – Echter Christoph Keese Köln in all Entschleunigte Magazine haben Erfahrungen mit Christian Lindner Mehrwert für den Leser, finden seinen Facetten 22 den Mut, die Leser zu fordern und und Horst Seidenfaden Martin Krotki und Christian zu überraschen Start-up seit 1880 10 Radtke Inspiration und Unternehmergeist P im Hof Mit Netz relevanter 16 Mut, neue Wege – Was können Medienhäuser von Mehr Mut zur Inspiration im Newsroom – neue zu gehen 20 neuen Firmen lernen? Radikalität 32 Köpfe, neue Konzepte, vorgestellt Medien 2020: So geht Aufbruch von Andreas Ebel und Daniel ohne Ballast Unsere Vinothek auf der Aachener Str. „Auf Augenhöhe Es erwarten Sie Geheim-Tipps, Spitzen-Weine Fiene Das Forum Lokaljournalismus und viele Neuentdeckungen. mit Katzennews“ 10 2015 – eine Bilanz Hansi Voigt im Twitter-Interview „Relevanz Die Playmobil-Story 18 Köln, Kölsch, Kirche, entscheidet“ 33 Interviews 42 Lokales 4.0 – von der Tradition Karneval und Kabarett Videodays-Organisator Klaus Meier, Horst Seidenfaden zur Innovation: Michael Husarek Tobias Köhler und Philipp Ostrop Christoph Krachten im Gespräch und Dirk Lübke im Gespräch und Tobias Köpplinger zeigen, wie präsentieren Lösungen für Smart- „Stärkt das Lokale“ 24 das funktioniert phones, Tablets und Web-Apps Medienwissenschaftler Horst Röper im Interview Impressum 05 Die Foren im Überblick 38 Aachener Straße 233-237 (gegenüber Melaten) | 50931 Köln-Lindenthal 04 Telefon 0221 93 81 500 | www.meinwein-online.de | info@meinwein-online.de
Der gesellschaftliche Auftrag Interviews „Nicht an der Qualität sparen“ Regionalzeitungen geben den besten Überlick, was im Umfeld passiert Robert von Heusinger Dr. Dieter Steinkamp Bernhard Mattes Vorstand Vorstands- Vorsitzender der Mediengruppe vorsitzender Geschäftsführung M. DuMont RheinEnergie der Ford-Werke Schauberg Robert von Heusinger (v. l.), ne r t Thomas Krüger, Dr. Dieter Steinkamp und Bernhard Mattes Grö ax :M e r Bild: Max Grönert Bild Das Kleine im Großen Wie wichtig ist Ihnen Ihre tägliche Lo- kal-/Regionalzeitung? Die Regionalzeitungen - das sind bei mir in Wie wichtig ist Ihnen Ihre tägliche Lokal-/ Regionalzeitung? Engagierte Lokalberichterstattung ist für uns Wie wichtig ist Ihnen Ihre tägliche Lokal-/Regionalzeitung? Die regionale und die überregionale Ta- In Köln engagieren sich Konzerne auch politisch. Darf das sein? Köln der „Express“, der „Kölner Stadt-Anzei- als regionales Unternehmen eine der wichtigs- geszeitung haben bei aller Digitalisierung ger“ und die „Kölnische Rundschau“ – ge- ten Informationsdrehscheiben vor Ort. Kaum des Informationsangebots den Stellenwert W ährend im Hotel Cologne am Rudolfplatz der Er- ternehmen biete Interessengruppen wie zum Beispiel Homose- ben mir schon am Abend als E-Paper, spätes- ein anderes Medium beschäftigt sich so nach- beibehalten, den sie auch schon in der Ver- öffnungsfilm zum Forum Lokaljournalismus über xuellen Plattformen, um ihre Belange öffentlich zu machen, sagt tens aber am Morgen den besten Überblick haltig und kontinuierlich mit den Prozessen gangenheit in prä-digitalen Zeiten hatten. die Leinwand flimmert, wird nur wenige Kilometer der Kölner Ford-Chef Bernhard Mattes. Außerdem habe jeder über das, was in meinem direkten Umfeld, und Vorgängen im unmittelbaren Lebensbe- Die Lektüre der regionalen Tageszeitung weiter nördlich eine Fliegerbombe entschärft. 20.000 Kölner Mitarbeiter Anspruch auf zwei bezahlte Tage im Jahr, um sich was für meine Familie relevant ist. Sie sind reich der Menschen. Deswegen ist sie für mich ist fester Bestandteil meines Starts in den mussten ihre Häuser verlassen, der Verkehr über die Mülhei- bei einem gemeinnützigen Projekt zu engagieren. mobil und auf Papier meine ersten Quel- und meine tägliche Arbeit nahezu unverzicht- Tag. Ins digitale Nachrichtenangebot steige mer Brücke wurde gesperrt, die Schifffahrt auf dem entspre- len. Niemand kann mir kompetenter erklä- bar. Die Informationen über das lokale Gesche- ich zwischendurch während zwei Terminen chenden Rheinabschnitt vorübergehend eingestellt. Eine ein- Ähnlich einmütig sind die Meinungen auf dem Podium, als es ren, was in der Stadt und der lokalen Politik hen erlauben es mir, frühzeitig neue Trends zu ein, um mir im Verlauf des Tages noch ein- zige Bombe kann eine halbe Millionenstadt aus den Angeln um den digitalen Fortschritt geht. Überall und immer arbeiten wissenswert ist, was sich in der Schulpolitik erkennen und Entwicklungen auf politischem, mal einen Überblick über die Nachrichten- heben. Eine Bombe, die trotz ihrer 20 Zentner überraschend zu können, ist für Mattes dementsprechend auch eine positive und den Schulen vor Ort tut, welche Bau- wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Ter- lage zu verschaffen. Insofern ist der Stellen- klein ist, gemessen an der Kraft, die sie entwickeln könnte. Entwicklung. Im Hinblick auf die Sorge um den Datenschutz stellen den Verkehr bremsen, welche Auf- rain zu überblicken, für die wir dann wiederum wert von gedruckten Nachrichten nach wie wirbt Mattes für mehr Offenheit im Umgang mit den USA: führungen ich nicht verpassen sollte und Impulse setzen können. Als offenes und in- vor hoch bei meinen Lesegewohnheiten. „Wir müssen uns sagen: Die da drüben sind keine Konkurren- was gerade am Geißbockheim passiert. Die formationsorientiertes Unternehmen sind die ten, vor denen wir Angst haben müssen. Wir müssen offen sein Regionalzeitung bildet den inneren Ring. lokalen und regionalen Informationsangebote Zeitung 4.0 – was könnten Zeitungs- WIR SIND IMMER NOCH für kreative Möglichkeiten, die uns die Kommunikation bietet.“ Kurz danach kommen „Handelsblatt“, „Süd- deutsche“ und „FAZ“, die benötige ich für außerdem eine gute Plattform zum Dialog mit unseren Kunden. Wir können darüber schnell häuser auf dem Weg dorthin von Ihrem Unternehmen lernen? DIE VIERTE GEWALT Für Robert von Heusinger, Vorstand der Mediengruppe meine berufliche Tätigkeit. und wirksam die Informationen bereitstellen, Die Digitalisierung hat ebenso wie auf M. DuMont Schauberg, ist die Angst vor Innovation ohnehin die wichtig sind. Das betrifft Dienstleistungen große Unternehmen einen fundamenta- eine zutiefst menschliche. „Vor jeder neuen Entwicklung ha- Der Strukturwandel der Gesellschaft hat ebenso wie neue Angebote, Engagement im len Einfluss. Vor dem Hintergrund einer ben wir zunächst einmal Angst.“ eine tiefgreifende Ausdifferenzierung Bereich Versorgungssicherheit, Preise, aktuelle heranwachsenden Generation, die sich Da klingt es fast wie eine Analogie, was Journalistin Andrea sowie eine Vielfalt an sozialen Milieus Informationen zu Baustellen und vieles mehr. interessenabhängig verstärkt im Web in- Grießmann beim Forum in ihrer Begrüßung sagt: „Wenn Es ist eine Kunst, die Chance in der Veränderung zu sehen, zur Folge. Wie können es Redaktionen formiert und für die Mobilität nicht un- man im Kleinen nicht anfängt, kann man im Großen nichts und zwar eine, die besonders die Medien beherrschen müssen. da erreichen, die Informations- Zeitung 4.0 – was könnten Zeitungs- bedingt bedeutet, ein eigenes Auto zu erreichen.“ Die Auftaktveranstaltung indes gibt sich dann gar Ob nicht gerade die Zeitungen unter dem digitalen Fortschritt und Beteiligungsinteressen der unter- häuser auf dem Weg dorthin von Ihrem besitzen, heißt es verstärkt für Verlage nicht klein: „Der gesellschaftliche Auftrag eines Weltkonzerns zu leiden hätten, will Thomas Krüger wissen. Was da ablaufe, schiedlichen Bevölkerungsgruppen zu Unternehmen lernen? und Automobilhersteller, auf das neue und der Medien vor Ort“ lautet der Titel der Gesprächsrun- gleiche doch geradezu Kannibalisierungsprozessen. Für von erfassen und sich journalistisch an ihnen Es wäre vermessen, wenn wir den Verlagen Konsumverhalten zu reagieren. Die gesell- de und entsprechend gewichtig sind die Themen, denen sich Heusinger liegt der Schlüssel zum Erfolg lokaler Medien auf zu orientieren? ungefragt mit guten Ideen und Ratschlägen schaftliche Entwicklung schreitet diesbe- die Teilnehmer mit Thomas Krüger, dem Präsidenten der der Hand: „Wir müssen uns auf unseren Markenkern besin- Selbstverständlich müssen unsere Journa- kommen. Die Verlage wissen sehr gut um die züglich so rasant voran, dass es wichtig ist, Bundeszentrale für politische Bildung, nähern: Kögida, TTIP, nen. Die lokale Nachricht ist das, was uns stark macht.“ Das listen vor Ort recherchieren, so erhalten sie Notwendigkeiten der Zukunft. Viele bieten möglichst zeitnah mit den Anforderungen Zivilcourage, Umgang mit Flüchtlingen, die gesellschaftliche gelte auch für die Berichterstattung über ortsansässige Fir- ihre Informationen auch aus erster Hand, schon eine intelligente und gut gemachte Ver- des Marktes und der Konsumenten Schritt Verantwortung großer Konzerne. men. „Wir sind immer noch die vierte Gewalt“, so von Heu- aber sie bekommen natürlich ein Gespür knüpfung von gedruckten Inhalten mit On- zu halten. Speziell Verlage sollten bei allen singer. Es sei Aufgabe der Medien, kritisch nachzubohren und für Geschichten, wenn sie den Timelines auf lineangeboten über verschiedene Wege, von Veränderungen nicht den Qualitätsjourna- Als Kögida, der Kölner Ableger der Dresdner Pegida-Bewegung, auch mal unbequem zu sein. „Genau das wird von uns erwar- Facebook und Twitter folgen. Sie erfahren Mail über Newsletter, Tabletangebote bis hin lismus aus den Augen verlieren. Anfang des Jahres durch Köln marschierte, wurde am Dom tet. Die Leser wollen keinen Kuscheljournalismus.“ Gleich- nicht nur, welche Themen diskutiert werden, zu den Sozialen Netzen an. Sicher eine schwie- die Außenbeleuchtung mit Unterstützung der RheinEnergie zeitig seien die Leute kritischer geworden – und dank sozialer sie erhalten in der Regel auch ein differen- rige Phase, denn die alten Erlösquellen fallen Die Gespräche führte Ralf Siepmann ausgeschaltet. Das Wahrzeichen der Stadt sollte nicht für die Netzwerke auch in der Lage, ihren Unmut unmittelbar mitzu- ziertes Meinungsbild. Das Internet bietet die weg, die neuen sind noch nicht in ausreichen- antiislamische Bewegung missbraucht werden können. Für Dr. teilen. „Die Leser sind zu einer fünften Gewalt geworden“, Möglichkeit, nicht mehr nur zu senden, son- der Menge etabliert. In dieser Phase sehe ich Dieter Steinkamp, den Vorstandsvorsitzenden der RheinEnergie so von Heusinger. „Wir stehen viel mehr unter Beobachtung dern auch zu empfangen. Diese Interaktivität nur eine Gefahr: an der journalistischen Quali- Köln, ist klar: „Wir sind ein Teil der Zivilgesellschaft.“ Die Fra- als früher. Es herrscht der Generalverdacht, dass wir nicht or- mit den Menschen ist ein entscheidender tät zu sparen und damit in eine Abwärtsspirale ge, ob man sich als Unternehmen politisch engagieren soll, stelle dentlich arbeiten. Da hilft nur eins: Wir müssen noch sorgfäl- Faktor – heute längst ein Qualitätsmerkmal aus Kostendruck, Qualitätssenkung und an- sich daher gar nicht. Gerade als kommunal geführtes Kölner tiger werden. So ein Shitstorm kann auch sehr heilsam sein.“ des Journalismus. schließendem Verlust der Relevanz zu geraten. Unternehmen sei man ohnehin in der Verantwortung. Das sieht man bei der global operierenden Firma Ford ähnlich. Das Un- Tanja Brandes 06 07
Disruptiver Wandel Interview „Es muss süchtig machen“ Bild: Stefan Worring Christoph Keese findet, dass sich Journalisten manchmal etwas überschätzen – und der Unterschied zu Bloggern gar nicht so groß ist. Die Qualitätssicherheit sieht er nicht gefährdet E s lachen immer die Halbtoten auf dem Weg zum Netzwerk Facebook zu verteidigen. „Die Zusammenarbeit Friedhof.“ Springer-Vizechef Christoph Keese ist ist an klare Vereinbarungen gekoppelt. Werden sie nicht während seines kurzweiligen Vortrags durchaus noch eingehalten, sind wir aus dieser Kooperation schneller wie- zu Scherzen aufgelegt, auch wenn er über ein für Me- der raus als wir drin waren“, sagt er. dienschaffende existenzielles Thema spricht: disruptiven Wandel – also die Entstehung von Innovationen, die die Der Springer-Verlag hatte vor einigen Wochen bekannt Kraft haben, bestehende Produkte oder Technologien vom gegeben, dass sich das Onlineangebot der „Bild“-Zeitung Markt zu verdrängen. „Solche Ideen werden anfangs meist künftig am Projekt „Instant Articles“ beteiligen wird. Im nicht ernst genommen, sondern vielmehr belächelt. Lei- Rahmen dieses Angebots veröffentlicht Facebook in sei- der macht Lachen oftmals aber auch blind für die guten ner App für das Smartphone komplette Artikel und Videos Dinge“, glaubt Keese. So würden beispielsweise News-Ag- ohne die Nutzer auf die Webseite des jeweiligen Medienan- gregatoren wie Flipboard oder Pulse, die ihren Nutzern bieters weiterzuleiten. „Die redaktionelle Hoheit über die kostenlos ausgewählte Nachrichten zur Verfügung stellen, veröffentlichten Artikel liegt allerdings weiterhin allein bei Christoph Keese, inzwischen einen enormen Preisdruck verursachen und uns“, erklärt Keese. Darüber hinaus werde die Werbung, Executive Vice President Axel Springer SE den traditionellen Verlagen die Kunden abwerben. die das soziale Netzwerk im Rahmen der „Bild“-Inhalte zeige, ebenfalls von Springer selbst verwertet. Derzeit wird Keese zufolge zudem an einem Bezahlmodell für die Inhal- LACHEN MACHT OFTMALS te gearbeitet. Das sei ebenso Bedingung wie die Einhaltung geltender Datenschutzbestimmungen. Die Kooperation „Jeder kann globaler Spieler werden“ bedeute daher nicht, dass der Verlag gegenüber Monopolis- BLIND FÜR GUTE DINGE ten wie Facebook und Google nicht auch weiterhin gewisse Vorbehalte habe, wie das nach Bekanntwerden der Zusam- Christoph Keese über seine Zeit im Silicon Valley, Gefahren und Chancen menarbeit von einigen Kritikern behauptet worden war. Herr Keese, Sie haben für den Sprin- haben, auch wenn er noch so viele Leser für Ja. Ich kenne keinen vernünftigen Grund, der Ähnliches gelte für bestimmte Online-Angebote - auch ab- ger-Verlag einige Monate im Silicon sich gewinnt. gegen Mut und Experimentierfreude spricht. seits der hierzulande bekannten Webseiten Buzzfeed oder Valley gelebt und in dieser Zeit zahlreiche Bild: Screenshot Huffington Post. So habe beispielsweise der Blog „Business erfolgreiche Tech-Unternehmen besucht. Sind Apps wie Pulse oder Flipboard – Wie sieht für Sie guter, digitaler Lokal- Insider“ aus den USA inzwischen 20 Prozent mehr Reich- Was haben Sie dort – im Hinblick auf die also Aggregatoren, die News nach den journalismus aus? weite als das „Wall Street Journal“. Ähnlich erfolgreich ist Zeitungsbranche – gefunden? Chance Wünschen der User zusammenstellen – Was ist digitaler Lokaljournalismus? Wie un- demnach das Magazin „Politico“ aus Washington, an des- oder Gefahr? auch eine Möglichkeit für lokale Verlage? terscheidet er sich von Lokaljournalismus? Wir sen europäischer Ausgabe die Springer AG inzwischen Für sechs Monate habe ich im Silicon Valley Glauben Sie, dass deutsche User im Loka- sollten die Idee der Zeitung vom Medium Papier beteiligt ist - und das trotz Abopreisen von mindestens gelebt und gemeinsam mit meinen Kollegen len irgendwann Geld für solche Angebote emanzipieren. Das Prinzip für guten Journalis- 7500 Euro jährlich (siehe nebenstehendes Interview). Die Investitionsmöglichkeiten für unser Haus zahlen werden? mus ist immer gleich: exzellente Inhalte zu bie- Beliebtheit von „Politico“ liege unter anderem im täglichen erkundet sowie mich mit der Veränderung Das kann ich so pauschal nicht beantworten. ten, und zwar solche, die die Leser wirklich haben Newsletter des Chefreporters Michael Allen begründet. für den Journalismus beschäftigt, die vom Wodurch unterscheiden sich lokale Verlage wollen. „Politico“ zum Beispiel ist Lokaljournalis- Diese Qualität sei ein Alleinstellungsmerkmal und führe die Silicon Valley ausgeht. Wir leben in den im Internet eigentlich von nationalen und mus. Das Washingtoner Original erscheint nur in Leser zur Marke. „Es muss süchtig machen“, so Keese. aufregendsten, chancenreichsten Zei- globalen Verlagen? Sich selbst als lokaler Washington. Leser außerhalb des Beltway inter- ten, die man sich nur wünschen kann. Im Anbieter zu begreifen, ist ein Relikt aus der essieren „Politico“ nicht. Genau deswegen zahlen Für Stirnrunzeln sorgt der Executive Vice President der digitalen Journalismus findet derzeit eine Print-Zeit. Im Netz kann jeder noch so kleine die Leser 7.500 Dollar Jahresabo-Gebühr für die Springer SE mit seiner These, dass man zwischen Bloggern kreative Explosion statt, die eine Vielzahl Verlag ein globaler Spieler werden. Natürlich Webseite. Gleiches machen wir jetzt gemeinsam und Journalisten nicht unterscheiden sollte. Vielleicht wür- „Im Grunde wird Facebook für uns zu einem neuer Erzählformen und Verbreitungswege bezahlen die Leser. Nicht nur irgendwann, mit „Politico“ in Brüssel – auch das ist wieder ein den sich Journalisten „manchmal auch einfach etwas über- Vertriebspartner wie es derzeit auch Grossisten sind“, so hervorbringt – leider in Deutschland viel sondern schon jetzt. Man muss nur Angebo- Lokalmedium mit ähnlich hohem Preis. Warum schätzen“. Die Anmerkung aus dem Plenum, dass doch die Keese. Er räumte in diesem Zusammenhang allerdings weniger als anderswo auf der Welt. Gefahr te liefern, die den Lesern Geld wert sind. bezahlen die Leser das? Weil es ihnen diesen Qualitätssicherheit nicht mehr gewährleistet wäre, wenn auch ein, dass ein Unternehmen wie die Springer AG bei droht nur aus zwei Richtungen: Demjenigen, Preis wert ist. Im Netz funktioniert es genauso „jeder Blogger einfach so etwas publizieren kann“, lässt entsprechenden Verhandlungen bessere Chancen habe als der Technologie nicht als Chance begreift Sollten Verlage mutiger sein? Im Valley wie auf Print: Finde heraus, was dein Leser wirk- Keese nicht gelten. „Die Fehlerquote bei Bloggern ist gar etwa kleinere Verlage. „Man muss dann schon harte Kante und sie nicht beherzt ergreift – er wird gilt – salopp gesagt – das Motto: Wer lich will, dann bezahlt er auch. Der Trick ist es, nicht so hoch“, behauptet er. zeigen. Von alleine machen diese Konzerne solche Verein- abgehängt werden. Und demjenigen, der noch nie gescheitert ist, kann keinen herauszufinden, was die Leser wirklich wollen. barungen nicht.“ sich der enormen Macht von Plattformen Erfolg haben. Sind Verlage zu zögerlich, Das ist eine Kunst für sich, aber man kann sie be- Christoph Keese nutzt die Gelegenheit zudem, um die nicht bewusst ist und sich ihnen unreflektiert neue Zeitungs- oder Digitalformate herrschen lernen. jüngste Kooperation des Springer-Verlags mit dem sozialen Michael Greuel ausliefert – er wird kein Auskommen mehr auszuprobieren? Das Gespräch führte Michael Greuel 08 09
Inspiration Twitter-Interview Start-up „Auf Augenhöhe mit Katzennews“ Tanja Brandes @Tanja Brandes @hansi_voigt Können Sie uns ein Beispiel dafür Merle Sievers @PerleRelations @hansi_voigt Ok. Letzte Frage: Was können On- seit 1880 nennen? line-Lokalmedien in Deutschland von @watson_ Merle Sievers @PerleRelations news lernen? 11:30 PM - 28 Apr 2015 @hansi_voigt Hallo Herr Voigt. Wir wären so weit. 11:54 PM - 28 Apr 2015 Sind Sie bereit für das Interview? hansi voigt @hansi_voigt 11:02 PM - 28 Apr 2015 hansi voigt @hansi_voigt @TanjaBrandes Redaktionelle Artikel zu Work/Life/ Musik um die s. Axa, CS, Merc. nach folg. Regeln @PerleRelations Na ja, kein Grund zum Hochmut hansi voigt @hansi_voigt http://www.watson.ch/!172817829 positioniert haben für @watson_news Aber das Lokale wird über die @PerleRelations Ja, wir können loslegen! 11:37 PM - 28 Apr 2015 Individualisierung des Angebots erschlossen. 11:12 PM - 28 Apr 2015 12:01 PM - 28 Apr 2015 hansi voigt @hansi_voigt Tanja Brandes @Tanja Brandes hansi voigt @hansi_voigt @TanjaBrandes Wenn die Artikel als unglaub- @hansi_voigt Nennen Sie uns drei Stichworte: Was würdig gelten würden, würde sie zbsp. niemand @PerleRelations @watson_news Diese individuelle ist das Konzept von @watson_news? sharen. Das ist nicht der Fall. Nutzung haben wir in unserem Tag-System vorbe- Stefan Aschauer-Hundt reitet. Das führt die User auch zu lok. Inhalt. 11:14 PM - 28 Apr 2015 11:38 PM - 28 Apr 2015 12:03 PM - 28 Apr 2015 Was können Zeitungen von der hansi voigt @hansi_voigt Merle Sievers @PerleRelations Gründerszene lernen? @TanjaBrandes @watson_news Social, Informa- @hansi_voigt Das Standbein der Lokalmedien sind hansi voigt @hansi_voigt Z tion, Unterhaltung - oder auch „Journalismus auf exklusive Inhalte. Reicht das oder fallen sie dem @PerleRelations @watson_news Und für dieses wanzig Seiten lokale Nachrichten nur für Plettenberg im Augenhöhe mit Katzennews“ großen Verdrängungs-Wettbewerb zum Opfer? Lokale Angebot wird auch @watson_news Inhalts- Sauerland, ein Verbreitungsgebiet mit 38.000 Einwohnern – 11:16 PM - 28 Apr 2015 11:43 PM - 28 Apr 2015 partner brauche. Lokale, zum Beispiel!! .-)) das ist das tägliche Geschäft des „Süderländer Tageblat- tes“. Stefan Aschauer-Hundt gibt als Redaktionsleiter einen 12:04 PM - 28 Apr 2015 Einblick in den Lokaljournalismus der kleinsten Zeitung in hansi voigt @hansi_voigt Merle Sievers @PerleRelations NRW. Dabei wird deutlich: Das „Süderländer Tageblatt“ versteht sich als Redaktion und als Start-up. Ein Start-up al- @hansi_voigt Klingt einleuchtend. Welche Rolle @PerleRelations Lokalmed. haben viel längere lerdings, das nicht gerade erst gegründet wurde, sondern be- spielt Timing? Orientiert sich das Themen-Setting Halbwertszeit im analogen Bereich. Ausserd: Digit. reits seit 1880 besteht. Ein kleines Unternehmen mit kleinem an den gängigen Smartphone-Nutzungszeiten? Erschliessung lokal. Werbemärkte kommt erst Team, in dem alle alles können und machen: recherchieren, 11:19 PM - 28 Apr 2015 11:43 PM - 28 Apr 2015 schreiben, layouten, Print, Online. Sogar Gabelstaplerfahren können sie, wenn es denn sein muss. An den journalistischen hansi voigt @hansi_voigt hansi voigt @hansi_voigt Impuls schließt sich auf dem Forum Lokaljournalismus eine Best-Practice-Runde an, bei der drei erfolgreiche Unterneh- @PerleRelations Bei uns gilt: Was mobil nicht @PerleRelations Ich denke aber, dass sich lokale mer von den Erfahrungen mit ihren Start-ups berichten. funktioniert, machen wir nicht. Mobil ist alles. Wir Medien technische und inhaltliche Kooperationen Bild: @hansi_voigt haben desh. extra ein eigenes CMS gebaut. suchen sollten. #ErgänzungstattAlleingang Die App „Go Berlin“ von Raufeld Medien beispielsweise bietet 11:22 PM - 28 Apr 2015 11:45 PM - 28 Apr 2015 ihren Nutzern eine Übersicht über kulturelle und gastronomi- sche Höhepunkte in Berlin. Geschäftsführer Bernd Ziegenbalg nennt Beispiele: „Wo ist die beste Eisdiele in meinem Kiez, die hansi voigt @hansi_voigt Merle Sievers @PerleRelations hansi voigt @hansi_voigt jetzt geöffnet hat? Auf solche urbanen Fragen antworten wir @PerleRelations Ausserdem bedeutet mobil viel @hansi_voigt Heißt das,dass Lokalmedien sich mal Nicht einfach: Live-Tweets für Live-Interview mit geobasiert mit einem Stadtplan, auf dem die Antworten ein- höhere Interaktion mit den Usern. Sie haben das nicht verrückt machen sollen? Digitalisierung wird Live-Selfie! Herzlichen Dank an @PerleRelations gezeichnet sind.“ Einziges Problem: Das Besondere, das „Go perfekte mulitmediale Gerät immer dabei. schon klappen,wenn Werbekunden anbeißen? und an #folo2015 Berlin„ von einer simplen Navigations-App abhebt, nämlich die 11:49 PM - 28 Apr 2015 11:24 PM - 28 Apr 2015 12:18 PM - 28 Apr 2015 redaktionelle Auswahl der Veranstaltungs- und Gastronomie- tipps, wird nicht von allen Nutzern erkannt. „Die vermissen ihre Pommesbude in der App, die wir nicht ausgewählt haben.“ Tanja Brandes @Tanja Brandes hansi voigt @hansi_voigt Tanja Brandes @TanjaBrandes @hansi_voigt watson präsentiert Werbung als @PerleRelations Nein, aber wir erleben hier in @hansi_voigt Sieht super aus! Vielen Dank für das Dr. Sebastian Pranz vom Kölner „Froh!“-Magazin plädiert für redaktionelle Artikel. Verkauft der Journalismus CH gerade, dass Regio-Print-Titel sich gut halten, Interview, das war ein cooles Experiment! Grüße mehr Inspiration statt Information. Das unabhängige Start-up damit seine Glaubwürdigkeit? #nativeAdvertising währ. nationale Gratispresse verliert den Rhein rauf! gibt seit sechs Jahren in unregelmäßigen Abständen ein Ma- 11:25 PM - 28 Apr 2015 11:53 PM - 28 Apr 2015 12:20 PM - 28 Apr 2015 gazin heraus, dessen Ausgaben monothematisch sind. Florian Swoboda hat mit seinem Start-up „barzahlen.de“ eine Markt- lücke geschlossen: Menschen, die gerne online shoppen, aber hansi voigt @hansi_voigt hansi voigt @hansi_voigt Merle Sievers @PerleRelations nicht ihre Kontodaten im Netz hinterlegen wollen oder nicht im Besitz einer Kreditkarte sind, können sich auf „barzahlen. @TanjaBrandes Wir präsentieren nicht Werbung @PerleRelations Lokale Medien müssen trotzdem @hansi_voigt Auch von mir herzlichen Dank. Bis de“ einen Beleg für ihren Kauf ausdrucken. Damit können sie als Artikel sondern wir lassen Artikel bewerben - digitale Strategie entwickeln. Inhalt und Lokale zum 27. Mai dann in #Köln! #FoLo2015 // cc. @Tan- dann im Einzelhandel bezahlen. und machen das sehr transparent. Also: Nein Vermarktung wären klare Stärken. jaBrandes @watson_news @ksta_news Merle Sievers 11:28 PM - 28 Apr 2015 11:55 PM - 28 Apr 2015 12:22 PM - 28 Apr 2015 10 11
So geht Wandel So geht Wandel „Print ist die Sonne“ Bilder: Max Grönert Dr. Brigitte Schwinge Doch nicht jedem Mitarbeiter gefallen die vielen Neuerun- gen. „Wie hält man Redakteure bei der Stange?“, fragt Bri- gitte Schwinge von der Bonner Unternehmensberatung p4d. „Alle leiden darunter, dass alles komplexer wird. Scheitern DIE NEUE WÄHRUNG muss deshalb auch mal erlaubt sein.“ Eine Lösung wäre ih- rer Meinung nach ein symbolischer Kompass, der den Weg DES JOURNALISTEN IST Michael Bröcker (v. l.), zu einer zuvor festgelegten Vision zeigt. Dazwischen soll es SHAREABILITY Ralf Freitag, Sylvia Binder, Dr. Brigitte Schwinge und Nicole Hanisch Freiräume geben. „Man muss auch sagen können, wovor man Angst hat. Gegenseitiges Zuhören ist wichtig.“ Einig sind sich die Diskutanten in der Frage, auf welchen Zeitungen und Redaktionen unterliegen einem Wandel, der Mitarbeiter auch Bereich die neu entwickelten Konzepte angewendet werden schnell überfordern kann sollen: „Das Brot des Digitalen ist das Lokale. 86 Prozent der Leser interessieren sich vor allem für den Lokalteil“, sagt Michael Bröcker. Die neue Währung der Journalisten E s ist schon fast eine rhetorische Frage, die Moderatorin Auch Ralf Freitag von der „Lippischen Landes-Zeitung“ in ist seiner Meinung nach die Shareability. Das bedeutet, ein Sylvia Binner zur Verdeutlichung der Lage zu Beginn Detmold mahnt beim Thema Wandel zur Ruhe. „Change Artikel ist dann erfolgreich, wenn er oft in sozialen Netz- Deiters GmbH · Dr.-Gottfried-Cremer-Allee 5 · 50226 Frechen der Podiumsdiskussion „So geht Wandel“ stellt: „Wer ist auch ein menschliches Problem. Wir brauchen auch mal werken geteilt wird. macht in seiner Redaktion gerade große Veränderungs- wieder etwas Ruhe und Routine. Wie steuer ich das, ohne prozesse durch?“ Sie hätte auch fragen können, wer gratis dass alles aus der Kurve fliegt?“ Zustimmung bekommt Für ihn soll auch die Lokalredaktion vor Ort das soziale Me- Schokolade möchte, die Reaktion wäre wohl dieselbe gewe- er von Nicole Hanisch, Mitglied der Geschäftsleitung des dium sein. Wie in sozialen Netzwerken soll deshalb auch um sen: Alle Hände im Saal schießen in die Höhe. Dass sich der die Lokalredaktionen eine Community aufgebaut werden. Journalismus im Wandel befindet, ist nicht neu. Aber wie „Das Herz muss für Berichte aus dem Lokalen schlagen“, treibt man den Wandel am besten voran? Hat die klassische wirft Nicole Hanisch ein. Zeitung schon ausgedient? „Nein“, sagt Michael Bröcker, WIR BRAUCHEN AUCH Chefredakteur der „Rheinischen Post“, „Print ist die Sonne. Um all diese Neuerungen auch technisch voranzutreiben, Um die Zeitung herum müssen wir neue Strukturen schaf- MAL WIEDER ETWAS wirbt Michael Bröcker für feste systematische Strukturen. fen, die Digitales integrieren.“ Dazu brauche es vor allem Geduld, Zutrauen und Strukturen. RUHE UND ROUTINE Für die „Rheinische Post“ plant er deshalb nun, junge Ana- lysten zu holen, die Spaß daran haben, bei einem Medien- unternehmen zu arbeiten und Themen aus dem Ort an die Redaktion heranzutragen. Neu ist auch die „Google-Frau“, wie Bröcker sie nennt, die über Google nach aktuellen The- Marktforschungsinstituts Rheingold Salon: „Online und men sucht. „So kam es dann, dass wir eine Geschichte über Print müssen in ein Ergänzungsverhältnis treten.“ Vor al- Hochbeete im Blatt hatten, weil die Leute danach gesucht lem, weil die Print-Inhalte den eher emotionalen Online-In- haben“, sagt Bröcker. halten eine gewisse Autorität verleihen würden. Dass die klassische Zeitung sich verändern und immer mehr „Wir müssen diese Print-gegen-Online-Grabenkämpfe ver- digitalisieren wird, ist sicher. Die Teilnehmer der Podiums- gessen“, sagt Bröcker deutlich. „Print und Online müssen diskussion haben jedoch betont, dass auf dem Weg zur Di- auf Augenhöhe diskutieren. Online können wir machen, gitalisierung die Zeitung nicht auf der Strecke bleiben darf. was wir im Print nicht machen können. Gleichzeitig bringt Wie es nicht geht, hat Kaiser Wilhelm II. gezeigt, den Mode- Online aber auch Themen zu Print.“ Ralf Freitag hat bei der ratorin Sylvia Binner zum Abschluss der Diskussion zitiert: „Lippischen Landes-Zeitung“ deswegen in seiner Redakti- „Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist nur eine vorü- Ralf Freitag, „Lippische Landes-Zeitung“ on gemischte Arbeitsgruppen gebildet. „Die Mischung ist bergehende Erscheinung.“ wichtig, um neue Impulse zu bekommen“, erklärt er. Lukas Thiele 12
Praxisgespräche Praxisgespräche Der Internetauftritt müsse sich aber deutlich von dem un- ment für das Bezahlsystem im Netz, sagt Christian Lindner: terscheiden, was dem Kunden bisher geboten werde. „Was „Man muss sich nicht mehr mit dem Spruch herumschlagen: wir jetzt haben, sind plärrende, blinkende Ein-Euro-Läden. Zeitung ist ja ganz nett, aber warum soll ich dafür bezahlen, In so einem Laden bezahlt niemand für Designermöbel." wir kriegen das ja auch alles umsonst.“ Was der User tatsächlich will, darüber herrscht Uneinigkeit Der Mut, mit dem man bei der „Rhein-Zeitung“ diesen Weg im Plenum. Ist es das sorgfältig vorsortierte Angebot, das konsequent geht, ringt den Kollegen aus allen Verlagen Re- man aus der Printausgabe kennt? Oder sollte es demnächst spekt ab. Und von der offenen Art, mit der der Koblenzer vielleicht möglich sein, unterschiedliche Ressortangebote bei Chefredakteur seine Erfahrungen und Erkenntnisse teilt, unterschiedlichen Anbietern zusammenzubuchen? Sind indi- profitiert die gesamte Branche. „Alle Metered-Modelle be- vidualisierte Inhalte der Schlüssel für die Zukunft? Mit einem deuten: Ich trau mich ein bisschen. Aber eben nicht so ganz“, Mythos wird an diesem Nachmittag im Plenum jedenfalls sagt Horst Seidenfaden. „Christian Lindner traut sich jetzt.“ Horst Seidenfaden (v. l.) aufgeräumt: Nicht das digitale Angebot macht die Zeitung Auch, wenn über allem natürlich die Frage schwebt: Was, mit Moderator Peter Taubald und Christian Lindner kaputt, Zeitung macht die Zeitung kaputt. Soll heißen: Die wenn es nicht funktioniert? „Das andere Modell hat ja erst Inhalte, die in der Zeitung nicht gelesen werden, haben auch recht nicht funktioniert“, sagt Lindner. „Wir werden es se- beim Onlineangebot nichts zu suchen. hen. Aber wenn wir keine Erfahrungen sammeln, dann ha- Bilder: Stefan Worring ben wir keine. So einfach ist das.“ Schluss mit umsonst Dass die gedruckte Zeitung demnächst ausgedient hat, glaubt indessen niemand in der Runde. Es gebe ein weiteres Argu- Tanja Brandes Die Zeitung muss im Netz edel aufbereitet sein „Text ist eine Qualität an sich“ D ie Zeitung, aus Papier, mit Doppelseiten, fliegenden „Wir haben 20 Jahre lang einen Branchenirrtum gepflegt.“ Es Bögen und Anzeigenblättern; die Zeitung, die die Fin- ist ein bewusster Strategieschwenk, den die Koblenzer aus einer ger schwärzt, wenn man sie auf dem Frühstückstisch eigentlich simplen Erkenntnis heraus vollzogen haben: „Wir Ein guter Beitrag ist laut Christian Lindner Christian Lindner ausbreitet – früher oder später wird sie, da sind sich die Teil- generieren sehr aufwendig Inhalte. Und verschenken sie dann Chefredakteur nehmer der Diskussion zum Thema Paid Content einig, ein online“, sagt Christian Lindner. „Wir haben es für einen Erfolg wichtiger als die multimediale Aufbereitung Rhein-Zeitung Luxusprodukt werden. Schon längst dominiert die digitale gehalten, wenn wir wahrgenommen werden. Nur: Was finan- Welt das Informationsverhalten der Leser. ziert uns das?“ Schluss damit: Außer der Startseite gibt es bei Herr Lindner, Ihr Kollege Horst Seidenfaden Sie glauben an eine Renaissance von die dann nicht in der Tagesarbeit eingebunden den Koblenzern nichts mehr umsonst. „Monetäre Realisierung hat gesagt, 90 Prozent der redaktionellen langen, gut recherchierten Texten. Ande- sind, sondern besonderen Content generieren, Von Verlagen wurde das lange vor allem als Chance gesehen. statt Reichweite“, nennt Lindner das. Aus der Metered Paywall Inhalte, die die Lokalzeitungen generieren, rerseits heißt es immer, man müsse sich dann muss ich eben dafür sorgen, dass diese Das Zauberwort hieß: Reichweite. Die Koblenzer „Rhein-Zei- ist eine Festung geworden. Eine, die die Inhalte schützen soll. seien Käse… als Zeitung um junge Leser bemühen, die Leute auch wirklich frei arbeiten können. Da tung“ gilt als einer der Vorreiter der Öffnung in Richtung In- Das kann man als kühn bezeichnen, schließlich hat der Leser Wenn es so wäre, dann würde eine ganze Redak- ein ganz anderes, von sozialen Medien ge- muss man Prioritäten setzen und entscheiden, ternet und Social Media. Beim Praxisgespräch wird Chefre- sich 20 Jahre lang daran gewöhnt, alle, zuletzt immerhin noch tion etwas komplett falsch machen. Und dann prägtes Leseverhalten haben. Wie soll das was einem wichtig ist. Man sollte sich auch fra- dakteur Christian Lindner von Kollege Peter Taubald gar als die meisten Zeitungsinhalte quasi eins zu eins kostenlos im sollte man etwas ändern. Ich finde diesen Ansatz zusammenpassen? gen, ob es sinnvoll ist, eine lokale Website täg- Twitter-Papst vorgestellt. Umso bemerkenswerter erscheint Netz zu beziehen. aber etwas überheblich. Leser entscheiden, was Ein wichtiges Thema, professionell angepasst lich mit mehreren Hundert Texten zu füttern, der radikale Konzeptwandel, den sich die Koblenzer seit Fe- sie interessiert. Wenn ein Medium richtig auf- und journalistisch gut aufbereitet, das ist die statt sich auf weniger zu konzentrieren, dann bruar dieses Jahres verordnet haben. „Das Reichweitenmodell Horst Seidenfaden, Chefredakteur „Hessische/Niedersäch- gestellt ist, ist das Interessenspektrum deutlich erfolgreiche Mischung. Dann wird das Ergebnis aber mit höherer Qualität. Das ist eine Frage ist gescheitert“, sagt Lindner. 20 Jahre hätten sich die Verlage sische Allgemeine“ in Kassel sagt deshalb: „Alle Paywall-Mo- breiter, als Redakteure das vorgeben können. auf jeden Fall gelesen, ob nun von 18-Jährigen der Schwerpunktsetzung. im Internet nur darum bemüht, national eine Rolle zu spielen. delle sind kaufmännisch gescheitert.“ Und zitiert gleich Wir müssen Inhalte generieren, die Relevanz ha- oder von 80-Jährigen. Wenn ein Text idealer- „Wir haben dabei unsere Texte verschenkt.“ Nachdem der Christoph Keese vom Axel Springer Verlag: „Wir bieten nur ben und die es nur bei uns gibt, dann wird sich weise durch ein Video ergänzt werden soll, dann Sie gelten als der „Twitter-Papst“ des Koblenzer Verlag 2013 eine Metered Paywall für die Seite ein- zehn Prozent dessen, was die Leser eigentlich wollen.“ Was für jeden Text ein Leser finden. macht man eben das. Aber ich misstraue dem Lokaljournalismus, die „Rhein-Zeitung“ ist geführt hatte, bei der dem Leser noch zehn Texte monatlich Seidenfaden daraus ableitet: „90 Prozent der redaktionellen gefühlten Dogma, dass möglichst viel multi- dafür bekannt, sich den sozialen Netzwer- kostenlos zur Verfügung standen, müssen User seit Februar für Inhalte, die wir produzieren, sind Käse.“ Einem User, der Stichwort Relevanz: Sie wollen weg von medial aufbereitet werden muss. Text ist eine ken besonders zu öffnen. Auch wenn Sie alle Artikel zahlen. Ein einzelner Text kostet 50 Cent. Für 5,90 Geld für den Besuch einer Website zahlen soll, müsse mehr dem typischen Online-Modell, bei dem je- Qualität an sich. Wenn ich Text krampfhaft mit gerade eine neue Richtung eingeschlagen Euro im Monat hat der Leser ein Jahr lang Zugang zu allen On- geboten werden. „Wir müssen uns bemühen, dem Kunden den Tag möglichst viele Texte auf die Seite Audio und Bewegtbild vermähle, dann macht haben, was das Paywall-Modell angeht: line-Artikeln. 36.000 Leser haben sich bislang für dieses Modell auch online ein besonderes Paket zu liefern, keinen unsor- gestellt werden. Stattdessen plädieren das in Einzelfällen Sinn, im Regelfall bin ich fest Was bedeuten Twitter und Co. für Sie nach entschieden. „Das sind Kunden, zu denen wir eine Beziehung tierten Gemischtwarenladen, auf den der Leser stößt, wenn Sie für ein „Nobel-Onlineangebot“ für die davon überzeugt, dass gute geschriebene Texte wie vor beruflich? aufbauen können“, sagt Christian Lindner. Dass damit auch po- er die Bezahlschranke überwunden hat.“ Nur was genau soll Leute, „denen Facebook eben nicht reicht.“ zu wichtigen Themen einer wild daherkommen- Unsere Community ist weiter unerlässlich für tenzielle Leser vom Besuch der Seite abgehalten werden, nimmt dem Leser geboten werden, damit er sich für ein digitales Ist das nicht ein sehr elitäres Denken? den, aufwendig konsumierbaren Medienmixtur uns. Wenn man die respektiert und pflegt, dann Lindner in Kauf. „Solange die Seite frei zugänglich war, war Abo entscheidet? Bei der Beantwortung dieser Frage hilft Eine gut gemachte Zeitung oder Website spie- deutlich überlegen sind. ist das ein unglaublicher Themengenerator, ein der meiste Traffic auf unserer Seite rein zufällig.“ Jeder zweite dem Chef der „Rhein-Zeitung“ ein Gedankenspiel: „Wie gelt ein Grundinteresse wider. Ein Interesse an Recherchehelfer, ein Feedbackinstrument. Und Besucher klickte gerade einmal im Monat auf rhein-zeitung.de. würde die Website einer Zeitung aussehen, wenn sie heute dem, was die Menschen ärgert, was sie ändern Qualität wie Sie sie verlangen, ist auch eine es eröffnet die Möglichkeit, Texte auch in ande- zum ersten Mal online gehen würde? Wenn wir all unsere wollen. Das fangen wir auf, das spiegeln wir wi- Finanzierungsfrage. Wie soll das gehen, in re Milieus zu bringen. Twitter, Facebook und Co. Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre in die Entwicklung der, das moderieren wir. Unsere Angebote rich- Zeiten, in denen bei allen Verlagen gespart sind unersetzlich. Aber man muss diesen Kon- einbringen können?“ Christian Lindner hat die Frage für ten sich an Menschen, die bewusst in einer Regi- wird? takt zur Community auch wollen. Eine Redak- PAYWALL-MODELLE sich schon beantwortet: „Weniger Texte auf der Seite, die entweder werbearm ist oder ganz ohne grelle Anzeigen aus- on leben, die eine Liebe zu dieser Region haben und sie gerne weiterentwickelt sehen würden. Das ist die Aufgabe von Chefredakteuren. Kein Verlagsmanager schreibt einem Chefredakteur tion, die das will, wird bessere Themen haben, bessere Inhalte veröffentlichen als die, die die SIND KAUFMÄNNISCH kommt.“ Für eine edel aufbereitete Seite mit guten, aufwen- Wem gepostete Bilder von Essen aus Restau- vor, wie viele Redakteure er wofür einsetzt. Schotten runterlässt und ungestört sein möchte. dig recherchierten Texten wären die Leser, so glaubt Lindner, rants reichen, der ist mit anderen Angeboten Wenn ich als Chefredakteur die Auffassung GESCHEITERT durchaus bereit, einen entsprechenden Betrag zu bezahlen. besser bedient, als mit dem, was wir können. habe, ich brauche zehn Prozent meiner Leute, Das Gespräch führte Tanja Brandes 14 15
Praxisgespräche Mit Netz relevanter Lokalredaktionen benötigen Inspiration aus dem Netz – entweder durch Nutzer-Feedback oder durch systematische Suchen mithilfe von Tools D as Netz wird viel zu selten als Inspirationsquelle ge- lere Entscheidungen für Themen in sozialen Netzwerken – nutzt, stattdessen noch zu häufig den gewöhnlichen und nicht darum, für einen Online-Trend das gesamte Blatt Quellen und Wegen vertraut. Das hat aber nichts mehr umzuschmeißen. mit der Leserwirklichkeit zu tun“, betont Daniel Fiene. Beim Praxisgespräch „Inspiration im Newsroom – neue Köpfe, Die Ostsee-Zeitung ist einen anderen Weg gegangen. Sie hat neue Konzeption“ stellt der langjährige Blogger, Moderator die kleine Redaktion in Ribnitz-Dammgarten zur „Zukunfts- der „Sendung mit dem Internet” bei Antenne Düsseldorf redaktion” umfunktioniert, um crossmediales Denken und Arbeiten zu ermöglichen. Meist werde eine Nachricht erst zur Blatt-Geschichte und an- schließend zur Online-Meldung. „Das muss natürlich umgekehrt laufen”, sagt Andreas Ebel. „Geht aber nur, wenn derjenige, der die Nach- richt recherchiert, sie auch selber absetzt.“ Die OZ hat Mitarbeiter in den Lokalredaktionen für crossmediales Arbeiten geschult und die Arbeitszeiten angepasst, um besser über das Geschehen der Nacht zu informieren. Die Mit- arbeiter sind zufrieden, die Interaktion auf der Facebook-Seite ist hoch. Durch die Möglichkeit, Feedback mitzuteilen, sei der Leser nicht nur Konsument, er gestalte die Zeitung durch The- menanregungen mit. Wöchentlich erscheint auf einer ganzen Seite das Leserforum, bestehend aus Facebook-Kommentaren oder -Bildern der Katharina Ritzer (v. l.), User. Der Print-Rückgang sei seit der Initiierung Andreas Ebel und Daniel Fiene der „Zukunftsredaktion” gestoppt worden. Bild: Max Grönert Einige Zuhörer äußern sich skeptisch. Ihre Be- fürchtung: Wer das Blatt mit Online-Inhalten und der Dradio-Wissen-Sendung „Was mit Medien. Das füllt, vernachlässigt „Basis-Berichterstattung”. „Es geht nicht Medienmagazin” und nun seit einem Jahr Social-Media-Ma- darum, diese Inhalte aus der Zeitung zu verbannen, sondern nager der „Rheinischen Post”, gemeinsam mit Andreas Ebel, zusammen mit den Akteuren neue spannende Geschichten zu Chefredakteur der „Ostsee-Zeitung”, Wege für inspirieren- finden”, so Ebel. Die ritualisierte Darstellungsform sei nicht des und digitales Arbeiten in ihren Lokalredaktionen vor. mehr so interessant. Die Nachrichten passieren im Lokalen. Moderiert wird der Austausch von Katharina Ritzer, Redak- Dort müsse der Journalist vor Ort sein. „In den Lokalredak- tionsleiterin Online und Digitales beim „Nordbayerischen tionen sind wir weiter als im Mantel, dort ist man meistens Kurier”. Ein zentrales Thema ist die Interaktion mit und das einen Tag hinter dem Netz”, berichtet Katharina Ritzer. Ebel Feedback aus sozialen Netzwerken. „Social Media ist mehr als Facebook und Twitter”, sagt Fiene. Für ihn ist wichtig, dass die einzelnen Kanäle durch Themenverantwortliche gesteuert werden und diese auch in die Kommunikation mit DIE MITARBEITER SIND einsteigen. „Der Social-Media-Redakteur ist eher ein Service- 30 Länder - 300 Medien - 1 Presseschau dienstleister, der Schwerpunkte einzelner Kanäle erklärt und ZUFRIEDEN, DIE INTERAKTION AUF das Ohr am Netz hat – denn das Netz ist die Gesellschaft.“ DER FACEBOOK-SEITE IST HOCH Die euro|topics-Presseschau: Der tägliche Blick in Daran angelehnt erläutert Fiene die „Listening-Struktur”, für ihn ein Mix aus Algorithmen und journalistischer Hand- europäische Kommentare aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft werksarbeit. Das echte Redakteursnetzwerk muss auch online abgebildet und erweitert mit den relevanten Internet-The- und Fiene raten dazu, den Lesern eine tägliche Nachrichten- zusammenfassung bei WhatsApp zu senden. Das sorge für und Kultur – in drei Sprachen. men zusammengeführt werden. Durch Tools wie Tweetdeck, Leserbindung und passe in die Lebenswirklichkeit der Rezi- 10000flies.de oder tame.it und scharf eingestellte Suchfilter pienten. Oder wie Fiene gegen Ende resümiert: „Wer sich könne man das so systematisieren, dass man auf relevante dem Netz verschließt, wird auf kurz oder lang die Relevanz Ergebnisse für die eigene Zielgruppe stoße. „Die Struktur der eigenen Zielgruppe verlieren.“ unterstützt die Redakteure, richtige Themenentscheidungen zu treffen”, sagt Fiene. Es gehe um bewusstere und sensib- David Freches www.eurotopics.net 16
Praxisgespräche Praxisgespräche Die Playmobil-Story Die Zeitung lebt 3 FRAGEN AN Der „Nordbayerische Kurier“ arbeitet nach dem Schema „Online to Print“. Augmented Reality bietet Chancen, mit den Lesern zu Bei den Kollegen anderer Redaktionen wirft das zahlreiche Fragen auf interagieren, und liefert einen Mehrwert für Print Christian Radtke W E eißer Gartenzaun, gelber Hausan- die Geschichten anschließend in der Zeitung ,SamSon’ vor, wir kopieren nichts aus der ine hübsche Frau, die einem von der Titel- Schnell war der Zeitung klar: Das ist auch für un- Leiter Customer Relationship strich, rotes Ziegeldach. In einem aus“, sagt Köpplinger. „Alles was online Zeitung“, so Husarek. „Ab und zu gibt es seite zuzwinkert. Ein Elefant, der aus der sere Leser interessant – als Brücke zwischen dem Management kleinen, gemütlichen Einfamili- geht, funktioniert auch im Print-Bereich. eine Zweitverwertung im Print-Bereich, aber Zeitung herauswächst, sich drehen und Print-Produkt und den digitalen Inhalten. enhaus in Bayreuth wohnen Claudia und Andersherum wird das schwierig.“ nicht andersherum.“ Bei „SamSon“ wird wenden lässt. Was klingt wie die Umsetzung der Weser-Kurier Mediengruppe Stefan Mayer mit ihren zwei Kindern Silke zunehmend mit Video- und Audio-Forma- Magier-Zeitung „Der Tagesprophet“ aus den Auf mehr als 37.000 Geräten wurde die für und Bernd, haben nette Nachbarn und ge- Die Zeitung verlangt von ihren Journalisten, ten gearbeitet. 20 Geschichten werden pro Harry-Potter-Filmen ist Realität. Erweiterte Re- den Nutzer kostenlose App des Weser-Kuriers nießen die Natur. Doch plötzlich stört etwas sich bereits vor dem Termin oder während Ausgabe veröffentlicht, inklusive zwei bis alität um genau zu sein. Zeitschriften wie „Fo- seit dem 1. September 2013 runtergeladen – bei die nordbayerische Idylle: die Straßenaus- der Recherche Gedanken über die multime- drei Videos. Derzeit ist es ein Ergänzungs- cus“, das „Arte-Magazin“ und „Computer-Bild“ einer Zeitungsauflage von etwa 142.000 Exem- baubeitragssatzung. Für Lokaljournalisten diale Umsetzung zu machen. Während des angebot, das im Digital-Abo und per App nutzen diese „Augmented Reality“ (AR). plaren. Sehr erfolgreich war zwei Monate nach ein grausiges Verwaltungsthema – trocken, Praxisgesprächs bekommt der Multime- erhältlich ist. „Letztlich ist es aber eine Vor- dem Start ein zweiwöchiges, speziell auf AR ba- kompliziert, schwierig zu erklären. Für Tobi- dia-Journalist zahlreiche skeptische Stimmen arbeit, um die Zeitung irgendwann komplett Als das Einblenden von virtuellen Elementen sierendes Gewinnspiel. „70.000 Bilder wurden Welchen Nutzen hat Augmented as Köpplinger und sein Multimedia-Redakti- zu hören: Wie ist dieses Konzept in der Pra- crossmedial aufzustellen“, sagt Husarek, der in ein reales Sichtfeld, beschreibt Martin Krotki während dieser Zeit pro Tag gescannt, da hatten Reality für den Leser? onsteam des Nordbayerischen Kuriers hin- xis umzusetzen? Bedeutet es nicht, dass Zei- weiß, dass mit „SamSon“ derzeit kein Geld vom Unternehmen Appear2Media diese Tech- wir erst 12.000 Nutzer“, sagt Radtke. „Mit wenig Der Leser bekommt mithilfe von Aug- gegen eine kreative Herausforderung. „Wir tungsreporter gleichzeitig Foto-, Video- und verdient wird. „Wir glauben aber, dass das nik. Reale Bilder vermischen sich mit virtuellen Mühe bekommen Sie Schwung in das Thema.“ mented Reality eine größere Nähe zum haben mit zwei Redakteuren in anderthalb Textmaterial produzieren müssen? Für den Konzept langfristig aufgehen wird.“ Elementen. Eingesetzt wird das etwa in Visieren Inhalt, der im Artikel steht. Es ist etwas Tagen ein zweiminütiges Video dazu produ- Multimedia-Experten ist klar: „Wir können von Militärpiloten. Auch Zeitungen und Zeit- anderes, wenn ich bei einer Wahlbericht- ziert – mit Playmobil-Figuren“, berichtet er nicht alles mit dem Smartphone machen. Husarek stellt während des Forums auch schriften können diese Technik nutzen. „Für den EINE BRÜCKE erstattung einen Politiker zitiere oder ob während des Praxisgesprächs „Lokales 4.0 – Von der Tradition zur Innovation“. Wir brauchen Video-Fachleute, die auch eine gewisse Qualität liefern.“ Themen heraus, die laut der Analysen der Redaktion bei den Usern besonders beliebt Leser entsteht ein neues Produkt“, ist sich Krotki sicher. Mit einem Smartphone oder in Zukunft ZWISCHEN ich auch sein Gesicht sehe und wie er sich bewegt. Das erhält eine ganz andere Die Zeitung aus Bayreuth hat ein Verbrei- Ähnlich gehen mittlerweile die „Nürnberger sind. „Im Magazin laufen vor allem Frei- zeit-Themen gut, in all ihren Facetten“, sagt auch mit einer Datenbrille lassen sich diese Zu- satz-Inhalte abrufen. Dazu muss der Nutzer sich PRINT UND DIGITAL Tiefe. Das andere ist, dass man mehr In- formationen transportieren kann. tungsgebiet von rund 200.000 Bürgern, Nachrichten“ mit Multi- und Crossmediali- Husarek. „Natürlich sind das keine Knül- eine App runterladen. 34.000 haben die Print-Ausgabe abonniert. tät um. Michael Husarek, stellvertretender ler-Storys, aber es sind Geschichten, die wir Die Verlage müssen zunächst investieren. Die Ist es nicht schwierig, Lesern zu Die Website hat 2,5 Millionen Klicks pro Chefredakteur, stellt während des Praxisge- gut multimedial aufarbeiten können, zum Eine Tageszeitung, die AR nutzt, ist der We- App von Appear2Media kostet 20.000 Euro pro vermitteln, dass sie sich mit einer Monat. Die Journalisten stellten sich die sprächs das neue Magazin „SamSon“ vor: Beispiel auch mithilfe von Grafiken oder ser-Kurier. Täglich sind 15 Artikel mit den Plattform. Zusätzlich wird für die Dienstleistung speziellen Brille oder dem Handy Frage, wie sie die digitale Entwicklung für ein wöchentliches Format, das freitagabends eben Video- oder Audiodateien.“ AR-Effekten versehen. Ein blauer Punkt in ei- bezahlt. „Je mehr eine Redaktion selbst macht, hinsetzen müssen, um die Zusatzin- sich nutzen können. Sie haben sich für das für das „Lean-Back“-Lesen an Samstag und nem Bild zeigt dem Leser an: Hier passiert etwas. desto weniger kostet es“, erzählt Krotki. Verlage halte der Zeitung zu sehen? „Online to Print“-Konzept entschieden. Sonntag erscheint. Bei diesem Magazin steht Jennifer Stötzel Scannt er das Foto mit dem Handy, öffnen sich erhoffen sich durch AR zusätzliche Erlöse. „Bei Das Handy liegt bei vielen immer in „Wir planen wie gewohnt unsere Themen das „Online First“-Prinzip im Vordergrund. Zusatzelemente: eine Bildergalerie, ein Video Magazinen geben Werbekunden 70.000 Euro für Reichweite, das würde ich nicht an eine vor, arbeiten aber zuerst online und werten „Wir halten exklusive Geschichten für oder beispielsweise eine Audiodatei. eine AR-Anzeige aus“, weiß Radtke. Bei Tages- Altersgruppe knüpfen. Wenn ein Effekt zeitungen liegen die Einnahmen höchstens im nicht funktioniert, hat man auch ältere Ursprünglich sollte AR ein Anreiz für Anzeigen- vierstelligen Bereich. Leser am Hörer. kunden und die Marketingabteilung sein. Schließ- lich ist es schick, wenn man den neuen Mercedes Eine beruhigende Nachricht übrigens für alle, Warum soll man Augmented Reality „Neues ausprobieren“ ring nicht nur auf dem Foto sieht, sondern ihn direkt die vom Tod der gedruckten Zeitung sprechen: einsetzen, wenn man Zusatzinhal- Tobias Köpplinger Wor erleben kann, etwa als 3D-Modell, unterlegt mit Augmented Reality setzt darauf, dass es ein te auch online oder auf dem iPad Leiter Multimedia, an Nordbayerischer Kurier, Bayreuth Ton. „Ich komme aus einer Generation, in der Print-Produkt gibt. Zeitungen werden durch AR bekommt? tef :S Bild es wirkt, wenn sie einen kernigen Motor hört“, vielleicht also so lebendig wie nie zuvor. Sie setzen hier eine Entscheidung vor- erzählt Christian Radtke, Leiter Customer Relati- aus: Ich lese die Zeitung oder ich infor- Auf ihren Vortrag zum „Online to Print“-Kon- wir einfach abwarten, wie das Konzept im Inwiefern hat sich für Sie die Interakti- onship Management der Weser-Kurier-Gruppe. Thomas Schmitz miere mich online. Die Augmented-Rea- zept gab es viele skeptische Stimmen wie Alltag besteht. on mit den Lesern und Online-Nutzern lity-Inhalte kann ich ja auch online lesen. dies umzusetzen sei oder zum Arbeitsauf- geändert? Aber es ist eben nicht jeder online oder wand. Haben Sie damit gerechnet? Was ändert sich für den klassischen Zei- Für uns besteht ein ständiger Kontakt zum in der Zeitung unterwegs. Das sind un- Ich kenne diese Stimmen ja aus unserem Haus. tungsreporter bei seiner Arbeit? Leser und zum Nutzer. Wir haben eine enga- terschiedliche Zugangskanäle. Die Pha- Das ist wie immer bei solchen Entwicklungen: Er muss sich vor einem Termin Gedanken ma- gierte Facebook-Community, die uns Feedback se, ein Smartphone zu benutzen, um Wenn ich Kollegen sage, sie sollen ein wenig chen, ob es andere oder bessere Arten gibt, die zu Geschichten gibt. Dieses Feedback müssen zusätzliche Inhalte abzurufen, ist ein anders arbeiten, verstehen sie nur: Alles, was Geschichte zu erzählen als Text. Bietet es sich wir ernst nehmen, ebenso wie Ergebnisse bei Durchgangsstadium. Die nächsten Gerä- sie bisher gemacht haben, war schlecht. Aber etwa an, ein Quiz oder eine interaktive Karte zu Online-Abstimmungen. Ebenso kann es nicht te, die auf Augmented Reality zugreifen, darum geht es nicht. Wir müssen miteinander entwickeln? Wenn ja, spricht er mit einem On- sein, dass wir uns auf Facebook-Nachrichten werden in den täglichen Ablauf voll inte- reden, uns gegenseitig unterstützen bei der line-Experten von uns, der die Ideen umsetzen drei Stunden lang nicht melden. Wir müssen griert sein. Ich halte es für fahrlässig, das inhaltlichen wie technischen Umsetzung. Die kann. Wenn es um aktuelle Ereignisse geht, soll- sofort reagieren und das honorieren die Nut- außer Acht zu lassen. Bilder: Max Grönert Kritiker, die sich nicht überzeugen lassen, wer- te auch der Zeitungsreporter sein Smartphone zer auch. Wer ernst genommen wird, geht uns den wir auch in Zukunft nicht erreichen. Aber zücken können und schnell ein Video von der nicht mehr von der Stange. Moderatorin Christina Knorz (v. l.) Das Gespräch führte Thomas Schmitz vor allem junge Kollegen haben Lust darauf, Massenkarambolage machen. Da schlägt dann mit Martin Krotki und Christian Radtke etwas Neues auszuprobieren. Jetzt müssen die Aktualität die Qualität. Das Gespräch führte Jennifer Stötzel 18 19
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