Zinsen verharren bis auf Weiteres im negativen Bereich - Credit Suisse
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Investment Solutions & Products Swiss Economics Zinsen verharren bis auf Weiteres im negativen Bereich Monitor Schweiz | 4.Q 2019 Konjunktur Schweiz Fokus Geldpolitik Auch 2020 nur mässiges Negativzinsen wirken Höhere Gewinnausschüttung? BIP-Wachstum Seite 6 Seite 10 Seite 17
Impressum Herausgeber: Credit Suisse AG, Investment Solutions & Products Nannette Hechler-Fayd’herbe Head of Global Economics & Research +41 44 333 17 06 nannette.hechler-fayd’herbe@credit-suisse.com Oliver Adler Chefökonom Schweiz +41 44 333 09 61 oliver.adler@credit-suisse.com Autoren Oliver Adler Maxime Botteron Sara Carnazzi Weber Emilie Gachet Tiziana Hunziker Alexander Lohse Claude Maurer Thomas Rieder Fabian Waltert Bestellungen Direkt bei Ihrem Kundenberater oder bei jeder Geschäftsstelle der Credit Suisse Mitwirkung Vojo Gunevski Ewelina Krankowska-Kedziora Christine Mumenthaler Andreas Weber Redaktionsschluss 5. Dezember 2019 © Copyright Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden. Copyright © 2019 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten. Swiss Economics | 4.Q 2019 2
Editorial Sehr geehrte Leserinnen und Leser Am 15. Januar 2015 – also vor ziemlich genau fünf Jahren – gab die Schweizerische National- bank (SNB) bekannt, dass sie ihren Leitzins markant unter null senken werde. Hätte nochmals fünf Jahre vor diesem denkwürdigen Tag jemand vorhergesagt, dass die Zinsen in der Schweiz jemals so tief fallen würden, hätte man ihn oder sie wohl als Wirrkopf abgetan. Doch heute liegen die Zinsen von Schweizer Staatsanleihen bis weit über eine Laufzeit von 30 Jahren hinaus im ne- gativen Bereich, und auch in vielen anderen europäischen Ländern sind die Zinsen negativ. Der Fokusbeitrag dieses Monitor Schweiz geht im Detail auf die Ursachen und Wirkungen der Negativzinsen ein, zumal das Thema in der Presse und der Öffentlichkeit weiterhin intensiv disku- tiert wird. Der Einfluss oder der Spielraum der SNB bei der Bestimmung der Zinsen ist wesentlich beschränkter, als oft angenommen wird. Denn erstens ist der Trend zu sinkenden Zinsen ein glo- bales Phänomen, das seit Jahrzehnten anhält und auch den Schweizer Markt erfasst hat. Dieser Trend ist einerseits auf die sinkende Inflation zurückzuführen – und in diesem Sinn auf eine rest- riktive, d.h. auf Geldwertstabilität fokussierte Notenbankpolitik – und andererseits auf rückläufige Realzinsen. Letztere sind unter anderem eine Folge der demografischen Alterung, des geringeren Produktivitätswachstums, einer zum Teil zyklisch bedingt hohen Sparneigung und einer eher ge- ringen Investitionsnachfrage. Auf diese reale Komponente der Zinsen haben sogar die «grossen» Notenbanken, wie beispielsweise die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank, nur vo- rübergehend Einfluss. Zweitens sieht sich die SNB mit dem sogenannten geldpolitischen Trilemma konfrontiert: Sie muss zwischen der Steuerung der Leitzinsen und des Wechselkurses wählen, sofern sie nicht – als dritte Option – den Kapitalverkehr zwischen dem Ausland und der Schweiz unterbinden möch- te. Letztere Massnahme würde jedoch der Schweizer Wirtschaft und dem Finanzplatz enorm schaden. Derzeit erscheint die Annahme, dass sich die SNB für die Option «Freigabe» des Wech- selkurses entscheiden wird, noch verfrüht. Angesichts der immer noch fragilen globalen und euro- päischen Konjunktur wäre nämlich das Risiko für einen Grossteil unseres Exportsektors zu gross. Darüber hinaus wäre es auch in diesem Fall unwahrscheinlich, dass die Langfristzinsen steigen und sich in der Folge beispielsweise die Ertragschancen unserer Pensionskassen verbessern wür- den. Umso wichtiger scheint es, die strukturellen Probleme insbesondere im Schweizer Rentensystem, die durch die tiefen Zinsen zusätzlich verschärft werden, konsequent und zeitnah anzugehen. Hierbei kann die SNB nicht helfen. Wir danken Ihnen für Ihr Interesse, freuen uns auf Rückmeldungen und wünschen Ihnen alles Gute im neuen Jahr. Michael Strobaek Oliver Adler Global Chief Investment Officer Chefökonom Schweiz Swiss Economics | 4.Q 2019 3
Inhalt Globales Umfeld 5 Konjunktur Schweiz 6 Auch 2020 nur mässiges BIP-Wachstum Das Wirtschaftswachstum in der Schweiz dürfte 2020 mit 1.4% zwar höher ausfallen als 2019 (0.9%), die Beschleunigung wird aber durch sportliche Grossereignisse überzeichnet. Immerhin sollte sich jedoch die Industrie stabilisieren. Konjunktur Monitor 7 Branchen | Monitor 8 Fokus – Negativzinsen 10 Zinsen verharren bis auf Weiteres im negativen Bereich Die negativen Zinsen in der Schweiz sind eine Folge globaler Entwicklungen. Es gibt nämlich keine klaren Hinweise dafür, dass die Geldpolitik der Schweizerischen Natio- nalbank (SNB) derzeit zu expansiv wäre. Die SNB wird voraussichtlich mit Negativzinsen und sporadischen Devisenmarktinterventionen eine stärkere Aufwertung des CHF weiter zu verhindern versuchen, solange sich die Konjunktur der wichtigsten Schweizer Handelspartner nicht massgeblich bessert. Geldpolitik 17 Höhere Gewinnausschüttung? Die Nationalbank (SNB) dürfte in den nächsten fünf Jahren Erträge von CHF 18 – 20 Mrd. jährlich abwerfen. Der erwartete Verlust im Worst-Case-Szenario würde sich auf rund CHF 75 Mrd. belaufen. Dennoch könnte unseres Erachtens eine Erhöhung der jährlichen Gewinnausschüttung an Bund und Kantone in Betracht gezogen werden. Geldpolitik I Monitor 18 Immobilien | Monitor 19 Credit Suisse Vorlaufindikatoren 20 Prognosen und Indikatoren 22 Swiss Economics | 4.Q 2019 4
Globales Umfeld Europa Optimismus bei den Haushalten in Europa Stimmung der Konsumenten, Index Europa hat überproportional unter der Schwäche der globa- 0 len Industrieproduktion gelitten, während hausgemachte Krisen, wie beispielsweise in der Automobilindustrie oder -5 infolge des Brexit, das Wirtschaftswachstum belasten. Die von uns erwartete Entspannung dürfte somit spürbar positiv -10 wirken. Zudem sind die Aussichten für den Konsum unver- ändert gut: Dank tiefer Arbeitslosigkeit und steigender Real- -15 löhne sind die Haushalte in Kauflaune. Des Weiteren wirkt die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) -20 unterstützend, und sogar Länder wie Deutschland denken über höhere Staatsausgaben nach. -25 2000 2004 2008 2012 2016 claude.maurer@credit-suisse.com Quelle: Datastream, Credit Suisse USA Kleine US-Unternehmen sind nach wie vor optimistisch Indikator der Geschäftslage von Kleinunternehmen in den USA Der Handelsstreit zwischen den USA und China belastet 110 den Welthandel, wurden doch die stärksten Rückschläge der globalen Industrieproduktion unmittelbar nach Zollerhöhun- 105 gen registriert. Der Konflikt scheint jedoch die Stimmung der 100 US-Unternehmen nicht besonders stark einzutrüben, liegt doch der bei kleinen US-Unternehmen erhobene Geschäfts- 95 lageindikator nach wie vor deutlich über seinem Durch- schnitt. Unterstützt wird die vergleichsweise hohe Robustheit 90 der US-Wirtschaft durch die expansivere Geldpolitik der US- Notenbank. Nach drei US-Zinssenkungen im Jahr 2019 85 wird nun aber wohl bis auf Weiteres eine Pause folgen. 80 2000 2004 2008 2012 2016 claude.maurer@credit-suisse.com Quelle: Datastream, Credit Suisse China Weniger Autoverkäufe in China Veränderung der Autoverkäufe in China, ggü. Vorjahr, gleitender 3-Monats- Durchschnitt, in % Das Wachstum in China wird sich 2020 voraussichtlich 120 abermals leicht verlangsamen. Diese Abkühlung dürfte in- 100 dessen nicht nur durch den Handelsstreit mit den USA be- dingt sein, denn auch der Konsum in China selbst schwä- 80 chelt. Die Verkäufe von Autos in China sind beispielsweise 60 seit rund einem Jahr rückläufig. Die Zentralbank und die Regierung dürften jedoch einer zu starken Abschwächung 40 des Wachstums mittels Kreditstimuli beziehungsweise Lo- ckerungsmassnahmen gegensteuern. 20 0 -20 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 claude.maurer@credit-suisse.com Quelle: Datastream, Credit Suisse Swiss Economics | 4.Q 2019 5
Konjunktur Schweiz Auch 2020 nur mässiges BIP-Wachstum Das Wirtschaftswachstum in der Schweiz dürfte 2020 mit 1.4% zwar höher ausfallen als 2019 (0.9%), die Beschleunigung wird aber durch sportliche Grossereignisse überzeichnet. Immerhin sollte sich jedoch die Industrie stabilisieren. Wachstum im Die Schweizer Wirtschaft ist im 3. Quartal 2019 mit einem Plus von 0.4% gegenüber dem Vor- 3. Quartal 2019 auf quartal überraschend stark gewachsen. Das Wachstum war aber fast ausschliesslich der boo- enger Basis menden Pharmaindustrie sowie rekordhohen Stromexporten zu verdanken, waren doch die Stau- seen dank des schneereichen Winters gut gefüllt. Ansonsten expandierte die hiesige Wirtschaft nur schwach, während die Investitionsgüterindustrie sogar schrumpfte. Vor diesem Hintergrund senken wir unsere Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahr 2019 auf 0.9% (von 1.1%). Industrie sollte sich Für 2020 prognostizieren wir ein BIP-Wachstum von 1.4%. Die Lage in der Investitionsgüterin- 2020 stabilisieren; dustrie sollte sich stabilisieren. Der von uns in Zusammenarbeit mit procure.ch erstellte Einkaufs- Konsum stützt managerindex (PMI) für die Schweizer Industrie notiert nur noch knapp unterhalb der Wachstums- weiterhin schwelle, und es gibt Anzeichen für eine Stabilisierung der ausländischen Nachfrage (vgl. Seite 5). Gleichzeitig wird das Wachstum hierzulande weiterhin vom Privatkonsum getragen. Die Haushalte sind nach wie vor in Konsumlaune, zumal die Sorgen hinsichtlich der eigenen Arbeitsplatzsicher- heit kaum zugenommen haben (vgl. Abb.). Tatsächlich ist die Arbeitsmarktlage nach wie vor ver- gleichsweise robust (vgl. Seite 7). Beschleunigt zunehmen dürften 2020 die Bauinvestitionen, nachdem sich die Baukonjunktur dieses Jahr kurzzeitig abgeschwächt hat. Wachstums- Die Beschleunigung des zugrunde liegenden Wirtschaftswachstums dürfte jedoch schwächer beschleunigung ausfallen, als dies die höhere Prognose suggeriert. 2020 werden nämlich die Olympischen Som- statistisch merspiele und die Fussball-Europameisterschaft das Schweizer BIP-Wachstum um gut überzeichnet 0.3 Prozentpunkte gegenüber 2019, in dem keine Sportgrossereignisse durchgeführt worden sind, erhöhen. Wachstumswirksam wird dieser Umstand, weil die entsprechenden internationalen Sportverbände (IOC und UEFA) ihren Sitz in der Schweiz haben und deren Einnahmen dem Schweizer BIP zugerechnet werden, obwohl die eigentlichen Aktivitäten ausserhalb des Landes stattfinden. claude.maurer@credit-suisse.com Exporte der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) neh- Arbeitsmarkterwartungen nach wie vor recht optimistisch men ab Wachstum ggü. Vorjahr, gleitender 3-Monats-Durchschnitt Einschätzung der befragten Konsumenten zur Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes 10% -10 8% 6% -30 4% -50 2% -70 0% -2% -90 -4% -110 -6% 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 -130 Uhren Chemie MEM Andere Pharma Total 2008 2010 2012 2014 2016 2018 Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Credit Suisse Swiss Economics | 4.Q 2019 6
Konjunktur Monitor Inflation Knapp positive Inflationsrate Tatsächliche Inflationsrate und Prognosen der Credit Suisse sowie der Schweizeri- schen Nationalbank (SNB), in % Wir rechnen bis auf Weiteres mit aus strukturellen Gründen Inflation Prognose SNB Juni 2019 Prognose SNB Sep. 2019 Credit Suisse Prognose sinkenden Preisen im Gesundheitswesen und in der Kom- 3.5 munikation. Angesichts der zunehmenden Leerstände von 3.0 Mietwohnungen dürften auch die Mieten kaum weiter stei- 2.5 gen. Einen (wenn auch nur moderaten) Preisauftrieb gibt es 2.0 dafür in den Bereichen Haushaltsführung, Verkehr, Freizeit 1.5 und Kultur sowie Erziehung und Unterricht. Wir passen un- 1.0 sere Prognose für 2020 insgesamt leicht nach unten an und 0.5 erwarten neu eine durchschnittliche Inflationsrate von 0.3% 0 -0.5 (bisher: 0.5%). Für 2019 dürfte die Teuerung 0.4% betra- -1.0 gen (ursprüngliche Schätzung: 0.5%). -1.5 2006 2010 2014 2018 2022 maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Datastream, Schweizerische Nationalbank (SNB), Credit Suisse Arbeitsmarkt Beschäftigungswachstum schwächt sich nur leicht ab Beschäftigung in Vollzeitäquivalenten und Anzahl offener Stellen, Veränderung ggü. Vorjahr, in % Der Schweizer Arbeitsmarkt zeigt sich nach wie vor robust: 50% 5% Offene Stellen Beschäftigung (rechte Achse) Im 3. Quartal 2019 lag die Beschäftigung um 1.1% über 40% 4% ihrem Vorjahresniveau und war somit so hoch wie noch nie. 30% 3% Gleichzeitig wurden über 79’000 offene Stellen registriert, 20% 2% knapp 10% mehr als ein Jahr zuvor. Dieses Plus ist aller- 10% 1% dings fast nur auf den Dienstleistungssektor zurückzuführen. 0% 0% Die Industriebeschäftigung entwickelte sich im bisherigen -10% -1% Jahresverlauf trotz der Nachfrageschwäche im Exportsektor -20% -2% zwar solide (3. Quartal 2019: +1.2% ggü. Vorjahr), die -30% -3% Aussichten sind aber verhaltener, senden doch die verschie- -40% -4% denen Umfragen unterschiedliche Signale. -50% -5% 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 emilie.gachet@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Zuwanderung Ein Viertel der Zuwanderer aus dem Ausland zieht nach Zürich Saldo der internationalen Migration, Anzahl Personen, ständige Wohnbevölkerung (Schweizer und Ausländer), 2018 Die Zuwanderung in die Schweiz ist regional nicht gleich- 12000 mässig verteilt. Knapp die Hälfte der Nettozuwanderung ZH konzentriert sich auf die Kantone Zürich, Genf und Waadt. 10000 Der Kanton Zürich allein ist Ziel von rund einem Viertel der 8000 Nettozuwanderung. Bereits mit etwas Abstand folgen die Kantone Aargau (8%), Bern (8%) und Basel-Stadt (6%). 6000 Diese Verteilung überrascht wenig, ist doch die Zuwande- GE VD rung zu einem grossen Teil durch Erwerbstätigkeit begrün- 4000 AG BE det. Internationale Zuwanderer konzentrieren sich daher auf BS SG die bedeutenderen Arbeitsmärkte um die grössten Städte. 2000 LU TG SO VS TI ZG SZ GR BL FR SH NE JU UR OW NW AR GL AI 0 sara.carnazzi@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Swiss Economics | 4.Q 2019 7
Branchen | Monitor Pharmazeutische Industrie Starkes Wachstum im 3. Quartal 2019 Exporte, Wachstum ggü. Vorjahresquartal Die Pharmaindustrie konnte im Sommer 2019 ihre Exporte 30.0% im Vergleich zum Vorjahresquartal um über 22% steigern. 25.0% Dieses positive Ergebnis ist vor allem auf Zunahmen in den Exportmärkten Deutschland und USA zurückzuführen. Ins- 20.0% gesamt zeichnete die Pharmaindustrie im 3. Quartal für 15.0% 40% der Schweizer Gesamtexporte verantwortlich. Die ge- 10.0% tätigten beziehungsweise geplanten Akquisitionen im Be- 5.0% reich der zukunftsträchtigen Gentherapie sowie vielverspre- chende neue Medikamente, die in den nächsten zwei Jahren 0.0% marktreif werden sollten, dürften die Schweizer Pharmain- -5.0% dustrie weiterhin auf Erfolgskurs halten. -10.0% 1Q. 3Q. 1Q. 3Q. 1Q. 3Q. 1Q. 3Q. 1Q. 3Q. 2015 2015 2016 2016 2017 2017 2018 2018 2019 2019 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) Schwäche in der deutschen Industrie trifft MEM-Exporte Exporte: Wachstumsbeitrag nach Regionen, gleitender 3-Monats-Durchschnitt Nachdem die MEM-Exporte schon Anfang Jahr Schwächen 15% gezeigt hatten, verschärfte sich die Situation im 3. Quartal 2019 nochmals. Die Stimmung im für die Schweizer MEM- 10% Branche wichtigen deutschen Industriesektor fiel auf Rezes- 5% sionsniveau. Gleichzeitig waren auch die Schweizer Ausfuh- 0% ren nach China, Italien und Grossbritannien rückläufig. Wir gehen von einer nur graduellen Erholung der globalen und -5% deutschen Industrieproduktion aus. Entsprechend wird die -10% Situation für die MEM-Industrie weiterhin schwierig bleiben. -15% 2015 2016 2017 2018 2019 Deutschland USA Frankreich Italien China Grossbritannien Andere Länder Total tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse Uhrenindustrie Rückgang in Hongkong wettgemacht Exporte: Veränderung ggü. Vorjahr und Anteil an Gesamtexporten 2019 Infolge der dortigen Unruhen brachen die Schweizer Uhren- 2018 2019* Anteil 2019* ausfuhren nach Hongkong ein. Indessen konnte dieser 30% Rückgang durch eine Steigerung der Exporte nach China 25% 20% und Singapur wettgemacht werden. Dies deutet darauf hin, 15% dass sich Chinesen nun entweder in Festlandchina oder 10% 5% während eines Kurzurlaubs in Singapur mit Schweizer Uhren 0% -5% ausstatten. Trotzdem konnte die Uhrenindustrie die starken -10% Wachstumsraten von 2018 nicht wiederholen, zumal der -15% -20% Absatz in wichtigen europäischen Märkten wie Deutschland, Grossbritannien Japan Total China Deutschland Singapur USA Hongkong Frankreich Italien Südkorea Frankreich oder Italien schrumpfte. tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung, Credit Suisse * Januar bis September 2019 Swiss Economics | 4.Q 2019 8
Branchen | Monitor Detailhandel Gutes 3. Quartal 2019 für Non-Food-Detailhändler Nominale Detailhandelsumsätze, Wachstum ggü. Vorjahresquartal Der Non-Food-Detailhandel verzeichnete im 3. Quartal 6% 12% 2019 erstmals seit Anfang 2017 wieder ein nominales Um- 4% 10% satzplus (+0.7%). Dabei spielten ihm jedoch auch vorteilhaf- te Witterungsbedingungen in die Hand. Die Entwicklungen 2% 8% an der Währungsfront und folglich der Einkaufstourismus 0% 6% sowie der Onlinehandel werden die Detailhändler auch 2020 -2% 4% vor Herausforderungen stellen. Demgegenüber dürften das -4% Food/Near-Food 2% positive Bevölkerungswachstum und eine Zunahme der Non-Food -6% 0% Kaufkraft – begünstigt durch den geringen Anstieg der Krankenkassenprämien (durchschnittlich +0.2%) – dem -8% -2% Detailhandel eher Auftrieb geben. -10% -4% -12% -6% 1Q.2013 1Q.2014 1Q.2015 1Q.2016 1Q.2017 1Q.2018 1Q.2019 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: GfK, Credit Suisse Tourismus Zunahme der Zahl ausländischer Gäste schwächt sich ab Logiernächte nach Gästeherkunft: Wachstumsbeitrag, gleitender 3-Monats- Durchschnitt Nachdem die Logiernächte in den Sommermonaten insbe- Ausländer Inländer Total sondere dank ausländischer Gäste deutlich gestiegen wa- 8% ren, schwächte sich ihr Wachstum im Herbst wieder ab. 6% Weiterhin positiv war die Entwicklung der Übernachtungen inländischer Gäste. Angesichts einer nach wie vor optimisti- 4% schen Konsumentenstimmung in der Schweiz (besonders 2% bezüglich Arbeitsplatzsicherheit und Budget) sollte sich der positive Trend der steigenden inländischen Logiernächte 0% unseres Erachtens fortsetzen. Die Gefahr, dass die Schwä- -2% che in der Industrie den Dienstleistungssektor anstecken könnte, schätzen wir als gering ein. -4% -6% 2016 2017 2018 2019 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Informationstechnologie (IT) Deutlich weniger IT-Dienstleister sind optimistisch Geschäftslage; Anteil der befragten IT-Dienstleister, Saldi in Prozentpunkten; Quar- talswerte Die Geschäftslage in der IT-Branche wird zwar immer noch 80 von einer Mehrheit der von der Konjunkturforschungsstelle Erbringung von IT-Dienstleistungen 5-Jahres-Durchschnitt 70 der ETH Zürich (KOF) befragten IT-Dienstleister als gut oder mindestens befriedigend eingeschätzt, der Anteil der 60 optimistischen Umfrageteilnehmer ist aber auf den tiefsten 50 Wert seit mehreren Jahren gefallen. Die Schwäche im In- 40 dustriesektor hat bei dieser Eintrübung sicherlich eine wich- tige Rolle gespielt. Solange sich bei diesem wichtigen Ab- 30 nehmer keine Erholung zeigt, dürften auch die IT- 20 Dienstleister ihre Geschäftslageentwicklung weiterhin eher 10 skeptisch beurteilen. 0 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 tiziana.hunziker.2@credit-suisse.com Quelle: Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF), Credit Suisse Swiss Economics | 4.Q 2019 9
Fokus – Negativzinsen Zinsen verharren bis auf Weiteres im negativen Bereich Die negativen Zinsen in der Schweiz sind eine Folge globaler Entwicklungen. Es gibt nämlich keine klaren Hinweise dafür, dass die Geldpolitik der Schweizerischen Natio- nalbank (SNB) derzeit zu expansiv wäre. Die SNB wird voraussichtlich mit Negativzinsen und sporadischen Devisenmarktinterventionen eine stärkere Aufwertung des CHF weiter zu verhindern versuchen, solange sich die Konjunktur der wichtigsten Schweizer Handelspartner nicht massgeblich bessert. Der Trend Sowohl die langfristigen als auch die kurzfristigen Zinsen sind seit den frühen 1990er-Jahren zu sinkenden Zinsen weltweit rückläufig. Die Schweizer Zinsen haben diese Entwicklung fast eins zu eins nachvollzogen ist auf globale (vgl. Abb. 1). Der Rückgang der Langfristzinsen war einerseits die Folge einer erfolgreichen Be- Faktoren kämpfung der Inflation, die zwischen Mitte der 1960er- und den späten 1970er-Jahren stark zurückzuführen gestiegen war. Der intensive globale Wettbewerb an den Märkten für Güter, Dienstleistungen und Arbeitskräfte trug wohl ebenso dazu bei. Die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer scheinen mittlerweile auf tiefem Niveau «verankert», sodass sich die in den Zinsen enthaltene Inflationsprä- mie reduziert hat. Inflationsprämie und Indessen ist auch die Realzinskomponente vor allem seit der Finanzkrise stark gesunken. Als reale Zins- wichtigste Gründe hierfür gelten die nachlassende globale Wachstumsdynamik – die ihrerseits komponente partielle Folge der demografischen Alterung und des geringeren Produktivitätswachstums ist 1 – sind gefallen sowie eine zum Teil zyklisch bedingte hohe Sparneigung («Savings Glut») und eine eher geringe Investitionsnachfrage. Zudem dürfte auch die starke Nachfrage nach sicheren Anlagen, vor allem Staatsanleihen, auf die Realzinsen gedrückt haben, obwohl das Angebot solcher Wertpapiere wegen hoher staatlicher Defizite markant erhöht wurde. Auch «grosse» Noten- Die kurzfristigen Zinsen, die von den Notenbanken bestimmt werden, bewegen sich tendenziell banken haben nur gleich wie die Marktzinsen, allerdings mit deutlichen Abweichungen im Verlauf des Konjunkturzyk- temporären Einfluss lus (vgl. Abb. 2). Zudem scheinen die massiven geldpolitischen Lockerungsmassnahmen, mit auf die Realzinsen denen die US-Notenbank (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB) auf die globale Finanz- und die Eurokrise reagierten, den Rückgang der Zinsen am langen Ende verstärkt zu haben. Demgegenüber trugen die Zinserhöhungen der Fed seit 2017 zu einem zumindest vorübergehen- den Anstieg der US-Langfristzinsen bei. Abb. 1: Zinsen seit mehreren Dekaden rückläufig Abb. 2: Kurzfristige Zinsen als Treiber der langfristigen? Rendite 10-jähriger Staatsanleihen, in % In % 5 Kurzfristiger Zinssatz (3-Monats-Libor) 18 Langfristiger Zinssatz (Rendite 10-jähriger Staatsanleihen) 16 USA 4 14 Deutschland 3 Schweiz 12 2 10 8 1 6 0 4 2 -1 0 -2 -2 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Quelle: Datastream, Credit Suisse Quelle: SNB, Credit Suisse 1 Vgl. Monitor Schweiz vom Dezember 2015. Swiss Economics | 4.Q 2019 10
Auf lange Sicht haben aber auch diese grossen Notenbanken nur Einfluss auf die Inflation – und damit die Inflationsprämie in den Zinsen –, jedoch nicht auf die Realzinsen (geldpolitische «Neutra- lität»). In der Schweiz ist der Einfluss der Notenbank auf die Langfristzinsen wegen der Dominanz der globalen Märkte gemäss unseren Analysen generell gering. Die Kritik an der Es herrscht Einigkeit darüber, dass die massiven Lockerungsmassnahmen der Notenbanken im Geldpolitik hat jüngst Anschluss an die Finanz- und die Eurokrise notwendig und erfolgreich waren. In letzter Zeit hat zugenommen jedoch die Kritik an der Notenbankpolitik vor allem in Nordeuropa zugenommen, wogegen kriti- sche Töne in den USA kaum zu hören sind. Geteilt wird hingegen die Befürchtung, die Geldpolitik habe an Einfluss auf die Konjunktur und die Inflation eingebüsst. Tatsächlich verfehlen die Noten- banken ihre Inflationsziele zum Teil seit Jahren. Vor allem in Japan, aber auch in der Eurozone liegt die Inflation unter dem Zielwert von (im Fall der EZB «unter, aber nahe bei») 2%. In den USA liegt die Inflation zwar mehr oder weniger im Zielbereich, die Fed tendiert aber derzeit dazu, ihr Inflationsziel zu erhöhen. Sie scheint ein «symmetrisches» Inflationsziel anzustreben, bei dem sie ein Überschiessen der Inflation über das 2%-Ziel nicht nur tolerieren, sondern sogar begrüssen würde. Die Idee hinter dieser Strategie ist es, die Konjunktur vorübergehend überhitzen zu lassen. Dann könnten die Leitzinsen zwar mit Verzögerung, aber dafür stärker angehoben werden, was für den Fall eines Abschwungs mehr Spielraum für Senkungen schaffen würde. Eher Zinssenkungen Vor diesem Hintergrund erachten wir Leitzinserhöhungen in den global wichtigsten Währungsräu- als -erhöhungen men bis auf Weiteres als unwahrscheinlich. Da wir eine weltweit etwas bessere Konjunkturdyna- mik erwarten, sieht unsere Prognose für 2020 aber zumindest keine weiteren Zinssenkungen der Fed und der EZB vor. In Bezug auf diese Prognose überwiegen aber eher die Abwärtsrisiken. Ist die Geldpolitik der Auch in der Schweiz wird intensiv darüber debattiert, ob die Geldpolitik derzeit zu locker sei. Der SNB zu locker? Restriktionsgrad der Geldpolitik lässt sich nicht präzis feststellen. Man kann dazu aber eine Reihe von Indikatoren heranziehen (vgl. Tabelle nächste Seite). Die SNB verfolgt nicht ein präzises Infla- tionsziel von 2%, sondern versucht, die Inflation mittelfristig in einem Band von 0% bis 2% zu halten. Die Inflationsrate lag im November zwar bei –0.1% und damit etwas unter dem Band, die Konsensprognosen deuten aber auf einen leichten Anstieg in den kommenden Monaten hin. Der CHF ist Ein weiteres Mass des geldpolitischen Restriktionsgrades ist die Bewertung des Wechselkurses im gegenüber dem EUR Vergleich zu einem als gleichgewichtig oder «fair» erachteten Wert. Die SNB bezeichnet den CHF überbewertet mittlerweile zwar nicht mehr als «überbewertet», aber immer noch als «hoch bewertet». Laut unse- ren eigenen Schätzungen ist der CHF gegenüber dem EUR noch um etwa 10% überbewertet, liegt der Fair Value der Credit Suisse für das Währungspaar EUR/CHF doch derzeit bei 1.22. Beim USD sehen wir keine Überbewertung. Es ist klar, dass Schätzungen des Fair Value mit Unsicher- heit behaftet sind. Zudem ändert sich der Fair Value von Währungen über die Zeit, wie wir in einer der jüngeren Ausgaben des Monitor Schweiz2 dargelegt haben. Unsere Analysen von damals zeig- ten aber auch, dass sich der Fair Value des CHF je nach Branche stark unterscheidet. Gewisse Branchen, wie etwa die Pharmaindustrie, können beispielsweise mit dem heutigen Kurs leben, wogegen der faire EUR/CHF-Wechselkurs für viele andere Exportbranchen deutlich höher liegt. Schätzung des Ein drittes Mass für den Restriktionsgrad der Geldpolitik ist das Niveau der kurzfristigen Realzinsen Gleichgewichtzinses im Vergleich zu einem – ebenfalls mittels Modellen eruierten – Gleichgewichtswert. Auch diese deutet auf eine Schätzungen unterliegen Unsicherheiten. Das Modell der Credit Suisse schätzt den Wert für den neutrale Geldpolitik gleichgewichtigen kurzfristigen Realzins in der Schweiz derzeit auf –0.6%. Der aktuelle reale 3- hin, … Monats-Libor liegt bei rund –0.5%. Dieser Indikator weist also auf eine etwa neutrale geldpolitische Haltung der SNB hin. Demgegenüber signalisiert der Monetary Conditions Index (vgl. Abb. 3), der die Abweichungen des Wechselkurses und der Zinsen vom Fair Value beziehungsweise vom Gleichgewichtswert in einer Kennzahl zusammenfasst, derzeit eine restriktive Geldpolitik der SNB. … die Steilheit der Ein viertes, ebenfalls aus den Finanzmärkten abgeleitetes Mass, ist die Neigung der Zinskurve, Zinskurve jedoch also die Differenz zwischen den lang- und den kurzfristigen Zinsen. Eine inverse Zinskurve deutet auf eine eher dabei auf eine restriktive Geldpolitik hin, weil die Zinsmärkte in diesem Fall eine Senkung der restriktive Leitzinsen implizieren. (Eine Inversion signalisiert zudem eine wahrscheinliche konjunkturelle Ab- schwächung, die dann ebenfalls nach einer Zinssenkung verlangt.) Eine steile Zinskurve zeigt hingegen eine lockere Geldpolitik an. Im 1. Halbjahr 2019 gingen die Zinskurven in vielen Märk- ten, so auch in der Schweiz, zu einer Inversion über und deuteten damit auf eine restriktive Geld- 2 Vgl. Monitor Schweiz vom Juni 2019. Swiss Economics | 4.Q 2019 11
politik hin. Mittlerweile haben sich die Kurven wieder etwas «aufgerichtet». Sie sind aber im histori- schen Vergleich immer noch flach und deuten folglich kaum auf eine lockere Geldpolitik hin.3 Das Kreditwachstum Schliesslich lässt sich auch das Wachstum der Kreditvergabe seitens der Banken oder die Verfas- deutet auf eine eher sung der Konjunktur selbst als Mass des geldpolitischen Restriktionsgrades verwenden. In der zu lockere Geldpolitik Schweiz lag das Kreditwachstum über mehrere Jahre klar über dem Wirtschaftswachstum. Ge- hin mäss Schätzungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beläuft sich die soge- nannte Kreditlücke, also die Abweichung des Kreditwachstums vom langfristigen Trend, gegen- wärtig auf rund 10% des Bruttoinlandprodukts (BIP). Laut diesem Mass war die Geldpolitik in den letzten Jahren also eher zu locker. Die konjunkturelle Entwicklung selbst deutet hingegen nicht auf eine Überhitzung der Schweizer Wirtschaft hin. Der aktuelle Einkaufsmanagerindex für die verar- beitende Industrie (Stand November: 48.8) signalisiert eher eine Konjunkturverlangsamung, sein Pendant für den Dienstleistungssektor (51.7) eine mässige Expansion. Über alle Indikatoren hin- weg betrachtet, erscheint die Politik der SNB derzeit neutral. Restriktionsgrad der Geldpolitik Mass Aktueller Wert Zielwert/Gleichgewichtswert Geldpolitischer Restriktionsgrad Inflationsrate –0.10% 0.0% – 2.0% Restriktiv Inflationsprognose (2020, CS) 0.30% 0.0% – 2.0% Neutral Realer kurzfristiger Zinssatz –0.50% –0.60% Neutral Nominaler langfristiger –0.60% –0.50% Neutral Zinssatz Zinskurve (3M – 10J) 0.25% 1.00% Neutral/restriktiv Monetary Conditions Index 1.30% – 2.20% 0.00% Restriktiv Wachstum 1.10% 0.90% Neutral Kreditlücke, in % des BIP 10.20% 0.00% Expansiv Quelle: Bloomberg, Bundesamt für Statistik, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Credit Suisse Ist die derzeitige Wie im Ausland wird auch in der Schweiz nicht nur darüber diskutiert, ob die Geldpolitik zu locker SNB-Politik wirksam? sei, sondern auch darüber, ob sie überhaupt Wirkung zeigt. Zudem wird debattiert, ob die Nega- tivzinsen der Wirtschaft allenfalls sogar schaden. (Die möglichen Nebenwirkungen negativer Zin- sen werden im 2. Teil dieses Fokus ab Seite 14 beleuchtet.) Seit der Finanzkrise Preisstabilität ist auch in der Schweiz das übergeordnete Ziel der Notenbank, die SNB muss je- liegt der Fokus der doch darüber hinaus der konjunkturellen Entwicklung Rechnung tragen. Insbesondere in den Jah- SNB auf dem ren seit der Finanzkrise stellten vor allem die internationalen Krisenherde eine Bedrohung für die Wechselkurs Stabilität der Schweizer Wirtschaft dar. Diese globalen Faktoren übertrugen sich unter anderem über starke Wechselkursschwankungen auf unsere Wirtschaft und das hiesige Preisniveau. Des- halb konzentriert sich die SNB seit der Finanzkrise primär auf die Stabilisierung des Wechselkur- ses, wobei sie auf unterschiedlichste Massnahmen setzt, wie beispielsweise Zinssenkungen, «ver- bale Interventionen», Ausweitungen der Geldmenge, Devisenmarktinterventionen und – im Sep- tember 2011 – die Einführung eines EUR/CHF-Mindestkurses. Der EUR/CHF- Als jedoch die EZB ihre Geldpolitik weiter lockerte und ihre Leitzinsen senkte, verstärkte sich der Mindestkurs geriet Aufwertungsdruck auf den CHF. Die Differenz zwischen den Zinsen am EUR- und am CHF- wegen Geldmarkt ging nämlich infolge der EZB-Massnahmen auf neue Tiefstwerte zurück, und die SNB der EZB-Lockerung musste zunehmend am Devisenmarkt intervenieren, um den EUR zum CHF zu stabilisieren. Be- unter Druck kanntlich gab die SNB ihre EUR/CHF-Untergrenze im Januar 2015 auf und senkte gleichzeitig die Geldmarktzinsen in den negativen Bereich. Seither lässt sie zwar gewisse Schwankungen des EUR/CHF-Wechselkurses zu, interveniert jedoch weiterhin bei Bedarf, um grosse Kursausschläge zu verhindern. Gleichzeitig bekräftigt die SNB immer wieder, dass sie die Zinsen gegebenenfalls weiter senken werde. Das Verhältnis Eine zentrale Frage lautet deshalb, ob das Zinsinstrument beziehungsweise die «Verteidigung» der von Zinsdifferenz Zinsdifferenz zwischen dem CHF- und dem EUR-Geldmarkt den Wechselkurs tatsächlich stabili- und Wechselkurs siert. Gemäss der (gedeckten) Zinsparität ist dies auf den ersten Blick nicht zu erwarten, da ja die ist nicht stabil, … tieferen CHF-Zinsen am Terminmarkt eine CHF-Aufwertung implizieren. Tatsächlich zeigen die Daten keine eindeutige Beziehung (vgl. Abb. 4). In einigen Perioden korreliert eine höhere Zinsdif- ferenz zwischen EUR und CHF mit einer Abwertung des CHF, wogegen in anderen keine Bezie- 3 Die umfangreichen Käufe langfristiger Anleihen durch die Notenbanken, welche die langfristigen Zinsen tendenziell gesenkt haben, könnten die Zinskurvenneigung als Mass des geldpolitischen Restriktionsgrades etwas verzerrt haben. Swiss Economics | 4.Q 2019 12
hung feststellbar ist oder eine höhere Zinsdifferenz sogar mit einer Aufwertung des CHF einher- ging. Aus diesem Grund wird oft bezweifelt, dass die aktuelle, auf die Zinsdifferenz fokussierte Geldpolitik wirksam ist. … weil andere Diese Argumentation beziehungsweise Fragestellung greift allerdings aus zwei Gründen zu kurz: Faktoren, vor allem Denn erstens besagt die (ungedeckte) Zinsparität, dass nur unerwartete Ausweitungen der Zins- globale Risiken, den differenz (z.B. eine unerwartete Zinssenkung der SNB) den CHF schwächen.4 Und zweitens gibt CHF-Kurs stark es andere Faktoren, die den CHF-Kurs bewegen. Insbesondere wertet der CHF aufgrund seiner beeinflussen «Safe Haven»-Eigenschaften bei zunehmender internationaler Unsicherheit typischerweise auf, ohne dass sich die Zinsspanne dabei verändern würde. Es ist sogar möglich, dass Kapitalzuflüsse in den CHF in solchen Phasen die Zinsen in der Schweiz drücken, sich die Zinsdifferenz also ausweitet. Unsere ökonometrischen Tests bestätigen diese Überlegungen: Berücksichtigt man neben der Veränderung der Zinsdifferenz auch Variablen für die Unsicherheit an den globalen und europäischen Finanzmärkten, wirken Veränderungen der Zinsdifferenz in der erwarteten Weise.5 Insgesamt scheint die SNB den CHF mittels Ausweitungen der Zinsunterschiede zum Euroraum also weiterhin schwächen zu können. Ein Ausstieg der SNB Umgekehrt würde eine Verengung der Zinsdifferenz durch eine autonome Zinserhöhung seitens aus der Negativzins- der SNB – insbesondere in einem global noch unsicheren Umfeld – eine Frankenaufwertung aus- politik ist derzeit nicht lösen. Ein derartiger Schritt könnte paradoxerweise sogar die Inflationserwartungen in der Schweiz zu erwarten senken, was sich in tieferen Langfristzinsen niederschlagen könnte. Ein Ausstieg aus dem jetzigen geldpolitischen «Regime» dürfte somit erst dann erfolgen, wenn die Zinsen an den internationalen Kapitalmärkten steigen und die Fed oder die EZB ihre Zinsen erhöhen. Dies wäre wohl nur der Fall, wenn das globale Wachstum oder die Inflation markant anziehen würden. Beides scheint bis auf Weiteres unwahrscheinlich. Eine SNB-Zinserhöhung im Alleingang wäre nur dann möglich, wenn der CHF «von sich aus» stark abwerten würde. Auch dies wäre jedoch wohl nur in einem wesentlich stabileren globalen Umfeld wahrscheinlich. Eine expansivere Die SNB könnte allerdings durchaus eine weitere Aufwertung des CHF tolerieren, sobald die Finanzpolitik würde geldpolitischen Bedingungen in der Schweiz dies zulassen, zumal die Überbewertung des CHF den CHF tendenziell zurzeit tendenziell abnimmt. Die Herausforderung bestünde in diesem Fall darin, einen spekulati- stärken ven Aufwertungsschub zu vermeiden. Das jetzige flexible Wechselkursregime der SNB ist dafür allerdings weniger anfällig als der damalige fixe EUR/CHF-Mindestkurs. Andere Alternativen zur aktuellen Negativzinspolitik stehen unseres Erachtens momentan kaum zur Verfügung. Während gegenwärtig in der Eurozone über eine expansivere Fiskalpolitik als Ersatz oder Ergänzung zur lockeren Geldpolitik debattiert wird, scheint diese Alternative im Fall der Schweiz nicht besonders sinnvoll. Obwohl die Schweiz grundsätzlich finanzpolitischen Spielraum hätte, scheint ein politi- scher Entscheid in dieser Richtung unwahrscheinlich. Zudem hätte eine expansivere Finanzpolitik wegen der Dominanz der ausländischen Kapitalmarktzinsen in der Schweiz einen nur sehr gerin- gen Einfluss auf die hiesigen Zinsen und würde den CHF letztlich wohl tendenziell stärken. oliver.alder@credit-suisse.com, maxime.botteron@credit-suisse.com Abb. 3: Monetary Conditions Index für die Schweiz Abb. 4: EUR/CHF-Wechselkurs und Zinsdifferenz In % EUR/CHF-Wechselkurs; Zinsdifferenz zwischen EUR und CHF in Prozentpunkten 4 1.7 3 1.6 Straffere monetäre Bedingungen 2 1.5 1 EUR/CHF 0 1.4 -1 1.3 -2 Lockerere monetäre Bedingungen 1.2 -3 1.1 -4 Zinsdifferenz EUR-CHF -5 1 MCI 3:1 MCI 5:1 0 0.5 1 1.5 2 -6 Vorkrise (1) Krisen (2) -7 EUR-Untergrenze (3) Nach EUR-Untergrenze (4) 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 Linear (Vorkrise (1)) Linear (Krisen (2)) Linear (EUR-Untergrenze (3)) Linear (Nach EUR-Untergrenze (4)) Quelle: Credit Suisse (1) Jan. 2004 – Sept. 2008; (2) Okt. 2008 – Aug. 2011; (3) Sept. 2011 – Dez. 2014; (4) Jan. 2015 – Okt. 2019. Quelle: Datastream, Credit Suisse 4 Wie vorstehend erläutert führt gemäss Zinsparität nur eine unerwartete Ausweitung der Zinsspanne zu einer CHF- Abwertung. Erwartete und unerwartete Zinsänderungen sind empirisch jedoch schwierig zu unterscheiden. 5 Wir verwenden als Mass für die Unsicherheit am Finanzmarkt den VIX-Index für die Volatilität im S&P 500 Index sowie den Zinsspread von italienischen gegenüber deutschen Staatsanleihen. Swiss Economics | 4.Q 2019 13
Fokus – Negativzinsen Öffentliche Finanzen Öffentlicher Sektor spart Milliarden ein Geschätzte jährliche Einsparungen an Zinszahlungen, in % der gesamten Ausgaben für 2017 Der Staat beziehungsweise die Steuerzahler sind unbestrit- Bund* JU SO ten Nutzniesser der tieferen Zinssätze. Wir schätzen, dass NE GE Bund und Kantone zwischen 2008 und 2017 insgesamt AR TI SZ rund CHF 23 Mrd. an Zinsen eingespart haben, davon allein TG ZH der Bund CHF 13 Mrd. Die jährliche Ersparnis liegt zwi- SG BS LU schen 0.3% (Kanton Basel-Landschaft und seine Gemein- VD GR den) und 2.8% (Bund) der Gesamtausgaben. Wahrschein- SH NW lich werden in diesen Zahlen die Einsparungen noch unter- FR GL AG schätzt, da die Negativzinsen, zu denen der Bund und einige AI VS Kantone Kredite aufnehmen können, schwierig zu erfassen UR ZG BE sind. OW BL 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 Quelle: Credit Suisse; * für 2018 Haushalte Neutraler Einfluss auf den «durchschnittlichen» Haushalt Geschätzter jährlicher Einfluss tieferer Zinsen auf Haushalte, in CHF Mrd. Die Auswirkungen sinkender Zinsen auf die privaten Haus- 15 halte sind nicht eindeutig. Einerseits reduzieren sich die 10 Zinsen auf Schulden (vor allem Hypotheken). Nach unserer Schätzung haben die Haushalte im Jahr 2017 im Vergleich 5 zu 2007 über CHF 10 Mrd. eingespart. Andererseits müs- sen die Haushalte tiefere Einnahmen auf ihren Sparkonten 0 und Obligationen hinnehmen. Wir schätzen, dass sich die -5 zwei Werte derzeit etwa die Waage halten. Haushalte mit höheren Einkommen, die Schulden aufnehmen können, -10 profitieren mehr von den tiefen Zinsen. Sie haben zudem bei Anlagen eine höhere Risikofähigkeit. -15 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Einsparungen Entgangene Zinserträge Netto Quelle: Credit Suisse Spareinlagen Langfristige Rendite auf Bankeinlagen knapp positiv In % p.a. Wie vorstehend erwähnt mussten die Haushalte einen 6 Inflationsbereinigte Zinsen auf Spareinlagen Durchschnitt 1950 – September 2019 Rückgang ihrer Zinseinkommen hinnehmen. Immerhin könn- 4 ten viele Haushalte zumindest einen Teil ihrer Ersparnisse in Anlagen mit etwas höheren Renditen investieren. Tatsache 2 ist aber, dass mehr als die Hälfte des Finanzvermögens der 0 Schweizer Haushalte in Form von Bankeinlagen gehalten wird. Inflationsbereinigt war die Verzinsung der Sparkonten -2 langfristig allerdings praktisch gleich null, und dies unabhän- -4 gig von der Zinspolitik der Schweizerischen Nationalbank. -6 -8 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 Quelle: SNB, Credit Suisse Swiss Economics | 4.Q 2019 14
Fokus – Negativzinsen Pensionskassen SNB-Leitzins nicht ausschlaggebend für Pensionskassenrendite, aber für den technischen Zinssatz Annualisierte vierteljährliche Rendite des Pensionskassenindex relativ zum Leitzins, in % Die sehr tiefen Renditen auf Obligationen werden zu einer 40.0 grossen Herausforderung für die Pensionskassen. Wie im 30.0 Hauptartikel erwähnt hat die SNB aber wenig Einfluss auf 20.0 diese Zinsen. Die direkten Auswirkungen der Negativzinspo- litik beschränken sich auf die von Pensionskassen gehaltene 10.0 Liquidität. Diese entspricht derzeit rund 5% des Vermögens 0.0 der Pensionskassen. Wie die Abbildung zeigt, korreliert die -10.0 Rendite der Pensionskassen folglich auch nicht mit dem Leitzins der SNB. Das Hauptproblem der Pensionskassen -20.0 (zu hohe Umwandlungssätze bzw. zu tiefes Pensionsalter) -30.0 wird durch die Tiefzinspolitik verschärft. Leitzins SNB -40.0 -1.00 0.00 1.00 2.00 3.00 4.00 Quelle: SNB, Pensionskassenindex der Credit Suisse Bauinvestitionen Kapitalfehlallokation? Bauinvestitionen in Wohnimmobilien, in % des BIP Wenn die Zinssätze zu lange unter ihrem Gleichgewichtsni- 6 veau verharren, steigt theoretisch das Risiko einer Fehlallo- 5 kation des Kapitals, d.h. Investitionen könnten auf Kosten von produktiveren in weniger produktive Projekte fliessen. In 4 der Schweiz wird argumentiert, dass die Negativzinspolitik die Wohnbauinvestitionen übermässig beflügelt habe. Aller- 3 dings zeigen die Daten, dass diese Investitionen nach der Rezession von 2008 nicht viel schneller als das BIP gestie- 2 gen sind. Seit 2013 sind die Wohnbauinvestitionen sogar im 1 Einklang mit dem BIP gewachsen. Indes werden jedoch vor allem von institutionellen Anlegern sehr viele Mietwohnungen 0 gebaut und die Leerstände in diesem Segment steigen. 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Haushaltsschulden und Immobilienpreise Starker Anstieg der Wohnimmobilienpreise und Schulden Hypothekenkredite in % des BIP (linke Skala) und Transaktionspreisindex (1. Quartal 2003 = 100, rechte Skala) Während das Bauvolumen im Vergleich zum BIP nicht 120 Hypothekarkredite an Haushalte, in % des BIP 240 übermässig zugenommen hat (vgl. oben), sind die Preise Preise Eigentumswohnungen (rechte Skala) 115 220 Preise Einfamilienhäuser (rechte Skala) von Immobilien, vor allem von Eigentumswohnungen, seit Konsumentenpreisindex (rechte Skala) 110 200 2008 wesentlich stärker gestiegen als der Konsumenten- preisindex. Die Beschleunigung des Bevölkerungswachs- 105 180 tums hat dabei zwar eine wichtige Rolle gespielt, dieser 100 160 Trend ist aber primär eine Folge der gesunkenen Zinssätze. 95 140 Der resultierende Schuldenstand der Schweizer Haushalte, der im internationalen Vergleich sehr hoch ist, stellt ein Risi- 90 120 ko dar, falls die Zinsen unerwartet stark steigen und/oder 85 100 die Immobilienpreise unerwartet stark fallen sollten. 80 80 2003 2004 2006 2007 2009 2011 2012 2014 2015 2017 2019 Quelle: Datastream, SNB, Wüest Partner, Credit Suisse Swiss Economics | 4.Q 2019 15
Fokus – Negativzinsen Freibetrag Girokonten der Banken bei der SNB In CHF Mrd. Dem Negativzins unterstellt Seit dem 1. November 2019 ist ein kleinerer Anteil der 700 Vom Negativzins befreit Girokonten der Geschäftsbanken bei der SNB dem Negativ- Girokonten der inländischen Banken bei der SNB 600 zinssatz unterstellt. Die SNB hat den sogenannten Freibe- trag erhöht, wodurch zusätzliche rund CHF 119 Mrd. an 500 Einlagen inländischer Banken bei der SNB vom Negativzins 400 befreit werden. Dadurch dürften die Negativzinsausgaben der inländischen Banken um rund CHF 890 Mio. tiefer aus- 300 fallen als bisher. Mit der Erhöhung des Freibetrags hat sich 200 die SNB Freiraum geschaffen, um die Zinsen falls nötig weiter senken zu können. 100 0 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Quelle: SNB, Credit Suisse Weitergabe der Negativzinsen Passivmarge der Banken unter Druck In % Die exakten Kosten, die aufgrund der Negativzinspolitik der 3.0 Approximierte Marge des SNB bei den Banken anfallen, sind schwierig zu ermitteln. Bankeinlagengeschäfts (Passivmarge) 2.5 Zins auf Spareinlagen Die Banken waren bei der Weitergabe der Negativzinsen auf 2.0 Kundeneinlagen bisher zurückhaltend, was ihre Passivmarge Marktzinssatz (Zins eines 3J-Swap- Portfolios) erodiert hat. Wir haben den Einfluss einer Senkung des 1.5 Leitzinses um 25 Basispunkte auf die wichtigsten Bilanzpo- 1.0 sitionen der inlandorientierten Banken geschätzt. Gemäss 0.5 unserer Schätzung reduziert ein solcher Schritt die Zinsmar- gen der Banken um 1 bis 4.5 Basispunkte. Der Einfluss des 0.0 Rückgangs der Kapitalmarktzinsen (Verflachung der Zins- -0.5 kurve) auf die Profitabilität der Banken dürfte generell stär- -1.0 ker sein. 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Quelle: Bloomberg, SNB, Credit Suisse Gesamtwirkung auf inländische Banken Einfluss der Zinsentwicklung auf inlandorientierte Banken Veränderung der Nettozinserträge, in % der Bilanz Aus regulatorischen Gründen müssen die Banken Schät- Aargauische Kantonalbank zungen zu den Auswirkungen eines Anstiegs (beziehungs- Berner Kantonalbank AG weise Rückgangs) des Zinsniveaus um 1.5 Prozentpunkte St. Galler Kantonalbank AG auf ihr Nettozinseinkommen veröffentlichen. Diese Daten Luzerner Kantonalbank AG (vgl. Abb. rechts für die zehn grössten inlandorientierten Basler Kantonalbank Banken) liefern drei interessante Erkenntnisse. Die Ergeb- Migros Bank AG nisse sind von Bank zu Bank sehr unterschiedlich. Für einige Banque Cantonale Vaudoise würden paradoxerweise die Nettozinserträge steigen, wenn Rückgang des die Zinsen allgemein sinken. Ein allgemeiner Zinsanstieg Postfinance Zinsniveaus hätte ausserdem wohl nur geringe positive Auswirkungen Zürcher Kantonalbank Anstieg des auf die hier dargestellte Bankenauswahl. Raiffeisen Zinsniveaus -1 -0.5 0 0.5 1 Quelle: Offenlegungsberichte der Banken, Credit Suisse Swiss Economics | 4.Q 2019 16
Geldpolitik Höhere Gewinnausschüttung? Die Nationalbank (SNB) dürfte in den nächsten fünf Jahren Erträge von CHF 18 – 20 Mrd. jährlich abwerfen. Der erwartete Verlust im Worst-Case-Szenario würde sich auf rund CHF 75 Mrd. belaufen. Dennoch könnte unseres Erachtens eine Erhöhung der jährlichen Gewinnausschüttung an Bund und Kantone in Betracht gezogen werden. Unsere Prognose Einmal jährlich aktualisiert unser Anlagestrategieteam seine Capital Market Assumptions für die Rendite der (Kapitalmarktannahmen, CMAs) für die nächsten fünf Jahre für eine breite Palette von SNB-Fremd- Finanzanlagen. Wir haben diese Prognosen bereits früher verwendet, um die voraussichtliche währungsreserven Performance der SNB-Währungsreserven zu simulieren. In einem Beitrag vom Juni 2018 (der auf war bisher zutreffend den CMAs von 2017 beruhte) schätzten wir die Rendite der SNB-Fremdwährungsreserven auf 3.9% p.a. Die Abbildung unten links zeigt, dass diese Renditeprognose ziemlich genau zutrifft, und zwar selbst unter Berücksichtigung der Fremdwährungskäufe seitens der SNB in den Jahren 2018 und 2019. Wir veranschlagen Die Aktualisierung der CMAs für 2019 hat mit Blick auf die erwartete Performance der SNB- für die Fremd- Fremdwährungsreserven zwei Implikationen. Erstens dürfte die Rendite mit 2.5% p.a. in den währungsreserven nächsten fünf Jahren tiefer ausfallen. Zweitens ist auch das erwartete Risiko tiefer, wie das im eine Rendite Vergleich zu den Schätzungen des Jahres 2017 engere Konfidenzintervall der prognostizierten von 2.5% jährlich Entwicklung der Fremdwährungsreserven belegt. Auf Basis der aktuellen Höhe der Fremdwährungsreserven ergäbe sich bei einer erwarteten Rendite von 2.5% ein Ertrag von rund CHF 18 – 20 Mrd. jährlich. Gemäss unseren geschätzten Risikoparametern würde zudem im Worst-Case-Szenario ein durchschnittlicher Verlust von 9.6% (Conditional Value-at-Risk, 95%- Konfidenzintervall) oder CHF 75 Mrd. resultieren. SNB könnte Das Eigenkapital der SNB stieg per Ende des 3. Quartals 2019 auf CHF 169.7 Mrd., wovon ihre jährliche gemäss unseren Schätzungen CHF 90.6 Mrd. zur Ausschüttung an Bund und Kantone zur Ausschüttung an Verfügung stehen sollten. Derzeit ist diese Ausschüttung an Bund und Kantone gemäss Bund und Kantone Vereinbarung zwischen der SNB und dem Eidgenössischen Finanzdepartement für die Jahre erhöhen 2016 bis 2020 nach oben bei CHF 2 Mrd. p.a. begrenzt. Bis Ende des nächsten Jahres werden die beiden Parteien die aktuelle Vereinbarung neu aushandeln. Die von uns prognostizierten künftigen Erträge auf den Fremdwährungsreserven legen nahe, dass sich selbst unter Berücksichtigung des Verlustrisikos eine Gelegenheit dazu bieten könnte, die jährliche Ausschüttung an Bund und Kantone zu erhöhen. maxime.botteron@credit-suisse.com Wir danken Vojo Gunevski vom Investment-Management-Team der Credit Suisse für die Zurverfügungstellung der simulierten Renditen und Risikoschätzungen. Prognostizierte Rendite der SNB-Fremdwährungsreserven Reichliche Reserven für künftige Gewinnauschüttungen In CHF Mrd. SNB-Eigenkapital, in CHF Mrd. 1'400 200 Verfügbar zur Ausschüttung Fremdwährungsreserven Basisszenario 2017 Rückstellungen für Währungsreserven und Aktienkapital 1'200 95%-Konfidenzintervall 2017 Eigenkapital Basisszenario 2019 150 1'000 95%-Konfidenzintervall 2019 800 100 600 50 400 0 200 0 -50 2006 2010 2014 2018 2022 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Swiss Economics | 4.Q 2019 17
Geldpolitik I Monitor Geldmarkt Zunahme der besicherten Interbankkredite Täglicher Kreditumfang am CHF-Repomarkt (alle Laufzeiten, gleitender 10-Tages- Durchschnitt, in CHF Mrd.) Die Entscheidung der SNB, den Freibetrag anzuheben, über 70 dem Geschäftsbanken ein Negativzins von 0.75% auf ihren 60 Einlagen bei der SNB belastet wird, hat zu einer Zunahme der täglichen Volumen von Repogeschäften geführt. Bei 50 Letzteren handelt es sich um kurzfristige (bis 12 Monate) 40 besicherte Kreditgeschäfte zwischen Banken. Mit der In- kraftsetzung des neuen Freibetrags bei der SNB am 30 1. November 2019 wurden gewisse Banken gänzlich vom 20 Negativzins ausgenommen. Sie können sich daher nun zu negativen Zinsen von anderen Banken Mittel ausleihen und 10 diese dann zu 0% bei der SNB parkieren. Dieser Aus- 0 gleichsprozess erklärt die Zunahme der Transaktionsvolu- 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 men am Repomarkt. maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: SIX Swiss Exchange, Credit Suisse Banknoten Rückgang der umlaufenden Tausendfrankennoten Zu- bzw. Abnahme der sich im Umlauf befindlichen Banknoten, in % ggü. Vorjahr Die Nachfrage nach Banknoten ist trotz sehr niedriger Zin- CHF 1000 Noten Total 25 sen bemerkenswert schwach geblieben. Insbesondere die Nachfrage nach Tausendfrankennoten ist nun schon seit 20 fast einem Jahr rückläufig und hat mittlerweile so stark nachgegeben wie zuletzt 1990. Die Banknotennachfrage 15 scheint sensibler auf Veränderungen der Zinsen als auf die 10 eigentliche Höhe dieser Zinsen zu reagieren. Die schwache Nachfrage erklärt sich daher möglicherweise mit der Stabili- 5 tät des Leitzinses in der Schweiz. Seit die SNB damit be- gonnen hat, ihre Geldpolitik mittels eines Leitzinsziels umzu- 0 setzen, hat sie dieses tatsächlich nie für derart lange Zeit -5 unverändert belassen: Die letzte Anpassung erfolgte im 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 Januar 2015. maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Devisenmarktinterventionen SNB interveniert seit Oktober nicht mehr am Devisenmarkt In CHF Mrd.; EUR/CHF-Wechselkurs (rechte Skala) Nachdem die SNB im Sommer 2019 erneut Fremdwäh- 20 1.20 rungskäufe getätigt hatte, hat sie gemäss unserer Analyse seit Oktober nicht mehr am Devisenmarkt interveniert. Im 15 1.15 Zuge zunehmender Erwartungen hinsichtlich einer weiteren geldpolitischen Lockerung durch die Europäische Zentral- 10 1.10 bank (EZB) hat der CHF seit Juni gegenüber dem EUR aufgewertet. Tatsächlich senkte die EZB im September 5 1.05 ihren Leitzins und reaktivierte zudem ihr Anleihenkaufpro- gramm. Allerdings reduzierte sie ihren Schlüsselsatz nicht so 0 1.00 stark, wie die Finanzmärkte erwartet hatten, sodass der Devisenmarktinterventionen durch SNB (Schätzungen) Aufwertungsdruck auf den CHF etwas nachliess. Damit EUR/CHF-Wechselkurs (rechte Skala) sinkt letztlich auch die Notwendigkeit von Fremdwährungs- -5 0.95 2015 2016 2017 2018 2019 käufen. maxime.botteron@credit-suisse.com Quelle: Datastream, Schweizerische Nationalbank, Credit Suisse Swiss Economics | 4.Q 2019 18
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