Zukunftsprozess Fessenheim - Großes Zukunftspotential im Herzen Europas

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Zukunftsprozess Fessenheim - Großes Zukunftspotential im Herzen Europas
Zukunftsprozess Fessenheim
                                                  Großes Zukunftspotential im Herzen Europas

                                                                                         Klaus Schüle

         Der nachfolgende Beitrag schildert die Anfänge und Entwicklungsgeschichte des Zukunftspro-
         zesses Fessenheim: von der Phase der Diskussionen um die Abschaltung des ältesten französi-
         schen Kernkraftwerks am Oberrhein hin zu den gemeinsamen französisch-deutschen Überle-
         gungen und Plänen für die Region Fessenheim.                              (Stand: 1.7.2020)

      Die 2012 verkündete Entscheidung von Staats-             sche Seite an der lokalen Begleitgruppe für
      präsident Hollande, mit Fessenheim das äl-               das AKW zu beteiligen. In der CLIS (Com-
      teste Kernkraft werk Frankreichs abzuschal-              mission Locale d’Information et de Surveil-
      ten, das neue französiche Energiegesetz1 und             lance) konnten das Regierungspräsidium und
      die Notwendigkeit, die Region rund um Fes-               das Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald
      senheim nach der Schließung des KKW neu                  von Anfang an mitwirken. Hier ging es um
      aufzustellen: dies sind die Eckpunkte, sie bil-          Sicherheitsfragen rund um das KKW. Die Sit-
      den den großen Rahmen für den Zukunfts-                  zungen der CLIS wurden damit auch ein zen-
      prozess Fessenheim.                                      traler Platz für die Auseinandersetzungen um
         Nun, der Reihe nach. Die Anfänge der Aus-             das Kernkraft werk. Im Gegenzug wurde die
      einandersetzungen um das Kernkraft werk                  französische Seite übrigens auch an den lo-
      Fessenheim begannen mit der Entscheidung                 kalen Begleitgruppen für das KKW Philipps-
      für den Bau der Anlage, die schließlich 1977             burg beteiligt.
      in Betrieb ging. Auf der französischen Seite
      gab und gibt es nach wie vor einen starken
      Rückhalt für den Betrieb von Kernkraft wer-
      ken, auch wenn es immer eine aktive ökologi-
      sche Bewegung im Elsass gab, die der Atom-
      energie kritisch gegenüberstand (und steht).
      Auf der deutschen Seite nahm die Ablehnung
      der »centrale nucleaire« im Laufe der Jahre
      immer mehr zu. Maßgeblich dafür war das
      Erstarken der ökologische Bewegung rechts
      des Rheins, bald parteiübergreifend getragen
      von weiten Bevölkerungskreisen.                                    Blick auf das KKW Fessenheim mit den
        Trotz der Diskussionen war die französi-                             beiden Kühltürmen der inzwischen
      sche Seite immer darum bemüht, die deut-                            abgeschalteten Reaktoren (Foto: EDF)

      388        Klaus Schüle                                                          Badische Heimat 2 / 3, 2020

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Zukunftsprozess Fessenheim - Großes Zukunftspotential im Herzen Europas
Schwieriger Anlauf              bereits Überlegungen angestellt, was in der
                               des Zukunftsprozesses              Region passieren sollte, wenn Fessenheim ab-
                                                                  geschaltet wird. Bereits 2016 gab es auf fran-
             In der ersten Phase des Zukunftsprozesses Fes-       zösischer Seite einen Beauftragten für »Post
             senheim war von allen Beteiligten viel Geduld        Fessenheim«, aber noch fehlte dem Prozess
             gefordert. Zwischen der ersten Ankündigung           die Dynamik und die Unterstützung aus Paris.
             des Präsidentschaftskandidaten Francois Hol-
             lande vom Mai 2012, das KKW bis Ende 2016
             stillzulegen, und der tatsächlichen Stilllegung          Macrons Zusage an die Region
             am 30. Juni 2020 lagen acht herausfordernde
             Jahre. Dazwischen gab es 11 avisierte Termine,          Die Wende brachte schließlich ein Besuch
             die allesamt nicht eingehalten werden konnten.          von Staatspräsident Emmanuel Macron 2017
                Was der Präsident wohl nicht bedacht                  auf dem Hartmannsweiler Kopf. Gemeinsam
             hatte, war zum einen die fehlende gesetzli-              mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
             che Grundlage. Das für die Stilllegung nötige           weihte er dort das neu errichtete Dokumentati-
             Energiewendegesetz »Loi de transistion« kam              onszentrum ein, das Deutschland und Frank-
             schließlich 2015. Unterschätzt hatte Hollande            reich zum 100-jährigen Gedenken an den Ers-
             zum anderen auch den Widerstand der EDF                  ten Weltkrieg gemeinsam konzipiert hatten.
             und deren damaligen Forderung, Fessenheim                   Es gab im Anschluss ein Arbeitstreffen des
             erst abzuschalten, wenn im Gegenzug das ge-              französischen Staatspräsidenten mit den poli-
             plante KKW Flamanville ans Netz gehe. Zu                 tisch Verantwortlichen aus dem Elsass. Zwei
             guter Letzt musste die Europäische Kommis-              Ergebnisse waren wesentlich. Zum Einen ver-
             sion noch das Entschädigungsabkommen des                 sprach Macron der Bevölkerung nach der
             französischen Staates mit der EDF absegnen.              Stilllegung des KKW eine Neuaufstellung der
             Das alles kostete Zeit.                                 Region. Er sprach von einem exemplarischen
                Seit der ersten Ankündigung einer mögli-             Prozess, der als Blaupause dienen solle – auch
             chen Stilllegung wurden im südlichen Elsass              mit Blick auf die geplante Stilllegung von wei-
                                                                                      teren Reaktoren in Frankreich
                                                                                      entsprechend dem französi-
                                                                                      schen Energiewendegesetz.
                                                                                     Zum Zweiten konnte Macron
                                                                                      dafür gewonnen werden, zur
                                                                                     Aufwertung der Region die
                                                                                     Wiederherstellung der Direkt-
                                                                                     verbindung Colmar–Freiburg
                                                                                      zu unterstützen. Insbesondere
                                                                                      das Argument, dass es die ein-
                                                                                      zige Linie zwischen Deutsch-
                                                                                      land und Frankreich ist, die
                   Für die Bahnstrecke von Colmar nach Freiburg soll die im Krieg
                                                                                      seit 1945 nicht wiederherge-
                zerstörte Rheinbrücke zwischen Neuf Brisach und Breisach wieder-      stellt wurde, war für ihn »zug-
               aufgebaut werden. (Foto: Landratsamt Freiburg-Hochschwarzwald)         kräftig«.2

             Badische Heimat 2 / 3, 2020                                          Zukunftsprozess Fessenheim        389

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Zukunftsprozess Fessenheim - Großes Zukunftspotential im Herzen Europas
Es ist schon wirklich bemerkenswert, ja                wurde, nahm dieses Angebot an. Es war auch
      bewegend, dass ausgerechnet auf dem Hart-                ihm ein großes Anliegen, diesen Prozess fran-
      mannsweiler Kopf, 100 Jahre nach dem Ers-                zösisch-deutsch gemeinsam zu entwickeln.3
      ten Weltkrieg, solche verbindenden Zukunfts-                Die Kommunen auf der deutschen Seite
      ideen entwickelt wurden!                                 standen hinter dem Grundansatz des Regie-
                                                               rungspräsidiums Freiburg. Oliver Rein, Bür-
                                                               germeister von Breisach und sein Kollege
            Über Jahrzehnte gewachsenes                        Schuster aus Neuenburg sagten: »Wir haben
            Grundvertrauen entscheidend                        lange gegen das KKW gekämpft, jetzt müs-
                                                               sen wir auch bereit sein, bei der Neuaufstel-
      Sébastien Lecornu, Staatsekretär und enger               lung der französischen Seite zu helfen, wenn
      Vertrauter des Staatspräsidenten, wurde zum              sie das wünscht«.
      politischen Koordinator für die Neuaufstel-                 Und genau so kam es. Deshalb wurde bei
      lung der Region. Mit Elan ging er ans Werk               der ersten großen Sitzung des Lenkungsaus-
      und berief für April 2018 die erste Sitzung              schusses unter Leitung von Sébastien Lecornu
      des Lenkungsausschusses »post Fessenheim«                im April 2018 im großen Saal der Präfektur in
      nach Colmar ein.                                         Colmar die deutschen Seite (Regierungsprä-
         Dass zu dieser Sitzung im April 2018 auch             sidium Freiburg, Landkreis Breisgau-Hoch-
      die deutsche Seite eingeladen wurde, war                 schwarzwald, IHK Südlicher Oberrhein) mit
      keine Selbstverständlichkeit. Hier zahlte sich           eingeladen. Die Sitzung verlief erfolgreich.
      aus, dass über die Jahrzehnte ein Grundver-              Nach der Eröff nung und Einleitung von Se-
      trauen zwischen den Akteuren am Oberrhein                bastien Lecornu wurde das Kooperations-
      gewachsen war.
         Ein besonders gutes Ver-
      trauensverhältnis haben –
      aufbauend u. a. auf den tra-
      ditionell seit den 60er Jahren
      stattfindenden Deutsch-Fran-
      zösischen Behördengesprä-
      chen – Präfekt Laurent Touvet
      und Regierungspräsidentin
      Bärbel Schäfer aufgebaut. Bei
      einem Arbeitsessen im No-
      vember 2017 in Freiburg bot
      die Regierungspräsidentin
      die Unterstützung der deut-
      schen Seite für eine Neuauf-       Erstes Arbeitstreffen zur Gestaltung des Zukunftsprozess Fessenheim
      stellung der Region Fessen-           2018 in Colmar, 1. Reihe v.li.n.re. Brigitte Klinkert, Präsidentin des
      heim an. Präfekt Touvet, der          Départementalrats Haut-Rhin, Jean Rottner, Präsident der Région
                                              Grand Est, Sébastian Cornu, Beauftragter des Staatspräsidenten
      unmittelbar danach für den
                                                für Fessenheim, Gastgeber Laurent Touvet, Präfekt Haut-Rhin,
      Staat zur Koordinierung des                     Bärbel Schäfer, Regierungspräsidentin, Dr. Klaus Schüler,
      Zukunftsprozesses bauft ragt                          Regierungspräsidium Freiburg. (Fotos: RP Freiburg)

      390        Klaus Schüle                                                              Badische Heimat 2 / 3, 2020

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Zukunftsprozess Fessenheim - Großes Zukunftspotential im Herzen Europas
angebot von Regierungspräsidentin Bär- Haushaltsausschuss des Bundestages über-
             bel Schäfer sehr wohlwollend aufgenommen              zeugen, dass dem Bundesverkehrsministe-
             und entspannte die Atmosphäre auch bei de- rium hierfür Geld zur Verfügung gestellt
             nen, die sich auf der französischen Seite im- wird.
             mer noch für einen Weiterbetrieb einsetzten.            Rückenwind für die Strecke Colmar–Frei-
             Dabei war die Anspannung auf der französi- burg und den Zukunftsprozess Fessenheim
             schen Seite spürbar: Wie konkret wird Paris           brachte dann noch die neue Dynamik der
             der Region helfen?                                   Deutsch-Französischen Zusammenarbeit
               Vor allem bezüglich der Direktanbindung             durch die Neuauflage des Elysée-Vertrages
             Colmar–Freiburg verlief die Sitzung sehr gut. im Januar 2019 in Aachen.
             Die Grundlage dafür hatte am Tag zuvor Mi-
             nisterpräsident Winfried Kretschmann gelegt:
             er hatte Staatssekretär Lecornu zugesagt, dass                     Einmaliges historisches
             Baden-Württemberg sich entscheidend an                    Zeitfenster erfolgreich genutzt
             den Kosten für eine Machbarkeitsstudie be-
             teiligen werde. Am Ende der vierstündingen            In engem Austausch mit den Bundestagsabge-
             Sitzung in Colmar war allerdings noch immer           ordneten Andreas Jung und Franziska Brant-
             nicht klar, wie es ganz konkret mit Colmar– ner haben wir vom Regierungspräsidium aus
             Freiburg weitergehen würde. Wer lädt wen ein, dieses einmalige historische Zeitfenster ge-
             wie ist der Zeitplan etc? Das Regierungspräsi- nutzt. Es ist uns gelungen, auch mit Hilfe der
             dium Freiburg machte daher den Vorschlag, Landesregierung unsere Kernforderungen
             sofort eine konkrete Arbeitsgruppe dafür ein- aus dem Oberrhein rund um Fessenheim im
             zusetzen. Sébastien Lecornu nahm den – auch           sog. Aachener Vertrag vom 22. Januar 2019
             von Präsidentin Brigitte Klinkert stark unter- zu verankern: u. a. die Einrichtung eines Aus-
             stützten – Vorschlag umgehend auf und be- sschusses unter Beteiligung der Mitglieder
             auft ragte noch in der Sitzung den anwesen- der Deutsch-Französischen Parlamentarier-
             den Regionalpräfekten Jena-Luc Marx, rasch            gruppe und gleichzeitig eine Prioritätenliste
             einen Lenkungsausschuss (COPIL) einzube- mit ganz konkreten Projekten, darunter der
             rufen und auch die deutsche Seite einzuladen. Zukunftsprozess Fessenheim sowie die Wie-
                Das war der Ursprung für
             eine erfreuliche Entwicklung.
             Denn, nun musste die deut-
             sche Seite Farbe bekennen.
             Dass der Bund am Ende die
             Machbarkeitsstudie bzw. Po-
             tentialstudie (400 000 Euro,
             mit EU-Interreg-Mitteln) un-
             terstützte, ist maßgeblich An-
             dreas Jung, dem Vorsitzen-
             den der Deutsch-Französi-
             schen Parlamentariergruppe,          Erste Visualisierung des geplanten Wirtschafts- und Gewerbeparks.
             zu verdanken. Er konnte den                              (Foto: Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald)

             Badische Heimat 2 / 3, 2020                                         Zukunftsprozess Fessenheim        391

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Zukunftsprozess Fessenheim - Großes Zukunftspotential im Herzen Europas
derherstellung der Schienenverbindung Col-                    Deutsch-Französischer
      mar–Freiburg.                                                     Wirtschafts- und
         Mit dieser Rückendeckung nahm der Zu-                    Innovationspark geplant
      kunftsprozess Fessenheim weiter Fahrt auf,
      indem sich das Staatsministerium Baden-          Staatssekretär Sébastien Lecornu besuchte
      Württemberg nicht nur einschaltete, son-         im April 2018 den Gewerbepark Breisgau. Er
      dern den Prozess auch mit Nachdruck und          war so beeindruckt, das er im Lenkungsaus-
      tatkräft ig unterstützte und Mitverantwor-       schuss sagte, so einen Gewerbepark wolle er
      tung übernahm. Im Februar 2019 – wenige          auch nördlich von Fessenheim haben, aber ei-
      Tage nach Unterzeichnung des Aachener            nen Deutsch-Französischen Wirtschafts- und
      Vertrages – wurde die Absichtserklärung von      Innovationspark.
      Volgelsheim unterzeichnet. Damit wurde              Dies führte in der Folge zur Vorbereitung
      auch die Deutsch-Französische Zusammen-          der Gründung einer Société d’Economie Mixte
      arbeit formell verankert. Hier sind in allge-    (SEM), einer gemischt-wirtschaft lichen Ge-
      meiner Form die Ziele des Zukunftsprozes-        sellschaft, um den Gewerbepark zu managen.
      ses Fessenheim zusammengefasst. Einziger         Eine Satzung für die SEM liegt inzwischen vor.
      Dissenspunkt – so auch im Dokument ver-          Darin ist vorgesehen, dass deutsche Kommu-
      ankert – war und ist die Realisierung eines      nen, darunter Freiburg und Breisach, mitar-
      sog. Technocentre.                               beiten, auch der Landkreis und die IHK sollen
                                                       mit ingesamt 120 000 Euro vertreten sein. Das
                                                       Gründungskapital ist mit 1 Millionen Euro
               Zukunftsprozess Fessenheim              veranschlagt, damit die SEM arbeitsfähig ist.
                     erhält einen Rahmen                  Die konzeptionelle Frage, wie die SEM ge-
                                                       genüber dem Eigentümer agieren kann, ist
      Die Zusammearbeit wurde wie folgt »institu-      noch nicht geklärt. Auch die Frage der Rechts-
      tionalisiert«: Der Gesamtprozess steht unter     form (Expermentierklausel, Aachener Ver-
      Leitung von Staatssekretär Sébastien Lecornu,    trag) ist noch nicht angepackt worden. Hier
      inzwischen hat diese Rolle Staatssekretärin      liegt noch viel Arbeit an.
      Wargon übernommen. Die große Runde der
      Beteiligten trifft sich halbjährlich zu einem
      Lenkunsausschuss in Colmar. Davor bzw. da-                  Leuchtturmprojekte mit
      zwischengeschaltet ist das Bureau Executif, in           europäischer Ausstrahlung
      dem alle Unterzeichner von Volgelsheim ver-
      treten sind. Außerdem gibt es 10 Arbeitsgrup-    Von Beginn an haben wir uns im Regierungs-
      pen, darunter die Abeitsgruppe 8, hier finden    präsdium Gedanken gemacht, inwieweit es
      die Deutsch-Französischen Abstimmungsge-         uns gelingen kann, im Zusammenhang mit
      spräche statt, quasi als Verstärkung und zur     der Neuaufstellung der Region um Fessen-
      Vorbereitung der Sitzungen des Bureau Exe-       heim ein innovatives Leuchtturmprojekt mit
      cutif und des großen Lenkungsausschusses.        Deutsch-Französischer oder gar europäischer
         Im Verlauf des Jahres 2019 und 2020           Ausstrahlung zu realisieren.
      machte der Zukunftsprozess Fessenheim wei-         Unsere Grundidee ist es, auf dem Gelände
      tere Fortschritte:                               des KKW, vor allem aber auf dem Gelände

      392        Klaus Schüle                                                  Badische Heimat 2 / 3, 2020

388_Schuele_Zukunftsprozess Fessenheim.indd 392                                                       27.08.2020 12:10:32
Die Projekte für den F-D- Wirtschafts- und Innovationspark werden in engem Austausch mit dem
                      Universitäten und Hochschulen am Oberrhein (Eucor, TriRhenaTech) und dem Frauenhofer Institut für
                                          solare Energiesysteme (ISE) entwickelt. (Foto: Baschi Bender, Universität Freiburg)

            des Deutsch-Französischen Wirtschafts- und                  weil Ministerin Borne erneut eine Idee der
            Innovationsparks zusätzlich zu Gewerbean-                   EDF, das sog. Technocentre, ins Spiel brachte.
            siedelungen mehrere Innovationsprojekte im                  Nach eigenen französischen Angaben würde
            Rahmen eines Gesamtkozeptes zu realisie-                    es von der notwendigen Genehmigung bis zur
            ren. Vorschläge für diese Projekte entwickeln               Inbetriebnahme 9 Jahre dauern und 150 Ar-
            wir – auch maßgeblich ausgehend von einem                   beitsplätze schaffen. Mit den von EUCOR und
            Workshop unter Leitung von Staatsekretär                    dem Fraunhofer entwickelten Projekte – so
            Ratzmann und einem Staatssekretär aus dem                   unsere Überzeugung – kann man viel schnel-
            Bundesinnenministerium im Dezember 2019                     ler vorankommen und mehr Arbeitsplätze
            – in engem Austausch mit dem Universitäts-                  schaffen.
            verbund EUCOR und dem Frauenhofer-Ins-                         Genau für diese Linie entschied sich vom
            titut für solare Energiesysteme (ISE) sowie der             Grundansatz das Bureau Executif im Juni
            Region Grand Est.                                           2020 und es wird jetzt darauf ankommen,
               Erste Elemente eines Gesamtkonzeptes                     so rasch und konkret wie möglich gemein-
            konnte beim Besuch der französischen Um-                    sam die entscheidenden Zukunftsprojekte
            welt- und Verkehrsministerin Borne in der                   etwa im Bereich des grünen Wasserstoffs
            Region Fessenheim am 21. Februar 2020, also                 und der Batterietechnik zu identifizieren
            einen Tag vor der Stilllegung von Reaktor 1,                und mit Blick auf deren Umsetzung voran-
            präsentiert werden. Das war umso wichtiger,                 zubringen.

             Badische Heimat 2 / 3, 2020                                                 Zukunftsprozess Fessenheim        393

388_Schuele_Zukunftsprozess Fessenheim.indd 393                                                                       27.08.2020 12:10:32
Colmar–Freiburg                                              Anmerkungen
                               kommt gut voran!
                                                       1 Französisches Energiegesetz »Transition éner-
                                                         gétique pour la croissance verte«, das die Natio-
      Was jetzt schon konkret am 29. Juni 2020 – ei-
                                                         nalversammlung in Paris 2015 beschlossen hat.
      nen Tag vor der endgültigen Stilllegung des        Demnach soll der Ausstoß von Treibhausgasen
      KKW – auf den Weg gebracht wurde: die Fi-          deutlich sinken, weniger Energie verbraucht und
      nanzvereinbarung für eine vertiefte Mach-          mehr Strom aus erneuerbaren Quellen produziert
                                                         werden. Der Atomstrom-Anteil am Strommix soll
      barkeitsstudie mit Finanzmitteln in Höhe
                                                         von heute 75 Prozent auf 50 Prozent im Jahr 2025
      von 3, 5 Mio Euro (die Hälfte der Mittel kom-      gesenkt werden. Die Gesamtleistung des Atom-
      men über Interreg von Europa). In zwei Jah-        kraft werkparks soll die aktuell installierte Leis-
      ren werden jetzt die SNCF (Projektträger) und      tung von 63,2 Gigawatt nicht mehr überschreiten.
      die DB Netz auf Grundlage vertiefter Unter-        Neue Leistung darf also nur installiert werden,
                                                         wenn vorhandene Kapazitäten abgeschaltet wer-
      suchungen der deutschen und französischen          den.
      Regierung die Möglichkeit geben, ein ent-        2 Der erste maßgebliche Politiker, der in diesem Zu-
      scheidungsreifes Bauprojekt vorzulegen.            sammenhang die Wiederherstellung der Direkt-
                                                         verbindung Colmar–Freiburg 2015 öffentlich ins
                                                         Spiel brachte, war Eric Straumann (Präsident des
                                                         Conseil Départemental du Haut-Rhin). Er the-
             Zukunftsprozess Fessenheim                  matisierte diese Forderung bei einem Deutsch-
           – ein schwieriger Weg mit viel                Französischen Bürgermeistertreffen in Breisach.
                       Zukunftspotential                 Der Verein TransRhinRail hatte das Projekt schon
                                                         lange gefordert und es gab erste Bemühungen zur
                                                         Wiederherstellung der Direktanbindung in den
      Der Zukunftsprozess Fessenheim ist immer           Jahren 2003/2004.
      noch eher am Beginn seiner Entwicklung,          3 In der Stabstelle für Grenzüberschreitende Zu-
      aber er hat schon ordentlich Fahrt aufgenom-       sammenarbeit des Regierungspräsidiums haben
                                                         wir für den anlaufenden regionalen Entwicklungs-
      men. Die Vision ist, u. a. eine Modellregion
                                                         prozess um Fessenheim versucht, mit dem Begriff
      für erneuerbare Energien, Zukunftsprojekte,        »Zukunftsprozess Fessenheim« (ZP) einen die Ent-
      einen Deutsch-Französischen Innovations-           wicklung auf den Punkt bringenden Begriff zu po-
      park und die Linie Colmar–Freiburg zu rea-         sitionieren. Offenbar ist uns gelungen – er hat sich
                                                         erfreulicherweise allgemeien und bis in den Aa-
      lisieren.
                                                         chener Vertrag hinein durchgesetzt!
         Das wird noch ein schwieriger Weg. Aber
      wenn das Vertrauen zwischen französischen
      und deutschen Partnern anhält, ja noch ver-
      tieft werden kann, dann wird dieser Zu-                               Dr. Klaus Schüle
      kunftsprozess Frankreich und Deutschland                              Regierungspräsidium Freiburg
                                                                            Leiter der Stabsstelle für
      noch mehr zusammenwachsen lassen. Und er
                                                                            grenzüberschreitende
      integriert sich modellhaft in den Green Deal                          Zusammenarbeit u. europäi-
      Europas! Er ist damit auch ein wertvoller Bei-                        sche Angelegenheiten (SGZE)
      trag für ein »Europa von unten« – oder an-                            Kaiser-Joseph-Str. 167
      ders ausgedrückt, wir können zeigen: Europa                           79098 Freiburg i. Breisgau
                                                                            Klaus.schuele@rpf.bwl.de
      macht’s möglich!

      394        Klaus Schüle                                                      Badische Heimat 2 / 3, 2020

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