Zum Fortschrittsbericht der Bundesregierung und zum Bericht der Expertenkommission - Stellungnahme

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BDEW Bundesverband
                           der Energie- und
                           Wasserwirtschaft e.V.
                           Reinhardtstraße 32
                           10117 Berlin

Stellungnahme

zum Fortschrittsbericht
der Bundesregierung
und zum Bericht der
Expertenkommission
Berlin, 26. Februar 2015
Hintergrund
Im Monitoringprozess der Bundesregierung ist vorgesehen, dass Bundeswirtschaftsministeri-
um und Bundesumweltministerium jährlich gemeinsam einen Monitoringbericht erstellen, der
detailliert und kontinuierlich die Entwicklung der Energiewende und der Energiemärkte beob-
achtet. In diesen faktenorientierten Berichten soll der Fortschritt der Energiewende anhand
von Indikatoren bewertet werden. Alle drei Jahre wird ein Fortschrittsbericht verfasst, der die
längerfristige Entwicklung analysiert. Der Monitoringprozess wird durch eine unabhängige
Expertenkommission begleitet.
Der (erste) Fortschrittsbericht (und gleichzeitig dritte Monitoringbericht) wurde am 3. Dezem-
ber 2014 vorgelegt. Gleichzeitig hat die Expertenkommission ihre Stellungnahme zu diesem
Bericht veröffentlicht. Auf diese beiden Berichte bezieht sich die vorliegende Stellungnahme
des BDEW1+2. Der Monitoringprozess ist auf eine öffentliche Mitwirkung angelegt und die
Bundesnetzagentur hat offiziell die Konsultation eröffnet. Mit dieser Stellungnahme gibt der
BDEW Hinweise und Anregungen für den Fortgang des Prozesses.

Politische Bewertung
Der Fortschrittsbericht Energiewende zeigt eindeutig, dass Maßnahmen und Ziele weit ausei-
nanderlaufen und vielfach Bedarf zur Nachjustierung besteht. Es ist bemerkenswert, dass
eine wahrnehmbare politische Debatte über die absehbare Zielverfehlung von wichtigen
energiepolitischen Wegmarken in Deutschland zur Zeit nicht stattfindet.
Die Expertenkommission konstatiert jedoch einen beträchtlichen Handlungsbedarf. Die im
Monitoringbericht aufgezeigte breite Palette der potentiellen Zielverfehlungen muss Konse-
quenzen für die politischen Entscheidungen haben. Es sind Anstrengungen erforderlich, die
nahezu alle Bereiche erfassen. Dies dürfte nicht an einem Mangel an den vorhandenen tech-
nischen Potentialen scheitern. Allerdings sollte der investive Aufwand nicht unterschätzt bzw.
die Investitionsbereitschaft der Betroffenen nicht überschätzt werden. Dabei könnten das
Ausmaß und die Intensität der Handlungsnotwendigkeiten die Problemlösungskapazität der
Regierung sowie auch der Bevölkerung übersteigen. Es ist nicht auszuschließen, dass die
erforderlichen Maßnahmen vielfach keine Akzeptanz finden und so deren Umsetzung behin-
dert oder sogar gänzlich verhindert wird.
Hinzuweisen ist auch auf den vergleichsweise kurzen Zeitraum bis 2020, bis wohin viele
wichtige energiepolitische Ziele der Bundesregierung erreicht werden sollen. Zusätzliche
Maßnahmen werden bis dahin kaum das volle Potential entfalten können. Insbesondere die
Stimulierung größerer Investitionen bedingt meist einen erheblichen Zeitbedarf, insbesondere
wenn dafür erst noch die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden müssen. Besonders
zeitkritisch sind Investitionen zur energetischen Sanierung im Gebäudebestand, sowie in
neue effiziente fossile Kraftwerke, die als Back up Kapazitäten insbesondere nach dem voll-

1
    Der Monitoringbericht und die Stellungnahme der Expertenkommission sind unter der Internetseite der BNetzA abrufbar.
2
 Im vorliegenden Text sind die Fundstellen im Fortschrittsbericht mit „FB“ und in der Stellungnahme der Expertenkommission
mit „EK“ abgekürzt.

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ständigen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland nach dem Jahr 2023 noch benötigt
werden. Dazu kommt, dass klimapolitisch wichtige Ziele (40 Prozent CO2-Reduktion bis 2020)
durch die jetzt schon absehbare Zielverfehlung bei der Kraft-Wärme-Kopplung (25 Prozent
KWK-Anteil bei der Stromerzeugung) gefährdet werden.

1. Allgemeines
Der BDEW hatte schon bei der Verabschiedung des Energiekonzeptes im Herbst 2010 auf
die Dringlichkeit eines begleitenden Monitoring-Prozesses bei der Umsetzung der vielen ver-
schiedenen energiepolitischen Ziele hingewiesen.
Der nun vorliegende Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Energiewende „Die Energie
der Zukunft“ und die begleitende Stellungnahme durch die unabhängige Experten-Kommis-
sion bilden eine wichtige Grundlage, um den Stand der Energiewende zu beurteilen. Es wur-
den einige Kritikpunkte des BDEW zum ersten und zweiten Monitoringbericht berücksichtigt,
bei anderen sieht der BDEW weiter Verbesserungsbedarf.
Die Begleitung des Monitoring-Prozesses durch die unabhängige Expertenkommission wird
vom BDEW begrüßt. Die Expertenkommission ordnet den Fortschrittsbericht wissenschaftlich
ein. Da sie einen anderen Blickwinkel auf das Verfahren des Monitorings und auch auf die
Ziele und Maßnahmen im Zusammenhang mit der Energiewende hat, stellt sie andere Be-
wertungen an als die Bundesregierung und ist in der Lage, weitere kritische Punkte zu identi-
fizieren. Diese Position ist für eine möglichst neutrale und objektive Bewertung der Energie-
wende und ihrer Fortschritte hilfreich.
Der erste Fortschrittsbericht zur Energiewende „Die Energie der Zukunft“ hat im Wesentlichen
drei Aufgaben. Zum einen soll ein faktenbasierter Überblick über den Fortschritt der Energie-
wende geschaffen werden. Weiter soll mit dem Monitoring-Prozess die Erreichung der im
Energiekonzept niedergelegten Ziele überprüft werden und zum dritten soll erstmalig nicht
nur der Stand der Energiewende analysiert werden, sondern auch ein Ausblick auf die kom-
menden Jahre sowie eine entsprechende Prognose gegeben werden.
Der Fortschrittsbericht wird im 3-Jahres-Rhythmus erscheinen, um verlässliche Trends für
eine mögliche weitere Entwicklung der Energiewende erkennbar zu machen. Daher sollen bei
absehbaren Zielverfehlungen auch entsprechende neue Maßnahmen vorgeschlagen werden.
Der BDEW begrüßt dieses Vorgehen, um die Vielzahlen von energiepolitischen Zielen und
Maßnahmen besser überprüfen und strukturieren zu können, um mögliche Fehlentwicklungen
und Ineffizienzen besser aufdecken zu können.

Priorisierung der Ziele zum Umbau der Energieversorgung
Die Bundesregierung hat in ihrem Fortschrittsbericht eine neue Zielarchitektur zum Umbau
der Energieversorgung entwickelt. Die neue Zielarchitektur priorisiert und unternimmt den
Versuch, die Ziele des Energiekonzepts neu zu strukturieren (FB S. 95 ff.). Dabei werden vier
politische Oberziele benannt: Das Ziel des Klimaschutzes – u. a. -40 Prozent Treibhausgas-

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emissionen bis 2020 –, Ausstieg aus der Kernenergie bis 2022 sowie „Wettbewerbsfähigkeit“
und „Versorgungssicherheit“. Während die ersten beiden Ziele quantitative Indikatoren bein-
halten, fehlen diese jedoch für die Ziele „Versorgungssicherheit“ und „Wettbewerbsfähigkeit“.
Es bleibt auch unklar, wie die vier Oberziele im Zusammenhang miteinander stehen und nach
welchen Kriterien ggf. entstehende Interessenskonflikte entschieden werden sollen. Auch
fehlt die Einordnung von Effizienzsteigerungen auf der Umwandlungsebene, z. B. durch
KWK.
Die Kernziele als zentrale Strategien, mit denen die Energiewende vorangebracht werden
soll, umfassen den Ausbau Erneuerbarer Energien sowie die Senkung des Primärenergie-
verbrauchs bzw. die Steigerung der Energieeffizienz. Die beiden politischen Ziele „Versor-
gungssicherheit“ und „Wettbewerbsfähigkeit“ spiegeln sich nicht auf der darunter liegenden
Ebene der Kernziele „Erneuerbare Energien“ und „Energieeffizienz“.
Steuerungsziele für die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr konkretisieren die Kernziele und
sollen durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden. Um die übergeordneten Ziele zu
erreichen, sind dabei die Wege zu wählen, die zu kostengünstigen Lösungen und einer opti-
malen Systemintegration führen. Die neue Zielarchitektur wurde von der Bundesregierung auf
Basis der Empfehlungen der Expertenkommission zu den beiden ersten Monitoringberichten
entwickelt.
Der BDEW unterstützt die neue Zielhierarchisierung zum Umbau der Energieversorgung
ausdrücklich und hat sie lange gefordert. Sie muss Ausgangspunkt einer intensiven Debatte
über die zukünftige Ausrichtung der Energiepolitik in Deutschland werden. Insbesondere un-
terstützt der BDEW, dass die Bundesregierung bei den Maßnahmen zur Energiewende den
Gesichtspunkt der Kosteneffizienz und verstärkt das Ziel „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Ver-
sorgungssicherheit“ berücksichtigen will.
Zu beachten sind aber auch etwaige Querbeziehungen zwischen den Kernzielen. Beim weite-
ren Ausbau der Erneuerbaren Energien wird es in wenigen Jahren bereits temporäre Stro-
merzeugungsüberschüsse geben. Bei gleichzeitiger Verbesserung der Energieeffizienz wird
der Markt, auf dem die Stromüberschüsse verwendet werden können, kleiner. Hier müsste
untersucht werden, welche Lösungskonstruktion volkswirtschaftlich optimal ist.

Viele quantitative Ziele werden nicht erreicht
Der Fortschrittsbericht der Bundesregierung befasst sich auf der Grundlage von Datenmate-
rial aus 2013 und – soweit vorhanden – aktuellen Zahlen aus 2014 mit dem augenblicklichen
Status der Energiewende. Ferner werden zu erwartende Entwicklungen im Zuge der EEG-
Novelle analysiert und Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz beleuchtet. Ein Blick
auf die aufbereiteten Ergebnisse zeigt, dass die Politik weit entfernt von der Realisierung der
einstmals aufgestellten vielfältigen energiepolitischen Ziele ist. Aus heutiger Sicht ist davon
auszugehen, dass von den postulierten Kernzielen nur das Erneuerbare-Energien-Ausbauziel
bis zum Jahr 2020 erreicht wird.

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Die weiteren Ziele – Minderung des Primärenergieverbrauchs um 20 Prozent gegenüber
2008 und Reduktion der Emissionen an Treibhausgasen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990
– sind dagegen nach jetzigem Stand bis 2020 nicht zu erreichen. Der Fortschrittsbericht ver-
weist hier auf die Notwendigkeit zur Durchführung des Nationalen Aktionsplans Energieeffizi-
enz (NAPE) und des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020, die zeitgleich vom Kabinett ver-
abschiedet wurden.
Ebenfalls voraussichtlich bis 2020 nicht erreicht werden u. a. die Steuerungsziele wie die Re-
duzierung des Wärmebedarfs und die Verringerung des Endenergieverbrauchs im Verkehrs-
sektor. Der avisierte jährliche Anstieg der Endenergieproduktivität pro Jahr um 2,1 Prozent
wird nach heutigem Stand voraussichtlich ebenso deutlich verfehlt werden. Es besteht vielfa-
cher Bedarf zur Nachjustierung.

Modellbasierte Analysen und Maßnahmenbewertung
Der BDEW begrüßt die Anmerkungen der Expertenkommission zur Nutzung der modellba-
sierten Analysen im Monitoringprozess. Insbesondere die Forderung nach einem Szenario
ohne weitere Maßnahmen, welches als Baseline-Szenario dienen kann, um den Effekt zu-
sätzlicher Maßnahmen und Instrumente abzuschätzen, wie sie die Szenarienrechnung der
Energiereferenzprognose unterstellt, wird befürwortet (EK Ziffer 61). Dadurch kann der Raum
möglicher Entwicklungspfade besser eingeordnet werden. In diesem Zusammenhang sind
vor allem die von der Expertenkommission benannten Anforderungen an Sensitivitätsanaly-
sen von großer Bedeutung. Weitere Einblicke zu den fachlichen und formalen Anforderungen
an Energieszenarien liefert auch die Analyse der Arbeitsgruppe Szenarien im Rahmen der
Initiative der deutschen Wissenschaftsakademien „Energiesysteme der Zukunft (ESYS)“.
Weitere Forderungen und Vorschläge der Expertenkommission, welche aus Sicht des BDEW
besonders hervorzuheben sind, werden an dieser Stelle kurz angerissen. Bezüglich der Ziel-
erreichung merkt die Expertenkommission zurecht an, dass aus den Szenarien abgeleiteter
Handlungsbedarf oder zielgerichtete Maßnahmen vor allem auf die Ober- oder Kernziele
fokussiert werden sollten, um unnötige und möglicherweise ineffiziente Maßnahmen für die
alleinige Erreichung von Nebenzielen zu vermeiden (EK Ziffer 50). Das soll nicht heißen,
dass keine Maßnahmen für die Erreichung von Nebenzielen ergriffen werden sollen, sie soll-
ten aber unbedingt auf ihre „Zielfähigkeit“ für die Erreichung der Kernziele evaluiert werden.
Daran schließt sich auch richtigerweise die Forderung nach einer evidenzbasierten Maßnah-
menevaluierung an (EK Ziffer 74), um frühzeitig Fehlentwicklungen und Risiken von umge-
setzten Maßnahmen zu erkennen und entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Für die
Evaluation von absehbaren Zielverfehlungen merkt die Expertenkommission richtigerweise
an, dass nicht nur exogene Entwicklungen wie z. B. Preisentwicklungen für Brennstoffe oder
CO2 als Einflussgrößen analysiert werden sollten, sondern auch endogene Entwicklungen,
wie Probleme beim Ausbau der Übertragungsnetze oder Rebound-Effekte zumindest be-
schrieben werden sollten.

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Daher ist der Vorschlag der Expertenkommission, einen wissenschaftlichen Begleitkreis ein-
zurichten, der die Szenarienrechnungen mit den Erstellern diskutiert, aus Sicht des BDEW
durchaus bedenkenswert (EK Ziffer 71).

Datenumfang und -qualität
Sowohl die Bundesregierung als auch die Expertenkommission merken an, dass die energie-
statistische Basis für das Monitoring verbessert werden muss (FB S. 6, EK Ziffer 41). Das
derzeitige Energiestatistikgesetz sollte deshalb an die neuen Anforderungen angepasst wer-
den.
Der BDEW unterstützt diese Forderung. Handlungsbedarf besteht nicht nur aufgrund der
Anforderungen der Monitoring-Berichterstattung, sondern auch durch die Veränderungen der
Energiemärkte und der Marktakteure. Vor diesem Hintergrund setzt sich auch der BDEW für
eine Novellierung des Energiestatistikgesetzes ein. So sollte es künftig einfacher möglich
sein, energierelevante Statistiken einzuführen bzw. an neue Rahmenbedingungen anzupas-
sen. Es muss dabei jedoch im Auge behalten werden, dass die statistischen Berichtspflichten
für die Energieunternehmen nicht ausgedehnt werden. Das neue Energiestatistikgesetz sollte
die Möglichkeit schaffen, Verwaltungsdaten anderer Bundesbehörden zu nutzen, so dass
neue Erhebungen der Statistischen Ämter vermieden werden können. Dringend erforderlich
ist es auch, die bestehenden Erhebungen der Akteure Statistisches Bundesamt, Bundes-
netzagentur, BAFA und anderer aufeinander abzustimmen. Dies würde zu einer spürbaren
Entlastung der auskunftspflichtigen Unternehmen führen. Der BDEW hat hierfür eine Projekt-
gruppe eingerichtet, in der Vertreter der Unternehmen, der Verbände sowie der Behörden
und Ministerien Vorschläge für die Vereinheitlichung von Definitionen und Erhebungszeit-
räumen der Vielzahl von amtlichen und nicht-amtlichen Datenabfragen in der Energiewirt-
schaft erarbeiten.

2. Einzelaspekte
Erneuerbare Energien
Die Politik hat sehr ambitionierte Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Wär-
memarkt definiert. Die bisher getroffenen Maßnahmen hierzu sind bisher – wie im Fort-
schrittsberichtbericht dargestellt - jedoch bei weitem nicht ausreichend, um diese Ziele zu
erreichen. Hier bedarf es einer Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen. Der Wärme-
markt stellt schon heute eine außergewöhnlich große Bandbreite an technisch ausgereiften
und bezahlbaren Lösungsalternativen zur Verfügung, die von der Geräteindustrie, dem
Handwerk und der Energiewirtschaft beim Endkunden angeboten und eingesetzt werden
können.
Bio-Erdgas kann einen wesentlichen Beitrag zum 14 Prozent Erneuerbare Energien Ziel im
Wärmemarkt leisten. Darüber hinaus kann Bio-Erdgas/Biomethan in der bestehenden Gas-
Infrastruktur kostengünstig zwischengespeichert werden.

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Bio-Erdgas/Biomethan sollte daher die Möglichkeit haben, seine Vorteile in alle Nutzungs-
pfade – im Wärmemarkt, in der Stromerzeugung, als Kraftstoff und zur stofflichen Nutzung –
einzubringen. Es sollte in der Gesetzgebung gleichrangig und diskriminierungsfrei mit ande-
ren Erneuerbaren Energien behandelt werden, d. h. Biogas sollte in der Energieeinsparver-
ordnung (EnEV) grundsätzlich als Erneuerbare Energie mit einem entsprechenden Primär-
energiefaktor angesetzt werden. Als Ergänzung wird eine Regelung im Gesetz zur Förderung
Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (EEWärmeG) vorgeschlagen, in der Bio-Erdgas als
Ersatzmaßnahme in effizienten Brennwertkesseln zum Einsatz kommen kann.

Energieverbrauch und Energieeffizienz
Die Identifikation der Energieeffizienz als Säule der Energiewende ist grundsätzlich positiv zu
werten. Die Entwicklung eines Fahrplans für die Umsetzung weiterer Maßnahmen in Form
des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz (NAPE) trägt zur Planungssicherheit für Inves-
toren bei. Voraussetzung hierfür ist aber die rasche Ausgestaltung konkreter Maßnahmen
einschließlich der finanziellen Rahmenbedingungen. Dabei müssen die Maßnahmen so aus-
gestaltet sein, dass weitere zusätzliche Belastungen der Energiekunden über Umlagen oder
Abgaben sowie Störungen der bestehenden Energiedienstleistungsmärkte vermieden wer-
den. Es gilt im Gegenteil weitere Hemmnisse für Energiedienstleistungen zu beseitigen.
Eine rasche Umsetzung in konkrete Maßnahmen verhindert auch Attentismus bei investiti-
onswilligen Energieverbrauchern, insbesondere bei Gebäudebesitzern. Explizit zu nennen ist
hier die Einführung der steuerlichen Förderung von Sanierungsmaßnahmen. Diese muss
schnell und wirksam umgesetzt werden, um die erwarteten Investitionen zeitnah auszulösen.
Wichtig ist auch die diskriminierungsfreie Umsetzung der geplanten Maßnahmen, damit alle
Marktteilnehmer ihren Beitrag zur Umsetzung der Maßnahmen leisten können. Der Fort-
schrittsbericht merkt zu Recht an, dass „eine qualitativ hochwertige Beratung (…) der Schlüs-
sel für eine erfolgreiche Effizienzstrategie“ ist. Dazu müssen Qualitätsstandards für eine
hochwertige Beratung definiert werden, die diese Qualität unabhängig vom Arbeitgeber des
Beraters sicher stellen.
Die Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie erfolgt weitgehend mit marktwirtschaftlichen
Instrumenten. Die Nutzung der Rolle der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand durch entspre-
chende, zum Teil bereits bestehende Regelungen für öffentliche Beschaffung (FB S. 106)
und Sanierung bzw. Neubau öffentlicher Gebäude ist in diesem Zusammenhang ausdrücklich
zu begrüßen und kann zu einer weiteren Belebung der Märkte für Effizienztechnologien füh-
ren.
Kritisch ist die verspätete Umsetzung des Artikels 8 der Effizienzrichtlinie zu werten. Durch
die Umsetzung der Auditpflicht für große Unternehmen im Rahmen der Novelle des Energie-
dienstleistungsgesetzes erst Anfang 2015 wird es in der Einführungsphase der Verpflichtung
voraussichtlich zu Engpässen beim Angebot von Energieaudits kommen, so dass nicht alle
Unternehmen ihrer Verpflichtung zur Durchführung eines Energieaudits zum 5. Dezember
2015 nachkommen können. Dies ist bei der Überprüfung der Umsetzung der Verpflichtung zu
berücksichtigen.

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Aus Sicht der Energie- und Wasserwirtschaft ist auch die hier nicht sachgerechte Anwendung
der KMU-Definition der EU zu kritisieren, nach der auch kleine Unternehmen mit einer kom-
munalen Eigentümerstruktur zu Energieaudits verpflichtet werden. Dieser Verpflichtung ste-
hen bei kleineren Unternehmen nur geringe Einsparpotentiale gegenüber, so dass es auch
bei Umsetzung der im Rahmen des Audits identifizierten Einsparoptionen zu einer zusätzli-
chen Kostenbelastung für diese Unternehmen kommt.
Auch bei der Neuregelung des Spitzenausgleichs wurde die KMU-Definition der EU nicht
sachgerecht angewendet. Auch hier müssen Unternehmen der Energie- und Wasserwirt-
schaft, die nach ihrer Größe (Mitarbeiterzahl, Umsatz/Bilanzsumme) eigentlich KMU wären,
aufgrund ihrer Beteiligungsstruktur die höheren Anforderungen (Einführung eines Energie-
managements) für große Unternehmen (größer als KMU) erfüllen.
Bei den weiteren Maßnahmen, die der Stärkung des Marktes für Energiedienstleistungen, der
Förderung von Investitionen in Effizienztechnologien oder auch der Verbesserung des Bera-
tungsangebotes für Energiekunden dienen, ist bei der Umsetzung darauf zu achten, dass
einerseits die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, andererseits die notwen-
dige Verbreiterung des Beratungsangebotes nicht zulasten der Qualität der Beratung geht.
Die Entwicklung unabhängiger, diskriminierungsfreier Regelungen für die Qualifikation der
Beratungskräfte und den Ablauf und die Ergebnisdarstellung des Beratungsprozesses muss
zügig erfolgen. Damit kann sich ein breites Angebot an qualifizierter Energieberatung entwi-
ckeln. Basis hierfür können die entsprechenden Regelungen in bestehenden Normen und
Regelungen sein, z. B. in der DIN EN 16247 Teil 1 Energieaudits oder in der Energieeinspar-
verordnung.

Energetische Gebäudesanierung und energieeffizientes Bauen
Zu Recht erkennt die Bundesregierung die herausragende Rolle des Gebäudesektors bei der
Energiewende an. Nachdem lange der Stromsektor und hier der Ausbau der Nutzung erneu-
erbarer Energieträger zur Stromerzeugung im Mittelpunkt der Diskussionen stand, werden im
Fortschrittsbericht nun Maßnahmen zur Effizienzsteigerung im Gebäudesektor thematisiert, in
dem Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen einen deutlichen Beitrag zur Senkung
des Gesamtenergieverbrauchs leisten können.
Auch hier setzt die Bundesregierung in erster Linie auf finanzielle Anreize und beschränkt
verpflichtende Regelungen auf Maßnahmen unter der Maßgabe der Wirtschaftlichkeit. Dieser
Weg hat sich in der Vergangenheit bewährt und stellt eine hohe Akzeptanz der Maßnahmen
bei Gebäudebesitzern und Gebäudenutzern sicher. Hervorzuheben ist insbesondere die hohe
Effizienz der eingesetzten Fördermittel, die jeweils ein Vielfaches an Investitionen auslösen.
Ein Beispiel für die kontinuierliche Weiterentwicklung des Rechtsrahmens stellt die EnEV dar,
die mit ihrer verschärften Rahmensetzung insbesondere für den Neubau der technischen
Entwicklung Rechnung trägt, dabei das Gebot der Wirtschaftlichkeit der vorgegebenen Min-
deststandards aber konsequent berücksichtigt. Nach wie vor unberücksichtigt bleiben aller-
dings neue Technologien wie Brennstoffzellen und Mikro-KWK. Dies muss bei der nächsten
Novelle der EnEV korrigiert werden.

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Auch die angeführten Förderprogramme haben in der Vergangenheit einen deutlichen Beitrag
zur Effizienzsteigerung im Gebäudebestand geleistet. Zu Recht führt der Fortschrittsbericht
allerdings den aufgrund unterschiedlicher Mittelausstattung schwankenden Beitrag der För-
derprogramme zur CO2-Einsparung an. Durch eine Verstetigung der Mittelausstattung, wie
sie unter anderem im NAPE angekündigt wurde, kann dieser Beitrag stabilisiert werden.
Auch die Bedeutung der geförderten Energieberatung für die Suche nach den jeweils optima-
len Maßnahmen wird im Fortschrittsbericht hervorgehoben. Dabei existiert am Markt ein
erhebliches Potential an zusätzlichen Beraterkapazitäten, das durch nicht sachgerechte Ein-
schränkungen bei der Zulassung von qualifizierten Energieberatern ausgeschlossen wird.
Wie bereits zum Kapitel „Energieverbrauch und Energieeffizienz“ ausgeführt, wird hier „Un-
abhängigkeit“ über den Arbeitgeber des Beraters definiert. Das ist hinsichtlich Ergebnis und
Qualität der Beratung nicht sachgerecht. Wesentlich klarer und eindeutiger sind Anforderun-
gen an die fachliche Befähigung des Beraters und die Qualität der Beratung. Mit der derzeiti-
gen Definition bleibt das Beratungsangebot für Investoren deutlich hinter den Möglichkeiten
des Marktes zurück und schränkt die Auswahl für den potenziellen Investor unnötig ein.
Ebenfalls kritisch ist die Einschätzung der Auswirkungen des seit der Novelle des Mietrechts
festgelegten Rahmens für die Umstellung auf gewerbliche Wärmelieferung (Contracting,
Fernwärme) zu sehen. Zwar sind Regelungen für diese Umstellung getroffen, sie diskriminie-
ren aber den Contractor bzw. den Fernwärmeanbieter gegenüber einer Umsetzung durch den
Gebäudebesitzer. Die Umstellung auf gewerbliche Wärmelieferung muss für den Mieter
warmmietenneutral erfolgen, bei einer Investition durch den Gebäudebesitzer besteht diese
Anforderung nicht.
Anders als im Fortschrittsbericht ausgeführt, stärkt diese Regelung das Contracting als wich-
tiges Instrument zur Verbesserung der Energieeffizienz nicht, sondern hat im Gegenteil zu
einem erheblichen Rückgang der Contractingprojekte geführt. Insbesondere in Verbindung
mit einer Nutzungspflicht für erneuerbare Energieträger zur Wärmeversorgung eines Be-
standsgebäudes, wie sie in Baden-Württemberg besteht, ist eine warmmietenneutrale Um-
stellung auf gewerbliche Wärmelieferung nicht möglich. Hier erwartet der BDEW eine Anpas-
sung der Regelungen insbesondere der Wärmelieferverordnung, die zu einer Gleichstellung
von gewerblicher Wärmelieferung und der Eigenumsetzung durch den Gebäudebesitzer führt.
Dies ist auch bei der angekündigten Weiterentwicklung des EEWärmeG zu berücksichtigen.
Die Politik hat sehr ambitionierte Ziele für den Wärmemarkt definiert. Die bisher getroffenen
Maßnahmen hierzu sind bisher jedoch nicht ausreichend, um diese Ziele zu erreichen. In
Anbetracht der relativ kurzen Zeit bis 2020 wird die schnelle Schaffung der erforderlichen
Rahmenbedingungen entscheidend für den Beitrag des Wärmemarktes zur Erreichung der
Klimaschutzziele sein.
Das Heben der im Wärmemarkt vorhandenen Potentiale bedarf klarer politischer Rahmen-
bedingungen, die möglichst kurzfristig geschaffen werden müssen. So sind strukturierte und
klare Ziele zu definieren, Hemmnisse zu beseitigen, Informationsdefizite abzubauen sowie
die Förderung zu verstetigen und auszubauen.

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Der BDEW begrüßt ausdrücklich, dass die Bundesregierung das CO2-Senkungspotential des
Wärmemarktes erkannt hat. Dabei ist die Modernisierung des Heizungsbestandes der
Schlüssel zum Umbau des Wärmemarktes. Den etwa einer Viertel Million neugebauten Woh-
nungen im Jahr steht ein Bestand von 18,9 Millionen Wohngebäuden mit rund 20,5 Millionen
Wärmeerzeugern gegenüber. Die Heizungsanlagen in Deutschland sind im Durchschnitt
17,6 Jahre alt. Die Hälfte dieser Heizungen wurde vor dem Jahr 2000, 36 Prozent aller Hei-
zungsanlagen wurden sogar vor dem Jahr 1995 eingebaut und sind damit älter als zwanzig
Jahre. Ein Großteil der Heizungsanlagen im Gebäudebestand ist somit nicht auf dem Stand
der Technik.
Eine breite Palette von innovativen Heizungstechnologien auf Basis unterschiedlicher Ener-
gieträger sowie vielfältige Einbindungsmöglichkeiten von Erneuerbaren Energien stehen heu-
te schon zur Verfügung. Mit dem Austausch veralteter Technik durch moderne effiziente
Geräte (Gas-Brennwerttechnik, Strom- und Gaswärmepumpen, gasbetriebene Mini-/Mikro-
KWK etc.) bzw. dem Anschluss an effiziente Wärmeversorgungssysteme (Nah-/Fernwärme)
kann ein bezahlbarer Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele im Wärmemarkt geleistet
werden.
Der BDEW begrüßt, dass der Fortschrittsbericht mit dem technologieoffenen Ansatz der Defi-
nition des Primärenergiebedarfs den Gebäudeeigentümer die Wahl überlässt, wie die ord-
nungsrechtlichen Vorgaben umgesetzt werden, d. h. entweder durch eine Verbesserung der
Gebäudehülle oder andere energieeffizienzerhöhende Maßnahmen (FB S. 36). Die Rahmen-
bedingungen sind darüber hinaus energieträgerneutral zu gestalten. Die Rahmenbedingun-
gen müssen schnell umsetzbare, wirkungsvolle und bezahlbare Maßnahmen zur CO2-Reduk-
tion stärken. Nur so können der Wettbewerb um die kosteneffizienteste Lösung ermöglicht
und die Wahlfreiheit gewährleistet werden. Technologieoffenheit und Energieträgerneutralität
sind nicht nur die Voraussetzungen für Kosteneffizienz, sie bewahren auch Optionen für die
Innovationen von morgen und übermorgen. Daher muss die Definition von langfristig verläss-
lichen Zielvorgaben Vorrang vor der Festlegung von Einzelmaßnahmen und Technologien
haben.
Der BDEW begrüßt die Erarbeitung eines Indikators für Sanierungsintensität (FB S. 37).
Einen Königsweg zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Wärmemarkt gibt es nicht. Her-
ausforderungen ergeben sich unter anderem durch die bestehende Eigentümerstruktur
(83 Prozent der Wohngebäude sind Ein- und Zweifamilienhäuser) und das Verhältnis zwi-
schen Mietern und Vermietern: 50 Prozent der Bevölkerung leben in Mietverhältnissen. Vor
Beginn von Sanierungsmaßnahmen ist immer die Gesamtsituation zu betrachten: Für den
Hauseigentümer sind sowohl der Zustand der Gebäudehülle und der Heizungsanlage als
auch die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit wesentliche Entscheidungsfaktoren. Zur Erhö-
hung der Sanierungsquote ist die Akzeptanz und Beteiligung aller Akteure erforderlich.
Alle Maßnahmen müssen sich an ihrem Beitrag zur Erreichung der Ziele der Energiewende
während ihrer Nutzungsdauer in Verbindung mit den dafür erforderlichen Kosten messen
lassen. CO2-Vermeidungkosten bieten hierfür einen geeigneten Maßstab.
Wird bei der Gebäudesanierung nahezu ausschließlich auf die Dämmung und Modernisie-
rung der Gebäudehülle gesetzt, während alternative Möglichkeiten ausgeblendet werden,

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obwohl sie bei gleicher Zielerreichung kostengünstiger sein können, läuft man Gefahr die
gesetzten Ziele zu verfehlen. Der Einsatz effizienter Heizungstechnologien trägt schnell und
mit überschaubarer finanzieller Belastung und kurzen Amortisationszeiten zum Klimaschutz
bei. Erdgas stellt mit seinen vielfältigen und effizienten Anwendungen wesentliche Lösungen
zur weiteren Integration der Erneuerbaren in die Wärme- und dezentrale Energieversorgung
dar und dient der Hebung von zusätzlichen Effizienzpotentialen. Damit bietet Erdgas zu ver-
gleichsweise niedrigen CO2-Vermeidungskosten bezahlbaren, sozialverträglichen und schnel-
len Klimaschutz und sollte in der Gesetzgebung gleichrangig mit anderen Energieträgern be-
handelt werden.

Verkehr
Für die Erreichung der im Fortschrittsbericht genannten CO2-Reduktionsziele im Verkehrs-
sektor sind aus Sicht des BDEW noch Nachbesserungen bei den Rahmenbedingungen er-
forderlich. So sollen Emissionsminderungen durch Diversifizierung von Antrieben und Kraft-
stoffen erreicht werden. Erdgasfahrzeuge stoßen rund 25 Prozent weniger CO2 als Benzin-
fahrzeuge und etwa 90 Prozent weniger Stickoxide als Dieselfahrzeuge sowie nahezu keinen
Feinstaub aus. Somit sollten klimaschonende Erdgasfahrzeuge neben Elektroautos in den
Beschaffungsprogrammen des Bundes berücksichtigt werden.
Fahrzeuge, die alternative Kraftstoffe nutzen, können sich aber nur dann durchsetzen, wenn
die dafür notwendigen Kraftstoffe verfügbar sind und eine einheitliche, gut ausgebaute, inter-
operable Infrastruktur vorhanden ist. Die Energiebranche betreibt bereits heute rund 920 Erd-
gastankstellen in Deutschland und investiert im Vertrauen auf die politischen Zusagen in den
weiteren Ausbau des Erdgastankstellennetzes sowie die Instandhaltung der vorhandenen
Infrastruktur. Durch die seit langem erwartete, aber noch nicht erfolgte Umsetzung der Ver-
längerung der Energiesteuerermäßigung für Erdgas als Kraftstoff ist eine Investitionszurück-
haltung bereits erkennbar. Für zukünftige Investitionsentscheidungen zugunsten des Erdgas-
tankstellenneubaus ist ein weiterer Zuwachs bei den Neuzulassungen von Erdgasfahrzeugen
notwendig. Eine rasche Umsetzung der Verlängerung der Steuerermäßigung wäre ein wichti-
ges Signal – einerseits für die Verbraucher und (potentielle) Fahrer von Erdgasfahrzeugen,
aber auch für die deutsche Industrie und den Ausbau sowie Weiterbetrieb von Erdgastank-
stellen. Ohne eine entsprechende leistungsfähige Tankstelleninfrastruktur für alternative
Kraftstoffe wird Deutschland die Vorgaben für eine nationale Umsetzung der „Clean Power
for Transport-Richtlinie“ nicht realisieren können.
Der BDEW begrüßt das Ziel der Bundesregierung, Deutschland in den nächsten Jahren zum
Leitanbieter und Leitmarkt für Elektromobilität zu entwickeln. Die Kfz-Steuerbefreiung für
Elektrofahrzeuge und eine geplante Sonder-AfA für gewerblich genutzte Elektrofahrzeuge
sind wichtige Maßnahmen für die weitere Verbreitung von Fahrzeugen mit elektrischen
Antrieben. Jedoch ist auch der weitere Ausbau öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur ein
entscheidender Faktor für den Erfolg von Elektromobilität in Deutschland. Die Energiebran-
che ist beim Aufbau der Ladesäulen bereits erheblich in Vorleistung gegangen und betreibt
heute rund 4.800 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Um das Ziel von 1 Million Elektrofahr-
zeugen zu erreichen, bedarf es nach Ergebnissen einer BDEW-Studie eines weiteren Aus-

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baus von rund 70.000 öffentlich zugänglichen AC-Ladepunkten sowie 7000 Schnellladepunk-
ten bis zum Jahr 2020. Der Investitionsbedarf hierfür liegt in den kommenden fünf Jahren bei
etwa 110 Millionen Euro jährlich. Heute und voraussichtlich auch bis zum Jahr 2020 ist ein
wirtschaftlicher Betrieb der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur nicht zu erwarten, so
dass eine zeitlich befristete Anschubfinanzierung für den Aufbau dieser Ladepunkte erforder-
lich sein wird. Aus Sicht des BDEW empfiehlt sich hierfür eine Kofinanzierung durch ein part-
nerschaftliches Programm von Privatwirtschaft und öffentlicher Hand.

Treibhausgasemissionen
Zur Entwicklung der energiebedingten CO2-Emissionen der Stromerzeugung führt der Fort-
schrittsbericht aus, dass die Emissionen seit dem Jahr 2012 um insgesamt 12 Mio. t CO2 auf
voraussichtlich 317 Mio. t CO2 im Jahr 2013 angestiegen seien. Dieser Anstieg sei u. a. „auf
den vermehrten Einsatz von fossilen Energieträgern, insbesondere von Steinkohle zur Strom-
erzeugung in Deutschland zurückzuführen“ (FB S. 46).
Nach Auffassung des BDEW stellt diese Erklärung der Emissionsentwicklung nur eine stark
verkürzte Sichtweise dar, die der komplexen Veränderung der politischen und wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen für die Stromerzeugung im Lichte von Kernenergieausstieg, Erneuerba-
re-Energien-Ausbau und Emissionszertifikatehandel über den Betrachtungszeitraum nicht
gerecht wird. Für eine Beurteilung der Emissionsentwicklung ist insbesondere das ab April
2011 wirkende Moratorium für ältere Kernkraftwerke und die Folgewirkungen der anschlie-
ßenden Änderung des Atomgesetzes auf die Struktur der Stromerzeugung zu berücksichti-
gen. Die Erzeugung aus Steinkohlekraftwerken hat in 2013 gegenüber dem Jahr 2010 bei
nahezu gleicher Gesamtstromerzeugung um gerade einmal 5 TWh zugelegt (entsprechend
ca. 4 Mio. t CO2), während über den gleichen Zeitraum die Stromerzeugung aus Braunkohle
um 15 TWh zunahm und die Erzeugung aus Gaskraftwerken sich um 22 TWh und aus Kern-
kraftwerken um 41 TWh verminderte.
Die in den letzten beiden Jahren beobachtete Entwicklung der CO2-Emissionen der Stromer-
zeugung lässt sich nicht über ein einfaches Verdrängen von Erdgas durch Kohle aufgrund
brennstoff- und CO2-preisgetriebener Faktoren erklären, sondern spiegelt die komplexe
Umwälzung der „Merit order“ der Stromerzeugung in Folge von Kernenergieausstieg und
beschleunigtem Zubau von Erneuerbaren Energien vor dem Hintergrund einer jederzeitigen
Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit wider. Es ist davon auszugehen, dass durch
den Wegfall von Stromerzeugung aus Kernkraft im Jahr 2013 bis auf wenige besonders
windstarke oder lastschwache Stunden so gut wie keine Verdrängung von Grundlaststrom
aus Braunkohle durch fluktuierend einspeisende Erneuerbare Energien mehr stattgefunden
hat. Der von der Politik beschlossene Wegfall von ca. 41 TWh Grundlaststrom aus Kernener-
gie ist offensichtlich vornehmlich über eine Mehrerzeugung aus grundlastfähiger Braunkohle,
Steinkohle und Biomasse kompensiert worden, während der Ausbau von Windkraft und ins-
besondere auch Photovoltaik zu einer Verdrängung von steinkohle- und erdgasbasierter
Erzeugung in der Mittel- und Spitzenlast über den Tagesgang geführt hat.

                                                                                   Seite 12 von 26
In der Stellungnahme der Expertenkommission wird in diesem Zusammenhang zurecht an-
gemerkt, dass „der Fortschrittsbericht auf einige für die Energiewende nachteilige exogene
Entwicklungen hin[weist] (Kohlepreise, CO2-Preise etc.), nicht aber darauf, dass auch endo-
gene Entwicklungen (z. B. Rebound-Effekte, Rückstand beim Übertragungsnetzausbau, Aus-
wirkungen des Kernenergieausstiegs etc.) für die erkennbaren Zielverfehlungen verantwort-
lich sein dürften“ (EK S. Z-7) und dass „wegen des beschleunigten Kernenergieausstiegs im
Jahr 2022 im Jahr 2020 zusätzlich (gegenüber der 2010 beschlossenen Laufzeitverlänge-
rung) etwa 40 – 50 Mio. t CO2 ausgestoßen werden und entsprechend zu kompensieren
wären“ (EK Ziffer 20).
In Ergänzung zur Entwicklung der absoluten Emissionen wird im Fortschrittsbericht darge-
stellt, dass der „Emissionsfaktor für den deutschen Strommix“ in den letzten Jahren leicht
angestiegen sei (FB S. 46). Nach gängiger Definition des Umweltbundesamtes (UBA) leitet
sich dieser Emissionsfaktor aus der Bezugnahme der absoluten CO2-Emissionen auf den
Bruttostromverbrauch3 ab. Aus den zitierten Berechnungen des UBA4 geht hervor, dass der
CO2-Emissionsfaktor bei Berücksichtigung der statistischen Messungenauigkeit (mit Aus-
nahme des Jahres 2010) seit 2009 im Wesentlichen konstant geblieben ist (Bandbreite von
558 bis 562 g CO2/kWh).
Die Aussage der Rückläufigkeit bezieht sich offensichtlich nicht auf den vielzitierten und seit
vielen Jahren angewendeten Indikator „Emissionsfaktor für den deutschen Strommix“, son-
dern auf den eher ungebräuchlichen „Emissionsfaktor bezogen auf den Strominlandsver-
brauch“5. Richtig ist, dass der „Emissionsfaktor bezogen auf den Strominlandsverbrauch“ den
Berechnungen des UBA zufolge in den letzten Jahren in der Tendenz leicht gestiegen ist und
in 2013 in etwa das Niveau des Jahres 2008 wieder erreicht hat. Für den Europäischen Bin-
nenmarkt ist dieser Indikator allerdings weitgehend bedeutungslos, da er nicht berücksichtigt,
dass der Stromexportsaldo zu einer zusätzlichen Emissionsminderung in den Abnehmerlän-
dern führt (im Umkehrschluss würde ein Stromimportüberschuss die spezifischen Emissionen
des Strominlandverbrauches senken). Eine rein nationale Fokussierung auf Gesamtemissio-
nen und Inlandsverbrauch ohne Berücksichtigung der Einbindung des deutschen Strommark-
tes in den europäischen Binnenmarkt ist aus Sicht des BDEW nicht zuletzt auch vor dem Hin-
tergrund des europäischen Emissionszertifikatehandels sachfremd.
Der Fortschrittsbericht beziffert die durch den Ausbau Erneuerbarer Energien bis zum Jahr
2013 erreichte CO2-Minderung in der Stromerzeugung auf 105,4 Mio. t CO2-Äqivalente. Diese
Emissionsreduktion spiegele sich laut Fortschrittsbericht „nicht vollständig in der Treibhaus-
gas-Bilanz des Kraftwerkssektors wider, da sich weitere wesentliche Einflussfaktoren gegen-
läufig entwickelt haben – insbesondere die Entwicklung des inländischen Stromverbrauchs,
zunehmende Außenhandelsüberschüsse und ein Brennstoff- und CO2-preisgetriebener An-
stieg der Kohleverstromung zulasten von Erdgas in den letzten Jahren“ (FB S. 48).

3
    (Brutto)Stromverbrauch = Bruttostromerzeugung – Kraftwerkseigenverbrauch – Pumpstrom – Leitungsverluste
4
    UBA 23/2014: Entwicklung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen des deutschen Strommix in den Jahren 1990 bis 2013.
5
  (Netto)Stromverbrauch inklusive Stromhandelssaldo = Bruttostromerzeugung – Kraftwerkseigenverbrauch-Pumpstrom – Lei-
tungsverluste + Stromeinfuhr – Stromausfuhr

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Wie bereits zur Entwicklung der CO2-Emissionen der Stromerzeugung in analoger Weise
ausgeführt, ist der Hauptgrund für das Auseinanderfallen der Entwicklung von durch Ausbau
der Erneuerbaren Energien vermiedenen Emissionen und der CO2-Emissionsentwicklung in
den Jahren 2011 bis 2013 der von der Politik beschlossene „Wiedereinstieg“ in den Kern-
energieausstieg. Die große Diskrepanz zwischen berechnetem Emissionsminderungsbeitrag
des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und tatsächlich beobachteter Emissionsentwicklung
ist nämlich vor allem darauf zurückzuführen, dass die Methodik des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) zur Bestimmung der durch Erneu-
erbare Energien vermiedenen Emissionen vereinbarungsgemäß keine Substitution von Kern-
energie vorsieht. Die durch den Ausbau Erneuerbarer Energien vermiedenen Emissionen
werden zwangsläufig durch die Mehremissionen des Kernenergieausstiegs zu weiten Teilen
kompensiert.
Der Fortschrittsbericht erwähnt an dieser Stelle auch die Emissionen aus Abfall und Abwas-
ser. Energieeffizienz ist in der Abwasserbeseitigung eines der wichtigsten Themen und wird
von der Branche intensiv erforscht sowie durch verschiedene Maßnahmen verwirklicht.
Weitere Energieeinsparungen und die Nutzung von Erneuerbaren Energien in Abwasser-
beseitigungsanlagen sind möglich und werden zunehmend praktiziert. Kosten-Nutzen-Rech-
nungen müssen hierbei die Grundlage für weitere Maßnahmen sein – andernfalls sind Ge-
bührensteigerungen unumgänglich.
Hinzuweisen ist auf den Widerspruch der Kürzungen von EEG-Förderungen für die Klärgas-
verwertung und den weiteren Optionen zur Energieeinsparung, insbesondere zur Nutzung
von Faulgas etc. Gerade die Deckelung von 30 Prozent Effizienzsteigerung für den Umbau
von Altanlagen ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.
Hinsichtlich einer möglichen Einführung von verpflichtenden Energiechecks und -analysen
sollte der bürokratische Aufwand so gering wie möglich sein. Sinnvoll wäre es, bestehende
Berichtssysteme wie Benchmarking etc. zu nutzen und keine neuen Kennzahlen einzuführen.
Eine etwaige Förderung von Effizienzsteigerungen ist nicht an die Durchführung von Energie-
audits oder Energieanalysen für KWK-Anlagen zu knüpfen.

Strommarkt und Versorgungssicherheit
Der Fortschrittsbericht beschreibt auf einem hohen Abstraktionsniveau zutreffend die Heraus-
forderungen für die zukünftige Ausgestaltung der Versorgungssicherheit (FB S. 129 f.). Die
hieraus abgeleitete Grundsatzentscheidung zwischen zwei verschiedenen Lösungsansätzen
gibt jedoch die aktuelle Diskussion nicht richtig wieder.
Der Fortschrittsbericht sieht eine Entscheidung zwischen einem optimierten „Strommarkt 2.0“
einerseits und einem durch einen Kapazitätsmarkt ergänzten Strommarkt andererseits als
erforderlich an.
Tatsächlich ist das fast einhellige Diskussionsergebnis jedoch, dass eine Ertüchtigung des
Strommarkts mit Hilfe der im Bericht genannten Maßnahmen in jedem Fall erforderlich ist.
Wirklich zu klären ist dagegen die Frage, ob die unter dem Titel „Strommarkt 2.0“ zusam-

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mengefassten Maßnahmen mittel- und langfristig ein ausreichendes Maß an Versorgungssi-
cherheit gewährleisten. Hieran erscheinen dem BDEW deutliche Zweifel angebracht.
Zustimmung verdient die Aussage, dass eine rein nationale Sicht auf Versorgungssicherheit
mit dem Konzept eines europäischen Strommarktes nicht vereinbar ist (FB S. 132). Auch
stellen die im regionalen „Pentalateralen Energieforum“ zusammengefassten Staaten auf-
grund ihrer hohen Vermaschung einen guten Bezugsrahmen dar. Allerdings sollte sich die
Bundesregierung nicht zu sehr in Sicherheit wiegen: Die u. a. auch Italien einbeziehenden
Berechnungen des BMWi überschätzen die tatsächliche Versorgungsituation sehr deutlich,
weil sie die Restriktionen der Grenzkuppelleitungen außer Acht lassen.
Der Fortschrittsbericht erwähnt mit keinem Wort, dass der Aufwuchs der Netzreserve (FB
S. 132) dazu führt, dass in Süddeutschland der Markt immer stärker zugunsten staatlicher
Eingriffe zurückgedrängt wird. Hier hat die Bundesregierung noch kein tragfähiges Konzept
zur Rückkehr zum liberalisierten Strommarkt vorgelegt.
Die Expertenkommission schildert im Zusammenhang mit dem Grünbuch des BMWi die seit
2012 geltende Regelung zur Weiterentwicklung des Ausgleichsenergiepreis-Abrechnungs-
systems (EK Ziffer 276 f.). Allerdings stellt sich die Frage, ob eine grundsätzlich auch aus
Sicht des BDEW wünschenswerte weitere Schärfung der Bilanzkreispflicht zur Gewährleis-
tung der Versorgungssicherheit ausreicht. Die Feststellung „Mit dieser Festlegung sind natür-
lich auch die Überlegungen zur Weiterentwicklung des Strommarkts vorgezeichnet“ sugge-
riert daher eine Sicherheit, die eben nicht besteht. Der Schluss der Expertenkommission ist
daher leichtfertig.

Kraft-Wärme-Kopplung
Das KWK-Ziel (Anteil von 25 Prozent KWK-Strom an der Nettostromerzeugung bis 2020) wird
laut Fortschrittsbericht nicht erreicht. Trotz des hohen Ausbaupotentials von 170 TWh
(betriebswirtschaftlich) bzw. 240 TWh (volkswirtschaftlich) und der Anpassungsfähigkeit der
KWK im Zusammenhang mit dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien, verweist der
Bericht auf die mutmaßlich „hohen Kosten“ eines weiteren KWK-Ausbaus ohne die diesbe-
züglichen Aussagen im Evaluierungsbericht zum KWKG zu hinterfragen. Für die anstehende
Novelle dieses Gesetzes, auf die der Bericht hinweist, sollte das jedoch nicht Ausgangslage
sein. Die Expertenkommission stellt in ihrer Stellungnahme zum Fortschrittsbericht richtig
fest: „Gegenwärtig ist aber die Nutzung der KWK in bestimmten Einsatzbereichen vor allem
aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt. Dabei gibt es allerdings Unterschiede: Ange-
sichts der niedrigen Stromgroßhandelspreise ist die Wirtschaftlichkeit der KWK in der allge-
meinen Versorgung für Neubauten und Modernisierungen nicht mehr gegeben. Dies gilt der-
zeit und für die nächsten Jahre unter unveränderten Bedingungen selbst für Bestandsanla-
gen.“
Diese Entwicklung bezüglich der Wirtschaftlichkeit trifft ausgerechnet die effizientesten kon-
ventionellen Kraftwerke, da KWK-Anlagen durch die gleichzeitige Erzeugung/Nutzung von
Strom und Wärme Gesamtwirkungsgrade von bis zu 90 Prozent erreichen und damit Brenn-
stoffressourcen sowie CO2-Emissionen einsparen. Die in zahlreichen Städten vorhandenen
KWK-/Wärmenetz-Systeme (knapp 450 Fernwärmenetzbetreiber in Deutschland) sind mit

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ihrer Gesamtlänge von über 25.000 km hervorragend dazu geeignet, die Effizienz der Wär-
meversorgung und den Anteil Erneuerbarer Energien im Wärmemarkt vor allem in städti-
schen Ballungsgebieten weiter zu steigern. Alternative Optionen sind in Städten regelmäßig
entweder schwieriger oder nur zu erheblich höheren Kosten realisierbar. Bei Erreichung des
Ziels der Bundesregierung von 25 Prozent KWK-Stromanteil an der Nettostromerzeugung im
Jahr 2020 weisen Prognos et al. CO2-Einsparungen durch KWK-Anlagen in Höhe von 85 Mio.
Tonnen pro Jahr aus6.
Hinsichtlich der Flexibilisierung von KWK-/Wärmenetzsystemen ist festzuhalten, dass bereits
in den letzten zwei Jahren zahlreiche Betreiber in Wärmespeicher investiert haben, um die
notwendige Flexibilität zur Flankierung der Energiewende zu schaffen. 89 Wärmespeicher
wurden bereits mittels der Speicherförderung des KWK-G installiert. 80 weitere befinden sich
im Antragsverfahren. Durch die Ergänzung der Wärmespeicher mit Power-to-Heat-Modulen
kann der Nutzen für die Integration steigender Strommengen aus fluktuierenden Erneuerba-
ren Energien in das Energiesystem weiter erhöht werden.
Daher muss das Ziel einer schnellen Novelle des KWK-G (Inkrafttreten Sommer 2015) sein,
die Situation des KWK-Anlagenbestands in der allgemeinen Versorgung mit entsprechenden
Übergangszuschlägen zu verbessern und die KWK-Zuschläge für Neubau und Modernisie-
rung an die veränderten Marktbedingungen so anzupassen, dass zusätzliche KWK-Strom-
mengen bis 2020 dazukommen und einen relevanten Beitrag zur Erreichung des im Koaliti-
onsvertrag bekräftigten Ziels von 25 Prozent KWK-Stromanteil an der Nettostromerzeugung
leisten können.
Entsprechend ihrer Bedeutung für Effizienzsteigerungen im Wärmemarkt (v. a. in städtischen
Gebieten), Ressourcenschonung, CO2-Einsparungen und Integration von fluktuierenden
Erneuerbaren Energien in das Energiesystem, sollte der Kraft-Wärme-Kopplung nach Ansicht
des BDEW in künftigen Fortschrittsberichten mehr Aufmerksamkeit und Platz eingeräumt
werden.
Die genannten KWK-Potentiale können nach Aussage von Prognos et al. zumindest bis 2030
gemeinsam mit einem weiteren starken Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Ener-
gien erschlossen werden.

Sichere Stromversorgung
Der Fortschrittsbericht vermittelt hinsichtlich der Gewährleistung einer sicheren Stromversor-
gung in Deutschland ein positiv gefärbtes Bild, was sich bei näherer Betrachtung so nicht
halten lässt.
Voll zu unterstützen sind die Anmerkungen der Expertenkommission, die neuerlich eine
methodische Diskussion zur Erstellung und Bewertung einer Leistungsbilanz verlangt. Im
Fortschrittsbericht werde mit dem gewählten Begriff der "Überdeckung" zur Erläuterung der

6
 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Potenzial- und Kosten-Analyse zu den Einsatzmöglichkeiten von Kraft-Wärme-
Kopplung (Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie) sowie Evaluierung des KWKG im Jahr 2014, Berlin, 2014

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Ergebnisse der Leistungsbilanz eine Sicherheit in der Stromversorgung suggeriert, die es
schon heute nicht mehr gibt.
Der Fortschrittsbericht merkt an, dass die installierte Erzeugungsleistung wieder deutlich
angestiegen sei (FB S. 30). Dabei unterzieht der Bericht den Kapazitätsausbau hinsichtlich
seines Einflusses auf die Entwicklung der Grundlastfähigkeit des gesamten Kraftwerksparks
aber keinerlei Wertung. Aus dieser "Kenngröße" lassen sich aber unter den heutigen Bedin-
gungen des wachsenden Anteils der Stromeinspeisung aus volatilen Stromquellen keine
belastbaren Aussagen hinsichtlich der Sicherheit unserer Stromversorgung ableiten. Noch
vor wenigen Jahren, als der Kraftwerkspark noch von fossilen Erzeugungstechnologien
(jederzeit Leistung abrufbar) dominiert wurde, hatte die einmalige jährliche Bewertung der
Leistungsbilanz zum Zeitpunkt der Jahreshöchstlast methodisch ihre Berechtigung. Heute
reicht sie nicht mehr aus.
Der Fortschrittsbericht führt an, dass die installierte Leistung konventioneller Kraftwerke
zunehme (FB S. 51). Wie die Bundesnetzagentur (BNetzA) schon mehrfach ausgeführt hat,
ist dieser leichte Anstieg gegenüber dem Vorjahr und gegenüber 2011 als Nachklang einer
für Kraftwerksinvestitionen optimistischeren Periode in der Energiewirtschaft (Höhepunkt in
den Jahren 2006 und 2007) anzusehen, in der einige Investitionsentscheidungen für Anlagen
getroffen wurden, die heute in den Markt eintreten. In den Jahren nach 2007 hat sich aber
das Investitionsklima drastisch verschlechtert, so dass der vorliegende Bericht für die Jahres-
höchstlast nur noch für den Zeitraum bis 2017 von Überkapazitäten in Höhe von 10 bis
12 GW spricht, die noch dazu regional unausgewogen verteilt sind. Aber auch diese Aussage
ist zu bezweifeln, da ein erheblicher Zubauanteil im konventionellen Kraftwerkspark aus Gas-
kraftwerken besteht (FB S. 51). Einige dieser Kraftwerke wurden zwar in Betrieb genommen,
aber aus Kostengründen bald wieder abgeschaltet. Damit sind diese Kraftwerke zwar auf der
Positivseite der Kraftwerkskapazitätsbilanz aufgeführt, sie werden aber in der Stromerzeu-
gung nicht bilanzwirksam.
Ferner wäre unter den heutigen Marktbedingungen auch zu ermitteln, ob vor dem Hinter-
grund der schwindenden Wirtschaftlichkeit von fossilen Kraftwerken und der geforderten
Steigerung von Flexibilität und Umweltfreundlichkeit deren technische Einsetzbarkeit und
damit deren Bilanzwirksamkeit gegenüber früheren Jahren unverändert geblieben ist.
Berücksichtigt man den jüngsten Vorschlag der Bundesregierung zur emissionsbedingten
Stilllegung von 8 GW Kohlekraftwerkskapazität, so dürfte sich der Kapazitätsbilanzsaldo für
den Zeitpunkt der Jahreshöchstlast noch vor 2020 auf das Niveau einer "schwarzen Null"
reduzieren. Vermutlich sollen die 8 GW Kraftwerkskapazität schwerpunktmäßig in der Lausitz
(Braunkohle) und im Rheinland/Ruhrgebiet (Braun- und Steinkohle) abgebaut werden. Damit
dürften dann auch die konventionellen Überkapazitäten nördlich der Main-Linie abgebaut
sein.
Für das Jahr 2022 erhebt sich damit die zwingende Frage, durch welche Kapazitäten die
noch ausstehende Stilllegung von 8 GW an Kernkraftwerken ersetzt werden kann. Wahr-
scheinlich kommt hierfür nur eine europäische Lösung in Frage.

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