Zweipunkt-Marienkäfer - Eine bekannte Schönheit wird zur Rarität - sachsen.de

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Zweipunkt-Marienkäfer - Eine bekannte Schönheit wird zur Rarität - sachsen.de
Zweipunkt-Marienkäfer
                                            Eine bekannte Schönheit wird zur Rarität
Sammelreihe Natur und Landschaft · Heft 7
Zweipunkt-Marienkäfer - Eine bekannte Schönheit wird zur Rarität - sachsen.de
Artikel-Nr.: LV-5/7
Zweipunkt-Marienkäfer - Eine bekannte Schönheit wird zur Rarität - sachsen.de
Vorwort

          Marienkäfer gelten in der Bevölkerung als Glücksbringer.
          Sie haben viele verschiedene Namen und sind auch den
          meisten Kindern bekannt.
          Weniger bekannt ist, dass es in Sachsen über 70 verschie-
          dene Marienkäferarten gibt. Eine früher überall verbrei-
          tete kleine Art ist der Zweipunkt-Marienkäfer. Auch im
          Siedlungsbereich war er in Gärten und auf Laubbäumen
          zu finden. Der in Europa und Asien heimische Zweipunkt-
          Marienkäfer wurde sogar in anderen Regionen der Erde
          zur biologischen Schädlingsbekämpfung eingeführt.
          Aktuell ist diese Art nur noch sehr selten zu beobachten.
          Die Broschüre gibt einen Einblick in die Lebensweise des
          Käfers und erläutert die Veränderungen, die zum Rück-
          gang des Zweipunkt-Marienkäfers geführt haben.
          Zudem soll sie dazu anregen, Marienkäfer etwas genauer
          zu beobachten. Ihre Beobachtungen nimmt das Landes-
          amt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie gern ent-
          gegen. Wir hoffen, dass wir dadurch einige Hinweise zur
          aktuellen Verbreitungssituation der Art erhalten.
          Fast jeder kann auch zum Schutz der Marienkäfer und
          vieler anderer Insektenarten beitragen. Dafür reicht schon
          eine Ecke im Garten oder auf dem Balkon. Mit dieser
          Broschüre und der Unterstützung möglichst vieler Ak­
          teure möchten wir einen kleinen Beitrag zu Bewahrung
          unserer heimischen Insektenvielfalt leisten.

          Norbert Eichkorn
           Präsident des Sächsischen Landesamtes für
          ­Umwelt, Landwirtschaft und Geologie

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Zweipunkt-Marienkäfer - Eine bekannte Schönheit wird zur Rarität - sachsen.de
Selbstverständlich Marienkäfer

Marienkäfer gehören zu den beliebtesten               Der Zweipunkt-Marienkäfer (Adalia bipunc-
Käfern, jeder kennt sie. Viele Volksnamen             tata) ist neben dem Siebenpunkt-Marienkä-
und manche Bräuche zeugen von unserer                 fer (Coccinella septempunctata) einer der
Vertrautheit mit ihnen. In Sachsen gibt es im         bekanntesten einheimischen Marienkäfer.
Freiland aktuell 70 Arten, eine weitere ist           Jahrzehntelang galt er als eine der häufigs-
ausgestorben, zwei leben in Gewächshäu-               ten Arten und war vor allem auf Laubbäu-
sern. Einen Teil von ihnen wird selbst der            men zu finden sowie in gemeinschaftlichen
fortgeschrittene Naturfreund nicht ohne               Überwinterungsquartieren. Diese Spitzen-
weiteres den Marienkäfern zuordnen.                   position hat jetzt der Asiatische Marienkäfer
                                                      (Harmonia axyridis) eingenommen, der
                                                      1997 erstmals in Deutschland nachgewie-
                                                      sen wurde. Nach dem Erstfund in Sachsen
                                                      im Jahr 2004 hat sich diese Art rasant
                                                      ausgebreitet und kommt bereits seit etwa
                                                      2008 flächendeckend vor.

                                                      Seit 2009 – also fast unmittelbar nach der
                                                      Einschleppung des Asiatischen Marien­
Abb. 2: Asiatischer Marienkäfer (Harmonia axyridis)   käfers – ist der Zweipunkt eine seltene Art
Foto: E. Wachmann
                                                      geworden und vielerorts verschwunden.
                                                      Das früher häufig beobachtete Auftreten in
                                                      großer Zahl gibt es nicht mehr: Aus einem
                                                      häufigen Käfer ist eine Rarität geworden.
                                                      Diese Entwicklung ist der Grund, weshalb
                                                      der Zweipunkt in dieser Broschüre näher
                                                      vorgestellt wird.

Siebenpunkt (Coccinella septempunctata)
Foto: E. Wachmann

02 | Selbstverständlich Marienkäfer
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Weltenbürger

Das natürliche Verbreitungsgebiet des Zwei-                    Für Mitteleuropa ist die allgemeine Verbrei-
punktes umfasst Eurasien einschließlich der                    tung des Zweipunktes seit der Mitte des 19.
Kanarischen Inseln und Madeira. In Nordaf-                     Jahrhunderts vielfach belegt. Die Art wurde
rika fehlt die Art. Sie wurde aus Europa nach                  überall als häufig bis sehr häufig bezeich-
Nordamerika eingeführt. Dort ist sie von                       net. Der Verfasser beobachtet seit dem Jahr
Alaska bis Labrador und von Kalifornien bis                    2009 einen Rückgang in Sachsen. Spätes-
Alabama verbreitet. Auch nach Afrika südlich                   tens seit 2016 ist der Zweipunkt fast völlig
der Sahara wurde die Art gebracht sowie                        verschwunden. Es gibt nur noch Beobach-
nach Australien, Neuseeland und Südamerika.                    tungen einzelner Exemplare, kaum mehr als
Der Grund für die weltweite Verbreitung                        zwei bis drei Meldungen pro Jahr. Der
durch den Menschen liegt in der Nutzung                        Rückgang betrifft nicht nur Sachsen, er ist
dieser Art zur biologischen Kontrolle von                      auch aus Thüringen und Sachsen-Anhalt
Blattläusen. Um genügend Tiere verkaufen zu                    dokumentiert und scheint ganz Deutsch-
können, wurden Verfahren zur Massenzucht                       land zu berühren.
mit synthetischer Nahrung entwickelt.

Zweipunkt (Adalia bipunctata), dunkle Form, Foto: Archiv Naturschutz LfULG, O. Leillinger

                                                                                            Weltenbürger | 03
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Variable Schönheit mit Hintergrund

                                           Der Zweipunkt ist an seiner charakteristi-
                                           schen Färbung gut zu erkennen. Er begegnet
                                           uns in zwei Farbformen. Bei der namensge-
                                           benden sind die Flügeldecken rot und tragen
                                           je einen runden schwarzen Punkt. Die ande-
                                           ren Farbformen sind durch schwarze Flügel-
                                           decken mit roten Flecken ausgezeichnet: mit
                                           vier (Form quadrimaculata) oder sechs (Form
                                           sexpustulata). Die vorderen schließen fast
                                           immer den Seitenrand der Flügeldecken ein.
Zweipunkt (Adalia bipunctata), rote Form   Weitere Farbformen kommen vor, sind aber
Foto: E. Wachmann
                                           sehr selten. Insgesamt kennt man etwa 150
                                           von ihnen. Der Halsschild ist entweder weiß
                                           mit schwarzen Flecken, die bei der roten Form
                                           ein M bilden, das manchmal verflossen wirkt,
                                           oder bei den schwarzen Formen schwarz mit
                                           schmalem weißen Seiten- und Vorderrand.
                                           Die Körperlänge beträgt 3,5 bis 5,5 mm, die
                                           Weibchen sind meist etwas größer als die
                                           Männchen.
                                           Die schwarzen Zweipunkte mit den roten
                                           Flecken können eventuell mit anderen Mari-
                                           enkäfern verwechselt werden, zum Beispiel
                                           mit dem Zehnpunkt (Adalia decempunctata)
                                           oder mit dem Vierfleckigen Schildlaus-Mari-
                                           enkäfer (Exochomus quadripustulatus). Der
                                           Zehnpunkt hat am Ende der Flügeldecken
                                           meist eine quer liegende Bogenfalte, die beim
Zweipunkt, schwarze Form                   Zweipunkt niemals ausgebildet ist. Die zweite
Foto: E. Wachmann

04 | Variable Schönheit mit Hintergrund
Zweipunkt-Marienkäfer - Eine bekannte Schönheit wird zur Rarität - sachsen.de
Zehnpunkt (Adalia decempunctata), dunkle Form         Vierfleckiger Schildlaus-Marienkäfer
Foto: E. Wachmann                                     (Exochomus quadripustulatus)
                                                      Foto: E. Wachmann

Art ist durch die etwas andere Färbung ge-            F­ lecken dominiert über die sechsfleckige Va-
kennzeichnet: Der Halsschild ist meist völlig          riante. Das Verhältnis der roten zu den
schwarz, der rote Schultermakel ist bogen­             schwarzen Formen variiert beim Vergleich
förmig und lässt die Schulterbeule frei. Beim          verschiedener Lebensräume und Fundorte
Zweipunkt ist die schwarze Form durch den              und ändert sich im Laufe des Jahres. In Mit-
                                                       teleuropa liegt es oft bei 85 Prozent rot zu 15
                                                       Prozent schwarz. Die schwarzen Individuen
                                                       erwärmen sich im Sonnenlicht etwas stärker
                                                       als die roten. Dies spielt besonders in den
                                                       Morgenstunden, auch im beginnenden Früh-
                                                       jahr eine Rolle. Sie sind dadurch aktiver,
                                                       nehmen mehr Nahrung auf, sind erfolgreicher
 Ein Kennzeichen des      Vierfleckiger Schildlaus-    bei der Partnersuche und ihr Fortpflanzungs-
 Zehnpunkts ist die       Marienkäfer mit einem
­quere Bogenfalte.        bogenförmigen Schulter-
                                                       erfolg ist höher. Ihr Anteil an der Gesamtpo-
 Foto: E. Wachmann        fleck (Makel).               pulation ist deshalb in der Tochtergeneration
                          Foto: ­E. Wachmann
                                                       höher, als er in der Elterngeneration war.
                                                       Andererseits sind die schwarzen Formen bei
hell gerandeten Halsschild und einen großen            der Überwinterung benachteiligt. Sie werden
roten Schulterfleck, der auch die Schulter­            leichter bei milden Wetterlagen aktiv und
beule einschließt, gekennzeichnet. Hinzu               verbrauchen dann schneller ihre Reserven. Sie
kommt beim Vier­fleckigen Schildlaus-Mari-             verlieren auch leichter Wasser und können
enkäfer die starke Erweiterung des Kopf­               deshalb eher vertrocknen. Dies führt dazu,
schildes vor den Augen.                                dass mehr schwarze als rote Individuen
Die Farbformen sind genetisch definiert. Die           während des Winters umkommen, wodurch
schwarzen Formen sind gegenüber der roten              für das kommende Jahr wieder das ursprüng-
Form dominant. Die Form mit vier roten                 liche Zahlenverhältnis hergestellt wird.

                                                              Variable Schönheit mit Hintergrund | 05
Zweipunkt-Marienkäfer - Eine bekannte Schönheit wird zur Rarität - sachsen.de
Die nächsten Verwandten

In Sachsen kommen außer dem Zweipunkt                    Fichten-Marienkäfer (Adalia conglomerata)
                                                         Foto: E. Wachmann
noch zwei weitere Arten der Gattung Adalia
vor: der Fichten-Marienkäfer (Adalia conglo-
merata) und der Zehnpunkt (Adalia decem-                 dern, an Waldrändern, in Parks und Gärten
punctata).                                               vor allem in der Strauch- und Baumschicht
Die Flügeldecken des Fichten-Marienkäfers                vor, lebt aber auch in der Krautschicht.
sind gelb, mit einer längs gerichteten variab-           Relativ oft werden Kreuzungen zwischen
len Fleckenzeichnung, die meist eine mittlere            dem Zweipunkt (meist Männchen) und dem
und auf jeder Seite eine seitliche Linie zeigt.          Zehnpunkt (meist Weibchen) beobachtet.
Der Fichten-Marienkäfer kommt in Fichten-                Offenbar sind beide Arten nahe miteinander
wäldern, auch in Hochmooren vor und lebt                 verwandt. Die betreffenden Weibchen legen
besonders auf Fichten, seltener auf Kiefern.             eine normale Anzahl Eier ab, aber aus den
Die Färbung des Zehnpunktes ist sehr varia-              meisten schlüpfen keine Larven. Die wenigen
bel: Die Flügeldecken sind gelb, jeweils mit             geschlüpften Larven entwickeln sich normal
drei bis fünf kleinen Punkten, braun mit einer           und ergeben erwachsene Tiere, die entweder
schwarzen verflossenen Gitterzeichnung                   dem Zweipunkt oder dem Zehnpunkt ähneln
oder schwarz mit roten oder gelblichen                   – e­ inige von ihnen haben aber eine ganz
Schulterflecken. Die Flügeldecken besitzen an            ungewöhnliche andere Zeichnung. Diese
ihrem Hinterende meist die schon erwähnte                durch Kreuzung entstandenen Nachkommen
quere Bogenfalte. Die Art kommt in Laubwäl-              sind unfruchtbar.

Zehnpunkt, helle Form mit dunklen   Zehnpunkt, dunkle Form mit hellen    Zehnpunkt (Adalia decempunctata),
Punkten, Foto: E. Wachmann          Flecken, Foto: I. Altmann            dunkle Form, Foto: E. Wachmann

06 | Die nächsten Verwandten
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Der Zweipunkt im Jahresverlauf

In Sachsen ist für den Zwei-
punkt etwa der folgende
Zeitablauf zu beobachten,
wobei die angegebenen
Zeiträume in Abhängig-
keit vom Beobachtungs-
ort und seiner Höhenla-
ge und der Witterung
etwas schwanken kön-
nen. Etwa von Anfang
Oktober bis Ende April
überwintern die Zweipunk-
te. Im Herbst und im Frühjahr
sind sie aktiv und können beim
Aufsuchen oder Verlassen des
Winterquartiers beobachtet werden.
Die Phase im Frühling endet mit dem Finden
der ersten Nahrung. Es schließt sich von                              Lebenszyklus des Zweipunktes,
                                                     nach Klausnitzer & Klausnitzer (1997), verändert,
Anfang Mai bis Ende Juli die Fortpflan-                                         Zeichnung: P. Schüle
zungsperiode an, zu deren Beginn der ge-
eignete spezifische Lebensraum aufgesucht     abschnitt ist besonders fließend, da an sei-
wird. Dort erfolgen die Eiablage, die Ent-    nem Beginn über einen längeren Zeitraum
wicklung der Larven und die Verpuppung.       Larven und erwachsene Tiere der neuen
Dieser Zeitabschnitt wird mit dem Schlüpfen   Generation nebeneinander vorkommen
der erwachsenen Tiere der neuen Generati-     können. Beendet wird diese Zeit mit dem
on abgeschlossen. Es folgt die Periode des    Aufsuchen des Winterlagers.
Jungkäferfraßes, auch Reifungsfraß ge-        Normalerweise bildet der Zweipunkt in
nannt, vor der Überwinterung. Sie dauert      Sachsen nur eine Generation pro Jahr. Mit-
von Anfang August bis Ende September,         unter kann aber lokal eine zweite Generati-
mitunter bis Mitte Oktober. Dieser Lebens-    on auftreten.

                                                        Der Zweipunkt im Jahresverlauf | 07
Zweipunkt-Marienkäfer - Eine bekannte Schönheit wird zur Rarität - sachsen.de
Die Paarung

Beim Zweipunkt geschieht die Paarung
nach Beginn der Nahrungsaufnahme der
Weibchen. Sie kann bis zu mehreren Stun-
den dauern und wird auch dann nicht un-
terbrochen, wenn sich das Weibchen an
Blattläusen labt.

Meist finden bis zu 20 Paarungen mit ver-
schiedenen Partnern statt. Die Eier eines
einzigen Geleges können deshalb von bis zu
sechs Männchen befruchtet worden sein.
Die Weibchen vermögen etwa 15.000 Sper-
mien zu speichern. Als Sonderfall unter den
Käfern werden bei der Paarung bis zu drei
Samenkapseln übertragen, die jeweils                   Zweipunkt, Paarung von zwei roten Formen
                                                       Foto: E. Wachmann
durchschnittlich 10.000 Spermien enthal-
ten. Das Weibchen kann folglich nur einen
Teil aufbewahren. Die leeren Samenkapseln
werden nach der Paarung vom Weibchen
ausgestoßen und meist als eiweißreiche
Nahrung verzehrt.

                Zweipunkt, Paarung einer schwarzen
         (Männchen) mit einer roten Form (Weibchen)
                         Foto: H. Bellmann/F. Hecker

08 | Die Paarung
Das Ei

Die Weibchen des Zweipunktes besitzen 48                        Larven reichlich Nahrung finden, eine Form
Eiröhren, in denen mehrere Eier gleichzeitig                    der Brutfürsorge. Bevorzugt werden vor
reif werden. Deshalb erfolgt die Ablage                         allem wachsende Blattlauskolonien, die
portionsweise. Die Gelege bestehen aus                          auch durch die Produktion von Honigtau
fünf bis 40 aufrecht stehenden Eiern. Ins-                      angezeigt werden können. Die Nähe zur
gesamt kann ein einziges Weibchen 700 bis                       Nahrung ist wichtig, da die Junglarven nur
1.500 Eier legen. Die Zahl ist vor allem von                    kurze Zeit hungern können. Lange Wege
der Nahrung und den Witterungsbedingun-                         zur Nahrungssuche werden dadurch ver-
gen abhängig. Die Eier selbst sind gelb, ei-                    mieden. Die Dauer der Eientwicklung ist
nen Millimeter lang und langgestreckt, ihre                     insbesondere von der Temperatur, aber
Oberfläche ist glatt.                                           auch von der Luftfeuchtigkeit abhängig.
Fast immer werden sie an solchen Stellen                        Unter Freilandbedingungen beträgt sie
abgelegt, wo die später ausschlüpfenden                         etwa fünf bis zehn Tage.

Weibchen eines Zweipunktes bei der Eiablage, Foto: I. Altmann

                                                                                                Das Ei | 09
Die Larve

Die frisch aus den Eiern geschlüpften Lar-           liegen. Diese Lebensabschnitte sind für die
ven bleiben zunächst gemeinsam auf dem               Larve besonders gefährlich. Fressfeinde,
Gelege sitzen. Für die zuerst schlüpfenden           Vertrocknungsgefahr oder Störungen wäh-
Tiere sind unbefruchtete Eier, aber auch die         rend des Häutungsgeschehens können zu
etwas später schlüpfenden Geschwistereier            Verlusten führen. Nach den Häutungen sind
die erste Nahrung. Man spricht von Zwil-             die Larven zunächst noch weich und hell,
lingskannibalismus. Im Anschluss an diese            das Außenskelett braucht einige Stunden,
Phase vereinzeln sich die Larven.                    um auszuhärten. Bei jeder Häutung nehmen
Insgesamt hat der Zweipunkt vier Larven-             Volumen, Gewicht und Größe der Larven zu.
stadien, zwischen denen drei Häutungen               Der Körper der Larven ist gerade, schlank,

Zweipunkt, Larve des 4. Stadiums, Foto: I. Altmann

10 | Die Larve
Zehnpunkt, Vorpuppe, Foto: E. Wachmann

nach hinten etwas verengt und schwach          oder der variablen Färbung der erwachsenen
abgeflacht. Die erwachsenen Larven messen      Käfer und den Färbungsformen der Larven
sieben bis neun Millimeter. Ihre Grundfarbe    gibt.
ist graubraun bis grauschwarz.                 Die Dauer der Larvenentwicklung insgesamt
Die Larven des Zweipunktes zeigen im           und auch die der einzelnen Stadien ist von
vierten Stadium ein charakteristisches         mehreren Faktoren abhängig, insbesondere
Farbmuster. Die Mitte des vierten Hinter-      von der Temperatur und dem Nahrungsan-
leibssegmentes ziert ein gelboranger Fleck.    gebot. Zwischen dem Schlüpfen des Eies
Auf dem ersten Segment befindet sich           und der Verpuppung vergehen unter durch-
seitlich neben der Mitte und an der Seite      schnittlichen Freilandbedingungen drei bis
jeweils eine orange gefärbte Borstengruppe.    sechs Wochen.
Auch an der Seite des vierten Segments ist     Die erwachsene Larve beendet ihre Nah-
eine solche zu sehen.                          rungsaufnahme etwa einen Tag bevor sie
Viele Marienkäferlarven zeigen eine arttypi-   sich mit ihrem Hinterende an einer Unterla-
sche, meist nahezu konstante Färbung. Der      ge festheftet. Mehrere Stunden bis zwei
Zweipunkt ist eine Ausnahme, seine Larven      Tage bleibt sie als Vorpuppe in gekrümmter
variieren. Das Spektrum reicht von dunklen     Stellung hängen, ehe sie sich verpuppt. Die
Exemplaren ohne orange Flecken bis zu          Häutung zur Puppe beginnt am Kopf und
solchen mit sieben deutlichen Makeln. Es       läuft nach hinten. Die Larvenhaut bleibt am
wurden 16 verschiedene Färbungsformen          Hinterende an der Anheftungsstelle fast
gefunden. Interessant ist, dass es keinen      völlig zusammengeschoben erhalten.
Zusammenhang zwischen dem Geschlecht

                                                                             Die Larve | 11
Die Puppe

Im Gegensatz zu den meisten anderen Kä-           Bei Störungen können die Puppen mit ihrem
fergruppen ist die Puppe der Marienkäfer          Vorderende mehrfach hintereinander heftig
eine Mumienpuppe. Die Beine und Fühler            auf und ab schlagen. Dazu sind sie unmit-
liegen nicht frei, sondern sind mit dem           telbar nach der Verpuppung bis einige
Körper fest verkittet.                            Stunden vor dem Schlüpfen der Käfer in der

Mumienpuppe eines Zweipunktes, Foto: I. Altmann

Gewöhnlich verpuppen sich die Larven auf          Lage. Die Dauer der Puppenentwicklung ist
Blättern, an Zweigen, an der Rinde von            vor allem von der Temperatur und der
Stämmen oder an anderen Pflanzenteilen,           Luftfeuchtigkeit abhängig. Sie beträgt unter
mitunter auch an festem Substrat wie              Freilandbedingungen etwa 10 bis 14 Tage.
Steinen oder Wänden von Gebäuden.

12 | Die Puppe
Das Schlüpfen

Die schlüpfenden Käfer spalten die Puppen-
haut am Vorderende in Längs- und Quer-
richtung. Das Schlüpfen selbst dauert nur
wenige Minuten, und es bleibt die leere
Puppenhülle zurück, auf der der Käfer zu-
nächst sitzen bleibt.

Anfangs hängen die Hinterflügel des Käfers
nach außen. Erst nach dem Einpumpen der
Körperflüssigkeit werden sie unter den
Flügeldecken zusammengefaltet. Diese sind
zunächst noch weich, fast weiß, später
hell-gelblich und lassen erst langsam den
typischen Rotton erkennen. Nach einigen          Zehnpunkt, frisch geschlüpfter Käfer.
                                                 Die Hinterflügel sind noch nicht unter den Flügeldecken
Stunden werden auch die schwarzen Punk-          zusammengefaltet, Foto: I. Altmann
te sichtbar. Die völlige Ausfärbung dauert
meist mehrere Tage, wobei die Umgebungs-
temperatur eine Rolle spielt. An dem helle-
ren Rot mit mehr Gelb-Anteil lassen sich
beim Zweipunkt „junge“ Käfer von überwin-
terten Individuen unterscheiden. Der Hals-
schild ist bereits bei den frisch geschlüpften
Exemplaren dunkel beziehungsweise lässt
seine Zeichnung erkennen. Die rote Farbe
der Flügeldecken wird durch Abkömmlinge
von Carotinoiden gebildet, die schwarzen
Pigmente sind Melanine.

                                                 Zehnpunkt, frisch geschlüpfter Käfer. Die Flügeldecken
                                                 sind noch nicht ausgefärbt, Foto: I. Altmann

                                                                                   Das Schlüpfen | 13
Die Nahrung

Unser Bild vom Aussehen der Marienkäfer ist        Europäischen Birkenblattlaus (Euceraphis
vielfach von den häufigen und großen Arten         punctipennis) sind die wichtigsten.
geprägt, auch bezüglich der Ernährung ist
dies so. Meist denkt man, alle Arten vertilgen     Besonders im zeitigen Frühjahr spielen die
Blattläuse. Dies ist auch nicht falsch, trifft     Pollen von Rosengewächsen eine bedeutende
aber nur für einen Teil zu, wenngleich den         Rolle. Sie werden vermutlich regelmäßig ne-
größten Teil. In Sachsen gilt das für etwa 50      ben verschiedenen Blattlausarten aufgenom-
Arten. Bei den anderen stehen                      men. Allerdings konnte experimentell gezeigt
                                                   werden, dass die alleinige Fütterung mit
█   Schildläuse (11 Arten),                        Pollen nicht zur Reifung der Eizellen führt.
█   Mottenschildläuse (1 Art),
█   Spinnmilben (1 Art), aber auch                 Mitunter werden an reifen Süßkirschen und
█   Schimmelpilze (5 Arten) und sogar              anderen Früchten einzelne Exemplare des
█   höhere Pflanzen, zum Beispiel Lupine           Zweipunktes gefunden, die sich offenbar am
    und andere Schmetterlingsblütler,              Saft laben.
    Nelkengewächse sowie
█   Gräser und Zaunrüben auf der                   Sowohl die Käfer als auch die Larven entde-
    Speisekarte (3 Arten).                         cken ihre Beute erst bei direktem Kontakt.
█   Wenige Arten nehmen eine                       Die erwachsenen Zweipunkte müssen zum
    Mischnahrung zu sich.                          Beispiel mit den Kiefertastern die Blattlaus
                                                   berühren, ehe sie diese als Beute erkennen.
Larven und Adulte des Zweipunktes ernäh-           Danach suchen sie in unmittelbarer Nähe
ren sich überwiegend von Blattläusen. Sie          weiter und haben deshalb besonders bei
nutzen verschiedene Arten als Nahrung, die         Beutetierkolonien Erfolg. Die Erfolgsaussich-
jedoch unterschiedlich geeignet sind. Für          ten werden dann vergrößert, wenn sich die
den Zweipunkt werden 46 verschiedene               Marienkäfer in relativ dichten Pflanzenbe-
Blattlausarten als essentielle Nahrung ge­         ständen mit gegenseitiger Berührung bewe-
listet. Wenigstens eine von ihnen muss un-         gen, wodurch bei erfolgloser Suche auf einer
bedingt aufgenommen werden. Die Linden­            Pflanze die nächste mit relativ geringem
zierlaus (Eucallipterus tiliae), gefolgt von der   Laufaufwand erreicht werden kann.

14 | Die Nahrung
Die Überwinterung                                         Die Lebensräume

Zur Überwinterung suchen die Zweipunkte                   Der Zweipunkt bevorzugt die Strauch- und
oft lose Rindenpartien an Baumstämmen auf.                Baumschicht von Laubbäumen vor allem im
Gelegentlich kommen sie auch in Gebäude,                  Randbereich von Wäldern, aber auch einzeln
wo sie vor allem hinter Fensterläden oder auf             stehende Gebüsche und Bäume. Er wird bzw.
Dachböden die kalte Jahreszeit verbringen.                wurde vor allem gefunden auf:
Heutzutage hat diesen Platz der Asiatische
Marienkäfer eingenommen.                                  █   Birken oder Linden, aber auch auf Eichen,
Zur Überwinterung werden gelegentlich                     █   Obstbäumen und anderen Rosenge-
Gemeinschaften mit anderen Arten gebil-                       wächsen,
det, zum Beispiel mit dem Pappel-Marien-                  █   Kiefernjungwüchsen,
käfer (Oenopia conglobata). Der Anteil an                 █   Holunderbüschen,
Zweipunkten kann bei dieser Gesellschaft                  █   Sonnenblumen, Kletten, Brennnesseln,
bis 20 Prozent betragen.                                      Disteln und Gartenpflanzen mit Blatt-
                                                              läusen bzw. deren Blüten,
                                                          █   Äckern mit Getreide oder Kartoffeln und
                                                          █   Pflanzen der Ufervegetation an Still­
Zweipunkt, Überwinterungsgesellschaft unter loser Borke       gewässern.
Foto: H. Bellmann/F. Hecker

                                                                                 Die Überwinterung | 15
Natürliche Feinde –
Räuber, Parasiten und Killerbakterien

                                                   Räuberische Gliederfüßer, zum Beispiel
                                                   Raubwanzen können natürliche Feinde der
                                                   Käfer und deren Entwicklungsstadien sein.
                                                   Relativ oft fallen Zweipunkte verschiedenen
                                                   Webespinnen zum Opfer. So wurden Larven
                                                   in Netzen von Baldachinspinnen gefunden.
                                                   Hinzu kommen andere Marienkäferarten und
                                                   auch der Kannibalismus.

                                                   Ameisen, zum Beispiel die Schwarze Weg-
                                                   ameise (Lasius niger), bewachen die von ihnen
                                                   gehegten Blattläuse. Sie greifen vor allem die
Buckelfliege (Phalacrotophora berolinensis)        Zweipunktlarven an, aber auch die Käfer. Sie
Foto: E. Wachmann
                                                   werden von den Ameisen vertrieben, von der
                                                   Pflanze geworfen, in die Beine oder die Flü-
                                                   geldecken gebissen, mitunter sogar getötet
Räuber sind wichtige biotische Begren-             oder mit Ameisensäure bespritzt.
zungsfaktoren des Zweipunktes. Sowohl
Wirbeltiere als auch Wirbellose kommen als         Parasitische Milben, vor allem der winzige
Feinde in Frage. Die Marienkäfer können            Coccipolipus hippodamiae, der kleiner als 0,4
einen gelblichen, stark riechenden, bitteren       mm ist, lebt am Zweipunkt. Die weiblichen
Saft aus den Kniegelenken ausscheiden, das         Milben saugen sich mit ihren Mundwerkzeu-
sogenannte „Reflexbluten“. Dieser kann             gen unter den Flügeldecken fest und legen
abschreckend wirken. Tatsächlich hat der           dort ihre Eier ab. Die daraus schlüpfenden
Zweipunkt nur einen geringen Anteil an der         Larven sind beweglich und werden bei der
Vogelnahrung. Es wird nur von einzelnen            Paarung übertragen. Deren lange Dauer und
Exemplaren berichtet, lediglich beim Feld-         der häufige Partnerwechsel der Zweipunkte
sperling spielt er eine größere Rolle als          erhöhen die Befallsmöglichkeiten. Die Milben
Futter für Jungvögel. Auch Spitzmäuse und          verringern die Fortpflanzungsfähigkeit der
Eidechsen kommen als Räuber in Frage.              Zweipunkt-Weibchen.

16 | Natürliche Feinde – Räuber, Parasiten und Killerbakterien
Im Darmkanal und in der Leibeshöhle der              Sie verlassen ihren Wirt durch eine Öff-
Käfer leben Fadenwürmer (Nematoda) ver-              nung zwischen Kopf und Bruststück, fallen
schiedener Gattungen. Ein Beispiel ist der           auf den Boden und verpuppen sich dort.
Marienkäfer-Fadenwurm (Parasitylenchus               Die Buckelfliegen schlüpfen meist nach
coccinellae). Die Weibchen dringen in die            zwei bis drei Wochen und können dann
Leibeshöhle des Marienkäfers ein, ihre Eier          weitere Puppen befallen. Der Befallsgrad
und Larven entwickeln sich dort und werden           kann fünf bis zehn Prozent betragen, aber
vorwiegend bei der Paarung auf andere Indi-          auch noch höher sein.
viduen übertragen.
                                                  2. In den Larven und Puppen lebt die Erzwes-
Im Inneren der Marienkäfer sowie ihrer Lar-          pe Aprostocetus neglectus. Deren Weib-
ven oder Puppen können sich andere Insek-            chen belegen Larven des dritten oder
ten entwickeln, die den Wirt nach Abschluss          vierten Stadiums zwischen Bruststück
ihrer eigenen Entwicklung töten, sogenannte          und Hinterleib. Sie können aber auch die
Parasitoide.                                         Puppen befallen. Die Erzwespenlarven
                                                     verpuppen sich innerhalb des Wirtes. Die
Beim Zweipunkt sind dies vor allem drei Ar-          erwachsenen Tiere schlüpfen aus der
ten, die im Folgenden kurz vorgestellt werden.       Puppe, meist durch ein einziges Loch auf
                                                     der Oberseite. Gewöhnlich sind es zwei
1. Die Larven und Puppen werden von der              Exemplare, die aus einer Zweipunktpuppe
   Buckelfliege Phalacrotophora berolinensis         schlüpfen. Der Befallsgrad kann hoch sein
   befallen. Deren Weibchen legen ihre Eier          und 10 bis 15 Prozent betragen.
   an kurz vor der Verpuppung stehenden
   Larven zwischen den Beinen und zudem
   an frische Puppen meist unter den Flügel-
   anlagen ab. Es dauert nur wenige Stunden,
   bis die Fliegeneier schlüpfen und sich die
   Larven in ihre Wirte einbohren. In der
   Puppe entwickeln sich dann meist zwei
   Fliegenlarven in zwei bis zwölf Tagen.

                                    Natürliche Feinde – Räuber, Parasiten und Killerbakterien | 17
3. Die dritte im Bunde ist die Raupenfliege        Vor allem seit dem Auftreten des Asiatischen
   Medina separata. Sie befällt die erwach-        Marienkäfers wird auch der Marienkäferpilz
   senen Käfer. Das Raupenfliegenweibchen          Hesperomyces virescens, ein Schlauchpilz
   setzt sich auf den Rücken eines                 aus der Gruppe der Laboulbeniales verstärkt
   ­Zweipunktes, der wegen dieser Beunru-          ­beobachtet. Die 0,5 bis 2 mm langen, im
   higung die Flügeldecken ein wenig öff-           Durchmesser 0,1 bis 0,3 mm großen, stab­
   net. Sofort legt die Fliege mit ihrem an         förmigen, gelblich bis grünlichen, durch-
   diese besondere Art der Eiablage ange-           scheinenden Fruchtkörper sitzen oft am
   passten Legeapparat ein Ei an die Innen-         Hinterende der Flügeldecken, können sich
   seite einer Flügeldecke des Marienkäfers         aber auch an anderen Körperteilen befinden.
   nahe der Spitze. Die aus dem Ei schlüp-          Dieser Pilz wird bei der Paarung oder bei ge-
   fende Fliegenlarve bohrt sich durch die          meinschaftlicher Überwinterung übertragen.
   Zwischenhäute der Rückenplatten in den
   Hinterleib ein. Dort wächst sie heran und       Beim Zweipunkt kommen Populationen mit
   überwintert im zweiten Larvenstadium            einem sehr hohen Weibchen-Anteil vor, weil
   innerhalb des lebenden Marienkäfers.            die männlichen Keime schon zu Beginn der
   Erst im zeitigen Frühjahr des folgenden         Entwicklung absterben. Eine Ursache für
   Jahres, nach Beginn der Nahrungsauf-            dieses stark verschobene Geschlechterver-
   nahme des Wirtes, vollendet die Larve           hältnis liegt in endosymbiontischen „Killer-
   ihre Entwicklung. Sie verlässt den Zwei-        Bakterien“ (Rickettsia, Wolbachia). Sie töten
   punkt auf der Rückenseite des ersten            männlich befruchtete Eizellen ab, also solche,
   Hinterleibssegmentes und verpuppt sich          die durch Spermien mit einem Y-Chromosom
   am Boden. Der Käfer überlebt den Befall         befruchtet wurden. Infektionsraten von fast
   nicht.                                          50 Prozent sind keine ­Seltenheit. Die männ-
                                                   lichen Nachkommen werden also während
                                                   der Embryonalentwicklung abgetötet, gerin-
                                                   ge Männchen-Anteile (0 bis 35 Prozent) sind
                                                   die Folge.

18 | Natürliche Feinde – Räuber, Parasiten und Killerbakterien
Wird der Zweipunkt aussterben?

Die Zusammensetzung der Tierwelt unter-          auch auf andere Glieder der heimischen
liegt ganz allgemein ständigen Veränderun-       Tierwelt aus. Fledermäuse und viele Vogel-
gen. Arten werden selten und sterben sogar       arten brauchen zu ihrem Leben, vor allem
aus, neue kommen hinzu. Dieser Vorgang           zur Aufzucht ihres Nachwuchses, Insekten
läuft seit Jahrmillionen ab und lässt sich für   in großer Zahl.
die geschichtliche Zeit seit mindestens
4.000 Jahren mit zunehmender Genauigkeit         Natürlich stellt sich die Frage nach den Ur-
auch in der Kleintierwelt verfolgen. Aller-      sachen für einen solchen drastischen Rück­
dings ist die Geschwindigkeit der Verände-       gang, wie wir ihn beim Zweipunkt registrie-
rungen in unserer Gegenwart beängstigend.        ren. Lebensraum und Nahrung schei­nen
Seit drei Jahren ist sogar von einem „Insek-     mancherorts unverändert vorhanden zu
tensterben“ die Rede. Gemeint ist damit ein      sein. Die vor allem bewohnte Baum- und
drastischer Rückgang nicht nur der Arten-        Strauchschicht von Laubbäumen gibt es
zahl und Vielfalt, sondern auch der Indivi-      nach wie vor. Eine grundsätzliche Verände-
duenzahl und damit der Biomasse.                 rung des Lebensraumes ist empirisch jedoch
                                                 nicht nachweisbar. Ähnlich verhält es sich
Insekten haben vielfältige Beziehungen zum       mit der Nahrung. Das Angebot scheint auch
Leben des Menschen. Das Verschwinden             gegenwärtig ausreichend zu sein. Die riesige
vieler Arten hätte höchst fatale Folgen,         Palette der chemischen Beeinflussung durch
wenn man zum Beispiel an ihre bedeutende         Herbizide, Insektizide, Düngung und anderes
Rolle bei                                        wirkt aber fast überall. Wie alle Marienkä-
█ der Blütenbestäubung,                          ferarten, die sich von Blattläusen ernähren,
█ beim Abbau toter organischer Substanz          braucht auch der Zweipunkt bestimmte
   oder                                          Blattlausarten als unbedingt erforderliche
█ für die Stabilität von Ökosystemen             essentielle Nahrung zum Aufbau und Erhalt
denkt. Hier wäre auch der Zweipunkt einzu-       seiner Fortpflanzungsfähigkeit und zur er-
ordnen. Er ist ein wichtiges Glied des Blatt-    folgreichen Entwicklung der Larven. Ob es
lausfeindkreises und trägt zur Regulierung       in diesem Bereich Veränderungen gegeben
des Befalls auch an Nutzpflanzen bei. Ein        hat, ist nicht bekannt und müsste unter-
zunehmender Mangel an Insekten wirkt sich        sucht werden.

                                                          Wird der Zweipunkt aussterben? | 19
Eine andere Ursache für den Rückgang           Pilzen gehörende Parasiten vor allem aus
könnte das Auftreten des Asiatischen Mari-     der Gattung Nosema. Nosema-Arten verur-
enkäfers sein. Beide Arten besiedeln gleiche   sachen Erkrankungen bei verschiedenen
Lebensräume und scheinen sich auch in der      Insekten. Bekannt und gefürchtet ist der
Nahrung nicht zu unterscheiden, zumindest      Erreger der Nosemose, einer häufigen
nicht bei den für den Energiestoffwechsel      Krankheit der Honigbienen. Der Asiatische
des Zweipunktes erforderlichen Blattlaus-      Marienkäfer ist gegen diese Krankheitserre-
arten. Der Asiatische Marienkäfer hat ein      ger weitgehend resistent. Er produziert ein
viel größeres Nahrungsspektrum, das auch       Antibiotikum mit Namen Harmonin, das
andere Insekten einbezieht und nicht auf       auch gegen die Erreger von Malaria und
Blattläuse beschränkt ist. Weil er die glei-   Tuberkulose getestet wurde, sowie eine
chen Ansprüche wie der Zweipunkt hat,          große Zahl antimikrobiell gegen Pilze und
könnte vielleicht ein Mangel an essentieller   Bakterien wirksamer Peptide. Es wird von
Nahrung eine Rolle spielen. Es gibt also       über 50 verschiedenen Peptiden berichtet.
durchaus eine Konkurrenzsituation. Natür-      So viele entsprechende Moleküle wurden in
lich war der Zweipunkt auch vor der An-        keiner anderen Tierart gefunden. Wenn aber
kunft des Asiatischen Marienkäfers nicht       die Larven oder Käfer des Zweipunktes oder
die einzige Marienkäferart der entsprechen-    anderer Marienkäfer Eier oder Larven des
den Biotope. Er teilte sich seinen Lebens-     Asiatischen Marienkäfers aufnehmen,
raum mit anderen Arten. Durch detaillierte     können sie sich infizieren. Da sie keine Ab-
Unterschiede in der Lebensweise wird die       wehrstoffe besitzen, sterben sie an diesen
Konkurrenz mit anderen heimischen Arten        Krankheitserregern. Der Asiatische Marien-
jedoch möglichst vermieden.                    käfer ist also gegen Krankheiten besser
                                               geschützt als die bisher näher untersuchten
Hinzu kommt aber ein Umstand, der in           Marienkäfer der heimischen Fauna.
seinen Auswirkungen noch gar nicht völlig
abzuschätzen ist. Die Körperflüssigkeit des    Allerdings bleibt offen, ob der extrem starke
Asiatischen Marienkäfers, einschließlich der   Rückgang des Zweipunktes allein auf das
Eier und Larven, kann von Mikrosporidien       Wirken des Asiatischen Marienkäfers zu-
befallen sein. Dies sind einzellige, zu den    rückgeführt werden kann. Für das „Insek-

20 | Wird der Zweipunkt aussterben?
tensterben“ insgesamt wird eine Fülle von
Ursachen in Betracht gezogen. Und es gibt
keinen Grund anzunehmen, dass der Zwei-                            Die Art wurde deshalb in der Roten
punkt von allen nachgewiesenen oder ver-                           Liste Sachsen in die Kategorie 2,
muteten Faktoren – oder wenigstens eini-                           stark gefährdet, eingeordnet.
gen – nicht betroffen sein sollte. Nähere
Untersuchungen liegen für unsere Art bisher
nicht vor. Der drastische Rückgang des
Zweipunktes ist aber eindeutig.

Larve des Asiatischen Marienkäfers (Harmonia axyridis) beim Angriff auf eine Puppe.
Foto: E. Wachmann

                                                                          Wird der Zweipunkt aussterben? | 21
Marienkäfer brauchen
­unsere Hilfe

Was kann man tun, außer der Beobach-          Wenn jeder in seinem Verantwortungsbe-
tung und Registrierung des Vorganges?         reich dem Schutz der Natur Vorrang ge-
Einige Vorschläge für jedermann, die aber     währen würde, wäre schon viel gewonnen.
großräumige Ansätze nicht ersetzen kön-
nen, sind:                                    Wenn jeder im Kleinen, in seinem Garten
                                              oder anderswo durch blühende Wiesen oder
█   Bei der Gartengestaltung auf blühende     naturbelassene Gartenbereiche Lebensräu-
    Wiesenteile achten. Nicht überall muss    me für Insekten erhält oder schafft, wäre
    der Rasen wöchentlich gemäht werden.      noch mehr gewonnen.
    Rasenroboter töten viele Insekten.
                                              Wenn jeder, der sich für die Vielfalt der
█   Zweipunkte brauchen vor allem im          Natur interessiert, die Zerbrechlichkeit un-
    Frühjahr Pollen. Heimische Pflanzen im    serer Schatzkammer anderen vermittelt,
    Garten können helfen.                     wäre noch viel mehr gewonnen.

█   Teile des Gartens sollen naturbelassen    Wenn es gelingt, den Kindern frühzeitig
    sein. Vor allem „wilde Ecken“ mit mehr-   die Augen zu öffnen, ihr noch unverstelltes
    jährigen Krautpflanzen sollten belassen   Gemüt mit der Liebe zur Natur zu erfüllen,
    oder angelegt werden.                     wäre das meiste gewonnen. Denn sie wer-
                                              den später fragen, was wir Älteren damals
█   Winterquartiere sind wichtig und feh-     – also heute – unternommen haben, und sie
    len oft. Der Zweipunkt überwintert gern   sind diejenigen, die endlich grundsätzliche
    unter loser Borke. Man kann aus Bret-     Veränderungen nicht nur mit Worten an-
    tern vergleichbares basteln.              mahnen, sondern sie konsequent umsetzen
                                              müssen.
█   Blattläuse sollten nicht immer be-
    kämpft werden, schon gar nicht auf
    chemischem Wege. Zweipunkte brau-
    chen sie.

22 | Marienkäfer brauchen ­unsere Hilfe
Bitte melden!

Zweipunkt (Adalia bipunctata), schwarze Form, Foto: I. Altmann

Kenntnisse über aktuelle Vorkommen des                      LfULG
Zweipunkt-Marienkäfers sind für wirksame                    Ref. 62 Artenschutz
Maßnahmen zum Schutz des Lebensraums                        Stichwort „Zweipunkt“
unverzichtbar! Bitte melden Sie daher Be-                   Pillnitzer Platz 3
obachtungen dieses Marienkäfers an das                      01326 Dresden
Sächsische Landesamt für Umwelt, Land-                      artenerfassung.lfulg@smekul.sachsen.de
wirtschaft und Geologie!
                                                            Es stehen Ihnen auch weitere Möglichkeiten
Wenn Sie einen Zweipunkt-Marienkäfer                        zur Verfügung, Beobachtungen oder Funde
entdeckt haben, dann schreiben Sie uns                      an das LfULG zu übermitteln. Weiteres er-
Ihre Beobachtung mit Anzahl, Ort, Datum                     fahren Sie unter:
sowie Angaben zum Fundort, wenn möglich                     https://www.natur.sachsen.de/zweipunkt-
mit Foto, per Post oder E-Mail an:                          marienkaefer.html

                                                                                      Bitte melden! | 23
Literatur

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                                                          gen Sächsischer Entomologen 39 (133), S. 14-24.
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                                                          schaften Magdeburg. 175 Seiten, 96 Abbildun-
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                                                          gen, 2 Farbtafeln.
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24 | Literatur
Nützliches zum Weiterlesen

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für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Sammelreihe              und Geologie, Sammelreihe Natur und Landschaft,
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 https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/23861              https://publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/28754

Voigt, H. (2018): Wiesenknopf-Ameisenbläuling –                  Sy, T. & Meyer, F. (2020): Kreuzkröte und Wechselkröte –
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 Landwirtschaft und Geologie, Sammelreihe Natur und              für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Sammelreihe
­Landschaft, Heft 5, 28 S.                                       Natur und Landschaft, Heft 6, 21 S.
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                                                                                   Nützliches zum Weiterlesen | 25
Herausgeber:
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Prof. Dr. sc. nat. Dr. rer. nat. h. c. Bernhard Klausnitzer
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Postfach 202731
01193 Dresden
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Foto:
Zweipunkt (Adalia bipunctata), I. Altmann
Gestaltung und Satz:
Serviceplan Solutions 1 GmbH & Co. KG
Druck:
Stoba-Druck GmbH
Redaktionsschluss:
15.09.2021
Auflage:
15.000 Exemplare
Papier:
Gedruckt auf 100 % Recycling-Papier
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