AG 1: Aktuelle Entwicklungen im Asyl- und Ausländerrecht - "Refugees (still) in orbit?!" Tagung des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg
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AG 1: Aktuelle Entwicklungen im Asyl- und Ausländerrecht – „Refugees (still) in orbit?!“ Tagung des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg – Stuttgart, 13. April 2019 – Sebastian Röder (Flüchtlingsrat BW)
Überblick Aktuelle Zahlen mit Exkurs zum Familienasyl Aktuelle Gesetzgebung o In Kraft Mitwirkungspflichtgesetz für Anerkannte o Laufende Gesetzgebungsverfahren Gesetz über Duldung bei Beschäftigung und Ausbildung (= Schwerpunkt) „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ Geordnete Rückkehrgesetz (BMI) 3. Asylbewerberleistungsänderungsgesetz (BMAS) Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz (BMAS) Entfristung Integrationsgesetz (IM/Bundesregierung) Syrien: Aktuelle Rechtsprechung und Verwaltungspraxis Wenn die Zeit reicht (was nicht der Fall sein wird) o Update Familiennachzug zum umF Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 2
Bedeutung des Familienasyls (§ 26 AsylG) Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 7
Was ist eigentlich Familienasyl (§ 26 AsylG) Grundgedanke Asylrecht: Gewährung von Schutz vor individuell drohenden Gefahren Europarechtlicher Hintergrund: Art. 23 QRL Familienasyl: Zuerkennung eines Schutzstatus ohne Prüfung einer individuellen Gefahr an Mitglieder der „Kernfamilie“ o Abgeleiteter, aber vollwertiger Status Zweck und Rechtfertigung: Verwaltungsvereinfachung (keine aufwändige individuelle Prüfung bei eng verknüpften Verfolgungsschicksalen), Familieneinheit, Erleichterung der „Integration“ im Gleichschritt (mindestens) Anspruch auf Zuerkennung desselben Status an das Familienmitglied o Familienasyl kann sich nur zum Vorteil des Asylantragstellers auswirken o Aber: Kein Anspruch auf Prüfung individueller Fluchtgründe, wenn Voraussetzungen für Familienflüchtlingsschutz vorliegen (kein Anspruch aus einem ganz bestimmten Grund als Flüchtling anerkannt zu werden) o Aber: individuelle Prüfung des besseren Status immer erforderlich o Individuelle Fluchtgründe auf jeden Fall vortragen! Familienasyl gilt nur für subsidiären Schutz, Flüchtlingseigenschaft, Asylberechtigung o Kein Familienasyl, wenn Stammberechtigter nur nationales Abschiebungsverbot hat (Mindest-)Voraussetzung: Ein Mitglied der „Kernfamilie“ besitzt einen unanfechtbaren Schutzstatus Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 8
Familienasyl (§ 26 AsylG) Welche Familienmitglieder sind berechtigt? o Ehegatten/Lebenspartner (Abs. 1) -> Ehegattenasyl Wenn Ehe bereits im Verfolgerland bestanden hat (§ 26 I 1 Nr. 2 AsylG) Unterschiedliche Staatsangehörigkeit unschädlich (VG Karlsruhe, U. v. 8.3.2019 – 8 K 3475/17) o Minderjährige ledige Kinder (Abs. 2) -> Kinderasyl Eltern-Kind-Verhältnis muss nicht schon im HKL bestanden haben Gilt auch für in Deutschland geborene Kinder Auf Personensorge des Stammberechtigten kommt es anders als beim Elternasyl nicht an (VG Karlsruhe, U. v. 8.3.2019 – 8 K 3475/17) Aber: keine Ableitung, wenn Stammberechtigter „nur“ Familienasyl hat (§ 26 IV 2 AsylG) o Minderjährige ledige Geschwister eines minderjährigen Schutzberechtigten (Abs. 3 S. 2) -> Geschwisterasyl Europarechtlich nicht gefordert, aber erlaubt (Art. 23 V QRL) o Eltern eines minderjährigen ledigen Kindes/sonstige personensorgeberechtigte Erwachsene (Abs. 3 S. 1) -> Elternasyl Minderjährigkeit bei Asylantragstellung der Eltern entscheidend Anspruch setzt Stellung eines Asylantrags im Bundesgebiet voraus o Keine Geltendmachung vom Ausland aus möglich o Es ist ein ganz normales Asylverfahren! (Es gibt kein spezielles Familienasylverfahren) P: Persönliche oder schriftliche Asylantragstellung o Grundsatz: Persönliche Asylantragstellung bei Außenstelle (§ 14 I AsylG) o Ausnahmen in § 14 II AsylG geregelt -> schriftliche Asylantragstellung Häufig § 14 II Nr. 1 und/oder Nr. 3 AsylG einschlägig Nr. 1: Antragsteller besitzt AE mit Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten Nr. 3 Asylantragsteller minderjährig + gesetzlicher Vertreter ist nicht verpflichtet, in LEA zu wohnen Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 9
Familienasyl (§ 26 AsylG) Achtung: (nur) bei Ehegatten-/Eltern-/Geschwisterasyl unverzügliche Asylantragstellung erforderlich o Unverzüglich = ohne schuldhaftes Zögern (≈ 2 Wochen; bei Exkulpation im Einzelfall aber auch mehr) o Bei Kinderasyl (§ 26 II AsylG) keine unverzügliche Asylantragstellung erforderlich Weitere Voraussetzung: Kein Widerruf des Status des Stammberechtigten o Asylantrag des Familienangehörigen kann Anlass zur Statusüberprüfung des Stammberechtigten sein Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 11
Familienasyl (§ 26 AsylG) Gründe für gestiegene Bedeutung Neugeborene von Personen mit Flüchtlingsschutz Personen die mit Visum zum Familiennachzug nach Deutschl. eingereist sind und dann hier einen Asylantrag stellen Gemeinsam eingereiste Familienmitglieder, über deren Asylantrag zu unterschiedlichen Zeitpunkten entschieden wird Asylfolgeanträge 2015 war Bedeutung geringer, weil es noch nicht so viele Familienmitglieder gab, die über einen unanfechtbaren Schutzstatus verfügten Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 12
Die Situation an den 4 Verwaltungsgerichten in BW Quelle: VGH Mannheim Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 13
Die Situation an den 4 Verwaltungsgerichten Quelle: VGH Mannheim Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 14
Die Situation an den 4 Verwaltungsgerichten Quelle: VGH Mannheim Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 15
Die Situation an den 4 Verwaltungsgerichten (2018) Quelle: VGH Mannheim Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 16
Die Situation am VGH Mannheim (2018) Quelle: VGH Mannheim Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 17
Die Situation am VGH Mannheim (2018) Quelle: VGH Mannheim Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 18
Abschiebungen BW (2018) (0) (15) (21) (850) (381) (25) (15) (4) (3450) (4) (419) Auskunft RP Karlsruhe; (312) Zahlen in Klammern 2017 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 19
Gambia Neuer E-Mail-Verteiler zum Erfahrungsaustausch Ab sofort gibt es einen E-Mail-Verteiler zum Thema "Gambia", der durch Ehrenamtliche im Helferkreis Breisach gepflegt wird. Personen, die sich um gambische Geflüchtete kümmern oder Interesse an Land und Leuten haben, sind eingeladen, Teil dieses E-Mail-Verteilers zu werden. Die Organisator*innen möchten in regelmäßigen Abständen Erfahrungen u.a. zu den Themen Abschiebungen, Umgang mit den Behörden, Asylverfahren, Beschaffung von Papieren, Arbeitsverbote, Vorsprache bei der gambischen Delegation beim Regierungspräsidium Karlsruhe sowie zu positiven Erfahrungen, z.B. bei der Erteilung von Ausbildungsduldungen, abfragen und weitergeben. Wenn Sie in den Verteiler aufgenommen werden möchten, können Sie sich an folgende E-Mailadresse wenden: gambia@helferkreis-breisach.de. Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 20
Neues zur neuen Ausbildungsduldung Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 21
Die Ausbildungsduldung Qualifizierte Ausbildung § 18a Ia AufenthG (zukünftig § 19d Ia AufenthG) Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 22
Ausbildungsduldung – Status Quo Ausbildungsduldung nur für qualifizierte Ausbildungen möglich Qualifiziert = mind. 2 Jahre (§ 6 I 2 BeschV, zukünftig: § 2 XIIa AufenthG) Alten-/Krankenpflegehelferausbildung → 1 Jahr (§ 3 I 1 APrOAltPflHi) Folge: aktuell keine Ausbildungsduldung möglich o In BW aber unter bestimmten Vorauss. Ermessensduldung möglich o Siehe Erlass vom 14.11.2018 Zukünftig sind Helferausbildungen von Ausbildungsduldung umfasst (§ 60b I Nr. 1b AufenthG-E) o Vorauss: Es muss schon eine Ausbildungszusage für eine daran anschließende Pflegeausbildung vorliegen EQ ist weiterhin nicht von Ausbildungsduldung umfasst o In BW derzeit auch unter bestimmten Vorauss. Ermessensduldung möglich o Siehe Erlass vom 14.11.2018 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 23
Die neue Ausbildungsduldung (§ 60b AufenthG) – Überblick Im Wesentlichen Kodifikation der bisherigen Rspr. zur Ausbildungsduldung o Ausbildungsduldung erhält eigenen Paragraphen -> § 60b AufenthG-E (wird wahrscheinlich noch um einen Paragraphen nach hinten „rutschen“) o Zusätzlich (verschärfte) Ausschlussgründe des § 60a VI AufenthG mitdenken Zukünftig differenziert das Gesetz, ob Ausbildungsaufnahme im Status der Aufenthaltsgestattung oder erst im Status der Duldung aufgenommen wurde/werden soll Erleichterungen o Erweiterung auf anschlussfähige Assistenz- und Helferausbildungen Aber: nur wenn bereits Zusage für anschließende qualifizierte Berufsausbildung vorliegt Abgeschlossene Helferausbildung allein schützt nicht o Wenn Anspruch auf Ausbildungsduldung besteht, muss auch Beschäftigungserlaubnis erteilt werden Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 24
Die neue Ausbildungsduldung (§ 60b AufenthG) – Überblick Verschärfungen o Ausbildungsduldung setzt grds. vorherige Identitätsklärung voraus Es kommt nicht mehr auf Ursächlichkeit der ungeklärten Identität für die Undurchführbarkeit der Abschiebung an o Identität muss innerhalb bestimmter Frist nach Einreise geklärt sein Erhöhter Druck, schon während des Asylverfahrens Identität zu klären P: Man muss sich „ins Blaue hinein“ abschiebbar machen je nach Einreisedatum unterschiedliche Fristen Bei Personen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes (vorauss. 1.1.2020) einreisen, muss die Identität grds. innerhalb von sechs Monaten nach der Einreise geklärt sein Frist gilt als gewahrt, wenn der Betroffene fristgerecht alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zur Identitätsklärung ergriffen hat und die Identität erst später geklärt wird Kontaktaufnahme mit potenziellem Verfolger im Status der Aufenthaltsgestattung unzumutbar o Bei ungeklärter Identität trotz Vornahme aller erforderlichen und zumutbaren Handlungen, Ermessensentscheidung, ob Ausbildungsduldung erteilt wird o Dasselbe gilt m.E., wenn Identität (schuldhaft) verspätet geklärt wird Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 25
Die neue Ausbildungsduldung (§ 60b AufenthG) – Überblick Beispiel G aus Gambia ist am 1.1.2020 in Deutschland eingereist und stellt am 3.1.2020 einen Asylantrag. Er gibt wahrheitsgemäß an, keinerlei Identitätspapiere zu besitzen. Diese kann er nur mit Hilfe gambischer Behörden beschaffen. Am 3.3.2020 lehnt das Bundesamt den Asylantrag als unbegründet ab. Hiergegen erhebt G fristgerecht Klage. Am 3.5.2021 nimmt G eine Ausbildung zum Maler und Lackierer auf. Die Asylantragsablehnung wird durch das Verwaltungsgericht bestätigt und am 3.11.2021 rechtskräftig. Er fragt Sie, ob er einen Anspruch auf die Ausbildungsduldung hat, wenn er sich jetzt unverzüglich um die Beschaffung einer Geburtsurkunde/eines Passes bemüht. Abwandlung G besitzt eine Geburtsurkunde, verschweigt dies jedoch bei der Anhörung. Nachdem er die Ausbildung am 3.5.2021 aufgenommen hat, will er die Geburtsurkunde vorlegen, fragt Sie aber vorher, ob er bei Asylantragsablehnung dann abgeschoben werden könne. Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 26
Die neue Ausbildungsduldung (§ 60b AufenthG) – Überblick Ausschluss sicherer HKL auch bei Nichtstellung/Rücknahme eines Asylantrags o Ausnahme bei Erwachsenen: Rücknahme ist Folge einer Beratung des Bundesamts insbes. iRd Anhörung These: Ausschlussgrund wird zu unnötigen Asylanträgen führen o Ausnahme bei umA Nichtstellung/Rücknahme des Asylantrags erfolgte im Interesse des Kindeswohls (bei umA) o Ablehnung der Ausbildungsduldung bei Rechtsmissbrauch Gefahr vorschneller Bejahung Gesetzesbegründung nennt nicht vorhandene Sprachkenntnisse als Bsp. für „Scheinausbildung“ Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 27
Die neue Ausbildungsduldung (§ 60b AufenthG) – Überblick Wenn Ausbildung erst im Status der Duldung beginnt, gilt zusätzlich Folgendes: o Sechsmonatiger Vorbesitz einer Duldung Voraussetzung für die Ausbildungsduldung Maßgeblicher Zeitpunkt: Beantragung der Ausbildungsduldung Duldungsgrund, der nicht auf ungeklärter Identität beruht Wenn möglich, Ausbildung schon mit Aufenthaltsgestattung beginnen Ansonsten: Suche nach „Überbrückungsstrategien“ Bei Familien -> der Beschäftigte erhebt keine Klage, der Rest schon? o Konkrete aufenthaltsbeendende Maßnahmen stehen nicht bevor Maßgeblicher Zeitpunkt: Beantragung der Ausbildungsduldung Konkret = hinreichender räumlicher + zeitlicher Zusammenhang mit der Abschiebung Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 28
Die neue Ausbildungsduldung (§ 60b AufenthG) – Überblick o Abschließende Aufzählung der Maßnahmen im Gesetz Dublin-Fälle Ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit veranlasst Antrag auf Förderung für freiwillige Ausreise gestellt Buchung für Transportmittel eingeleitet Einleitung vergleichbar konkreter Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung Ausbildungsduldung kann bereits sechs Monate vor tatsächlichem Ausbildungsbeginn erteilt werden Antrag kann frühestens sieben Monate vor Ausbildungsbeginn gestellt werden Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 29
Die neue Ausbildungsduldung (§ 60b AufenthG) – Überblick Ablehnung der Ausbildungsduldung bei offensichtlichem Missbrauch o Gefahr vorschneller Bejahung o Nicht vorhandene Sprachkenntnisse in Begründung als Bsp. für Scheinausbildung Wenn alle Voraussetzungen vorliegen, Anspruch auf Ausbildungsduldung, wenn Eintragung in Lehrlingsrolle erfolgt/beantragt bzw. Zustimmung der staatlichen/staatlich anerkannten Bildungseinrichtung erteilt Bei Ausbildungsabbruch besteht Mitteilungspflicht der Bildungseinrichtung ggü. der Ausländerbehörde o Bislang: (nur) Ausbildungsbetrieb o Frist: idR 1 Woche; Form: schriftlich/elektronisch (Weiterhin) offene Baustellen o Nach wie vor nur „Duldung“, systemkonsistent wäre eine Aufenthaltserlaubnis o Aufenthaltsrecht/Abschiebungsschutz für Familienangehörige des Azubis o Anspruch auf Aufhebung der Wohnsitzauflage o Auslandsreisen nicht möglich (§ 60a V 1 AufenthG) Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 30
Die neue Beschäftigungsduldung (§ 60c AufenthG) 30 Monate Beschäftigungsduldung § 25b Abs. 6 AufenthG-E Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 31
Die neue Beschäftigungsduldung (§ 60c AufenthG) Einführung einer neuen Spurwechselmöglichkeit für nachhaltig Beschäftigte o Duldung nach § 60c AufenthG-E für 30 Monate wird wahrscheinlich noch um einen Paragraphen nach hinten „rutschen“ o Danach Aufenthaltslegalisierung über § 25b VI AufenthG-E bewirkt Verkürzung des ansonsten regelmäßig erforderlichen Voraufenthalts von 8/6 Jahren o Weiterer Ausweg aus der „Duldungssackgasse“ Aber: befristet bis zum 1. Juli 2022 o Duldungsanspruch erfasst auch Ehegatten und minderjährige ledige Kinder in familiärer Lebensgemeinschaft Ehegatte/Kind muss nicht erwerbstätig sein und erhält trotzdem Beschäftigungsduldung P: Zu welchem Zeitpunkt muss man minderjährig sein? Aber: wechselseitige Zurechnung von Ausschlussgründen Auf Formulierung im Gesetz achten, welche Voraussetzungen für beide gelten Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 32
Die Beschäftigungsduldung (§ 60c AufenthG) – Voraussetzungen Zwingende Identitätsklärung innerhalb bestimmter Fristen bzw. bestmögliches Bemühen darum o Kontaktaufnahme mit Behörden des HKL während Gestattung nicht zumutbar Gleichzeitig: 12 Monate Vorbesitz Duldung o Gilt nur für den ausreisepflichtigen Ausländer o Suche nach „Überbrückungsstrategien“ o Kurzfristige Unterbrechungen unschädlich Seit mind. 18 Monaten sozialversicherungspflichtige Beschäftigung o mind. 35 Stunden/Woche o Bei Alleinerziehenden 20 Stunden/Woche o Wegen zwölfmonatigem Duldungsvorbesitz max. sechs Monate aus Gestattungszeit anrechenbar o Kurzfristige Unterbrechungen unschädlich Lebensunterhalt war in den letzten 12 Monaten durch Beschäftigung gesichert o Achtung: laut Gesetzesbegründung muss nur der LU des Ausländers in Beschäftigung gesichert sein, d.h. keine Betrachtung der Bedarfsgemeinschaft Lebensunterhalt ist aktuell durch Beschäftigung gesichert o Achtung: laut Gesetzesbegründung muss nur der LU des Ausländers in Beschäftigung gesichert sein, d.h. keine Betrachtung der Bedarfsgemeinschaft Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 33
Die Beschäftigungsduldung (§ 60c AufenthG) – Voraussetzungen A2-Deutschkenntnisse mündlich o Zum Nachweis siehe allgemeine Anwendungshinweise des BMI zu § 25b AufenthG Erfolgreicher Abschluss Integrationskurs, wenn Verpflichtung dazu bestand Nachweis tatsächlichen Schulbesuchs schulpflichtiger Kinder Keine Verurteilung wegen Vorsatzstraftat o Bei Eltern: nur Straftaten nach dem AufenthG/AsylG bis einschließlich 90 Tagessätze unschädlich Unterschied zur Ausbildungsduldung: Dort sind auch „normale“ Straftaten bis einschl. 50 Tagessätze unschädlich o Bei Kindern: Vorsatztaten nach BtMG + bestimmte anderer (schwerere) Straftaten o Relevante Verurteilung „infiziert“ die gesamte Familie Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 34
Die Beschäftigungsduldung (§ 60c AufenthG) – Voraussetzungen Rechtsfolge: Duldung für 30 Monate („Soll-Regelung“) für alle Familienangehörigen Zwingender Widerruf, wenn eine der Vorauss. nachträglich entfällt o Kein Anspruch auf Beschäftigungssuchduldung o Aber: Aus der Unbeachtlichkeit kurzfristiger Unterbrechungen folgt m.E. gewisse Schonfrist Und danach? Nach 30 Monaten Besitz der Beschäftigungsduldung -> Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG o Vorauss. § 60c AufenthG müssen weiter vorliegen o Wenn Möglichkeit zum Integrationskurs bestand, müssen auch schriftliche Deutschkenntnisse auf A2-Niveau nachgewiesen werden Es reicht, wenn ein Ehegatte es nachweist o P: Erteilung der AE für inzwischen volljährig gewordene Kinder o P: Erteilung der AE für im Status der Beschäftigungsduldung Neugeborene § 25b Abs. 6 verlangt dem Wortlaut nach von allen 30 Monate Vorbesitz der Beschäftigungsduldung („die im Besitz sind“) Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 35
Vorgriffsregelung Beschäftigungsduldung Pressemitteilung Landesregierung BW v. 27.3.2019 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 36
Vielleicht tut sich noch was… Quelle: EU-Informationen, Prof. Dr. Bergmann Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 37
Rspr. Syrien – A never ending story Flüchtlingsschutz oder subsidiärer Schutz? Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 38
Rspr. Syrien – A never ending story Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 39
Rspr. Syrien – A never ending story VG Karlsruhe, 11.12.2018, A 8 K 6301/17 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 40
Rspr. Syrien – A never ending story VGH BW, Urt. v. 27.3.2019 – 4 S 335/19 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 41
Rspr. Syrien – A never ending story Frage der Zukunft: subsidiärer Schutz oder nur nationales Abschiebungsverbot? Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 42
Syrien – Die (bisherige) „Standardentscheidung“ Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 43
Was ist eigentlich subsidiärer Schutz? § 4 AsylG Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: o 1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe o 2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder o 3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts Bezugspunkt: Herkunftsregion des Antragstellers Schaden muss durch einen bestimmten Akteur drohen Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 44
Warum hat das BAMF eigentlich subsidiären Schutz gewährt? Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 45
Bundesamtsbescheid Ende März 2019 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 46
Auszug aus einem Bundesamtsbescheid v. 29.3.2019 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 47
Auszug aus einem Bundesamtsbescheid aus März 2019 Begründung (Auszug) „Der vorliegend festgestellte Grad willkürlicher Gewalt erreicht nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Antragsteller allein wegen seiner Anwesenheit im Konfliktgebiet ohne weiteres Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden müsste. Nachdem das syrische Regime mit seinen Verbündeten insbesondere im letzten Jahr weite Teile des Landes erobert hat, kann derzeit nicht mehr für alle Landesteile Syriens von einem innerstattlichen Konflikt ausgegangen werden. Von Kampfhandlungen unterschiedlichen Umfangs betroffen sind nur noch Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir er-Zors sowie die Kurdengebiete. Nur in der Provinz Idlib herrscht noch ein innerstattlicher bewaffneter Konflikt mit einer Gefahrverdichtung für alle Zivilpersonen.“ Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 48
Bundesamt – Entscheidungspraxis Syrien Warum dann nationaler Abschiebungsschutz? Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 49
Was ist eigentlich nationaler Abschiebungsschutz? § 60 Abs. 5 AufenthG Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (= EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Art. 3 EMRK Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Nach der Rspr. des EGMR können auch außergewöhnlich schlechte humanitäre Bedingungen eine unmenschliche Behandlung begründen. Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 50
Auszug aus einem Bundesamtsbescheid aus März 2019 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 51
Aktuelle Entwicklungen Syrien Grund zur Panik? Nein! Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 52
Zurück zur Entscheidung des VGH BW VGH BW, Urt. v. 27.3.2019 – 4 S 335/19 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 53
Zurück zur Entscheidung des VGH BW Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 54
Zurück zur Entscheidung des VGH BW Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 55
Rechtsprechung Syrien Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 56
Elternnachzug zum umF (§ 36 I AufenthG) Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 57
Elternnachzug zum anerkannten umF Entscheidung des EuGH v. 12.4.2018 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 58
Elternnachzug zum anerkannten umF Ein unbegleiteter Minderjähriger, der während des Asylverfahrens volljährig wird, behält sein Recht auf Familienzusammenführung, wenn er bei Asylantragstellung minderjährig war und danach als Flüchtling anerkannt wird Der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Familienzusammenführung ist nicht maßgeblich, da diese dann von der behördlichen Bearbeitungsdauer abhinge mit der Folge von Fehlanreizen Der Antrag auf Familienzusammenführung muss innerhalb einer angemessenen Frist gestellt werden, und zwar grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab dem Tag, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkannt worden ist. „Forever young limited edition“ Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 59
Übertragbarkeit auf Deutschland? OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.4.2018 (OVG 3 M 23.18) „Es spricht alles dafür, dass die Rspr. des BVerwG, wonach der Nachzugsanspruch der Eltern zum unbegleiteten minderjährigen Flüchtling nach § 36 I AufenthG nur bis zu dem Zeitpunkt besteht, zu dem das Kind volljährig wird, im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des EuGH der Überprüfung bedarf.“ OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 4.9.2018 (OVG 3 S 47.18.OVG 3 M 52.18) „Nach dem Urteil des EuGH ist die FamilienzusammenführungsRiL dahin auszulegen, dass ein Drittstaatsangehöriger, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und der Stellung seines Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als „Minderjähriger“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist. In einem solchen Fall besteht der Anspruch auf Familienzusammenführung fort und erlischt nicht mit der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes.“ VG Berlin, Urt. v. 1.2.2019 (15 K 936.17 V) „Im Ergebnis ist deshalb festzustellen, dass die zitierte Entscheidung des EuGH vom 12. April 2018 für alle Mitgliedstaaten verbindlich vorgibt, dass ein anerkannter Flüchtling, der bereits während des Asylverfahrens volljährig geworden ist, als „Minderjähriger“ im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie anzusehen ist.“ VG Berlin, Urt. v. 30.1.2019 (20 K 538.17 V) „Die Auslegung des EuGH ist für alle Mitgliedstaaten bindend, auch wenn die Entscheidung auf das Vorabentscheidungsersuchen eines niederländischen Gerichts ergangen ist. Sie ist bei der Anwendung des § 36 I zu berücksichtigen mit der Folge, dass im Falle des Nachzuges zu einem unbegleiteten Flüchtling für die Frage der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Stellung des Asylantrages abzustellen ist.“ Das VG Berlin hat die Sprungrevision zum BVerwG zugelassen! Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 60
Nachgezogene Eltern Verlängerung der AE der Eltern bei Eintritt der Volljährigkeit des Kindes? § 36 I AufenthG „Den Eltern eines minderjährigen Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält.“ Alte Rspr. BVerwG: Keine Verlängerung bei Eintritt der Volljährigkeit OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.12.2018 (OVG 3 S 98.18) „Mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. April 2018 spricht Überwiegendes dafür, dass die Mutter der Antragstellerin nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet trotz zwischenzeitlichen Eintritts der Volljährigkeit ihres Sohnes einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 1 AufenthG haben wird.“ VG Berlin, Urteil vpm Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 61
Nachgezogene Eltern Und was sagt die Bundesregierung? Quelle: BT-Plenarprotokoll, 22.3.2019 Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 62
– Ende – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 63
– Hinweis – Stuttgart, 13.4.2019 Plenum Flüchtlingsrat Baden-Württemberg 64
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