C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017

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C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
C 3428

Zeitschrift der GEW Hamburg
Juli-August 7-8/2017
C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
innen nun gelungen, einen ersten
                                                                                Aufschlag mit einer Broschüre
                                                                                für den Gesundheitsschutz an
                                                                                Schulen zu machen. Das „Care-
hlz-Notiz 
                                                                                Paket“ versammelt rechtliche
                                                                                Grundlagen, gewerkschaftspoli-
                                                                                tische Tipps für die Umsetzung
                                                                                in den Schulen und erste Anlauf-
                                                                                stellen, die sich mit dem Thema
                                                                                befassen. Außerdem laden die
                                                                                GEW-Gesundheitsexpert_innen
                                                                                in Zusammenarbeit mit der ge-
                                                                                werkschaftlichen Bildung für den
                                                                                10. Oktober zum Fachtag „Ge-
                                                                                sundheitsschutz an Schulen ver-
    Bevor für viele die Ferien be-        gendliche mit herausforderndem        ankern“ ein.
 ginnen oder es in den Sommerur-          Verhalten gemeinsam mit ande-            Auf den Zusammenhang von
 laub geht, möchten wir auf eini-         ren Schüler_innen ihre Potentiale     Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit
 ges hinweisen, was in der ersten         entwickeln?“ Als GEW sind wir         und Gesundheit machen wir im-
 Jahreshälfte erfolgreich auf den         Mitgründer des Bündnisses‘ und        mer wieder aufmerksam. Aus
 Weg gebracht wurde und nun ge-           unterstützen die Fachtagungen         diesem Grund sei hier auch noch
 meinsam weiter entwickelt wird.          ganz besonders.                       einmal auf die Dienstvereinba-
    Gemeinsam mit zehn weite-                Wir werden weiter an dem           rung (DV) Ganztag hingewiesen.
 ren Verbänden und Organisa-              Thema „JA13“ dran bleiben.            Die DV Ganztag setzt gemeinsa-
 tionen haben wir erreicht, dass          Unsere Forderung in Hamburg,          me Rahmenbedingungen für die
 das Gutachten der Expert_in-             aber auch bundesweit heißt: alle      Lehrkräfte-Arbeitszeit und garan-
 nenkommission zur „Reform der            Lehrkräfte mit vollständiger Aus-     tiert damit angemessene Arbeits-
 Lehrerbildung“ nicht ohne die            bildung sollen mit der Eingangs-      bedingungen für alle Lehrkräfte
 entsprechenden Akteur_innen              besoldung bzw. dem Eingangs-          an Hamburger Schulen.
 in diesem Bereich stehen bleibt.         entgelt A13 bzw. E13 beginnen.           Zu guter Letzt sei noch unsre
 Über 80 Stellungnahmen sind bei          In Berlin hat man den Schritt         Vertrauensleuteversammlung am
 den Behörden (BSB und BWFG)              gemacht. In Hamburg freuen wir        10. Juli erwähnt. Wir wollen uns-
 eingegangen und nun wurde zu             uns, dass die Schulleitungen von      ren Gewerkschaftstagbeschluss
 einer Tagung am 28.6.2017 ein-           kleinen Grundschulen auf A14/         vom April mit Leben füllen und
 geladen, um mit allen zu disku-          E14 aufgewertet wurden. In die-       laden alle Vertrauensleute zur
 tieren. Als GEW haben wir eine           sem Zusammenhang kommen               Vertrauensleuteversammlung ins
 Stellungnahme entwickelt und             wir gerne in eure Schulen und in-     Curiohaus ein! Wir wollen bera-
 gemeinsam mit zehn weiteren
 Akteur_innen Eckpunkte (s. S. 37)        Anja Bensinger-Stolze, Fredrik Dehnerdt,
 erarbeitet, in denen der gemein-
 same Nenner deutlich wird.
                                          Sven Quiring
    Nach der Anerkennung der
 Volksinitiative „Gute Inklusion für      Viel bewegt – Weiter mit
 Hamburgs SchülerInnen“ ist sie
 im Schulausschuss der Bürger-            großer Solidarität!
 schaft am 11.7.2017 eingeladen,
 um ihre Forderungen vorzustel-           formieren darüber, um bei Bedarf      ten, was an den Schulen los ist
 len. Das Bündnis für schulische          auch den Druck auf die Straße zu      und wie wir nach den Ferien ge-
 Inklusion lädt zum dritten Mal in        bringen. Es ist wichtig, den Willen   meinsam mit den Betriebsgrup-
 Folge im Oktober zu einer Fach-          der Beschäftigten für diese Auf-      pen unsre Ziele durchsetzen kön-
 tagung ein. Diesmal geht es am 6.        wertung deutlich zu machen.           nen. Wir wünschen Euch schöne
 und 7. Oktober um die Fragestel-           Nach einiger Anstrengung ist        Ferien und einen erholsamen
 lung: „Wie können Kinder und Ju-         es den GEW-Gesundheitsexpert_         Sommerurlaub!

 hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017                                                                     3
C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
Fotos: hlz
                                                                  GEW
                                                                  DV-Ganztag
                                                                  Es rappelt im Karton —————————————————  11
                                                                  Die Offene Liste ————————————————————— 15
                                                                  Kita 1

                                                                  Kein Jubel ————————————————————————— 16
                                                                  Kita 2

                                                                  Taktlos ———————————————————————————— 20
                                                                  PTF

                  Auftaktdemo am 2.7. Rathausmarkt

                                                                  Untersuchungen eingeleitet ———————————— 57
                                                                  Verbandsgeschichte

             G 20                                     Seite 8
             Von wegen unpolitische Jugend! Interview mit
             zwei Aktivistinnen, die den Bildungsstreik am 7.
                                                                  Magazin
             Juli mit organisierten.                              G20
                                                                  Schüler_innenstreik ——————————————————   8
             Kitas                                  Seite 16
                                                                  Rechte von Kindern und Jugendlichen ——— 30
             Entgegen den Erfolgsmeldungen des Senats: die        Migrant_innen 1
             Personalsituation in den Kitas ist immer noch pre-
             kär. Die Betroffenen reden über die Planung einer
                                                                  Fördern oder ausgrenzen? ————————————— 32
             Volksinitiative, die der Forderung nach 25 Prozent   Migrant_innen 2
             mehr Personal die notwendige Schubkraft geben
             soll.
                                                                  Fluchtursachen —————————————————————— 34
                                                                  Migration

             PTF                                    Seite 20
                                                                  Bogotá ———————————————————————————— 38
             Eine Dienstzeitverordnung steht immer noch aus.      Lesespaß
             Die Kolleg_innen befürchten eine Verschlechte-
             rung ihrer Arbeitsbedingungen, nicht zuletzt, weil

                                                                  Altersarmut ———————————————————————— 44
             die Berücksichtigung der jeweiligen Fachlichkeit     Rente
             durch allgemeine Regelungen unterzugehen droht.

                                                                  45 Jahre Berufsverbote ——————————————— 45
             Flucht und Migration                   Seite 30      Radikalenerlass
             Die Rechte geflüchteter Kinder und Jugendlicher
             sind durch die Internationale Kinderrechtskon-
                                                                              ———————————————————————— 46
             vention festgeschrieben. Die Wirklichkeit bleibt     Lesung
             dahinter zurück – wie Sachverständige berichten.     Diti Ronen —

                                                                  Zum Tod von Angelika Fiedler ————————— 48
                                                                  Nachruf

                                                                  Rechte Gewalt —————————————————————— 49
                                                                  Graphic Novel

                                                                  Walter Bärsch ——————————————————————— 50
                                                                  Nazibiographie 34

                                                                  Stein des Anstoßes ——————————————————— 56
                                                                  Gewalt

                                                                  Geschichtsdebatte ——————————————————— 58
                                                                  Veranstaltungsreihe

              4                                                               hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017
C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
Titel
Behörde
Es rappelt im Karton —————————————————       21

Bildungspolitik                                   DV-Ganztag                              Seite 11
                                                  Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen Be-
Arbeitsbelastung
Klandestines Verhältnis —————————————— 14         hörde und dem Gesamtpersonalrat gibt es nun
                                                  endlich ein Regelwerk für die Arbeitszeiten der
                                                  Kolleg_innen an Ganztagsschulen. Was eigentlich
                          ———————————— 18
Armut
Inklusion als Facette —————                       eine Selbstverständlichkeit sein sollte, stößt aber
                                                  nach Meinung einzelner Schulleitungen bereits an
                                                  die Grenzen der Belastbarkeit so mancher selbst-
Fake News ————————————————————————— 23
Schule/Beruf
                                                  verwalteten Schule. Jetzt Kolleg_innen gilt es,
                                                  eure Rechte einzufordern!

                    —————————————————— 26
Sozialpädagogik
Füllhorn verstopft —                              Lehrstellen                             Seite 23
                                                  Eine Erfolgsmeldung jagt die nächste! Wenn man
Interview —————————————————————————— 27
Prekäre Beschäftigung                             Handels-, Handwerkskammer oder dem Bürger-
                                                  meister Glauben schenkt, dann gibt es keine Prob-
                                                  leme bei der Lehrstellensuche. Ein genauerer Blick
Gemeinsame Erklärung——————————————— 37
Lehrer_innenbildung                               auf die Zahlen führt zur Ernüchterung.

                                                  Rente                                   Seite 44
Weltkindertag——————————————————————— 60
fair childhood
                                                  Noch rechtzeitig vor den Wahlen legt die GEW
                                                  den Finger in die Wunde. Eine Veranstaltung zum
                                                  Thema mit Parteienvertreter_innen wird nicht arm
                                                  an Lippenbekenntnissen sein, aber vielleicht dazu
                                                  taugen, die Sensibilität gegenüber dem Thema zu
                                                  steigern.
Rubriken                                          Lesung                                  Seite 46
                                    3
hlz-Notiz                                         Die israelische Künstlerin Diti Ronen beeindruck-
——————————————————————————————————                te an Schulen und in der GEW ihre Zuhörer_innen
                                                  durch ihre Lyrik, die sowohl einen Einblick in die
Leser_innenbriefe / Nachrichten
——————————————————————————————————  6             Geschichte zuläßt als auch Reflexionen zu aktuel-
                                                  len Bezügen bietet.

—————————————————————————————————— 61
Rätsel

—————————————————————————————————— 62
GEW-Termine

—————————————————————————————————— 62
Impressum

—————————————————————————————————— 63
gb@-Seminare

—————————————————————————————————— 64
Aus dem Unbehagen...

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017                                                        5
C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
Leser_innenbriefe an: hlz@gew-hamburg.de
Leser_innenbriefe/Nachrichten c
                                                                                  (wir belassen ggf. alte Schreibung)
                                                                                 Die Redaktion behält sich das Recht auf Kürzungen vor

                                                        Wo sind sie?                        oberste Luftwaffengeneral der         Zum Bismarckhering
                                                                                            NATO in Europa ist sogar ein
                                                        hlz 5-6/2017                        Einwanderer der 1. Generation         hlz 5-6/2017, S. 43f
                                                           Habe ich mich ja doch ge-        in die USA.                              Auf Mélenchon und sein
                                                        wundert, dass die letzte Ausgabe       Also statt – offensichtlich        Buch „Le hareng …“ hinzu-
                                                        nichts zu dem erschrecken-          fruchtloser – Demokratieberie-        weisen, finde ich sinnvoll,
                                                        den Ergebnis der Erdoğan-           selung im Unterricht: Wo sind         doch hätte ich es hilfreich ge-
                                                        Abstimmung zu sagen hatte,          die Deutsch-Türken, -Polen,           funden, einen eigenständigen
                                                        als in Deutschland 63 Prozent       -Italiener, -Russen im Vorstand       Artikel zu publizieren, denn
                                                        und in Hamburg 57 Prozent der       der GEW in Hamburg und im             schließlich gibt es in Hamburg
                                                        hiesigen Türkischstämmigen für      Bund? Wo sind sie im Hambur-          Kolleg*innen mit den Fächern
                                                        eine nicht sehr feine Diktatur      ger Senat?                            Französisch und Geschichte
                                                        stimmten: wie die Lämmer zur                        Mit besten Grüßen     oder Politik.
                                                        Schlachtbank. Unsere türkisch-                      THOMAS MARTINI           Was Mélenchon zu Deutsch-
                                                        stämmigen Einwohner_innen                                                 land schreibt, ist inhaltlich im
                                                        sind doch inzwischen in der         Fauxpas?                              Einzelnen (also auf der Bei-
                                                        4.Generation hier ansässig und                                            spielebene) zwar nicht falsch,
                                                        haben aber doch nichts von          hlz 5-6/2017, S. 34                   greift sich aber – passend zum
                                                        Deutschlands liberaler Demo-           Als HH-Pensionär lese ich die      Charakter eines Pamphlets - nur
                                                        kratie verinnerlicht? Wie konnte    hlz immer noch regelmäßig und         das heraus, was dazu passt und
                                                        auch Hamburger Lehrer_innen         finde, dass es immer noch eine        verkürzt immer wieder, auch ir-
                                                        und Dozent_innen diese Gei-         gute Gewerkschaftszeitung ist.        reführend. Es sollte zudem nicht
                                                        steshaltung ihrer Schüler- und      Kompliment!                           übersehen werden, dass diese
                                                        Student_innen so überhaupt             Aber bitte schön, was soll         Kampfschrift gleichzeitig ein
                                                        nicht auffallen, so entgleiten?     der Ausdruck „Sozial schwa-           Begleittext zu seiner Präsident-
                                                        Nützt die Demokratie-Instrukti-     che Stadtteile“ auf S. 34 unten       schaftskandidatur ist und, neben
        hlz · Rothenbaumchaussee 15 · 20148 Hamburg
                 hlz@gew-hamburg.de · Tel. 4 50 46 58

                                                        on in der Schule so sehr wenig,     rechts? Könnt ihr bitte Götz von      der Kritik an Deutschland,
                                                        dass sie zu Hause, in den Mo-       Grone, dem Verfasser des Arti-        genauer: der deutschen Politik,
                                                        scheen, in den Sportvereinen        kels, übermitteln, dass er bitte      seltsame Töne anschlägt, etwa
                                                        unproblematisch beiseite gefegt     über den Ausdruck nachdenken          dort, wo er recht gutgläubig
                                                        wird?                               und ihn tunlichst nicht mehr ver-     als Heimat der Franzosen die
                                                           In den Kernländern der EU        wenden sollte, schon gar nicht        „Republik“ nennt (und von der
                                                        war die Anzahl der Pro-Dikta-       in einem so gelungenen Beitrag,       Orientierung aufs „Volk“ in
                                                        tur-Stimmen ja am höchsten:         besonders auch nicht in der hlz.      Deutschland abgrenzt), so als ob
                                                        ein absolutes Desaster. Dagegen        (Lese- und Nachdenkhilfe:          es keine Marine Le Pen gäbe.
                                                        stimmten im Großbritannien          D. Baumann / S. Hebel „Gute-          Der aus dem „eurojournalist“
                                                        unter May nur 20 Prozent und        Macht-Geschichten Politische          übernommene Artikel vertraut
                                                        in den USA unter Trump sogar        Propaganda.....“ Westend Verlag       den von Mélenchon wieder-
                                                        nur 16 Prozent für Erdoğan.         2016 .S.159-161)                      gegebenen statistischen Daten
                                                        Die letzeren sind natürlich auch       Ich wäre sehr froh darüber,        gewollt naiv, z.B. dort, wo
                                                        Länder, in denen Zuwander_in-       den Ausdruck nicht mehr in            behauptet wird, dass eigentlich
                                                        nen und Minderheiten schon          einer so guten Gewerkschafts-         die Deutschen am wenigsten
                                                        seit langem viel leichter gesell-   zeitung zu finden.                    arbeiten. Das würde ja u.a.
                                                        schaftlich und politisch aufstei-      (In lesbaren Tageszeitungen        heißen, dass die Lehrenden in
                                                        gen können, egal unter welchem      findet mensch ihn erfreulicher-       HHs Schulen tatsächlich nur die
                                                        Premier oder Präsidenten. Man       weise nur noch sehr selten.)          vorgegebenen, vergleichsweise
                                                        denke an die konservativen                             KARL FISCHER       wenigen Stunden arbeiten – nur,
                                                        Condolezza Rice oder Colin                                                weil das halt in der entsprechen-
                                                        Powell oder auch an Henry             Wir werden in der kommen-           den offiziellen Verordnung so
                                                        Kissinger oder Arnold Schwar-       den Ausgabe Stellung dazu             festgelegt ist. Auch Mélenchons
                                                        zenegger oder an den Soziali-       nehmen.                               Aussagen zur sinkenden Anzahl
                                                        sten Sadiq Khan in London. Der                        DIE REDAKTION       von Gewerkschaftsmitgliedern

                                                        6                                                                     hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017
C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
obwohl die Leistungen schlechter werden. Laut
Bundesarbeitsministerium steigt der Rentenbei-                   Das ist ökonomisch vernünftig und sozial ge-
trag der Beschäftigten von 9,35 Prozent (2020)                   recht!

                                     V.i.S.d.P.: VER.DI BUNDESVORSTAND – RESSORT 1 – FRANK BSIRSKE – PAULA-THIEDE-UFER 10 – 10179 BERLIN
Siehe dazu unsere Veranstaltung am 12.7.2017, S. 42

in Deutschland ignoriert souve-          sich ja auch breiteren Teilen der                  zumindest auf dem Papier beto-
rän den insgesamt geringeren             deutschen Öffentlichkeit stellen,                  nen CDU und FDP, „berufliche
Organisationsgrad, zudem zer-            formuliert und aus einer weniger                   und akademische Bildung“ seien
splittert, in Frankreich und fragt       nationalstaatlichen Perspektive                    „gleichwertig“. Sie lehnen „die
erst gar nicht nach der Verhand-         diskutiert werden können.                          unnötige Akademisierung von
lungsmacht der deutschen bzw.                               Mit kollegialen Grüßen          klassischen Ausbildungsberu-
                                                                    KLAUS WEBER
französischen Gewerkschaften,                                                               fen ab“. Studiengebühren sollen
sieht auch nicht, dass sich in                                                              für Menschen aus Nicht-EU-
Deutschland in den letzten               G9                                                 Ländern, wie bereits in Baden-
Jahren eine höhere Streikbereit-            Nach den Landtagswahlen in                      Württemberg unter Kretschmann
schaft entwickelt hat. Dass die          Schleswig-Holstein und Nord-                       eingeführt, fällig werden.
Agrarwirtschaft in Frankreich –          rhein-Westfalen beginnt die
ganz unabhängig von deutschen            Rückabwicklung eines einstigen
Einflüssen – etwa in der Breta-          Vorzeigeprojekts von CDU und
                                                                                            G10
gne seit Jahrzehnten schwerste           FDP: Das Abitur nach acht Jah-                        An der Eliteschule des Sports
Umweltfolgen nach sich zieht             ren weiterführender Schule (G8)                    am Dulsberger Alten Teichweg
(wie auch die Hochseefischerei),         wird flächendeckend zurückge-                      wird wohl bald das G10 möglich
bleibt bei Mélenchons Ansatz             fahren. Im Regelfall kehren die                    sein, das Abitur nach zehn Jah-
gänzlich unberücksichtigt, vom           Gymnasien zum Abi nach neun                        ren auf einer weiterführenden
nur verkündeten Ausstieg aus             Jahren (G9) zurück. Grund dafür                    Schule, nach dann insgesamt 14
der Atomwirtschaft ganz zu               sind eindeutige Ergebnisse von                     Jahren Schulbesuch. Die von sei-
schweigen. Den Titel der Pole-           Umfragen: Der „überwiegende                        ner Behörde ausgearbeiteten Plä-
mik zu erklären (S.46 links) ist         Teil der Schüler- und Eltern-                      ne werden demnächst Hamburgs
sinnvoll – die Illustration wohl         schaft“ favorisiere nun einmal                     Schulsenator Ties Rabe (SPD)
eher überflüssig, da vergleich-          G9, heißt es im Düsseldorfer                       vorgelegt und könnten vom
bare Fotomontagen eigentlich             Koalitionsvertrag     lakonisch.                   Schuljahr 2018/19 an umgesetzt
jedem GEW-Mitglied aus den               Einzelne Gymnasien sollen aber                     werden.
letzten Jahren, etwa aus pol-            weiter das Abi nach acht Jahren                       Anmerkung der Redaktion:
nischen Medien, bekannt sein             anbieten dürfen. In Nordrhein-                     Geht doch (!) - dies wäre immer-
dürften. Stattdessen hätte viel-         Westfalen bestehen bleibt dage-                    hin ein erster Schritt zu der von
leicht ein wenig von den Fragen,         gen das gegliederte Schulsystem                    uns favorisierten flexiblen Ober-
die Mélenchon aufwirft und die           mit Haupt- und Realschulen –                       stufe G8 bis G10.

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017                                                                                                 7
C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
AUFRUF

Der Mensch
als des Menschen Freund
Schüler_innen und Studierende demonstrieren für ein solidarisches und
gleichberechtigtes Miteinander der Menschen weltweit

   Die G20 treffen sich in Hamburg und geben vor,          Wir, Schüler_innen, Studierende und Azubis
Antworten auf die Krisen der Welt zu suchen. Da-        werden nicht in der Schule, Uni oder dem Betrieb
bei ist es gerade die Politik der G20, die für Aus-     sitzen, wenn die G20 vor unserer Haustür tagen.
beutung, Kriege und Vertreibung mitverantwort-          Wir werden uns und anderen jungen Menschen die
lich ist. Wir, die Jugend, sind diejenigen, die am      Möglichkeit erkämpfen, ihre Meinung zu äußern.
meisten von den Folgen eines globalen Kapitalis-        Egal, ob die Schulbehörde uns mit Klassenbuch-
mus betroffen sind. Der Planet, auf dem wir noch        einträgen droht, die Polizei uns unsere Bildungs-
Jahrzehnte leben müssen, zeigt die Symptome ei-         streikdemo erschwert oder uns mit an die Wand
ner gnadenlosen Ausbeutung. Nicht nur in Südeu-         gemalten Gewaltszenarien Angst gemacht werden
ropa ist die Lebensgrundlage vieler junger Men-         soll. Unsere Zukunft gehört uns! Wir werden am
schen durch Jugendarbeitslosigkeit gefährdet. Und       7.7 beim Bildungsstreik und am 8.7 auf der Groß-
das weltweite Zusammenleben ist bedroht von der         demonstration gegen die Konkurrenzlogik kämp-
Rücksichtslosigkeit der herrschenden Wirtschafts-       fen, die unsere Schulen und die ganze Welt be-
mächte.                                                 herrscht und wir werden unsere Vorstellungen von
   Doch das Prinzip der Konkurrenz beherrscht           einer solidarischen Gesellschaft deutlich machen.
auch unser tägliches Leben. In Zeiten der globa-        Für einen selbstbestimmten Bildungsraum statt
len Konkurrenz sind gut ausgebildete junge Men-         Lernfabriken!
schen nichts anderes als das “Kapital der Nation”.         Jugend gegen G20 ist eine bundesweite Platt-
In den Bildungseinrichtungen sollen wir deshalb         form von Jugendorganisationen und Einzelperso-
bestmöglich verwertbar für die Wirtschaft gemacht       nen, die gemeinsam im Juli gegen den G20-Gipfel
werden. Wir sind kein Kapital! Wir sind eine Ge-        auf die Straße gehen werden. In Hamburg sind
neration, die ihre Zukunft selbst gestalten will. Wir   etwa die Gewerkschaftsjugend und der ASTA der
wollen nicht auswendig lernen, was andere von uns       Universität Hamburg Teil des Zusammenschlusses.
verlangen, wir wollen einen Raum, in dem wir uns             Für mehr Informationen zu Jugend gegen G20
gemeinsam bilden. Wir wollen miteinander lernen                 oder zum Bildungsstreik schaut vorbei auf:
und nicht gegeneinander. Wir wollen selbst ent-                                  www.jugendgegeng20.de
scheiden, was wir lernen und vor allem wofür!

8                                                                     hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017
C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
BILDUNGSSTREIK

Von Bulimie zur Bullerei
Zwei Aktivistinnen des Bildungsstreiks im Zusammenhang mit den Protesten
gegen den G20 berichten von den Vorbereitungen der Demonstration und
von ihrer Motivation, sich zu engagieren

   hlz: Danke erstmal, dass ihr              Fanny: Ja.                       war, hat sogar eine gesagt: „So,
trotz aller Arbeit, die mit der                                               ich habe Bock noch mehr Flyer
Organisation einer Demonstra-              hlz: Und im Moment seht ihr        mitzunehmen.“ Also, ich glau-
tion verbunden ist, gekommen             eure hauptsächliche Aufgabe          be schon, dass viele Leute mit
seid! Es ist ja mittlerweile etwas       darin, diesen Bildungsstreik zu      dem Bildungssystem, wie es
unübersichtlich geworden, wer            organisieren?                        jetzt funktioniert, nicht zufrieden
sich wie gegen den G20-Gipfel                                                 sind, aber ich denke, dass viele
in Stellung bringt. Zu welchem               Fanny: Ja, genau.                Leute vor einem Bildungsstreik
Lager rechnet ihr euch?                                                       auch Angst haben, weil bspw.
                                           hlz: Und wie kommt ihr vor-        Schüler_innen mit Fehlstunden-
  Lou: Bei mir ist es so: ich            an?                                  androhungen        eingeschüchtert
komme aus dem Spektrum „Ju-                                                   werden.
gend gegen G20“, das sich jetzt             Fanny: Gut! Die Rahmenda-
gegründet hat. Es gab da ein             ten stehen jetzt. Wir organisieren     hlz: Ich stelle mir vor, der/die
Auftakttreffen im Knust.                 den Bildungsstreik am 07.07.,        erste Ansprechpartner_in wäre
                                         das ist der Freitag. Die Demo-       in diesem Fall die Schüler_in-
  hlz: War das gewerkschaftlich          route ist genehmigt worden, die      nen-Kammer. Habt ihr mit denen
organisiert?                             liegt jetzt fest. „Jugend gegen      schon gesprochen?
                                         G20“ hat aber auch einen Block
   Lou: Nein, das war und ist            auf der Großdemonstration am            Fanny: Ja, die haben wir an-
eine bunte Mischung. Das ist ein         Sonnabend, 8.7. Jetzt sind wir       gefragt, ob sie uns unterstützen.
Bündnis aus Gewerkschaften,              hauptsächlich am Mobilisieren,       Die Antwort war: „Wir sind poli-
linken Gruppierungen, Jugend-            also Informationen verteilen.        tisch neutral und wollen uns des-
gruppen, auch aus Berlin oder            Wir flyern ganz viel und versu-      wegen nicht beteiligen.“
auch Göttingen.                          chen hinzukriegen, dass so viele
                                         Leute wie möglich von unserem          hlz: Aber der ASTA ruft doch
   Fanny: Es sind einfach Pri-           Vorhaben erfahren und dann           auch auf.
vatpersonen. Das Bündnis hat             hoffentlich motiviert sind mitzu-
sich im Rahmen der Proteste              kommen.                                Fanny: Ja, die unterstützen
gebildet. Daran können alle teil-                                             uns fleißig, aber die Schüler_in-
nehmen, die jung sind und sich              Lou: Deshalb machen wir           nen-Kammer ist dagegen, sich
vor allem bezogen auf die Bil-           Veranstaltungen an der Uni oder      zu beteiligen.
dungssache an den G20-Prote-             an Schulen, auf denen wir disku-
sten beteiligen wollen.                  tieren und unseren Plan vorstel-       hlz: Und habt ihr mit Schul-
                                         len.                                 sprecherkollektiven oder Schul-
   hlz: Fanny, du bist ja schon                                               sprecher_innen Kontakt aufge-
ein bisschen länger dabei: Wie              hlz: Wie ist da die Stimmung?     nommen?
hat sich das entwickelt in den           Gibt es viel Widerstand im Sin-
letzten Wochen, sind das mehr            ne von „ach Gott, was wollt ihr        Fanny: Ja, da haben wir ver-
geworden oder ist es abgebröc-           denn?“ oder so? Wie ist die Be-      schiedene Schüler_innen-Vertre-
kelt?                                    reitschaft, euch überhaupt anzu-     tungen angeschrieben. Wir sind
                                         hören?                               auch immer noch auf der Suche
  Fanny: Es werden stetig mehr                                                – also wir sind fleißig darbei, E-
und wir wachsen weiter.                    Lou: Relativ groß nachdem,         Mail-Adressen zu finden, aber
                                         was ich erfahren habe. Andere        das ist nicht so einfach, es gibt
  hlz: Aber es gibt einen harten         berichteten eher von verhaltenen     da keine Liste. Wenn man das
Kern?                                    Reaktionen. Als ich unterwegs        über die Direktion macht, dann

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017                                                                      9
C 3428 Zeitschrift der GEW Hamburg Juli-August 7-8/2017
kann es eher passieren, dass man    geht ihr damit um?

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eine Ablehnung bekommt. Aber
es gab auch schon viele positive       Fanny: Wir haben
Rückmeldungen.                      klar festgelegt, dass
                                    wir nicht provozieren
   Lou: Auf besonderes Interes-     wollen und uns nicht
se stieß dabei ein vorgefertigter   provozieren        lassen
Beitrag, den man auch für Schü-     wollen, dass von uns
ler_innenvertretungen bekom-        keine Eskalation aus-
men kann.                           geht. Ich denke mal, da
                                    stehen doch alle Grup-
  hlz: Was bildet dabei den in-     penmitglieder fest da-
haltlichen Schwerpunkt?             hinter. Es ist ja immer
                                    so, dass die Person,
   Lou: Zunächst die Kritik am      die die Demo anmel-
Bildungssystem, welches aus         det, auch dafür haftet,
unserer Sicht auf Leistungsdruck    was auf der Demo
und Konkurrenzkampf aufbaut.        passiert. Falls es zu
Die Kritik am G20-Gipfel natür-     einer Eskalation kom-
lich auch. Die Entscheidungen,      men sollte, werden wir
die da getroffen werden, gera-      verantwortungsvoll
de bezogen auf Klima und auf        damit umgehen. Jeder
Flucht und Kriege, betreffen uns    Mensch kann für sich
ja als Jugend ganz besonders,       selbst entscheiden, auf Jeder Mensch kann für sich selbst entscheiden,
weil wir damit noch die näch-       welche Art er oder sie auf welche Art er oder sie demonstrieren
sten 50 bis 80 Jahre leben müs-     demonstrieren möch- möchte (Fanny, Auszubildende)
sen und dann ist es letzten Endes   te. Das ist dann aber in
unsere Aufgabe, diese Fehler,       Eigenverantwortung und sollte keine Chance auf Bildung haben.
die jetzt gemacht werden, wieder    nicht allen aufgezwungen wer-
glatt zu bügeln.                    den. Wer an etwas – wie kann          Fanny: Genauso Lehrerinnen
                                    man das ausdrücken – aktiveren und Lehrer, die das gegenwärtige
  hlz: Das heißt also: auch bei     Protesten teilnehmen möchte, Bildungssystem kritisieren, also
diesen Vorbereitungstreffen, von    der geht halt zu den entspre- jeder Mensch, der ins Bildungs-
denen ihr gesprochen habt, dis-     chenden Demonstrationen. Es system involviert ist oder was
kutiert ihr inhaltlich, was ihr     gibt ja auch in einem Demozug daran auszusetzen hat.
wollt oder warum ihr gegen die-     verschiedene Blöcke, wo man
sen Gipfel seid?                    relativ schnell erkennt, ob man       hlz: Wenn ihr jetzt die Schul-
                                    sich in dem Block befindet, der politik in Hamburg kritisiert, wie
   Lou: Zum Beispiel, was Leu-      den eigenen Überzeugungen steht ihr zur Debatte um G8/G9?
te unter Bildung verstehen, was     entspricht oder ob man in einem
die einzelnen Schüler_innen und     Block ist, der einem persönlich       Lou: Auf jeden Fall interes-
Student_innen unter Bildung         zu aktiv oder zu passiv ist. Wir siert uns das. Das sind Probleme,
verstehen und was sie sich vor-     sind auf jeden Fall solidarisch die haben wir auf unseren Tref-
stellen, was Bildung sein könnte    mit allen Aktionen, die zum fen auch thematisiert. Viele im
oder eben auch, was es nicht ist.   G20-Protest stattfinden.           System von G8 scheinen über-
Jeder und jede war ja mal in der                                       fordert: Die Lehrer_innen wis-
Schule, jeder und jede kennt also      hlz: Eure Zielgruppe, wenn ich sen gar nicht, wie sie den Stoff in
das System. Man merkt, dass die     das richtig verstanden habe, sind so geringer Zeit vermitteln sol-
Leute einfach mal Bock darauf       also hauptsächlich Menschen len, die Schüler_innen sind per-
haben, dazu was zu sagen. Ganz      aus den Bildungseinrichtungen, manent im Stress. Ich war eine
im Sinne: „Hier ist ein Ort, wo     sprich, Studierende und, wenn der ersten, die nach 12 Jahren
meine Meinung geachtet wird.“       es geht, natürlich Schüler_innen. Abitur machen musste. Ich spre-
                                                                       che also aus Erfahrung, wenn ich
  hlz: Habt ihr die Frage der          Fanny: Ja, aber auch Auszu- sage: viele Themen blieben im
Militanz beredet? Was passiert,     bildende oder Menschen in Wei- Oberflächlichen stecken.
wenn aus eurem Demonstrati-         terbildung.
onszug heraus jemand meint,                                               Fanny: Es ist wirklich schwie-
Steine schmeißen zu müssen. Wie        Lou: Aber auch Leute, die rig. Ich habe das auch gemerkt.

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Meine Schwester war noch G9,             auch in Deutschland das mehr-       denken hervorbringt, was uns
ich war G8. Meine Schwester              gliedrige Schulsystem, was es       dazu bringt, nicht gemeinsam
konnte ein halbes Jahr oder ein          in dieser Form meiner Kennt-        voranzuschreiten, sondern sich
Jahr ins Ausland, hat einen Schü-        nis nach nur bei uns und in der     alleine einen Weg zu erkämpfen.
ler_innenaustausch gemacht. Ich          Schweiz gibt. Dies System ist       Jeder weiß, dass es alleine sehr
habe mir nicht die Zeit dafür            mitverantwortlich dafür, dass       viel schwieriger ist. Ich erinne-
genommen, weil es halt ein-              Menschen sich als überlegen         re mich tatsächlich noch daran,
fach zu knapp war. Man hat es            oder unterlegen fühlen. Damit       dass in der 3. Klasse schon Mit-
wirklich gemerkt. Häufig wurde           beginnt die Spaltung der Gesell-    schüler_innen nach einer Klas-
einfach über die Themen drüber           schaft. Wenn einem schon in der     senarbeit geweint haben, weil sie
gewischt. Das ist dann dieses            4. Klasse gesagt wird: du darfst    nur eine 2 hatten. Das führt zu
Bulimie-Lernen, bei dem man              aufs Gymnasium, aber dein/e         diesen seelischen Schrammen,
innerhalb kürzester Zeit alles in        Tischnachbar_in nicht, der/die      die man vielleicht sein ganzes
den Kopf kriegen muss, um es in          ist nicht gut genug dann sind die   Leben mitschleppt.
der Klausur rauszulassen und es          Weichen für den Rest des Le-
danach vergisst.                         bens schon gestellt. Diese Tren-       hlz: Es betrifft also alle und
                                         nung ist nicht nur zutiefst unge-   trotzdem geht immer nur ein
  hlz: Habt ihr noch andere in-          recht, sondern macht für mich       kleiner Teil auf die Straße. Wie
haltliche Kritikpunkte?                  überhaupt keinen Sinn, wenn         kriegt ihr die noch Unentschlos-
                                         man eine Gesellschaft will, von     senen mobilisiert?
   Fanny: Ja, diese ganzen Be-           der gesagt wird, dass zu ihren
wertungssysteme. Die Noten               Grundlagen die Chancengleich-          Lou: Grundsätzlich haben
sagen am Ende doch viel weni-            heit gehört.                        wir nicht die Kapazität alle an-
ger aus, als was sie in Hinblick                                             zusprechen, aber wenn wir an-
auf Leistungsmessung vorgeben.             Fanny: Das Schlimme ist,          gesprochen werden, sind wir
Sie spiegeln einfach die Leistung        dass es in der Grundschule          natürlich offen gegenüber allen
nicht wider und auch nicht wirk-         schon anfängt. Da ist man gera-     Anfragen. Wir freuen uns über
lich das Können. Viele Arbeit-           de mal 10 und dann kriegt man       alle neuen Ideen.
geber wählen ja auch eher nach           eine Empfehlung, ob man aufs
dem Typ aus, ob der Charakter            Gymnasium gehen sollte, auf die        hlz: Und wir freuen uns über
passt, die Persönlichkeit. Das           Realschule oder auf die Haupt-      euer Engagement und hoffen,
kann man nicht in Noten fassen           schule. Das führt schon in der      dass ihr erfolgreich seid, sprich
und ich finde, das sollte auch           Grundschule zu diesem krassen       viele Leute auf die Straße bringt.
nicht in Noten gefasst werden.           Leistungsdruck, der traumati-                 Das Gespräch führten
                                         sche Spuren hinterlässt, aber               JOACHIM GEFFERS und
  Lou: Dazu kommt natürlich              vor allem dieses Konkurrenz-                WOLFGANG SVENSSON

TITEL: DIENSTVEREINBARUNG (DV) GANZTAG

Niemand braucht
kalte Füße zu kriegen
Eine längst überfällige Regelung führt zu Spannungen in der Behörde,
für die sie selbst die Verantwortung trägt

  Der schulische Ganztag wur-            sen Mangel sind wir als GEW so-     in Verhandlungen steht. Diese
de in Hamburg eingeführt, ohne           wohl von Beschäftigtenseite als     Verhandlungen haben fast 10
wichtige übergreifende Fragen            auch von Leitungsseite immer        Jahre gedauert. Nun haben wir
zu regeln. Lange Zeit war auch           wieder angesprochen worden.         endlich eine Dienstvereinbarung
die Arbeitszeit der Lehrkräfte im        Wir haben stets darauf verwie-      (DV) Ganztag, die die Rahmen-
Ganztag nicht geregelt. Auf die-         sen, dass der GPR mit der BSB       bedingungen für die Lehrkräfte-

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017                                                                   11
Arbeitszeit regelt. Gemeinsame       beitszeit für Lehrkräfte im Ganz-   Versäumnisse –
Rahmenbedingungen           sollen   tag an den Hamburger Schulen        z. B. Rahmenregelungen zur
garantieren, dass es angemesse-      in den Blick genommen. Von          Mittagspause
ne Arbeitsbedingungen für alle       Behördenseite gab es dazu vor-          Eine Leerstelle bei den Rah-
Lehrkräfte an Hamburger Schu-        her nichts. In den vier Ganztags-   menregelungen für den Ganztag
len gibt, ganz gleich an welcher     Drucksachen von 2004, 2008,         in Hamburg betrifft die Mittags-
Schule sie gerade arbeiten.          2012 und 2016 kommt das Wort        pause. Sie ist völlig unbestimmt.
   Es war also eine richtige Ent-    Arbeitszeit gar nicht vor. Dass     Weder wird zwischen der Pau-
scheidung der BSB, diesen Weg        mit der Entwicklung zum Ganz-       se für Beschäftigte und Schü-
zu beschreiten und die Dienst-       tag aber eine Arbeitszeitregelung   ler_innen getrennt, noch gibt
vereinbarung zu unterschrei-         verknüpft ist, hätte man wissen     es Hinweise oder Vorgaben für
ben. Das kann und darf gefeiert      müssen. Das „Handbuch Ganz-         die Länge der Mittagspause für
werden, auch wenn wir dies als       tagsschule“ von 1998 geht auf       Schüler_innen. In anderen Bun-
Gewerkschaft gerne eher getan        die Regelung der Arbeitszeit        desländern oder in der Literatur
hätten. Bei den Beratungen hat       mehrfach ausführlich ein (vgl.      gibt es dieses. Zum Vergleich:
die BSB an verschiedenen Stel-       Stefan Appel 1998: Handbuch         • In Hessen schreibt die Ganz-
len auch Leitungen hinzugezo-        Ganztagsschule). Im Bericht            tagsrichtlinie mindestens 45
gen. Was in weiteren internen        des Verbundprojekts der Bund-          Minuten vor, das Ganztagspro-
Absprachen dann stattgefunden        Länder-Kommission (BLK) zum            gramm spricht von einer
hat, können wir als Gewerk-          Ganztag wird das Thema 2006            60-minütigen Pause für Schü-
schaft nicht beurteilen. Deutlich    deutlich benannt: „Die Arbeits-        ler_innen.
wurde aber bei der Bekanntgabe       zeiterwartungen der Lehrkräfte      • Der Ganztagsschulverband for-
der DV, dass die BSB viel zu         und des pädagogischen Perso-           dert mindestens 50-minütige
spät informiert hat. Obwohl der      nals müssen also bedacht bzw.          Pausen. 60 Minuten werden im
Gesamtpersonalrat (GPR) immer        neue Regelungen eingeführt             Material des Verbands als ideal
wieder deutlich gemacht hat,         werden.“ (Kolbe et.al. 2006:           dargestellt.
dass natürlich vor in Kraft treten   BLK-Verbundprojekt Lernen für           In der Literatur werden vier
(1.2.2017) der Dienstvereinba-       den Ganztag, S. 12)                 Modelle für Stundenraster des
rung alle Seiten informiert wer-        Bei der Gestaltung des Ganz-     Ganztages dargestellt. Kein
den sollten und bei Bedarf bera-     tags in Hamburg hatte man – man     Modell beinhaltet 90-Minuten-
ten werden sollte. Dies scheint      hätte es besser wissen können –     Pausen. Das Achtstunden-Raster
nicht im ausreichenden Maße          nur die Schüler_innen im Blick,     hat die längsten Pausen und wird
der Fall gewesen zu sein. Anders     nicht die berechtigten Interessen   als Sparmodell bezeichnet (vgl.
ist es nicht zu verstehen, wenn      der Beschäftigten. Dabei hätte      Kolbe et.al., S. 11). Es ist ein
nun Schulleitungen eine schlech-     die BSB Regelungen zur Ar-          Sparmodell, weil durch 90-mi-
te Informationspolitik von Seiten    beitszeit der Lehrkräfte treffen    nütige Pausen, die allein aus der
der Behörde bemängeln. Selbst        müssen, wie sie im BLK-Bericht      Mittagspausenressource finan-
nach einer Informationsveran-        gefordert werden, weil sie zu den   ziert werden, eine Stunde ein-
staltung, zu der sich die Behörde    Rahmenbedingungen der selbst-       gespart werden kann. Dadurch
aufgrund der Kritik veranlasst       verantworteten Schule gehören.      ist die Schule in der Lage, die
sah, waren viele Leitungen nach      In der Drucksache „Schulreform      Mittel u.a. an anderer Stelle zu
wie vor unzufrieden. Diese Kri-      in Hamburg“ (Drs. 18/3780)          verwenden.
tik ist aus Sicht der GEW darauf     heißt es: „Die zuständige Behör-        Dies nutzen Schulen, um ihre
zurückzuführen, dass sich in den     de definiert den für die Schulen    Angebote reichhaltiger – zum
letzten 10 Jahren – und an vielen    erforderlichen pädagogischen,       Beispiel durch parallel liegende
Stellen bereits davor – eine Pra-    finanziellen und personellen        Ganztagsangebote oder eine zu-
xis entwickelt hat, die jetzt noch   Handlungsrahmen und stellt eine     sätzlich angebotene Fremdspra-
einmal geprüft und nötigenfalls      bedarfs- und nachfrageorientier-    che – zu gestalten. Dies kommt
überarbeitet werden muss. Ursa-      te Unterstützung sicher.“ (Ziffer   sicherlich den Wünschen von El-
che des Ganzen ist, dass die Be-     I., Nr. 3, rechte Spalte).          tern, Schülerinnen und Schülern
hörde zu diesem Bereich bisher          Diese Vorgabe hat die Behör-     entgegen.
keine gesammelten Rahmenre-          de ignoriert und Notwendiges            An diesem Beispiel wird
gelungen geschaffen hat.             unterlassen. Die Notwendigkeit,     deutlich, dass das generelle Ver-
                                     überhaupt eine DV Ganztag ab-       säumnis darin besteht, die Schu-
Versäumnisse...                      schließen zu müssen, macht das      len nicht mit den personellen
   Durch die DV Ganztag wird         Versäumnis der Behörde deut-        Ressourcen auszustatten, die den
tatsächlich zum ersten Mal sy-       lich.                               Vorstellungen der Eltern, unse-
stematisch die Struktur der Ar-                                          ren professionellen pädagogi-

12                                                                   hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017
schen Anforderungen bzw. Stan-             Einzelvereinbarungen getrof-      • Die GEW-Betriebsgruppe kann
dards und damit einer zeitgemä-            fen.                                 den schulischen Ganztag dis-
ßen Ganztagsschule genügen.              •Die Konferenzplanung für             kutieren und Konferenzen vor-
   Die Behörde hat bei der                 2017/18 liegt an den meisten         bereiten.
Dienstzeitregelung an vielen               Schulen den Vorgaben entspre-     • Die GEW-Vertrauensleute kön-
Stellen auf Rahmenregelungen               chend vor. Durch Parallelpla-        nen die Meinungen zur DV
verzichtet. Anders formuliert:             nungen und Einzelfallregelun-        Ganztag sammeln und an die
Sie nimmt die Aufgaben nicht               gen kann auch bei Zeugniskon-        GEW weitergeben. Die bisher
wahr, die die Bürgerschaft ihr             ferenzen gewährleistet werden,       nicht geäußerte Zustimmung
übertragen hat (siehe oben). Sie           dass sie bis 16 Uhr, in Einzel-      wird von Teilen der BSB und
hat die Schulen allein gelassen!           fällen spätestens um 18 Uhr          von Schulleitungen als Ableh-
Dabei wurde darauf gesetzt, dass           beendet sind.                        nung bewertet.
die selbst verwalteten Schu-             •Noch nicht gelöste Probleme       • In der Lehrer_innenkonferenz
len (SVS) das schon irgendwie              gibt es in wenigen Einzelfällen      kann ein Antrag an die Schul-
machen. Sie hat die Interessen             bei der Vereinbarung über das        konferenz zur Veränderung
der Kolleg_innen einfach igno-             Pendeln und die Aufsichtsfüh-        bzw. Anpassung der schuli-
riert. Bei der Aufgabenfülle der           rung.                                schen Konzepte gestellt wer-
Schulleitungen und dem gewoll-              Den Teilen der Behörde oder         den.
ten Konkurrenzdruck unter den            auch Schulleitungen, die mit ei-    • Die Regelungen an den Schu-
Schulen ist es verständlich, dass        ner Kündigung der gerade abge-         len zum Ganztag gehören zu
die Schulleitungen nicht alle            schlossenen DV liebäugeln, sei         den „Grundsätzen der Erzie-
Regelungen im Blick hatten –             zu bedenken gegeben, dass eine         hung, Betreuung und Beratung
die Schulaufsichten hätten hier          Dienstvereinbarung so lange            an der Schule“ (§ 57 HmbSG)
eingreifen müssen. Der Behör-            nachwirkt, bis eine neue ausge-        und fallen damit in die Zustän-
de war aber nur der Output der           handelt und unterschrieben wird.       digkeit der Lehrer_innenkonfe-
Schulen wichtig. Das muss sich           Aus gewerkschaftlicher Sicht           renz. Die Konferenz kann also
ändern und dazu bildet die DV            sollte die Behörde an ihrem ein-       den Ganztag beschäftigten-
Ganztag einen wesentlichen Mo-           geschlagenen Weg festhalten            freundlich gestalten.
saikstein.                               und ihrer Verpflichtung, Rah-       • Pausenmodelle können mit
                                         menregelungen für gute Arbeits-        unterschiedlichem Fokus be-
Wie ist der Stand?                       bedingungen der Beschäftigten          trachtet werden. Die Pausen für
    Die Kritik aus den Reihen der        festzulegen, nachkommen. Der           Schüler_innen müssen nicht
Schulleitungen an der BSB hat            GPR hat sich auf Wunsch der            gleichzeitig auch Pausen für
dazu geführt, dass es Anzeichen          Behörde in den letzten Wochen          Beschäftigte sein. Diskussio-
dafür gibt, dass man behördli-           bereit erklärt, in Gesprächen mit      nen über Pausen und Pausen-
cherseits nun wieder zurück ru-          Schulleitungen der jeweiligen          längen helfen die Situation zu
dern will. Der Behauptung aus            Schulformen zur Klärung von            klären.
dem Amt für Bildung, die DV sei          Fragen der Umsetzung der DV         •Als Kollegium können die
ohne substantielle Änderungen –          beizutragen. Dies bildet aber         Lehrkräfte auf der Einhaltung
sprich: Verwässerungen – nicht           keinen Auftakt zu neuen Ver-          der DV bestehen.
umsetzbar, steht nach einem hal-         handlungen, sondern gehört zum          Als GEW werden wir noch
ben Jahr nach unserer Kenntnis           vertrauensvollen Umgang zwi-        vor den Ferien auf unserer Ho-
folgende Realität gegenüber:             schen Dienststelle und Personal-    mepage, deren Zugang zu die-
•An den Grundschulen ist die            rat. Der GPR und auch die GEW       sem Thema nur den Mitgliedern
  DV ohne größere Veränderung            sprechen sich für eine breite An-   offen steht, die am häufigsten ge-
  der pädagogischen Konzepte             wendung der DV- Ganztag aus,        stellten Fragen von Kolleginnen
  umsetzbar. Diese Aussage ha-           auch an den Gymnasien beson-        und Kollegen und von Schullei-
  ben Schulleitungen getroffen.          derer Prägung.                      tungen in Form einer „FAQ“-
• Der Faktor 1,3 für den Ganz-                                              Liste beantworten. Wir beraten
   tagseinsatz wird an den aller-        Was könnt ihr an den Schulen        euch gern und sind für Hinweise
   meisten Schulen angewandt.            tun, um die Umsetzung der           aus den Kollegien offen.
• Lückenstunden und Höchst-             DV zu befördern?                            ANJA BENSINGER-STOLZE,
   stundenzahl: Die Mehrzahl               Nehmt gemeinsam die Umset-                     FREDRIK DEHNERDT,
   der Schulen hat in den meisten        zung des Ganztags in den Blick                        SVEN QUIRING
   Fällen Probleme durch Planän-         und prüft, ob eure Interessen gut
   derungen schon zum Halbjah-           berücksichtigt sind oder an wel-
   reswechsel beseitigen können.         chen Stellen Veränderungen von
   In den übrigen Fällen wurden          Nöten sind. Im Einzelnen:

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017                                                                   13
ARBEITSBELASTUNG

Schweigegelübde brechen
Die richtige Maßgabe für politisches Handeln, dass man Ungleiches ungleich
behandeln sollte, wenn man an einem sozialen Ausgleich interessiert ist, be-
deutet nicht, dass dies auf Kosten jener Systeme gehen muss, die nachweis-
lich bereits überlastet sind
   Wenn in diesen Tagen von Zu-        stems der zwei Säulen sicherlich      Kenntnis.
spitzungen, nicht nur auf Gipfel-      eine gute und weise Entschei-            Die Auflösung dieses Rätsels
treffen, die Rede ist, so darf nicht   dung. Ungleiches muss ungleich        kann nur sein: Man hält die Füße
unerwähnt bleiben, dass der Se-        behandelt werden, wenn man            still, um sich auf diese Weise
nator die 23 Schulen in schwieri-      das Ziel, soziale Unterschiede        jene vom Hals zu halten, von
gen sozialen Lagen, die aufgrund       zu verringern, nicht gänzlich aus     denen man meint, dass es nicht
des Drucks ihrer Schulleitungen        dem Auge verlieren will.              zumutbar ist, die eigenen Kinder
und Kollegien vor drei Jahren             Olaf Scholz ließ in diesem         mit ihnen lernen zu lassen: die
mit Sondermitteln ausgestattet         Zusammenhang noch die Be-             vermeintlich weniger begabte
wurden, nun erneut mit zusätz-         merkung fallen, dass er diese         Hälfte der Schüler_innenschaft.
lichen Ressourcen segnen will.         Information gar nicht so gerne        Dieses Privileg lässt man sich
Das ist von der Sache her na-                                                eben etwas kosten.
türlich großartig! Als Gipfel der                                               Aber alles hat seinen Preis!
Unverfrorenheit empfinde ich es         Gipfel der Unverfrorenheit           Dieses klandestine Festhalten an
allerdings, wenn diese Mittel aus       ist es, wenn diese Mittel            einer Struktur, die systemisch die
dem Budget der übrigen Stadt-                                                sozialen Ungleichgewichte ver-
teilschulen geschnitten werden.
                                          aus dem Budget der                 stärkt, ist nicht nur Ressourcen
Dies hieße ja, dass dort die Mit-       übrigen Stadtteilschulen             bezogen ein Fass ohne Boden,
tel nicht so dringend gebraucht            geschnitten werden                sondern wird früher oder später
werden.                                                                      sich als politischer Protest ent-
   Um nicht missverstanden zu                                                laden.
werden: Natürlich muss man             in die Öffentlichkeit trägt. Un-         Zunächst einmal geht dies
Schulen in schwierigen Lagen           abhängig davon, dass sich eine        auf Kosten der Kolleg_innen
sachlich und personell besser          solche Wendung in jedem Bau-          an den Gymnasien. Der Umgang
ausstatten. Aber es kann nicht         kasten für rhetorische Schulung       mit der ohnehin nicht einfacher
sein, dass man zugesagte Mittel,       wiederfindet; mit ihr wird den        gewordenen sozialen Mischung
mit denen die selbstverwalteten        Zuhörenden suggeriert, sie wä-        bei einer Übergangsquote von 54
Schulen natürlich planen müs-          ren etwas Besonderes, weil sie        Prozent eines Jahrgangs an den
sen, plötzlich verringert. Dies        solch ein ‚Geheimnis‘ mit dem/        Gymnasien führt zu einer perma-
geht aus Prinzip nicht, ist aber       der Vortragenden teilten. Es ist ja   nenten Überlastung, weil mit den
vor allem eine Zumutung für alle       tatsächlich zu fragen, wieso von      übergroßen Klassen und Kursen
davon betroffenen Kolleg_innen.        interessierter Seite nicht längst     nicht nur die unterrichtliche Si-
Mehrarbeit durch eine Hintertür!       ein Aufschrei erfolgt ist.            tuation erschwert wird, sondern
   Ein etwas anders gelager-              Mit ‘interessierter Seite‘ mei-    vor allem der Korrekturaufwand.
tes, strukturell aber ähnliches        ne ich zunächst die CDU, aber            Wenn also weder von poli-
Problem ist mit dem Umstand            auch die FDP-Abgeordneten in          tisch-konservativer Seite noch
verbunden, dass, wie Bürger-           der Bürgerschaft, die hier – auf      von den Eltern zu erwarten ist,
meister Scholz auf unserem Ge-         jeden Fall vordergründig – ihre       dass dieses Ungleichgewicht
werkschaftstag nicht ohne Stolz        gymnasiale Klientel verraten.         infrage gestellt wird, weil man
bemerkte, die Stadtteilschulen         Und dann sind da noch die             denkt, damit Privilegien aufs
mittlerweile über eine 40 pro-         Scheuerl-Leute und jene, die mit      Spiel zu setzen, so sollten die
zentige höhere Personalausstat-        ihm vor gar nicht langer Zeit ein     Kollg_innen an den Gymnasien
tung gegenüber den Gymnasien           Zurück zum G9 am Gymnasium            sich nicht an ein solches Schwei-
verfügen. Das ist vor dem Hin-         forderten. Es wäre naiv zu glau-      gegelübde gebunden fühlen.
tergrund unseres Chancenun-            ben, die hätten von dieser Un-                         JOACHIM GEFFERS
gleichheit produzierenden Sy-          gleichverteilung der Mittel keine

14                                                                       hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017
Gesundheitsförderung in den Kitas.

  Anerkennung der gesunden KollegInnen oder Bestrafung der Kranken durch
  eine Anwesenheitsprämie
  Bei den Hamburger Kitaträgern gibt es einen hohen Krankenstand. Die Arbeits- und Lebensbedingungen
  wirken sich häufig auf den Gesundheitszustand aus. Die Krankenqoute hat oft auch soziale Gründe, z. B.
  Armut. In den Kitas arbeiten bis zu 95 Prozent Frauen. Frauen müssen sieben Jahre länger arbeiten als
  früher und das zehrt bei der Doppelbelastung an der Gesundheit. Viele Kolleg_innen müssen früher in
  Rente gehen, weil sie schwerkrank sind und das führt zu noch niedrigeren Renten.
  Jetzt ist bei den Elbkindern eine Anwesenheitsprämie für gesunde Kolleg_innen ins Spiel gebracht
  worden. Die Offene Liste hat zu der Prämie etliche Rückmeldungen erhalten. Das Thema bewegt die
  Beschäftigten und die Meinungen sind geteilt. Besonders in dieser Frage ist es schwierig, eine
  Vereinbarung zum Wohle aller Kolleg_innen auszuhandeln.
  Solche Vorhaben der Arbeitgeber betreffen die sogenannte Ordnung eines Betriebes und sind deshalb
  gemäß § 87 (1) Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz mitbestimmungspflichtig. Das bedeutet der Arbeitgeber
  und der Betriebsrat verhandeln über die Ausgestaltung des Vorhabens.
  Keine Differenzierung in der Bewertung einer Arbeitsunfähigkeit.
  Können in so einem Prozess tatsächlich alle Krankheitsursachen gleich bewertet werden oder müsste es
  nicht Differenzierungen geben, wie z. B. bei Arbeitsunfällen? Immer wieder passiert es, dass
  Kolleg_innen sich im Betrieb anstecken. Das kann doch nicht als eigenes Verschulden gewertet werden!
  Wird eine ständige Konfliktkommission im Betrieb nötig?
  Die Anwesenheitsprämie soll offenbar aufgesplittet werden in einen persönlichen Teil, den jede
  Beschäftigte erhält, die keine Fehltage aufzuweisen hat und einen anderen Teil, der an die Kita geht, wenn
  diese die Krankenqoute um 1% senkt. Eine solche Regelung birgt die Gefahr, dass Kolleg_innen sich
  unter Druck gesetzt fühlen oder werden oder vermehrt krank zur Arbeit erscheinen. Daraus könnten
  Konflikte entstehen, die das Betriebsklima belasten. Notwendig wäre aus diesem Grund eine ständige
  Konfliktkommission, die wiederum Kosten verursacht.
  Entlastung der gesunden Kolleg_innen durch mehr Personal
  Die Mitglieder Der Offenen Liste sind der Meinung, dass der angekündigte höhere Personalschlüssel in
  der Krippe ein Schritt in die richtige Richtung ist. Bevor jetzt Ad hoc irgendwelche Prämien ausgeschüttet
  werden, sollte erstmal untersucht werden, ob es längerfristig durch die Verbesserung des
  Personalschlüssels dazu kommt, dass mehr Kolleg_innen gesund bleiben.
  Gesundheitsfürsorge ist eine der gesetzlichen Pflichten der Arbeitgeber, deshalb ist es zusätzlich
  notwendig, ein umfassendes Konzept mit einem bunten Katalog von unterschiedlichsten Maßnahmen zu
  erarbeiten. Den Fokus auf die Anwesenheitsprämie zu richten, ist zu kurz gegriffen. Wenn so viel Geld
  zur Verfügung steht, könnte auch an übertarifliche Zulagen gedacht werden, um die Arbeitsleistung zu
  würdigen. Diese Zulagen könnten die Kolleg_innen für individuelle Aktivitäten in der Freizeit zur
  Gesunderhaltung verwenden.

hlz – Zeitschrift der GEW Hamburg 7-8/2017                                                                     15
KITAS

Kein Grund zum Jubeln
Wie der Senat den Fachkräftemangel bei den Kitas beheben will

   Anfang Juni stellte Schulsena-    erweiterten ESA (erster allge-      noch nicht den Anforderungen
tor Rabe, diesmal assistiert von     meinbildender Schulabschluss;       und Belastungen, die der Erzie-
Sozialsenatorin Leonhard, den        früher Hauptschulabschluss plus     her_inenalltag mit sich bringt.
Medien seine Lösung für den          bestandener Prüfung nach der        Eine der Arbeit angemessene
Fachkräftemangel in Hamburger        10. Klasse) nach einem Probe-       Bezahlung ist die beste Mög-
Kitas vor.                           halbjahr die zweijährige Sozial-    lichkeit, Fachkräftemangel zu
   Danach will der Senat ab 2018     pädagogische Assistent_innen-       verhindern.
jährlich zum 1.1. je 500 zusätz-     ausbildung durchlaufen hätten.         Hamburg hatte schon 2012
liche Fachkräfte einstellen, so      Ob diese Fachkräfte dann mög-       die Anzahl der Krippenplätze
dass dann 2021 zweitausend zu-       licherweise noch die Erzieher_      gesteigert und 2013 das Krip-
sätzliche Fachkräfte in Hambur-      innnenausbildung dranhängen,        penplatzausbauprogramm um-
ger Kitas für die Krippenkinder-     kann heute niemand vorherse-        gesetzt, aber die Fachkräfte-
betreuung arbeiten.                  hen.                                gewinnung nicht ausreichend
   Sehen wir einmal großzü-             Wegen des jetzt nur noch vier    angehoben. 2013 durch eine
gig darüber hinweg, dass die         Monate lang zu durchlaufenden       bundesweite Studie und 2014
Fachschulabsolvent_innen am          Sozialpraktikums können Abitu-      in einer nur in Hamburg durch-
31.1. und 31.7. eines Jahres ihre    rient_innen oder Menschen mit       geführten      wissenschaftlichen
Ausbildung beenden und nicht         Fachhochschulreife frühestens       Untersuchung wurde dem Senat
31.12., so zeigt die Auflistung      zum 01.02.2018 in die dreijäh-      attestiert, dass die Ausfallquote
der Maßnahmen, dass aus dem          rige Erzieher_innenausbildung       beim Hamburger Kitapersonal
vorgestellten     Maßnahmenka-       eintreten und wären dann am         bei ca. 18 Prozent liegt. Weitere
talog frühestens ab 01.08.2019       31.01.2021 ausgebildete Fach-       ca. 7,5 Prozent fehlen, um die
bereits jetzt ausgebildete sozial-   kräfte.                             notwendigen und durch Landes-
pädagogische Assisstent_innen,          Maßnahmen als Lösung anzu-       rahmenvertrag vorgeschriebenen
die in die verkürzte zweijähri-      bieten, die frühestens am 01. Au-   Arbeiten in den Kitas, die so ge-
ge     Erzieher_innenausbildung      gust 2019 bzw. am 01. Februar       nannte mittelbare pädagogische
wechseln, als Erzieher_in dem        2020 und am 01. Februar 2021        Arbeit, durchzuführen.
Arbeitsmarkt zur Verfügung ste-      greifen, ist purer Populismus.         Die Erhöhung des Fachkraft-
hen könnten. (D.h.: Sie würden          Woher also kommen die an-        Kind-Schlüssels war nach hef-
jetzt aber dem Arbeitsmarkt vor-     gekündigten zusätzlichen 500        tigen Auseinandersetzungen mit
enthalten!)                          Fachkräfte im Januar 2018 und       den Verbänden und der Initiative
   Leicht erhöht sich die Zahl       weitere 500 im Januar 2019?         Kita-Netzwerk, in der Kita-Be-
durch        Fachabsolvent_innen     Darauf hat auch Graf Zahl keine     schäftigte, die Gewerkschaften
der beruflichen Gymnasien mit        zufriedenstellende Antwort.         GEW und ver.di und der Landes-
der Fachrichtung Pädagogik &            Seit 2011, so Senator Rabe in    elternausschuss vertreten sind,
Psychologie oder der Fachober-       der Pressemitteilung, konnte die    im Dezember 2014 kurz vor der
schule mit dem Schwerpunkt           Zahl der Fachschulabsolvent_in-     anstehenden Bürgerschaftswahl
Sozialpädagogik. Diese dürfen        nen auf jährlich 1.500 Personen     mit den Verbänden und dem
nun sofort in die verkürzte, zwei    gesteigert werden. Wie sich         LEA vereinbart und durch die
Jahre umfassende Erzieher_in-        zeigt: schon damals nicht genug.    Bürgerschaft beschlossen wor-
nenausbildung wechseln.                 Entscheidend für die Perso-      den. Aufwachsend zu 1:4 zum
   Mal abgesehen von der Frage,      nalgewinnung ist die Attraktivi-    Start 01. August 2019 für Krip-
ob diese Fachkräfte tatsächlich      tät des Berufs. Im Streit um die    penkinder war unter anderem als
in der Krippenkinderbetreuung        Übernahme der Tarifabschlüsse       Kompromiss herausgekommen.
arbeiten werden, erscheinen sie      hat erst nach einundeinhalb Jah-    Fachwissenschaftler_innen hal-
doch frühestens am 01.08.2019.       ren eine Annäherung stattgefun-     ten dagegen einen Schlüssel von
   Eine weitere Maßnahme wür-        den. Die erzielbaren Einkommen      1:3 für 0-3 jährige Kinder und
de frühestens zum 01.02.2020         der pädagogischen Fachkräfte        1:7,5 für 3-6 jährige Kinder für
die Fachkräftezahl erhöhen. Das      entsprechen trotz Tarifsteige-      erforderlich.     Verbesserungen
wären diejenigen, die mit dem        rungen der letzten Jahre immer      für die Elementarkinder waren

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