ENERGIETAGE H 2 2021 - atene KOM
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ENERGIETAGE Journal 2021 Inhalt 2 INHALT Vorwort 03 Kältezentrale soll künftig 16 klimafreundliche Wärme erzeugen | Vattenfall Wärme Berlin AG Wasserstoff: Factsheet 04 Nachhaltige Fernwärmenetze – 17 Wasserstoff: 5 Fragen an... 06 Triebkraft für Energiewende und Klimaschutz | atene KOM Wasserstoff in der Praxis: 08 Verzeichnis der Reallabore und Projekte Alternative Fuels: 18 Markthochlauf erneuerbarer Kraft- und Brennstoffe notwendig | IWO Wasserstoff: Verzeichnis der Institutionen, 09 Forschung und Studien GeoEnergie für die Hauptstadtregion. 19 Potenzial, Status Quo, Forschungsbedarf | GFZ Klimaschutz in Gebäuden: 10 5 Fragen an... Mit einer demokratischen 20 Konfliktkultur die Energiewende Gebäudeenergiegesetz: 12 vor dem Populismus retten | PIK Auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand | ifeu Europäische Initiativen zum 21 kommunalen Klimaschutz – Gebäudetechnologien einsetzen, 13 Synergien schaffen, Umsetzung Klimaziele erreichen | ZVEI stärken | B.&S.U. Praxisprojekt: Gemeinsam für 14 Brennstoffzelle: Energie und 22 den Klimaschutz | GASAG Gruppe Emissionen sparen | Berlin Energie Service Erneuerbare Fernwärme 15 als Beitrag zur ökologischen Modernisierung Europas | VKU/BEE 17 Energiewende in Deutschland Werden Sie Teil der großen Energiewende-Community Austausch und Beteiligung an 365 Tagen WWW.ENERGIETAGE.DE
ENERGIETAGE Journal 2021 Vorwort 3 » Der kommenden Legislaturperiode kommt für die Einhaltung des 1,5°-Limits eine absolut entscheidende Bedeutung zu. « ENERGIEWENDE UND KLIMASCHUTZ IM SUPER-WAHLJAHR 2021 „Wenn wir das 1,5°-Ziel nicht erreichen, werden unsere Kinder gewaltigen Aufgaben gegenüberstehen. So ist Kriege um Nahrung und Wasser führen.“ so Frans Timmermans – beispielweise bei der energetischen Gebäude- Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission sowie Kommissar für sanierung noch kein Königsweg gefunden, mit den Europäischen Green Deal neulich im Berliner Tagesspiegel. welchen Maßnahmen wir dem Ziel eines klima- neutralen Gebäudebestandes wirklich näher- Ist das Alarmismus von höchster Stelle? Ich glaube kaum, denn kommen. Die Größe der Aufgabe verdeutlich ein alles, was uns die Klimawissenschaften sagen, deutet in diese kleines Zahlenspiel: Das aktuelle Klimaziel einer Richtung. Reduktion der gebäudebedingten CO2-Emis- sionen wurde um 2 Mio. Tonnen verfehlt. Das Der kommenden Legislaturperiode kommt für die Einhaltung klingt nicht überwältigend viel – es ist aber eine des 1,5°-Limits eine absolut entscheidende Bedeutung zu. Sol- Zielverfehlung um 50 Prozent! len Verantwortung und Generationengerechtigkeit keine hohlen Phrasen bleiben, ist klar: Ein weiteres Auseinanderfallen von (kli- Die Lektüre dieses Journals verdeutlicht, man ma-)politischen Zielen und realer Entwicklung können wir uns kann vielfach sehr unterschiedliche Einschätzun- nicht leisten. Die vielbeschworenen Klimaziele 2030 sind eh schon gen vertreten – und das ist auch gut so! Denn schwer zu erreichen. Sollten aber zu Beginn der neuen Legisla- eines hat in der Debatte um Klimaschutz und turperiode – genauer gesagt im Koalitionsvertrag – die Weichen Energiewende keinen Platz: Meinungsdiktat und nicht in die richtige Richtung gestellt werden, müssen wir schon Populismus. im kommenden Herbst von einer deutlichen Zielverfehlung 2030 ausgehen. Ein „Weiter so“ kann es also nicht geben. Nehmen wir Auf einen weiterhin anregenden Meinungs- die Klimaziele ernst, müssen wir uns ehrlich machen und rein in die austausch freut sich Zielkonflikte. „Umsonst“ wird es ein halbwegs stabiles Klima nicht mehr geben. Dies alles soll nicht als Defätismus missverstanden Ihr werden. Denn auf der Habenseite locken ein Zugewinn an Lebens- qualität, wirtschaftliche Prosperität und vielleicht sogar ein halb- wegs gutes Gewissen gegenüber unserer Jugendgeneration. Was tun? Wir bemühen uns mit den ENERGIETAGEN seit vielen Jahren ein Dach für den kontroversen aber stets konstruktiven Austausch um die optimalen Lösungen für Klimaschutz und Jürgen Pöschk Energiewende in Deutschland zu bieten. Auch in 2021 haben ENERGIETAGE/EUMB Pöschk wir hierfür überwältigenden Zuspruch von Veranstalter*innen, poeschk@energietage.de Referent*innen und Teilnehmenden erhalten. Das hier vorliegende Journal greift zentrale Fragestellungen auf, die im Rahmen der ENERGIETAGE diskutiert werden. Diese bei weitem nicht vollständigen Diskussionen zeigen, dass wir in zentralen klimapolitischen Handlungsfeldern nach wie vor 17 www.energietage.de
ENERGIETAGE Journal 2021 Factsheet Wasserstoff 4 FACTSHEET WASSERSTOFF Wasserstoff gilt als eine der zentralen Säulen erb are Ene hanpyrolys Bio energie eu r et M für das Gelingen der Energiewende und für das gi e Ern en Erreichen der Klimaneutralität im Jahr 2050. Mit < 30 kg / fester bilanziell der Verabschiedung der Wasserstoffstrategien MWh Kohlenstoff CO2-frei von Bundesregierung und Europäischer Union im Sommer 2020 hat die Diskussion um die Rolle des Energieträgers weiter an Kraft gewonnen: Eine 400 kg / 144 - 220 kg / MWh MWh Vielzahl von Studien hat seither die Bedeutung von S Wasserstoff für die langfristige Dekarbonisierung CC Fo ss + ile der Wirtschaft untermauert, vor allem in den E rd g a s E n e rg i e Sektoren, in denen sich fossile Energieträger nur schlecht durch erneuerbare ersetzen lassen. Farbenlehre Wasserstoff. Quelle: dena/eigene Berechnungen. HERSTELLUNG VERLUSTE BEI DER WANDLUNG Derzeit dominiert die Herstel- Kostendegressionen in der Herstellung werden jedoch nicht dafür sorgen, dass lung von Wasserstoff mit fossi- Wasserstoff in allen Sektoren gleichermaßen Einzug halten wird. Wandlungsver- len Energieträgern. Mehr als 90 luste vor allem in der Rückverstromung bergen Effizienzprobleme. So wird aus Prozent des heutigen Wasser- einer GWh Strom rund 0,71 GWh H2 nach der ersten Umwandlung. Wird dieser stoffs basiert darauf. Langfristig zurückgewandelt zur Nutzung als Elektrizität, bleiben nur mehr 0,4 GWh der müssen die Prozesse vollstän- ursprünglichen Energie übrig. Daher raten Expert*innen zu einer direkten Nutzung dig auf erneuerbare Energien in der Industrie oder als synthetische Kraftstoffe im Schwerlast- und Flugverkehr. umgestellt und die hohen Kos- ten gesenkt werden. Input 1 GWh Strom 1. 2. Umwandlung PtX Umwandlung Anwendungen Erneuerbare Energien H2-Herstellung 0,4 GWhel 0,7 GWhth 1.800 km Direkt 0,71 GWh (H2) Brennstoffzelle Brennstoffzelle Brennstoffzelle Stahl, Alu, etc. Power-to-Gas 0,2 GWhel 0,2-0,5 GWhth 1.200 km 0,5 GWhth 0,51 GWh (CH4) KWK KWK/Gas CNG Gaskessel Power-to-Liquid 0,2 GWhel 0,4 GWhth 1.200 km 0,4 GWhth Elektrolyse 0,45 GWh (Fuels) KWK Ölkessel Verbrenner Ölkessel Stromnutzung 0,9 GWhel 3 GWhth 6.600 km 0,98 GWhth 1 GWh Batterie Heizungspumpe batterieelektrisch Power-to-Heat Umwandlungsverluste H2 und Folgeprodukte. Quelle: BCG/Prognos. Anwendungen GESTEHUNGSKOSTEN FÜR GRÜNEN, GRAUEN UND BLAUEN WASSERSTOFF C Co2 Einen Überblick über den Preis-Spread zwischen fossiler und regenerativer Herstel- lung zeigt der neue Preisindex „Hydex“ auf, den die Unternehmen E-Bridge und energate veröffentlichen. Er soll Transparenz schaffen und belastbare und zuver- lässige Preisinformationen liefern. www.energate-messenger.de | www.e-bridge.de 150 Pyrolyse Dampfreformierung 100 50 0 01.03. 08.03. 15.03. 22.03. 29.03. 01.04. 05.04. Hydex Green Hydex Blue Hydex Grey Fossile Energiträger Quelle: BDEW. Quelle: E-Bridge/energate.
ENERGIETAGE Journal 2021 Factsheet Wasserstoff 5 H Wasserstoff ist vielseitig • Herstellung ist klimaneutral möglich H • Nutzung als Rohstoff für die Industrie • Langzeitspeicher für erneuerbare Energien • Sektorenkopplung: H2 ermöglicht breite Nutzung regenerativer Energie • Industriepolitische Potenziale erschließen • Deutschlands Rolle beim Export von grünen Technologien stärken PROGNOSTIZIERTE MENGEN H2 UND FOLGEPRODUKTE 500 Die Nationale 432 TWh Wasserstoffstrategie (NWS) 400 der Bundesregierung geht im Jahr 2030 für Deutschland von 300 einem Wasserstoffbedarf in 348 TWh Importe H2 /Folgeprodukte Höhe von 90-110 TWh aus. 200 180 TWh Für 2050 erwartet Agora Energiewende einen 100 142 TWh 90-110 Bedarf an wasserstoffbasierten TWh 84 TWh Wasserelektrolyse (Inland) 38 TWh 0 Energieträgern in Höhe 2030 2040 2050 von 432 TWh. Prognose Nationale Prognose Agora Energiewende Wasserstoffstrategie (H2 und Folgeprodukte, CO2-frei) Quelle: NWS/Agora Energiewende (2020). RESSOURCENBEDARF H2-PRODUKTION FÖRDERUNG Aus den Prognosen ergeben sich enorme Energiebedarfe. Würden diese Um den Markthochlauf der Wasser- H2-Mengen vollständig mit regenerativen Energien hergestellt werden, müsste stofftechnologien in Deutschland Deutschland 2030 knapp 160 und 2050 rund 700 TWh Grünstrom zusätzlich zu unterstützen, weist die Nationale bereitstellen. Alternativ müssen große Mengen des grünen Wasserstoffs aus Wasserstoffstrategie (NWS) För- sonnen- und windreicheren Regionen importieren. Agora Energiewende rech- dermittel in Höhe von sieben Mrd. net 2050 mit einem Importanteil von etwa 80 Prozent. Euro aus. Dabei sollen aktuellen Informationen zufolge zwei Mrd. in 2020 2030 2050 2050 den Aufbau von Erzeugungsanla- gen, eine Mrd. in die Infrastruktur, 1,5 Mrd. Euro in die Förderung von Anwendungen im Verkehr und 2,5 Mrd. für die Dekarbonisierung der Industrie fließen. Mit 3,1 Mrd. Euro entfällt der größte Posten auf das Bundeswirtschaftsministerium. Die 247 TWh 157 TWh 700 TWh Mittel für die Wasserstoffförderung Gesamte Zusätzlicher, theoretischer Bedarf Wasserverbrauch für die für 2050 stammen aus dem Konjunktur- EE-Produktion Erneuerbare Energien nur für die prognostizierte Produktionsmenge paket der Großen Koalition. Ex- in Deutschland Produktion von Wasserstoff und von H2: Hälfte des jährlichen pert*innen erwarten einen ungleich 2020 seinen Folgeprodukten Trinkwasserbedarfs von Berlin. höheren Investitionsbedarf, vor Quelle: Fraunhofer/eigene Berechnungen. allem im Industriesektor. Aber auch der Wasserbedarf bei der Herstellung von Wasserstoff ist groß. Für 1 kg H2 werden 9 Liter Wasser benötigt. Und vor allem in sonnenreichen Teilen der Erde, die sich gut als Lieferant für grünen Wasserstoff eignen würden, spielt die Wasserversorgung eine große Rolle. Die für 2050 prognostizierten Jan Pohle H2-Bedarfe erfordern Wassermengen, die rund dem halben jährlichen Trink- EUMB Pöschk wasserbedarf Berlins entsprechen. pohle@eumb-poeschk.de
ENERGIETAGE Journal 2021 Wasserstoff: 5 Fragen an... 6 WASSERSTOFF: 5 FRAGEN AN... Der “Traumstoff” der Deutschen Energiewende... Wie aber konkret? In welchem Maße und wie erzeugen, bereitstellen, befördern. Hier gehen die Ansichten deutscher Meinungsführer auseinander. Ein Überblick in 5 Fragen... Bild: EUMB Pöschk. Bild: Detlef Eden. Bild: Florian Büttner. Jürgen Pöschk Rainer Baake Matthias Trunk ENERGIETAGE / Stiftung Klimaneutralität GASAG AG EUMB Pöschk GmbH 1 Wasserstoff im Jahr 2030 ist … 1 In 2030 werden bereits erhebliche 1 15 Prozent der bundesweiten En- Ein Grundpfeiler oder ein zartes Mengen an Wasserstoff vor allem in ergienachfrage werden mit Erneuer- Pflänzchen der Energiewende in der Industrie eingesetzt, um recht- baren Energien gedeckt. Das Ziel Deutschland? zeitig Fehlinvestitionen in fossile der Klimaneutralität ist folglich noch Technologien zu verhindern. weit entfernt und ohne den Einsatz 2 Meine persönliche Wasserstoff- von Wasserstoff kaum erreichbar. farbenlehre reicht von grün bis …? 2 Einzig grün, wenn wir es schaffen, 2030 wird Wasserstoff daher eine schnell genug große Mengen Was- wichtige Rolle im Energiemix ein- 3 Wasserstoff sollte produziert serstoff aus erneuerbaren Energien nehmen. werden… in großen Städten um zu produzieren. Elektrolyseabwärme zu nutzen, an 2 ... blau und türkis für den Über- Deutschlands Küsten, „jotwede“ 3 Schwerpunktmäßig an der gang und den Markthochlauf von von Norwegen bis Patagonien, wo deutschen Küste; von dort wird Was- großflächigen grünen Wasserstoff- Wind weht, Sonne scheint, Wasser serstoff über Pipelines zu den In- anwendungen. fließt? dustriebetrieben transportiert. Wer Wasserstoff in Süddeutschland pro- 3 Überall dort, wo es wirtschaftlich 4 Wasserstoff sollte: vor allem „frei duzieren will, muss für zusätzliche und ökologisch sinnvoll ist. Um den über den Markt gehandelt“, „an Stromleitungen sorgen. künftig steigenden Wasserstoff- Sektoren die Fossile nicht anders bedarf bedienen zu können, werden kompensieren können zugeteilt“, 4 Grüner Wasserstoff wird knapp sowohl inländische Quellen als auch „in Champagnerflaschen verkauft“ und teuer sein. Wir werden ihn Importe erforderlich sein. werden? fördern müssen und sollten ihn dort einsetzen, wo es zur Erreichung von 4 Das Wasserstoffangebot wird 5 Sie sind Energieminister: Ihre Klimaneutralität keine vernünftigen weltweit zunehmen und damit wird ersten Maßnahmen im Bereich Alternativen gibt. Wasserstoff als nachhaltiger und Wasserstoff wären? bezahlbarer Energieträger viel- 5 (1.) Die Voraussetzungen für einen seitig einsetzbar werden, in der In- schnellen Ausbau der Erneuerbaren schaf- dustrie sowie im Gebäude- und fen. Es gibt keine grünen Moleküle ohne Verkehrssektor. grünen Strom! (2.) Mit Dänemark und den Niederlanden verhandeln, um gemein- 5 Schaffung eines regulatorischen sam in der Nordsee Offshore- und Elektro- Rahmens, der die erforderlichen An- lysekapazitäten aufzubauen. (3.) Einen ver- reize für einen schnellen Wasser- lässlichen Rahmen schaffen für den Einsatz stoffhochlauf in der Industrie sowie im von Wasserstoff in der Industrie. Gebäude- und Verkehrssektor setzt.
ENERGIETAGE Journal 2021 Wasserstoff: 5 Fragen an... 7 Bild: Kerstin Reisch/Lumenion. Bild: Privat. Hanno Balzer Prof. Dr. Manfred Norbert Fisch HH2E AG EGS-plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik mbH 1 Wasserstoff ist ein Grundpfeiler 1 ... ein zartes Pflänzchen. Wie zu der Energiewende, einschließlich Beginn des Solarzeitalters wird die der Sektoren Verkehr und Indus- Wirtschaftlichkeit das Wachsen er- trie – nicht nur für den Strommarkt. schweren. In Europa brauchen wir zeitnah größere Produktionsanlagen 2 ... bis grün. Andere Farben können von Elektrolyseuren, H2-Transport- den Einstieg erleichtern – das Ziel ist kapazitäten sowie PV- Fabriken. aber 100 Prozent Erneuerbar! 2 ... grün. 3 Wir brauchen einen Technologie- mix, der Wasserstoff, Wärme, Dampf 3 Der Großteil des Bedarfs in und Strom bedarfsgerecht liefert. Deutschland muss in Europa pro- Strom lässt sich gut transportieren, duziert werden, auch weil aus insofern sollte ausreichend Wasser- Nordafrika oder Saudi-Arabien stoff am Ort des Wärmeverbrauchs nicht nennenswert günstiger nach erzeugt werden. Deutschland lieferbar. Ein Teil sollte direkt dort produziert werden, wo 4 Kosteneffizienz erreicht man am er benötigt wird. Die Nutzung der besten über einen Markt. Dies ist un- Abwärme aus dem der Elektrolyse- ser Ziel für den Handel mit Wasser- prozess zur Wärmeversorgung von stoff! Ein Wasserstoffmarkt entsteht Städten steigert die Effizienz von 60 nicht „von allein“ und ist in ein Ge- auf bis zu 90 Prozent. flecht aus regulierten oder imper- fekten Märkten eingebunden. 4 Auf jeden Fall freier Handel. Der Markt für grünen Wasserstoff wird 5 Eine deutliche Beschleunigung durch den Green Deal mittelfristig der Energiewende: Kohleausstieg entstehen. 2038 und unbestimmter Ausstieg aus fossilem Erdgas und Öl machen 5 Die PV-Industrie wieder in Europa uns zum Schlusslicht der Ener- aufbauen, die Industrie bei der Er- giewende. Dies ist für das Klima und richtung von Giga-Fabriken für Elek- Wettbewerbsfähigkeit fatal. trolyse-Anlagen unterstützen und eine Einspeisevergütung für grünen WWW.ENERGIETAGE.DE Wasserstoff einführen.
ENERGIETAGE Journal 2021 Wasserstoff in der Praxis 8 WASSERSTOFF IN DER PRAXIS REALLABORE DER ENERGIEWENDE • RefLau Referenzkraftwerk Lausitz: Erneuerbare Energiever- Reallabore sorgung und H2 als chemischer Speicher Mit dem Förderinstrument Reallabore der Energiewende unterstützt die Bundesregierung innovative Technol- ogien und deren praktische Anwendung. Unter den 20 • ReWest100 30-MW-Elektrolyseur: regionale Wasserstoff- durch die Bundesregierung ausgezeichneten Real- wirtschaft im industriellen Maßstab laboren befinden sich auch zahlreiche, die ihren Schwer- punkt auf das Thema Wasserstoff legen. • SmartQuart Steckbriefe aller Reallabore der Bundesregierung Sektorenkopplung: Energie, Wärme, Wasserstoff und Mobilität • CCU P2C Salzbergen Erzeugung synthetischen Methans aus grünem Weitere Informationen finden Sie hier. Wasserstoff und CO2 aus Müllverbrennung • Dezentrales Energieversorgungssystem für das AUSGEWÄHLTE PROJEKTE Energiedorf Lübesse Power-to-X-Verfahren für die regionale • Wasserstoff-Leitprojekte (BMBF) Energieversorgung des Ortes Lübesse • HyLand/HyExperts/HyStarter (BMVI) • DOW Stade - Green MeOH Umwandlung Wasserstoff in Methanol aus • HyStarter industriellem CO2 Regionen bei der Entwicklung der Wasserstoff-Konzepte unterstützen • Energiepark Bad Lauchstädt Elektrolyse von Windstrom, Kavernenspeicherung, • HYPOS: Verbundvorhaben H2-Netz Bereitstellung für Chemiedreieck Mitteldeutschland mittels umgerüsteter Erdgasleitung • HYPOS: Verbundvorhaben LocalHy • GreenHydroChem • HYPAT 50-MW-Elektrolyseur, Umwandlung in Methanol Weltweite Potenziale zur Erzeugung und zum Export und chem. Grundstoffe für die Industrie von Grünem Wasserstoff • H2 Wyhlen • StoRelH2 Elektrolyse von Wasserstoff mit Strom aus Effiziente und kostengünstige Wasserstoffversorgung Wasserwerk mit flüssigen organischen Wasserstoffträgern • H2Stahl • hyTracks Eisengewinnung: Wasserstoffnutzung in Hochöfen Plattform für interdisziplinäre Forschungsansätze entlang der Wasserstoff-wertschöpfungskette • HydroHub Fenne Erneuerbarer Überschussstrom per • Ideenwettbewerb „Wasserstoffrepublik Deutschland“ 17,5-Megawatt-Elektrolyseur, Sektorenkopplung Förderung Forschung und Entwicklung Grüner Wasserstoff • HySynGas Industriepark Brunsbüttel: Großprojekt zur Herstellung synthetischer Gase • Norddeutsches Reallabor Großskalige Konzepte für die Sektorenkopplung an 5 Standorten
ENERGIETAGE Journal 2021 Institutionen und Forschung 9 INSTITUTIONEN UND FORSCHUNG INSTITUTIONEN, PROGRAMME, INITIATIVEN STUDIEN • Nationaler Wasserstoffrat • 2020 | Agora- Studie: Klimaneutrales Deutschland • Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff- • 2020 | DLR: Wasserstoff als Fundament der und Brennstoffzellentechnologie (NIP) Energiewende Teil 1 • NOW GmbH – Nationale Organisation • 2020 | DLR: Wasserstoff als Fundament der Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie Energiewende Teil 2 • Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband (DWV) • 2020 | Greenpeace Energy: Grün oder Blau? • DVGW: Wasserstoff Verein des • 2020 | IKEM-Kurzstudie: Wasserstoff-Farbenlehre Gas- und Wasserfaches • 2020 | Wuppertal Institut und DIW Econ: • BDEW Bundesverband der Energie- Bewertung der Vor- und Nachteile von und Wasserwirtschaft: Wasserstoff Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Erzeugung • H2Berlin – Wasserstoff-Initiative Berlin • 2020 | Deutscher Bundestag: Kosten der • International PtX Hub Berlin Produktion von grünem Wasserstoff • H2 Süd – die Wasserstoffinitiative Bayern und • 2020 | UBA/ifeu: Systemvergleich speicherbarer Baden-Württemberg Energieträger aus erneuerbaren Energien • Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Initiative Hessen e.V. • 2020 | BGR: Energiestudie 2019 • Netzwerk Brennstoffzelle und Wasserstoff NRW • 2020 | DVGW: Wasserstoffmobilität: Stand, Trends, Perspektiven • HYPOS e.V. – Hydrogen Power Storage & Solutions East Germany e.V. • 2020 | Umlaut-Studie: Wasserstoff – Chancen, Potenziale und Herausforderungen • European Clean Hydrogen Alliance • 2020 | H2Berlin: Wasserstoffpotenzial in Berlin 2025 FORSCHUNG • 2019 | Fraunhofer: Eine Wasserstoff-Roadmap • Forschungsnetzwerk Wasserstoff: PT Jülich für Deutschland • Helmholtz-Zentren: Wasserstoffforschung • 2019 | FZ Jülich: Kosteneffiziente und klimagerechte Transformationsstrategien für das deutsche • Helmholtz-Zentren: Wasserstoffatlas Energiesystem bis zum Jahr 2050 • Forschungszentrum Jülich • 2019 | DWV für Land Brandenburg: H2-Industrie Potenzialstudie Brandenburg • DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie • 2019 | BDI: Industrie-Roadmap für den Einsatz klimafreundlicher Gase • Akademienprojekt ESYS • Öko-Institut e.V.: Wasserstoffforschung • 2019 | BDI: Prioritäten der Industrie für die Nationale Wasserstoffstrategie • Fraunhofer-Gesellschaft: Wasserstoff-Technologien • 2018 | BCG und Prognos: Klimapfade für Deutschland • Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg • 2018 | dena: Leitstudie Integrierte Energiewende
ENERGIETAGE Journal 2021 Klimaschutz in Gebäuden: 5. Fragen an... 10 KLIMASCHUTZ IN GEBÄUDEN: 5 FRAGEN AN... Klimaschutz und CO2-Minderung in Gebäuden kommen in Deutschland nur schleppend voran und die Erreichung der klimapolitischen Ziele für 2030 gilt als “ambitioniert”. WIE WEITER? ... fragen wir ausgewählte Meinungsführer in Deutschland. Bild: EUMB Pöschk. Bild: GdW. Bild: DMB. Jürgen Pöschk Axel Gedaschko Dr. Melanie Weber-Moritz ENERGIETAGE / GdW Bundesverband Deutscher Mieterbund e.V. EUMB Pöschk GmbH deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. 1 Die energetische Sanierungsrate 1 1,2 Prozent wegen der Wirkung 1 0,99999 Prozent. des Jahres 2022 schätze ich auf …? der BEG. Bitte mit Nachkommastelle. 2 (1.) Für die Dekarbonisierung des 2 Kapazitäten schaffen – in Planung, Gebäudebestandes bis 2050 den Neu- 2 Meine drei wichtigsten Emp- Handwerk, Produktherstellung. baustandard kurzfristig auf KfW-Effi- fehlungen, hierüber deutlich Einzelmaßnahmen nahe GEG-Stan- zienzhausstandard 55 und mittelfristig hinauszukommen, wären…? dard deutlich höher fördern (Breite auf einen noch ambitionierten Stan- vor Tiefe), auch die jetzigen An- dard anheben. (2.) Eine deutliche Stei- 3 Meine Hoffnung auf Techno- forderungen an Einzelmaßnahmen. gerung der Sanierungstiefe mit dem logiesprünge im Gebäudebereich Sanierungsrate heißt noch nicht En- Ziel, die Energie- und Heizkosten der ruht auf..? ergieeinsparung. Seit 2010 null En- Mieter deutlich zu senken und Warm- ergieeinsparung klimabereinigt pro mietenneutralität bei Modernisierun- 4 Die künftige Beheizung: Wärme- m². Unterstützung der breiten Ein- gen zu erreichen. (3.) Die öffentliche pumpen und klimaneutrale Fern- führung von Anlagenoptimierung/ Förderung auf mindestens 10 Mrd. wärme sind für mich fast zwin- Smart-Efficiency. Euro pro Jahr aufstocken. gende Optionen oder nur zwei Möglichkeiten im Sinne von 3 Gebäudeintegrierte Photovoltaik. 3 Statt Technologiesprüngen benö- Technologieoffenheit? Wasserstoffproduktion im Quar- tigen wir v.a. bessere Rahmenbedin- tier mit Nutzung der Abwärme der gungen, u.a. in Bezug auf die öffen- 5 Um die Akzeptanz von Klima- Elektrolyse. tliche Förderung sowie Perspektiven anforderungen bei Gebäude- zur Erreichung warmmietenneutral- eigentümern zu erhöhen, würde 4 Beides: auch in Kombination mit er energetischer Sanierungen. ich der Politik empfehlen …? weiteren Möglichkeiten, wie Nutzung erneuerbarer nicht fossiler Gase. Wir 4 Letzteres, wobei Neubaustan- brauchen alle Bausteine einschließlich dards und Sanierungstiefe ambi- Import erneuerbarer Energien. tionierter werden müssen. 5 Einen guten sozialen Ausgleich 5 Die Umlage der CO2-Bepreisung auf zu finden. Einzelmaßnahmen nahe Mieter muss aufgrund der fehlenden GEG-Standard fördern (s.o.). Stan- Lenkungswirkung abgeschafft und dards für die energetische Mo- vom Vermieter getragen werden. Das dernisierung nicht erhöhen, denn würde die Akzeptanz von Klimaan- das endet in einem Rückgang der forderungen bei Gebäudeeigentümern Sanierungsrate. insofern erhöhen, da für erneuerbare Heizsysteme kein CO2-Preis anfällt.
ENERGIETAGE Journal 2021 Klimaschutz in Gebäuden: 5. Fragen an... 11 Bild: Agora Energiewende. Bild: DUH/Steffen Holzmann. Bild: Sergey Kleptcha. Dr. Patrick Graichen Barbara Metz Taco Holthuizen Agora Energiewende Deutsche Umwelthilfe e.V. eZeit Ingenieure GmbH 1 1,5 Prozent. 1 Die Sanierungsrate muss von 1 1,3 Prozent, sie wird durch die 0,8 auf mindestens 3 Prozent an- großzügige Förderung der BEG nun 2 Meine drei wichtigsten Empfeh- wachsen. Mit den bestehenden endlich steigen! Wenn nicht, soll- lungen, hierüber deutlich hinauszu- Maßnahmen wird sie nicht steigen. te man statt Klotzmodelle nun erst kommen sind, (1.) ein sozialer Ge- recht auch Steuermodelle in Be- bäudekonsens und die Einführung 2 Effizienzhaus-Standard 55 im Be- tracht ziehen. von Warmmieten, (2.) verpflichtende stand und EH40-Standard im Neu- Kommunale Wärmeplanung, (3.) ein bau. Die finanzielle Förderung muss 2 (1.) Förderung von Effizienz statt CO2-Preis von mindestens 100 Euro. steigen! Der Energiebedarfsausweis Maße, (2.) Wegfall der Strafsteuern muss für alle Gebäude verpflichtend (EEG, GST, MwSt.) auf selbstgewon- 3 Meine Hoffnung auf Technolo- werden. nen Strom bei Eigennutzung UND giesprünge im Gebäudebereich ruht netzdienlichem Verhalten sowie auf der industriellen Sanierung und 3 Technologiesprünge allein gleichzeitiger Erhöhung der CO2- Start-ups, die digitalisierte Hand- werden nicht reichen. Entscheidend Steuer, (3.) Förderung der Vernet- werks-Dienstleistungen anbieten. ist, dass wir Technologien und Sa- zung und damit Liberalisierung nierung, flächendeckend und mit beim EnWG (z.B. Kundenanlage). 4 Die künftige Beheizung: Wärme- hoher Qualität umsetzen. pumpen und Wärmenetze. Sie sind, 3 ... der Wasserstoffstrategie. zusammen mit effizienten Gebäu- 4 Es kommen auch andere Techno- Grünes bezahlbares Gas in dezen- den, die Schlüsseltechnologien der logien in Frage. Man muss im Einzel- tralen BHKWs sind äußerst wichtige Wärmewende. fall entscheiden, welches System Bausteine der Energiewende. die maximale Emissionsreduktion 5 Um die Akzeptanz von Kli- mit möglichst geringen Kosten bie- 4 Zwei Möglichkeiten, da die Ak- maanforderungen bei Gebäude- tet. tivierung von dezentraler EE die eigentümern zu erhöhen, würde wichtig(st)en Bausteine bezahlbar- ich der Politik empfehlen, endlich 5 1 Mio. Bestandsgebäude p.a. er grüner Energie sind. Zudem wird das Konzept „Fordern UND Fördern“ klimaneutral sanieren, 1 Mio. Sa- dadurch Privatkapital aktiviert. konsequent umzusetzen, d.h. Stan- nierungsfahrpläne p.a. verschen- dards verschärfen UND das Errei- ken, 100 Prozent Transparenz über 5 ...bei der Bewertung von Neubau- chen dieser Standards fördern. den energetischen Zustand und ein und Sanierungsvorhaben die durch 100-Tage-Klimaschutz-Sofortpro- die Energiewende entstehenden gramm. Die Fördermittel müssen Chancen und Risiken bei der Finan- erhöht und der CO2-Preis voll von zierung zwingend mitbewerten zu Vermieter*innen getragen werden. lassen.
1.10 www.energietage.de ENERGIETAGE Journal 2021 Auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand – Das Gebäudeenergiegesetz „fit für 55“ machen! 12 AUF DEM WEG ZUM KLIMANEUTRALEN GEBÄUDEBESTAND – DAS GEBÄUDEENERGIE- GESETZ „FIT FÜR 55“ MACHEN! Das GEG liefert nach sie- Kosten gerecht GEG 2.0 benjährigem Diskussions- Klimaneutralität verteilt und Gesetzgebungspro- 2050 • Vom Ziel her gedacht zess im Wesentlichen eine • Klar und langfristig redaktionelle Zusammen- • Ambitioniert im Neubau, Green Deal führung des Gebäudeen- richtungsweisend im Bestand ergierechts. Die zwischen- • -55% THG (2030) • Keine Lock-ins und zeitlich veränderten • Renovation Wave Bereu-Investitionen politischen Rahmenbedin- Ergebnis zählt gungen (Paris 2015, FFF • Minimum Perfor- • mance Standards Baukultur • Einfach und robust 2019, „Fit for 55“-Paket der EU) greift das GEG noch Grafik: ifeu. nicht auf. Hinzu kommen inzwischen auch sich abzeichnende gesteigerte nierungsfahrplan ausgeführt werden. Ziel ist, die Gebäude europäische Vorgaben (Anhebung der Klima- durch Absenkung der Heiztemperaturen fit zu machen für ziele, renovation wave, Revision der EPBD). Da- Wärmepumpen und erneuerbare Wärmenetze. Hinzu kommt her kann das GEG nicht erst 2023 einem Revi- die Vorbereitung für die Installation einer EE-Heizung. sionsprozess unterzogen werden. Auch dass der Gebäudesektor als einziger die 2020-Ziel ver- • Ein Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen befeuerten Heizkes- fehlt hat, zeigt unübersehbar, dass es ordnungs- seln durch eine Treibhausgas-Quote ab Mitte dieser Dekade. rechtlicher Korrekturen für Neubau und v.a. für den Gebäudebestand bedarf: Ein baldiges GEG • Einführung einer Photovoltaik-Pflicht auf allen Neubauten. 2.0 tut Not! • Ein laienverständliches Effizienzcockpit ermöglicht ver- Dafür werden bereits jetzt wesentliche Eckpunk- haltensbedingte Verbrauchsreduzierungen. te zur Diskussion gestellt: Als sozioökonomische Rahmenbedingungen braucht es ein- • Das Ziel des klimaneutralen Gebäude- en ambitionierten CO2-Preis sowie eine Förderkulisse, die den bestands muss gesetzlich verankert werden. Beitrag der Eigentümer zum Allgemeinwohlziel Klimaschutz reflektiert. Es darf auch gefördert werden, was gefordert wird. • Der Neubaustandard muss deutlich erhöht Die Lastenverteilung muss angemessen zwischen Eigentümern, werden, ohne Bauherren dabei zu über- Nutzern und öffentlicher Hand erfolgen. fordern. Eine Umstellung auf Treibhausgase und Heizwärmebedarf als Anforderungs- größen sowie eine Abkehr vom Referenzge- bäudeverfahren erhöht die Zielfokussierung Dr. Martin Pehnt und belohnt kluge und kompakte Gebäude- ifeu - Institut für Energie- und konzepte sowie eine integrale Planung. Umweltforschung Heidelberg gGmbH martin.pehnt@ifeu.de • Einfach zu erhebende Ökobilanzen erwei- tern den Blick auf die grauen Emissionen Tilo Kurtz und befördern klimaschonende Baustoffe, Ministerium für Umwelt, Klima und langlebige Komponenten und kreislauforien- Energiewirtschaft Baden-Württemberg tierte Baukonzepte. tilo.kurtz@um.bwl.de • Der Angelpunkt für die Zielerreichung sind erhöhte Anstrengungen im Gebäudebe- stand: Modernisierungsarbeiten müssen mit bestmöglicher Effizienz und mit einem Sa-
2.01 www.energietage.de ENERGIETAGE Journal 2021 Gebäudetechnologien einsetzen, Klimaziele erreichen 13 Vernetze Gebäudetechnologien sind unverzichtbar für die Energiewende. Nicht zuletzt deshalb bündelt der ZVEI alle relevanten Elektro- Branchen in der neuen Plattform Gebäude. Grafik: ZVEI. GEBÄUDETECHNOLOGIEN EINSETZEN, KLIMAZIELE ERREICHEN Deutschland hat seine Klimaziele für 2020 erreicht. Nach den neuen Legislaturperiode muss das Gebäude- Zahlen des Bundesumweltministeriums und des Umwelt- energiegesetz novelliert werden. Dabei muss aus bundesamtes (UBA) hat die Bundesrepublik 40,8 Prozent weni- Sicht des ZVEI auch der gesamte Lebenszyklus ger CO2-Emissionen erzeugt als 1990. Damit lag sie über ihrem der Gebäude ausreichend betrachtet werden. selbst gesetzten Ziel von 40 Prozent. Die Bilanz ist grundsätzlich erfreulich, aber laut Klimabericht sind rund ein Drittel der Emis- Die Relevanz des Gebäudesektors steigt – nicht sionsrückgänge auf die Pandemie zurückzuführen. Insbesondere nur im Zusammenhang mit der Energiewende. beim Verkehr und auf dem Energiesektor hat diese zu erheblichen Bereits heute bietet der Markt großes Poten- Einsparungen geführt. Sorgenkind dieser Bilanz bleibt der Gebäu- zial und er wird weiterwachsen. Nicht zuletzt desektor, dabei ist er ein wichtiges Drehkreuz in der Energiewende. deshalb hat der ZVEI Ende letzten Jahres die „Plattform Gebäude“ gegründet. Hier bündelt Die wohl größte Herausforderung: Ein Großteil des Gebäudebe- die deutsche Elektroindustrie ihre Kräfte zu allen stands in Deutschland ist derzeit gar nicht energiewendefähig. gebäuderelevanten Themen in einer schlagkräf- Dabei sind Gebäude sind für die Erreichung der Klimaziele nicht tigen Verbandsinitiative. nur relevant, weil hier rund 35 Prozent der gesamtdeutschen End- energie verbraucht wird und ihnen nahezu ein Drittel der energiebe- Ziel der Plattform ist es u. a., das schnell voran- dingten CO2-Emissionen im Land zuzurechnen ist. Sie sind vielmehr schreitende Zusammenwachsen von elek- elementarer Teil des dezentralen Energiesystems der Zukunft, wenn trischer und digitaler Welt in diesem Bereich sie nicht nur Verbraucher sein werden, sondern auch Erzeuger. gewerkeübergreifend zu gestalten. Das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands kann nur durch eine aktive Gebäudewende erreicht werden. Und diese muss aus Sicht des ZVEI jetzt beginnen. Dafür müsste die Modernisierungs- Sebastian Treptow und Sanierungsrate auf drei Prozent pro Jahr erhöht werden. Die Leiter Plattform Gebäude, ZVEI Technologien sind vorhanden. Sie müssen jetzt über die Mittel sebastian.treptow@zvei.org aus Konjunkturpaket und Renovierungswelle zielgerichtet ein- gesetzt werden. Mit der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) hat die Politik hier ein erstes richtiges Signal gesetzt. Dieses Momentum muss beibehalten werden: Spätestens zu Beginn der
ENERGIETAGE Journal 2021 Gemeinsam für den Klimaschutz – Ein Praxisprojekt der GASAG Gruppe 14 GEMEINSAM FÜR DEN KLIMASCHUTZ – EIN PRAXISPROJEKT DER GASAG GRUPPE MIT INTELLIGENTER TECHNIK DAS KLIMA SCHONEN Der Wohnpark Mariendorf: Die Siedlung aus den 1970er Jahren mit ihren 31 Gebäuden und rund 800 Wohnungen hat sich in den letzten Jahren zu einem zukunftsweisenden Quar- tier entwickelt. Hohe Wohnqualität trifft hier auf innovative Technologien und eine klima- schonende Energieversorgung. Seit 2016 hat die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag die Siedlung sozialverträglich modernisiert und dabei konsequent auf Klimaentlastung geachtet. Das partnerschaftlich entwickelte, innovative Energiekonzept hat die GASAG Solution Plus ge- meinsam mit der Gewobag ED entwickelt und im Rahmen eines Contractingvertrages umgesetzt. ZEICHEN DER ENERGIEWENDE Modernste Blockheizkraftwerke und Gaskes- sel versorgen die Haushalte mit Wärme. Den selbst erzeugten Strom bietet die Gewobag ihrer Mieterschaft als Quartier-Strom© an. Außerdem wird der Eigenstrom für Elektrofahrzeuge und E-Bikes genutzt. Zusätzlich hat die GASAG Solu- tion Plus Photovoltaikanlagen mit einer Leistung Foto: GASAG Solution Plus. von rund 13 kWp installiert, die in die energetisch sanierten Fassaden zweier Gebäude integriert PARTNERSCHAFT FÜR INNOVATIVE LÖSUNGEN wurden. Die Häuser wurden so zu sichtbaren Zeichen der Energiewende. Wird mehr Strom Die intelligente Steuerungstechnik sorgt zusammen mit der erzeugt als benötigt, wird dieser in Batteriespei- dezentralen Energieerzeugung für eine erhebliche Entlastung chern mit einer Kapazität von je 30 Kilowattstun- von Umwelt und Klima. Das Energiekonzept erreicht einen den zwischengespeichert. So kann der Sonnen- Primärenergiefaktor von nur 0,29. Darüber hinaus sparen die Be- strom weitgehend im Quartier genutzt werden. wohner bei ihren Energiekosten. KI OPTIMIERT DIE ENERGIEFLÜSSE Projekte wie der Wohnpark Mariendorf zeigen das große Potenzial der engen Partnerschaft zwischen Wohnungswirtschaft und Ener- Optimiert wird das flexible Energiesystem jetzt gieunternehmen. Gemeinsam suchen wir nach maßgeschneider- durch die neue intelligente Steuerung. Das selbst- ten und innovativen Lösungen. Denn jedes Projekt ist anders. lernende System wurde in der EUREF-Energie- werkstatt by GASAG Solution Plus entwickelt und getestet (siehe auch: www.energiewende- erleben.de). Mithilfe künstlicher Intelligenz Ute Czylwik steuert das System automatisch die Energie- textetage.de flüsse zwischen den verschiedenen Anlagen. ute.czylwik@czylwik.com Dazu wertet es das Verbrauchsverhalten und die Wetterdaten aus, gleicht diese mit aktuellen Wet- terprognosen ab und errechnet daraus eine Be- darfsprognose. Außerdem bezieht es Daten der Strommarktbörse ein, um auch wirtschaftlich ein- en möglichst idealen Fahrplan zu ermitteln.
3.06 www.energietage.de ENERGIETAGE Journal 2021 Erneuerbare Fernwärme als Beitrag zur ökologischen Modernisierung Europas 15 ERNEUERBARE FERNWÄRME ALS BEITRAG ZUR ÖKOLOGISCHEN MODERNISIERUNG EUROPAS Die EU-Kommission plant mit ihrem Green Deal, Europa bis 2050 in den weltweit ersten klimaneutralen Kontinent zu transformie- ren. Um hierzu einen passenden politischen Rahmen zu schaf- fen, ist die Überarbeitung zentraler europäischer Richtlinien ge- plant. Dabei rückt die Wärmeversorgung, welche aktuell noch zu einem Großteil auf fossilen Brennstoffen basiert, endlich in den Fokus der politischen Bemühungen: Europaweit entfallen ca. 80 Prozent des Energieverbrauchs in Wohngebäuden auf Heizung, Kühlung und Warmwasserbereitung. Zwei Drittel des Energiebe- darfs werden davon wiederum mit fossilen Brennstoffen gedeckt. Nur wenn es gelingt, den Anteil der auf Basis fossiler Brennstoffe Quelle: pixabay/pixel2013. erzeugten Wärme durch erneuerbare Energien und andere kli- mafreundliche Wärmequellen zu ersetzen, kann die Klimaneu- mittelfristig auch die großen Fernwärme-Be- tralität bis 2050 erreicht werden. standsnetze in Osteuropa auf erneuerbare Ener- gien und unvermeidbare Abwärme umzustellen Insbesondere in dichtbesiedelten Ballungsräumen stellt die lei- sind. Ausgereifter Anlagenbau Made in Germany tungsgebundene Wärmeversorgung (bspw. aufgrund geringer kann dann auch über die Bundesgrenzen hinaus Flächenverfügbarkeiten oder baulichen Restriktionen) oftmals zum Klimaschutz und der wirtschaftlichen Erhol- die einzige Möglichkeit dar, um Haushalte und gewerbliche Kun- ung von der Corona-Pandemie beitragen. den kosteneffizient im großen Stil mit klimafreundlicher Wärme zu versorgen. Der damit einhergehende Aus- und Umbau der Wär- menetze stellt daher in vielen Kommunen ein Kernelement der klimafreundlichen Energie- und Wärmeversorgung vor Ort dar. Jan Wullenweber Verband kommunaler Unternehmen e.V. Neben den Chancen für den Klimaschutz bietet der Aus- und wullenweber@vku.de Umbau der Wärmenetze beträchtliche industrie- und struktur- politische Chancen. So setzt die verstärkte Nachfrage nach er- neuerbaren Erzeugungstechnologien (z.B. Großwärmepumpen, Freiflächen-Solarthermie oder Tiefengeothermie) bedeutsamen Anreize für den Ausbau von Produktionskapazitäten und techno- logische Weiterentwicklung. Damit ergeben sich perspektivisch neue Exportchancen für die Technologiehersteller, da aufgrund der europäischen Klimaziele Quelle: Unsplash/KP Ivanov.
5.03 www.energietage.de ENERGIETAGE Journal 2021 Kältezentrale soll künftig klimafreundliche Wärme erzeugen 16 Visualisierung der neuartigen Groß- und Hochtemperaturwärmepumpe. Bild: Siemens Energy. KÄLTEZENTRALE SOLL KÜNFTIG KLIMAFREUNDLICHE WÄRME ERZEUGEN Gemeinsam mit Siemens Energy erprobt Siemens Energy liefert die neuartige Groß- und Hochtempera- Vattenfall eine Groß- und Hochtemperatur- turwärmepumpe zur Bereitstellung von bis zu 8 MW thermischer wärmepumpe im Fernwärmenetz. Dabei werden Leistung, die je nach Umgebungsbedingungen die Vorlauf- das Konzept der Abwärmenutzung und der Ein- temperaturen des Fernwärmenetzes zwischen 85°C und bis zu satz erneuerbaren Stroms zur Umsetzung der ca. 120°C flexibel bereitstellen kann. Die Technologie kann damit Wärmewende in Berlin verbunden. Das vom einen Beitrag zum Ersatz fossiler Wärme in städtischen Fernwär- Bund geförderte Projekt koppelt Wärme, Kälte menetzen leisten. Neben der effizienteren Kopplung der Energie- und Strom. ressourcen am Standort dient das Projekt zur erstmaligen Er- probung der Groß- und Hochtemperaturwärmepumpe in einem Vattenfall Wärme Berlin AG und Siemens Energy praxisrelevanten Maßstab unter Realbedingungen. erproben in Berlin gemeinsam den Einsatz ein- er neuen Technologie, bei der eine Groß- und „Wenn wir die Energiewende in den Städten schaffen und ver- Hochtemperaturwärmepumpe aus Abwärme stärkt auf erneuerbare Potenziale umstellen wollen, müssen wir und erneuerbarem Strom grüne Wärme erzeugt Wärme-, Kälte- und Stromversorgung integriert betrachten. Nur und diese dem Berliner Stadtwärmenetz zuführt. so können wir die verfügbaren Ressourcen bestmöglich einset- Das Projekt wird vom Bundesministerium für zen“, erläutert Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Wirtschaft und Energie im Rahmen des 7. Ener- Wärme Berlin AG. gieforschungsprogramms gefördert. „Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung gilt als zentrale Die Vattenfall-Kältezentrale am Potsdamer Platz Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der Ziele im Paris- versorgt rund 12.000 Büros, 1.000 Wohnungen er Klimavertrag“, sagt Jochen Eickholt, Mitglied des Vorstands und zahlreiche Kultureinrichtungen der Nach- von Siemens Energy. „Großwärmepumpen können für den mit- barschaft mit lokal und effizient erzeugter Kälte. tel- und langfristigen Umbau der Wärmeversorgung eine wich- Dabei entsteht Abwärme, die bislang ungenutzt tige Rolle spielen. Wir freuen uns, zusammen mit Vattenfall diese über Kühltürme abgeführt wird. Die neue Technol- mögliche Schlüsseltechnologie erstmals erproben zu können.“ ogie macht die Abwärme künftig nutzbar, steigert damit die Energieeffizienz der Kälteerzeugung und sorgt gleichzeitig für grüne Wärme aus er- neuerbarem Strom für das Berliner Quartier. Olaf Weidner, Damit ermöglicht der Einsatz der Wärmepumpe Vattenfall Wärme Berlin AG eine erhebliche Reduktion der Wärmeabgabe olaf.weidner@vattenfall.de an die Umgebung und eine zusätzliche Wärme- bereitstellung für das Fernwärmenetz von jährlich Mehr über die Berliner Stadtwärme etwa 55 GWh bei einer geschätzten jährlichen von Vattenfall erfahren Sie unter Einsparung von ca. 6.500 Tonnen CO2-Emissionen www.wärme.berlin und 120.000 m3 Kühlwasser.
ENERGIETAGE Journal 2021 Nachhaltige Fernwärmenetze – Triebkraft für Energiewende und Klimaschutz 17 Pilotprojekt Halmstad, Schweden. Niedertemperaturfernwärmenetz mit einem dritten Rohr für die Zirkulation bei geringem Wärme-bedarf. Foto: Rolf Strandell, Halmstad Energy and Environment (HEM). NACHHALTIGE FERNWÄRMENETZE – TRIEBKRAFT FÜR ENERGIEWENDE UND KLIMASCHUTZ Seit ihrer Gründung 2007, sieht es die atene KOM GmbH als eine hat sich dieser Thematik im von ihr entwickelten ihrer Kernaufgaben an, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten und koordinierten Projekt „LowTEMP – Nieder- und die Nutzung von erneuerbaren Energien zu fördern. In einer temperatur-Fernwärme für den Ostseeraum“ Vielzahl von oft europäisch ausgerichteten Kooperations- und Be- angenommen. 19 Partnerorganisationen aus neun ratungsprojekten entwickeln wir gemeinsam mit unseren Partnern Ländern entwickelten Strategien und Handlungs- Strategien, um die Energieeffizienz in Kommunen und Regionen zu instrumente zur Planung, Finanzierung, Installa- steigern und Klimaschutzziele zu erreichen. tion und dem Management von Niedertempera- tur-Fernwärmesystemen. Außerdem wurden in In den letzten Jahren rückte dabei die nachhaltige Wärmever- den Partnerländern Pilotprojekte umgesetzt. Die sorgung immer mehr in den Fokus. Mit einem Anteil von über 50 Projektergebnisse stehen auf der Projektwebsite Prozent am Primärenergieverbrauch fällt der Wärmewirtschaft zur Verfügung, die Ergebnisse, insbesondere im innerhalb der Energiewende eine tragende Rolle zu. Gleichzeitig Bereich des Kapazitätsaufbaus und des Wissens- befindet sich der Wärmesektor, neben den Bereichen Mobilität transfers werden im Rahmen eines Folgeprojek- und Strom, in einem bedeutsamen Wandlungsprozess. Zen- tes aktuell weiter ausgearbeitet. Bis Ende 2021 trale Themen sind dabei die Umstellung der Wärmeerzeugung, stehen dann in allen Partnerländern Schulungs- die umfassende Einbindung von erneuerbaren Energien und materialien zu nachhaltiger Fernwärmever- Abwärme, die Erneuerung von Anlagen und Infrastruktur sowie sorgung in der jeweiligen Landessprache zur die Senkung der Vor- und Rücklauftemperaturen. Verfügung. Die atene KOM wird außerdem E-Learning Kurse entwickeln und diese der Einsparpotentiale bietet vor allem der nachhaltige Fernwärmeaus- Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Es ist unser bau. Aktuell hat die Fernwärme in Deutschland mit rund 10 Pro- Ziel, den Ausbau neuer nachhaltiger Fernwär- zent jedoch einen eher geringen Anteil am Wärmemarkt, nur in menetze zu unterstützen, um so weiterhin einen den beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg liegt der Anteil bei Beitrag zur Wärme- und Energiewende zu leisten. mehr als 30 Prozent. Fernwärme ist vor allem in dicht besiedelten Gebieten sinnvoll. Dabei sollten in erste Linie nachhaltige Wärme- netze der sogenannten vierten Generation zum Einsatz kommen. Sie liefern Niedertemperaturwärme an neue oder energetisch Britta Schmigotzki sanierte Gebäude, realisieren den Wärmetransport mit niedrigen atene KOM GmbH Verteilverlusten und durch die Einbindung von intelligenten auf b.schmigotzki@atenekom.eu Sektorenkopplung basierenden Energiesystemen und ermög- lichen die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und von Wärme Weiterführende Informationen: aus Recyclingprozessen. Damit stellen diese Wärmenetze die https://atenekom.eu/project/lowtemp Zukunft der leitungsgebundenen Wärmeversorgung dar. www.lowtemp.eu Wie können Städte und Regionen beim nachhaltigen Ausbau der Wärmeversorgung unterstützt werden? Die atene KOM GmbH
4.06 www.energietage.de ENERGIETAGE Journal 2021 Alternative Fuels für mehr Klimaschutz 18 Bild: IWO. MARKTHOCHLAUF ERNEUERBARER KRAFT- UND BRENNSTOFFE NOTWENDIG ALTERNATIVE FUELS FÜR MEHR KLIMASCHUTZ Die Herausforderung, die Energieversorgung portieren – erhalten neue wirtschaftliche Perspektiven und durch bis 2050 CO2-neutral zu gestalten, ist gewaltig. den Bau der Anlagentechnik würden auch hierzulande Arbeits- Auch bei deutlich mehr Effizienz: Mit heimischem plätze entstehen. Wind- und Sonnenstrom allein werden wir nicht auskommen. Wir brauchen weitere Optionen. Der Einsatz alternativer Fuels ist in der bestehenden Technik und Dazu zählen alternative flüssige Energieträger, Infrastruktur möglich. Je breiter der Einsatz, desto rascher lassen die fossile Kraft- und Brennstoffe ersetzen. sich substanzielle Mengen anbieten. Bei der Schaffung eines Herstellung und Nutzung dieser Future Fuels entsprechenden Marktes spielt daher der Straßenverkehr eine beruhen auf geschlossenen Kohlenstoffkreis- wichtige Rolle, wo Future Fuels die E-Mobilität ergänzen können. läufen. Bereits heute werden sie Benzin, Diesel Von einem Hochlauf dort würden alle anderen Anwendungs- und Heizöl beigemischt. Künftig geht es darum, bereiche profitieren. Beispielsweise gibt es rund 5,5 Millionen Art und Zahl der regenerativen Quellen zu er- Gebäude mit Ölheizungen – drei Millionen davon abseits der weitern, etwa durch nachhaltige Biokraftstoffe, Wärme- und Gasnetze. Für einen Umstieg auf andere Technolo- die eine Konkurrenz mit dem Nahrungsmittelan- gien liegen die Hürden oft hoch. Doch auch diese Gebäude kön- bau vermeiden. Aufgrund des absehbar großen nen schrittweise die Klimaziele erreichen: Durch mehr Effizienz, Bedarfs werden auch E-Fuels auf Basis von grü- Hybridsysteme und den Einsatz alternativer Brennstoffe. Dass nem Wasserstoff benötigt. Wie das funktionieren das umsetzbar ist, zeigen zahlreiche Modellprojekte des IWO. kann, zeigt aktuell z. B. bereits das Projekt Haru Oni in Chile. Um den Einsatz alternativer Kraft- und Brennstoffe voranzubrin- gen, sind jedoch geeignete Rahmenbedingungen nötig. Dazu Dank hoher Energiedichte und guter Speicher- zählt im Wärmesektor die Berücksichtigung solcher Fuels als barkeit lassen sich Future Fuels leicht trans- Erfüllungsoption im Gebäudeenergiegesetz, in der Mobilität zum portieren. Sie können mit Hilfe von Wind- und Beispiel eine Energiesteuer 2.0, die Kraftstoffe künftig anhand Solarstrom hergestellt werden. Die Kombi- ihrer Klimawirkung besteuert. nation beider Aspekte ermöglicht den Import erneuerbarer Energie von besonders attrak- tiven und/oder ansonsten ungenutzten wind- bzw. sonnenreichen Standorten weltweit. Eine Dipl.-Ing. (FH) Thomas Uber Win-win-Situation: Die Erzeugerländer – auch Institut für Wärme und Mobilität e. V. solche, die bislang noch fossile Brennstoffe ex- uber@iwo.de
4.05 www.energietage.de ENERGIETAGE Journal 2021 “GeoEnergie für die Hauptstadtregion“ Potenzial, Status Quo, Forschungsbedarf 19 “GEOENERGIE FÜR DIE HAUPTSTADTREGION“ POTENZIAL, STATUS QUO, FORSCHUNGSBEDARF Wie alle Metropolen, so hat auch Berlin einen enormen Ener- Von Interesse für die geoenergetische Nutzung giebedarf. Dieser wird derzeit noch überwiegend von fossilen sind die Schichten, die hohe Durchlässigkeit und/ Energieträgern gedeckt. Um hier Treibhausgasneutralität zu oder hohe Temperaturen aufweisen und zugleich erreichen, müssen langfristig neue, nachhaltige Konzepte ent- von den höher liegenden Trinkwasserschichten wickelt und umgesetzt werden. durch geologische Barrieren wirksam getrennt sind. Von diesen Schichten im Berliner Untergrund, Generell bietet der geologische Untergrund eine Reihe von kommen mehrere in Frage, z.B. der jurassische Möglichkeiten zur nachhaltigen Energiebereitstellung. Neben Hettang, der Muschelkalk, der Buntsandstein der Extraktion von Wärme zum Heizen oder für die elektrische oder das Rotliegende. Alle unterscheiden sich Stromerzeugung kann er auch als Speicher für Wärme, Kälte bei für eine Nutzung wichtigen Parametern wie oder von Gasen, wie Wasserstoff genutzt werden. Temperatur, Mineralisation und Durchlässigkeit. Ob und welche Formation für welche geoener- Berlin befindet sich, geologisch betrachtet, im Norddeutschen getische Nutzung geeignet ist und welche Risiken Becken. Die unterschiedlichen sedimentären Formationen lagern und Reaktionen bei der Erschließung und Nut- mehrheitlich horizontal übereinander (siehe Abbildung). Diese zung des Untergrundes auftreten können, bzw. Schichtfolgen werden gelegentlich von aufsteigenden Salzdia- wie die Risiken zu minimieren sind, ist Gegenstand piren durchbrochen bzw. verschoben. Der grundsätzliche Auf- der Forschung am GFZ, Sektion Geoenergie. Dazu bau des Beckens ist aus Bohrungen und durch geophysikalische betreibt das GFZ Forschung an fünf Standorten Erkundungen bekannt und in 3D-Untergrundmodelle überführt. (Demonstrationsanlagen) zu unterschiedlichen Allerdings sind aufgrund der Genese des Beckens das Vorhanden- Geoenergiethemen bzw. in unterschiedlichen sein, die Ausprägung und die Mächtigkeit der Schichten für eine geologischen Formationen. Bewirtschaftung nicht immer hinreichend genau prognostizierbar. Grafik: Geologie des Berliner Untergrundes aus Sippel et al. (2013). Dr. Simona Regenspurg Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ simona.regenspurg@gfz-potsdam.de
6.04 www.energietage.de ENERGIETAGE Journal 2021 Mit einer demokratischen Konfliktkultur die Energiewende vor dem Populismus retten 20 MIT EINER DEMOKRATISCHEN KONFLIKTKULTUR DIE ENERGIEWENDE VOR DEM POPULISMUS RETTEN Der Ausbau erneuerbarer Energien muss deut- lich beschleunigt werden, wenn Deutsch- land seine Paris-Ziele einhalten will. Die Ener- giewende stößt nach wie vor auf hohe generelle Akzeptanz, aber zugleich wird ihre Umsetzung oft kritisiert. Vor Ort wenden sich immer mehr Bürgerinitiativen gegen den Strom- und Netz- ausbau. Oft wird der Ton dabei härter, die Kritik fundamentaler. Organisationen wie Vernunftkraft bekämpfen den Windausbau schon länger als grundsätzlich falsche Lösung, und als Think Tank auftretende Lobby-Gruppen wie das Europäische Institut für Energie und Klima (EIKE) bezweifeln den anthro- pogenen Klimawandel. Auf dem Höhepunkt der nicht zuletzt von Fridays for Future befeuerten Klimadebatte im Jahr 2019 hat die AfD die Klima- politik zu ihrem dritten strategischen Kampffeld nach Euro und Migration erklärt. Gerät die Energiewende damit ins Fadenkreuz rechtspopulistischer Akteure? Droht sie gar Grafik: demokon.de durch den doppelten Druck des populistischen Diskurses von oben und vor Ort ins Stocken zu Gemeinsam mit unseren Gästen wollen wir nach den Inputs der geraten? Und was kann, was sollte man dage- Referent*innen die Frage diskutieren, wie gefährlich der Populis- gen tun? mus der Energiewende werden kann, welche Resonanz populis- tische Argumente in der breiten Bevölkerung finden und warum. Mit diesen Fragen befassen sich unter der Lei- Vor allem aber interessiert uns die Frage, welche Änderungen/ tung von Seraja Bock (Potsdam-Institut für Kli- Verbesserungen im institutionellen Design der Energiewende mafolgenforschung, PIK) der Soziologe Dr. Fritz sowie in ihrer kommunikativen Ausgestaltung zu machen sind, Reusswig (PIK), der ein von der Mercator-Stiftung um eine „Populismus-resiliente Energiewende“ hinzubekommen. gefördertes Projekt zum Zusammenhang von Populismus und Energiewende leitet, der Recherche-Leiter von Greenpeace Deutschland, Dr. Manfred Redelfs, der sich die Anti-Wind- Dr. Fritz Reusswig kraft-Lobby einmal näher angeschaut hat, der Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) e.V. Gruppenleiter Energiesysteme und Energie- fritz@pik-potsdam.de wirtschaft des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), Dr. Christoph Kost, der die Ergebnisse einer Studie zum Ausbaubedarf für erneuerbare Energien vorstellen wird, in der auch die Folgen von Nicht-Akzeptanz model- liert wurden, und Dr. Maria Rosaria Di Nucci vom Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der Freie Universität Berlin, die ein EU-Projekt zur Förderung sozio-technischer Innovationen im Bereich erneuerbarer Energien leitet.
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