ENERGIETAGE H 2 2021 - atene KOM

 
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ENERGIETAGE
           JOURNAL

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               2
H
2
     Wasserstoff

                                         2021
                        Energiewende in Deutschland
ENERGIETAGE H 2 2021 - atene KOM
ENERGIETAGE Journal 2021
                                                                                                              Inhalt   2

INHALT
Vorwort                                       03   Kältezentrale soll künftig                      16
                                                   klimafreundliche Wärme
                                                   erzeugen | Vattenfall Wärme Berlin AG
Wasserstoff: Factsheet                        04
                                                   Nachhaltige Fernwärmenetze –                    17
Wasserstoff: 5 Fragen an...                   06   Triebkraft für Energiewende
                                                   und Klimaschutz | atene KOM

Wasserstoff in der Praxis:                    08
Verzeichnis der Reallabore und Projekte            Alternative Fuels:                              18
                                                   Markthochlauf erneuerbarer Kraft-
                                                   und Brennstoffe notwendig | IWO
Wasserstoff: Verzeichnis der Institutionen,   09
Forschung und Studien
                                                   GeoEnergie für die Hauptstadtregion.            19
                                                   Potenzial, Status Quo, Forschungsbedarf | GFZ
Klimaschutz in Gebäuden:                      10
5 Fragen an...
                                                   Mit einer demokratischen                        20
                                                   Konfliktkultur die Energiewende
Gebäudeenergiegesetz:                         12   vor dem Populismus retten | PIK
Auf dem Weg zum klimaneutralen
Gebäudebestand | ifeu
                                                   Europäische Initiativen zum                     21
                                                   kommunalen Klimaschutz –
Gebäudetechnologien einsetzen,                13   Synergien schaffen, Umsetzung
Klimaziele erreichen | ZVEI                        stärken | B.&S.U.

Praxisprojekt: Gemeinsam für                  14   Brennstoffzelle: Energie und                    22
den Klimaschutz | GASAG Gruppe                     Emissionen sparen | Berlin Energie Service

Erneuerbare Fernwärme                         15
als Beitrag zur ökologischen
Modernisierung Europas | VKU/BEE

                                                                                                                 17
                                                                                    Energiewende in Deutschland

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                                                                             WWW.ENERGIETAGE.DE
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ENERGIETAGE Journal 2021
                                                                                                                Vorwort     3

                                    » Der kommenden Legislaturperiode kommt
                                      für die Einhaltung des 1,5°-Limits eine absolut
                                      entscheidende Bedeutung zu. «

ENERGIEWENDE UND KLIMASCHUTZ IM
SUPER-WAHLJAHR 2021

„Wenn wir das 1,5°-Ziel nicht erreichen, werden unsere Kinder          gewaltigen Aufgaben gegenüberstehen. So ist
Kriege um Nahrung und Wasser führen.“ so Frans Timmermans –            beispielweise bei der energetischen Gebäude-
Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission sowie Kommissar für           sanierung noch kein Königsweg gefunden, mit
den Europäischen Green Deal neulich im Berliner Tagesspiegel.          welchen Maßnahmen wir dem Ziel eines klima-
                                                                       neutralen Gebäudebestandes wirklich näher-
Ist das Alarmismus von höchster Stelle? Ich glaube kaum, denn          kommen. Die Größe der Aufgabe verdeutlich ein
alles, was uns die Klimawissenschaften sagen, deutet in diese          kleines Zahlenspiel: Das aktuelle Klimaziel einer
Richtung.                                                              Reduktion der gebäudebedingten CO2-Emis-
                                                                       sionen wurde um 2 Mio. Tonnen verfehlt. Das
Der kommenden Legislaturperiode kommt für die Einhaltung               klingt nicht überwältigend viel – es ist aber eine
des 1,5°-Limits eine absolut entscheidende Bedeutung zu. Sol-          Zielverfehlung um 50 Prozent!
len Verantwortung und Generationengerechtigkeit keine hohlen
Phrasen bleiben, ist klar: Ein weiteres Auseinanderfallen von (kli-    Die Lektüre dieses Journals verdeutlicht, man
ma-)politischen Zielen und realer Entwicklung können wir uns           kann vielfach sehr unterschiedliche Einschätzun-
nicht leisten. Die vielbeschworenen Klimaziele 2030 sind eh schon      gen vertreten – und das ist auch gut so! Denn
schwer zu erreichen. Sollten aber zu Beginn der neuen Legisla-         eines hat in der Debatte um Klimaschutz und
turperiode – genauer gesagt im Koalitionsvertrag – die Weichen         Energiewende keinen Platz: Meinungsdiktat und
nicht in die richtige Richtung gestellt werden, müssen wir schon       Populismus.
im kommenden Herbst von einer deutlichen Zielverfehlung 2030
ausgehen. Ein „Weiter so“ kann es also nicht geben. Nehmen wir         Auf einen weiterhin anregenden Meinungs-
die Klimaziele ernst, müssen wir uns ehrlich machen und rein in die    austausch freut sich
Zielkonflikte. „Umsonst“ wird es ein halbwegs stabiles Klima nicht
mehr geben. Dies alles soll nicht als Defätismus missverstanden        Ihr
werden. Denn auf der Habenseite locken ein Zugewinn an Lebens-
qualität, wirtschaftliche Prosperität und vielleicht sogar ein halb-
wegs gutes Gewissen gegenüber unserer Jugendgeneration.

Was tun? Wir bemühen uns mit den ENERGIETAGEN seit vielen
Jahren ein Dach für den kontroversen aber stets konstruktiven
Austausch um die optimalen Lösungen für Klimaschutz und                      Jürgen Pöschk
Energiewende in Deutschland zu bieten. Auch in 2021 haben                    ENERGIETAGE/EUMB Pöschk
wir hierfür überwältigenden Zuspruch von Veranstalter*innen,                 poeschk@energietage.de
Referent*innen und Teilnehmenden erhalten.

Das hier vorliegende Journal greift zentrale Fragestellungen
auf, die im Rahmen der ENERGIETAGE diskutiert werden. Diese
bei weitem nicht vollständigen Diskussionen zeigen, dass wir
in zentralen klimapolitischen Handlungsfeldern nach wie vor

                                                                                              17
                                                                                                   www.energietage.de
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ENERGIETAGE Journal 2021
                                                                                                                        Factsheet Wasserstoff                     4

FACTSHEET WASSERSTOFF

Wasserstoff gilt als eine der zentralen Säulen                               erb
                                                                                   are Ene                   hanpyrolys                      Bio
                                                                                                                                                     energie
                                                                        eu
                                                                                          r                et

                                                                                                    M
für das Gelingen der Energiewende und für das

                                                                                          gi

                                                                                                                            e
                                                                  Ern

                                                                                            en
Erreichen der Klimaneutralität im Jahr 2050. Mit                             < 30 kg /                       fester                              bilanziell
der Verabschiedung der Wasserstoffstrategien                                   MWh                         Kohlenstoff                           CO2-frei

von Bundesregierung und Europäischer Union
im Sommer 2020 hat die Diskussion um die Rolle
des Energieträgers weiter an Kraft gewonnen: Eine                                             400 kg /                 144 - 220 kg /
                                                                                               MWh                         MWh
Vielzahl von Studien hat seither die Bedeutung von

                                                                                                                                                     S
Wasserstoff für die langfristige Dekarbonisierung

                                                                                                                                             CC
                                                                                                                  Fo
                                                                                                                       ss                        +
                                                                                                                            ile
der Wirtschaft untermauert, vor allem in den                                                  E rd g a s                          E n e rg i e

Sektoren, in denen sich fossile Energieträger nur
schlecht durch erneuerbare ersetzen lassen.                           Farbenlehre Wasserstoff. Quelle: dena/eigene Berechnungen.

HERSTELLUNG                          VERLUSTE BEI DER WANDLUNG
Derzeit dominiert die Herstel-       Kostendegressionen in der Herstellung werden jedoch nicht dafür sorgen, dass
lung von Wasserstoff mit fossi-      Wasserstoff in allen Sektoren gleichermaßen Einzug halten wird. Wandlungsver-
len Energieträgern. Mehr als 90      luste vor allem in der Rückverstromung bergen Effizienzprobleme. So wird aus
Prozent des heutigen Wasser-         einer GWh Strom rund 0,71 GWh H2 nach der ersten Umwandlung. Wird dieser
stoffs basiert darauf. Langfristig   zurückgewandelt zur Nutzung als Elektrizität, bleiben nur mehr 0,4 GWh der
müssen die Prozesse vollstän-        ursprünglichen Energie übrig. Daher raten Expert*innen zu einer direkten Nutzung
dig auf erneuerbare Energien         in der Industrie oder als synthetische Kraftstoffe im Schwerlast- und Flugverkehr.
umgestellt und die hohen Kos-
ten gesenkt werden.
                                                                             Input 1 GWh Strom
                                          1.                                                    2.
                                     Umwandlung PtX                                   Umwandlung Anwendungen

         Erneuerbare
           Energien                  H2-Herstellung       0,4 GWhel                0,7 GWhth                1.800 km                     Direkt
                                     0,71 GWh (H2)        Brennstoffzelle          Brennstoffzelle          Brennstoffzelle              Stahl, Alu, etc.

                                     Power-to-Gas         0,2 GWhel                0,2-0,5 GWhth            1.200 km                     0,5 GWhth
                                     0,51 GWh (CH4)       KWK                      KWK/Gas                  CNG                          Gaskessel

                                     Power-to-Liquid      0,2 GWhel                0,4 GWhth                1.200 km                     0,4 GWhth
          Elektrolyse                0,45 GWh (Fuels)     KWK                      Ölkessel                 Verbrenner                   Ölkessel

                                     Stromnutzung         0,9 GWhel                3 GWhth                  6.600 km           0,98 GWhth
                                     1 GWh                Batterie                 Heizungspumpe            batterieelektrisch Power-to-Heat

                                     Umwandlungsverluste H2 und Folgeprodukte. Quelle: BCG/Prognos.

        Anwendungen                  GESTEHUNGSKOSTEN FÜR GRÜNEN, GRAUEN UND BLAUEN WASSERSTOFF
  C                      Co2         Einen Überblick über den Preis-Spread zwischen fossiler und regenerativer Herstel-
                                     lung zeigt der neue Preisindex „Hydex“ auf, den die Unternehmen E-Bridge und
                                     energate veröffentlichen. Er soll Transparenz schaffen und belastbare und zuver-
                                     lässige Preisinformationen liefern. www.energate-messenger.de | www.e-bridge.de

                                     150
  Pyrolyse      Dampfreformierung
                                     100
                                      50
                                       0
                                        01.03.          08.03.               15.03.               22.03.               29.03.         01.04.             05.04.

                                                        Hydex Green                       Hydex Blue                          Hydex Grey
      Fossile Energiträger
Quelle: BDEW.                        Quelle: E-Bridge/energate.
ENERGIETAGE H 2 2021 - atene KOM
ENERGIETAGE Journal 2021
                                                                                                                   Factsheet Wasserstoff     5

                                                             H
 Wasserstoff ist vielseitig
  • Herstellung ist klimaneutral möglich
                                               H
  • Nutzung als Rohstoff für die Industrie
  • Langzeitspeicher für erneuerbare Energien
  • Sektorenkopplung: H2 ermöglicht breite
    Nutzung regenerativer Energie
  • Industriepolitische Potenziale erschließen
  • Deutschlands Rolle beim Export von grünen
    Technologien stärken

                                                  PROGNOSTIZIERTE MENGEN H2 UND FOLGEPRODUKTE
                                                 500
                 Die Nationale
                                                                                                            432 TWh
  Wasserstoffstrategie (NWS)
                                                 400
 der Bundesregierung geht im
Jahr 2030 für Deutschland von                     300
   einem Wasserstoffbedarf in                                                                               348 TWh
                                                                                                                         Importe
                                                                                                                         H2 /Folgeprodukte
    Höhe von 90-110 TWh aus.                      200                                 180 TWh

             Für 2050 erwartet
  Agora Energiewende einen                        100                                 142 TWh
                                                                   90-110
Bedarf an wasserstoffbasierten                                      TWh
                                                                                                            84 TWh
                                                                                                                         Wasserelektrolyse
                                                                                                                         (Inland)
                                                                                       38 TWh
                                                       0
       Energieträgern in Höhe                                       2030                2040                  2050
                 von 432 TWh.                                Prognose Nationale        Prognose Agora Energiewende
                                                             Wasserstoffstrategie     (H2 und Folgeprodukte, CO2-frei)

                                                      Quelle: NWS/Agora Energiewende (2020).

RESSOURCENBEDARF H2-PRODUKTION                                                                    FÖRDERUNG
Aus den Prognosen ergeben sich enorme Energiebedarfe. Würden diese                                Um den Markthochlauf der Wasser-
H2-Mengen vollständig mit regenerativen Energien hergestellt werden, müsste                       stofftechnologien in Deutschland
Deutschland 2030 knapp 160 und 2050 rund 700 TWh Grünstrom zusätzlich                             zu unterstützen, weist die Nationale
bereitstellen. Alternativ müssen große Mengen des grünen Wasserstoffs aus                         Wasserstoffstrategie (NWS) För-
sonnen- und windreicheren Regionen importieren. Agora Energiewende rech-                          dermittel in Höhe von sieben Mrd.
net 2050 mit einem Importanteil von etwa 80 Prozent.                                              Euro aus. Dabei sollen aktuellen
                                                                                                  Informationen zufolge zwei Mrd. in
      2020          2030              2050                 2050
                                                                                                  den Aufbau von Erzeugungsanla-
                                                                                                  gen, eine Mrd. in die Infrastruktur,
                                                                                                  1,5 Mrd. Euro in die Förderung von
                                                                                                  Anwendungen im Verkehr und 2,5
                                                                                                  Mrd. für die Dekarbonisierung der
                                                                                                  Industrie fließen. Mit 3,1 Mrd. Euro
                                                                                                  entfällt der größte Posten auf das
                                                                                                  Bundeswirtschaftsministerium. Die
   247 TWh        157 TWh           700 TWh
                                                                                                  Mittel für die Wasserstoffförderung
   Gesamte       Zusätzlicher, theoretischer Bedarf        Wasserverbrauch für die für 2050       stammen aus dem Konjunktur-
 EE-Produktion   Erneuerbare Energien nur für die          prognostizierte Produktionsmenge       paket der Großen Koalition. Ex-
in Deutschland    Produktion von Wasserstoff und              von H2: Hälfte des jährlichen       pert*innen erwarten einen ungleich
     2020             seinen Folgeprodukten                 Trinkwasserbedarfs von Berlin.
                                                                                                  höheren Investitionsbedarf, vor
Quelle: Fraunhofer/eigene Berechnungen.                                                           allem im Industriesektor.
Aber auch der Wasserbedarf bei der Herstellung von Wasserstoff ist groß. Für
1 kg H2 werden 9 Liter Wasser benötigt. Und vor allem in sonnenreichen Teilen
der Erde, die sich gut als Lieferant für grünen Wasserstoff eignen würden,
spielt die Wasserversorgung eine große Rolle. Die für 2050 prognostizierten                             Jan Pohle
H2-Bedarfe erfordern Wassermengen, die rund dem halben jährlichen Trink-                                EUMB Pöschk
wasserbedarf Berlins entsprechen.                                                                       pohle@eumb-poeschk.de
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ENERGIETAGE Journal 2021
                                                                                                      Wasserstoff: 5 Fragen an...   6

WASSERSTOFF:

5 FRAGEN AN...
                     Der “Traumstoff” der Deutschen Energiewende... Wie aber konkret? In welchem Maße
                          und wie erzeugen, bereitstellen, befördern. Hier gehen die Ansichten deutscher
                                                 Meinungsführer auseinander. Ein Überblick in 5 Fragen...

Bild: EUMB Pöschk.                      Bild: Detlef Eden.                            Bild: Florian Büttner.

Jürgen Pöschk                           Rainer Baake                                  Matthias Trunk
ENERGIETAGE /                           Stiftung Klimaneutralität                     GASAG AG
EUMB Pöschk GmbH

1  Wasserstoff im Jahr 2030 ist …       1 In 2030 werden bereits erhebliche           1 15 Prozent der bundesweiten En-
Ein Grundpfeiler oder ein zartes        Mengen an Wasserstoff vor allem in            ergienachfrage werden mit Erneuer-
Pflänzchen der Energiewende in          der Industrie eingesetzt, um recht-           baren Energien gedeckt. Das Ziel
Deutschland?                            zeitig Fehlinvestitionen in fossile           der Klimaneutralität ist folglich noch
                                        Technologien zu verhindern.                   weit entfernt und ohne den Einsatz
2  Meine persönliche Wasserstoff-                                                     von Wasserstoff kaum erreichbar.
farbenlehre reicht von grün bis …?      2 Einzig grün, wenn wir es schaffen,          2030 wird Wasserstoff daher eine
                                        schnell genug große Mengen Was-               wichtige Rolle im Energiemix ein-
3   Wasserstoff sollte produziert       serstoff aus erneuerbaren Energien            nehmen.
werden… in großen Städten um            zu produzieren.
Elektrolyseabwärme zu nutzen, an                                                      2 ... blau und türkis für den Über-
Deutschlands Küsten, „jotwede“          3    Schwerpunktmäßig      an   der           gang und den Markthochlauf von
von Norwegen bis Patagonien, wo         deutschen Küste; von dort wird Was-           großflächigen grünen Wasserstoff-
Wind weht, Sonne scheint, Wasser        serstoff über Pipelines zu den In-            anwendungen.
fließt?                                 dustriebetrieben transportiert. Wer
                                        Wasserstoff in Süddeutschland pro-            3 Überall dort, wo es wirtschaftlich
4 Wasserstoff sollte: vor allem „frei   duzieren will, muss für zusätzliche           und ökologisch sinnvoll ist. Um den
über den Markt gehandelt“, „an          Stromleitungen sorgen.                        künftig steigenden Wasserstoff-
Sektoren die Fossile nicht anders                                                     bedarf bedienen zu können, werden
kompensieren können zugeteilt“,         4  Grüner Wasserstoff wird knapp              sowohl inländische Quellen als auch
„in Champagnerflaschen verkauft“        und teuer sein. Wir werden ihn                Importe erforderlich sein.
werden?                                 fördern müssen und sollten ihn dort
                                        einsetzen, wo es zur Erreichung von           4    Das Wasserstoffangebot wird
5  Sie sind Energieminister: Ihre       Klimaneutralität keine vernünftigen           weltweit zunehmen und damit wird
ersten Maßnahmen im Bereich             Alternativen gibt.                            Wasserstoff als nachhaltiger und
Wasserstoff wären?                                                                    bezahlbarer Energieträger viel-
                                        5   (1.) Die Voraussetzungen für einen        seitig einsetzbar werden, in der In-
                                        schnellen Ausbau der Erneuerbaren schaf-      dustrie sowie im Gebäude- und
                                        fen. Es gibt keine grünen Moleküle ohne       Verkehrssektor.
                                        grünen Strom! (2.) Mit Dänemark und den
                                        Niederlanden verhandeln, um gemein-           5   Schaffung eines regulatorischen
                                        sam in der Nordsee Offshore- und Elektro-     Rahmens, der die erforderlichen An-
                                        lysekapazitäten aufzubauen. (3.) Einen ver-   reize für einen schnellen Wasser-
                                        lässlichen Rahmen schaffen für den Einsatz    stoffhochlauf in der Industrie sowie im
                                        von Wasserstoff in der Industrie.             Gebäude- und Verkehrssektor setzt.
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                                                                                          Wasserstoff: 5 Fragen an...   7

Bild: Kerstin Reisch/Lumenion.            Bild: Privat.

Hanno Balzer                              Prof. Dr. Manfred Norbert Fisch
HH2E AG                                   EGS-plan Ingenieurgesellschaft
                                          für Energie-, Gebäude- und
                                          Solartechnik mbH

1   Wasserstoff ist ein Grundpfeiler      1  ... ein zartes Pflänzchen. Wie zu
der Energiewende, einschließlich          Beginn des Solarzeitalters wird die
der Sektoren Verkehr und Indus-           Wirtschaftlichkeit das Wachsen er-
trie – nicht nur für den Strommarkt.      schweren. In Europa brauchen wir
                                          zeitnah größere Produktionsanlagen
2 ... bis grün. Andere Farben können      von Elektrolyseuren, H2-Transport-
den Einstieg erleichtern – das Ziel ist   kapazitäten sowie PV- Fabriken.
aber 100 Prozent Erneuerbar!
                                          2 ... grün.
3 Wir brauchen einen Technologie-
mix, der Wasserstoff, Wärme, Dampf        3   Der Großteil des Bedarfs in
und Strom bedarfsgerecht liefert.         Deutschland muss in Europa pro-
Strom lässt sich gut transportieren,      duziert werden, auch weil aus
insofern sollte ausreichend Wasser-       Nordafrika     oder    Saudi-Arabien
stoff am Ort des Wärmeverbrauchs          nicht nennenswert günstiger nach
erzeugt werden.                           Deutschland lieferbar. Ein Teil sollte
                                          direkt dort produziert werden, wo
4  Kosteneffizienz erreicht man am        er benötigt wird. Die Nutzung der
besten über einen Markt. Dies ist un-     Abwärme aus dem der Elektrolyse-
ser Ziel für den Handel mit Wasser-       prozess zur Wärmeversorgung von
stoff! Ein Wasserstoffmarkt entsteht      Städten steigert die Effizienz von 60
nicht „von allein“ und ist in ein Ge-     auf bis zu 90 Prozent.
flecht aus regulierten oder imper-
fekten Märkten eingebunden.               4 Auf  jeden Fall freier Handel. Der
                                          Markt für grünen Wasserstoff wird
5  Eine deutliche Beschleunigung          durch den Green Deal mittelfristig
der Energiewende: Kohleausstieg           entstehen.
2038 und unbestimmter Ausstieg
aus fossilem Erdgas und Öl machen         5 Die PV-Industrie wieder in Europa
uns zum Schlusslicht der Ener-            aufbauen, die Industrie bei der Er-
giewende. Dies ist für das Klima und      richtung von Giga-Fabriken für Elek-
Wettbewerbsfähigkeit fatal.               trolyse-Anlagen unterstützen und
                                          eine Einspeisevergütung für grünen
                                                                                   WWW.ENERGIETAGE.DE
                                          Wasserstoff einführen.
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                                                                                              Wasserstoff in der Praxis   8

WASSERSTOFF IN DER PRAXIS

    REALLABORE DER ENERGIEWENDE                            •   RefLau
                                                               Referenzkraftwerk Lausitz: Erneuerbare Energiever-
Reallabore
                                                               sorgung und H2 als chemischer Speicher
Mit dem Förderinstrument Reallabore der Energiewende
unterstützt die Bundesregierung innovative Technol-
ogien und deren praktische Anwendung. Unter den 20         •   ReWest100
                                                               30-MW-Elektrolyseur: regionale Wasserstoff-
durch die Bundesregierung ausgezeichneten Real-
                                                               wirtschaft im industriellen Maßstab
laboren befinden sich auch zahlreiche, die ihren Schwer-
punkt auf das Thema Wasserstoff legen.
                                                           •   SmartQuart
Steckbriefe aller Reallabore der Bundesregierung               Sektorenkopplung: Energie, Wärme, Wasserstoff
                                                               und Mobilität
•   CCU P2C Salzbergen
    Erzeugung synthetischen Methans aus grünem             Weitere Informationen finden Sie hier.
    Wasserstoff und CO2 aus Müllverbrennung

•   Dezentrales Energieversorgungssystem für das               AUSGEWÄHLTE PROJEKTE
    Energiedorf Lübesse
    Power-to-X-Verfahren für die regionale                 •   Wasserstoff-Leitprojekte (BMBF)
    Energieversorgung des Ortes Lübesse
                                                           •   HyLand/HyExperts/HyStarter (BMVI)
•   DOW Stade - Green MeOH
    Umwandlung Wasserstoff in Methanol aus                 •   HyStarter
    industriellem CO2                                          Regionen bei der Entwicklung der
                                                               Wasserstoff-Konzepte unterstützen
•   Energiepark Bad Lauchstädt
    Elektrolyse von Windstrom, Kavernenspeicherung,        •   HYPOS: Verbundvorhaben H2-Netz
    Bereitstellung für Chemiedreieck Mitteldeutschland
    mittels umgerüsteter Erdgasleitung                     •   HYPOS: Verbundvorhaben LocalHy

•   GreenHydroChem                                         •   HYPAT
    50-MW-Elektrolyseur, Umwandlung in Methanol                Weltweite Potenziale zur Erzeugung und zum Export
    und chem. Grundstoffe für die Industrie                    von Grünem Wasserstoff

•   H2 Wyhlen                                              •   StoRelH2
    Elektrolyse von Wasserstoff mit Strom aus                  Effiziente und kostengünstige Wasserstoffversorgung
    Wasserwerk                                                 mit flüssigen organischen Wasserstoffträgern

•   H2Stahl                                                •   hyTracks
    Eisengewinnung: Wasserstoffnutzung in Hochöfen             Plattform für interdisziplinäre Forschungsansätze
                                                               entlang der Wasserstoff-wertschöpfungskette
•   HydroHub Fenne
    Erneuerbarer Überschussstrom per                       •   Ideenwettbewerb „Wasserstoffrepublik Deutschland“
    17,5-Megawatt-Elektrolyseur, Sektorenkopplung              Förderung Forschung und Entwicklung
                                                               Grüner Wasserstoff
•   HySynGas
    Industriepark Brunsbüttel: Großprojekt zur
    Herstellung synthetischer Gase

•   Norddeutsches Reallabor
    Großskalige Konzepte für die Sektorenkopplung
    an 5 Standorten
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                                                                                           Institutionen und Forschung   9

INSTITUTIONEN UND FORSCHUNG

    INSTITUTIONEN, PROGRAMME, INITIATIVEN                    STUDIEN
•   Nationaler Wasserstoffrat                           •   2020 | Agora- Studie: Klimaneutrales Deutschland

•   Nationales Innovationsprogramm Wasserstoff-         •   2020 | DLR: Wasserstoff als Fundament der
    und Brennstoffzellentechnologie (NIP)                          Energiewende Teil 1

•   NOW GmbH – Nationale Organisation
                                                        •   2020 | DLR: Wasserstoff als Fundament der
    Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie
                                                                   Energiewende Teil 2
•   Deutscher Wasserstoff- und
    Brennstoffzellen-Verband (DWV)                      •   2020 | Greenpeace Energy: Grün oder Blau?

•   DVGW: Wasserstoff Verein des                        •   2020 | IKEM-Kurzstudie: Wasserstoff-Farbenlehre
    Gas- und Wasserfaches
                                                        •   2020 | Wuppertal Institut und DIW Econ:
•   BDEW Bundesverband der Energie-                                Bewertung der Vor- und Nachteile von
    und Wasserwirtschaft: Wasserstoff                              Wasserstoffimporten im Vergleich zur
                                                                   heimischen Erzeugung
•   H2Berlin – Wasserstoff-Initiative Berlin
                                                        •   2020 | Deutscher Bundestag: Kosten der
•   International PtX Hub Berlin
                                                                   Produktion von grünem Wasserstoff

•   H2 Süd – die Wasserstoffinitiative Bayern und
                                                        •   2020 | UBA/ifeu: Systemvergleich speicherbarer
    Baden-Württemberg
                                                                   Energieträger aus erneuerbaren Energien
•   Wasserstoff- und
    Brennstoffzellen-Initiative Hessen e.V.             •   2020 | BGR: Energiestudie 2019

•   Netzwerk Brennstoffzelle und Wasserstoff NRW        •   2020 | DVGW: Wasserstoffmobilität:
                                                                   Stand, Trends, Perspektiven
•   HYPOS e.V. – Hydrogen Power Storage &
    Solutions East Germany e.V.                         •   2020 | Umlaut-Studie: Wasserstoff – Chancen,
                                                                   Potenziale und Herausforderungen
•   European Clean Hydrogen Alliance
                                                        •   2020 | H2Berlin: Wasserstoffpotenzial in Berlin 2025

    FORSCHUNG                                           •   2019 | Fraunhofer: Eine Wasserstoff-Roadmap
•   Forschungsnetzwerk Wasserstoff: PT Jülich                      für Deutschland

•   Helmholtz-Zentren: Wasserstoffforschung             •   2019 | FZ Jülich: Kosteneffiziente und klimagerechte
                                                                   Transformationsstrategien für das deutsche
•   Helmholtz-Zentren: Wasserstoffatlas                            Energiesystem bis zum Jahr 2050

•   Forschungszentrum Jülich                            •   2019 | DWV für Land Brandenburg: H2-Industrie
                                                                   Potenzialstudie Brandenburg
•   DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik
    und Biotechnologie
                                                        •   2019 | BDI: Industrie-Roadmap für den Einsatz
                                                                   klimafreundlicher Gase
•   Akademienprojekt ESYS

•   Öko-Institut e.V.: Wasserstoffforschung
                                                        •   2019 | BDI: Prioritäten der Industrie für die
                                                                   Nationale Wasserstoffstrategie
•   Fraunhofer-Gesellschaft: Wasserstoff-Technologien
                                                        •   2018 | BCG und Prognos: Klimapfade für Deutschland
•   Zentrum für Sonnenenergie- und
    Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg             •   2018 | dena: Leitstudie Integrierte Energiewende
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                                                                                       Klimaschutz in Gebäuden: 5. Fragen an...   10

KLIMASCHUTZ IN GEBÄUDEN:

5 FRAGEN AN...
                     Klimaschutz und CO2-Minderung in Gebäuden kommen in Deutschland nur schleppend
                           voran und die Erreichung der klimapolitischen Ziele für 2030 gilt als “ambitioniert”.
                                   WIE WEITER? ... fragen wir ausgewählte Meinungsführer in Deutschland.

Bild: EUMB Pöschk.                        Bild: GdW.                               Bild: DMB.

Jürgen Pöschk                             Axel Gedaschko                           Dr. Melanie Weber-Moritz
ENERGIETAGE /                             GdW Bundesverband                        Deutscher Mieterbund e.V.
EUMB Pöschk GmbH                          deutscher Wohnungs- und
                                          Immobilienunternehmen e.V.

1 Die energetische Sanierungsrate         1 1,2 Prozent wegen der Wirkung          1 0,99999 Prozent.
des Jahres 2022 schätze ich auf …?        der BEG.
Bitte mit Nachkommastelle.                                                         2 (1.) Für die Dekarbonisierung des
                                          2 Kapazitäten schaffen – in Planung,     Gebäudebestandes bis 2050 den Neu-
2  Meine drei wichtigsten Emp-            Handwerk,       Produktherstellung.      baustandard kurzfristig auf KfW-Effi-
fehlungen,  hierüber    deutlich          Einzelmaßnahmen nahe GEG-Stan-           zienzhausstandard 55 und mittelfristig
hinauszukommen, wären…?                   dard deutlich höher fördern (Breite      auf einen noch ambitionierten Stan-
                                          vor Tiefe), auch die jetzigen An-        dard anheben. (2.) Eine deutliche Stei-
3  Meine Hoffnung auf Techno-             forderungen an Einzelmaßnahmen.          gerung der Sanierungstiefe mit dem
logiesprünge im Gebäudebereich            Sanierungsrate heißt noch nicht En-      Ziel, die Energie- und Heizkosten der
ruht auf..?                               ergieeinsparung. Seit 2010 null En-      Mieter deutlich zu senken und Warm-
                                          ergieeinsparung klimabereinigt pro       mietenneutralität bei Modernisierun-
4 Die künftige Beheizung: Wärme-          m². Unterstützung der breiten Ein-       gen zu erreichen. (3.) Die öffentliche
pumpen und klimaneutrale Fern-            führung von Anlagenoptimierung/          Förderung auf mindestens 10 Mrd.
wärme sind für mich fast zwin-            Smart-Efficiency.                        Euro pro Jahr aufstocken.
gende Optionen oder nur zwei
Möglichkeiten im Sinne von                3 Gebäudeintegrierte Photovoltaik.       3 Statt Technologiesprüngen benö-
Technologieoffenheit?                     Wasserstoffproduktion im Quar-           tigen wir v.a. bessere Rahmenbedin-
                                          tier mit Nutzung der Abwärme der         gungen, u.a. in Bezug auf die öffen-
5  Um die Akzeptanz von Klima-            Elektrolyse.                             tliche Förderung sowie Perspektiven
anforderungen      bei   Gebäude-                                                  zur Erreichung warmmietenneutral-
eigentümern zu erhöhen, würde             4  Beides: auch in Kombination mit       er energetischer Sanierungen.
ich der Politik empfehlen …?              weiteren Möglichkeiten, wie Nutzung
                                          erneuerbarer nicht fossiler Gase. Wir    4   Letzteres, wobei Neubaustan-
                                          brauchen alle Bausteine einschließlich   dards und Sanierungstiefe ambi-
                                          Import erneuerbarer Energien.            tionierter werden müssen.

                                          5 Einen guten sozialen Ausgleich         5 Die Umlage der CO2-Bepreisung auf
                                          zu finden. Einzelmaßnahmen nahe          Mieter muss aufgrund der fehlenden
                                          GEG-Standard fördern (s.o.). Stan-       Lenkungswirkung abgeschafft und
                                          dards für die energetische Mo-           vom Vermieter getragen werden. Das
                                          dernisierung nicht erhöhen, denn         würde die Akzeptanz von Klimaan-
                                          das endet in einem Rückgang der          forderungen bei Gebäudeeigentümern
                                          Sanierungsrate.                          insofern erhöhen, da für erneuerbare
                                                                                   Heizsysteme kein CO2-Preis anfällt.
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                                                                                 Klimaschutz in Gebäuden: 5. Fragen an...   11

Bild: Agora Energiewende.             Bild: DUH/Steffen Holzmann.            Bild: Sergey Kleptcha.

Dr. Patrick Graichen                  Barbara Metz                           Taco Holthuizen
Agora Energiewende                    Deutsche Umwelthilfe e.V.              eZeit Ingenieure GmbH

1 1,5 Prozent.                        1  Die Sanierungsrate muss von         1  1,3 Prozent, sie wird durch die
                                      0,8 auf mindestens 3 Prozent an-       großzügige Förderung der BEG nun
2  Meine drei wichtigsten Empfeh-     wachsen. Mit den bestehenden           endlich steigen! Wenn nicht, soll-
lungen, hierüber deutlich hinauszu-   Maßnahmen wird sie nicht steigen.      te man statt Klotzmodelle nun erst
kommen sind, (1.) ein sozialer Ge-                                           recht auch Steuermodelle in Be-
bäudekonsens und die Einführung       2 Effizienzhaus-Standard 55 im Be-     tracht ziehen.
von Warmmieten, (2.) verpflichtende   stand und EH40-Standard im Neu-
Kommunale Wärmeplanung, (3.) ein      bau. Die finanzielle Förderung muss    2 (1.) Förderung von Effizienz statt
CO2-Preis von mindestens 100 Euro.    steigen! Der Energiebedarfsausweis     Maße, (2.) Wegfall der Strafsteuern
                                      muss für alle Gebäude verpflichtend    (EEG, GST, MwSt.) auf selbstgewon-
3 Meine Hoffnung auf Technolo-        werden.                                nen Strom bei Eigennutzung UND
giesprünge im Gebäudebereich ruht                                            netzdienlichem Verhalten sowie
auf der industriellen Sanierung und   3      Technologiesprünge     allein   gleichzeitiger Erhöhung der CO2-
Start-ups, die digitalisierte Hand-   werden nicht reichen. Entscheidend     Steuer, (3.) Förderung der Vernet-
werks-Dienstleistungen anbieten.      ist, dass wir Technologien und Sa-     zung und damit Liberalisierung
                                      nierung, flächendeckend und mit        beim EnWG (z.B. Kundenanlage).
4 Die künftige Beheizung: Wärme-      hoher Qualität umsetzen.
pumpen und Wärmenetze. Sie sind,                                             3    ... der Wasserstoffstrategie.
zusammen mit effizienten Gebäu-       4 Es kommen auch andere Techno-        Grünes bezahlbares Gas in dezen-
den, die Schlüsseltechnologien der    logien in Frage. Man muss im Einzel-   tralen BHKWs sind äußerst wichtige
Wärmewende.                           fall entscheiden, welches System       Bausteine der Energiewende.
                                      die maximale Emissionsreduktion
5   Um die Akzeptanz von Kli-         mit möglichst geringen Kosten bie-     4   Zwei Möglichkeiten, da die Ak-
maanforderungen bei Gebäude-          tet.                                   tivierung von dezentraler EE die
eigentümern zu erhöhen, würde                                                wichtig(st)en Bausteine bezahlbar-
ich der Politik empfehlen, endlich    5 1 Mio. Bestandsgebäude p.a.          er grüner Energie sind. Zudem wird
das Konzept „Fordern UND Fördern“     klimaneutral sanieren, 1 Mio. Sa-      dadurch Privatkapital aktiviert.
konsequent umzusetzen, d.h. Stan-     nierungsfahrpläne p.a. verschen-
dards verschärfen UND das Errei-      ken, 100 Prozent Transparenz über      5 ...bei der Bewertung von Neubau-
chen dieser Standards fördern.        den energetischen Zustand und ein      und Sanierungsvorhaben die durch
                                      100-Tage-Klimaschutz-Sofortpro-        die Energiewende entstehenden
                                      gramm. Die Fördermittel müssen         Chancen und Risiken bei der Finan-
                                      erhöht und der CO2-Preis voll von      zierung zwingend mitbewerten zu
                                      Vermieter*innen getragen werden.       lassen.
1.10 www.energietage.de                                                                    ENERGIETAGE Journal 2021
                                Auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand – Das Gebäudeenergiegesetz „fit für 55“ machen!    12

AUF DEM WEG ZUM KLIMANEUTRALEN
GEBÄUDEBESTAND – DAS GEBÄUDEENERGIE-
GESETZ „FIT FÜR 55“ MACHEN!

Das GEG liefert nach sie-
                                                            Kosten gerecht              GEG 2.0
benjährigem Diskussions-        Klimaneutralität
                                                               verteilt
und Gesetzgebungspro-           2050                                                    •   Vom Ziel her gedacht
zess im Wesentlichen eine                                                               •   Klar und langfristig
redaktionelle Zusammen-                                                                 •   Ambitioniert im Neubau,
                                Green Deal
führung des Gebäudeen-                                                                      richtungsweisend im Bestand
ergierechts. Die zwischen-      • -55% THG (2030)                                       •   Keine Lock-ins und
zeitlich        veränderten     • Renovation Wave                                           Bereu-Investitionen
politischen Rahmenbedin-                                                                    Ergebnis zählt
gungen (Paris 2015, FFF         • Minimum Perfor-                                       •
                                   mance Standards             Baukultur                •   Einfach und robust
2019, „Fit for 55“-Paket der
EU) greift das GEG noch Grafik: ifeu.
nicht auf. Hinzu kommen
inzwischen auch sich abzeichnende gesteigerte             nierungsfahrplan ausgeführt werden. Ziel ist, die Gebäude
europäische Vorgaben (Anhebung der Klima-                 durch Absenkung der Heiztemperaturen fit zu machen für
ziele, renovation wave, Revision der EPBD). Da-           Wärmepumpen und erneuerbare Wärmenetze. Hinzu kommt
her kann das GEG nicht erst 2023 einem Revi-              die Vorbereitung für die Installation einer EE-Heizung.
sionsprozess unterzogen werden. Auch dass der
Gebäudesektor als einziger die 2020-Ziel ver-         •   Ein Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen befeuerten Heizkes-
fehlt hat, zeigt unübersehbar, dass es ordnungs-          seln durch eine Treibhausgas-Quote ab Mitte dieser Dekade.
rechtlicher Korrekturen für Neubau und v.a. für
den Gebäudebestand bedarf: Ein baldiges GEG           •   Einführung einer Photovoltaik-Pflicht auf allen Neubauten.
2.0 tut Not!
                                                      •   Ein laienverständliches Effizienzcockpit ermöglicht             ver-
Dafür werden bereits jetzt wesentliche Eckpunk-           haltensbedingte Verbrauchsreduzierungen.
te zur Diskussion gestellt:
                                                      Als sozioökonomische Rahmenbedingungen braucht es ein-
•   Das Ziel des klimaneutralen Gebäude-              en ambitionierten CO2-Preis sowie eine Förderkulisse, die den
    bestands muss gesetzlich verankert werden.        Beitrag der Eigentümer zum Allgemeinwohlziel Klimaschutz
                                                      reflektiert. Es darf auch gefördert werden, was gefordert wird.
•   Der Neubaustandard muss deutlich erhöht           Die Lastenverteilung muss angemessen zwischen Eigentümern,
    werden, ohne Bauherren dabei zu über-             Nutzern und öffentlicher Hand erfolgen.
    fordern. Eine Umstellung auf Treibhausgase
    und Heizwärmebedarf als Anforderungs-
    größen sowie eine Abkehr vom Referenzge-
    bäudeverfahren erhöht die Zielfokussierung              Dr. Martin Pehnt
    und belohnt kluge und kompakte Gebäude-                 ifeu - Institut für Energie- und
    konzepte sowie eine integrale Planung.                  Umweltforschung Heidelberg gGmbH
                                                            martin.pehnt@ifeu.de
•   Einfach zu erhebende Ökobilanzen erwei-
    tern den Blick auf die grauen Emissionen                Tilo Kurtz
    und befördern klimaschonende Baustoffe,                 Ministerium für Umwelt, Klima und
    langlebige Komponenten und kreislauforien-              Energiewirtschaft Baden-Württemberg
    tierte Baukonzepte.                                     tilo.kurtz@um.bwl.de

•   Der Angelpunkt für die Zielerreichung sind
    erhöhte Anstrengungen im Gebäudebe-
    stand: Modernisierungsarbeiten müssen mit
    bestmöglicher Effizienz und mit einem Sa-
2.01 www.energietage.de                                                                               ENERGIETAGE Journal 2021
                                                                                 Gebäudetechnologien einsetzen, Klimaziele erreichen    13

Vernetze Gebäudetechnologien sind unverzichtbar für die Energiewende. Nicht zuletzt deshalb bündelt der ZVEI alle relevanten Elektro-
Branchen in der neuen Plattform Gebäude. Grafik: ZVEI.

GEBÄUDETECHNOLOGIEN EINSETZEN,
KLIMAZIELE ERREICHEN
Deutschland hat seine Klimaziele für 2020 erreicht. Nach den                 neuen Legislaturperiode muss das Gebäude-
Zahlen des Bundesumweltministeriums und des Umwelt-                          energiegesetz novelliert werden. Dabei muss aus
bundesamtes (UBA) hat die Bundesrepublik 40,8 Prozent weni-                  Sicht des ZVEI auch der gesamte Lebenszyklus
ger CO2-Emissionen erzeugt als 1990. Damit lag sie über ihrem                der Gebäude ausreichend betrachtet werden.
selbst gesetzten Ziel von 40 Prozent. Die Bilanz ist grundsätzlich
erfreulich, aber laut Klimabericht sind rund ein Drittel der Emis-           Die Relevanz des Gebäudesektors steigt – nicht
sionsrückgänge auf die Pandemie zurückzuführen. Insbesondere                 nur im Zusammenhang mit der Energiewende.
beim Verkehr und auf dem Energiesektor hat diese zu erheblichen              Bereits heute bietet der Markt großes Poten-
Einsparungen geführt. Sorgenkind dieser Bilanz bleibt der Gebäu-             zial und er wird weiterwachsen. Nicht zuletzt
desektor, dabei ist er ein wichtiges Drehkreuz in der Energiewende.          deshalb hat der ZVEI Ende letzten Jahres die
                                                                             „Plattform Gebäude“ gegründet. Hier bündelt
Die wohl größte Herausforderung: Ein Großteil des Gebäudebe-                 die deutsche Elektroindustrie ihre Kräfte zu allen
stands in Deutschland ist derzeit gar nicht energiewendefähig.               gebäuderelevanten Themen in einer schlagkräf-
Dabei sind Gebäude sind für die Erreichung der Klimaziele nicht              tigen Verbandsinitiative.
nur relevant, weil hier rund 35 Prozent der gesamtdeutschen End-
energie verbraucht wird und ihnen nahezu ein Drittel der energiebe-          Ziel der Plattform ist es u. a., das schnell voran-
dingten CO2-Emissionen im Land zuzurechnen ist. Sie sind vielmehr            schreitende Zusammenwachsen von elek-
elementarer Teil des dezentralen Energiesystems der Zukunft, wenn            trischer und digitaler Welt in diesem Bereich
sie nicht nur Verbraucher sein werden, sondern auch Erzeuger.                gewerkeübergreifend zu gestalten.

Das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands kann nur durch
eine aktive Gebäudewende erreicht werden. Und diese muss aus
Sicht des ZVEI jetzt beginnen. Dafür müsste die Modernisierungs-                   Sebastian Treptow
und Sanierungsrate auf drei Prozent pro Jahr erhöht werden. Die                    Leiter Plattform Gebäude, ZVEI
Technologien sind vorhanden. Sie müssen jetzt über die Mittel                      sebastian.treptow@zvei.org
aus Konjunkturpaket und Renovierungswelle zielgerichtet ein-
gesetzt werden. Mit der Bundesförderung für effiziente Gebäude
(BEG) hat die Politik hier ein erstes richtiges Signal gesetzt. Dieses
Momentum muss beibehalten werden: Spätestens zu Beginn der
ENERGIETAGE Journal 2021
                                                           Gemeinsam für den Klimaschutz – Ein Praxisprojekt der GASAG Gruppe   14

GEMEINSAM FÜR DEN KLIMASCHUTZ –
EIN PRAXISPROJEKT DER GASAG GRUPPE

MIT INTELLIGENTER TECHNIK
DAS KLIMA SCHONEN

Der Wohnpark Mariendorf: Die Siedlung aus
den 1970er Jahren mit ihren 31 Gebäuden und
rund 800 Wohnungen hat sich in den letzten
Jahren zu einem zukunftsweisenden Quar-
tier entwickelt. Hohe Wohnqualität trifft hier
auf innovative Technologien und eine klima-
schonende Energieversorgung. Seit 2016 hat
die Wohnungsbaugesellschaft Gewobag die
Siedlung sozialverträglich modernisiert und
dabei konsequent auf Klimaentlastung geachtet.
Das partnerschaftlich entwickelte, innovative
Energiekonzept hat die GASAG Solution Plus ge-
meinsam mit der Gewobag ED entwickelt und im
Rahmen eines Contractingvertrages umgesetzt.

ZEICHEN DER ENERGIEWENDE

Modernste Blockheizkraftwerke und Gaskes-
sel versorgen die Haushalte mit Wärme. Den
selbst erzeugten Strom bietet die Gewobag ihrer
Mieterschaft als Quartier-Strom© an. Außerdem
wird der Eigenstrom für Elektrofahrzeuge und
E-Bikes genutzt. Zusätzlich hat die GASAG Solu-
tion Plus Photovoltaikanlagen mit einer Leistung      Foto: GASAG Solution Plus.
von rund 13 kWp installiert, die in die energetisch
sanierten Fassaden zweier Gebäude integriert          PARTNERSCHAFT FÜR INNOVATIVE LÖSUNGEN
wurden. Die Häuser wurden so zu sichtbaren
Zeichen der Energiewende. Wird mehr Strom             Die intelligente Steuerungstechnik sorgt zusammen mit der
erzeugt als benötigt, wird dieser in Batteriespei-    dezentralen Energieerzeugung für eine erhebliche Entlastung
chern mit einer Kapazität von je 30 Kilowattstun-     von Umwelt und Klima. Das Energiekonzept erreicht einen
den zwischengespeichert. So kann der Sonnen-          Primärenergiefaktor von nur 0,29. Darüber hinaus sparen die Be-
strom weitgehend im Quartier genutzt werden.          wohner bei ihren Energiekosten.

KI OPTIMIERT DIE ENERGIEFLÜSSE                        Projekte wie der Wohnpark Mariendorf zeigen das große Potenzial
                                                      der engen Partnerschaft zwischen Wohnungswirtschaft und Ener-
Optimiert wird das flexible Energiesystem jetzt       gieunternehmen. Gemeinsam suchen wir nach maßgeschneider-
durch die neue intelligente Steuerung. Das selbst-    ten und innovativen Lösungen. Denn jedes Projekt ist anders.
lernende System wurde in der EUREF-Energie-
werkstatt by GASAG Solution Plus entwickelt
und getestet (siehe auch: www.energiewende-
erleben.de). Mithilfe künstlicher Intelligenz              Ute Czylwik
steuert das System automatisch die Energie-                textetage.de
flüsse zwischen den verschiedenen Anlagen.                 ute.czylwik@czylwik.com
Dazu wertet es das Verbrauchsverhalten und die
Wetterdaten aus, gleicht diese mit aktuellen Wet-
terprognosen ab und errechnet daraus eine Be-
darfsprognose. Außerdem bezieht es Daten der
Strommarktbörse ein, um auch wirtschaftlich ein-
en möglichst idealen Fahrplan zu ermitteln.
3.06 www.energietage.de                                                                          ENERGIETAGE Journal 2021
                                                    Erneuerbare Fernwärme als Beitrag zur ökologischen Modernisierung Europas   15

ERNEUERBARE FERNWÄRME ALS BEITRAG ZUR
ÖKOLOGISCHEN MODERNISIERUNG EUROPAS

Die EU-Kommission plant mit ihrem Green Deal, Europa bis 2050
in den weltweit ersten klimaneutralen Kontinent zu transformie-
ren. Um hierzu einen passenden politischen Rahmen zu schaf-
fen, ist die Überarbeitung zentraler europäischer Richtlinien ge-
plant. Dabei rückt die Wärmeversorgung, welche aktuell noch zu
einem Großteil auf fossilen Brennstoffen basiert, endlich in den
Fokus der politischen Bemühungen: Europaweit entfallen ca. 80
Prozent des Energieverbrauchs in Wohngebäuden auf Heizung,
Kühlung und Warmwasserbereitung. Zwei Drittel des Energiebe-
darfs werden davon wiederum mit fossilen Brennstoffen gedeckt.
Nur wenn es gelingt, den Anteil der auf Basis fossiler Brennstoffe     Quelle: pixabay/pixel2013.
erzeugten Wärme durch erneuerbare Energien und andere kli-
mafreundliche Wärmequellen zu ersetzen, kann die Klimaneu-             mittelfristig auch die großen Fernwärme-Be-
tralität bis 2050 erreicht werden.                                     standsnetze in Osteuropa auf erneuerbare Ener-
                                                                       gien und unvermeidbare Abwärme umzustellen
Insbesondere in dichtbesiedelten Ballungsräumen stellt die lei-        sind. Ausgereifter Anlagenbau Made in Germany
tungsgebundene Wärmeversorgung (bspw. aufgrund geringer                kann dann auch über die Bundesgrenzen hinaus
Flächenverfügbarkeiten oder baulichen Restriktionen) oftmals           zum Klimaschutz und der wirtschaftlichen Erhol-
die einzige Möglichkeit dar, um Haushalte und gewerbliche Kun-         ung von der Corona-Pandemie beitragen.
den kosteneffizient im großen Stil mit klimafreundlicher Wärme zu
versorgen. Der damit einhergehende Aus- und Umbau der Wär-
menetze stellt daher in vielen Kommunen ein Kernelement der
klimafreundlichen Energie- und Wärmeversorgung vor Ort dar.                 Jan Wullenweber
                                                                            Verband kommunaler Unternehmen e.V.
Neben den Chancen für den Klimaschutz bietet der Aus- und                   wullenweber@vku.de
Umbau der Wärmenetze beträchtliche industrie- und struktur-
politische Chancen. So setzt die verstärkte Nachfrage nach er-
neuerbaren Erzeugungstechnologien (z.B. Großwärmepumpen,
Freiflächen-Solarthermie oder Tiefengeothermie) bedeutsamen
Anreize für den Ausbau von Produktionskapazitäten und techno-
logische Weiterentwicklung.

Damit ergeben sich perspektivisch neue Exportchancen für die
Technologiehersteller, da aufgrund der europäischen Klimaziele

Quelle: Unsplash/KP Ivanov.
5.03 www.energietage.de                                                                            ENERGIETAGE Journal 2021
                                                                   Kältezentrale soll künftig klimafreundliche Wärme erzeugen   16

                                                                     Visualisierung der neuartigen Groß- und
                                                                     Hochtemperaturwärmepumpe. Bild: Siemens Energy.

KÄLTEZENTRALE SOLL KÜNFTIG
KLIMAFREUNDLICHE WÄRME ERZEUGEN

Gemeinsam mit Siemens Energy erprobt                 Siemens Energy liefert die neuartige Groß- und Hochtempera-
Vattenfall eine Groß- und Hochtemperatur-            turwärmepumpe zur Bereitstellung von bis zu 8 MW thermischer
wärmepumpe im Fernwärmenetz. Dabei werden            Leistung, die je nach Umgebungsbedingungen die Vorlauf-
das Konzept der Abwärmenutzung und der Ein-          temperaturen des Fernwärmenetzes zwischen 85°C und bis zu
satz erneuerbaren Stroms zur Umsetzung der           ca. 120°C flexibel bereitstellen kann. Die Technologie kann damit
Wärmewende in Berlin verbunden. Das vom              einen Beitrag zum Ersatz fossiler Wärme in städtischen Fernwär-
Bund geförderte Projekt koppelt Wärme, Kälte         menetzen leisten. Neben der effizienteren Kopplung der Energie-
und Strom.                                           ressourcen am Standort dient das Projekt zur erstmaligen Er-
                                                     probung der Groß- und Hochtemperaturwärmepumpe in einem
Vattenfall Wärme Berlin AG und Siemens Energy        praxisrelevanten Maßstab unter Realbedingungen.
erproben in Berlin gemeinsam den Einsatz ein-
er neuen Technologie, bei der eine Groß- und         „Wenn wir die Energiewende in den Städten schaffen und ver-
Hochtemperaturwärmepumpe aus Abwärme                 stärkt auf erneuerbare Potenziale umstellen wollen, müssen wir
und erneuerbarem Strom grüne Wärme erzeugt           Wärme-, Kälte- und Stromversorgung integriert betrachten. Nur
und diese dem Berliner Stadtwärmenetz zuführt.       so können wir die verfügbaren Ressourcen bestmöglich einset-
Das Projekt wird vom Bundesministerium für           zen“, erläutert Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende der Vattenfall
Wirtschaft und Energie im Rahmen des 7. Ener-        Wärme Berlin AG.
gieforschungsprogramms gefördert.
                                                     „Die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung gilt als zentrale
Die Vattenfall-Kältezentrale am Potsdamer Platz      Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der Ziele im Paris-
versorgt rund 12.000 Büros, 1.000 Wohnungen          er Klimavertrag“, sagt Jochen Eickholt, Mitglied des Vorstands
und zahlreiche Kultureinrichtungen der Nach-         von Siemens Energy. „Großwärmepumpen können für den mit-
barschaft mit lokal und effizient erzeugter Kälte.   tel- und langfristigen Umbau der Wärmeversorgung eine wich-
Dabei entsteht Abwärme, die bislang ungenutzt        tige Rolle spielen. Wir freuen uns, zusammen mit Vattenfall diese
über Kühltürme abgeführt wird. Die neue Technol-     mögliche Schlüsseltechnologie erstmals erproben zu können.“
ogie macht die Abwärme künftig nutzbar, steigert
damit die Energieeffizienz der Kälteerzeugung
und sorgt gleichzeitig für grüne Wärme aus er-
neuerbarem Strom für das Berliner Quartier.              Olaf Weidner,
Damit ermöglicht der Einsatz der Wärmepumpe              Vattenfall Wärme Berlin AG
eine erhebliche Reduktion der Wärmeabgabe                olaf.weidner@vattenfall.de
an die Umgebung und eine zusätzliche Wärme-
bereitstellung für das Fernwärmenetz von jährlich        Mehr über die Berliner Stadtwärme
etwa 55 GWh bei einer geschätzten jährlichen             von Vattenfall erfahren Sie unter
Einsparung von ca. 6.500 Tonnen CO2-Emissionen           www.wärme.berlin
und 120.000 m3 Kühlwasser.
ENERGIETAGE Journal 2021
                                                        Nachhaltige Fernwärmenetze – Triebkraft für Energiewende und Klimaschutz   17

                   Pilotprojekt Halmstad, Schweden. Niedertemperaturfernwärmenetz mit einem dritten Rohr für die Zirkulation bei
                   geringem Wärme-bedarf. Foto: Rolf Strandell, Halmstad Energy and Environment (HEM).

NACHHALTIGE FERNWÄRMENETZE –
TRIEBKRAFT FÜR ENERGIEWENDE UND
KLIMASCHUTZ

Seit ihrer Gründung 2007, sieht es die atene KOM GmbH als eine            hat sich dieser Thematik im von ihr entwickelten
ihrer Kernaufgaben an, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten          und koordinierten Projekt „LowTEMP – Nieder-
und die Nutzung von erneuerbaren Energien zu fördern. In einer            temperatur-Fernwärme für den Ostseeraum“
Vielzahl von oft europäisch ausgerichteten Kooperations- und Be-          angenommen. 19 Partnerorganisationen aus neun
ratungsprojekten entwickeln wir gemeinsam mit unseren Partnern            Ländern entwickelten Strategien und Handlungs-
Strategien, um die Energieeffizienz in Kommunen und Regionen zu           instrumente zur Planung, Finanzierung, Installa-
steigern und Klimaschutzziele zu erreichen.                               tion und dem Management von Niedertempera-
                                                                          tur-Fernwärmesystemen. Außerdem wurden in
In den letzten Jahren rückte dabei die nachhaltige Wärmever-              den Partnerländern Pilotprojekte umgesetzt. Die
sorgung immer mehr in den Fokus. Mit einem Anteil von über 50             Projektergebnisse stehen auf der Projektwebsite
Prozent am Primärenergieverbrauch fällt der Wärmewirtschaft               zur Verfügung, die Ergebnisse, insbesondere im
innerhalb der Energiewende eine tragende Rolle zu. Gleichzeitig           Bereich des Kapazitätsaufbaus und des Wissens-
befindet sich der Wärmesektor, neben den Bereichen Mobilität              transfers werden im Rahmen eines Folgeprojek-
und Strom, in einem bedeutsamen Wandlungsprozess. Zen-                    tes aktuell weiter ausgearbeitet. Bis Ende 2021
trale Themen sind dabei die Umstellung der Wärmeerzeugung,                stehen dann in allen Partnerländern Schulungs-
die umfassende Einbindung von erneuerbaren Energien und                   materialien zu nachhaltiger Fernwärmever-
Abwärme, die Erneuerung von Anlagen und Infrastruktur sowie               sorgung in der jeweiligen Landessprache zur
die Senkung der Vor- und Rücklauftemperaturen.                            Verfügung. Die atene KOM wird außerdem
                                                                          E-Learning Kurse entwickeln und diese der
Einsparpotentiale bietet vor allem der nachhaltige Fernwärmeaus-          Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Es ist unser
bau. Aktuell hat die Fernwärme in Deutschland mit rund 10 Pro-            Ziel, den Ausbau neuer nachhaltiger Fernwär-
zent jedoch einen eher geringen Anteil am Wärmemarkt, nur in              menetze zu unterstützen, um so weiterhin einen
den beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg liegt der Anteil bei           Beitrag zur Wärme- und Energiewende zu leisten.
mehr als 30 Prozent. Fernwärme ist vor allem in dicht besiedelten
Gebieten sinnvoll. Dabei sollten in erste Linie nachhaltige Wärme-
netze der sogenannten vierten Generation zum Einsatz kommen.
Sie liefern Niedertemperaturwärme an neue oder energetisch                     Britta Schmigotzki
sanierte Gebäude, realisieren den Wärmetransport mit niedrigen                 atene KOM GmbH
Verteilverlusten und durch die Einbindung von intelligenten auf                b.schmigotzki@atenekom.eu
Sektorenkopplung basierenden Energiesystemen und ermög-
lichen die Nutzung erneuerbarer Energiequellen und von Wärme                   Weiterführende Informationen:
aus Recyclingprozessen. Damit stellen diese Wärmenetze die                     https://atenekom.eu/project/lowtemp
Zukunft der leitungsgebundenen Wärmeversorgung dar.                            www.lowtemp.eu

Wie können Städte und Regionen beim nachhaltigen Ausbau der
Wärmeversorgung unterstützt werden? Die atene KOM GmbH
4.06 www.energietage.de                                                                      ENERGIETAGE Journal 2021
                                                                                     Alternative Fuels für mehr Klimaschutz   18

Bild: IWO.

MARKTHOCHLAUF ERNEUERBARER KRAFT- UND BRENNSTOFFE NOTWENDIG

ALTERNATIVE FUELS FÜR MEHR KLIMASCHUTZ

Die Herausforderung, die Energieversorgung           portieren – erhalten neue wirtschaftliche Perspektiven und durch
bis 2050 CO2-neutral zu gestalten, ist gewaltig.     den Bau der Anlagentechnik würden auch hierzulande Arbeits-
Auch bei deutlich mehr Effizienz: Mit heimischem     plätze entstehen.
Wind- und Sonnenstrom allein werden wir nicht
auskommen. Wir brauchen weitere Optionen.            Der Einsatz alternativer Fuels ist in der bestehenden Technik und
Dazu zählen alternative flüssige Energieträger,      Infrastruktur möglich. Je breiter der Einsatz, desto rascher lassen
die fossile Kraft- und Brennstoffe ersetzen.         sich substanzielle Mengen anbieten. Bei der Schaffung eines
Herstellung und Nutzung dieser Future Fuels          entsprechenden Marktes spielt daher der Straßenverkehr eine
beruhen auf geschlossenen Kohlenstoffkreis-          wichtige Rolle, wo Future Fuels die E-Mobilität ergänzen können.
läufen. Bereits heute werden sie Benzin, Diesel      Von einem Hochlauf dort würden alle anderen Anwendungs-
und Heizöl beigemischt. Künftig geht es darum,       bereiche profitieren. Beispielsweise gibt es rund 5,5 Millionen
Art und Zahl der regenerativen Quellen zu er-        Gebäude mit Ölheizungen – drei Millionen davon abseits der
weitern, etwa durch nachhaltige Biokraftstoffe,      Wärme- und Gasnetze. Für einen Umstieg auf andere Technolo-
die eine Konkurrenz mit dem Nahrungsmittelan-        gien liegen die Hürden oft hoch. Doch auch diese Gebäude kön-
bau vermeiden. Aufgrund des absehbar großen          nen schrittweise die Klimaziele erreichen: Durch mehr Effizienz,
Bedarfs werden auch E-Fuels auf Basis von grü-       Hybridsysteme und den Einsatz alternativer Brennstoffe. Dass
nem Wasserstoff benötigt. Wie das funktionieren      das umsetzbar ist, zeigen zahlreiche Modellprojekte des IWO.
kann, zeigt aktuell z. B. bereits das Projekt Haru
Oni in Chile.                                        Um den Einsatz alternativer Kraft- und Brennstoffe voranzubrin-
                                                     gen, sind jedoch geeignete Rahmenbedingungen nötig. Dazu
Dank hoher Energiedichte und guter Speicher-         zählt im Wärmesektor die Berücksichtigung solcher Fuels als
barkeit lassen sich Future Fuels leicht trans-       Erfüllungsoption im Gebäudeenergiegesetz, in der Mobilität zum
portieren. Sie können mit Hilfe von Wind- und        Beispiel eine Energiesteuer 2.0, die Kraftstoffe künftig anhand
Solarstrom hergestellt werden. Die Kombi-            ihrer Klimawirkung besteuert.
nation beider Aspekte ermöglicht den Import
erneuerbarer Energie von besonders attrak-
tiven und/oder ansonsten ungenutzten wind-
bzw. sonnenreichen Standorten weltweit. Eine             Dipl.-Ing. (FH) Thomas Uber
Win-win-Situation: Die Erzeugerländer – auch             Institut für Wärme und Mobilität e. V.
solche, die bislang noch fossile Brennstoffe ex-         uber@iwo.de
4.05 www.energietage.de                                                                                       ENERGIETAGE Journal 2021
                                                             “GeoEnergie für die Hauptstadtregion“ Potenzial, Status Quo, Forschungsbedarf   19

“GEOENERGIE FÜR DIE HAUPTSTADTREGION“
POTENZIAL, STATUS QUO, FORSCHUNGSBEDARF

Wie alle Metropolen, so hat auch Berlin einen enormen Ener-                       Von Interesse für die geoenergetische Nutzung
giebedarf. Dieser wird derzeit noch überwiegend von fossilen                      sind die Schichten, die hohe Durchlässigkeit und/
Energieträgern gedeckt. Um hier Treibhausgasneutralität zu                        oder hohe Temperaturen aufweisen und zugleich
erreichen, müssen langfristig neue, nachhaltige Konzepte ent-                     von den höher liegenden Trinkwasserschichten
wickelt und umgesetzt werden.                                                     durch geologische Barrieren wirksam getrennt
                                                                                  sind. Von diesen Schichten im Berliner Untergrund,
Generell bietet der geologische Untergrund eine Reihe von                         kommen mehrere in Frage, z.B. der jurassische
Möglichkeiten zur nachhaltigen Energiebereitstellung. Neben                       Hettang, der Muschelkalk, der Buntsandstein
der Extraktion von Wärme zum Heizen oder für die elektrische                      oder das Rotliegende. Alle unterscheiden sich
Stromerzeugung kann er auch als Speicher für Wärme, Kälte                         bei für eine Nutzung wichtigen Parametern wie
oder von Gasen, wie Wasserstoff genutzt werden.                                   Temperatur, Mineralisation und Durchlässigkeit.
                                                                                  Ob und welche Formation für welche geoener-
Berlin befindet sich, geologisch betrachtet, im Norddeutschen                     getische Nutzung geeignet ist und welche Risiken
Becken. Die unterschiedlichen sedimentären Formationen lagern                     und Reaktionen bei der Erschließung und Nut-
mehrheitlich horizontal übereinander (siehe Abbildung). Diese                     zung des Untergrundes auftreten können, bzw.
Schichtfolgen werden gelegentlich von aufsteigenden Salzdia-                      wie die Risiken zu minimieren sind, ist Gegenstand
piren durchbrochen bzw. verschoben. Der grundsätzliche Auf-                       der Forschung am GFZ, Sektion Geoenergie. Dazu
bau des Beckens ist aus Bohrungen und durch geophysikalische                      betreibt das GFZ Forschung an fünf Standorten
Erkundungen bekannt und in 3D-Untergrundmodelle überführt.                        (Demonstrationsanlagen) zu unterschiedlichen
Allerdings sind aufgrund der Genese des Beckens das Vorhanden-                    Geoenergiethemen bzw. in unterschiedlichen
sein, die Ausprägung und die Mächtigkeit der Schichten für eine                   geologischen Formationen.
Bewirtschaftung nicht immer hinreichend genau prognostizierbar.

Grafik: Geologie des Berliner Untergrundes aus Sippel et al. (2013).

                                                          Dr. Simona Regenspurg
                                                          Helmholtz-Zentrum Potsdam
                                                          Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
                                                          simona.regenspurg@gfz-potsdam.de
6.04 www.energietage.de                                                                            ENERGIETAGE Journal 2021
                                              Mit einer demokratischen Konfliktkultur die Energiewende vor dem Populismus retten   20

MIT EINER DEMOKRATISCHEN
KONFLIKTKULTUR DIE ENERGIEWENDE
VOR DEM POPULISMUS RETTEN

Der Ausbau erneuerbarer Energien muss deut-
lich beschleunigt werden, wenn Deutsch-
land seine Paris-Ziele einhalten will. Die Ener-
giewende stößt nach wie vor auf hohe generelle
Akzeptanz, aber zugleich wird ihre Umsetzung
oft kritisiert. Vor Ort wenden sich immer mehr
Bürgerinitiativen gegen den Strom- und Netz-
ausbau. Oft wird der Ton dabei härter, die Kritik
fundamentaler.

Organisationen wie Vernunftkraft bekämpfen
den Windausbau schon länger als grundsätzlich
falsche Lösung, und als Think Tank auftretende
Lobby-Gruppen wie das Europäische Institut für
Energie und Klima (EIKE) bezweifeln den anthro-
pogenen Klimawandel. Auf dem Höhepunkt der
nicht zuletzt von Fridays for Future befeuerten
Klimadebatte im Jahr 2019 hat die AfD die Klima-
politik zu ihrem dritten strategischen Kampffeld
nach Euro und Migration erklärt.

Gerät die Energiewende damit ins Fadenkreuz
rechtspopulistischer Akteure? Droht sie gar          Grafik: demokon.de
durch den doppelten Druck des populistischen
Diskurses von oben und vor Ort ins Stocken zu        Gemeinsam mit unseren Gästen wollen wir nach den Inputs der
geraten? Und was kann, was sollte man dage-          Referent*innen die Frage diskutieren, wie gefährlich der Populis-
gen tun?                                             mus der Energiewende werden kann, welche Resonanz populis-
                                                     tische Argumente in der breiten Bevölkerung finden und warum.
Mit diesen Fragen befassen sich unter der Lei-       Vor allem aber interessiert uns die Frage, welche Änderungen/
tung von Seraja Bock (Potsdam-Institut für Kli-      Verbesserungen im institutionellen Design der Energiewende
mafolgenforschung, PIK) der Soziologe Dr. Fritz      sowie in ihrer kommunikativen Ausgestaltung zu machen sind,
Reusswig (PIK), der ein von der Mercator-Stiftung    um eine „Populismus-resiliente Energiewende“ hinzubekommen.
gefördertes Projekt zum Zusammenhang von
Populismus und Energiewende leitet, der
Recherche-Leiter von Greenpeace Deutschland,
Dr. Manfred Redelfs, der sich die Anti-Wind-               Dr. Fritz Reusswig
kraft-Lobby einmal näher angeschaut hat, der               Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) e.V.
Gruppenleiter Energiesysteme und Energie-                  fritz@pik-potsdam.de
wirtschaft des Fraunhofer-Instituts für Solare
Energiesysteme (ISE), Dr. Christoph Kost, der
die Ergebnisse einer Studie zum Ausbaubedarf
für erneuerbare Energien vorstellen wird, in der
auch die Folgen von Nicht-Akzeptanz model-
liert wurden, und Dr. Maria Rosaria Di Nucci vom
Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der
Freie Universität Berlin, die ein EU-Projekt zur
Förderung sozio-technischer Innovationen im
Bereich erneuerbarer Energien leitet.
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