ERWARTUNGEN DER BADEN-WÜRTTEMBERGISCHEN LANDKREISE - AN DIE NEUE LANDESREGIERUNG UND DEN NEUEN LANDTAG - Landkreistag BW

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ERWARTUNGEN DER BADEN-WÜRTTEMBERGISCHEN LANDKREISE - AN DIE NEUE LANDESREGIERUNG UND DEN NEUEN LANDTAG - Landkreistag BW
ERWARTUNGEN
DER BADEN-
WÜRTTEMBERGISCHEN
LANDKREISE

AN DIE NEUE
LANDESREGIERUNG
UND DEN NEUEN LANDTAG
ERWARTUNGEN DER BADEN-WÜRTTEMBERGISCHEN LANDKREISE - AN DIE NEUE LANDESREGIERUNG UND DEN NEUEN LANDTAG - Landkreistag BW
Schriftenreihe des
Landkreistags Baden-Württemberg
                 Band 40

                ISSN 2701-1739
© Landkreistag Baden Württemberg · Januar 2021
ERWARTUNGEN DER BADEN-WÜRTTEMBERGISCHEN LANDKREISE - AN DIE NEUE LANDESREGIERUNG UND DEN NEUEN LANDTAG - Landkreistag BW
Inhalt

Einleitung....................................................................................................................................................................................... 3

Die zehn Kernerwartungen der Landkreise..................................................................................................6

Die Erwartungen der Landkreise im Einzelnen......................................................................................... 11

Finanzen.......................................................................................................................................................................................... 11

Digitalisierung..........................................................................................................................................................................12

Soziales............................................................................................................................................................................................ 14

Gesundheit................................................................................................................................................................................... 19

Migration und Integration.........................................................................................................................................21

Arbeit, Wirtschaft, Wohnen.........................................................................................................................................23

Bildung............................................................................................................................................................................................25

Mobilität und Infrastruktur....................................................................................................................................28

Umwelt-, Natur- und Klimaschutz....................................................................................................................... 30

Ländlicher Raum....................................................................................................................................................................35

Verbraucherschutz........................................................................................................................................................... 36

Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz..............................................................................37

Kommunales...............................................................................................................................................................................37

Europa...............................................................................................................................................................................................38

Der Landkreistag Baden-Württemberg............................................................................................................ 41

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Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

                                     Einleitung

Baden-Württemberg zeichnet sich aus durch               themen immer stärker in den Vordergrund. Auch
unverwechselbare Landschaften mit pulsieren-            hier wurden und werden die Landkreise ihrer
den Städten und lebendigen Dörfern. Seinen              Aufgabe als „Gesicht des Staates vor Ort“ ge-
auch wirtschaftlichen Erfolg verdankt das Land          recht.
dabei den Menschen, die hier leben – seien sie
seit Generationen hier ansässig oder aus un-            Nun dürfte eines sicher sein: Die Herausforde-
terschiedlichsten Gründen zugezogen. In Ba-             rungen für die kommunale Familie insgesamt
den-Württemberg trifft Tüftlergeister und Fleiß         und für die Landkreise im Besonderen werden
auf Pragmatismus und Weltoffenheit. Dies alles          in Zukunft nicht geringer werden. So muss die
macht unser Bundesland so lebenswert.                   Corona-Pandemie erst noch bewältigt werden.
                                                        Die Folgen der Krise wiederum werden Staat,
Als bedeutsamer Erfolgsgarant hat sich seit der
Gründung des Landes im Jahr 1952 die kommu-
nale Selbstverwaltung erwiesen. Selbstbewuss-
te Landkreise, Städte und Gemeinden bilden das
Fundament unseres baden-württembergischen
Staatswesens.

Wie leistungsfähig die Kommunen und nament-
lich auch die Landkreise sind, zeigt sich derzeit
in der Bewältigung der Corona-Pandemie. Es
sind die Landratsämter mit ihren Gesundheits-
ämtern, die die Kontakte von positiv auf SARS-
CoV-2 getesteten Personen nachverfolgen, um             Wirtschaft und Gesellschaft über Jahre und
Infektionsketten zu durchbrechen und andere             Jahrzehnte belasten – nicht nur, aber eben auch
Menschen zu schützen. Es sind die Landkreise,           finanziell. Auf kommunaler Ebene ist gerade in
die als Vor-Ort-Partner des Landes Kreisimpfzen-        den kommenden Jahren mit erheblichen Minde-
tren betreiben, damit im Laufe des Jahres 2021          reinnahmen und deutlichen Mehrausgaben zu
wieder ein Stück Normalität zurückgewonnen              rechnen.
werden kann.
                                                        Zugleich müssen die Landkreise mit anpacken,
Aber auch vor der Pandemie hatten die ba-               damit wir auf den gesamtgesellschaftlichen
den-württembergischen Landkreise wieder-                Großbaustellen gemeinsam vorankommen.
holt Gelegenheit, ihre Leistungsfähigkeit unter         Eine besondere Bedeutung ist dabei aus Sicht
Beweis zu stellen. So zum Beispiel im Rahmen            der Landkreise den drei großen „D“ beizumes-
der Flüchtlingsaufnahme, die 2015 mit der Zu-           sen: Wir brauchen einen weiteren Schub bei der
spitzung des Bürgerkrieges in Syrien erforder-          Digitalisierung, der von der flächendeckenden
lich wurde. Ging es hier zunächst um die men-           Breitband- und Mobilfunkversorgung über me-
schenwürdige Unterbringung von Geflüchteten,            dienbruchfreie Onlineservices der Kommunal-
gerieten mit fortlaufender Zeit die Integrations-       verwaltungen bis hin zur Digitalisierung unserer

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Schulen reicht. Wir müssen den demografischen          nen Teil alles dafür tun, dass die enge, partner-
Wandel bewältigen, was unter anderem eine              schaftliche Zusammenarbeit von Landespolitik
flächendeckende, qualitativ hochwertige Kran-          und Kommunen auch in der 17. Legislaturperio-
kenhausversorgung und eine Stärkung der An-            de des Landtags von Baden-Württemberg seine
gehörigenpflege voraussetzt. Und wir müssen            Fortsetzung findet.
die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesell-
schaft vorantreiben, wozu es nicht zuletzt eines
weiteren, beherzten Ausbaus des Öffentlichen
Nahverkehrs bedarf.

Um diese und weitere Herausforderungen er-
folgreich zu meistern, müssen von Seiten der
Landespolitik die Weichen entsprechend ge-
stellt werden. Am 14. März 2021 werden die
Baden-Württembergerinnen und Baden-Würt-
temberger einen neuen Landtag wählen. Die                      Joachim Walter
                                                                     Präsident
Erwartungen an eine neue Landesregierung und                 des Landkreistags
an den neuen Landtag von Baden-Württemberg                Baden- Württemberg
sind angesichts der bestehenden Herausfor-
derungen zu Recht groß – auch von Seiten der
Landkreise.

Der Landkreistag Baden-Württemberg hat sei-
ne Erwartungen in einem 90-Punkte-Katalog
zusammengefasst – aufgeschlüsselt nach den
Themen Finanzen, Digitalisierung, Soziales, Ge-
sundheit, Migration und Integration, Arbeit,
Wirtschaft, Wohnen, Bildung, Mobilität und In-
frastruktur, Umwelt, Natur- und Klimaschutz,
Ländlicher Raum, Verbraucherschutz, Rettungs-
dienst, Brand- und Katastrophenschutz, Kom-
munales und Europa. Zehn dieser Erwartungen
misst der Landkreistag Baden-Württemberg
besondere Bedeutung zu; sie sind dem 90-Punk-
te-Katalog vorangestellt.

Der Landkreistag Baden-Württemberg setzt da-
rauf, dass möglichst viele seiner Erwartungen
von einer neuen Landesregierung und dem neu-
en Landtag von Baden-Württemberg frühzeitig
aufgegriffen und im Dialog mit der kommuna-
len Familie passgenau umgesetzt werden. Der
Landkreistag Baden-Württemberg wird für sei-

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Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

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Die zehn                                      Erwartung: Das Land stellt den Kommunen auch
     Kernerwartungen                                    in den Jahren ab 2021 einen angemessenen Aus-
                                                        gleich der Corona-bedingten Mindereinnahmen
       der Landkreise                                   über den kommunalen Finanzausgleich zur Ver-
                                                        fügung.
1.	Corona-bedingte Mindereinnahmen
   im kommunalen Finanzausgleich
	weiterhin angemessen ausgleichen                       2.   Breitbandausbau mit jährlich
                                                             500 Mio. Euro fördern und dazu
Durch die Pandemie sind erhebliche Steuermin-                Sondervermögen einrichten
dereinnahmen zu verzeichnen. Den baden-würt-
tembergischen Kommunen fehlen alleine im                 Bei kommunalen Projekten für den Breitbandaus-
Jahr 2021 Steuereinnahmen in Höhe von 2,2 Mrd.           bau kam es von Landesseite aufgrund von leerge-
Euro. Darüber werden im Jahr 2021 die Schlüs-            laufenen Fördertöpfen in jüngster Vergangenheit
selzuweisungen im Rahmen des kommunalen                  bereits wiederholt zu Verzögerungen bei der Be-
Finanzausgleichs allein bei den Landkreisen um           willigung, weil der Mittelbedarf durch die Umstel-
über 150 Mio. Euro einbrechen. Diese Mittel feh-         lung auf die Kofinanzierung der Bundesförderung
len, wenn sie nicht kompensiert werden, vor Ort         – Fokus auf reinen FTTB-Ausbau – zu deutlich hö-
bei der Erfüllung der notwendigen Aufgaben               heren Kosten geführt hat. Mit der angekündigten
und vor allem im investiven Bereich; ihre Funkti-        Grauen-Flecken-Förderung des Bundes werden
on als Konjunkturmotor können die Kommunen               die auf Landesseite benötigten Summen weiter
dann allenfalls noch in sehr bescheidenem Um-            anwachsen. Der prognostizierte Mittelbedarf be-
fang wahrnehmen.                                         läuft sich auf jährlich mindestens 500 Mio. Euro.

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Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

Erwartung: Um die benötigen Fördermittel von             4.	Auskömmliche Finanzierung
mindestens 500 Mio. Euro pro Jahr mehrjährig,            	der Krankenhausinvestitionen
transparent und zweckgebunden für den Breit-             	sicherstellen
bandausbau bereitzustellen, richtet das Land
ein Sondervermögen zur Finanzierung des Breit-
bandausbaus ein; in jedem Fall werden die erfor-
derlichen Mittel bereitgestellt.

3. Digitalisierung der Verwaltung
 	beschleunigen

                                                         Die Finanzierung der Krankenhausinvestitions-
                                                         kosten obliegt verfassungs- und einfachrechtlich
                                                         dem Land. Dieser Finanzierungsverpflichtung
                                                         kommt das Land nicht ausreichend nach, auch
                                                         wenn es hier sicherlich mehr tut als andere Bun-
                                                         desländer. Doch mit Blick auf die anstehenden
                                                         strukturellen Veränderungen in der baden-würt-
                                                         tembergischen Krankenhauslandschaft erweist
                                                         sich die unzureichende Investitionskostenförde-
Zur Beschleunigung der Digitalisierung bedarf            rung als hoch problematisch und als Risiko für
es mehr als nur der reinen Umsetzung des On-             die bislang qualitativ hochwertige, flächende-
linezugangsgesetzes. Digitale Prozesse müssen            ckende Gesundheitsversorgung im Land.
komplett medienbruchfrei und end-to-end ge-
dacht werden; hierfür müssen auch die Wege               Erwartung: Das Land erhöht seine Investitions-
innerhalb und zwischen den Behörden optimiert            förderung für Krankenhäuser mit originären
werden. Durch die Pandemie wurde deutlich,               Landesmitteln auf das erforderliche Maß von
dass Daten schneller und automatisiert zwi-              750 Mio. Euro jährlich und hebt in diesem Zusam-
schen verschiedenen Institutionen übermittelt            menhang insbesondere auch die Pauschalförde-
werden müssen und es zur Beschleunigung der              rung um mindestens 50 Mio. Euro pro Jahr an.
digitalen Verwaltung volldigitale Lösungen wie
beispielsweise die digitale Baugenehmigung,
vereinfachte digitale Zulassungsvorgänge etc.            5. Digitalisierung im Bildungsbereich
braucht.                                                 	weiter zügig voranbringen

Erwartung: Um eine wirkliche Beschleunigung              Um digitales Lehren und Lernen zeitnah, aber
der Digitalisierung der Verwaltung zu erreichen,         auch nachhaltig an Schulen zu verankern, bedarf
stellt das Land weitere Mittel in Höhe von 15 Mio.       es einer verlässlichen Finanzierung; einmalige
Euro zur Verfügung.                                      Budgets zugunsten der Schulträger – wie im

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DigitalPakt Schule – sind hierfür nicht ausrei-          die Aufwendungen für Schülerinnen und Schüler
chend. Da die technische Umsetzung entschei-             ohne festgestellten sonderpädagogischen Bil-
dend von den pädagogischen Anforderungen                 dungsanspruch, vollumfänglich zu ersetzen.
abhängt, muss das Land auch mit in die Finanzie-
rungsverantwortung. Die Landkreise unterstüt-            Erwartung: Das Land passt seine Lehrkraftres-
zen ausdrücklich den Grundansatz des Landes,             sourcen so an, dass auch alle Schülerinnen und
wonach die Technik der Pädagogik folgen muss;            Schüler mit Behinderung ohne zusätzliches, von
daher müssen die Lehrkräfte in Sachen Medien-            den Landkreisen finanziertes Personal erfolg-
pädagogik ausreichend qualifiziert werden.               reich unterrichtet werden können; übergangs-
                                                         weise ersetzt es den Landkreisen zumindest
                                                         sämtliche Kosten im Zusammenhang mit not-
                                                         wendigen Schulbegleitungen für Schülerinnen
                                                         und Schüler mit und ohne festgestelltem son-
                                                         derpädagogischen Förderbedarf.

                                                         7.	Einkommensabhängiges Landes-
                                                            pflegegeld für die Inanspruch-
                                                            nahme von KurzzeiTpflege einführen

                                                         Die Stärkung der Kurzzeitpflege ist entschei-
Erwartung: Die digitale Bildung wird – mit maß-          dend, um die gerade in Baden-Württemberg so
geblicher Beteiligung des Landes – dauerhaft             bedeutsame Angehörigenpflege zu stabilisieren.
finanziert und über passgenaue pädagogische              Durch ein einkommensabhängiges Landespfle-
Konzepte zur Qualifizierung und Fortbildung der          gegeld für die Inanspruchnahme von Kurzzeit-
Lehrkräfte entscheidend unterstützt.                     pflege werden nicht nur Pflegebedürftige und
                                                         ihre Angehörigen finanziell unterstützt, sondern
                                                         wird zugleich die Kurzzeitpflege gestärkt.
6. Schulische Inklusion konsequent
   umsetzen                                              Erwartung: Das Land stellt bis zu 8,5 Mio. Euro
                                                         jährlich bereit, um ein einkommensabhängiges
Die UN-Behindertenrechtskonvention bleibt un-            Landespflegegeld für die Inanspruchnahme von
erfüllt, wenn Kinder und Jugendliche mit Behin-          Kurzzeitpflege einzuführen.
derung nur dann am Unterricht in allgemeinen
Schulen teilnehmen können, wenn sie externe
Unterstützung mitbringen. Das Land muss seine            8. Landesmobilitätskonzept
Lehrkräfteressourcen so anpassen, dass alle Schü-           entwickeln und umsetzen
lerinnen und Schüler im Sinne der UN-Behinder-
tenkonvention ohne zusätzliches, von den Krei-           Um im anspruchsvollen Sektor Verkehr end-
sen finanziertes Personal erfolgreich unterrichtet       lich die dringend erforderlichen Fortschritte
werden können. Bis dies umgesetzt ist, sind die          in Sachen Klimaschutz zu erzielen, bedarf
den Kreisen dadurch entstehenden Kosten der Ein-         es eines ganzheitlichen, flächendeckenden
gliederungs- und Jugendhilfe, insbesondere auch          Ansatzes in Form eines Mobilitätskonzepts

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Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

des Landes. Dieses Landesmobilitätskonzept              – auch verstärkt auf die Förderung von Personal-
muss die einzelnen Maßnahmen zur Stärkung                kosten angewiesen sind.
nachhaltiger Mobilität zusammenführen und
die Handlungsfelder strategisch weiterentwi-            Erwartung: Das Land unterstützt die Klima-
ckeln. Dabei sind die zur Umsetzung der ein-            schutzaktivitäten der Landkreise dauerhaft mit
zelnen Maßnahmen jeweils Verantwortlichen               ausreichend dotierten Förderprogrammen, die
klar zu benennen und mit den erforderlichen             insbesondere auch verstärkt Personalkosten ab-
Finanzmitteln auszustatten.                             decken und sich nahtlos an vorhandene Bundes-
                                                        programme anschließen.
Erwartung: Das Land erstellt ein Landesmobili-
tätskonzept im Sinne eines „Gesamtpakets“ für
nachhaltige Mobilität, das auch die Aufgaben-           10.	Tierwohl schützen
und Finanzverantwortung bezüglich der Einzel-
maßnahmen festlegt                                      Die tierschutzrechtlich relevanten Verstöße in
                                                        Nutztierhaltungen und bei Schlachtbetrieben in
                                                        den vergangenen Jahren haben das vom Land-
9. Landkreise für KlimaschutZ-                          kreistag seit Jahren bemängelte Kontrolldefizit
   aktivitäten finanziell angemessen                    nochmals offensichtlich werden lassen. Dies
   ausstatten                                           liegt nicht an fehlenden landesweiten Kontroll-
                                                        teams, sondern an einer unzulänglichen per-
                                                        sonellen Ausstattung der Landratsämter mit
                                                        Amtstierärztinnen und Amtstierärzten. Das Per-
                                                        sonaldefizit ist bereits vor Jahren in einem lang-
                                                        wierigen Prozess mit rund 200 Stellen beziffert
                                                        worden und liegt nach den Stellenmehrungen
                                                        der letzten Jahre aktuell bei 160 Stellen.

Die Landkreise stellen sich ihrer Vorbildfunktion
als öffentliche Verwaltung und treiben Klima-
schutzmaßnahmen auf Kreisebene konsequent
voran. Neben dem erheblichen Einsatz von Kreis-
mitteln bedarf es dabei auch einer aufgabenan-
gemessenen Finanzausstattung der Landkrei-              Erwartung: Um das Tierwohl effektiv zu schüt-
se durch das Land, die langfristig angelegt ist         zen, stärkt das Land den amtstierärztlichen
und damit die notwendige Planungssicherheit             Dienst in den Landratsämtern durch die konse-
schafft. Darauf sind auch die entsprechenden            quente Schaffung zusätzlicher Stellen.
Förderprogramme auszurichten, wobei die Land-
kreise – neben dem Fokus auf Nachhaltigkeit

                                                    9
Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

  Die Erwartungen                                        behörde unterschiedlich zu behandeln sind.

  der Landkreise im                                      Von ihrer rechtlichen Konstruktion her sind die
                                                         Landratsämter aber auch umsatzsteuerrecht-
      Einzelnen                                          lich weiterhin als Einheit zu betrachten. Eine
                                                         umsatzsteuerliche „Aufspaltung“ des Landrat-
                                                         samts würde einen schier nicht bewältigbaren
                                                         Bürokratieaufwand nach sich ziehen und wäre
               Finanzen                                  mit finanziellen Belastungen für den Landes-
                                                         haushalt in Millionenhöhe verbunden, weil die
1.	Corona-bedingte Mindereinnahmen                       Zuweisungen nach § 11 FAG ihrerseits um 19 %
   im kommunalen Finanzausgleich                         erhöht werden müssten.
	weiterhin angemessen ausgleichen
                                                         Erwartung: Das Land setzt sich beim Bund dafür
Durch die Pandemie sind erhebliche Steuermin-            ein, dass Landratsämter weiterhin auch umsatz-
dereinnahmen zu verzeichnen. Den baden-würt-             steuerrechtlich als Einheit gewertet werden.
tembergischen Kommunen fehlen alleine im
Jahr 2021 Steuereinnahmen in Höhe von 2,2 Mrd.
Euro. Darüber werden im Jahr 2021 die Schlüs-            3.	Unmittelbare Beteiligung der
selzuweisungen im Rahmen des kommunalen                     Landkreise an der Umsatzsteuer
Finanzausgleichs allein bei den Landkreisen um
über 150 Mio. Euro einbrechen. Diese Mittel feh-         Es ist schon seit längerem absehbar, dass gera-
len, wenn sie nicht kompensiert werden, vor Ort          de im Hinblick auf die dynamisch aufwachsen-
bei der Erfüllung der notwendigen Aufgaben               den Nettosozialaufwendungen der Landkreise
und vor allem im investiven Bereich; ihre Funkti-        die Refinanzierung dieser Kostenlast über die
on als Konjunkturmotor können die Kommunen               Kreisumlage an ihre Grenzen stößt. Dass der
dann allenfalls noch in sehr bescheidenem Um-            Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft und
fang wahrnehmen.                                         Heizung zuletzt dauerhaft um 25% erhöht wor-
                                                         den ist, hilft zwar, löst aber nicht das strukturelle
Erwartung: Das Land stellt den Kommunen auch             Grundproblem. Die Landkreise brauchen ebenso
in den Jahren ab 2021 einen angemessenen Aus-            wie die Städte und Gemeinden eine verlässliche,
gleich der Corona-bedingten Mindereinnahmen              tendenziell konjunkturabhängige und anwach-
über den kommunalen Finanzausgleich zur Ver-             sende Einnahmequelle in Form der Beteiligung
fügung.                                                  an einer Wachstumssteuer, vorzugsweise der
                                                         Umsetzsteuer.

2. 	Umsatzsteuerliche Aufspaltung                        Erwartung: Zur qualitativen und quantitati-
	der Landratsämter verhindern                            ven Verbesserung der Einnahmestruktur der
                                                         Landkreise besonders im Hinblick auf die stetig
Wegen der neuen umsatzsteuerrechtlichen Re-              steigenden Sozialaufwendungen setzt sich das
gelung des § 2b UStG wird aktuell diskutiert, ob         Land auf Bundesebene dafür ein, dass die Land-
innerhalb eines Landratsamtes die kreiskom-              kreise unmittelbar an einer Wachstumssteu-
munale Aufgabenerledigung und die Erledi-                er, vorzugsweise der Umsatzsteuer, beteiligt
gung der Aufgaben der Unteren Verwaltungs-               werden.

                                                    11
Digitalisierung                                  leergelaufenen Fördertöpfen in jüngster Vergan-
                                                          genheit bereits wiederholt zu Verzögerungen
4. Digitalisierung der Verwaltung                         bei der Bewilligung, weil der Mittelbedarf durch
	beschleunigen                                            die Umstellung auf die Kofinanzierung der Bun-
                                                          desförderung – Fokus auf reinen FTTB-Ausbau –
Zur Beschleunigung der Digitalisierung bedarf             zu deutlich höheren Kosten geführt hat. Mit der
es mehr als nur der reinen Umsetzung des On-              angekündigten Grauen-Flecken-Förderung des
linezugangsgesetzes. Digitale Prozesse müssen             Bundes werden die auf Landesseite benötigten
komplett medienbruchfrei und end-to-end ge-               Summen weiter anwachsen. Der prognostizierte
dacht werden; hierfür müssen auch die Wege                Mittelbedarf beläuft sich auf jährlich mindes-
innerhalb und zwischen den Behörden optimiert             tens 500 Mio. Euro.
werden. Durch die Pandemie wurde deutlich,
dass Daten schneller und automatisiert zwi-
schen verschiedenen Institutionen übermittelt
werden müssen und es zur Beschleunigung der
digitalen Verwaltung volldigitale Lösungen wie
beispielsweise die digitale Baugenehmigung,
vereinfachte digitale Zulassungsvorgänge etc.
braucht.

                                                          Erwartung: Um die benötigen Fördermittel von
                                                          mindestens 500 Mio. Euro pro Jahr mehrjährig,
                                                          transparent und zweckgebunden für den Breit-
                                                          bandausbau bereitzustellen, richtet das Land
                                                          ein Sondervermögen zur Finanzierung des Breit-
                                                          bandausbaus ein; in jedem Fall werden die erfor-
                                                          derlichen Mittel bereitgestellt.
Erwartung: Um eine wirkliche Beschleunigung
der Digitalisierung der Verwaltung zu erreichen,
stellt das Land weitere Mittel in Höhe von 15 Mio.        6.	Kofinanzierung der Breitband-
Euro zur Verfügung.                                       	förderung auf „Graue Flecken“
                                                             ausweiten

5. Breitbandausbau mit jährlich                           Die Kofinanzierung des Bundes-Förderprogram-
   500 Mio. Euro fördern und dazu                         mes auf Basis der VwV Breitbandmitfinanzie-
   Sondervermögen einrichten                              rung hat sich in Baden-Württemberg bewährt.
                                                          Im nächsten Schritt wird der Bund Anfang 2021
Bei kommunalen Projekten für den Breitband-               seine Breitbandförderung in zwei Stufen auf
ausbau kam es von Landesseite aufgrund von                sogenannte „Graue Flecken“ ausweiten. Dabei

                                                     12
Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

handelt es sich um Gebiete mit einer Versorgung            immer möglich, kommunale Netze für den Auf-
> 30 Mbit/s, die aber noch nicht gigabitfähig sind.        bau von geförderten Mobilfunksendeanlagen
                                                           zum Einsatz kommen.
 Erwartung: Das Land setzt die Kofinanzierung
 der Bundesförderung fort und erstreckt sie zu             Erwartung: Das Land setzt sich gegenüber dem
 denselben Konditionen wie bislang bei den                 Bund dafür ein, dass die zahlreichen kommuna-
„Weißen Flecken“.                                          len Glasfasernetze für die Anbindung von geför-
                                                           derten Mobilfunksendeanlagen zwingend zum
                                                           Einsatz kommen.
7.   Backbone-Förderung auch über
     2021 hinaus weiterführen
                                                           9. 	Glasfaserausbau und Mobilfunk
Die reine Landesförderung auf Basis der VwV                    gemeinsam denken
Breitbandförderung läuft regulär zum 31.12.2021
aus. Teile der bisherigen Fördertatbestände las-           Die Aufteilung der Zustän-
sen sich über die Förderrichtlinie des Bundes              digkeit für die Themen
auffangen, andere Teile sind inzwischen ver-               Glasfaserausbau und Mo-
zichtbar (FTTC-Förderung). Keinen Ersatz gibt es           bilfunk auf zwei unter-
allerdings für die (reine) Backbone-Förderung              schiedliche Landesressorts
des Landes, die es den Landkreisen ermöglicht,             hat sich aus Sicht der Land-
ihre begonnenen Backbone-Netze fertigzustel-               kreise nicht bewährt. Die
len.                                                       beiden Themen sollten auf-
Erwartung: Das Land führt die reine Landesför-             grund der großen inhaltli-
derung (VwV Breitbandförderung) zumindest                  chen Schnittmengen künf-
für den Bau überörtlicher Backbone-Netze auch              tig gemeinsam gedacht
über den 31.12.2021 hinaus weiter.                         und bearbeitet werden.

                                                           Erwartung: Das Land weist
8.	Auf Mitnutzung kommnaler                                die Zuständigkeit für die
	Netze bei der Mobilfunkförderung                          Themen Glasfaserausbau
   hinwirken                                               und Mobilfunk fortan einem
                                                           einzigen Landesressort zu.
Nirgendwo gibt es so viele Städte und Gemein-
den mit einer unzureichenden Mobilfunkversor-
gung wie in Baden-Württemberg. Gleichzeitig                10. Förderprogramme für inter-
gibt es nirgendwo in Deutschland so viele kom-                 kommunale Digitalisierungs-
munale Glasfasernetze wie hier im Südwesten.                   projekte schaffen
Nachdem der Bund bereits im Frühjahr 2020
angekündigt hat eine Mobilfunkinfrastruktur-               Das Land Baden-Württemberg hat zuletzt kein
gesellschaft (MIG) gründen zu wollen und ein               originäres Förderprogramm zur Digitalisierung
Förderprogramm für das Schließen von weißen                im kommunalen Bereich mehr aufgelegt. Die
Mobilfunkflecken aufzulegen, ist es aus Sicht der          Digitalisierung der Kommunen muss aber unbe-
Landkreise zwingend erforderlich, dass, wann               dingt weiterhin mit auch finanziellen Anreizen

                                                      13
beschleunigt werden. Hierfür sollen allerdings         wendigen Schulbegleitungen für Schülerinnen
zukünftig keine einzelnen Leuchtturmprojekte,          und Schüler mit und ohne festgestelltem son-
sondern solche Digitalisierungsvorhaben geför-         derpädagogischen Förderbedarf.
dert werden, bei denen sich mehrere Kommu-
nen zusammenschließen.
                                                       12. Schulbegleitungen an Sonderpäda-
Erwartung: Das Land schafft niederschwellige               gogischen Bildungs- und Beratungs-
Förderprogramme, um gemeinsame Digitalisie-                zentren entbehrlich machen oder
rungsvorhaben mehrerer Kommunen zu unter-                  zumindest vollständig finanzieren
stützen.

               Soziales
11. Schulische Inklusion konsequent
    umsetzen

Die UN-Behindertenrechtskonvention bleibt un-
erfüllt, wenn Kinder und Jugendliche mit Behin-
derung nur dann am Unterricht in allgemeinen
Schulen teilnehmen können, wenn sie externe            Zunehmend müssen auch an sonderpädagogi-
Unterstützung mitbringen. Das Land muss sei-           schen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ)
ne Lehrkräfteressourcen so anpassen, dass alle         Schulbegleitungen von den Kreisen finanziert
Schülerinnen und Schüler im Sinne der UN-Be-           werden.
hindertenkonvention ohne zusätzliches, von
den Kreisen finanziertes Personal erfolgreich          Erwartung: Das Land stattet die Sonderpädago-
unterrichtet werden können. Bis dies umgesetzt         gischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ)
ist, sind die den Kreisen dadurch entstehen-           so mit Fachpersonal aus, dass jede Schülerin und
den Kosten der Eingliederungs- und Jugend-             jeder Schüler ohne externe Begleitung unter-
hilfe, insbesondere auch die Aufwendungen              richtet werden kann; zumindest übernimmt es
für Schülerinnen und Schüler ohne festgestell-         die bei den Landkreisen anfallenden Kosten der
ten sonderpädagogischen Bildungsanspruch,              Schulbegleitung.
vollumfänglich zu ersetzen.

Erwartung: Das Land passt seine Lehrkraftres-          13. Finanzielle und organisatorische
sourcen so an, dass auch alle Schülerinnen und             Mehrbelastungen der
Schüler mit Behinderung ohne zusätzliches, von             Landkreise durch die Nachmittags-
den Landkreisen finanziertes Personal erfolg-          	betreuung an öffentlichen
reich unterrichtet werden können; übergangs-               Sonderpädagogischen Bildungs-
weise ersetzt es den Landkreisen zumindest                 und Beratungszentren
sämtliche Kosten im Zusammenhang mit not-                  ausgleichen

                                                  14
Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

An etlichen öffentlichen SBBZ findet an zwei            gegeld für die Inanspruchnahme von Kurzzeit-
Nachmittagen in der Woche kein Unterricht               pflege werden nicht nur Pflegebedürftige und
statt. Häufig wird die Betreuung der Schülerin-         ihre Angehörigen finanziell unterstützt, sondern
nen und Schüler an diesen Nachmittagen über             wird zugleich die Kurzzeitpflege gestärkt.
familienentlastende Dienste oder über alterna-
tive, von den Landkreisen (mit-) finanzierte An-        Erwartung: Das Land stellt bis zu 8,5 Mio. Euro
gebote aufgefangen.                                     jährlich bereit, um ein einkommensabhängiges
                                                        Landespflegegeld für die Inanspruchnahme von
Erwartung: Sofern an öffentlichen SBBZ auf-             Kurzzeitpflege einzuführen.
grund eines fehlenden schulischen Angebots
eine von den Kreisen (mit-) finanzierte Nach-
mittagsbetreuung erforderlich ist, erstattet das        16.	Eigenanteil der Pflegeversicherung
Land die dafür anfallenden Kosten.                      	durch Sockel-Spitze Tausch deckeln

                                                        Aktuell sind die Leistungen der Pflegekassen
14. Sozialwirtschaft bei den Pandemie-                  gedeckelt, alles darüber hinaus müssen die Pfle-
    kosten in der Eingliederungshilfe                   gebedürftigen selbst bezahlen. Hier muss ein
    unterstützen                                        Paradigmenwechsel erfolgen. Nicht die Kassen-
                                                        leistungen, sondern der Eigenanteil für die Pfle-
Bei den Leistungserbringern der Eingliederungs-         geversicherung muss gedeckelt werden.
hilfe können in relevantem Umfang Corona-be-
dingte Mehrkosten für Sach- und Personalauf-
wendungen sowie Mindereinnahmen aufgrund
von Quarantäneschutzmaßnahmen anfallen.
Die Sozialwirtschaft muss hier wie andere Bran-
chen auch vom Land unterstützt werden. Etwa-
ige Mehrkosten dürfen nicht allein den Kreisen
als Trägern der Eingliederungshilfe aufgebürdet
werden.

Erwartung: Das Land unterstützt die Sozialwirt-
schaft bei der Bewältigung der Corona-beding-           Erwartung: Das Land macht sich beim Bund für
ten Mehrbelastungen in der Eingliederungshilfe.         eine Neuordnung der Pflegeversicherung stark,
                                                        damit künftig die Pflegekassen die Pflegekosten
                                                        komplett tragen und den Versicherten nurmehr
15.	Einkommensabhängiges Landes-­                       ein fixer, nach oben begrenzter Sockelbetrag als
    pflegegeld für die Inanspruch-                      Eigenanteil angerechnet wird.
    nahme von Kurzzeitpflege einführen

Die Stärkung der Kurzzeitpflege ist entschei-           17.	Kurzzeitpflege ausbauen
dend, um die gerade in Baden-Württemberg so
bedeutsame Angehörigenpflege zu stabilisieren.          Im Land gibt es zu wenige Kurzzeitpflege-
Durch ein einkommensabhängiges Landespfle-              plätze. Diese sind aber ein entscheidender

                                                   15
Baustein zur Sicherung ambulanter Versor-                 strukturen müssen bisher bestehende Systeme
gungssettings. Zum weiteren Ausbau sind in-               in einer Informations- und Beratungsplattform
novative Konzepte erforderlich, die vom Land              zusammengeführt werden, über die dann etwa
fachpolitisch begleitet und finanziell unter-             auch eine videotelefonische Erstberatung der
stützt werden müssen.                                     Pflegestützpunkte erfolgen kann. Zusätzlich
                                                          sollten Anbieter zur Einstellung von Angeboten
Erwartung: Das Land unterstützt den Ausbau                verpflichtet werden.
der Kurzzeitpflege durch innovative Konzepte
politisch und finanziell.                                 Erwartung: Das Land schafft die rechtlichen und
                                                          finanziellen Voraussetzungen für eine landes-
                                                          weite Informationsplattform, die neutral und
18. Valide Basisdaten für Bedarfslagen                    niedrigschwellig Informationen rund um die
    in der Pflege ermitteln                               Pflege verfügbar macht, eine videotelefonische
                                                          Erstberatung durch die Pflegstützpunkte ermög-
Es liegen keine landesweit akzeptierten Planungs-         licht und perspektivisch auch die elektronische
daten für die Pflege vor. Eine entsprechende For-         Buchung von Angeboten ermöglichen soll.
derung wurde bereits von vielen Seiten auch im
Rahmen des Landespflegeausschusses erhoben.
                                                          20.	Kommunale Rolle in der Pflege
Erwartung: Das Land initiiert die Ermittlung vali-        	stärken
der Basisdaten zur Ermittlung von Bedarfslagen
in der Pflege und stellt entsprechende Planungs-          Die Kommunen nehmen wichtige Aufgaben
daten für die Stadt- und Landkreise bereit.               im Bereich der pflegerischen Versorgung vor
                                                          Ort wahr. Allerdings sind ihre Gestaltungsmög-
                                                          lichkeiten begrenzt. Hier muss das Land durch
19.	Informations- und Beratungs-                          Bundesratsinitiativen, landesrechtliche Anpas-
    plattform zum Thema Pflege                            sungen und finanzielle Anreize dafür sorgen,
	schaffen                                                 dass Pflege deutlich stärker als heute kommunal
                                                          gestaltet werden kann; die Modellkommunen
Es fehlt derzeit an der Möglichkeit, sich digital         Pflege sind hier beispielgebend.
einen schnellen, verlässlichen und neutralen
Überblick über die verschiedenen Angebote in              Erwartung: Das Land setzt sich durch Bundes-
der Pflege – stationäre Pflegeplätze, Tagespflege,        ratsinitiativen, landesrechtliche Anpassungen
ambulante betreute Wohngemeinschaften etc. –              und finanzielle Anreize dafür ein, dass die Rolle
zu verschaffen. Zur Vermeidung von Mehrfach-              der Kommunen in der Pflege weiter gestärkt wird

                                                     16
Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

21.	Pflegekonferenzen institutionell                    23.	Ordnungsrechtliche Vorgaben
	fördern                                                    anpassen, um mehr Pflegepersonal
                                                            zu ermöglichen
Mit dem bestehenden Förderprogramm ist eine
Anschubfinanzierung für kommunale Pflege-               Mit dem Gesetz zur Reform der Pflegeberufe
konferenzen beabsichtigt. Um effektive Gestal-          sollte der Grundstein für eine zukunftsfähige
tungsmöglichkeiten zu eröffnen, muss jedoch             und qualitativ hochwertige Pflegeausbildung
eine dauerhafte und institutionelle Förderung           im Bereich der Kranken-, Kinderkranken- und
sichergestellt werden. Die Pflegekonferenzen            Altenpflege gelegt werden. Auf Landesebene
sollen den Nukleus bilden für eine umfassen-            muss nun alles daran gesetzt werden, damit die
de Aktivierung des Sozialraumes und brauchen            Zielsetzungen nicht verfehlt werden. Um zusätz-
dazu zusätzliche Befugnisse sowie insbesondere          liche Personalressourcen für die Pflege erschlie-
ein Regionalbudget.                                     ßen zu können, kann es beispielsweise zielfüh-
                                                        rend sein, die erforderlichen Personalmengen
Erwartung: Das Land unterstützt die Pflegekon-          an den betriebsspezifischen Konzeptionen und
ferenzen mit einer dauerhaften, institutionellen        unter Berücksichtigung eines Qualifikationsmi-
Förderung und stattet diese mit einem Regional-         xes neu auszurichten.
budget aus.

22.	Koordinierungsstellen für die
	Pflege-ausbildung volständig
	finanzieren

Aufgrund der offensichtlichen Probleme bei
der Umsetzung des Pflegeberufegesetzes sind
die Landkreise mit der Einrichtung der Koordi-
nierungsstellen in Vorleistung getreten, da die
eigentlich zuständigen Stellen dies kurzfristig
nicht leisten konnten. Die bisher auf ein Jahr          Erwartung: Das Land passt ordnungsrechtli-
begrenzte Teilfinanzierung der Koordinierungs-          che Vorgaben an bzw. initiiert Erprobungsrege-
stellen durch das Land ist als Vollfinanzierung         lungen, um unter Wahrung hoher Qualität der
fortzuführen, wenn es gelingen soll, insbeson-          Pflege zusätzliche personelle Spielräume zu ver-
dere den Bereich der praktischen Ausbildung             schaffen.
zu stabilisieren und nach Möglichkeit sogar zu
stärken.
                                                        24. Mittel für den Bereich Bürger-
Erwartung: Das Land finanziert die Koordinie-           	schaftliches Engagement zur
rungsstellen für die Pflegeausbildung für einen             Verfügung stellen
Übergangszeitraum von mindestens zwei Jah-
ren vollständig; außerdem bedarf es der Unter-          Die Landkreise setzen sich nachhaltig für die
stützung bei der Entwicklung digitaler Lösungen         Vernetzung von und die qualifizierte Zusam-
in diesem Bereich.                                      menarbeit mit bürgerschaftlich Engagierten

                                                   17
ein. Die aktuellen Projekte werden allerdings             26. Vereinbarungen zur länderüber-
ausnahmslos durch Mittel des Pakts für Integ-                 greifenden Kostenerstattung für
ration finanziert und dahingehend ausgerichtet.               Frauenhäuser treffen
Die Landkreise sehen die Förderung des bürger-
schaftlichen Engagements nicht nur im Bereich             Oftmals sind Frauenhausaufenthalte in/aus
Integration, sondern darüber hinaus in vielen             anderen Bundesländern notwendig, um den be-
anderen gesellschaftlichen Bereichen als drin-            nötigten Schutz zu gewährleisten. Hierbei gibt
gend geboten an.                                          es insbesondere durch die unterschiedlichen
                                                          Finanzierungsformen in den einzelnen Ländern
                                                          Problemstellungen in Bezug auf die Erstattung
                                                          psychosozialer Leistungen sowie die diesbezüg-
                                                          liche Dauer der Kostenübernahme durch die
                                                          örtlich zuständigen Sozialleistungsträger am
                                                          Herkunftsort.

                                                          Erwartung: Das Land ebnet mittels Verwal-
                                                          tungsvereinbarungen auch in den Fällen von
                                                          länderübergreifenden Aufenthalten in Frauen-
                                                          häusern den Weg für eine einzelfallunabhängi-
                                                          ge und bedarfsgerechte Finanzierung der Ein-
Erwartung: Zusätzlich zu den Linien „Engagiert            richtungen vor Ort.
in BW (Engagementstrategie)“ und „Gemein-
sam in Vielfalt (Pakt für Integration)“ stellt das
Land originäre Mittel für den Bereich Bürger-             27.	Unterstützung bei der Wohnraum-
schaftliches Engagement zur Verfügung.                    	suche im Anschluss an den Frauen-
                                                              hausaufenthalt

25.	Quartiersarbeit und Stärkung der                      Die Frauen- und Kinderschutzhäuser in Ba-
    Sozialraumentwicklung fortführen                      den-Württemberg bieten gewaltbetroffenen
                                                          Frauen und deren Kindern Schutz in akuten Kri-
Die Implementierung des Quartiersgedankens                sensituationen. Der Auszug aus dem sicheren
ist eine mittel- bis langfristige Angelegenheit.          Frauen- und Kinderschutzhaus, auch „Second
Um eine längerfristige Planung zu ermöglichen             Stage – die zweite Etappe“ genannt, ist aller-
und nachhaltige Erfolge zu erzielen, ist eine             dings oft der schwierigste Schritt für von Gewalt
Verstetigung der Fördermittel erforderlich. Zu-           betroffene Frauen. Die vom Land initiierte För-
sätzlich muss der Quartiersansatz auf weitere             derung von Second-Stage-Projekten wurde trotz
Bereiche wie Gesundheit, Mobilität, Wohnrau-              großem Erfolg inzwischen beendet.
mentwicklung und Digitalisierung übertragen
werden.                                                   Erwartung: Das Land verlängert die Second
                                                          Stage-Projekte.
Erwartung: Das Land verstetigt die Mittel für
Quartiersarbeit und erstreckt diesen Ansatz auf
weitere relevante Bereiche.

                                                     18
Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

28. Landesförderung für die psycho-                     mittel. Durch den teilweisen Rückzug der Kran-
	soziale Beratung für Suchtgefähr-                      kenkassen und mehrere tarifliche Anpassungen
	dete und Suchtkranke erhöhen                           der Gehälter hat sich der Finanzierungsanteil der
                                                        Kommunen über die Jahre immens erhöht.
Zur Förderung der ambulanten Suchtkrankenhil-
fe werden nach Maßgabe der Verwaltungsvor-              Erwartung: Die Festbetragszuwendung des Lan-
schrift des Sozialministeriums zur Gewährung            des i. H. v. 17.900 Euro wird nach mehr als 20 Jah-
von Zuwendungen für Psychosoziale Beratungs-            ren angepasst.
und ambulante Behandlungsstellen für Sucht-
gefährdete und -kranke sowie für Kontaktläden
(VwV-PSB/KL) Zuwendungen zu den Personal-               30.	Zuschuss zur Schulsozialarbeit
aufwendungen von Psychosozialen Beratungs-              	wieder auf ursprüngliche
und ambulanten Behandlungsstellen (PSB) als                 „Drittelförderung“ erhöhen
niedrigschwellige psychosoziale Beratungsein-
richtungen gewährt. Obwohl die Anzahl der ge-           Der Zuschuss des Landes zur Schulsozialarbeit
förderten PSB-Stellen seit 2011 von 465 auf 496         beträgt derzeit 16.700 Euro pro Vollzeitkraft; um
gestiegen ist, werden immer wieder Anträge aus          die ursprünglich zugesagte „Drittelförderung“
Landkreisen abgelehnt.                                  wiederherzustellen, müsste der Zuschuss des
                                                        Landes auf mindestens 20.000 Euro pro Voll-
                                                        kraft im Jahr angehoben werden. Das Land hat
                                                        sich aber nur für eine Erhöhung der Anzahl der
                                                        geförderten Stellen entschieden. Durch den Stel-
                                                        lenzuwachs ohne gleichzeitige Zuschussanpas-
                                                        sung wächst das Defizit auf kommunaler Seite
                                                        weiter an.

                                                         Erwartung: Um die ursprünglich zugesagte
                                                        „Drittelförderung“ wiederherzustellen, wird der
                                                         Zuschuss des Landes auf mindestens 20.000
Erwartung: Das Land treibt den Ausbau der psy-           Euro pro Vollzeitkraft im Jahr angehoben.
chosozialen Beratung für Suchtgefährdete und
Suchtkranke gemeinsam mit den Kreisen voran,
bewilligt entsprechende Anträge und zeichnet
die Kostensteigerungen durch eine entspre-
chende Erhöhung der Förderung nach.                                  Gesundheit
                                                        31.	Auskömmliche Finanzierung
29. Festbetragszuwendung für Kom-                       	der Krankenhausinvestitionen
	munale Suchtbeauftragte erhöhen                        	sicherstellen

Die Krankenkassen beschränken sich bei der              Die Finanzierung der Krankenhausinvestitions-
Mitfinanzierung der Kommunalen Suchtbeauf-              kosten obliegt verfassungs- und einfachrechtlich
tragten mittlerweile auf projektbezogene Förder-        dem Land. Dieser Finanzierungsverpflichtung

                                                   19
kommt das Land nicht ausreichend nach, auch                 33. Den ÖffentlicheN Gesundheits-
wenn es hier sicherlich mehr tut als andere Bun-            	dienst nachhaltig stärken
desländer. Doch mit Blick auf die anstehenden
strukturellen Veränderungen in der baden-würt-              Die Bedeutung des Öffentlichen Gesundheits-
tembergischen Krankenhauslandschaft erweist                 dienstes kann in der aktuellen Pandemielage
sich die unzureichende Investitionskostenförde-             nicht mehr angezweifelt werden. Um zukunfts-
rung als hoch problematisch und als Risiko für              sicher aufgestellt zu sein, benötigt er aber auch
die bislang qualitativ hochwertige, flächende-              eine umfassende Attraktivitätssteigerung.
ckende Gesundheitsversorgung im Land.
                                                            Erwartung: Das Land trägt durch eine marktge-
                                                            rechte Besoldung der Ärztinnen und Ärzte in den
                                                            Gesundheitsämtern zu einer höheren Attraktivi-
                                                            tät des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD)
                                                            bei und prüft zudem, ob bei der Zulassung zum
                                                            Medizinstudium nicht erneut eine Vorabquote
                                                            für solche Studierende eingeführt werden kann,
                                                            die sich dazu verpflichten, nach Abschluss des
                                                            Studiums für einen bestimmten Zeitraum im
                                                            ÖGD tätig zu sein.

                                                            34.	Kommunale Mitsprache in der
Erwartung: Das Land erhöht seine Investitions-              	Gesundheitsversorgung stärken
förderung für Krankenhäuser mit originären
Landesmitteln auf das erforderliche Maß von                 Eine zukunftsgerichtete Gesundheitsversorgung
750 Mio. Euro jährlich und hebt in diesem Zusam-            gelingt nur durch eine starke Einbeziehung der
menhang insbesondere auch die Pauschalförde-                kommunalen Seite. Speziell im ambulanten Be-
rung um mindestens 50 Mio. Euro pro Jahr an.                reich mangelt es hieran noch.

                                                            Erwartung: Das Land sorgt für ein Mehr an Mit-
32. Förderquote bei der Krankenhaus-                        sprache der Landkreise in der ambulanten Ver-
    investitionsförderung anheben                           sorgung, indem es eine entsprechende Bundes-
                                                            ratsinitiative startet und alle landesrechtlichen
Das Land ist grundsätzlich dazu verpflichtet, im            Möglichkeiten nutzt, beispielsweise durch Stär-
Jahreskrankenhausbauprogramm beschlossene                   kung der Mitwirkungsbefugnisse der kommuna-
Maßnahmen umfänglich zu fördern. Dies ge-                   len Familie im Hinblick auf den Landesausschuss
schieht jedoch nicht. Die Förderquote verbleibt seit        der Vertragsärzte und Krankenkassen.
Jahren bei ca. 50 % des Abrechnungsvolumens.

Erwartung: Das Land stellt sicher, dass die För-            35.	Höheren Dienst in den Gesundheits-
derquote für die im Jahreskrankenhausbaupro-                    ämtern stärken
gramm beschlossenen Bauvorhaben nachhaltig
steigt.                                                     Um die Gesundheitsämter nachhaltig voran-

                                                       20
Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

zubringen, kommt der Stärkung des Personal-            37. Landesgesundheitsamt als fach-
körpers des höheren Dienstes eine besondere            	liche Leitstelle für den Öffentlichen
Bedeutung zu. Zudem müssen jetzt zeitnah               	Gesundheitsdienst ertüchtigen
Maßnahmen ergriffen werden, um den anroll-
enden Generationenwechsel zu bewältigen. Ins-          Dem Landesgesundheitsamt kommt als fachli-
besondere bedarf es einer koordinierten Per-           che Leitstelle für den Öffentlichen Gesundheits-
sonalentwicklung, um den offensichtlichen              dienst eine zentral wichtige Unterstützungs-
Schwierigkeiten bei der Stellenbesetzung be-           funktion für die Gesundheitsämter zu. Dieser
sonders im ländlichen Raum entgegenzuwirken.           Aufgabe konnte das Landesgesundheitsamt in
                                                       den letzten Jahren nur noch eingeschränkt ge-
Erwartung: Das Land schnürt ein Maßnahme-              recht werden. Es muss daher für die Zukunft er-
paket zur Stärkung des höheren Dienstes in             tüchtigt werden.
den Gesundheitsämtern und sieht dazu insbe-
sondere vor, dass erstens die Möglichkeit von          Erwartung: Um besser auf die Bedürfnisse der
Fachkarrieren bis in Besoldungsgruppe A 16             Gesundheitsämter reagieren und eingehen zu
eröffnet wird, zweitens zur Bewältigung der            können, wird ein „advisory board“ für das Lan-
gewachsenen Führungsspanne ausreichend                 desgesundheitsamt geschaffen, in dem auch
Führungsfunktionen ausgewiesen werden und              die Kommunalen Landesverbände vertreten
drittens die Weiterbildung zum Facharzt für            sind.
Öffentliches Gesundheitswesen konsequent
unterstützt wird, indem die zur Weiterbildung
abgeordneten Mitarbeitenden durch eine 1:1
Vertretung ersetzt und die unnötig hohen Hür-
den für den Erwerb dieses Facharzttitels ge-                    Migration und
senkt werden.                                                    Integration

36.	Kommunale Gesundheits-                             38. Spitzabrechnung bei Flüchtling-
    konferenzen stärken                                    kostenerstattung beibehalten

Die Kommunalen Gesundheitskonferenzen sind             Die Rückkehr zu einem Pauschalensystem bei der
wichtige Partner des Landes, um das Gesund-            Abrechnung der Kosten für Flüchtlinge in der vor-
heitswesen in Baden-Württemberg weiterzu-              läufigen Unterbringung ist nicht zielführend. Für
entwickeln. Seit Ende 2018 sind sie flächende-         die Beibehaltung der Spitzabrechnung spricht, dass
ckend in allen Landkreisen Baden-Württembergs          diese inzwischen gut eingeführt ist und ungute
eingerichtet.                                          Diskussionen über die Auskömmlichkeit der Kos-
                                                       tenerstattung vermieden werden sollten. Hinzu
Erwartung: Um ihrer gestaltenden Aufgabe               kommt, dass auch die Kostenerstattung für Auf-
gerecht zu werden, erhalten die Kommunalen             wendungen nach Asylbewerberleistungsgesetz im
Gesundheitskonferenzen mehr definierte Zu-             Bereich der Anschlussunterbringung aufgrund ei-
ständigkeiten und daneben ein – nicht nur, aber        ner vertraglichen Vereinbarung zwischen Land und
auch mit Mitteln des Landes gespeistes – Regio-        Kommunalen Landesverbänden nunmehr auf der
nalbudget.                                             Grundlage der Spitzabrechnung erfolgt.

                                                  21
Erwartung: Das Land hält bis auf weiteres an der          Erwartung: Das Land stellt durch eine entspre-
Spitzabrechnung bei der Kostenerstattung für              chende Anpassung des § 12 Flüchtlingsaufnah-
Flüchtlinge in der vorläufigen Unterbringung fest.        megesetz (FlüAG) eine umfassende Flüchtlings-
                                                          sozialarbeit der unteren Aufnahmebehörden
                                                          auch in der kommunalen Anschlussunterbrin-
39.	Keine Neuordnung der Flücht-                          gung sicher.
	lingsaufnahme zu Lasten der Kreise

Das bisherige System der Flüchtlingsaufnahme              41.	Regelkreis des Flüchtlingsauf-
mit Erstaufnahme, vorläufiger Unterbringung                   nahmegesetzes für ehemalige
und Anschlussunterbringung hat sich bewährt.                  unbegleitete minderjährige Aus-
Der Übergang zu einem zweistufigen System                 	länder nach Ende des SGB VIII-
von Erstaufnahme und Anschlussunterbrin-                      Leistungsbezuges öffnen
gung macht erst dann Sinn, wenn das Rück-
kehrmanagement tatsächlich funktioniert und
nur mehr Personen mit einer reellen Bleibeper-
spektive in die Kommunen verteilt werden. Eine
Neuordnung der Flüchtlingsaufnahme, bei der
die Landkreise zum Ausfallbürgen für das vorge-
lagerte System der Erstaufnahme und das nach-
gelagerte System der Anschlussunterbringung
gemacht werden, wird abgelehnt.

Erwartung: Das Land geht erst dann vom bishe-
rigen System der Flüchtlingsaufnahme ab, wenn
das Rückkehrmanagement aus der Erstaufnah-
me heraus funktioniert und tatsächlich nur Per-
sonen mit einer reellen Bleibeperspektive in die
Städte und Gemeinden verlegt werden.
                                                          Aufgrund der Wohnraumknappheit ist es insbe-
                                                          sondere für Menschen mit weniger Ressourcen
40. Flüchtlingssozialarbeit in                            schwierig, sich auf dem Wohnungsmarkt zu
    kommunaler Anschluss-                                 positionieren. Diese Schwierigkeit trifft für un-
    unterbringung einführen                               begleitete minderjährige Ausländer (UMA) in
                                                          besonderem Maße zu. Als Resultat droht nach
Ob Integration gelingt, entscheidet sich vor Ort.         Beendigung der Jugendhilfemaßnahme vielfach
Die Landratsämter sind die richtige Ebene und             die Obdachlosigkeit bzw. die Unterbringung in
verfügen über die erforderliche Fachkompetenz,            Obdachlosenunterkünften.
um die geflüchteten Menschen mit den Angebo-
ten der Sozialleistungsbehörden, Jobcenter und            Erwartung: Das Land öffnet den Regelkreis des
auch Berufsschulen vertraut zu machen und zu              Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) für ehe-
versorgen. Es bedarf daher auf Landkreisebene             malige unbegleitete minderjährige Ausländer
professionelle Mittler und Lotsen im System.              nach Ende des SGB VIII-Leistungsbezugs.

                                                     22
Erwartungen an die Landesregierung und den neuen Landtag

42.	Übergang von unbegleiteten ehe-                     Die Transformation der Arbeitswelt birgt große
	maligen minderjährigen                                 Herausforderungen. Für den erfolgreichen Tech-
	Ausländerinnen und Ausländern                          nologiewandel ist neben der Bereitschaft jedes
    aus der Jugendhilfe in die                          einzelnen zu fortwährender Weiterbildung und
	Regelsysteme ebnen                                     Qualifizierung auch eine entsprechende Arbeits-
                                                        markpolitik erforderlich. Es braucht über das
Die     „Arbeitsgemeinschaft-UMA-Übergänger“            Qualifizierungschancengesetz hinaus neue For-
hat ein Konzept zum Übergang von unbegleite-            mate, um Arbeitnehmern eine berufliche Weiter-
ten ehemaligen minderjährigen Ausländerinnen            entwicklung „on the job“ zu ermöglichen.
und Ausländern von der Jugendhilfe in andere
Systeme erstellt (Konzept-Übergänger-UEMA).              Erwartung: Das erfolgreiche Landesprogramm
Die vier Bausteine: „Wohnen und Leben“, „Be-            „Neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ wird um
schäftigung und Arbeitsförderung“, „Betreuung            einen Programmbaustein erweitert, um es Ar-
und Beratung“ sowie „Fachspezifische Bera-               beitnehmern zu ermöglichen, sich im Hinblick
tungsstellen“ beinhalten Angebotsformen, um              auf die sich wandelnde Arbeitswelt „on the job“
den eingeschlagenen positiven Jugendhilfever-            weiterzuqualifizieren.
lauf, auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres,
zu verfestigen.
                                                        44.	Arbeitsschutz in den Landrats-
Erwartung: Das Land setzt das Konzept-Über-                 ämtern stärken
gänger-UEMA zeitnah um.
                                                        Die Problematik des mangelnden Personals in
                                                        der Arbeitsschutzverwaltung lässt sich bereits
                                                        statistisch sehr gut nachweisen. So hält Ba-
                                                        den-Württemberg den Richtwert der Internati-
         Arbeit,                                        onalen Arbeitsorganisation (IAO) zum Verhältnis
   Wirtschaft, Wohnen                                   zwischen Arbeitsinspektorinnen und -inspekto-
                                                        ren und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern
                                                        in industriellen Marktwirtschaften von 1:10.000
43. Landesprogramm „Neue Chancen                        bei Weitem nicht ein; dementsprechend hat eine
    auf dem Arbeitsmarkt“ erweitern                     einzelne Aufsichtskraft regelmäßig mehr als die
                                                        doppelte Anzahl an Betrieben zu betreuen. Die
                                                        Situation hat sich im Zuge der Corona-Pandemie
                                                        durch die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards
                                                        mit zusätzlichen Kontroll- und Beratungsaufga-
                                                        ben nochmals verschärft.

                                                        Erwartung: Vor dem Hintergrund des stetig ge-
                                                        wachsenen Aufgabenumfangs erhöht das Land
                                                        seine Finanz- und Personalressourcen zugunsten
                                                        der unteren Arbeitsschutzbehörden: Finanzmit-
                                                        tel für 44 Stellen im gehobenen Dienst für den
                                                        Arbeitsschutz allgemein (rund 3 Mio. Euro); 44

                                                   23
Stellen im höheren Dienst für den Arbeitsschutz         Wettbewerb der Destinationen weiter wahr-
allgemein; 14 Stellen im höheren Dienst für Spe-        nehmbar bleibt. Hierzu ist es auch mit Blick auf
zialisten im Arbeitsschutz; durchschnittlich 2,6        die Entwicklungen in der Corona-Pandemie not-
Vollzeitäquivalente des gehobenen Dienstes für          wendig, touristische Organisationsstrukturen
den Corona-bedingten Mehraufwand.                       zukunftsfähiger zu erhalten und auch insbeson-
                                                        dere die im Tourismusbereich schwächeren Regi-
                                                        onen gezielter einzubinden.
45.	Kommunalen Wohnungsbau
    unterstützen

Der kommunale Wohnungsbau leistet einen
entscheidenden Beitrag, um ausreichenden und
bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, und liegt
damit im gesamtgesellschaftlichen Interesse.
Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die
Kommunen von Seiten des Landes für diese Auf-
gabe finanziell angemessen ausgestattet werden.

                                                        Erwartung: Das Land bezieht die kommunalen
                                                        Akteure in sämtliche Prozesse insbesondere zur
                                                        Schaffung zukunftsfähiger Organisationsstruk-
                                                        turen mit ein und legt dabei den Fokus auf die
                                                        Bedarfe der schwächeren Tourismusregionen.

                                                        47. Lokale Wirtschaftskraft stärken

                                                        Die Landkreise in Baden-Württemberg unter-
Erwartung: Das Land unterstützt die Kommu-              scheiden sich in ihrer wirtschaftlichen Struktur
nen beim kommunalen Wohnungsbau dauer-                  und ihren Rahmenbedingungen für Wachstum.
haft mit den notwendigen Finanzmitteln und              Ein Ziel der Regionalpolitik sollte es sein, wirt-
stockt die bestehenden Programme (Förderlini-           schaftliche Nachteile in schwächer entwickelten
en „Wohnungsbau BW-Kommunal“ und „Woh-                  Gegenden auszugleichen und so gleichwertige
nungsbau BW-Mitarbeiterwohnungen“) auf,                 Lebensverhältnisse in ganz Baden-Württemberg
wenn diese ausgeschöpft sind.                           zu schaffen. Ein wichtiger Ansatz zur Stärkung
                                                        gleichwertiger Lebensverhältnisse ist die Förde-
                                                        rung von interkommunaler Kooperation.
46.	Organisationsstrukturen
    im Tourismus optimieren                             Erwartung: Das Land entwickelt ein Förderpro-
                                                        gramm mit mindestens 85 % Kofinanzierung zur
Der Tourismus ist ein nicht unerheblicher Wirt-         projekthaften Stärkung der lokalen Wirtschaft
schaftsfaktor im Land. Umso wichtiger ist es            vor Ort und stellt hierfür für rund 70 Mio. Euro
daher, dass Baden-Württemberg im weltweiten             pro Jahr für die kommenden fünf Jahre bereit.

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