Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...

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Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...
SUCHT
                                                                                     Wege aus der Sucht   Abhängigkeiten erkennen – behandeln – bewältigen   Winter 2016          100
magazin No 100 | Österreichische Post AG Sponsoringpost 04Z035724 S | DVR: 0743542
Grüner Kreis

                                                                                       Im Herbst des Lebens
                                                                                           grüner kreis
                                                                                           magazin                                                    www.gruenerkreis.at

                                                                                                                                                             Wege aus der Sucht   1
Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...
editorial
           Wir danken unseren SpenderInnen                                                                                                 Unterstützen & Spenden

                                                                                                                                              Helfen Sie uns helfen!
        Friedrich Achitz, Linz
        Johann Andorfer, Peuerbach                                                                                                   Mit Ihrer Unterstützung können wir
        Dkfm. Günter Baumgartner, Wien                                       Partner des Grünen Kreises                           gemeinsam dazu beitragen, suchtkranken
        Beate Cerny, Wien                                             Die Niederösterreichische Versicherung                        Menschen einen Weg aus der Sucht zu
        Apollonia Berger, Gutenstein                                 unterstützt die Arbeit des Grünen Kreises.                   ermöglichen. Ihre Spende wird zur Weiter-
        Leonhard Dünser, Ludesch                                          »Menschen, die wieder ein selbst-                       entwicklung von Projekten & Programmen
        Doris Grossi, Wien                                             bestimmtes Leben ohne Abhängigkeit                                im Grünen Kreis verwendet.
        Gabriele Hiba, Wien                                          führen wollen, brauchen vielfältige Unter-                     Bitte verwenden Sie für Ihre Spende die
        Elfriede Jilg, Bad Vöslau                                     stützung, um ihre Krankheit zu besiegen.                      NÖ Landesbank-Hypothekenbank AG
        Mag. Brigitta Kandl, Wien                                      Als Partner des Grünen Kreises nehmen                           IBAN AT81 5300 0038 5501 3222
        Karla Kapper, Möllersdorf                                     wir unsere soziale Verantwortung in der                                  BIC HYPNATWW
        Sandra Maria Königshofer, Gföhl                                 Gesellschaft wahr und leisten damit                                                                                   Liebe Leserin, lieber Leser!
                                                                                                                                              oder fordern Sie bei
        Gabriele Karner, Wien                                           unseren Beitrag, den Betroffenen auf                               spenden@gruenerkreis.at
        Robert Kopera, Reisenberg                                        dem Weg aus der Sucht zu helfen.«                                                                                    Sie halten die 100. Ausgabe unseres Magazins »Sucht - Wege aus der Sucht: Abhängigkeiten
                                                                                                                                              einen Zahlschein an.
        Christiane Popp-Westphal, Neulengbach                         Niederösterreichische Versicherung AG                                                                                   erkennen - behandeln - bewältigen« in Händen.
        Christine Sigmund, Ernsthofen                                                                                             Weitere Informationen finden Sie auch auf
                                                                                   www.noevers.at
        Dr. Alfons Willam, Wien                                                                                                              www.gruenerkreis.at                              Das erfüllt mich natürlich mit großer Freude. Viele KollegInnen unterschiedlichster Professionen,
                                                                           Herzlichen Dank im Namen aller
                                                                           KlientInnen des Grünen Kreises!                           im Bereich »Spenden & Sponsoring«.                       aber auch viele KlientInnen, haben mit ihren Beiträgen dieses Magazin beseelt. Ihnen allen gilt
        und viele anonyme SpenderInnen                                                                                                                                                        mein besonderer Dank.

                                                                                                                                                                                              Aber nicht nur unser Magazin kommt in die Jahre, sondern auch suchtkranke Menschen können
                                                                                       Impressum
                                                                                                                                                                                              aufgrund des medizinischen Fortschritts sowie der suchtspezifischen Angebote immer älter
                                                                                                                                                                                              werden. Wie Primarius Dr. Schindler berichtet, erreicht der älteste substituierte Wiener Klient
        Erklärung über die grundlegende Richtung gem.              Herausgeber: Verein Grüner Kreis                             Diese Ausgabe entstand unter Mitarbeit von:                   bald das stolze Alter von 80 Jahren. Daher beschäftigt sich unser Jubiläums-Magazin mit dem
        § 25 Mediengesetz vom 12.6.1981:                           Geschäftsführer: Dir. Alfred Rohrhofer                       Alfred Rohrhofer, Shird Schindler, Leo Zehender,              Thema »Sucht im Alter – Altern mit Sucht«.
        Das Aufgabengebiet des Grüner Kreis-Magazins               Redaktion: Dir. Alfred Rohrhofer, Peter Lamatsch,            Christian Jagsch, Hans Haltmayer, Petra Scheide,
        bildet die Berichterstattung zur Prävention                                                                             Georg Preitler, Dominik Batthyány, Human-Friedrich            Seit September 2016 steht suchtkranken Menschen unser neues ambulantes Beratungszentrum in
        suchtindizierter Probleme im Allgemeinen, die              Eigenverlag: Grüner Kreis, Verein zur Rehabilitation         Unterrainer, Anabela Dias de Oliveira, Kurt                   Wien Simmering zur Verfügung. Dies ermöglicht uns, mehr KlientInnen als bisher zu beraten, zu
        wissenschaftliche Aufarbeitung der Abhängig-               und Integration suchtkranker Menschen                        Neuhold und KlientInnen im Grünen Kreis                       behandeln und zu rehabilitieren.
        keitsthematik sowie Informationen über die                 Alle: 1110 Wien, Simmeringer Hauptstraße 101-103
        Tätigkeit des Vereins Grüner Kreis .                       Tel.: +43 (0)1 5269489 | Fax: +43 (0)1 5269489-40            Bildquellennachweis:
                                                                                                                                                                                              Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und besinnliche Festtage.
        Das Grüner Kreis-Magazin erscheint viermal                 redaktion@gruenerkreis.at | www.gruenerkreis.at              Cover: Sergey Galyamin / 123RF
        jährlich in einer Auflage von je 30.000 Exemplaren         Layout: Peter Lamatsch                                       Autorenportraits: privat (soweit nicht anders
        Medieninhaber: Grüner Kreis , Verein zur Rehabi-           Anzeigen: Sirius Werbeagentur GmbH                           erwähnt)
        litation und Integration suchtkranker Menschen             Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH

    Gender-Hinweis: Die Redaktion greift grundsätzlich nicht in die Texte der GastautorInnen ein. Sofern sich ein Autor oder eine Autorin für die Verwendung des generischen Maskulinums
    entscheidet, soll damit keine Bevorzugung des Männlichen und insbesondere keine Diskriminierung des Weiblichen zum Ausdruck kommen.
                                                                                                                                                                                              Alfred Rohrhofer

                                                                                               Helfen Sie uns helfen!
                                                                                           »Wir heißen Sebastian und Felix. Wir wissen wie es ist, mit Eltern                                       Der Verein »Grüner Kreis« wünscht im Namen seines Präsidenten DI Wolf Klerings,
                                                                                           aufzuwachsen, die zu Alkohol und Drogen greifen. Selten denken die
                                                                                                                                                                                           des gesamten Vorstandes und der Geschäftsführung allen LeserInnen, KlientInnen und MitarbeiterInnen
                                                                                           Erwachsenen daran, wie sehr wir Kinder darunter leiden. Ein Glück, dass
                                                                                           wir Hilfe vom »Grünen Kreis« bekommen. Hier arbeiten Menschen, die sich                                                   ein frohes Fest und ein erfolgreiches Neues Jahr!
                                                                                           auskennen und sich um uns kümmern.«

                                                                                           Sucht ist eine Krankheit, unter der alle Familienmitglieder leiden.
                                                                                           Die Suchtgefährdung der Kinder, die in ihrer eigenen Familie
                                                                                           schon mit diesem Problem konfrontiert sind, ist um ein Vielfa-
                                                                                                                                                                                                            Dr. Robert Muhr                                   Dr. Leonidas Lemonis
                                                                                           ches erhöht. Rechtzeitige Hilfe verhindert langfristige Probleme.
                                                                                                                                                                                                      psyochotherapeutischer Leiter                              ärztlicher Leiter
                                                                                           Unsere Präventionsarbeit verhindert, dass die Kinder von heute
                                                                                           nicht die Suchtkranken von morgen werden.
                                                                                                                                                                                                                                      Dir. Alfred Rohrhofer
                                                                                                                Geben Sie Sucht keine Chance -                                                                                           Geschäftsführer
                                                                                                        unterstützen Sie unsere Ziele durch Ihre Spende!

                                                                                                Verein Grüner Kreis | NÖ Landesbank-Hypothekenbank AG
2     Wege aus der Sucht                                                                                                                                                                                                                                                                   Wege aus der Sucht   3
                                                                                                  IBAN AT81 5300 0038 5501 3222 | BIC HYPNATWW
Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...
8
                                   Inhalt
                                    3

                                    6
                                        Editorial
                                        Alfred Rohrhofer

                                        Sucht im Alter – Altern mit Sucht
                                        Shird Schindler

                                    8   Das Alter und seine Bilder in der Philosophie
                                        Leo Zehender

                                   10   Sucht im Alter
                                        Christian Jagsch

                                   12   Klinische Aspekte der Langzeitsubstitution mit Opioiden
                                        Hans Haltmayer

                                   14   Stationäre Dauerbetreuung älterer Suchtkranker im Verein Grüner Kreis
                                        Petra Scheide
                              26
                                   16   Unser Betreuungsangebot

                                   18   Auch drogenkranke Menschen werden älter
                                        Georg Preitler

                                   20   Glück und Erfüllung im Alter
                                        Dominik Batthyány

                                   22   Spurensuche
                                        Betroffene berichten über ihr Leben mit der Sucht

                                   24   Wohnhilfen für (alternde) chronifiziert erkrankte Drogenabhängige
                                        Anabela Dias de Oliveira

                                   26   Der alte Sünder, der kennt sich aus...
                              28        Human-Friedrich Unterrainer

                                   28   Wir stellen vor:
                                        Das neue Beratungs- und Betreuungszentrum in Wien Simmering

                                   29   Der neue Präsident des Vereins Grüner Kreis
                                        Wolf Klerings

                                   30   Kunst im Grünen Kreis
                                        Kurt Neuhold im Gespräch mit Maja Pogačnik

4   Wege aus der Sucht   30   29                                                                                Wege aus der Sucht   5
Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...
Sucht im Alter – Altern mit Sucht                                                                                          n Dies bewirkt auch eine stärkere Schädi-
                                                                                                                                                   gung des Nervensystems.
                                                                                                                                                                                                n Fehleinschätzung der therapeutischen
                                                                                                                                                                                                  Möglichkeiten und der Veränderungs-
                                                                                                                                                                                                                                                arbeiterInnen dieser Pflegeeinrichtungen
                                                                                                                                                                                                                                                kann man sich seither über Abhängigkeits-
                                                                                                                                                 n Damit sinken für ältere PatientInnen           bereitschaft älterer Menschen mit             erkrankungen und deren Behandlung bzw.
                                                                                                                                                   auch die Grenzwerte für den noch risiko-       nachfolgendem therapeutischem Nihi-           über die Behandlungseinrichtungen infor-
                                                                                                                                                   losen Konsum.                                  lismus, also der Nicht-Ausschöpfung-          mieren. Dies ist sicher ein wichtiger erster
                                                  dern auch Alkoholkranke werden älter,          Darüber hinaus ist die Diagnostik einer                                                          vorhandener Behandlungsmöglichkeiten.         Schritt in Richtung Erkennen und Behan-
                                                  beide Gruppen sind durch den Substanz-         Suchterkrankung bei älteren Suchtkran-          Abhängigkeitstypen im Alter (nach Zeman                                                        deln von Suchterkrankungen im Alter.
                                                  konsum oft deutlich vorgealtert und haben      ken zusätzlich durch Komorbiditäten mit         2009):                                         Zusammenfassung                                     Da ältere PatientInnen mit einer
                                                  oft schon mit Mitte 40 das biologische         ähnlichen Symptomen oft erschwert.              n »Early-onset-Abhängige« werden wegen         Suchterkrankungen bei älteren Patien-           Suchterkrankung insgesamt kränker sind,
                                                  Alter von 60-Jährigen.                                                                            des langen Suchtverlaufs und der kör-       tInnen zu diagnostizieren, ist schwierig.       sollten die Behandlungseinrichtungen,
                                                                                                 Epidemiologie                                      perlichen Folgeerkrankungen oft nicht       Eine Studie an der John-Hopkins-Univer-         in denen diese PatientInnen behandelt
                                                  Sucht im Alter                                 Die quantitative Erfassung von Sucht-              älter als 65 und sind daher bei den         sität, die Wolter in seiner Publikation 2006    werden, auch die dafür nötige medizini-
                                                  Es gibt aber auch die Gruppe jener, die bis    problemen im Alter wird durch folgende             älteren Suchtkranken unterrepräsen-         nennt, hat gezeigt, dass eine Alkoholabhän-     sche Versorgung gewährleisten können.
                                                  ins Alter keine Suchterkrankungen hatten,      Gründe erschwert: Die Symptome von                 tiert. Allerdings leiden diese PatientIn-   gigkeit bei 60 % der jüngeren, aber nur 37      Ein wichtiger Punkt dabei wird auch der
                                                  die aber aufgrund von Lebensereignissen        depressiven Erkrankungen, von Demenz-              nen in den letzten Jahren an vielen         % der älteren PatientInnen diagnostiziert       Aufbau einer Expertise für eine sinnvolle
                                                  (fehlende Tagesstruktur nach der Pensio-       und von Alkoholerkrankungen zeigen                 der körperlichen, psychiatrischen und       wurde. Doch eine Diagnose ist wichtig,          Medikation bei diesen PatientInnen sein,
                                                  nierung, Tod von PartnerInnen, Belastun-       einerseits viele Ähnlichkeiten, und ande-          suchtspezifischen       Komplikationen,     denn ohne diese wird auch keine Therapie        weil ältere PatientInnen meist schon viele
                                                  gen durch Krankheit/Pflegebedürftigkeit        rerseits leiden viele PatientInnen an              welche dann oft eine intensive medi-        erfolgen.                                       Medikamente einnehmen und aufgrund
                 von Shird Schindler              von PartnerInnen/Eltern u.v.m.) im fortge-     mehreren dieser Erkrankungen gleich-               zinische/psychiatrische Behandlung in           Daher wird es bedeutsam sein, gerade        des langsamen Stoffwechsels Wechselwir-
                                                  schrittenen Alter mit einem Alkohol- oder      zeitig. Dies erklärt auch die hohe Varia-          Krankenanstalten erfordern.                 bei älteren PatientInnen auch auf das Vor-      kungen mit Entzugsmedikationen anzu-
                                                  Benzodiazepinkonsum beginnen.                  tionsbreite der Prävalenzrate von 2-16 %        n »Late-onset-Abhängige«, deren Abhän-         liegen von Abhängigkeitserkrankungen zu         nehmen sind. Dies wird, da vermutlich die
      »Sucht im Alter« oder »Altern mit                Egal, ob Abhängigkeiten im Alter schon    (Zeman 2009) von Alkoholmissbrauch                 gigkeit erst später, oft durch alters-      achten und eventuell diesen Punkt auch          Zahl der älteren Suchtkranken zunehmen
    Sucht« ist zwar nicht dasselbe, aber          lange bestehen oder erst frisch aufgetreten    und -abhängigkeit bei älteren Menschen.            typische kritische Lebensereignisse         gezielt abzufragen.                             wird, die meisten Einrichtungen
                                                  sind, oft geht mit ihnen ein gewisser thera-   Unter Annahme der Richtwerte der Ame-              wie Pensionierung oder Partnerverlust           Doch selbst wenn eine Diagnose              im Suchtbereich betreffen.
      beides sind Themen, deren Wich-             peutischer Nihilismus einher. Unter dem        rican Geriatric Society ist die Prävalenz für      ausgelöst wurde, sind häufig stabiler       gestellt wurde, heißt dies – wegen des              Zusammenfassend ist festzuhalten,
      tigkeit durch die demografischen            Aspekt, dass diese PatientInnen schon alt      einen riskanten Konsum in Deutschland              und leiden weniger unter psychischen        weitverbreiteten therapeutischen Nihilis-       dass das Thema Sucht und Alter überra-
                                                  sind, wird oft gar nicht an die therapeuti-    insgesamt bei 15 %, also 27 % für Männer           Begleiterkrankungen.                        mus – noch lange nicht, dass auch tatsäch-      schenderweise kaum thematisiert wird,
    Veränderungen der Gesellschaft von            sche Behandlung gedacht, die bei jüngeren      und 8 % für Frauen, das bedeutet, ca. 70 %      n »Rezidiv Abhängige« sind PatientIn-          lich eine Behandlung erfolgt. Daher ist es      obwohl der Anteil der älteren Menschen
    Jahr zu Jahr zunimmt. Dennoch wird            PatientInnen »state of the art« wäre. Dabei    der Kranken sind Männer. Obwohl sich               nen, die nach langer Abstinenz im Alter     wichtig, darauf aufmerksam zu machen,           ständig ansteigt. Sowohl im Bereich Diag-
                                                  ist es gerade bei Alkohol und Benzodiaze-      im Altersgruppenvergleich jenseits der             durch verschiedene Auslöser wieder          dass weitverbreitete Einschätzungen zur         nostik als auch im Bereich Therapie werden
    die Sucht im Alter bislang noch kaum          pinen so, dass diese die kognitiven Fähig-     60 ein niedrigerer Alkoholkonsum zeigt,            rückfällig werden.                          Behandelbarkeit von Sucht im Alter nicht        noch längst nicht alle älteren PatientInnen
                 thematisiert.                    keiten gerade im Alter noch wesentlich         so steigt dieser dennoch von Altersko-                                                         zutreffen. Die Annahme, dass im Alter die       mit einer Suchterkrankung erfasst. Auch
                                                  mehr verschlechtern, als dies bei jüngeren     horte zu Alterskohorte (Wolter 2006). Die       Risikofaktoren für Medikamentenabhän-          Therapiechancen gering seien und dass           wird die Indikation zu einer suchtspezifi-
                                                  PatientInnen der Fall wäre.                    Abnahme des Alkoholkonsums in diesem            gigkeit im Alter (nach Zeman 2009):            sich der Behandlungsaufwand wegen des           schen Behandlung noch zu selten gestellt.
                                                       Daher erscheint es notwendig, sich        Alter wird auch dadurch begründet, dass in      n Frühere Suchterfahrung                       Alters nicht mehr lohne, entspricht nicht       Daher ist es wichtig, dass die Einrichtun-
    Altern mit Sucht                              mit diesem Thema genauer auseinander-          diesem Alter viele PatientInnen, die schon      n Psychosoziale Belastungen wie Einsam-        mehr dem aktuellen Kenntnisstand. Dies          gen, die mit älteren Menschen Kontakt
    PatientInnen mit einer Suchterkrankung        zusetzen. Dirk Wolter widmete 2011 die-        sehr früh alkoholkrank wurden, bereits ver-         keit nach Partnerverlust                   wird inzwischen durch zahlreiche Publi-         haben, an Suchterkrankungen denken
    werden durch die medizinischen Fort-          sem Thema eine ganze Monografie, die           storben sind.                                   n Einschränkungen der sozialen Aktivi-         kationen über erfolgreiche Behandlungen         und dass die Abteilungen für Suchtkranke
    schritte und insbesondere auch durch          geeignet ist, das Standardwerk zum Thema           Bei der Medikamentenabhängigkeit                täten durch Komorbidität                   von älteren Suchtkranken belegt (Zeman          ihre Angebote so gestalten, dass diese die
    die Einführung der Substitutionsthera-        Sucht im Alter zu werden. Wichtig an die-      dreht sich das Geschlechterverhältnis           n Belastung durch Pflege des Partners/         2009). Aus diesem Grund sollten Mitarbei-       Bedürfnisse der älteren Suchtkranken
    pien immer älter. Das Durchschnittsalter      sem Werk ist die Botschaft des Autors, dass    um, 70 % ist hier der Frauenanteil. Diese           der Partnerin                              terInnen, die mit älteren Menschen arbei-       berücksichtigen.
    der Substituierten steigt seit Jahren an.     eine Behandlung älterer Suchtkranker           Abhängigkeit wird auch als die »stille          n Schlaflosigkeit                              ten, auch diesbezüglich geschult sein.
    In Wien ist der älteste Substituierte bald    jedenfalls Erfolg versprechend ist.            Sucht« bezeichnet, da sie unauffälliger als     n Schmerzen                                        Nachdem in Wien die Substituierten          Literatur
    schon 80 Jahre alt. Auch kommen nun die                                                      die Drogen- oder Alkoholabhängigkeit            n Grundkrankheiten wie Depressionen,           immer älter wurden, durch Komplikati-           Dirk K. Wolter: Sucht im Alter, Altern und Sucht.
    Babyboomer ins Pensionsalter. Sie wurden      Diagnostik                                     verläuft. Hier sind aber die Übergänge von          Angsterkrankungen und chronische           onen schon oft massiv vorgealtert waren         Grundlagen, Klinik, Verlauf und Therapie. Stutt-
    in den experimentierfreudigen 60er- und       Grundsätzlich gibt es in der Diagnostik        Gebrauch zu Missbrauch fließend, und                Schmerzen                                  und daher schon mit 40 Jahren Pflegeheim-       gart: Kohlhammer 2011
    70er-Jahren sozialisiert und hatten somit     von Abhängigkeitserkrankungen keine            eine Abhängigkeit ist nicht so einfach fest-                                                   plätze benötigten, stellte sich die Frage, ob   Peter Zeman: Sucht im Alter, in: Informations-
    mehr Kontakt zu illegalen Substanzen wie      altersspezifischen Unterschiede. In der        zustellen.                                      Spezielle Herausforderungen bei Suchter-       man für Suchtkranke eigene Pflegeheim-          dienst Altersfragen, Heft 3, 2009, S. 10-14
    Cannabis, aber auch Heroin und Opiaten,       ICD-10 ist einer von mindestens drei dia-                                                      krankungen im Alter:                           plätze schaffen sollte oder ob die älteren      I. Kunz, U. W. Preuss, F. M. Wurst: Sucht und
    als die Generationen früher.                  gnostischen Punkten, die für die Diagnose      Besonderheiten der Sucht im Alter               n Im Alter kommt es oft zur Häufung            Suchtkranken in schon bestehenden Pfle-         Alter, in: Nervenheilkunde, Heft 6, 2011, S. 432-436
        Dies bedeutet, dass es in Österreich in   einer Abhängigkeit benötigt werden, »die       Suchterkrankungen älterer Menschen                 von Risikofaktoren (Schmerzen,              geheimen behandelt werden sollten. Sucht        Dirk K. Wolter: Sucht im Alter, in: Zeitschrift für
    den nächsten Jahren immer mehr Men-           Fortführung des Konsums trotz eingetre-        unterscheiden sich von denen jüngerer              Schlafstörungen, Komorbiditäten, Part-      und Drogen Wien hat damals entschieden,         Gerontopsychologie und -psychiatrie, Jg. 19, Heft
    schen geben wird, die an einer Suchter-       tener körperlicher, psychischer und sozia-     Menschen in einigen Punkten. Diese                 nerverlust etc.).                           diese PatientInnen in schon bestehenden         4, 2006, S. 189-193
    krankung leiden bzw. abstinent sind, aber     ler Folgeschäden«. Menschen ab 60 leiden       Unterschiede werden hier kurz zusam-            n Die schädliche Wirkung von Suchtmit-         Pflegeheimen unterzubringen. Dabei gab
    Suchterfahrungen haben. Diese Patien-         aufgrund der physiologischen Verände-          mengefasst.                                        teln nimmt mit dem Alter zu.                es am Anfang viele Probleme, da die Mit-        Primar Dr. Shird Schindler
    tInnen kommen nun in ein Alter, in dem        rungen durch den Alterungsprozess weit                                                         n Alkoholkonsum oder Benzodiazepin-            arbeiterInnen mit den DrogenpatientIn-          Abteilungsleiter Zentrum für Suchtkranke im
    mit zusätzlichen altersbedingten Erkran-      stärker unter den negativen Auswirkungen       Toleranzdosis:                                     Verschreibungen werden bagatellisiert       nen überfordert waren. Aus diesem Grund         Otto-Wagner-Spital
    kungen zu rechnen ist bzw. in dem durch       des Alkoholkonsums als jüngere PatientIn-      n Im Alter nimmt die Suchtmitteltole-              und oft als das kleinere Übel wahrge-       wurde in Kooperation mit den Drogen- und        Facharzt Ambulantes Beratungs- und Betreuungs-
    altersbedingte Krisen Rückfälle bei bislang   nen (Kunz et al 2011). Daher ist anzuneh-         ranz stoffwechselbedingt ab, das be-            nommen.                                     Pflegeeinrichtungen der Stadt Wien für die      zentrum Wien Grüner Kreis
    abstinenten PatientInnen wahrscheinli-        men, dass der oben genannte Punkt bei             deutet, dass mit einer niedrigeren Alko-     n Suchterkrankungen sind wegen anderer         Wiener Pflegeeinrichtungen gemeinsam            Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeuti-
    cher werden.                                  älteren PatientInnen schneller und schon          holdosis schon höhere Wirkspiegel               Komorbiditäten im Alter schwieriger         ein Leitfaden über Suchterkrankungen            sche Medizin
        Aber nicht nur Drogenabhängige, son-      bei einer geringeren Alkoholdosis zutrifft.       erzielt werden.                                 zu diagnostizieren.                         erstellt. In dieser Publikation für die Mit-    Kunsttherapeut

6    Wege aus der Sucht                                                                                                                                                                                                                                                    Wege aus der Sucht          7
Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...
des Alters in der Philosophie weit verbrei-      Ein anderer wiederum »fand in der Abfütte-      Kontinuitätstheoretische Vorstellungen
                                                                                                                                                                                                                                  tet. Parallel dazu existierten aber stets auch   rung und Cur seiner Singvögel hinreichend       Die Kontinuitätsthese des Alterns besagt,
                                                                                                                                                                                                                                  andere Altersbilder.                             Beschäftigung, um die Zeit zwischen seiner      dass »Personen im mittleren und höheren
                                                                                                                                                                                                                                                                                   eigenen Abfütterung und dem Schlaf auszu-       Erwachsenenalter im Prozess der Anpas-
                                                                                                                                                                                                                                  Aktivitätstheoretische Vorstellungen             füllen.«                                        sung an das Alter versuchen, bestehende
                                                                                                                                                                                                                                  Die Ansicht etwa, dass Lernen bis ins                                                            innere und äußere Strukturen zu bewah-

    Das Alter und seine Bilder in der Philosophie                                                                                                                                                                                 höchste Alter möglich wäre, findet sich
                                                                                                                                                                                                                                  schon im 6. vorchristlichen Jahrhundert
                                                                                                                                                                                                                                                                                   Disengagement (Rückzug) im Alter
                                                                                                                                                                                                                                                                                   Will man wiederum Homer Glauben
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   ren« (Lehr). Darunter wird verstanden, dass
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   bestimmte Einstellungen, Ideen, Vorlieben
                                                                                                                                                                                                                                  bei Solon und spielt dann ebenso bei Pla-        schenken, so haben alte (adelige) Männer,       und Fähigkeiten aufrechterhalten werden,

                    Eine ideengeschichtliche Annäherung                                                                                                                                                                           ton (vgl. etwa den Dialog »Euthydemos«
                                                                                                                                                                                                                                  271cff) und Cicero eine große Rolle. Laut
                                                                                                                                                                                                                                                                                   wie etwa Laertes, der Vater des Odysseus,
                                                                                                                                                                                                                                                                                   zurückgezogen am Land gelebt und Gar-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   und auch nach außen hin, beispielsweise in
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                   Alltagshandlungen, weiterhin in Erschei-
                                                                                                                                                                                                                                  Letzterem wird der Geist nur »frisch erhal-      tenarbeit verrichtet; ein Bild, das sich auch   nung treten.
                                                                                                                                                                                                                                  ten«, wenn man ihn betätigt. »Denn auch          bei Cicero findet, und die darin suggerierte        Dieser Kontinuitätsgedanke des Alters

                                    D
                                                                                                                                                                                                                                  die Geisteskräfte schwinden im hohen             höhere »Naturverbundenheit« im Alter            spielt auch in der Philosophie eine große
                                              er renommierte und für seine         lichen« Alterstheorien des 20. Jahrhunderts                                                                                                    Alter, falls man nicht, wie bei einer Lampe,     kommt auch bei Jacob Grimm und in abge-         Rolle. Cicero geht etwa davon aus, dass
                                              pointierten Formulierungen so        wurden die differierenden Altersvorstellun-                                                                                                    Öl nachträufelt.«                                wandelter Form selbst bei Bloch (»Land statt    eine aktive Haltung im Alter nur vorstell-
                                              bekannte Gießener Soziologiepro-     gen in der Philosophie kaum generalisiert;                                                                                                         Aktivitätstheoretische Vorstellungen         Stadt«) noch zum Ausdruck (vgl. Zehender).      bar sei, wenn Aktivität auch die früheren
                                    fessor und Theologe Reimer Gronemeyer          d. h., bei den meisten Philosophen finden                                                                                                      gibt es nicht nur in der klassischen Philo-           Der philosophische Disengagementge-        Lebensjahre bestimmt habe. Kontinuitäts-
                                    stellt in einem seiner jüngsten Bücher über    sich in deren Reflexionen über das Alter                                                                                                       sophie, sondern auch in der frühen grie-         danke kreist aber keineswegs nur um The-        vorstellungen finden sich vor allem auch im
                                    das Alter (2014) provokant fest: Die Alten     Anknüpfungspunkte zu mehreren, wenn                                                                                                            chischen Medizin. Bei Hippokrates heißt          men wie »Gartenarbeit« und »Natur«. Bei         Hinblick auf gesundheitsbewusste Lebens-
                                    »sind Nutznießer und Unterworfene einer        nicht zu allen dieser modernen Theorien.                                                                                                       es: »Alle Teile des Körpers, die zu einer        Platon und Aristoteles wird beispielsweise      führung und Gesundheitserhaltung im
                                    degenerierten Gesellschaftsform, die im        Die unterschiedlichen Vorstellungen vom                                                                                                        Funktion bestimmt sind, bleiben gesund,          die Rückzugsvorstellung mit religiösen          Alter. So etwa bei Cicero, Seneca und in der
                                    Wesentlichen darauf beruht, dass niemand       Alter existieren in der Philosophie weitge-                                                                                                    wachsen und haben ein gutes Alter, wenn          Tätigkeiten verknüpft. So beschreibt etwa       Neuzeit beispielsweise bei Francis Bacon.
                                    den anderen braucht.« Er begreift das Alter    hend parallel, und solchermaßen kann kein                                                                                                      sie mit Maß gebraucht und in den Arbeiten,       Platon in der »Politeia« eine Situation, in     Nicht nur die hier angesprochenen moder-
                                    als Chance »zur Flucht aus der Oberfläch-      Vertreter derselben in Anspruch nehmen,                                                                                                        an die jeder Teil gewöhnt ist, geübt werden.     der sich der alte Kephalos, der von Sokrates    nen Alterstheorien, auch das in der Medizin
                                    lichkeit«. Zu diesem Zweck müsste es sich      »der Begründer« der Defizit-, Aktivitäts-,                                                                                                     Wenn man sie aber nicht braucht, sondern         gebeten wurde, über das Alter zu berichten,     heute so weit verbreitete »Risikofaktoren-
                                    aber aus der »Zwangsjacke der Jugendlich-      Disengagement- oder Kontinuitätstheorie                                                                                                        untätig läßt, neigen sie eher zu Krankheiten,    vom Gespräch schließlich zurückzieht, um        konzept« hat damit seine Vorläufer im phi-
                von Leo Zehender    keit« befreien. Denn: »Der 80-Jährige auf      zu sein.                                                                                                                                       nehmen nicht zu und altern vorzeitig.« (Zit.     sich um die »Opfer« zu kümmern (vgl. 331d).     losophischen Diskurs.
                                    dem Surfbrett ist das heimliche Idol, aber                                                                                                                                                    nach Nühlen-Graab)                               Auch Aristoteles ist der Ansicht, dass der          In der modernen Gerontologie kommt
                                    doch auch ein Stresselement und eine           Das Alter als Defizit?                                                                                                                             In einem sehr modernen Sinn werden           Dienst an den Göttern den alten Männern         der Kontinuitätsgedanke des Alters
        »Es steht so etwas an wie   Lüge.«                                         Die dem Defizitmodell zugrunde liegenden                                                                                                       aktivitätstheoretische Vorstellungen im          (allerdings nicht Bauern oder Handwer-          nahezu ausschließlich im Zusammenhang
       die Suche nach einer neuen        Dieser Diagnose werden wohl viele         Gedanken zählen wohl zu den frühesten                                                                                                          späten 18. Jahrhundert vom Philosophen           kern) vorzubehalten wäre, damit sie sich        mit Aktivitätsvorstellungen und/oder mit
                                    zustimmen, auch wenn nicht ganz nach-          Vorstellungen, die mit dem Alter verbunden                                                                                                     Immanuel Kant propagiert. In der Schrift         entsprechende »Ruhe gönnen« könnten             Vorstellungen des »erfolgreichen Alterns«
        Souveränität des Alters.«   vollziehbar ist, warum ein 80-Jähriger auf     wurden. Schon in der Antike wurden über                                                                                                        »Der Streit der Fakultäten« wendet sich          (vgl. Pol. 1329a 30).                           vor. Auch in der Philosophie wird der Kon-
         (Reimer Gronemeyer)        dem Surfbrett eine »Lüge« darstellen sollte,   den Vergleich mit der kraftvollen Jugend                                                                                                       der bereits weit über 70-jährige Kant gegen           Etwa 2000 Jahre später beschreibt Mon-     tinuitätsgedanke zumeist mit derartigen
                                    so dieser sein ganzes Leben hindurch sehr      die körperlichen – und zum Teil auch geis-                                                                                                     die damals in der Medizin vertretene Auf-        taigne wiederum andere Dimensionen des          Vorstellungen parallelisiert. Als typische
                                    sportlich war. Es ist daher durchaus schlüs-   tigen – Schwächen des Alters thematisiert.                                                                                                     fassung, dass man im Alter ruhen und sich        Rückzugs, in denen – wie es scheint – bereits   Vertreter dieser Ansicht wären neben dem
                                    sig, wenn heute aus sozialgerontologischer     Auch im mittelalterlichen Diskurs sind                                                                                                         pflegen lassen sollte, um Kräfte zu sparen       eine Spur »späte Freiheit« (Rosenmayr)          schon genannten Cicero beispielsweise
                                    Sicht differenziertere Altersbilder einge-     Defizitvorstellungen des Alters verbreitet.                                                                                                    und länger leben zu können. Kant ist da ganz     sichtbar wird. Denn Montaigne, der                   der Humanist Erasmus von Rotter-
                                    fordert werden, die der soziologischen         So findet sich etwa bei Lotario dei Conti di                                                                                                   anderer Ansicht. Gerade das führe zu einer       seit seinem 40. Lebensjahr das                          dam (»Altmännergespräch«) und
                                    Vielfältigkeit des menschlichen Alterns        Segni (1160/61–1216), dem späteren Papst                                                                                                       Verkürzung des Lebens. Vielmehr ginge es         Leben eines (wohlhabenden)                                Voltaire zu nennen, der gemäß
                                    besser gerecht werden. Allerdings bleibt       Innozenz III., folgende Beschreibung:                                                                                                          darum, das »Gemüth« zu aktivieren und            »Aussteigers« führte, genoss                              Bloch anmerkte, »für Unwissende

                                                                                                                                     Foto: Statue des Cicero vor dem Palazzo di Giustizia in Rom (Cristiano Fronteddu / 123RF )
                                    dabei unberücksichtigt, dass die individu-     »Wenn aber jemand bis zum Greisenalter                                                                                                         damit die Lebenskraft zu fördern.                es, dass das Alter »viele Wün-                             sei das Alter wie der Winter, für
                                    ellen Altersbilder der Menschen, in denen      gelangt ist, dann gerät also bald sein Herz                                                                                                        Dies könne durch »philosophieren«            sche und Sorgen beschwich-                                Gelehrte sei es Weinlese und Kelter.«
                                    natürlich auch ihre Wünsche und Ängste         in Betrübnis, sein Geist in Verwirrung; das                                                                                                    geschehen, welches »unangenehme«                 tigt, durch die das Leben                                        Zuweilen finden sich in der
                                    zum Ausdruck kommen, sich kaum an den          Leben ermattet, der Athem stößt ab, das Ant-                                                                                                   Gefühle abwehren helfe und das Gemüt             beunruhigt wird: die Sorge um                                               Philosophie aber
                                    neuesten sozialgerontologischen Trends zu      litz runzelt und die Haltung krümmt sich; es                                                                                                   aktiviere, doch müsse eine entsprechende         Politik, um Reichtum, um Anse-                                                       Ž Seite 27
                                    orientieren pflegen.                           dunkeln die Augen und unsicher werden die                                                                                                      Beschäftigung nicht notwendigerweise phi-        hen, um Wissen, um Gesundheit«,
                                         Die Grundideen der modernen Alters-       Finger; es äußert sich die Nase und schwin-                                                                                                    losophischer Natur sein. Denn sogar »bloße       ja letztlich auch die Sorge um
                                    theorien finden sich schon in der Geschichte   det das Haar; es zittert die Berührung und                                                                                                     Tendeleien in einem sorgenfreien Zustande        ihn selbst.
                                    der Philosophie                                erlahmt die Bewegung; die Zähne werden                                                                                                         leisten […] bei eingeschränkten Köpfen fast
                                    Hingegen sind in den überlieferten philo-      morsch und taub die Ohren. Leicht wird der                                                                                                     eben dasselbe, und die mit Nichtsthun
                                    sophischen Texten uralte Wissensinhalte        Greis gereizt, schwer besänftigt […], trübselig                                                                                                immer vollauf zu thun haben, werden
                                    (neben uralten Vorurteilstrukturen) gespei-    und klagend, geschwätzig und schwerhörig,                                                                                                      gemeiniglich auch alt.« Kant nennt in die-
                                    chert, die dem Alltagsbewusstsein heute        dabei aber zum Zorne geneigt; so lobt er die                                                                                                   sem Zusammenhang einen »sehr bejahrten
                                    noch viel näher stehen dürften als so man-     Alten, verachtet die Neueren, tadelt Gegen-                                                                                                    Mann«, dessen Leidenschaft darin bestand,
                                    che moderne wissenschaftliche Erkenntnis.      wart, erhebt die Vergangenheit, seufzt und                                                                                                     seine vielen »Stutzuhren« im Zimmer so zu
                                    Diese philosophischen Altersbilder sollen      ängstigt sich, und ist doch ohne Gefühl und                                                                                                    »stellen«, dass sie nicht gleichzeitig, son-
                                    nun unter dem Gesichtspunkt des heuti-         Kraft.« (Zit. nach Nühlen-Graab)                                                                                                               dern stets nacheinander schlugen.
                                    gen gerontologischen Wissens in Ansätzen            Auch in der Neuzeit und fast bis in die
                                    nachgezeichnet werden.                         Gegenwart herein – denkt man etwa an
                                         Im Unterschied zu den »wissenschaft-      Jean Améry – sind Defizitvorstellungen

8   Wege aus der Sucht                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      Wege aus der Sucht       9
Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...
Diese Unterscheidung ist von großer                Alkoholdemenz ist die häufigste Form.          sind Themen wie Verlusterlebnisse
                                                                                                                                                       Bedeutung, da die Menschen – vor allem         Sie wird bei Alkoholikern unter 70 Jahren          und das Wiedererlernen von sinn-
                                                                                                                                                       Frauen –, die nach dem 60. Lebensjahr zu       mit einer Inzidenz von 11,6 % angegeben,           vollen und befriedigenden Freizeit-
                                                                                                                                                       konsumieren beginnen, eine viel bessere        ihr Anteil an allen Demenzformen beträgt           aktivitäten sowie die Integration religiös-
                                                                                                                                                       Prognose bezüglich des Therapieerfolges        1,25 %. Als Ursache wird eine direkt neuro-        spiritueller Dimensionen.
                                                                                                                                                       haben, da sie sozial und beziehungsmäßig       toxische Wirkung des Alkohols diskutiert.
                                                                                                                                                       deutlich besser integriert sind.               Die kognitiven Symptome sind weniger            Benzodiazepine im Alter

                                                      Sucht im Alter                                                                                       Ursachen für den späten Beginn sind
                                                                                                                                                       Verlust des Lebenspartners, Pensionierung,
                                                                                                                                                                                                      ausgeprägt als bei degenerativen Demen-
                                                                                                                                                                                                      zen und zeigen nicht das Bild der Korsa-        Epidemiologie
                                                                                                                                                       Reduktion der sozialen Kontakte, Verein-       kow-Demenz. Unter einer Abstinenz bzw.          Aktuelle Studien aus Europa zeigen einen
                                                                                                                                                       samung/Isolation, finanzielle Einbußen,        deutlichen Reduktion des Konsums kann           regelmäßigen Gebrauch von Benzodia-
                                                                                                                                                       psychische Erkrankungen, schwere körper-       es zu einer deutlichen Verbesserung der         zepinen bei 9-15 % der Bevölkerung ab
                                                                                                                                                       liche Erkrankungen und Schmerzen.              kognitiven Störung innerhalb kurzer Zeit        75 Jahren; Frauen sind häufiger betroffen
                                                         Alkoholkonsum auf und wird dieses            höheren Lebensalter.                                 Im Alter finden wir die gleichen kli-      kommen.                                         als Männer. Bewohner von Altenheimen
                                                         Konsummuster wahrscheinlich im Alter            Symptome oder Hinweise für einen              nischen Erscheinungsbilder wie bei jun-            Bei degenerativen Demenzformen wie          erhalten häufiger und regelmäßiger Ben-
                                                         beibehalten.                                 möglichen Alkoholmissbrauch oder eine            gen und jüngeren Erwachsenen, jedoch           bei der Alzheimer-Demenz erhöht riskan-         zodiazepine als ältere Menschen, die zu
                                                      3. Aufgrund des medizinischen Fort-             mögliche Alkoholabhängigkeit:                    kommen zusätzlich kognitive Störungen          ter Alkoholkonsum das Risiko des Auf-           Hause leben, eine Hochdosisabhängigkeit
                                                         schritts und der verbesserten Behand-                                                         und demenzielle Entwicklungen hinzu.           tretens, therapeutisch ist eine Abstinenz       ist im Alter allerdings eher selten.
                                                         lungsmöglichkeiten ist mit einem An-         1. Psychosoziale und psychische Ver-             Mögliche klinische Erscheinungsbilder          sinnvoll, und eine antidementive Therapie            Risikofaktoren für die Entwicklung
                                                         stieg der alt gewordenen Alkoholkranken         änderungen                                    sind Alkoholmissbrauch (assoziiert mit         kann die kognitiven Beeinträchtigungen          einer Benzodiazepin-Abhängigkeit sind:
                                                         zu rechnen.                                     Sozialer Rückzug                              depressiven Symptomen, erhöhter Suizi-         beeinflussen.
                                                                                                         Verlust von Antrieb/Interesse                 dalität, Schmerzen), Alkoholabhängigkeit,                                                      n vorbestehende Suchterkrankungen
                                                      Symptome oder auch Hinweise für einen              Depressivität                                 Alkoholintoxikation, Alkoholentzugssyn-        Besondere Aspekte in der Therapie               n zunehmende Behandlungsdauer und
                                                      möglichen Alkoholmissbrauch oder eine              Schlafstörungen                               drome mit und ohne Delir, Alkoholhalluzi-      1. Entzugsbehandlung bei älteren unter-           Dosis
                                                      Alkoholabhängigkeitserkrankung werden              Reduktion geistiger Leistung                  nose und Eifersuchtswahn.                         scheidet sich nicht grundsätzlich von        n Patient leidet unter chronischen und/
                                                      oft »typischen Alterskrankheiten« zugeord-         Vernachlässigung der Körperpflege                 Bei den kognitiven Störungen unter-           der bei jüngeren Patienten.                    oder schweren Erkrankungen
                   von Christian Jagsch               net und somit nicht wahrgenommen und               Inanspruchnahme – Notfallambulanz/            scheiden wir eine Wernicke-Enzephalo-          2. Gabe von Vitamin B1 zur Prophylaxe           n hohe psychosoziale Belastungen
                                                      festgestellt. Die Verträglichkeit von Alko-        Notarzt                                       pathie mit der späteren Entwicklung eines         einer Wernicke-Enzephalopathie ist           n Erwartungshaltung des Patienten (psy-
                                                      hol nimmt im Alter aufgrund von Beson-          2. Somatische Veränderungen                      Korsakow-Syndroms (»amnestisches Syn-             sinnvoll.                                      chotrope Effekte)
         Riskanter Alkoholkonsum ist                  derheiten des Alkoholstoffwechsels ab. Es          Gangunsicherheit/Stürze                       drom« oder »Korsakow-Demenz«), eine            3. Zentrale therapeutische Intervention         n fehlende Arzt-Patienten-Beziehung
         definiert mit einem täglichen                kommt zu einem Absinken des Körperwas-             Verletzungen/Blutergüsse                      Alkoholdemenz (»alcohol related demen-            ist die Alkoholkarenz, besonders be-         n Verschreibung ohne Indikation
                                                      seranteils und zu veränderten Verteilungs-         Magen-Darm-Probleme                           tia« oder »primary alcoholic dementia«)           zogen auf die zum Teil reversiblen kog-      n mangelhafte Berücksichtigung von Per-
      Alkoholkonsum von mehr als 30 g                 volumina, die herabgesetzte enzymatische           Inkontinenz                                   und eine Kombination von degenerativen            nitiven Beeinträchtigungen, oder zu-           sönlichkeit und Biografie der Patienten
     Alkohol/Tag (entspricht ca. 0,5 l und            Abbaukapazität führt zu Sensitivitätsstei-         Mangelernährung/Gewichtsverlust               Demenzformen wie Alzheimer-Demenz                 mindest eine deutliche Reduktion der         n fehlendes Problembewusstsein hin-
                                                      gerung und prolongierten Wirkzeiten,               Bluthochdruck                                 plus einen riskanten Alkoholkonsum. Die-          Menge.                                         sichtlich der Gefahren von Langzeit-
      0,3 l Bier oder 1/4 und 1/8 l Wein)             und die Aktivität der Abbauenzyme wird             Hyperurikämie                                 se Differenzierung ist bedeutend bezüg-        4. Antidementiva sind nur effektiv und            und Hochdosisverordnungen
      für Männer und mehr als 20 g/Tag                reduziert, mit einer Toleranzminderung im          Diabetes mellitus – instabil                  lich der Häufigkeit des Auftretens, der           sinnvoll bei der Kombination mit
                                                                                                                                                       unterschiedlichen Symptomatik und der             degenerativen Demenzformen.                  Benzodiazepine werden zur Behandlung
               Alkohol bei Frauen.                    Man kann zwei Prototypen bezüglich des Beginns des möglichen Missbrauchs oder der Abhängigkeit   therapeutischen Möglichkeiten.                                                                 von Angststörungen, als Begleitmedika-

     I
                                                      unterscheiden, nämlich ein »early-onset«- und ein »late-onset«-Muster.                               Die Korsakow-Demenz kann sich im           5. Die Ergebnisse der Entwöhnungsbe-            tion bei schweren Depressionen mit Sui-
          n epidemiologischen Untersuchungen                                                                                                           Anschluss an eine Wernicke-Enzephalo-             handlungen bei älteren Patienten sind        zidalität und psychotischen Störungen,
          wurde vor allem bei über 65-jährigen                                                    »early onset«                »late onset«            pathie (Vitamin-B1-Mangel = Thiamin-              keineswegs schlechter als bei jüngeren,      bei Schlafstörungen und Erregungszu-
          Männern bei ca. 10-12 % ein riskanter Al-                                                                                                    mangel) entwickeln, kommt relativ sel-            bei den »late-onset«-Patienten sogar         ständen, in der Entzugsbehandlung von
                                                       Alter bei Beginn des Alkoholprob-
     koholkonsum festgestellt, bei Frauen bei ca. 4                                          < 60 Jahre                  > 60 Jahre                    ten vor und wird auch unzureichend                besser.                                      Alkohol, in der Prämedikation bei einer
                                                       lems
     %. Riskanter Alkoholkonsum ist definiert mit                                                                                                      diagnostiziert, da sich die klassischen        6. Medikamente zur Abstinenzförderung           Narkose, bei Epilepsie und bei Muskelver-
     einem täglichen Alkoholkonsum von mehr            Geschlecht                            eher männlich               eher weiblich                 Symptome oft nicht einstellen oder durch          und Rückfallprophylaxe, vor allem            spannungen verordnet.
     als 30 g Alkohol/Tag (entspricht ca. 0,5 l und                                                                                                    ein gleichzeitiges Delir überdeckt sind. Die      Acamprosat (z. B. Campral) und Naltrexon          Bei der Verordnung von Benzodiaze-
                                                       Häufigkeit                            ⅔ der Prävalenz             ⅓ der Prävalenz
     0,3 l Bier oder 1/4 und 1/8 l Wein) für Männer                                                                                                    Symptome sind Störung des Neuzeitge-              (z. B. Revia), sind auch bei älteren Pati-   pinen ist auf eine strenge Indikationsstel-
     und mehr als 20 g/Tag Alkohol bei Frauen. In      Persönlichkeit                        eher instabil               eher stabil                   dächtnisses, komplexe kognitive Defizite          enten indiziert, auf Disulfiram (z.B.        lung, eine möglichst niedrige Dosierung,
     Senioren- und Pflegeheimen wurden Raten                                                                                                           ähnlich dem Frontalhirnsyndrom, Beein-            Antabus) sollte wegen der zahlreichen        eine kurze Halbwertszeit (HWZ) und
     zwischen 1 und 10 % erhoben.                      Wohnsituation                         häufig wechselnd            eher konstant                 trächtigung des Arbeitsgedächtnisses und          Kontraindikationen verzichtet werden.        eine Verordnung der kleinsten Packungs-
          Für den Anstieg der Anzahl älterer                                                 häufig alleinstehend,                                     der Exekutivfunktionen, Störung höherer        7. Psychosoziale-psychotherapeutische           einheit zu achten. Die Behandlung sollte
     alkoholkranker Menschen gibt es drei              Soziales Netzwerk                                                 häufig familiär gebunden      Frontalhirnsymptome wie Urteilsvermö-             Therapie bei älteren Patienten beinhal-      möglichst kurz und von begrenzter Dauer
                                                                                             geschieden
     ursächliche Faktoren:                                                                                                                             gen, Kreativität, Krankheitseinsicht und          tet ressourcenorientiertes und nicht         (max. 4-6 Wochen) sein, es sollten keine
                                                       Sozioökonomischer Status              eher niedriger              häufig höherer                vor allem klassisch die Konfabulations-           defizitorientiertes Vorgehen sowie           Dauerrezepte verschrieben werden und es
     1. Aufgrund des demografischen Wandels                                                                                                            neigung. Unter Abstinenz ist keine Besse-         Respekt vor dem Alter und den                ist das Alter und vorbestehendes Suchtver-
                                                       Bildungsniveau                        eher niedrig                eher höher
        erhöht sich die Gesamtzahl alko-                                                                                                               rung zu erwarten, der Vitamin-B1-Mangel           erbrachten Lebensleistungen. Die Be-         halten zu berücksichtigen. Nach längerer
        holkranker älterer Menschen, bei               Raucherstatus                         meist Langzeitraucher       häufig Nichtraucher           im Stadium der Enzephalopathie führt zu           handlung ist erfolgreicher in alters-        Einnahme sollte man die Medikation aus-
        vorausgesetzter konstanter Prävalenz.                                                                                                          irreversiblen Schäden. Therapieversuch            homogenen Gruppen (Zugehörigkeits-           schleichend absetzen.
     2. Die Babyboom-Generation (definiert             Kognitive Beeinträchtigung            eher ausgeprägt             eher gering                   mit Vitamin-B1-Substitution ist bei chro-         gefühl, Solidarität, geteilte Lebens-             Risiken und Nebenwirkungen sind
        als zwischen 1946 und 1964 Geborene)                                                                                                           nisch alkoholkranken Patienten dringend           erfahrungen, reduzierte körperliche          in der Behandlung mit Benzodiazepinen
                                                       Therapieadhärenz und Prognose         mäßig                       gut
        weist einen überdurchschnittlich hohen                                                                                                         zu empfehlen.                                     und geistige Leistungsfähigkeit). Wichtig    zu beachten – dazu gehören Ž Seite 21

10    Wege aus der Sucht                                                                                                                                                                                                                                                      Wege aus der Sucht       11
Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...
Klinische Aspekte der Langzeit-                                                                                             menspiels von physiologischen, psycholo-
                                                                                                                                                     gischen und gesellschaftlichen Faktoren.
                                                                                                                                                                                                   lich der Korrelation von Behandlungs-
                                                                                                                                                                                                   dauer und Dosishöhe untersucht. Dabei
                                                                                                                                                                                                                                                       Fischer G, Kayer B (2006): Substanzabhängig-
                                                                                                                                                                                                                                                       keit vom Morphintyp – Stat-of-the-Art der Erhal-

                            substitution mit Opioiden
                                                                                                                                                     Hormonelle Aspekte spielen im Zusam-          betrug die durchschnittliche Methadon-              tungstherapie mit synthetischen Opioiden. Psy-
                                                                                                                                                     menhang mit der sexuellen Funktions-          Äquivalentdosis bei jenen Patienten, die            chiatrie & Psychotherapie 2(2):16, 39-54
                                                                                                                                                     fähigkeit eine wichtige Rolle, im Speziel-    ein Jahr oder kürzer in Behandlung stan-            Gerra G, Manfredini M, Somaini L, Marem-
                                                                                                                                                     len der Plasma-Testosteronspiegel beim        den, 81,6 mg. Bei den bereits 20 Jahre oder         mani I, Leonardi C, Donnini C (2016): Sexual
                                                                                                                                                     Mann. Unter sexueller Dysfunktion wer-        länger in OST befindlichen Patienten lag            Dysfunct ion in Men Receiving Methadone Main-
                                                     und 15,2 % an Lebererkrankungen (Hser et         fügbaren Evidenz zur Verfügung zu stellen      den Einschränkungen in den Bereichen          die durchschnittliche Dosis mit 125,4 mg            tenance Treatment : Clinical History and Psycho-
                                                     al. 2001).                                       (ACMD 2014).                                   erektile Funktion, Orgasmusfunktion,          um das 1,5-fache höher.                             biological Correlates. Eur Addict Res 22:163–175
                                                                                                         Der Umstand einer über Jahre hinweg         Libido und sexuelle Appetenz sowie befrie-                                                        Grella CE & Lovinger K (2011): 30-year trajec-
                                                     Opioid-Substitutionstherapie (OST)               dauernden, eventuell lebensbegleitenden        digende Geschlechtshandlungen zusam-          Zusammenfassung                                     tories of heroin and other drug use among men
                                                     Als »Therapie der Wahl« bei der Behand-          Opioid-Agonisten-Behandlung wirft die          mengefasst. Interessanterweise existieren     Die zeitlich unlimitierte Behandlung von            and women sampled from methadone treatment
                                                     lung der Opioidabhängigkeit gilt die Sub-        Frage auf, ob diese Pharmakotherapie im        zu dieser Thematik fast ausschließlich Stu-   Opioidabhängigen durch eine Opioid-                 in California. Drug and Alcohol Dependence 118
                                                     stitutionstherapie mit Opioiden (ÖGABS           Langzeitverlauf unerwünschte, eventuell        dien mit männlichen Probanden.                Substitutionstherapie vermittelt eine               Grey A, Rix-Trott K, Horne A, Gamble G, Bolland
                                                     2009, Meili et al. 2008, Fischer et al. 2006).   sogar schädigende Begleiteffekte aufweist.         Tendenziell ist die Prävalenz der sexu-   Reihe von positiven klinischen Effek-               M & Reid IR (2010): Decreased bone density in
                                                         Als einer der wichtigsten Erfolgspa-                                                        ellen Dysfunktion bei Männern in OST          ten. Zu nennen sind eine deutliche und              men on methadone maintenance therapy. Addic-
                                                     rameter im Rahmen der OST gilt die Hal-          Suppression des Plasma-Testosteronspiegels     unter Methadon (Razemat) höher als            anhaltende Reduktion der Mortalität, der            tion 106, 349–354
                                                     tequote bzw. Retentionsrate, sie ist das         Opioide (exogene und endogene) haben           unter Buprenorphin. Beim Auftreten von        Rückfallhäufigkeit und der Prävalenz von            Gutwinski S, Schoofs N, Stuke H, Riemer ThG,
                                                     Maß für ein Verbleiben der Patienten in          endokrinologische Effekte, die sie unter       SD unter Methadon stellt die Umstellung       »blood borne«-Infektionen.                          Wiers CE & Bermpohl F (2016): Opioid tolerance
                                                     der Therapie. In einer »post hoc«-Kohor-         anderem über die Beeinflussung der             auf Buprenorphin eine therapeutische              Als klinisch negative Effekte können            in methadone maintenance treatment: compa-
                  von Hans Haltmayer                 tenanalyse wurde die Haltequote in Öster-        Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-               Option dar. Allerdings ist die Datenlage      ein verminderter Plasma-Testosteron-                rison of methadone and levomethadone in long-
                                                     reich für einen Zeitraum von zwei Jahren         Achse ausüben. Opioide reduzieren die          inkohärent und von nicht ausreichender        spiegel, eine erhöhte Prävalenz sexueller           term treatment. Harm Reduction Journal 13:7
                                                     untersucht. Eingeschlossen wurden jene           Freisetzung des Gonadotropin-Releasing-        Validität, um beim Auftreten von Symp-        Dysfunktionen, eine verminderte Kno-                Hser Y, Hoffmann V, Grella Ch E, Anglin D
         Die Opioidabhängigkeit ist eine             Personen, die im Zeitraum 1.1.2011 bis           Hormons (GnRH) im Hypothalamus und             tomen einer sexuellen Dysfunktion eine        chendichte mit erhöhtem Frakturrisiko               (2001): A 33-Year Follow-up of Narcotics
     chronische Erkrankung, die Betroffene           31.12.2012 eine Substitutionsbehand-             damit die Freisetzung des follikelstimu-       generelle Empfehlung zur Umstellung           sowie die Entwicklung einer Opioidtole-             Addicts. Arch Gen Psychiatry 58:503-508
                                                     lung begonnen haben. Zur Berechnung              lierenden Hormons (FSH) aus dem Hypo-          von Methadon auf Buprenorphin auszu-          ranz auftreten.                                     Katz N (2005): The Impact of Opioids on the
      in unterschiedlicher Intensität über           der Haltequote wurde das Verfahren der           physen-Vorderlappen. Darüber hinaus            sprechen (Yee 2014).                              Die Langzeitsubstitution mit Opio-              Endocrine System. Pain Management Rounds 1:9
        Jahrzehnte, oft ein ganzes Leben             »Überlebensanalyse« nach Kaplan-Meier            unterdrücken Opioide die Produktion von            Weitere Faktoren, die neben einem         iden kann negative klinische Effekte mit            MeiliD, Broers B, Bruggmann P, Fink A, Hämmig
                                                     herangezogen. Dabei ergab sich in einem          Testosteron und Östrogen im Hoden und          reduzierten      Plasma-Testosteronspiegel    sich bringen, die zu beachten sind, die             R (2008): Medizinische Empfehlungen für subs-
           lang, begleitet und dabei das             regionalen Vergleich zwischen Wien und           in den Eierstöcken (Katz 2005).                mit dem Auftreten von SD korrelieren,         positiven Effekte dieser Behandlungsform            titutionsgestützte Behandlung (SBG) bei Opio-
         Individuum selbst sowie dessen              den anderen Bundesländern, dass die Hal-              Untersuchungen über die Auswirkung        sind frühe stressvermittelnde Lebensum-       überwiegen diese jedoch bei Weitem!                 idabhängigkeit-Erstellt durch die Schweizerische
                                                     tequote in Wien nach 800 Tagen hervor-           von OST auf den Plasma-Testosteronspie-        stände wie eine traumatische, vernachläs-                                                         Gesellschaft für Suchtmedizin/Swiss Society of
     Umfeld vor große Herausforderungen              ragende 70 % betrug und in den anderen           gel kommen zu dem Ergebnis, dass der           sigte Kindheit und das Vorkommen psy-         Literatur                                           Addiction Medicine (SSAM). Suchtmed 10, 29-53.
        stellt. Hinzu kommt, dass Opiat-             Bundesländern für denselben Zeitraum             Plasma-Testosteronspiegel bei Männern          chiatrischer Begleiterkrankungen (Gerra       Advisory Council on the Misuse of Drugs             ÖBIG (Österreichisches Bundesinstitut für
                                                     bei noch guten 57 % lag (ÖBIG 2013). Das         unter Opioidtherapie signifikant reduziert     et al. 2016). Die begleitende Therapie mit    (ACMD) (2014): Time limiting opioid substitu-       Gesundheitswesen) (2013 und 2015): Epide-
        abhängige zusätzlich durch eine              bedeutet, dass ein hoher Anteil derer, die       ist und dass dieser Effekt bei allen Typen     Psychopharmaka oder Antihypertensiva          tion therapy.                                       miologiebericht Drogen 2013. Bericht zur Dro-
       Vielzahl von Grund-, Begleit-, und            einer Behandlung bedürfen und diese auch         von Opioiden auftritt. Widersprüchliche        sowie ein bestehender Nikotinabusus sind      https://www.gov.uk/government/uploads/sys-          gensituation 2015. Gesundheit Österreich GmbH
                                                     erhalten, über einen längeren Zeitraum in        Ergebnisse gibt es in Bezug auf die Korre-     ebenso zu nennen.                             tem/uploads/attachment_data/file/371521/            ÖGABS (Österreichische Gesellschaft für
       Folgeerkrankungen belastet sind.              der Behandlung verbleibt.                        lation zwischen der Höhe der Opioiddosis                                                     ACMD_RC_Time_limiting_OST_061114.pdf                arzneimittelgestützte Behandlung von Sucht-
                                                                                                      und des Plasma-Testosteronspiegels. Wäh-       Langzeitsubstitution und Osteoporose          Bawor M, Bamic H, Dennis BB, Plater C, Wors-        krankheit) (2009): Konsensus-Statement »Sub-
                                                     Dauerbehandlung mit besserem Outcome             rend einige Untersuchungen eine rezip-         Zum Auftreten von Osteoporose unter           ter A, Varenbut M, Daiter J, Marsh DC, Steiner      stitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängi-

     W
                                                     Es besteht keinerlei Evidenz dafür, eine         roke Korrelation zwischen Plasma-Testo-        OST gibt es nur eine limitierte Anzahl von    M, Angling R, Coote M, Pare G, Thabane L,           ger.« Suchtmed 11(6) 281-297
                eltweit sind etwa 15 Millionen       Opioid-Substitutionstherapie von vorn-           steron und Opioiddosis fanden (Bawor et        Studien. Sie liefern Hinweise darauf, dass    Samaan Z (2015): Testosterone suppressionin-        Ward J, Mattick RP and Hall W (1998): How
                Menschen betroffen (WHO              herein zeitlich zu begrenzen. Im Gegen-          al. 2015; Bawor et al. 2014), konnten andere   Männer in OST ein erhöhtes Osteoporose-       opioidusers: Asystematic review and meta-analy-     long is long enough? Answers to questions about
                2009). In Europa schätzt man         teil: Internationale Studien zeigen, dass        Studien keinen Zusammenhang zwischen           Risiko und damit ein erhöhtes Frakturri-      sis. Drug and Alcohol Dependence 149(2015)1–9       the duration of methadone maintenance treat-
     die Zahl der Hochrisiko-Opioidabhängi-          eine längere Dauer der OST mit besseren          Plasma-Testosteron und individueller Opi-      siko haben. Die Studien konnten allerdings    Bawor M, Dennis BB, Samaan MC, Plater C,            ment. In J. Ward, R.P. Mattick, and W. Hall (Eds.),
     gen auf etwa 1,3 Millionen (EBDD 2016),         Behandlungsergebnissen korreliert (Grella        oiddosis herstellen (Gerra et al. 2016).       nicht klären, ob dieser Effekt bereits vor    Worster A, Varenbut M, Daiter J, Marsh DC,          Methadone maintenance treatment and other
     in Österreich geht man von 28.000 bis           & Lovinger 2011, Ward et al. 1998). Dem-              Typische klinische Erscheinungen von      dem Eintritt in die OST als Folge des vor-    Desai D, Steiner M, Anglin R, Coote M, Pare         opioid replacement therapies (pp. 305-336).
     29.000 Betroffenen aus (GÖG 2015).              gegenüber besteht starke Evidenz dafür,          Testosteronmangel sind etwa Müdigkeit,         angegangenen Heroingebrauches bestan-         G, Thabane L & Samaan Z (2014): Methadone           Amsterdam: Overseas Publishers Association,
                                                     dass eine zeitlich limitierte OST die Rück-      Kraftlosigkeit,     Stimmungsschwankun-        den hat oder ob sich die Osteoporose erst     induces testosterone suppression in patients with   Harwood Academic Publishers.
     Mortalität                                      fallhäufigkeit erhöht, die Beschaffungs-         gen, Libidoverlust, sexuelle Dysfunktion       unter der Opioid-Agonisten-Therapie ent-      opioid addiction. SCIENTIFIC REPORTS 4:6189         WHO (World Health Organization) (2009):
     Unbehandelt verläuft die Opioidabhän-           kriminalität fördert, die Verbreitung von        (insbesondere erektile Dysfunktion) und        wickelte (Grey et al. 2010).                  DOI: 10.1038/srep06189                              Guidelines fort he psychosocially assisted phar-
     gigkeit zu einem hohen Prozentsatz töd-         »blood borne«-Virusinfektionen fördert           Hypogonadismus.                                                                              Degenhardt L, Bucello C, Mathers B, Briegleb C,     macological treatment of opiuoid dependence.
     lich. Die Sterblichkeitsrate liegt systema-     und die Rate an tödlichen Überdosierun-               Aufgrund der Studienlage empfiehlt es     Entwicklung von Opioidtoleranz                Ali H, Hickman M, McLaren J (2011): Mortality       Yee A, Loh HS, Hisham Hashim HM, Ng CG
     tischen Reviews zufolge bei etwa 1 % pro        gen erhöht (ACMD 2014). Darüber hinaus           sich bei Männern in OST, den Testosteron-      Eine interessante Studie aus der Charité      among regular or dependent users of heroin and      (2014): The Prevalence of sexual Dysfunc-
     Jahr und ist damit zehnfach höher als die       betrachtet das Advisory Council on the           spiegel vor Beginn und während der Opio-       in Berlin kam zu dem Ergebnis, dass sich      other opioids: a systematic review and meta-ana-    tion among Male Patients on Methadone and
     der Durchschnittsbevölkerung (Degen-            Misuse of Drugs, das als beratendes Gre-         idtherapie zu kontrollieren.                   unter Langzeitsubstitution sowohl bei         lysis of cohort studies. Addiction. 106(1):32-51    Buprenorphine Treatments: A Meta-Analysis
     hardt et al. 2011). In einer Longitudinalstu-   mium für die Regierung des United King-                                                         razemischem Methadon als auch bei             EBDD (Europäische Beobachtungsstelle für            Study. J Sex Med 11:22-32
     die mit 581 opiatabhängigen Männern in          dom tätig ist, eine primär zeitlich limitierte   Sexuelle Dysfunktion (SD)                      Levomethadon eine Toleranzentwicklung         Drogen und Drogensucht) (2016): Europäischer
     den USA betrug die Sterblichkeitsrate über      OST als medizinrechtlichen Verstoß gegen         Die sexuelle Funktionsfähigkeit sowie          beobachten lässt (Gutwinski et al. 2016).     Drogenbericht 2016: Trends und Entwicklungen,       Dr. Hans Haltmayer
     einen Zeitraum von 33 Jahren 48 %! Dabei        das ärztliche Gebot, Patienten die effek-        deren dysfunktionale Ausprägungen sind             679 Patienten (370 Methadon-Raze-         Amt für Veröffentlichungen der Europäischen         Ambulatorium Suchthilfe Wien; Suchthilfe Wien
     verstarben 21,6 % an einer Opiatüberdosis       tivste Behandlung auf Basis der besten ver-      das Ergebnis eines komplexen Zusam-            mat; 309 Levomethadon) wurden hinsicht-       Union, Luxemburg.                                   gGmbH, Wien

12    Wege aus der Sucht                                                                                                                                                                                                                                                          Wege aus der Sucht         13
Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...
Stationäre Dauerbetreuung älterer                                                                                                    der Alten- und Suchthilfe, so dass einerseits
                                                                                                                                                     das in der Altenhilfe tätige Personal Abhän-
                                                                                                                                                                                                         Der Grüne Kreis bietet KlientInnen,
                                                                                                                                                                                                        die neben der Abhängigkeitserkran-
                                                                                                                                                                                                                                                        für eine psychische Weiterentwicklung be-
                                                                                                                                                                                                                                                        deutenden Wirkfaktors – der konstanten
                                                                                                                                                     gigkeitserkrankungen und deren Risiken                                                             therapeutischen Beziehung – als äußerst

               Suchtkranker im Verein Grüner Kreis                                                                                                   besser einschätzen kann, als auch die in der       kung psychiatrische Komorbiditäten              zielführend. Die Dauer der stationären Be-
                                                                                                                                                     Suchthilfe Tätigen über die Angebote für             aufweisen, die Möglichkeit einer              treuung richtet sich nach dem jeweiligen
                                                                                                                                                     ältere Menschen und insgesamt über Mög-                                                            Entwicklungsstand dieser Menschen. Sie
                                                                                                                                                     lichkeiten der Prävention und Therapie bei          »stationären Dauerbetreuung« an.               kann einerseits ein zeitbegrenztes Mo-
                                                    65 Jahren liegt ein schädlicher Gebrauch         anderen Substanzen im Alter die durch die       älteren Menschen mit einer Abhängigkeits-                                                          dell darstellen, andererseits kann bei Be-
                                                    von Alkohol vor. Bei 5-10 Prozent der über       soziale Rollenveränderung bedingten Fak-        erkrankung besser Bescheid wissen.                                                                 darf auch eine lebenslange Begleitung im
                                                    60-Jährigen zeigt sich ein problematischer       toren wie das Verlieren des Arbeitsplatzes           Oberstes Ziel ist der Erhalt der Autono-      und Bewältigungsstrategien. Sie werden          Sinne eines Dauerbetreuungsplatzes mit
                                                    Gebrauch von psychoaktiven Medikamen-            durch Kündigung oder Pensionierung, in          mie, solange diese aufgrund der finanziel-         zu sogenannten »DrehtürpatientInnen«            Bedacht auf die weitestgehende Entwick-
                                                    ten (z. B. Beruhigungs- und Schlafmittel         Folge Rückzug, innere Leere und finanzi-        len Situation vorhanden und der Verbleib           und fallen unter Umständen nach zahlrei-        lung von Selbstständigkeit angeboten wer-
                                                    etc.) beziehungsweise von Schmerzmitteln.        elle Probleme an. Er beschreibt, dass ältere    aufgrund körperlicher und psychischer              chen Therapieversuchen und Aufenthalten         den. Im Falle von psychischen Krisen und
                                                    Während Alkohol vor allem ein Männerpro-         Menschen durch den Verlust von Angehö-          Probleme möglich ist. Prinzipiell werden           in den unterschiedlichsten Einrichtungen        Rückfällen können die KlientInnen zur
                                                    blem ist, greifen Frauen deutlich häufiger zu    rigen und durch den Zerfall der Familie an      älteren Menschen mit einer Alkoholab-              ganz aus dem Behandlungskontext. Sie ver-       Stabilisierung bis zu einer Dauer von drei
                                                    Tabletten. Der Konsum illegaler Drogen bei       Vereinsamung leiden. Sie sind vermehrt von      hängigkeit oder einer kombinierten Alko-           lieren ihre persönliche Hoffnung auf ein ei-    Monaten wieder ganz in den stationären
                                                    älteren Menschen ist eher selten, die Häu-       gesundheitlichen Problemen betroffen und        hol- und Medikamentenabhängigkeit gute             nigermaßen würdiges Leben und eine Be-          Rahmen aufgenommen werden. Vor allem
                                                    figkeit steigt jedoch. Nach Schätzungen          es kommt zu einer Verschlechterung der ge-      Behandlungserfolge in Richtung Abstinenz           wältigung ihrer Probleme und verursachen        kann mit diesem Konzept eine stigmatisie-
                                                    aus den Vereinigten Staaten könnte sich          samten Lebensqualität. Er führt in Folge das    zugeschrieben. Derzeit ist bei älteren Dro-        letztlich vergleichsweise betrachtet hohe       rende Gettoisierung durch den Verbleib in
                                                    die Zahl der über 50-Jährigen, die illegale      Motiv der Selbstbehandlung bei Depressi-        genabhängigen in Österreich eher die Sub-          Kosten. Im Sinne des Lebens dieser Men-         verschiedenen psychiatrischen Einrichtun-
                   von Petra Scheide                Drogen konsumieren und wegen ihres Dro-          onen, Ängsten und anderen psychischen           stitutionsbehandlung das Mittel der Wahl.          schen und einer entsprechenden Weiter-          gen, Heimen, Krankenhäusern oder auch
                                                    genproblems behandelt werden müssen, bis         Leiden, die im Alter auch oft als Begleiter-    Geht es letztlich um eine dauerhafte statio-       entwicklungsmöglichkeit in Richtung einer       Altersheimen verhindert werden.
                                                    2020 verdreifachen. M. Wurst folgert letzt-      krankungen von Isolation und Verlust ein-       näre Unterbringung, so gibt etwa die Hälfte        Problembewältigung in Form von selbst-
           Das Angebot »Stationäre                  lich, dass der Notwendigkeit von entspre-        hergehen, an. Die Selbstständigkeit dieser      der nach der Art der gewünschten Variante          ständigem Wohnen und einer weiteren An-         Abschließende Bemerkungen
        Dauerbetreuung mit oder ohne                chenden Behandlungsangeboten insgesamt           Gruppe nimmt ab und sie ist auf die Hilfe       befragten »älteren Süchtigen« in den vorlie-       bindungsmöglichkeit an die Tagesstruktur        Das beschriebene Konzept der »stationä-
                                                    vermehrte Bedeutung zukommen soll.               anderer angewiesen, was als deprimierend        genden Untersuchungen von I. Eisenbach-            der therapeutischen Gemeinschaft wurde vom      ren Dauerbetreuung« bietet derzeit bereits
             dislozierte Wohnform«                       Der Fokus der österreichischen Studie       und schambesetzt wahrgenommen wird.             Stangl et al. und I. Vogt et al. (2010) an, dass   Verein Grüner Kreis und seitens des ersten      einem kleinen Teil von älteren Menschen
       – ein Konzept, das sich seit vielen          von I. Eisenbach-Stangl und H. Spirig aus        ÄrztInnen verschreiben älteren Menschen         sie lieber zusammen mit aktiven oder ehe-          Kostenträgers mit umsichtigen und enga-         mit einer Abhängigkeitserkrankung und
                                                    dem Jahr 2010 liegt bei Menschen mit ei-         schneller Beruhigungsmittel und Antide-         maligen Drogenabhängigen in einer Art              gierten MitarbeiterInnen der Niederöster-       somatisch und psychisch vorliegenden Ko-
         Jahren auch bei älteren Sucht-             nem problematischen Drogenkonsum, das            pressiva oder empfehlen Alkohol, da die         Wohngemeinschaft leben möchten als in              reichischen Landesregierung im Jahr 2000        morbiditäten im Verein Grüner Kreis eine le-
                kranken bewährt                     heißt, einem Missbrauch illegaler Substan-       psychotherapeutische Behandelbarkeit an-        einem Altersheim.                                  für den ersten Klienten das »stationäre Be-     benswerte Chance. Die Betroffenen führen
                                                    zen und/oder Substitutionsmittel. Sie be-        gezweifelt wird. Allerdings ist diese Überle-                                                      treuungssystem« realisiert. Es folgten in den   immer wieder an, dass sie dieses Angebot
                                                    schreiben, dass sich die Anzahl der älteren      gung inzwischen überholt.                       Das Angebot der »stationären Dauerbetreuung«       nächsten Jahren Kostenübernahmen durch          sehr schätzen und darauf hoffen, dass sie in
     Zahlen und Fakten                              Drogenabhängigen inklusive des Anstiegs              I. Vogt und MitarbeiterInnen (2010)         im Verein Grüner Kreis                             mehrere andere Bundesländer.                    diesem Sinne ihr Leben weiter mitgestalten
     Ältere Menschen mit einer Abhängigkeits-       auf Basis des Substitutionsregisters – sie ge-   vom Institut für Suchtforschung in Frank-       Der Verein Grüner Kreis bietet seit dem Jahr           In den Fällen, in denen eine unabhängi-     können.
     erkrankung wurden bis vor wenigen Jahren       hen dabei von einem Alter ab 35 Jahren und       furt beschreiben als Folgeerkrankungen von      2000 vor allem KlientInnen, die neben der          ge, eigenständige Rehabilitation nach Ab-
     eher als Randgruppe betrachtet und die The-    höher aus – zwischen 2000 und 2007 ver-          Opiat- und Drogenabhängigkeit und den da-       Abhängigkeitserkrankung psychiatrische             schluss der stationären Langzeittherapie        Literatur
     rapieangebote in den versorgenden Einrich-     doppelt hat. 2007 gab es somit 7.166 ältere      mit verbundenen Lebensweisen einen be-          Komorbiditäten aufweisen, nach erfolgter           nicht realistisch erscheint, versuchen die      Radebold H., Hirsch R.D.: Altern und Psychothe-
     tungen vermehrt nach den Bedürfnissen          Drogenabhängige in Österreich, vier Fünftel      schleunigten Alterungsprozess und früher        stationärer Therapie die Möglichkeit zur           Betroffenen einen teilweisen Schritt in die     rapie. Verlag Huber, Bern, 1994
     jüngerer Menschen konzipiert. Gleich wie       davon waren Männer und zwei Drittel da-          beginnende typische Alterserkrankungen          »stationären Dauerbetreuung« an. Dieses            Welt außerhalb der jeweiligen therapeuti-       Scholz H.: Substanzabhängigkeiten im höheren
     der Anteil älterer Menschen in der Gesamt-     von lebten in Wien. Letzteres schreiben die      wie Herz-Kreislauf-Probleme, Hypertonie,        Konzept bewährt sich auch bei älteren Men-         schen Gemeinschaft des Vereins und damit        Lebensalter. Department für Psychosomatik
     bevölkerung durch den demografischen           AutorInnen unter anderem dem besseren            Stoffwechselerkrankungen, Muskel- und           schen mit einer Abhängigkeitserkrankung.           in ihre Entwicklung zu mehr Selbststän-         am KH Waiern und Spielsuchtambulanz Villach.
     Wandel steigt, so steigt laut aktuellen Stu-   Zugang zu versorgenden Einrichtungen in          Skelettkrankheiten, Krebs. Virusinfektio-           Die in den vergangenen Jahren ge-              digkeit. Sie nutzen tagsüber die Struktur       Vortrag gehalten beim »Gerontopsychiatrischen
     dien auch der Anteil älterer Menschen mit      Wien zu. Abschließend erwähnen sie eben-         nen wie Hepatitis B und C und Aids kön-         machten Erfahrungen in der Behandlung              und die Behandlungsmöglichkeiten (Ar-           Samstag« Hotel Europa, Graz, 6.2.2011
     einer Abhängigkeitserkrankung unter an-        falls die Notwendigkeit der Diskussion der       nen den Krankheitsprozess verkomplizie-         von KlientInnen in den Therapeutischen Ge-         beitstherapie, psychotherapeutische, all-       Eisenbach-Stangl I., Spirig H.: Auch Drogenab-
     derem auch aufgrund verbesserter sozialer,     Frage nach angemessener Versorgung und           ren und beschleunigen. Die AutorInnen           meinschaften zeigen, dass eine bestimmte           gemeinmedizinische und psychiatrische           hängige werden älter ... Zur Lebenssituation einer
     medizinischer und Schaden minimierender        Behandlung.                                      beschreiben in Folge Hinweise darauf, dass      Gruppe von Menschen mit zusätzlich zur             Versorgung, Freizeitangebote, soziale Kon-      Randgruppe. Europäisches Zentrum für Wohl-
     Versorgungsangebote.                                                                            sich bei älteren Drogenabhängigen relativ       Abhängigkeitserkrankung entweder vor-              takte etc.) und leben in der übrigen Zeit in    fahrtspolitik und Sozialforschung, Wien, 2010
         In einem Bericht der Zeitung »Ärzte        Probleme und Folgen des Alterns und älterer      früh im Leben Zeichen von Demenz häu-           liegenden psychischen Erkrankungen wie             vom Verein zu diesem Zweck angemiete-           Verein Grüner Kreis: Stationäre Dauerbetreuung,
     Woche« führt M. Wurst, Vorstand der Abtei-     Menschen mit einer Abhängigkeitserkrankung       fen. Die KlientInnen in der Untersuchung        Psychose, Depression, Borderlinesyndrom,           ten Wohnungen. Die Form und das Aus-            https://www.gruenerkreis.at/dauerbetreuung
     lung Psychotherapie II und Suchtmedizin        im Speziellen                                    vom I. Vogt et al. nennen am häufigsten         Angststörung, ADHS usw. oder geistiger             maß der Betreuung werden dabei auf die          Vogt I. et al.: Ältere Drogenabhängige in Deutsch-
     der Christian-Doppler-Klinik in Salzburg,      Das Altern ist eine Phase der Neuorien-          Ängste, Depressionen, Suizidgedanken,           Behinderung oder aber auch psychischen,            individuellen Fertigkeiten, Ressourcen, Be-     land. Abschlussbericht. Studie im Auftrag des Bun-
     2010 an, dass die Suchtproblematik im Alter    tierung und geht mit dem Verlust von Auto-       Essstörungen, Vergesslichkeit und psycho-       körperlichen und sozialen Problemen auf-           dürfnisse und Defizite dieser Menschen ab-      desministeriums für Gesundheit. Institut für Sucht-
     eine häufig auftretende Thematik ist. Aus      nomie und Strukturen einher. Es wird häufig      tische Symptome als psychische Folgen ih-       grund des fortgeschrittenen Alters eine ad-        gestimmt und sie werden in den verschie-        forschung, Frankfurt, 2010
     wissenschaftlichen Studien geht hervor,        mit negativen Zuschreibungen versehen.           rer Abhängigkeitserkrankung.                    äquate und individuelle Weiterbetreuung            denen Entwicklungsphasen immer wieder           Wurst M., Kunz I.: Sucht im Alter wird unter-
     dass von einem regelmäßigen Alkoholkon-        Hauptsächlich wird das Altern mit Verlus-            In den letzten Jahren entstehen, die Be-    benötigt. Diese Menschen haben nach er-            gemeinsam mit den KlientInnen adaptiert.        schätzt. Fachbereich Psychiatrie und Psychothe-
     sum bei mindestens 50 Prozent der über         ten in Verbindung gebracht und überwie-          handlung älterer Menschen mit einer Ab-         folgter Entwicklung und dem Erreichen des          Die »stationäre Dauerbetreuung« erfolgt         rapie, Ärzte Woche, Ausgabe 19/2010
     60-Jährigen ausgegangen werden muss und        gend mit der Abnahme der intellektuellen         hängigkeitserkrankung betreffend, indivi-       Abstinenzziels oder einer stabil eingestell-       dabei durch geschulte MitarbeiterInnen          Zapotoczky H.G., Fischhof P.K.: Handbuch der
     dass bis zu drei Prozent der über 65-Jähri-    und physischen Leistungsfähigkeit ver-           duelle ambulante Angebote und erweiterte        ten Substitution in der stationären Behand-        des Vereins Grüner Kreis. Zusätzlich nutzt      Gerontopsychiatrie. Springer Verlag, Wien, 1996
     gen eine Alkoholproblematik im Sinne einer     knüpft wahrgenommen.                             stationäre Konzepte, integriert in Einrich-     lung und bei einer fehlenden entsprechen-          diese Gruppe von Menschen die Weiter-
     Alkoholabhängigkeit aufweisen. Bei weite-          H. Scholz führt als Gründe für den ver-      tungen der Sucht- und der Altenhilfe. Es er-    den Weiterbetreuungsmöglichkeit immer              betreuung durch die Bezugspsychothera-          Dr.in Petra Scheide
     ren 5-20 Prozent in der Altersgruppe über      mehrten Missbrauch von Alkohol oder              folgt auch eine Vernetzung der ExpertInnen      wieder Rückfälle in alte Störungsmuster            peutInnen. Dies erweist sich im Sinne des       Leitung »Region Ost« im Verein Grüner Kreis

14    Wege aus der Sucht                                                                                                                                                                                                                                                           Wege aus der Sucht         15
Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ... Im Herbst des Lebens 100 - Österreichische Gesellschaft für ...
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