JAHRHEFT #83 2019 - Das Ritterhaus Bubikon
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Bildnachweis Ritterhausstrasse 35 8608 Bubikon Seiten 7, 8, 9: Andreas Franz Tel. 055 243 39 74 Seite 13: Marco Zanoli info@ritterhaus.ch Seiten 14, 15: Beat Meier www.ritterhaus.ch Seite 17: Ritterhausgesellschaft Bubikon Seiten 20, 22, 23, 25: Thomas Nussbaumer, ISSN 2235-4751 Daniela Tracht, Michael Sonderegger, Jahrheft der Ritterhausgesellschaft Bubikon Marco Zanoli Seite 28: Ritterhausgesellschaft Bubikon Redaktion: Boris Bauer Seiten 29, 31: Staatsarchiv Zürich Design und Layout: spinazze.ch, Rüti Seiten 39, 41, 42/43, 44: Michael Sonderegger Druck: Eristra-Druck AG, Rüti Seiten 51: Bild 1 und 2 Marco Z anoli; Bild 3, Michael Sonderegger Ritterhausgesellschaft Seite 53: Marco Z anoli Bubikon, 2020 Seite 58: Michael Sonderegger 2
INHALT 6 Restaurierung der Innenräume 13 Sanierungen am Ritterhaus Bubikon 2019 16 Besuch vom Lord Prior Des Order of St John 18 Jahresbericht des Vorstandes 2019 20 Museumssaison 2019 26 Herrschaftsausbau und Besitzakkumulation 39 Protokoll 83. ordentliche Hauptversammlung 45 Jahresrechnung 50 Das Betriebsjahr 2019 54 Mitteilungen Organisatorisches 5
Von Andreas Franz RESTAURIERUNG DER INNENRÄUME VORBEREITUNGEN FÜR DIE KONSERVIERUNG Anlässlich der Hauptversammlung der 2019 Auftragserteilung zur Planung der Ritterhausgesellschaft Bubikon (RHG) hat Innenrestaurierung an Andreas Franz. der Konservator-Restaurator Andreas Franz 2020 Geplanter Beginn der Restaurierun- von aaf restaurierungen gmbh die Gele- gen der Innenräume, Decken, Wände, genheit wahrgenommen, über die bereits Böden und Kachelöfen unter Voraus- ausgeführten sowie bevorstehenden Arbei- setzung der Genehmigung des zur ten an den Innenräumen zu berichten. Finanzierung notwendigen Beitrags- gesuchs durch Bund und Kanton. Überblick über die wichtigsten Ereignisse in Bezug auf die bevorstehende Gründe für die Konservierung- Innenrestaurierung Restaurierung der Innenräume 1938 Erwerb des Ritterhauses durch die Vorab ist anzumerken, dass die meisten RHG und Beginn der Instandstellungs- Innenräume seit ungefähr 80 Jahren arbeiten. keiner Renovation, geschweige denn 1941 Eröffnung des Museums im bereits in- einer Konservierung-Restaurierung mehr stand gestellten Teil des Ritterhauses. unterzogen wurden. Das ist eine sehr 1960 Nach 22 Jahren: Abschluss der lange Zeitspanne, wenn man bedenkt, Instandstellung. dass beispielsweise Kirchen etwa alle 1991 Beginn der Restaurierungsarbeiten 25 Jahre bearbeitet werden. Nicht, dass nur in der Kapelle nach 30-jähriger dies nachlässig oder schlimm wäre, doch Pause. soll dadurch verdeutlicht werden, dass 1995 Abschluss der Restaurierungsarbeiten die Innenrestaurierung längst überfällig in der Kapelle. ist und dafür entsprechend hohe Kosten 1999 Eröffnung des neuen Museums mit anfallen. der heutigen Dauerausstellung. 2009 Beginn einer ausgedehnten Fassa- Um den Restaurierungsbedarf einschätzen densanierung. zu können, wurden die Innenräume unter 2018 Beginn der Vorbereitungen für die sucht und deren Zustand beschrieben. Innenrestaurierung. Dabei lag das Augenmerk vor allem auf Jahrheft #83 | 2019 RESTAURIERUNG 6
Schäden, welche behoben werden müssen, um nicht künftig vor einem Totalverlust oder grösseren Problemen zu stehen. Einige dieser Schäden sind augenfällig und können auch von Laien erkannt wer- den, andere wiederum sind nur mit dem nötigen Fachwissen und entsprechender Ausrüstung zu sehen. Die augenfälligsten Schäden finden wir in der Kapelle und der Kapellenvorhalle. Dort können, vor allem in den unteren Wandbereichen, dunkle Verfärbungen, abbröckelnder Putz oder Krusten auf den Oberflächen bemerkt werden. Kapelle, Sockelzone Nordwand: beschädigte Putzoberfläche mit dunklen Verfärbungen. Das Bild oben rechts zeigt einen solchen Bereich mit durch Salzverwitterung stark beschädigter Oberfläche. Zudem sind teilweise dunkle Flecken zu sehen, welche von einem biogenen Befall durch Blaualgen zeugen. Allerdings zeigt besagte Ober- fläche auch zahlreiche Ausbesserungen, woraus abgeleitet werden kann, dass es sich bei diesen Schäden nicht um ein neues Phänomen, sondern ein seit langem be- stehendes, immer wieder ausgebessertes, Problem handelt. Wie kommt es nun aber zu solchen Schä- den an der Putzoberfläche oder zu bio- Kapelle, Sockelzone Ostwand: genem Befall? Diese Phänomene zeugen Salzkrusten und Oberflächenverwitterung. immer von klimatischen Problemen oder schädlichen Einflüssen aus der Umgebung. Um Salze zu lösen, braucht es eine gewisse Menge an Feuchtigkeit. Diese kann von ösung, so kann es mit der Feuchtigkeit L mangelnder Bauabdichtung, falschen wandern um dann, in trockenerer Umge- Materialien oder auch von kondensieren- bung, wieder auszukristallisieren. Bei diesem der Feuchtigkeit an Bauteilen herrühren. Vorgang zerstört das Salz den Verputz. Ist das Salz, resp. die Salze (denn es handelt Dieses Phänomen kann sich beliebig oft sich meist um Gemische unterschiedlicher wiederholen und führt zu einer immer wie- Salzarten, sogenannte Salzsysteme) in derkehrenden Schädigung der Oberfläche. → 7
Weiterer Instandstellungsbedarf ist an den Fussböden und Kachelöfen anzutreffen. Hunderte Quadratmeter von Holzböden in unterschiedlichstem Zustand sowie Sandstein- und Tonplattenböden mit klei- neren und grösseren Schäden sind verteilt über den ganzen Baukomplex Ritterhaus anzutreffen. Offene Fugen, abgesunkene Platten oder Dielenbretter, welche sich auf- grund der stark abgebauten Holzsubstanz mit den Gerätschaften des Hausmeisters kaum noch reinigen lassen, ohne den Scha- den dadurch noch zu vergrössern. Es handelt sich hierbei um sehr augen fällige Zustände, welche nicht durch mangelnde, falsche oder gar schlechte Pflege entstanden sind, sondern die sich infolge der lange ausgebliebenen Beinhaus: oberflächenparalleler Instandhaltungsarbeiten kumuliert haben. Verlust der Oberfläche infolge von Dies verdeutlicht, dass man Dinge zwar Feuchtigkeit und Salzen. vor sich herschieben kann, sie dadurch aber nicht besser werden. Treppenhaus Nord: stark abgebaute Holzoberfläche der Dielenbretter. Jahrheft #83 | 2019 RESTAURIERUNG 8
Aufnahme von 1943: Die Darstellung ist deutlich erkenn- und lesbar. Aufnahme von 2019: deutlich schwächere Lesbarkeit gegenüber der Abbildung von 1943. Weiterführende Untersuchungen Da es sich bei der Aufnahme von 1943 um und Abklärungen eine Fotografie in Schwarzweiss handelt, Die durchgeführten Untersuchungen konn- stellen wir die Aufnahme von 2019 eben- ten nicht in jedem Fall die Verwitterung falls in Schwarzweiss gegenüber. Trotzdem erklären, deshalb werden an spezifischen die Farbigkeit entfernt wurde, sind helle Punkten weitere Beobachtungen und und dunkle Bereiche der Aufnahme von Abklärungen vorgenommen. Ein eindrück- 1943 klar zu erkennen und die Umriss liches Beispiel für den mit der Verwitte- linien der Darstellung ermöglichen eine rung einhergehenden Verlust ist in der gute Interpretation des Bildwerkes. In der Kapellenvorhalle anzutreffen. Die beiden Aufnahme von 2019 hingegen kann bereits oben stehenden Abbildungen zeigen das vieles nur noch schwer erkannt und gedeu- Wandgemälde «die Verdammten» rechts tet werden. Die beiden Bilder sind durch des Kapelleneinganges an der Ostwand digitale Bildbearbeitung in ihrer Lesbarkeit der Vorhalle. optimiert. Vor Ort in der Vorhalle wird der Besucher Mühe haben, überhaupt etwas von der Darstellung erkennen zu können. → 9
Im Zeitraum von 78 Jahren, der zwischen genügend Feuchtigkeit, aber auch einen den beiden Aufnahmen liegt, sind gegen stark alkalischen oder stark von alkalischen 70–80 % der Darstellung verloren ge- Salzen belasteten Untergrund. Dies alles gangen. Die genaue Ursache für diesen ist in der Vorhalle, der Kapelle und dem Verlust ist noch Bruderhaus gegeben. nicht abschliessend UNBEKANNT IST Im Frühjahr, wenn geklärt. Es könnte die Aussentem- sich um die bereits JEDOCH, WOVON peraturen bereits früher beschriebe- ne Verwitterung SICH DIE BAKTERIEN angenehm sind, liegt die Temperatur der durch Salze oder ERNÄHREN. Wandoberflächen auch einen Effekt, in den besagten ausgelöst durch eine unterschiedlich starke Räumen noch sehr tief. Die Feuchtigkeit Erwärmung der Wand durch einfallendes in der warmen Luft, welche von draussen Sonnenlicht, handeln. Die letztere Möglich- hereinkommt, kondensiert auf den win- keit ist vielleicht zutreffend, denn die Fens- terkalten Wandoberflächen und benetzt ter in der Westwand der Kapellenvorhalle diese ausreichend, dass sich die Bakterien wurden erst 1941 geöffnet. Der thermo ansiedeln können. Bekannt ist, welche dynamische Effekt von sich unterschiedlich Bedingungen nötig für diese Ansiedelung schnell ausdehnenden und zusammen sind. Unbekannt ist jedoch, wovon sich die ziehenden Materialien (Pigmente, Binde- Bakterien ernähren. Im ungünstigsten Falle mittel usw.) könnte zu einem schleichenden ernähren sie sich von organischen Substan- Verlust der Malerei führen. zen und könnten damit verantwortlich für den schleichenden Zerfall der Malereien in Vielleicht ist aber auch etwas ganz anderes der Kapellenvorhalle sein. Doch wenn dies Schuld an diesem langsamen Verlust: bio- der Grund wäre, warum erscheinen dann gener Befall. In der Kapelle, der Vorhalle, die Malereien in der Kapelle um so viel bes- aber auch im Bruderhaus finden sich über- ser erhalten? Schliesst der deutlich bessere all Wandbereiche, welche einen leichten Zustand der Wandgemälde in der Kapelle Rosaton aufweisen. Man könnte beinahe diese These nicht aus? Aus der zu Beginn meinen, dass es sich dabei um Reste eines des Artikels aufgelisteten Chronologie der früheren Wandanstriches in Altrosa han- wichtigsten Ereignisse seit dem Erwerb deln könnte. Allerdings stammt diese rosa des Ritterhauses durch die Ritterhausge- Farbe von etwas ganz anderem. Es handelt sellschaft geht hervor, dass die Kapelle und sich dabei um sogenannte «Rosabakterien». im Speziellen die Wandgemälde in den Diese Bakterien leben in Kolonien und Jahren 1991–1995 aufwendig restauriert besiedeln ganze Wandflächen, mitunter worden sind. In der Vorhalle wurde jedoch ganze Gebäudeteile. Sie sind hochspezia- nichts unternommen. Daher lässt sich über lisierte Organismen, welche sich nur unter den Vergleich des Erhaltungszustands der ganz spezifischen Umgebungsbedingun- Malereien in den beiden Räumen auch gen entwickeln können. Es benötigt immer nichts über den Zerfall herleiten – leider. Jahrheft #83 | 2019 RESTAURIERUNG 10
Es wird noch einiges an Beobachtung und ist bedeutend einfacher, einen Raum neu zu Forschung notwendig sein, um hier die kalken, um ihn wieder sauber und ansehn- genauen Zerfallsmechanismen herauszu- lich wirken zu lassen, als ihn sorgfältig zu finden. Sicher ist hingegen, dass man den konservieren und zu restaurieren, um ihm Rosabakterien oder den im Sockelbereich seine Würde und Authentizität zu erhalten. der Vorhalle vorhandenen Blaualgen nur Doch genau darum geht es: Die Echtheit des durch eine Veränderung der klimatischen Ritterhauses muss unbedingt bewahrt wer- Bedingungen begegnen kann. Eines der den. Darauf arbeiten wir gemeinsam hin! wichtigsten Projekte ist daher die Opti- mierung des Kapellenklimas, wofür eine Das konkrete Ziel der anstehenden Konser interdisziplinäre Expertengruppe zusam- vierung-Restaurierung ist, den derzeitigen mengestellt wurde, welche gemeinsam Zustand zu stabilisieren, sei es nun durch eine Lösung erarbeiten wird. präventive Konservierung oder Konservie- rung. Präventive Massnahmen schliessen Ziele der Konservierung-Restaurierung beispielsweise die Verbesserung klimati- der Innenräume – ein Ausblick scher Bedingungen ein, mittels derer die Bei allen Untersuchungen und Arbeiten, Alterung der Materialien verlangsamt welche in den Innenräumen des Ritterhau- werden kann. Ebenfalls dazu zählen der ses ausgeführt werden, ist die Zielsetzung Schutz stark beanspruchter Bodenberei- massgebend für das spätere Erscheinungs- che (z. B. abgelaufener Dielen) durch eine bild. Dazu ist es wichtig, sich vor Augen geänderte Besucherführung, welche die zu führen, was den schützenswerten Charme des Ritterhau- DIE ECHTHEIT und geschwächten ses ausmacht. Bewegt Zonen auslässt und man sich heute durch DES RITTERHAUSES somit die Abnüt- die Räumlichkeiten, so erscheint einem nichts MUSS UNBEDINGT zung reduziert. unecht. Aus allen BEWAHRT WERDEN. Konservierende Räumen und Ecken Massnahmen hauchen einen die vergangenen Jahrhun- beinhalten z. B. die Stabilisierung loser derte an und lassen die Zeit der Johanniter Putz- oder Malschichten und die Reinigung in Bubikon lebhaft vor dem inneren Auge sämtlicher Oberflächen. Zu den konservie- entstehen. Diese Authentizität kann man renden Massnahmen gehören aber auch nicht kaufen oder konstruieren. Sie ist das die Stabilisierung von Holzböden, loser Ton- Ergebnis von Oberflächen, welche über platten oder offener Fugen mittels Hinter- eine lange Zeit gealtert sind. Spuren von füllung oder Zurückkleben loser Schichten, Feuer oder geänderten Raumeinteilungen Schliessen von offenen Fugen usw. verstärken und bestätigen diesen Eindruck nur noch mehr. Die Konservierung-Restau- In einigen wenigen Fällen werden nach rierung der Innenräume hat denn auch erfolgter Konservierung kleinere restaura- dieser Geschichte Rechnung zu tragen. Es torische Eingriffe vorgenommen. → 11
Dies z. B. um die Lesbarkeit einer Dar- stark beschädigten Verputze in der Werk- stellung zu verbessern oder um störende statt des Hausmeisters sowie der Ersatz des Flecken auf einer Fläche zu mindern. nicht mehr zu rettenden Zementbodens im selben Raum. Beide sind nicht historisch Nur in ganz wenigen Fällen sind Renovie- und tragen ausserdem zur Schädigung der rungsarbeiten vorgesehen. Dazu zählt zum bauzeitlichen Mauern bei, da sie zu dicht Beispiel der Ersatz der zementösen und und zu stark salzbelastet sind. Begriffserklärung Präventive Zustandserhalt durch flankierende Massnahmen ohne Eingriff Konservierung: am Objekt Konservierung: Der reine Erhalt eines Zustandes durch nicht sichtbare Eingriffe am Objekt Restaurierung: Massnahmen nach erfolgter Konservierung zur Verbesserung der Lesbarkeit oder der Ästhetik eines Objektes Renovierung: Instandstellung eines Objektes mittels Ersatz oder Teilersatz von Bestandteilen sowie kompletter Überarbeitung der Oberflächen, z. B. durch Anstriche. × Jahrheft #83 | 2019 RESTAURIERUNG 12
SANIERUNGEN Von Beat Meier AM RITTERHAUS BUBIKON 2019 Mit den steigenden Temperaturen im dem bestehenden Sockelmauerwerk ein Frühjahr konnten nach der winterlichen massiver Sockel aus Kalkbeton angebracht Austrocknungszeit endlich die Arbeiten an (siehe Bild). Die neu verlegte Sickerleitung den Fundamenten der Kapellenwestseite wird künftig alles Oberflächenwasser im weitergeführt werden. Im Zuge der Grabar- Fassadenbereich zuverlässig der Meteor- beiten wurde unter Terrain ein stillgelegter wasserleitung zuführen. Schacht mit einem Rest Leitungsstück zur Aussenwand hin entdeckt. Schacht und Lei- Nachdem Ende 2018 alle Arbeiten an der tung waren randvoll mit Dreck und Wasser. Fassadensanierung Ost und Nord abge- Um dem Kapellenvorraum ein Maximum schlossen waren und das Gerüst rundum an Feuchteschutz zu bieten, wurde vor entfernt werden konnte, wurden im → 13
Frühling 2019 die Grabarbeiten für die Fundamentsanierung und die Sickerlei- tungen in Angriff genommen. Natürlich waren auch an den Ost- und Nordfassaden die Archäologen vor Ort, um die Überra- schungen unter dem Boden zu reinigen und zu dokumentieren. Wie erwartet kam Verschiedenes zum Vorschein. An der Ost- seite des Komturgebäudes wurden einige Überreste von Jauchegruben entdeckt, die lange nicht mehr in Betrieb waren, für die neuen Sickerleitungen jedoch zurückge- baut werden mussten (siehe Bild). Nach Abschluss der Konsolidierungsarbeiten an den recht lockeren Fundamenten sowie des Sockelputzes durch den Baumeister wurde auf der ganzen Länge ab Ecke Kapelle eine neue Sickerleitung verlegt. Damit sollen eine mögliche Staunässe und Durchfeuch- tung des Mauerwerkes von unten künftig vermieden werden. Gleichzeitig wurde auch die Ableitung des Regenwassers des Komturgebäudes neu gefasst und künftig kann das Wasser dem Brunnen im Kräuter- garten zugeführt werden. Bei den Grabarbeiten rund um die Kapelle konnten alte Fundamente der früheren ersten Kapelle und deren teilweise Nach- bildung aus den 40er-Jahren freigelegt werden. Zur Überraschung aller wurden Auf der Nordseite des Bruderhauses in diesem Bereich alte Sickerleitungen aus bestand das Fundament teilweise nur aus Tonröhren gefunden, die jedoch im Laufe ein paar lose verlegten Bollensteinen – der Jahrzehnte völlig zugewachsen waren offenbar hielt die Mauer hier bisher aus und nicht mehr funktionierten. Deshalb lauter Gewohnheit. Durch fachkundige wurden auch hier neue Drainageleitungen Ergänzung mit grossen Steinen sowie dem verlegt, um die Aussenwände der Kapelle Verbund mit entsprechendem Kalkmörtel und des Bruderhauses möglichst trocken zu durch den spezialisierten Bauunternehmer halten. Im Zuge der Umgebungsarbeiten konnte die Tragfestigkeit nun wieder auf wurde der östliche Notausgang neugestal- lange Sicht gesichert werden. tet und die Stufen in Sandstein ausgeführt. Jahrheft #83 | 2019 SANIERUNGEN 14
1 Fundamentsockel der Kapellenwestseite. 2 Fundament der Kapelle auf der Südseite nach der Reinigung durch die Archäologen. 3 Alte Jauchegruben auf der Ostseite des Komturhauses. 1 2 3 In Ergänzung zu den rundum laufenden Im Nachgang zu den Arbeiten am Sockel- Sickerleitungen wurden auch Korrekturen putz wurden die Restauratoren für die und Ergänzungen an den Schmutzwasser- verschiedenen Anpassungen und Material- leitungen vorgenommen. So wurden die übergänge noch einmal aktiv. Kontrollschächte auf der Ostseite erneuert und mit einer neuen Reserveleitung ergänzt. Selbstverständlich werden die Arbeiten Das Regenwasser wurde konsequent vom an den Leitungen mit einer lückenlosen Schmutzwasser getrennt und nördlich des planerischen Dokumentation abgeschlos- Bruderhauses ein neuer Kontrollschacht sen, damit auch nachfolgende Genera- versetzt. tionen im Ritterhaus über die Lage und Qualität der Leitungen im Bild sind. × 15
BESUCH VOM LORD PRIOR Von Marco Zanoli DES ORDER OF ST JOHN Am 13. Mai 2019 konnte eine Delegation Reihe von links nach rechts die Wappen der des Vorstands der Ritterhausgesellschaft Johanniterorden aus Deutschland, Grossbri- Sir Malcolm Ross, den Lord Prior des briti- tannien, der Niederlande sowie Schwedens. schen Order of St John, mit Gattin im Ritter- In der unteren Reihe stehen die Wappen der haus empfangen und durch die Ausstellung Orden aus Ungarn, der Schweiz, Finnland führen. Die Gäste aus England zeigten sich und Frankreich.1 sehr interessiert am Haus, seiner Geschichte und den Exponaten aus der Ordensge- Es war also sehr treffend, dass der Präsi- schichte. Zum Abschluss konnten trotz der dent des Hilfswerks der Schweizer Johan- kalten Bise im sonnigen Kräutergarten niter, Herr Thomas Vorwerk, den Lord Prior einige schöne Gruppenbilder geschossen nach Bubikon führte, wo die Kooperation werden, um den Besuch in den Annalen der Orden in der Nachkriegszeit gewisser- des Ritterhauses auch bildlich festzuhalten. massen ihre Wiege hat. Denn der Haupt- grund für die Anwesenheit Sir Malcolms Dies war das erste Mal seit 1956, dass die in der Schweiz war das jährliche Treffen Ritterhausgesellschaft einen Lord Prior in der «Johanniter International (JOIN)», wel- Bubikon empfangen durfte. Damals fanden ches dieses Jahr in Zürich stattfand. Dieses in der Schweiz intensive Kontakte zwischen Netzwerk der Hilfswerke des Johanniter- den verschiedenen Zweigen des Johanni- ordens wurde im Jahr 2000 gegründet zur terordens statt, die am 5. September 1958 Vernetzung der weltweit ehrenamtlich im Ritterhaus Bubikon zu einem ersten tätigen Mitglieder. Besonders im Bereich formellen Zusammentreffen der Orden aus des Rettungsdienstes und der Gesund- Deutschland, England, Frankreich, Schwe- heitsfürsorge sowie der h umanitären Hilfe den, den Niederlanden, Finnland, Ungarn sind diese Vernetzung und der Austausch und der Schweiz führten. An dieses Ereignis sehr wichtig. erinnern heute im Rittersaal eine Tafel sowie eine Wappenscheibe. Lord Prior Lieutenant-Colonel Sir Walter Hugh Malcolm Ross übernahm nach einer Die Allianzscheibe der Johanniterorden Militärkarriere verschiedene Ämter am wurde der Ritterhausgesellschaft 1981 über- britischen Hof. Er wurde mehrfach ausge- reicht, um an die Gründergespräche von zeichnet und 1999 in den Adelsstand erho- 1958 zu erinnern. Sie zeigt in der oberen ben. 2016 setzte ihn die britische Königin Jahrheft #83 | 2019 BESUCH VOM LORD PRIOR 16
Gruppenbild im Kräutergarten des Ritterhauses Bubikon: Verena Vorwerk, Thomas Vorwerk, Lady Susan Ross, Robert Hotz, Christine Bernet, Sir Malcolm Ross, Marco Zanoli (v. l. n. r.). Elisabeth II. als Lord Prior des Ordens ein. In zu würdigen und Kontakte zu den verschie- der Struktur des Order of St John ist dies das denen weltweiten Teilen der Organisation zu dritthöchste Amt. Über diesem stehen nur pflegen. Gemäss den Angaben des Ordens die Königin und der Grand Prior, der tradi- engagieren sich über 300’000 Männer und tionsgemäss aus der Königsfamilie stammt. Frauen weltweit ehrenamtlich und auch als Dies ist derzeit Prinz Richard, Herzog von Angestellte für die karitativen Ziele dieser Gloucester, ein Cousin der Königin. Sir Organisation. Zuletzt seien er und seine Frau Malcolm übergab sein Amt im Juni 2019 an durch acht subsaharische Länder gereist, seinen designierten Nachfolger, den Kanzler wo der Orden verschiedene Hilfswerke finan des australischen Priorats, Prof. Mark Comp- ziere und enorme Arbeit geleistet werde, ton. Leider verstarb Sir Malcolm bereits kurz die man nicht genug schätzen könne. nach seinem Rücktritt am 27. Oktober 2019 überraschend im Alter von 76 Jahren. Es war eine grosse Ehre und eine grosse Freude, dass wir Sir Malcolm im Ritterhaus Ich hatte Gelegenheit mit dem Lord Prior empfangen durften. Wir hoffen auch in Hin- kurz über seine Tätigkeit für den Orden zu blick auf die bevorstehende Überarbeitung sprechen. Er berichtete mir, dass es eine sehr des Museums wieder engere Bande zum grosse Ehre für ihn und seine Frau gewesen Order of St John knüpfen zu können, um sei, dieses Amt ausüben zu dürfen. Er habe auch die Tätigkeit dieses Ordens wieder bes- seit seiner Ernennung 43 verschiedene ser in der Ausstellung abbilden zu können. Länder besucht, um dort die Arbeit der ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Ordens Jahrheft der Ritterhausgesellschaft Bubikon, 1981. 1 × 17
JAHRESBERICHT DES VORSTANDES 2019 Von Marco Zanoli Wie bereits in den vorigen Jahren standen Die schön gestaltete moderne Ausstellung auch 2019 Baufragen im Zentrum fast jeder ist sehr zu empfehlen. Sitzung der Betriebskommission und des Vorstands. So konnten wir in diesem Jahr Die 83. ordentliche Hauptversammlung der die Sanierung der Aussenfassaden mit Ritterhausgesellschaft wurde am 15. Juni der Kapellenvorhalle sowie der Nord- und 2019 durchgeführt. Anwesend waren Ostfassade unter der Leitung von Architekt 72 stimmberechtigte Mitglieder und zahl- Beat Meier erfolgreich und bei Gesamt- reiche Gäste, darunter besonders erwäh- kosten von rund Fr. 940’000 innerhalb des nenswert wiederum eine Delegation des budgetierten Rahmens abschliessen. Für Historischen Vereins der Malteserstadt Hei- die Aufgleisung der auf 2020 verschobe- tersheim. Der Vorstand verabschiedete die nen Restaurierungen und Sanierungen im Aktuarin Rosmarie Bernauer, welche das Innenbereich konnte bereits 2018 Andreas Amt seit 2012 innehatte. Ihre Aufgabe wird Franz gewonnen werden, der als restaura- von Boris Bauer übernommen, der bisher torischer Fachbauleiter die Vorbereitung für die Ressorts Archiv und Öffentlichkeits- und Ausschreibung der Arbeiten koordi- arbeit zuständig war. Die Öffentlichkeits- nierte. Er erarbeitete bis im Sommer 2019 arbeit wird interimistisch vom Präsidenten, einen Antrag über rund Fr. 3.9 Mio. für die der Betriebs- und der Museumsleiterin nächste Etappe der Gesamtrenovation des übernommen. Die Versammlung wurde von Hauses, den die Ritterhausgesellschaft beim einem spannenden Vortrag von Andreas Kanton Zürich einreichte. Franz über die anstehenden Restaurierun- gen im Ritterhaus abgeschlossen. Der Vorstand traf sich 2019 zu zwei und die Betriebskommission zu zehn ordentli- Im Rahmen einer Auffrischung des gesam- chen Sitzungen. Die Betriebskommission ten Auftritts der Ritterhausgesellschaft unternahm zudem einen Ausflug nach wurde 2019 das Logo sanft angepasst und St. Gallen, um sich die neu gestaltete Aus- zahlreiche Drucksachen neu gestaltet, auch stellung für den St. Galler Klosterplan im wieder mit der lokalen Künstlerin Siân Stiftsarchiv präsentieren zu lassen. Sprenger und dem langjährigen Partner Jahrheft #83 | 2019 JAHRESBERICHT 2019 18
Reto Spinazzè. Er wird 2020 auch die Web- von Bubikon-Wolfhausen wie beabsichtigt seite so anpassen, dass sie wieder aktuellen einen Einblick in unser Haus geben. Standards entspricht. Leider gelang es nicht, der Realisierung der Nachdem die für 2019 geplante Ausstel- Museumsneugestaltung wie geplant im Jahr lung über die Restaurationen im Innern 2019 zum Durchbruch zu verhelfen. Im Auf- des Hauses kurzfristig Ende 2018 ins Was- trag der Ritterhausgesellschaft wurde eine ser fiel, da die entsprechenden Arbeiten Machbarkeitsstudie erstellt, die aufzeigt, um ein Jahr verschoben werden mussten, wie die Anliegen des Brandschutzes, der Be- blieb kaum mehr Zeit hindertengerechtig- eine neue Saisonaus- stellung für 2019 ES BLIEB KAUM keit und des Betriebes baulich umgesetzt zu organisieren. Die MEHR ZEIT EINE werden könnten. Die Museumsleiterin, Daniela Tracht, NEUE SAISONAUS denkmalpflegerische Prüfung der Studie er- konnte dann aber mit der Unterstüt- STELLUNG FÜR 2019 gab jedoch, dass eine Umsetzung kaum zung von Sponso- ZU ORGANISIEREN. oder nur in sehr klei- ren umgehend die nen Teilen realistisch Ausstellung von 2018 inhaltlich erweitern, ist. Des Weiteren ist die vollständige Auf- so dass sie unter dem neuen Namen «Es nahme der baulichen Situation im Inneren summt und brummt bei Chruut & Lüüt» trotz grossem Aufwand durch die kantonale noch eine weitere Saison erfolgreich Denkmalpflege noch nicht abgeschlossen. gezeigt werden konnte. Der Vorstand und die Betriebskommission überprüfen im ersten Quartal 2020 die Unter den zahlreichen Anlässen im bisherige Strategie, um eine Erneuerung des Berichtsjahr, die von der Betriebsleitung Museums bis 2024 zu ermöglichen, wobei noch näher erläutert werden, sind zwei Varianten mit minimalen baulichen Eingrif- an dieser Stelle besonders zu erwähnen. fen im Zentrum stehen werden. Am 13. Mai durften der Präsident und eine Abordnung des Vorstandes Sir Malcolm Zum Jahresende erarbeitete die Betriebs- Ross, Lord Prior des Order of St John, im kommission mit Museums- und Betriebs- Ritterhaus empfangen. Der diesjährige Tag leitung die Unterlagen, welche die Basis der offenen Tür wurde erstmals im neuen für die Anträge für die Betriebsbeiträge Konzept durchgeführt, welches neu das an Kanton und Gemeinde bilden. Diese Museum ins Zentrum stellt und deshalb Anträge wurden zu Beginn des Jahres auf den bisherigen Ländlersunntig verzich- 2020 eingereicht. Wir sind zuversichtlich, tet. Zahlreiche Besucher aus Bubikon und dass diese auch für die kommende Periode Umgebung fanden am 16. Juni Zeit für bewilligt werden, so dass das Ritterhaus einen kostenlosen Besuch im Museum. Wir seinen Betrieb im bisherigen Rahmen wei- hoffen, wir konnten so den Einwohnern terführen kann. × 19
MUSEUMS- SAISON 2019 Von Daniela Tracht Wie bereits im Jahr zuvor, so war auch die in der gesamten Saison von April bis Ende Museumssaison 2019 von diversen Klima- Oktober alle Räumlichkeiten des Ritter messungen und einzelnen Sanierungs- hauses ansehen, sei es im Rahmen einer massnahmen im Ritterhaus geprägt. Eine der öffentlichen Führungen, der Familien- Orientierung darüber gibt der Bericht von führungen oder als Individualbesucher. Beat Meier «Sanierungen am Ritterhaus Bubikon 2019» im vorliegenden Jahrheft. Eine Besonderheit stellten die Führungen Für die Museumsbesucher blieben die durch die Waffensammlung Vogel dar. Bei Arbeiten diesmal jedoch weitgehend im diesen ermöglichte der Waffenhistoriker Hintergrund. Und so konnten die Besucher Jürg A. Meier Jung und Alt einen unterhalt- Jahrheft #83 | 2019 MUSEUMSSAISON 2019 20
samen und informativen Zugang zur viel- kleinen Wildkräutergarten gestalten und schichtigen Welt historischer Waffen des diesen mit nach Hause nehmen. 16. bis 19. Jahrhunderts. Dabei ging er den Fragen nach, ob die Waffen von Schlachten Als Begleitprogramm zur Ausstellung und Heldenmut erzählen, wer ihre Herstel- wurden über öffentliche Führungen ler waren und warum sie überhaupt ge- hinaus Workshops angeboten, die einen sammelt wurden. Die Führungen wurden vertiefenden Einblick in die medizinische so gut besucht, dass wir diese gerne wieder Nutzung und Auffassung von Kräutern anbieten werden. in den Epochen Antike, Mittelalter und Neuzeit ermöglichten. Leider wurden diese Den saisonalen Themenschwerpunkt Workshops nur wenig besucht, so dass das bildete in dieser Saison die Sonderausstel- Konzept für die Zukunft überdacht und lung «Es summt & brummt bei Chruut & angepasst werden muss. Lüüt». Hierfür wurde die im Sommer 2018 bereits erfolgreich Einen grossen Er- gezeigte Aus- stellung «Chruut EINEN GROSSEN folg stellte der Tag der offenen Tür im und Lüüt» um ERFOLG STELLTE Ritterhaus Bubikon den thematischen Aspekt «Insekten» DER TAG DER dar, der erstmals das Thema der Ausstellung erweitert und konnte bis zum OFFENEN TÜR DAR. aufgriff und attrak- tive Angebote zum 31. Oktober 2019 im Ritterhaus besucht Museum und der Sonderausstellung für ein werden. Die Ausstellung zeigte anhand von breites Publikum anbot. Bei freiem Eintritt wunderbaren Fotografien der Schweizer konnten die kleinen und grossen Besucher Fotografin Natalie Boo, wie vielfältig es in an Führungen durch das Ritterhaus, die den Wiesen summt und brummt. So konnte Sonderausstellung und auch den Kräuter- die tragende Rolle von Insekten in unserem garten teilnehmen und darüber hinaus die Ökosystem aufgezeigt werden sowie deren Ausstellung über Bienen von bienen.ch Lebensweise und Entwicklung. Die Ausstel- ansehen und viele spannende Fakten über lung bot zudem Einblicke in Verwendung das Leben und Arbeiten der Honigbiene und Nutzung einzelner Kräuter von der erfahren. Den ganzen Tag standen im Antike bis in unsere Zeit. Ritterhaus und im Garten Fachpersonen bereit, um zu informieren. Zudem präsen- Die jungen Besucher konnten im Rahmen tierte das Imkereimuseum Grüningen im von öffentlichen Familienführungen mit Hof des Ritterhauses Leben und Haltung der Gartenkatze Pina auf Entdeckungstour von Bienen und wer geduldig war, konnte durch die Welt von Kräutern und Düften sogar im Bienenstock die Bienenkönigin gehen und dabei auf altersgerechte Art entdecken. Die jungen Besucher konnten Geschichten über Kräuter und Insekten an diesem Tag aus Erde, Lehm und Wild kennenlernen. Im Anschluss an die Entde- blumensamen Samenbomben gestalten ckungstour durften die Kinder noch einen und diese mit nach Hause nehmen. → 21
Die Durchführung eines solchen Tages 22 Museen und 12 Musikschulen im Kanton wäre ohne die zuverlässige und engagierte Zürich zu einer Veranstaltungsreihe der Mitarbeit von vielen helfenden Händen besonderen Art ein: Geigen und Celli, Sax wie Museumsführern und Aufsichten, aber und Drums, gespielt von jungen Talenten, auch ehrenamtlich helfenden Jugendlichen erklangen inmitten von Ritterrüstungen, und Vorstand der Ritterhausgesellschaft Handwerksutensilien, Maschinen und Fahr- nicht möglich gewesen. Ihnen allen möchte zeugen aus vergangenen Tagen. Bereits ich an dieser Stelle für die engagierte Unter- zum vierten Mal öffneten die Museen ihre stützung herzlich danken. Mindestens 600 Türen für ein Publikum, das sich von leben- Besucher haben an diesem Tag das Haus und dig inszenierter Vergangenheit ebenso den Epochen-Kräutergarten besucht, an den begeistern lässt wie von den Darbietungen vielseitigen Führungen teilgenommen und junger Musiker. Die einzelnen Veranstal- natürlich auch das kulinarische Angebot tungen werden jeweils von den Museen unseres eigenen Bistros im Ritterhaus und und Musikschulen gemeinsam organisiert am Stand des Frauenchors Bubikon im Hof und stehen unter dem Patronat des Vereins genossen. muse-um-zürich und des Verbandes Zürcher Musikschulen. Im Ritterhaus konnten die Unter dem Titel «Augenweide und Ohren- etwa 410 Besucher bei einem Wander- schmaus» luden am Sonntag, 19. Mai, konzert verschiedene Räume des Hauses Jahrheft #83 | 2019 MUSEUMSSAISON 2019 22
erkunden. Die musikalische Gestaltung 100 Jahren zahlreiche Bild- und Filmdoku- übernahmen Schüler der Musikschule mente entstanden, die bis heute spannende Zürcher Oberland und deren Lehrer. Perspektiven des Hauses eröffnen und Veränderungen aufzeigen. Mit Unterstüt- Die Europäischen Tage des Denkmals zung von Memoriav, SRF und der refor- in der Schweiz setzten dann am 14./15. mierten Kirche des Kantons Zürich konnten September den Pinsel an. Unter dem Motto Ausschnitte aus diversen Filmen gezeigt «Farben – Couleurs – Colori – Colurs» luden werden, die seit 1944 im Ritterhaus gedreht sie dazu ein, das baukulturelle Erbe der wurden. Durch historische Fotografien – Schweiz in all seinen Farben und Formen sowohl in Schwarzweiss als auch in Farbe – neu kennenzulernen und über die farbli- wurden diese bildlichen Eindrücke ergänzt. che Gestaltung des öffentlichen Raumes zu So durften die Besucher ungewohnte diskutieren. Das Ritterhaus Bubikon wurde Ansichten des Ritterhauses erleben. Und 1959 als Denkmal von nationaler Bedeutung natürlich war der Eintritt ins Museum an eingestuft. Bis heute zeigen Einblicke in die diesen Tagen gratis. Bau- und Nutzungsgeschichte spannende Aspekte. Daneben diente das Ritterhaus Während der Saison konnten wir auch immer wieder als Gegenstand oder Kulisse immer wieder diverse Workshops und Schü- für Verfilmungen. So sind in den letzten lerführungen durch das Museum durch- → 23
führen, wie beispielsweise im Rahmen des Und so boten die Frühlingsblumen den Ferienplauschs des Bezirks Hinwil oder des ersten Besuchern bunte Farbkleckse. Ferienplauschs «Komponiere und singe Als im Mai die frostempfindlichen Kräuter deine eigene Musik», der im Sommer junge gesetzt werden sollten, zeigte sich das Musiker ins Ritterhaus geführt hat. Wetter jedoch eher von der garstigen Seite und insbesondere die Basilikumarten Zum Saisonende konnten noch zwei neue bedurften einer intensiven Pflege. Der Veranstaltungen ins Programm aufgenom- folgende Sommer bereitete dann jedoch men werden: Die eine dreht sich ganz um keinerlei Schwierigkeiten mehr, denn er die Kulinarik und die war weder besonders Frage, wie und was trocken, noch hatte das man eigentlich früher BEI DEN NACHT ehrenamtlich arbei- ass. Beim gemeinsamen Kochen nach Rezep- FÜHRUNGEN tende Gartenteam mit vielen Schädlingen zu ten aus vergangener Zeit erfährt man viel FÜR KINDER kämpfen. über die Herkunft IST SPANNUNG Um den eigenen Be- von Redewendungen, medizinische Aspekte ANGESAGT! stand an Kräutern zu mehren, begann das des Essens, Tischsitten Team damit, die Samen usw. Und natürlich kann man auch das einzelner Kräuter zu sammeln, um diese Ritterhaus besuchen und anschliessend das im Frühling 2020 auszusäen. Im Sinne der gemeinsam gekochte Mahl geniessen. Biodiversität wurden die einjährigen Pflan- zenteile über den Winter stehen gelassen, Bei den Nachtführungen für Kinder ist Span- denn sie bieten zahlreichen Insekten und nung angesagt! Geheimnisvolles Knacken, Tieren Schutz und Raum, um den Winter Schatten an den Wänden und der Geruch zu überstehen. Im Frühling 2020 werden nach alten Mauern – das alles verspricht ein die Beete dann für eine erneute attraktive nächtlicher Besuch im Ritterhaus. Bei diesen Saison vorbereitet. Als Museumsleiterin Besuchen können Kinder im Alter von 8 bis danke ich dem Gartenteam herzlich für die 12 Jahren das Museum im Dunkeln ent- unermüdliche Arbeit im Kräutergarten, der decken und einen spannenden Abend mit sich den Museumsbesuchern stets sorgfäl- Geschichten und einem wärmenden Punsch tig gepflegt präsentiert und eine attrak- erleben. Wir freuen uns auf viele furchtlose tive Bereicherung des Museumsbereichs Kinder, die das Ritterhaus auch in Zukunft darstellt. bei Nacht besuchen. Insgesamt konnten wir in der Saison 2019 Im Epochen-Kräutergarten konnten die 5’787 Gäste im Museum des Ritterhauses Vorbereitungsarbeiten für die Saison begrüssen. Viele von ihnen haben an einer eröffnung 2019 bereits im März mit der 103 durchgeführten Führungen teil warmer Frühlingssonne begonnen werden. genommen. × Jahrheft #83 | 2019 MUSEUMSSAISON 2019 24
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HERRSCHAFTSAUSBAU UND BESITZAKKUMULATION DIE RELEVANZ DES BESITZES DER KOMMENDE BUBIKON IN DEREN HERRSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG1 Von Noemi Bearth Mit dem Erwerb oder Erhalt von Besitz ging Nach einem kurzen Überblick über die im Mittelalter nicht bloss ein Gebäude oder historischen Gegebenheiten wird diese ein Stück Land in die Hände eines neuen Fragestellung für drei Phasen (Periode der Eigentümers/einer neuen Eigentümerin Schenkungen/Käufe/Konflikte) einzeln über, sondern meist auch die Leute, die das betrachtet, bevor ein Fazit gezogen wird. Gut oder Land bewirtschafteten, Abgaben an den Grundherrn/die Grundherrin zu Eine Kommende als adlig-klerikaler leisten hatten und rechtlich diesem/dieser Herrschaftsträger unterstellt waren. Besitz definierte somit Der Johanniterorden trat in Europa nicht einen Herrschaftsraum und gleichzeitig als Einheit auf und verfolgte – vorerst – kontinuierliche Einnahmen, welche es wie- keine eigentliche Territorialpolitik. Jede derum möglich machten, Herrschaft weiter Kommende, so auch die in Bubikon, musste auszubauen und diese sich im lokalen Herr- zu inszenieren. Den Besitzungen kann folg- DER JOHANNITER schaftsgefüge selbst positionieren und Kon- lich innerhalb der Herr- ORDEN TRAT IN takte zu den regionalen schaftsentwicklung besonders viel Gewicht EUROPA NICHT Herrschaftsträgern knüpfen.3 Der in der beigemessen werden und es wird Ziel dieses ALS EINHEIT AUF. Fragestellung umrissene Untersuchungszeit- Beitrags sein, die herrschaftliche Entwick- raum schliesst das 13. und 14. Jahrhundert lung der Kommende Bubikon näher zu mit ein und damit eine Zeit, in welcher beleuchten. Die wichtigste Frage wird verschiedene – vornehmlich adlige – Herr- dabei sein: Wie lässt sich die herrschaftliche schaftsträger ihre Macht in der Nordost- Entwicklung der Kommende Bubikon von schweiz auszubauen versuchten.4 Die deren Gründung Ende des 12. Jahrhunderts Positionierung der Kommende Bubikon bis zur Konventsauflösung im Jahre 1532 muss folglich in diesem Kontext begriffen anhand ihres Besitzes bewerten? 2 werden. Eine Verknüpfung zwischen der Jahrheft #83 | 2019 HERRSCHAFTSAUSBAU 26
herrschaftlichen Etablierung von Adelsge- Die Periode der Schenkungen schlechtern und der Johanniterkommende (um 1198−1275) Bubikon wird sich nachfolgend vor allem In der Anfangsphase der Johanniter in in Schenkungen zeigen, welche in hoher Europa stand das Sammeln von Almosen Zahl besonders in der Anfangsphase und die Rekrutierung von neuen Kreuzrit- getätigt wurden. Tatsächlich war aber ab tern im Vordergrund. Auf diese Phase, die dem 13. Jahrhundert die adlige Herkunft im 12. Jahrhundert einsetzte, folgte eine der Ordensmitglieder Voraussetzung für Periode, in welcher Güterschenkungen zu- den Ordenseintritt.5 Die Ordensmitglieder nahmen. Diese hatten vornehmlich das Ziel, brachten daher meist neben Schenkungen die Regelmässigkeit der finanziellen Unter- familiäre Netzwerke und Beziehungen mit. stützung des Heiligen Landes zu gewährleis- Innerhalb der herrschaftlichen Entwicklung ten.13 In diesen Kontext lässt sich auch die der Kommende kann die Kategorie Adel Kommende Bubikon einordnen. Nach ihrer deshalb keinesfalls vernachlässigt und auch Gründung Ende des 12. Jahrhunderts waren nicht von dem Besitz klar getrennt werden, die ersten rund 80 Jahre ihres Bestehens von weshalb diese Komponente stets mitge- unterschiedlichen Schenkungen geprägt, die dacht werden muss. vom Zürcher Oberland bis in den heutigen → Was wird nachfolgend unter Herrschaft, begrenzten Hand-/Schupflehen und zeitlich Besitz und Adel verstanden? unbegrenzten Erblehen unterschieden.8 Herrschaft konnte im Mittelalter mittels Als Herrschaftsentwicklung wird die (Herrschafts-)Rechten über Leute, Grund systematisch betriebene Verdichtung von und Boden ausgeübt werden.6 lokaler Herrschaft 9 sowie der Prozess der Der Begriff Herrschaft wird hier direkt mit zunehmenden Abhängigkeit der von den dem Besitz solcher Rechte verknüpft. Für Rechtsverhältnissen betroffenen Personen diese Untersuchung stehen die Grundherr- verstanden.10 schaft und die Lehnsherrschaft, zwei in Die Kategorie Besitz umfasst Grundei- der Forschung sehr umstrittene Begriffe, als gentum, Eigenleute, Rechte sowie damit spezifische Herrschaftstypen im Zentrum. verbundene Einnahmequellen (Zinsen, Beide Herrschaftstypen befugen den Herrn/ Abgaben o. ä.).11 die Herrin, Herrschaft über die Leute auszu- Adel bezeichnet im Folgenden die hete- üben, die auf seinen/ihren Gütern wohnen rogene Oberschicht, die sich durch ihre und arbeiten oder ein Gut geliehen haben.7 Herkunft und ihren (überdurchschnittlich In Bubiker Lehnsbriefen wurde vorwiegend grossen) Grundbesitz auszeichnete. Der die Verleihung von bäuerlichem Besitz festge- Begriff Adel wird vereinfachend sowohl für halten, für welchen die Lehnsnehmer einen Grafen als auch für Freiherren, Ritter oder in Zins und/oder ähnliche Leistungen zu erbrin- den Quellen als edel bezeichnete Personen gen hatten. Es wurde dabei zwischen zeitlich verwendet.12 27
Ausschnitt aus dem Stifter- bild, das sich an der Chor- bogenwand der Kapelle des Ritterhauses Bubikon befindet und um 1210 datiert wird: Der Heilige Johannes, der Ordenspatron, erhält von der Familie von Toggenburg eine Burg. Die Überreichung einer Burg steht symbolisch für den Stiftungsakt. Kanton Aargau und das frühere Herrschafts- wie der Adel und die Besitzentwicklung der gebiet der Familie von Toggenburg reich- Kommende miteinander verknüpft sind. Die ten (Anhang, Abb. 1).14 Die Mehrheit des weitere Mitgestaltung der herrschaftlichen Besitzes siedelte sich 1275 um Bubikon an.15 Entwicklung der Kommende durch den Adel Auch im etwas weiter entfernten Dübendorf war ausserdem über Mitbestimmungsrechte wurden schon erste Güter in die Hände der sowie den Eintritt von Familienangehörigen Kommende übergeben.16 So kann beobach- in den Orden möglich.18 tet werden, dass, obschon die Kommende mehrheitlich über einzelne, verstreute Aus den vielen Schenkungen gingen Ein- Güter in unterschiedlichen Gebieten ver- kommen hervor, die zwar mehrheitlich ins fügte, sie dennoch bereits am Ende dieser Heilige Land geschifft wurden, aber offen- ersten Periode in zwei später sehr zentralen bar – wie einzelne Käufe und der Ausbau Herrschaftsgebieten (um B ubikon und in des Johanniterhauses belegen – behielt Dübendorf) Güter und Rechte besass und die Kommende doch einen geraumen somit zu dieser Zeit die Basis für die spätere Teil davon für sich.19 Die Akkumulation Entwicklung gelegt wurde. von finanziellen Mitteln in dieser Phase ermöglichte es in der nächsten Periode, die Generell wurde die Periode von einer Viel- Besitzentwicklung aktiv zu beeinflussen, zahl von Schenkungen dominiert. Dies er- wie nachfolgend besprochen wird. klärt auch, weshalb die Güter geografisch so verstreut lagen. Es wurde nicht systematisch Die Periode der Käufe (1276−1399) Besitz erworben, sondern Schenkungen aus Die herrschaftliche Entwicklung der unterschiedlichen Gegenden der Nord- Kommende Bubikon kann in dieser Phase ostschweiz wurden meist von Adligen aus ebenfalls mehrheitlich in den europäischen Gründen des Seelenheils, Neutralisationsbe- Kontext eingeordnet werden. So erhielt strebungen oder weiteren politischen/wirt- die Kommende in dieser Periode immer schaftlichen Interessen an die Kommende noch Schenkungen von adligen Familien, herangetragen.17 In dieser Phase zeigt sich, gleichzeitig wurde aber die Besitzpolitik Jahrheft #83 | 2019 HERRSCHAFTSAUSBAU 28
Ausschnitt der Urkunde C II 3, Nr. 52 ( Reproduktion des StAZH): Der Rat von Zürich beurkundet den von der Johanniterkommende Bubikon getätigten Kauf von Gütern in Dübendorf und Wil. aktiv durch eine Vielzahl an Käufen selbst weiterer Komture am Ende dieser Periode gestaltet. Wohingegen diese Phase in der der Besitz der Kommende bis in die Gebiete Forschung auf Mitte des 13. Jahrhunderts der heutigen Kantone Aargau, St. Gallen angesetzt wird und Mitte des 14. Jahrhun- und Thurgau. Die Herrschaftsschwerpunkte derts aufgrund demografischer, ökonomi- im Zürcher Oberland und Dübendorf wur- scher, sozialer, religiöser und politischer den weiter ausgebaut. Zusätzlich häuften Veränderungen endete,20 wurde für die sich die Besitzungen um das Zürichseeufer, Kommende Bubikon der Quellenauswer- welches sich als drittes Herrschaftszent- tung entsprechend rum in dieser Periode der Zeitraum etwas verschoben. Als Grund ES HÄUFTEN SICH etablierte (Anhang, Abb. 2−5). Vogteien besass die für die einsetzende DIE BESITZUNGEN Kommende in Hinwil, aktive Besitzpolitik wird in der Forschung UM DAS ZÜRICH Ringwil sowie über weitere kleinere Güter in der endgültige Verlust Jerusalems (1244) SEEUFER. verschiedenen Ortschaf- ten. Darüber hinaus angeführt, welcher zur Folge gehabt habe, verfügte die Kommende über die niedere dass die Überschüsse aus den Besitzungen Gerichtsbarkeit, Kirchensätze sowie weitere und weiteren Einkommensquellen fortan Herrschaftsreche in Gebieten der genann- nicht mehr ins Heilige Land und stattdessen ten Herrschaftszentren.24 Ein geschlossener in «Renditeobjekte» investiert wurden.21 Herrschaftsraum formierte sich indes nicht, obschon die Kommende zu einem ernst- Am aktivsten wurde der Bubiker Besitz zunehmenden Herrschaftsträger in ihren mittels Käufen während der Amtszeiten Herrschaftszentren heranwuchs. der Komturen Heinrich von Lichtensteig (1276/1277−1296)22 und Hugo (I.) von Die aktive Besitzpolitik deutet auf eine Werdenberg (1297−1329) erweitert.23 So finanzielle Blütezeit der Kommende hin. erstreckte sich unter ihrem Zutun und dem Diese offenbarte sich auch vor Ort, wo das → 29
Johanniterhaus in dieser Periode beinahe nanziellen Krise erholt oder hat dies auf fi auf die heutige Grösse erweitert wurde.25 das Beziehungsnetz zurückzuführende Die Investitionen innerhalb der Mauern der Gründe? Beides dürfte wohl zu gewissen Kommende dürften auch repräsentative Teilen zutreffen.29 In den 1470er Jahren Gründe gehabt haben. So wuchs mit der gelangte die Kommende vermutlich in eine Herrschaftsausweitung der Repräsentations- erneute finanzielle Krise, die möglicher bedarf dieses neuen geistlichen und adligen weise bis in die 1480er Jahre anhielt.30 Herrschaftssitzes.26 Der Visitationsbericht von 1495 zeichnete hingegen das Bild einer finanziell blühen- Die Periode der Konflikte (1400−1532) den Kommende,31 weshalb sich wohl die Wie gesamteuropäisch zu beobachten ist, Kommende bis zu diesem Zeitpunkt von wurde die positive Herrschaftsentwicklung ihrer pekuniären Krise wieder erholt hatte. der Kommenden meist durch Krisen ein- setzend Mitte des 14. Jahrhunderts been- Politische Veränderungen det. Für die Kommende Bubikon ist diese Die politische Umgebung Bubikons änderte Entwicklung etwas später anzusetzen.27 Im sich in dieser Phase ebenfalls. 1408 kaufte Folgenden sollen diese tatsächlich überaus die Stadt Zürich die Herrschaft Grüningen, konfliktreiche Phase und die Probleme, die zu welcher Bubikon gehörte. Erstaunli- sich für die Kommende cherweise schlug sich stellten, beleuchtet wer- den, obschon diese über DIE POLITISCHE dies kaum in den Quel- len nieder.32 Das Ausster- die allgemeine Besitzent- UMGEBUNG ben der Stifterfamilie wicklung hinaus gehen. BUBIKONS Bubikons und gleichzei- tig einer der wichtigsten Finanzielle Krisen Gleich zu Beginn der ÄNDERTE SICH. Militärmächte in der Nordostschweiz, der Tog- Periode, also im Jahr 1400, zeichneten sich genburger, wirkte sich hingegen deutlich in einer Urkunde eine finanzielle Krise sowie auf die Kommende aus. Das Machtvakuum, ein Konflikt mit der Kommende Küsnacht welches dieses Ereignis hinterliess, führte ab.28 1428 wurde die Kommende jedoch zum Alten Zürichkrieg (um 1436–1450). zum Tafelgut des Grosspriorats Heitersheim. Infolge dessen fiel die Kapelle der Kom- Dies bedeutete, dass die Kommende fortan mende 1442 einer schwyzerischen Plünde- dem Grosspriorat Abgaben zu leisten hatte rung zum Opfer.33 und von dessen (Gross-)Prior geführt wur- de. Tatsächlich gilt die Zugehörigkeit zum Trotz des Wegfallens des Rückhalts der Grosspriorat als Hinweis für die finanziell Familie Toggenburg konnte die Kommende positive Lage der Kommende, da üblicher- zu Beginn einen Sonderstatus im Einfluss- weise nur zahlkräftige Ordensniederlassun- gebiet der Stadt Zürich wahren, wie in gen in diesen Kreis aufgenommen wurden. einem Tagsatzungsabkommen von 1437 Hat sich die Kommende folglich rasch von bezeugt wird. Darin wird festgehalten, dass der im Jahr 1400 urkundlich bezeugten nicht in der Gerichtsherrschaft Bubikon Jahrheft #83 | 2019 HERRSCHAFTSAUSBAU 30
Ausschnitt aus der Urkunde C II 3, Nr. 186 (Reproduktion des StAZH): Auf Beschwerde der Johan- niterkommende Bubikon hin, beschliessen die Eidgenössischen Räte, dass die Amtsleute in den eidgenössischen Städten und Landschaften die da wohnenden Eigenleute Bubikons dazu anhal- ten sollten, ihren Pflichten nachzukommen und die schuldigen Fastnachtshühner abzugeben. ansässige Eigenleute der Kommende Bu- sich einerseits die Streitigkeiten mit den bikon im Falle eines Krieges mit Zürich in (Erb-)Lehnsnehmern häuften und anderer- den Kampf ziehen müssen. Jedoch wurden seits innerhalb dieser Konflikte die Stadt Eigenleute, die in der Gerichtsherrschaft Zürich als Vermittlerin oder Schiedsrichte- Bubikon wohnhaft waren, von dieser rin zunehmend Einfluss nehmen konnte.37 sogenannten Reisfolgepflicht befreit.34 Neben den Streitigkeiten mit den (Erb-) Dieses Privileg der Lehnsnehmern zeig- Bubiker Eigenleute wurde 1456 noch- DIE EIGENLEUTE ten sich auch Kon- flikte mit anderen mals bestätigt und VERWEIGERTEN DIE Herrschaftsträgern 1492 noch immer angewendet.35 ABGABE VON FAST und Eigenleuten in der zweiten Hälfte Streitigkeiten und NACHTSHÜHNERN. des 15. Jahrhunderts. So verweigerten die versuchte Herrschaftssicherung Eigenleute vermehrt die Abgabe von Fast- Die Tagsatzungsabkommen können als nachtshühnern – diese standen symbolisch Anzeichen dafür genommen werden, dass für die Anerkennung der Leibeigenschaft – die Kommende ihre Herrschaft infolge des und kamen weiteren Pflichten ebenfalls Aussterbens ihrer Stifterfamilie zu sichern nicht mehr nach.38 Fehlender (militäri- versuchte. Als weitere Versuche einer sol- scher) Rückhalt von ihrer Stifterfamilie chen Herrschaftssicherung kann der 1485 könnte wohl ein Grund dafür gewesen erstellte Hausbrief sowie die Vergabe von sein, dass die Bubiker Johanniter nur Erblehen genannt werden.36 Beide Mittel schwer ihre Herrschaftsrechte durchsetzen funktionierten indes nur beschränkt, da konnten. → 31
Die ersten drei Jahrzehnte des 16. Jahrhun- mittels vielen Schenkungen finanziell zu derts führten zu einschneidenden Verän- erstarken und anhand von Herrschaftsrech- derungen. 1522 verloren die Johanniter ten allmählich zu einem Herrschaftsträger Rhodos endgültig, in Zürich setzte sich die heranzuwachsen. In den ersten 80 Jahren Reformation durch und die Bauernaufstän- ihres Bestehens wies die Kommende bereits de häuften sich. Alle drei Faktoren dürften Besitz in den zwei zentralen Herrschaftszen- sowohl den Orden als auch die Kommende tren um Bubikon und Dübendorf auf. In der geschwächt haben. Trotz allem wirkten zweiten Phase, die sich bis zum Ende des sich diese Ereignisse kaum auf den Besitz 14. Jahrhunderts hinzog, wurden die Besit- der Kommende Bubikon aus.39 Die Menge zungen besonders in diesen zwei Gebieten, an getätigten Käufen nahm zwar ab – was aber auch im dritten sich herausbildenden sicherlich teilweise Herrschaftszentrum, auf die erwähnten finanziellen Krisen DIE ERSTEN DREI um das Zürichseeufer, aktiv durch Käufe von zurückzuführen ist –, aber die Kommende JAHRZEHNTE DES Gütern und diversen Herrschaftsrechten musste tatsächlich 16. JAHRHUNDERTS erweitert. In der letz- nur wenige Güter verkaufen oder tau- FÜHRTEN ZU EIN ten Phase häuften sich infolge des Ausster- schen (Anhang, Abb. 6−8). SCHNEIDENDEN bens der Stifterfamilie (herrschafts-)politische VERÄNDERUNGEN. Konflikte. Finanziell Infolge der Refor- durchlief die Kom- mation wurde der Konvent in Bubikon mende in diesem Jahrhundert ausserdem aufgelöst und die Kommende fortan von zwei schwierige Phasen. Trotz dieser teil einem Zürcher Schaffner verwaltet. Dies weise wirtschaftlichen, teilweise politischen änderte die herrschaftliche und repräsen- Schwierigkeiten gelang es der Kommende tative Funktion der Kommende. Dennoch lange einen Sonderstatus innerhalb des setzte nach der Reformation nicht auto- Zürcher Herrschaftsgebietes zu wahren. matisch ein Schrumpfungsprozess ein. Die Von ihrem Besitz musste sie dabei kaum nahen Gebiete des früheren Herrschafts etwas verkaufen, weshalb die Grösse des territoriums (Bubikon, Hinwil, Ringwil) Besitzes bis zur Konventsauflösung infolge sowie auch einige weiter entfernte Güter der Reformation beinahe mit der Grösse konnten die Bubiker Johanniter noch bis des Besitzes Ende des 14. Jahrhunderts ins 18. Jahrhundert halten.40 gleichgesetzt werden kann. Obschon der Besitz bestehen blieb, verringerten sich die Fazit Möglichkeiten, selbst Herrschaft auszuüben. Die herrschaftliche Entwicklung der Der Verlust an Möglichkeiten der Herr- Kommende kann anhand des Besitzes wie schaftsausübung ging folglich nicht aus dem folgt summarisch bewertet werden: In der Verlust von Besitz hervor, sondern aus ein- ersten Periode gelang es der Kommende schneidenden politischen Veränderungen. Jahrheft #83 | 2019 HERRSCHAFTSAUSBAU 32
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