JAHRHEFT #83 2019 - Das Ritterhaus Bubikon

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JAHRHEFT #83 2019 - Das Ritterhaus Bubikon
JAHRHEFT #83

2019

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JAHRHEFT #83 2019 - Das Ritterhaus Bubikon
Bildnachweis
Ritterhausstrasse 35
8608 Bubikon                                      Seiten 7, 8, 9: Andreas Franz
Tel. 055 243 39 74                                Seite 13: Marco Zanoli
info@ritterhaus.ch                                Seiten 14, 15: Beat Meier
www.ritterhaus.ch                                 Seite 17: Ritterhausgesellschaft Bubikon
                                                  Seiten 20, 22, 23, 25: Thomas Nussbaumer,
ISSN 2235-4751                                    Daniela Tracht, ­Michael Sonderegger,
Jahrheft der Ritterhausgesellschaft Bubikon       Marco Zanoli
                                                  Seite 28: Ritterhausgesellschaft Bubikon
Redaktion: Boris Bauer                            Seiten 29, 31: Staatsarchiv Zürich
Design und Layout: spinazze.ch, Rüti              Seiten 39, 41, 42/43, 44: Michael Sonderegger
Druck: Eristra-Druck AG, Rüti                     Seiten 51: Bild 1 und 2 Marco Z­ anoli;
                                                  Bild 3, Michael Sonderegger
Ritterhausgesellschaft                            Seite 53: Marco Z ­ anoli
Bubikon, 2020                                     Seite 58: Michael Sonderegger

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JAHRHEFT #83 2019 - Das Ritterhaus Bubikon
INHALT

 6 Restaurierung der Innenräume
13 Sanierungen am Ritterhaus Bubikon 2019
16	Besuch vom Lord Prior Des Order of St John
18 Jahresbericht des Vorstandes 2019
20 Museumssaison 2019
26 Herrschaftsausbau und Besitzakkumulation
39	Protokoll 83. ordentliche Hauptversammlung
45	Jahresrechnung
50 Das Betriebsjahr 2019
54	Mitteilungen Organisatorisches

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JAHRHEFT #83 2019 - Das Ritterhaus Bubikon
Von Andreas Franz

RESTAURIERUNG
DER INNENRÄUME
­­VORBEREITUNGEN FÜR DIE KONSERVIERUNG

Anlässlich der Hauptversammlung der                 2019	Auftragserteilung zur Planung der
­Ritterhausgesellschaft Bubikon (RHG) hat                 Innenrestaurierung an Andreas Franz.
 der Konservator-Restaurator Andreas Franz          2020	Geplanter Beginn der Restaurierun-
 von aaf restaurierungen gmbh die Gele-                   gen der Innenräume, Decken, Wände,
 genheit wahrgenommen, über die bereits                   Böden und Kachelöfen unter Voraus-
 ausgeführten sowie bevorstehenden Arbei-                 setzung der Genehmigung des zur
 ten an den Innenräumen zu berichten.                     Finanzierung notwendigen Beitrags-
                                                          gesuchs durch Bund und Kanton.
Überblick über die wichtigsten Ereignisse
in Bezug auf die bevorstehende                      Gründe für die Konservierun­g-­
Innenrestaurierung                                  Restaurierung der Innenräume
1938	Erwerb des Ritterhauses durch die             Vorab ist anzumerken, dass die meisten
      RHG und Beginn der Instandstellungs-          ­Innenräume seit ungefähr 80 Jahren­­
      arbeiten.                                      ­keiner Renovation, geschweige denn
1941	Eröffnung des Museums im bereits in-            einer Konservierung-Restaurierung mehr
      stand gestellten Teil des Ritterhauses.         unterzogen wurden. Das ist eine sehr
1960 Nach 22 Jahren: Abschluss der                   ­lange Zeitspanne, wenn man bedenkt,
      ­Instandstellung.                                dass beispielsweise Kirchen etwa alle
1991	Beginn der Restaurierungsarbeiten                25 Jahre bearbeitet werden. Nicht, dass
       nur in der Kapelle nach 30-jähriger             dies nachlässig oder schlimm wäre, doch
       Pause.                                          soll dadurch verdeutlicht werden, dass
1995	Abschluss der Restaurierungsarbeiten             die Innenrestaurierung längst überfällig
       in der Kapelle.                                 ist und dafür entsprechend hohe Kosten
1999	Eröffnung des neuen Museums mit                  anfallen.
       der heutigen Dauerausstellung.
2009	Beginn einer ausgedehnten Fassa-              Um den Restaurierungsbedarf einschätzen
       densanierung.                                zu können, wurden die Innenräume unter­
2018	Beginn der Vorbereitungen für die             sucht und deren Zustand beschrieben.
       Innenrestaurierung.                          Dabei lag das Augenmerk vor allem auf

Jahrheft #83 | 2019 RESTAURIERUNG               6
JAHRHEFT #83 2019 - Das Ritterhaus Bubikon
Schäden, welche behoben werden müssen,
um nicht künftig vor einem Totalverlust
oder grösseren Problemen zu stehen.
­Einige dieser Schäden sind augenfällig
 und können auch von Laien erkannt wer-
 den, andere wiederum sind nur mit dem
 nötigen Fachwissen und entsprechender
 Ausrüstung zu sehen. Die augenfälligsten
 Schäden finden wir in der Kapelle und der
 Kapellenvorhalle. Dort können, vor allem
 in den unteren Wandbereichen, dunkle
 Verfärbungen, abbröckelnder Putz oder
 Krusten auf den Oberflächen bemerkt
 werden.                                              Kapelle, Sockelzone Nordwand: beschädigte
                                                      Putzoberfläche mit dunklen Verfärbungen.
Das Bild oben rechts zeigt einen solchen
Bereich mit durch Salzverwitterung stark
beschädigter Oberfläche. Zudem sind
teilweise dunkle Flecken zu sehen, welche
von einem biogenen Befall durch Blaualgen
zeugen. Allerdings zeigt besagte Ober-
fläche auch zahlreiche Ausbesserungen,
woraus abgeleitet werden kann, dass es
sich bei diesen Schäden nicht um ein neues
Phänomen, sondern ein seit langem be-
stehendes, immer wieder ausgebessertes,
Problem handelt.

Wie kommt es nun aber zu solchen Schä-
den an der Putzoberfläche oder zu bio-                Kapelle, Sockelzone Ostwand:
genem Befall? Diese Phänomene zeugen                  Salzkrusten und Oberflächenverwitterung.
immer von klimatischen Problemen oder
schädlichen Einflüssen aus der Umgebung.
Um ­Salze zu lösen, braucht es eine gewisse
Menge an Feuchtigkeit. Diese kann von                 ­ ösung, so kann es mit der Feuchtigkeit
                                                      L
mangelnder Bauabdichtung, falschen                    wandern um dann, in trockenerer Umge-
­Materialien oder auch von kondensieren-              bung, wieder auszukristallisieren. Bei diesem
 der Feuchtigkeit an Bauteilen herrühren.             Vorgang zerstört das Salz den Verputz.
 Ist das Salz, resp. die Salze (denn es handelt       Dieses Phänomen kann sich beliebig oft
 sich meist um Gemische unterschiedlicher             ­wiederholen und führt zu einer immer wie-
 Salzarten, ­sogenannte Salzsysteme) in                derkehrenden Schädigung der Oberfläche.        →

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JAHRHEFT #83 2019 - Das Ritterhaus Bubikon
Weiterer Instandstellungsbedarf ist an den
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                                                Hunderte Quadratmeter von Holzböden
                                                in unterschiedlichstem Zustand sowie
                                                Sandstein- und Tonplattenböden mit klei-
                                                neren und grösseren Schäden sind verteilt
                                                über den ganzen Baukomplex Ritterhaus
                                                anzutreffen. Offene Fugen, abgesunkene
                                                Platten oder Dielenbretter, welche sich auf-
                                                grund der stark abgebauten Holzsubstanz
                                                mit den Gerätschaften des Hausmeisters
                                                kaum noch reinigen lassen, ohne den Scha-
                                                den dadurch noch zu vergrössern.

                                                Es handelt sich hierbei um sehr augen­
                                                fällige Zustände, welche nicht durch
                                                ­mangelnde, falsche oder gar schlechte
                                                 Pflege entstanden sind, sondern die
                                                  sich infolge der lange ausgebliebenen
       Beinhaus: oberflächenparalleler           Instandhaltungsarbeiten kumuliert haben.
       Verlust der Oberfläche infolge von        Dies verdeutlicht, dass man Dinge zwar
       Feuchtigkeit und Salzen.                  vor sich herschieben kann, sie dadurch
                                                 aber nicht besser werden.

                                                     Treppenhaus Nord: stark abgebaute
                                                     Holzoberfläche der Dielenbretter.

Jahrheft #83 | 2019 RESTAURIERUNG           8
JAHRHEFT #83 2019 - Das Ritterhaus Bubikon
Aufnahme von 1943: Die Darstellung ist deutlich erkenn- und lesbar.

Aufnahme von 2019: deutlich schwächere Lesbarkeit
gegenüber der Abbildung von 1943.

Weiterführende Untersuchungen                    Da es sich bei der Aufnahme von 1943 um
und Abklärungen                                  eine Fotografie in Schwarzweiss handelt,
Die durchgeführten Untersuchungen konn-          stellen wir die Aufnahme von 2019 eben-
ten nicht in jedem Fall die Verwitterung         falls in Schwarzweiss gegenüber. Trotzdem
erklären, deshalb werden an spezifischen         die Farbigkeit entfernt wurde, sind helle
Punkten weitere Beobachtungen und                und dunkle Bereiche der Aufnahme von
Abklärungen vorgenommen. Ein eindrück-           1943 klar zu erkennen und die Umriss­
liches Beispiel für den mit der Verwitte-        linien der Darstellung ermöglichen eine
rung einhergehenden Verlust ist in der           gute Interpretation des Bildwerkes. In der
Kapellenvorhalle anzutreffen. Die beiden         Aufnahme von 2019 hingegen kann bereits
oben stehenden Abbildungen zeigen das            vieles nur noch schwer erkannt und gedeu-
Wandgemälde «die Verdammten» rechts              tet werden. Die beiden Bilder sind durch
des Kapelleneinganges an der Ostwand             digitale Bildbearbeitung in ihrer Lesbarkeit
der Vorhalle.                                    optimiert. Vor Ort in der Vorhalle wird der
                                                 Besucher Mühe haben, überhaupt etwas
                                                 von der Darstellung erkennen zu können.        →

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Im Zeitraum von 78 Jahren, der zwischen               genügend Feuchtigkeit, aber auch einen
den beiden Aufnahmen liegt, sind gegen                stark alkalischen oder stark von alkalischen
70–80 % der Darstellung verloren ge-                  Salzen belasteten Untergrund. Dies alles
gangen. Die genaue Ursache für diesen                 ist in der Vorhalle, der Kapelle und dem
Verlust ist noch                                                              Bruderhaus gegeben.
nicht abschlies­send   UNBEKANNT IST                                          Im Frühjahr, wenn
geklärt. Es könnte                                                            die Aussentem-
sich um die bereits    JEDOCH, WOVON                                          peraturen bereits
früher beschriebe-
ne Verwitterung
                     SICH DIE BAKTERIEN                                       angenehm sind, liegt
                                                                              die Temperatur der
durch ­Salze oder        ERNÄHREN.                                            Wandoberflächen
auch einen Effekt,                                                            in den besagten
ausgelöst durch eine unterschiedlich starke           Räumen noch sehr tief. Die Feuchtigkeit
Erwärmung der Wand durch einfallendes                 in der warmen Luft, welche von draussen
Sonnenlicht, handeln. Die letztere Möglich-           hereinkommt, kondensiert auf den win-
keit ist vielleicht zutreffend, denn die Fens-        terkalten Wandoberflächen und benetzt
ter in der Westwand der Kapellenvorhalle              diese ausreichend, dass sich die Bakterien
wurden erst 1941 geöffnet. Der thermo­                ansiedeln können. Bekannt ist, welche
dynamische Effekt von sich unterschiedlich            Bedingungen nötig für diese Ansiedelung
schnell ausdehnenden und zusammen­                    sind. Unbekannt ist jedoch, wovon sich die
ziehenden Materialien (Pigmente, Binde-               Bakterien ernähren. Im ungünstigsten Falle
mittel usw.) könnte zu einem schleichenden            ernähren sie sich von organischen Substan-
Verlust der Malerei führen.                           zen und könnten damit verantwortlich für
                                                      den schleichenden Zerfall der Malereien in
Vielleicht ist aber auch etwas ganz anderes           der Kapellenvorhalle sein. Doch wenn dies
Schuld an diesem langsamen Verlust: bio-              der Grund wäre, warum erscheinen dann
gener Befall. In der Kapelle, der Vorhalle,           die Malereien in der Kapelle um so viel bes-
aber auch im Bruderhaus finden sich über-             ser erhalten? Schliesst der deutlich bessere
all Wandbereiche, welche einen leichten               Zustand der Wandgemälde in der Kapelle
Rosaton aufweisen. Man könnte beinahe                 diese These nicht aus? Aus der zu Beginn
meinen, dass es sich dabei um Reste eines             des Artikels aufgelisteten Chronologie der
früheren Wandanstriches in Altrosa han-               wichtigsten Ereignisse seit dem Erwerb
deln könnte. Allerdings stammt diese rosa             des Ritterhauses durch die Ritterhausge-
Farbe von etwas ganz anderem. Es handelt              sellschaft geht hervor, dass die Kapelle und
sich dabei um sogenannte «Rosabakterien».             im Speziellen die Wandgemälde in den
Diese Bakterien leben in Kolonien und                 Jahren 1991–1995 aufwendig restauriert
besiedeln ganze Wandflächen, mitunter                 worden sind. In der Vorhalle wurde jedoch
ganze Gebäudeteile. Sie sind hochspezia-              nichts unternommen. Daher lässt sich über
lisierte Organismen, welche sich nur unter            den Vergleich des Erhaltungszustands der
ganz spezifischen Umgebungsbedingun-                  ­Malereien in den beiden Räumen auch
gen entwickeln können. Es benötigt immer               nichts über den Zerfall herleiten – leider.

Jahrheft #83 | 2019 RESTAURIERUNG                10
Es wird noch einiges an Beobachtung und            ist bedeutend einfacher, einen Raum neu zu
Forschung notwendig sein, um hier die              kalken, um ihn wieder sauber und ansehn-
genauen Zerfallsmechanismen herauszu-              lich wirken zu lassen, als ihn sorgfältig zu
finden. Sicher ist hingegen, dass man den          konservieren und zu restaurieren, um ihm
Rosabakterien oder den im Sockelbereich            seine Würde und Authentizität zu erhalten.
der Vorhalle vorhandenen Blaualgen nur             Doch genau darum geht es: Die Echtheit des
durch eine Veränderung der klimatischen            Ritterhauses muss unbedingt bewahrt wer-
Bedingungen begegnen kann. Eines der               den. Darauf arbeiten wir gemeinsam hin!
wichtigsten Projekte ist daher die Opti-
mierung des Kapellenklimas, wofür eine             Das konkrete Ziel der anstehenden Konser­
interdisziplinäre Expertengruppe zusam-            vierung-Restaurierung ist, den derzeitigen
mengestellt wurde, welche gemeinsam                Zustand zu stabilisieren, sei es nun durch
eine Lösung erarbeiten wird.                       präventive Konservierung oder Konservie-
                                                   rung. Präventive Massnahmen schliessen
Ziele der Konservierung-Restaurierung              beispielsweise die Verbesserung klimati-
der Innenräume – ein Ausblick                      scher Bedingungen ein, mittels derer die
Bei allen Untersuchungen und Arbeiten,             Alterung der Materialien verlangsamt
welche in den Innenräumen des Ritterhau-           werden kann. Ebenfalls dazu zählen der
ses ausgeführt werden, ist die Zielsetzung         Schutz stark beanspruchter Bodenberei-
massgebend für das spätere Erscheinungs-           che (z. B. abgelaufener Dielen) durch eine
bild. Dazu ist es wichtig, sich vor Augen          geänderte Besucherführung, welche die
zu führen, was den                                                         schützenswerten
Charme des Ritterhau-      DIE ECHTHEIT                                    und geschwächten
ses ausmacht. Bewegt                                                       Zonen auslässt und
man sich heute durch     DES RITTERHAUSES                                  somit die Abnüt-
die Räumlichkeiten, so
erscheint einem nichts
                          MUSS UNBEDINGT                                   zung reduziert.

unecht. Aus allen        BEWAHRT WERDEN.                                    Konservierende
Räumen und Ecken                                                            Massnahmen
hauchen einen die vergangenen Jahrhun-             beinhalten z. B. die Stabilisierung loser
derte an und lassen die Zeit der Johanniter        Putz- oder Malschichten und die Reinigung
in Bubikon lebhaft vor dem inneren Auge            sämtlicher Oberflächen. Zu den konservie-
entstehen. Diese Authentizität kann man            renden Massnahmen gehören aber auch
nicht kaufen oder konstruieren. Sie ist das        die Stabilisierung von Holzböden, loser Ton-
Ergebnis von Oberflächen, welche über              platten oder offener Fugen mittels Hinter-
eine lange Zeit gealtert sind. Spuren von          füllung oder Zurückkleben loser Schichten,
Feuer oder geänderten Raumeinteilungen             Schliessen von offenen Fugen usw.
verstärken und bestätigen diesen Eindruck
nur noch mehr. Die Konservierung-Restau-           In einigen wenigen Fällen werden nach
rierung der Innenräume hat denn auch               erfolgter Konservierung kleinere restaura-
dieser Geschichte Rechnung zu tragen. Es           torische Eingriffe vorgenommen.                →

                                              11
Dies z. B. um die Lesbarkeit einer Dar-         stark beschädigten Verputze in der Werk-
stellung zu verbessern oder um störende         statt des Hausmeisters sowie der Ersatz des
Flecken auf einer Fläche zu mindern.            nicht mehr zu rettenden Zementbodens
                                                im selben Raum. Beide sind nicht historisch
Nur in ganz wenigen Fällen sind Renovie-        und tragen ausserdem zur Schädigung der
rungsarbeiten vorgesehen. Dazu zählt zum        bauzeitlichen Mauern bei, da sie zu dicht
Beispiel der Ersatz der zementösen und          und zu stark salzbelastet sind.

  Begriffserklärung

  Präventive          Zustandserhalt durch flankierende Massnahmen ohne Eingriff
  Konservierung:      am Objekt

  Konservierung:	Der reine Erhalt eines Zustandes durch nicht sichtbare Eingriffe
                  am Objekt

  Restaurierung:	Massnahmen nach erfolgter Konservierung zur Verbesserung
                  der Lesbarkeit oder der Ästhetik eines Objektes

  Renovierung:	Instandstellung eines Objektes mittels Ersatz oder Teilersatz von
                Bestandteilen sowie kompletter Überarbeitung der Oberflächen,
                z. B. durch Anstriche.
                                                                                              ×

Jahrheft #83 | 2019 RESTAURIERUNG          12
SANIERUNGEN                                              Von Beat Meier

 AM RITTERHAUS
BUBIKON 2019
Mit den steigenden Temperaturen im                  dem bestehenden Sockelmauerwerk ein
Frühjahr konnten nach der winterlichen              massiver Sockel aus Kalkbeton angebracht
Austrocknungszeit endlich die Arbeiten an           (siehe Bild). Die neu verlegte Sickerleitung
den Fundamenten der Kapellenwestseite               wird künftig alles Oberflächenwasser im
weitergeführt werden. Im Zuge der Grabar-           Fassadenbereich zuverlässig der Meteor-
beiten wurde unter Terrain ein stillgelegter        wasserleitung zuführen.
Schacht mit einem Rest Leitungsstück zur
Aussenwand hin entdeckt. Schacht und Lei-           Nachdem Ende 2018 alle Arbeiten an der
tung waren randvoll mit Dreck und Wasser.           Fassadensanierung Ost und Nord abge-
Um dem Kapellenvorraum ein Maximum                  schlossen waren und das Gerüst rundum
an Feuchteschutz zu bieten, wurde vor               entfernt werden konnte, wurden im              →

                                               13
Frühling 2019 die Grabarbeiten für die
Fundamentsanierung und die Sickerlei-
tungen in Angriff genommen. Natürlich
waren auch an den Ost- und Nordfassaden
die Archäologen vor Ort, um die Überra-
schungen unter dem Boden zu reinigen
und zu dokumentieren. Wie erwartet kam
Verschiedenes zum Vorschein. An der Ost-
seite des Komturgebäudes wurden einige
Überreste von Jauchegruben entdeckt, die
lange nicht mehr in Betrieb waren, für die
neuen Sickerleitungen jedoch zurückge-
baut werden mussten (siehe Bild). Nach
Abschluss der Konsolidierungsarbeiten an
den recht lockeren Fundamenten sowie des
Sockelputzes durch den Baumeister wurde
auf der ganzen Länge ab Ecke Kapelle eine
neue Sickerleitung verlegt. Damit sollen
eine mögliche Staunässe und Durchfeuch-
tung des Mauerwerkes von unten künftig
vermieden werden. Gleichzeitig wurde
auch die Ableitung des Regenwassers des
Komturgebäudes neu gefasst und künftig
kann das Wasser dem Brunnen im Kräuter-
garten zugeführt werden.

Bei den Grabarbeiten rund um die Kapelle
konnten alte Fundamente der früheren
ersten Kapelle und deren teilweise Nach-
bildung aus den 40er-Jahren freigelegt
werden. Zur Überraschung aller wurden              Auf der Nordseite des Bruderhauses
in diesem Bereich alte Sickerleitungen aus         bestand das Fundament teilweise nur aus
Tonröhren gefunden, die jedoch im Laufe            ein paar lose verlegten Bollensteinen –
der Jahrzehnte völlig zugewachsen waren            offenbar hielt die Mauer hier bisher aus
und nicht mehr funktionierten. Deshalb             lauter Gewohnheit. Durch fachkundige
wurden auch hier neue Drainageleitungen            Ergänzung mit grossen Steinen sowie dem
verlegt, um die Aussenwände der Kapelle            Verbund mit entsprechendem Kalkmörtel
und des Bruderhauses möglichst trocken zu          durch den spezialisierten Bauunternehmer
halten. Im Zuge der Umgebungsarbeiten              konnte die Tragfestigkeit nun wieder auf
wurde der östliche Notausgang neugestal-           lange Sicht gesichert werden.
tet und die Stufen in Sandstein ausgeführt.

Jahrheft #83 | 2019 SANIERUNGEN               14
1 Fundamentsockel der Kapellenwestseite.

           2 Fundament der Kapelle auf der
              Südseite nach der Reinigung durch
              die Archäologen.

           3 Alte Jauchegruben auf der Ostseite
              des Komturhauses.

      1

      2                                                                                3

In Ergänzung zu den rundum laufenden               Im Nachgang zu den Arbeiten am Sockel-
Sickerleitungen wurden auch Korrekturen            putz wurden die Restauratoren für die
und Ergänzungen an den Schmutzwasser-              verschiedenen Anpassungen und Material-
leitungen vorgenommen. So wurden die               übergänge noch einmal aktiv.
Kontrollschächte auf der Ostseite erneuert
und mit einer neuen Reserveleitung ergänzt.        Selbstverständlich werden die Arbeiten
Das Regenwasser wurde konsequent vom               an den Leitungen mit einer lückenlosen
Schmutzwasser getrennt und nördlich des            planerischen Dokumentation abgeschlos-
Bruderhauses ein neuer Kontrollschacht             sen, damit auch nachfolgende Genera-
versetzt.                                          tionen im Ritterhaus über die Lage und
                                                   Qualität der Leitungen im Bild sind.      ×

                                              15
BESUCH VOM
LORD PRIOR                                                                   Von Marco Zanoli

           DES ORDER OF ST JOHN
Am 13. Mai 2019 konnte eine Delegation               Reihe von links nach rechts die Wappen der
des Vorstands der Ritterhausgesellschaft             Johanniterorden aus Deutschland, Grossbri-
Sir Malcolm Ross, den Lord Prior des briti-          tannien, der Niederlande sowie Schwedens.
schen Order of St John, mit Gattin im Ritter-        In der unteren Reihe stehen die Wappen der
haus empfangen und durch die Ausstellung             Orden aus Ungarn, der Schweiz, Finnland
führen. Die Gäste aus England zeigten sich           und Frankreich.1
sehr interessiert am Haus, seiner Geschichte
und den Exponaten aus der Ordensge-                  Es war also sehr treffend, dass der Präsi-
schichte. Zum Abschluss konnten trotz der            dent des Hilfswerks der Schweizer Johan-
kalten Bise im sonnigen Kräutergarten                niter, Herr Thomas Vorwerk, den Lord Prior
einige schöne Gruppenbilder geschossen               nach Bubikon führte, wo die Kooperation
werden, um den Besuch in den Annalen                 der Orden in der Nachkriegszeit gewisser-
des Ritterhauses auch bildlich festzuhalten.         massen ihre Wiege hat. Denn der Haupt-
                                                     grund für die Anwesenheit Sir Malcolms
Dies war das erste Mal seit 1956, dass die           in der Schweiz war das jährliche Treffen
Ritterhausgesellschaft einen Lord Prior in           der ­«Johanniter International (JOIN)», wel-
Bubikon empfangen durfte. Damals fanden              ches dieses Jahr in Zürich stattfand. Dieses
in der Schweiz intensive Kontakte zwischen           Netzwerk der Hilfswerke des Johanniter-
den verschiedenen Zweigen des Johanni-               ordens wurde im Jahr 2000 gegründet zur
terordens statt, die am 5. September 1958            Vernetzung der weltweit ehrenamtlich
im Ritterhaus Bubikon zu einem ersten                tätigen Mitglieder. Besonders im Bereich
formellen Zusammentreffen der Orden aus              des Rettungsdienstes und der Gesund-
Deutschland, England, Frankreich, Schwe-             heitsfürsorge sowie der h­ umanitären Hilfe
den, den Niederlanden, Finnland, Ungarn              sind diese Vernetzung und der Austausch
und der Schweiz führten. An dieses Ereignis          sehr wichtig.
erinnern heute im Rittersaal eine Tafel
­sowie eine Wappenscheibe.                           Lord Prior Lieutenant-Colonel Sir Walter
                                                     Hugh Malcolm Ross übernahm nach einer
Die Allianzscheibe der Johanniterorden               Militärkarriere verschiedene Ämter am
wurde der Ritterhausgesellschaft 1981 über-          britischen Hof. Er wurde mehrfach ausge-
reicht, um an die Gründergespräche von               zeichnet und 1999 in den Adelsstand erho-
1958 zu erinnern. Sie zeigt in der oberen            ben. 2016 setzte ihn die britische Königin

Jahrheft #83 | 2019 BESUCH VOM LORD PRIOR       16
Gruppenbild im Kräutergarten des Ritterhauses Bubikon: Verena Vorwerk, Thomas Vorwerk,
Lady Susan Ross, Robert Hotz, Christine Bernet, Sir Malcolm Ross, Marco Zanoli (v. l. n. r.).

Elisabeth II. als Lord Prior des Ordens ein. In        zu würdigen und Kontakte zu den verschie-
der Struktur des Order of St John ist dies das         denen weltweiten Teilen der Organisation zu
dritthöchste Amt. Über diesem stehen nur               pflegen. Gemäss den Angaben des Ordens
die Königin und der Grand Prior, der tradi-            engagieren sich über 300’000 Männer und
tionsgemäss aus der Königsfamilie stammt.              Frauen weltweit ehrenamtlich und auch als
Dies ist derzeit Prinz Richard, Herzog von             Angestellte für die karitativen Ziele dieser
Gloucester, ein Cousin der Königin. Sir                Organisation. Zuletzt seien er und seine Frau
Malcolm übergab sein Amt im Juni 2019 an               durch acht subsaharische Länder gereist,
seinen designierten Nachfolger, den Kanzler            wo der Orden verschiedene Hilfswerke finan­
des australischen Priorats, Prof. Mark Comp-           ziere und enorme Arbeit geleistet werde,
ton. Leider verstarb Sir Malcolm bereits kurz          die man nicht genug schätzen könne.
nach seinem Rücktritt am 27. Oktober 2019
überraschend im Alter von 76 Jahren.                   Es war eine grosse Ehre und eine grosse
                                                       Freude, dass wir Sir Malcolm im Ritterhaus
Ich hatte Gelegenheit mit dem Lord Prior               empfangen durften. Wir hoffen auch in Hin-
kurz über seine Tätigkeit für den Orden zu             blick auf die bevorstehende Überarbeitung
sprechen. Er berichtete mir, dass es eine sehr         des Museums wieder engere Bande zum
grosse Ehre für ihn und seine Frau gewesen             ­Order of St John knüpfen zu können, um
sei, dieses Amt ausüben zu dürfen. Er habe              auch die Tätigkeit dieses Ordens wieder bes-
seit seiner Ernennung 43 verschiedene                   ser in der Ausstellung abbilden zu können.
Länder besucht, um dort die Arbeit der
­ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Ordens             Jahrheft der Ritterhausgesellschaft Bubikon, 1981.
                                                       1
                                                                                                             ×

                                                  17
JAHRESBERICHT
 DES VORSTANDES
      2019                                         Von Marco Zanoli

Wie bereits in den vorigen Jahren standen          Die schön gestaltete moderne Ausstellung
auch 2019 Baufragen im Zentrum fast jeder          ist sehr zu empfehlen.
Sitzung der Betriebskommission und des
Vorstands. So konnten wir in diesem Jahr           Die 83. ordentliche Hauptversammlung der
die Sanierung der Aussenfassaden mit               Ritterhausgesellschaft wurde am 15. Juni
der Kapellenvorhalle sowie der Nord- und           2019 durchgeführt. Anwesend waren
Ostfassade unter der Leitung von Architekt         72 stimmberechtigte Mitglieder und zahl-
Beat Meier erfolgreich und bei Gesamt-             reiche Gäste, darunter besonders erwäh-
kosten von rund Fr. 940’000 innerhalb des          nenswert wiederum eine Delegation des
budgetierten Rahmens abschliessen. Für             Historischen Vereins der Malteserstadt Hei-
die Aufgleisung der auf 2020 verschobe-            tersheim. Der Vorstand verabschiedete die
nen Restaurierungen und Sanierungen im             Aktuarin Rosmarie Bernauer, welche das
Innenbereich konnte bereits 2018 Andreas           Amt seit 2012 innehatte. Ihre Aufgabe wird
Franz gewonnen werden, der als restaura-           von Boris Bauer übernommen, der bisher
torischer Fachbauleiter die Vorbereitung           für die Ressorts Archiv und Öffentlichkeits-
und Ausschreibung der Arbeiten koordi-             arbeit zuständig war. Die Öffentlichkeits-
nierte. Er erarbeitete bis im Sommer 2019          arbeit wird interimistisch vom Präsidenten,
einen Antrag über rund Fr. 3.9 Mio. für die        der Betriebs- und der Museumsleiterin
nächste Etappe der Gesamtrenovation des            übernommen. Die Versammlung wurde von
Hauses, den die Ritterhausgesellschaft beim        einem spannenden Vortrag von Andreas
Kanton Zürich einreichte.                          Franz über die anstehenden Restaurierun-
                                                   gen im Ritterhaus abgeschlossen.
Der Vorstand traf sich 2019 zu zwei und
die Betriebskommission zu zehn ordentli-           Im Rahmen einer Auffrischung des gesam-
chen Sitzungen. Die Betriebskommission             ten Auftritts der Ritterhausgesellschaft
unternahm zudem einen Ausflug nach                 wurde 2019 das Logo sanft angepasst und
St. Gallen, um sich die neu gestaltete Aus-        zahlreiche Drucksachen neu gestaltet, auch
stellung für den St. Galler Klosterplan im         wieder mit der lokalen Künstlerin Siân
Stiftsarchiv präsentieren zu lassen.               Sprenger und dem langjährigen Partner

Jahrheft #83 | 2019 JAHRESBERICHT 2019        18
Reto Spinazzè. Er wird 2020 auch die Web-            von Bubikon-Wolfhausen wie beabsichtigt
seite so anpassen, dass sie wieder aktuellen         einen Einblick in unser Haus geben.
Standards entspricht.
                                                     Leider gelang es nicht, der Realisierung der
Nachdem die für 2019 geplante Ausstel-               Museumsneugestaltung wie geplant im Jahr
lung über die Restaurationen im Innern               2019 zum Durchbruch zu verhelfen. Im Auf-
des Hauses kurzfristig Ende 2018 ins Was-            trag der Ritterhausgesellschaft wurde eine
ser fiel, da die entsprechenden Arbeiten             Machbarkeitsstudie erstellt, die aufzeigt,
um ein Jahr verschoben werden mussten,               wie die Anliegen des Brandschutzes, der Be-
blieb kaum mehr Zeit                                                         hindertengerechtig-
eine neue Saisonaus-
stellung für 2019
                          ES BLIEB KAUM                                      keit und des Betriebes
                                                                             baulich umgesetzt
zu organisieren. Die      MEHR ZEIT EINE                                     werden könnten. Die
­Museumsleiterin,
 ­Daniela Tracht,        NEUE SAISONAUS­                                     denkmalpflegerische
                                                                             Prüfung der Studie er-
  ­konnte dann aber
   mit der Unterstüt-
                        STELLUNG FÜR 2019                                    gab jedoch, dass eine
                                                                             Umsetzung kaum
   zung von Sponso-     ZU ORGANISIEREN.                                     oder nur in sehr klei-
   ren umgehend die                                                          nen Teilen realistisch
   Ausstellung von 2018 inhaltlich erweitern,        ist. Des Weiteren ist die vollständige Auf-
   so dass sie unter dem neuen Namen «Es             nahme der baulichen Situation im Inneren
   summt und brummt bei Chruut & Lüüt»               trotz grossem Aufwand durch die kantonale
   noch eine weitere Saison erfolgreich              Denkmalpflege noch nicht abgeschlossen.
   ­gezeigt werden konnte.                           Der Vorstand und die Betriebskommission
                                                     überprüfen im ersten Quartal 2020 die
Unter den zahlreichen Anlässen im                    bisherige Strategie, um eine Erneuerung des
Berichtsjahr, die von der Betriebsleitung            Museums bis 2024 zu ermöglichen, wobei
noch näher erläutert werden, sind zwei               Varianten mit minimalen baulichen Eingrif-
an dieser Stelle besonders zu erwähnen.              fen im Zentrum stehen werden.
Am 13. Mai durften der Präsident und eine
Abordnung des Vorstandes Sir Malcolm                 Zum Jahresende erarbeitete die Betriebs-
Ross, Lord Prior des Order of St John, im            kommission mit Museums- und Betriebs-
Ritterhaus empfangen. Der diesjährige Tag            leitung die Unterlagen, welche die Basis
der offenen Tür wurde erstmals im neuen              für die Anträge für die Betriebsbeiträge
Konzept durchgeführt, welches neu das                an Kanton und Gemeinde bilden. Diese
Museum ins Zentrum stellt und deshalb                Anträge wurden zu Beginn des Jahres
auf den bisherigen Ländlersunntig verzich-           2020 eingereicht. Wir sind zuversichtlich,
tet. Zahlreiche Besucher aus Bubikon und             dass diese auch für die kommende Periode
Umgebung fanden am 16. Juni Zeit für                 bewilligt werden, so dass das Ritterhaus
einen kostenlosen Besuch im Museum. Wir              seinen Betrieb im bisherigen Rahmen wei-
hoffen, wir konnten so den Einwohnern                terführen kann.                                  ×

                                                19
MUSEUMS-
     SAISON 2019                                                   Von Daniela Tracht

Wie bereits im Jahr zuvor, so war auch die        in der gesamten Saison von April bis Ende
Museumssaison 2019 von diversen Klima-            Oktober alle Räumlichkeiten des Ritter­
messungen und einzelnen Sanierungs-               hauses ansehen, sei es im Rahmen einer
massnahmen im Ritterhaus geprägt. Eine            der öffentlichen Führungen, der Familien-
Orientierung darüber gibt der Bericht von         führungen oder als Individualbesucher.
Beat Meier «Sanierungen am Ritterhaus
Bubikon 2019» im vorliegenden Jahrheft.           Eine Besonderheit stellten die Führungen
Für die Museumsbesucher blieben die               durch die Waffensammlung Vogel dar. Bei
Arbeiten diesmal jedoch weitgehend im             diesen ermöglichte der Waffenhistoriker
Hintergrund. Und so konnten die Besucher          Jürg A. Meier Jung und Alt einen unterhalt-

Jahrheft #83 | 2019 MUSEUMSSAISON 2019       20
samen und informativen Zugang zur viel-             kleinen Wildkräutergarten gestalten und
schichtigen Welt historischer Waffen des            diesen mit nach Hause nehmen.
16. bis 19. Jahrhunderts. Dabei ging er den
Fragen nach, ob die Waffen von Schlachten           Als Begleitprogramm zur Ausstellung
und Heldenmut erzählen, wer ihre Herstel-           wurden über öffentliche Führungen
ler waren und warum sie überhaupt ge-               hinaus Workshops angeboten, die einen
sammelt wurden. Die Führungen wurden                vertiefenden Einblick in die medizinische
so gut besucht, dass wir diese gerne wieder         Nutzung und Auffassung von Kräutern
anbieten werden.                                    in den Epochen Antike, Mittelalter und
                                                    Neuzeit ermöglichten. Leider wurden diese
Den saisonalen Themenschwerpunkt                    Workshops nur wenig besucht, so dass das
bildete in dieser Saison die Sonderausstel-         Konzept für die Zukunft überdacht und
lung «Es summt & brummt bei Chruut &                angepasst werden muss.
Lüüt». Hierfür wurde die im Sommer 2018
bereits erfolgreich                                                     Einen grossen Er-
gezeigte Aus-
stellung ­«Chruut
                      EINEN GROSSEN                                     folg stellte der Tag
                                                                        der offenen Tür im
und Lüüt» um          ERFOLG STELLTE                                    Ritterhaus Bubikon
den thematischen
Aspekt «Insekten»       DER TAG DER                                     dar, der erstmals das
                                                                        Thema der Ausstellung
erweitert und
konnte bis zum
                     OFFENEN TÜR DAR.                                   aufgriff und attrak-
                                                                        tive Angebote zum
31. Oktober 2019 im Ritterhaus besucht              Museum und der Sonderausstellung für ein
werden. Die Ausstellung zeigte anhand von           breites Publikum anbot. Bei freiem Eintritt
wunderbaren Fotografien der Schweizer               konnten die kleinen und grossen Besucher
Fotografin Natalie Boo, wie vielfältig es in        an Führungen durch das Ritterhaus, die
den Wiesen summt und brummt. So konnte              Sonderausstellung und auch den Kräuter-
die tragende Rolle von Insekten in unserem          garten teilnehmen und darüber hinaus die
Ökosystem aufgezeigt werden sowie deren             Ausstellung über Bienen von bienen.ch
Lebensweise und Entwicklung. Die Ausstel-           ansehen und viele spannende Fakten über
lung bot zudem Einblicke in Verwendung              das Leben und Arbeiten der Honigbiene
und Nutzung einzelner Kräuter von der               erfahren. Den ganzen Tag standen im
Antike bis in unsere Zeit.                          Ritterhaus und im Garten Fachpersonen
                                                    bereit, um zu informieren. Zudem präsen-
Die jungen Besucher konnten im Rahmen               tierte das Imkereimuseum Grüningen im
von öffentlichen Familienführungen mit              Hof des Ritterhauses Leben und Haltung
der Gartenkatze Pina auf Entdeckungstour            von Bienen und wer geduldig war, konnte
durch die Welt von Kräutern und Düften              sogar im Bienenstock die Bienenkönigin
gehen und dabei auf altersgerechte Art              entdecken. Die jungen Besucher konnten
Geschichten über Kräuter und Insekten               an diesem Tag aus Erde, Lehm und Wild­
kennenlernen. Im Anschluss an die Entde-            blumensamen Samenbomben gestalten
ckungstour durften die Kinder noch einen            und diese mit nach Hause nehmen.              →

                                               21
Die Durchführung eines solchen Tages                  22 Museen und 12 Musikschulen im Kanton
wäre ohne die zuverlässige und engagierte             Zürich zu einer Veranstaltungsreihe der
Mitarbeit von vielen helfenden Händen                 besonderen Art ein: Geigen und Celli, Sax
wie Museumsführern und Aufsichten, aber               und Drums, gespielt von jungen Talenten,
auch ehrenamtlich helfenden Jugendlichen              erklangen inmitten von Ritterrüstungen,
und Vorstand der Ritterhausgesellschaft               Handwerksutensilien, Maschinen und Fahr-
nicht möglich gewesen. Ihnen allen möchte             zeugen aus vergangenen Tagen. Bereits
ich an dieser Stelle für die engagierte Unter-        zum vierten Mal öffneten die Museen ihre
stützung herzlich danken. Mindestens 600              Türen für ein Publikum, das sich von leben-
Besucher haben an diesem Tag das Haus und             dig inszenierter Vergangenheit ebenso
den Epochen-Kräutergarten besucht, an den             begeistern lässt wie von den Darbietungen
vielseitigen Führungen teilgenommen und               junger Musiker. Die einzelnen Veranstal-
natürlich auch das kulinarische Angebot               tungen werden jeweils von den Museen
unseres eigenen Bistros im Ritterhaus und             und Musikschulen gemeinsam organisiert
am Stand des Frauenchors Bubikon im Hof               und stehen unter dem Patronat des Vereins
genossen.                                             muse-um-zürich und des Verbandes Zürcher
                                                      Musikschulen. Im Ritterhaus konnten die
Unter dem Titel «Augenweide und Ohren-                etwa 410 Besucher bei einem Wander-
schmaus» luden am Sonntag, 19. Mai,                   konzert verschiedene Räume des Hauses

Jahrheft #83 | 2019 MUSEUMSSAISON 2019           22
erkunden. Die musikalische Gestaltung                 100 Jahren zahlreiche Bild- und Filmdoku-
übernahmen Schüler der Musikschule                    mente entstanden, die bis heute spannende
­Zürcher Oberland und deren Lehrer.                   Perspektiven des Hauses eröffnen und
                                                      Veränderungen aufzeigen. Mit Unterstüt-
Die Europäischen Tage des Denkmals                    zung von Memoriav, SRF und der refor-
in der Schweiz setzten dann am 14./15.                mierten Kirche des Kantons Zürich konnten
September den Pinsel an. Unter dem Motto              Ausschnitte aus diversen Filmen gezeigt
«Farben – Couleurs – Colori – Colurs» luden           werden, die seit 1944 im Ritterhaus gedreht
sie dazu ein, das baukulturelle Erbe der              wurden. Durch historische Fotografien –
Schweiz in all seinen Farben und Formen               sowohl in Schwarzweiss als auch in Farbe –
neu kennenzulernen und über die farbli-               wurden diese bildlichen Eindrücke ergänzt.
che Gestaltung des öffentlichen Raumes zu             So durften die Besucher ungewohnte
diskutieren. Das Ritterhaus Bubikon wurde             Ansichten des Ritterhauses erleben. Und
1959 als Denkmal von nationaler Bedeutung             natürlich war der Eintritt ins Museum an
eingestuft. Bis heute zeigen Ein­blicke in die        diesen Tagen gratis.
Bau- und Nutzungsgeschichte spannende
Aspekte. Daneben diente das Ritterhaus                Während der Saison konnten wir auch
immer wieder als Gegenstand oder Kulisse              immer wieder diverse Workshops und Schü-
für Verfilmungen. So sind in den letzten              lerführungen durch das Museum durch-          →

                                                 23
führen, wie beispielsweise im Rahmen des            Und so boten die Frühlingsblumen den
Ferienplauschs des Bezirks Hinwil oder des          ersten Besuchern bunte Farbkleckse.
Ferienplauschs «Komponiere und singe                Als im Mai die frostempfindlichen Kräuter
deine eigene Musik», der im Sommer junge            gesetzt werden sollten, zeigte sich das
Musiker ins Ritterhaus geführt hat.                 Wetter jedoch eher von der garstigen
                                                    Seite und insbesondere die Basilikumarten
Zum Saisonende konnten noch zwei neue               bedurften einer intensiven Pflege. Der
Veranstaltungen ins Programm aufgenom-              folgende Sommer bereitete dann jedoch
men werden: Die eine dreht sich ganz um             keinerlei Schwierigkeiten mehr, denn er
die Kulinarik und die                                                   war weder besonders
Frage, wie und was                                                      trocken, noch hatte das
man eigentlich früher      BEI DEN NACHT­                               ehrenamtlich arbei-
ass. Beim gemeinsamen
Kochen nach Rezep-          FÜHRUNGEN                                   tende Gartenteam mit
                                                                        vielen Schädlingen zu
ten aus vergangener
Zeit erfährt man viel
                            FÜR KINDER                                  kämpfen.

über die Herkunft          IST SPANNUNG                                 Um den eigenen Be-
von Redewendungen,
medizinische Aspekte         ANGESAGT!                                  stand an Kräutern zu
                                                                        mehren, begann das
des Essens, Tischsitten                                                 Team damit, die Samen
usw. Und natürlich kann man auch das                einzelner Kräuter zu sammeln, um diese
Ritterhaus besuchen und anschliessend das           im Frühling 2020 auszusäen. Im Sinne der
gemeinsam gekochte Mahl geniessen.                  Biodiversität wurden die einjährigen Pflan-
                                                    zenteile über den Winter stehen gelassen,
Bei den Nachtführungen für Kinder ist Span-         denn sie bieten zahlreichen Insekten und
nung angesagt! Geheimnisvolles Knacken,             Tieren Schutz und Raum, um den Winter
Schatten an den Wänden und der Geruch               zu überstehen. Im Frühling 2020 werden
nach alten Mauern – das alles verspricht ein        die Beete dann für eine erneute attraktive
nächtlicher Besuch im Ritterhaus. Bei diesen        Saison vorbereitet. Als Museumsleiterin
Besuchen können Kinder im Alter von 8 bis           danke ich dem Gartenteam herzlich für die
12 Jahren das Museum im Dunkeln ent-                unermüdliche Arbeit im Kräutergarten, der
decken und einen spannenden Abend mit               sich den Museums­besuchern stets sorgfäl-
Geschichten und einem wärmenden Punsch              tig gepflegt präsentiert und eine attrak-
erleben. Wir freuen uns auf viele furchtlose        tive Bereicherung des Museumsbereichs
Kinder, die das Ritterhaus auch in Zukunft          darstellt.
bei Nacht besuchen.
                                                    Insgesamt konnten wir in der Saison 2019
Im Epochen-Kräutergarten konnten die                5’787 Gäste im Museum des Ritterhauses
Vorbereitungsarbeiten für die Saison­               begrüssen. Viele von ihnen haben an einer
eröffnung 2019 bereits im März mit                  der 103 durchgeführten Führungen teil­
warmer Frühlingssonne begonnen werden.              genommen.                                     ×

Jahrheft #83 | 2019 MUSEUMSSAISON 2019         24
25
HERRSCHAFTSAUSBAU UND
BESITZAKKUMULATION
DIE RELEVANZ DES BESITZES DER
KOMMENDE BUBIKON IN DEREN
HERRSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG1                                            Von Noemi Bearth

Mit dem Erwerb oder Erhalt von Besitz ging             Nach einem kurzen Überblick über die
im Mittelalter nicht bloss ein Gebäude oder            historischen Gegebenheiten wird diese
ein Stück Land in die Hände eines neuen                Fragestellung für drei Phasen (Periode der
­Eigentümers/einer neuen Eigentümerin                  Schenkungen/Käufe/Konflikte) einzeln
 über, sondern meist auch die Leute, die das           betrachtet, bevor ein Fazit gezogen wird.
 Gut oder Land bewirtschafteten, Abgaben
 an den Grundherrn/die Grundherrin zu                  Eine Kommende als adlig-klerikaler
 leisten hatten und rechtlich diesem/dieser            ­Herrschaftsträger
 unterstellt waren. Besitz definierte somit             Der Johanniterorden trat in Europa nicht
 einen Herrschaftsraum und gleichzeitig                 als Einheit auf und verfolgte – vorerst –
 kontinuierliche Einnahmen, welche es wie-              keine eigentliche Territorialpolitik. Jede
 derum möglich machten, Herrschaft weiter               Kommende, so auch die in Bubikon, musste
 auszubauen und diese                                                       sich im lokalen Herr-
 zu inszenieren. Den
 Besitzungen kann folg-
                           DER JOHANNITER­                                  schaftsgefüge selbst
                                                                            positionieren und Kon-
 lich innerhalb der Herr-   ORDEN TRAT IN                                   takte zu den regionalen
 schaftsentwicklung
 besonders viel Gewicht     EUROPA NICHT                                    Herrschaftsträgern
                                                                            knüpfen.3 Der in der
 beigemessen werden
 und es wird Ziel dieses
                           ALS EINHEIT AUF.                                 Fragestellung umrissene
                                                                            Untersuchungszeit-
 Beitrags sein, die herrschaftliche Entwick-            raum schliesst das 13. und 14. Jahrhundert
 lung der Kommende Bubikon näher zu                     mit ein und damit eine Zeit, in welcher
 beleuchten. Die wichtigste Frage wird                  verschiedene – vornehmlich adlige – Herr-
 dabei sein: Wie lässt sich die herrschaftliche         schaftsträger ihre Macht in der Nordost-
 Entwicklung der Kommende Bubikon von                   schweiz auszubauen versuchten.4 Die
 deren Gründung Ende des 12. Jahrhunderts               Positionierung der Kommende Bubikon
 bis zur Konventsauflösung im Jahre 1532                muss folglich in diesem Kontext begriffen
 anhand ihres Besitzes bewerten? 2                      werden. Eine Verknüpfung zwischen der

Jahrheft #83 | 2019 HERRSCHAFTSAUSBAU             26
herrschaftlichen Etablierung von Adelsge-          Die Periode der Schenkungen
schlechtern und der Johanniterkommende             (um 1198−1275)
Bubikon wird sich nachfolgend vor allem            In der Anfangsphase der Johanniter in
in Schenkungen zeigen, welche in hoher             ­Europa stand das Sammeln von Almosen
Zahl besonders in der Anfangsphase                  und die Rekrutierung von neuen Kreuzrit-
getätigt wurden. Tatsächlich war aber ab            tern im Vordergrund. Auf diese Phase, die
dem 13. Jahrhundert die adlige Herkunft             im 12. Jahrhundert einsetzte, folgte eine
der Ordensmitglieder Voraussetzung für              Periode, in welcher Güterschenkungen zu-
den Ordenseintritt.5 Die Ordensmitglieder           nahmen. Diese hatten vornehmlich das Ziel,
brachten daher meist neben Schenkungen              die Regelmässigkeit der finanziellen Unter-
familiäre Netzwerke und Beziehungen mit.            stützung des Heiligen Landes zu gewährleis-
Innerhalb der herrschaftlichen Entwicklung          ten.13 In diesen Kontext lässt sich auch die
der Kommende kann die Kategorie Adel                Kommende Bubikon einordnen. Nach ihrer
deshalb keinesfalls vernachlässigt und auch         Gründung Ende des 12. Jahrhunderts waren
nicht von dem Besitz klar getrennt werden,          die ersten rund 80 Jahre ihres Bestehens von
weshalb diese Komponente stets mitge-               unterschiedlichen Schenkungen geprägt, die
dacht werden muss.                                  vom Zürcher Oberland bis in den heutigen         →

Was wird nachfolgend unter Herrschaft,             begrenzten Hand-/Schupflehen und zeitlich
Besitz und Adel verstanden?                        unbegrenzten Erblehen unterschieden.8
Herrschaft konnte im Mittelalter mittels           Als Herrschaftsentwicklung wird die
(Herrschafts-)Rechten über Leute, Grund            systematisch betriebene Verdichtung von
und Boden ausgeübt werden.6                        lokaler Herrschaft 9 sowie der Prozess der
Der Begriff Herrschaft wird hier direkt mit        zunehmenden Abhängigkeit der von den
dem Besitz solcher Rechte verknüpft. Für           Rechtsverhältnissen betroffenen Personen
diese Untersuchung stehen die Grundherr-           verstanden.10
schaft und die Lehnsherrschaft, zwei in            Die Kategorie Besitz umfasst Grundei-
der Forschung sehr umstrittene Begriffe, als       gentum, Eigenleute, Rechte sowie damit
spezifische Herrschaftstypen im Zentrum.           ­verbundene Einnahmequellen (Zinsen,
Beide Herrschaftstypen befugen den Herrn/           Abgaben o. ä.).11
die Herrin, Herrschaft über die Leute auszu-        Adel bezeichnet im Folgenden die hete-
üben, die auf seinen/ihren Gütern wohnen            rogene Oberschicht, die sich durch ihre
und arbeiten oder ein Gut geliehen haben.7          Herkunft und ihren (überdurchschnittlich
In Bubiker Lehnsbriefen wurde vorwiegend            grossen) Grundbesitz auszeichnete. Der
die Verleihung von bäuerlichem Besitz festge-       Begriff Adel wird vereinfachend sowohl für
halten, für welchen die Lehnsnehmer einen           Grafen als auch für Freiherren, Ritter oder in
Zins und/oder ähnliche Leistungen zu erbrin-        den Quellen als edel bezeichnete Personen
gen hatten. Es wurde dabei zwischen zeitlich        verwendet.12

                                              27
Ausschnitt aus dem Stifter-
                                                                    bild, das sich an der Chor-
                                                                    bogenwand der Kapelle des
                                                                    Ritterhauses Bubikon befindet
                                                                    und um 1210 datiert wird:
                                                                    Der Heilige Johannes, der
                                                                    Ordenspatron, erhält von der
                                                                    Familie von Toggenburg eine
                                                                    Burg. Die Überreichung einer
                                                                    Burg steht ­symbolisch für den
                                                                    Stiftungsakt.

Kanton Aargau und das frühere Herrschafts-            wie der Adel und die Besitzentwicklung der
gebiet der Familie von Toggenburg reich-              Kommende miteinander verknüpft sind. Die
ten (Anhang, Abb. 1).14 Die Mehrheit des              weitere Mitgestaltung der herrschaftlichen
Besitzes siedelte sich 1275 um Bubikon an.15          Entwicklung der Kommende durch den Adel
Auch im etwas weiter entfernten Dübendorf             war ausserdem über Mitbestimmungsrechte
wurden schon erste Güter in die Hände der             sowie den Eintritt von Familienangehörigen
Kommende übergeben.16 So kann beobach-                in den Orden möglich.18
tet werden, dass, obschon die Kommende
mehrheitlich über einzelne, verstreute                Aus den vielen Schenkungen gingen Ein-
Güter in unterschiedlichen Gebieten ver-              kommen hervor, die zwar mehrheitlich ins
fügte, sie dennoch bereits am Ende dieser             Heilige Land geschifft wurden, aber offen-
ersten Periode in zwei später sehr zentralen          bar – wie einzelne Käufe und der Ausbau
Herrschaftsgebieten (um B  ­ ubikon und in            des Johanniterhauses belegen – behielt
Dübendorf) Güter und Rechte besass und                die Kommende doch einen geraumen
somit zu dieser Zeit die Basis für die spätere        Teil davon für sich.19 Die Akkumulation
Entwicklung gelegt wurde.                             von finanziellen Mitteln in dieser Phase
                                                      ermöglichte es in der nächsten Periode, die
Generell wurde die Periode von einer Viel-            Besitzentwicklung aktiv zu beeinflussen,
zahl von Schenkungen dominiert. Dies er-              wie nachfolgend besprochen wird.
klärt auch, weshalb die Güter geografisch so
verstreut lagen. Es wurde nicht systematisch          Die Periode der Käufe (1276−1399)
Besitz erworben, sondern Schenkungen aus              Die herrschaftliche Entwicklung der
unterschiedlichen Gegenden der Nord-                  Kommende Bubikon kann in dieser Phase
ostschweiz wurden meist von Adligen aus               ebenfalls mehrheitlich in den europäischen
Gründen des Seelenheils, Neutralisationsbe-           Kontext eingeordnet werden. So erhielt
strebungen oder weiteren politischen/wirt-            die Kommende in dieser Periode immer
schaftlichen Interessen an die Kommende               noch Schenkungen von adligen Familien,
herangetragen.17 In dieser Phase zeigt sich,          gleichzeitig wurde aber die Besitzpolitik

Jahrheft #83 | 2019 HERRSCHAFTSAUSBAU            28
Ausschnitt der Urkunde C II 3,
                                                                  Nr. 52 (­ Reproduktion des
                                                                  StAZH): Der Rat von Zürich
                                                                  beurkundet den von der
                                                                  Johanniterkommende Bubikon
                                                                  getätigten Kauf von Gütern in
                                                                  Dübendorf und Wil.

aktiv durch eine Vielzahl an Käufen selbst         weiterer Komture am Ende dieser Periode
gestaltet. Wohingegen diese Phase in der           der Besitz der Kommende bis in die Gebiete
Forschung auf Mitte des 13. Jahrhunderts           der heutigen Kantone Aargau, St. Gallen
angesetzt wird und Mitte des 14. Jahrhun-          und Thurgau. Die Herrschaftsschwerpunkte
derts aufgrund demografischer, ökonomi-            im Zürcher Oberland und Dübendorf wur-
scher, sozialer, religiöser und politischer        den weiter ausgebaut. Zusätzlich häuften
Veränderungen endete,20 wurde für die              sich die Besitzungen um das Zürichseeufer,
Kommende Bubikon der Quellenauswer-                welches sich als drittes Herrschaftszent-
tung entsprechend                                                       rum in dieser Periode
der Zeitraum etwas
verschoben. Als Grund
                        ES HÄUFTEN SICH                                 etablierte (Anhang, Abb.
                                                                        2−5). Vogteien besass die
für die einsetzende     DIE BESITZUNGEN                                 Kommende in Hinwil,
aktive Besitzpolitik
wird in der Forschung   UM DAS ZÜRICH­                                  Ringwil sowie über
                                                                        weitere kleinere Güter in
der endgültige Verlust
Jerusalems (1244)
                            SEEUFER.                                    verschiedenen Ortschaf-
                                                                        ten. Darüber hinaus
angeführt, welcher zur Folge gehabt habe,          verfügte die Kommende über die niedere
dass die Überschüsse aus den Besitzungen           Gerichtsbarkeit, Kirchensätze sowie weitere
und weiteren Einkommensquellen fortan              Herrschaftsreche in Gebieten der genann-
nicht mehr ins Heilige Land und stattdessen        ten Herrschaftszentren.24 Ein geschlossener
in «Renditeobjekte» investiert wurden.21           Herrschaftsraum formierte sich indes nicht,
                                                   obschon die Kommende zu einem ernst-
Am aktivsten wurde der Bubiker Besitz              zunehmenden Herrschaftsträger in ihren
mittels Käufen während der Amtszeiten              Herrschaftszentren heranwuchs.
der Komturen Heinrich von Lichtensteig
(1276/1277−1296)22 und Hugo (I.) von               Die aktive Besitzpolitik deutet auf eine
Werdenberg (1297−1329) erweitert.23 So             finanzielle Blütezeit der Kommende hin.
erstreckte sich unter ihrem Zutun und dem          Diese offenbarte sich auch vor Ort, wo das       →

                                              29
Johanniterhaus in dieser Periode beinahe             ­ nanziellen Krise erholt oder hat dies auf
                                                     fi
auf die heutige Grösse erweitert wurde.25            das Beziehungsnetz zurückzuführende
Die Investitionen innerhalb der Mauern der           Gründe? Beides dürfte wohl zu gewissen
Kommende dürften auch repräsentative                 Teilen zutreffen.29 In den 1470er Jahren
Gründe gehabt haben. So wuchs mit der                ­gelangte die Kommende vermutlich in eine
Herrschaftsausweitung der Repräsentations-            erneute finanzielle Krise, die möglicher­
bedarf dieses neuen geistlichen und adligen           weise bis in die 1480er Jahre anhielt.30
Herrschaftssitzes.26                                  Der Visitationsbericht von 1495 zeichnete
                                                      hingegen das Bild einer finanziell blühen-
Die Periode der Konflikte (1400−1532)                 den Kommende,31 weshalb sich wohl die
Wie gesamteuropäisch zu beobachten ist,               Kommende bis zu diesem Zeitpunkt von
wurde die positive Herrschaftsentwicklung             ihrer pekuniären Krise wieder erholt hatte.
der Kommenden meist durch Krisen ein-
setzend Mitte des 14. Jahrhunderts been-             Politische Veränderungen
det. Für die Kommende Bubikon ist diese              Die politische Umgebung Bubikons änderte
Entwicklung etwas später anzusetzen.27 Im            sich in dieser Phase ebenfalls. 1408 kaufte
Folgenden sollen diese tatsächlich überaus           die Stadt Zürich die Herrschaft Grüningen,
konflikt­reiche Phase und die Probleme, die          zu welcher Bubikon gehörte. Erstaunli-
sich für die Kommende                                                   cherweise schlug sich
stellten, beleuchtet wer-
den, obschon diese über
                            DIE POLITISCHE                              dies kaum in den Quel-
                                                                        len nieder.32 Das Ausster-
die allgemeine Besitzent-     UMGEBUNG                                  ben der Stifterfamilie
wicklung hinaus gehen.
                              BUBIKONS                                  Bubikons und gleichzei-
                                                                        tig einer der wichtigsten
Finanzielle Krisen
Gleich zu Beginn der
                            ÄNDERTE SICH.                               Militärmächte in der
                                                                        Nordostschweiz, der Tog-
Periode, also im Jahr 1400, zeichneten sich          genburger, wirkte sich hingegen deutlich
in einer Urkunde eine finanzielle Krise sowie        auf die Kommende aus. Das Machtvakuum,
ein Konflikt mit der Kommende Küsnacht               welches dieses Ereignis hinterliess, führte
ab.28 1428 wurde die Kommende jedoch                 zum Alten Zürichkrieg (um 1436–1450).
zum Tafelgut des Grosspriorats Heitersheim.          ­Infolge dessen fiel die Kapelle der Kom-
Dies bedeutete, dass die Kommende fortan              mende 1442 einer ­schwyzerischen Plünde-
dem Grosspriorat Abgaben zu leisten hatte             rung zum Opfer.33
und von dessen (Gross-)Prior geführt wur-
de. Tatsächlich gilt die Zugehörigkeit zum           Trotz des Wegfallens des Rückhalts der
Grosspriorat als Hinweis für die finanziell          Familie Toggenburg konnte die Kommende
­positive Lage der Kommende, da üblicher-            zu Beginn einen Sonderstatus im Einfluss-
 weise nur zahlkräftige Ordensniederlassun-          gebiet der Stadt Zürich wahren, wie in
 gen in diesen Kreis aufgenommen wurden.             einem Tagsatzungsabkommen von 1437
 Hat sich die Kommende folglich rasch von            bezeugt wird. Darin wird festgehalten, dass
 der im Jahr 1400 urkundlich bezeugten               nicht in der Gerichtsherrschaft Bubikon

Jahrheft #83 | 2019 HERRSCHAFTSAUSBAU           30
Ausschnitt aus der Urkunde C II 3, Nr. 186 (Reproduktion des StAZH): Auf Beschwerde der Johan-
niterkommende Bubikon hin, beschliessen die Eidgenössischen Räte, dass die Amtsleute in den
eidgenössischen Städten und Landschaften die da wohnenden Eigenleute Bubikons dazu anhal-
ten sollten, ihren Pflichten nachzukommen und die schuldigen Fastnachtshühner abzugeben.

ansässige Eigenleute der Kommende Bu-              sich einerseits die Streitigkeiten mit den
bikon im Falle eines Krieges mit Zürich in         (Erb-)Lehnsnehmern häuften und anderer-
den Kampf ziehen müssen. Jedoch wurden             seits innerhalb dieser Konflikte die Stadt
Eigenleute, die in der Gerichtsherrschaft          Zürich als Vermittlerin oder Schiedsrichte-
Bubikon wohnhaft waren, von dieser                 rin zunehmend Einfluss nehmen konnte.37
sogenannten Reisfolgepflicht befreit.34            Neben den Streitigkeiten mit den (Erb-)
Dieses Privileg der                                                       Lehnsnehmern zeig-
Bubiker Eigenleute
wurde 1456 noch-
                        DIE EIGENLEUTE                                    ten sich auch Kon-
                                                                          flikte mit anderen
mals bestätigt und     VERWEIGERTEN DIE                                   Herrschaftsträgern
1492 noch immer
angewendet.35          ABGABE VON FAST­                                   und Eigenleuten in
                                                                          der zweiten Hälfte

Streitigkeiten und
                       NACHTSHÜHNERN.                                     des 15. Jahrhunderts.
                                                                          So verweigerten die
versuchte Herrschaftssicherung                     Eigenleute vermehrt die Abgabe von Fast-
Die Tagsatzungsabkommen können als                 nachtshühnern – diese standen symbolisch
Anzeichen dafür genommen werden, dass              für die Anerkennung der Leibeigenschaft –
die Kommende ihre Herrschaft infolge des           und kamen weiteren Pflichten ebenfalls
Aussterbens ihrer Stifterfamilie zu sichern        nicht mehr nach.38 Fehlender (militäri-
versuchte. Als weitere Versuche einer sol-         scher) Rückhalt von ihrer Stifterfamilie
chen Herrschaftssicherung kann der 1485            könnte wohl ein Grund dafür gewesen
erstellte Hausbrief sowie die Vergabe von          sein, dass die Bubiker Johanniter nur
Erblehen genannt werden.36 Beide Mittel            schwer ihre Herrschaftsrechte durchsetzen
funktionierten indes nur beschränkt, da            konnten.                                       →

                                              31
Die ersten drei Jahrzehnte des 16. Jahrhun-        mittels vielen Schenkungen finanziell zu
derts führten zu einschneidenden Verän-            erstarken und anhand von Herrschaftsrech-
derungen. 1522 verloren die Johanniter             ten allmählich zu einem Herrschaftsträger
Rhodos endgültig, in Zürich setzte sich die        heranzuwachsen. In den ersten 80 Jahren
Reformation durch und die Bauernaufstän-           ihres Bestehens wies die Kommende bereits
de häuften sich. Alle drei Faktoren dürften        Besitz in den zwei zentralen Herrschaftszen-
sowohl den Orden als auch die Kommende             tren um Bubikon und Dübendorf auf. In der
geschwächt haben. Trotz allem wirkten              zweiten Phase, die sich bis zum Ende des
sich diese Ereignisse kaum auf den Besitz          14. Jahrhunderts hinzog, wurden die Besit-
der Kommende Bubikon aus.39 Die Menge              zungen besonders in diesen zwei Gebieten,
an getätigten Käufen nahm zwar ab – was            aber auch im dritten sich herausbildenden
sicherlich teilweise                                                    Herrschaftszentrum,
auf die erwähnten
finanziellen Krisen     DIE ERSTEN DREI                                 um das Zürichseeufer,
                                                                        aktiv durch Käufe von
zurückzuführen ist –,
aber die Kommende
                       JAHRZEHNTE DES                                   Gütern und diversen
                                                                        Herrschaftsrechten
musste tatsächlich    16. JAHRHUNDERTS                                  erweitert. In der letz-
nur wenige Güter
verkaufen oder tau-    FÜHRTEN ZU EIN­                                  ten Phase häuften sich
                                                                        infolge des Ausster-
schen (Anhang,
Abb. 6−8).
                        SCHNEIDENDEN                                    bens der Stifterfamilie
                                                                        (herrschafts-)politische
                      VERÄNDERUNGEN.                                    Konflikte. Finanziell
Infolge der Refor-                                                      durchlief die Kom-
mation wurde der Konvent in Bubikon                mende in diesem Jahrhundert ausserdem
aufgelöst und die Kommende fortan von              zwei schwierige Phasen. Trotz dieser teil­
einem Zürcher Schaffner verwaltet. Dies            weise wirtschaftlichen, teilweise politischen
änderte die herrschaftliche und repräsen-          Schwierigkeiten gelang es der Kommende
tative Funktion der Kommende. Dennoch              lange einen Sonderstatus innerhalb des
setzte nach der Reformation nicht auto-            Zürcher Herrschaftsgebietes zu wahren.
matisch ein Schrumpfungsprozess ein. Die           Von ihrem Besitz musste sie dabei kaum
nahen Gebiete des früheren Herrschafts­            etwas verkaufen, weshalb die Grösse des
territoriums (Bubikon, Hinwil, Ringwil)            Besitzes bis zur Konventsauflösung infolge
sowie auch einige weiter entfernte Güter           der Reformation beinahe mit der Grösse
konnten die Bubiker Johanniter noch bis            des Besitzes Ende des 14. Jahrhunderts
ins 18. Jahrhundert halten.40                      gleichgesetzt werden kann. Obschon der
                                                   Besitz bestehen blieb, verringerten sich die
Fazit                                              Möglichkeiten, selbst Herrschaft auszuüben.
Die herrschaftliche Entwicklung der                Der Verlust an Möglichkeiten der Herr-
Kommende kann anhand des Besitzes wie              schaftsausübung ging folglich nicht aus dem
folgt summarisch bewertet werden: In der           Verlust von Besitz hervor, sondern aus ein-
ersten Periode gelang es der Kommende              schneidenden politischen Veränderungen.

Jahrheft #83 | 2019 HERRSCHAFTSAUSBAU         32
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