Kasper Rorstedt: "Wer will schon Verlierer sehen?" - Unicollege SSML
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Kasper Rorstedt: "Wer will schon Verlierer sehen?" 29. August 2018, 16:51 Uhr Die Digitalisierung verunsichert viele, weil sie nicht wissen, wie stark ihr Job berührt ist, sagt Adidas-Chef Rorsted. Aber deshalb darf man sich nicht verschließen. Interview: und Nina Piatscheck Aus der ZEIT Nr. 36/2018
Mit seinen Mitarbeitern pflegt Adidas-Chef Kasper Rorsted das lockere Du. © Sven Stolzenwald für DIE ZEIT DIE ZEIT: Herr Rorsted, vor zwei Jahren kamen Sie von Henkel zu Adidas. Seither ist der Aktienkurs um 50 Prozent gestiegen, die Aktionäre sind begeistert, und Sie gelten als Held unter den hiesigen CEOs. Haben Sie das verdient? Kasper Rorsted: Das weiß ich nicht. Natürlich hat sich der Unternehmenswert bei Henkel vervielfacht. Dadurch entstand bei den Investoren ein gewisses Vertrauen. Und hier bei Adidas habe ich ein gut geführtes Unternehmen übernommen. ZEIT: Was können Sie besonders gut? Rorsted: Meine Stärke liegt in der Führung eines globalen Unternehmens, darin, es besser und effizienter zu machen. ZEIT: Als gefeierter Spitzenmanager würde Ihr Wort auch in der politischen Diskussion zählen. Unterstützen Sie Siemens-Chef Joe Kaeser, wenn der vor aufkommendem Nationalismus und Rassismus in Deutschland warnt? Rorsted: Bis zu den Ereignissen von Chemnitz am Wochenende hätte ich gesagt: Nein. Vielleicht muss ich das jetzt überdenken. Innerhalb des
Unternehmens ist Rassismus für uns kein relevantes Thema. Ich habe mich schon zum Thema Bildung geäußert, ebenso immer wieder zur Bedeutung der Digitalisierung oder Förderung von Frauen in Führungspositionen. Für mich sind das die drei wichtigsten Themen. Jeder CEO muss sich das aussuchen, was für ihn und die Firma am wichtigsten ist. ZEIT: Für Sie ist also Rassismus kein relevantes Thema? Rorsted: Ich sehe nicht, dass Rassismus ein Thema ist, das uns in unserer täglichen Arbeit begleitet. Wir sind ein globales Unternehmen mit fast 60.000 Mitarbeitern aller möglichen Nationalitäten. Bei Adidas gibt es kein Rassismus-Problem. ZEIT: Könnte der Vormarsch des Rechtspopulismus in Deutschland nicht auch der Marke Adidas im Ausland schaden? Rorsted: Ich bin auch Ausländer. Das ist eine sehr deutsche Betrachtung und wird im Ausland so nicht wahrgenommen. Ich glaube, dass ein großer Teil der Wähler der Rechtspartei AfD Protestwähler sind. Ich sehe die Situation weniger kritisch als Herr Kaeser. ZEIT: Sie fürchten keinen Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft? Rorsted: Deutschland ist eines der liberalsten Länder der Welt. Die Deutschen gehen mit ihrer Vergangenheit fast zu kritisch Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. um. Ich sehe gern die deutsche Flagge, höre 36/2018. Hier können Sie die gesamte Ausgabe lesen. auch die deutsche Nationalhymne gern und bin sehr stolz darauf, ein deutsches Unternehmen zu führen. Ich lebe gern in Deutschland, meine Kinder sind hier geboren. Ein Land mit Erfolg. Ich bin hier als Däne nie diskriminiert worden. Sonst wäre ich wohl kaum Chef von Henkel und jetzt von Adidas geworden. ZEIT: Skandinavier sind wohlgelitten.
Rorsted: Ich habe mir schon bei meinem ersten Job in Deutschland vorgenommen, das Land so gut wie möglich kennenzulernen. Hab mir bewusst keine dänischen Freunde gesucht. ZEIT: Nationale Interessen spielen in der Politik wieder eine große Rolle. Donald Trump erhebt Strafzölle gegen China, die EU, die Türkei – und umgekehrt. Adidas produziert fast alle Schuhe und Bekleidung in Asien. Stören die aufkommenden Handelskriege Ihre weltweiten Lieferketten schon? Rorsted: Momentan sind wir nicht betroffen. Der größte Teil der Waren, die wir in China produzieren, wird auch dort verkauft. Die USA beliefern wir überwiegend aus Vietnam. Ich glaube nicht, dass unsere Branche hart getroffen wird. Außerdem haben alle Hersteller ähnliche Lieferketten. "Strafzölle sind nie gut" ZEIT: Trump würde also Ihrem Rivalen Nike, der Nummer eins im Sportartikelgeschäft, vor Adidas, genauso schaden, wenn er Sonderzölle auf Sneakers erheben würde? Rorsted: Eher sogar noch mehr als uns, weil Nike im US-Markt viel größer ist. Aber natürlich haben wir als globales Unternehmen bislang sehr von den offenen Weltmärkten profitiert. Strafzölle sind nie gut, auch der Brexit ist nicht gut für die Wirtschaft. ZEIT: Die iranische Nationalmannschaft trat bei der Fußball-WM in Russland in Adidas-Schuhen und Trikots auf. Stimmt es, dass Sie die Ausrüstung auf Druck der USA gestoppt haben? Rorsted: Das war anders. Wir hatten nur einen kurzfristigen Vertrag für die WM. Dann sind wir für drei Monate eingesprungen. Der Vertrag läuft jetzt wie geplant aus. ZEIT: Beim Fußball ist die Drei-Streifen-Marke traditionell Marktführer. Bei der WM in Russland war aber keine von Adidas ausgerüstete Mannschaft im Endspiel. Und bei der Leichtathletik-EM in Berlin standen
die deutschen Medaillengewinner in Nike-Sportdress auf dem Treppchen. Haben Sie beim Sponsoring an der falschen Stelle gespart? Rorsted: Wir werden in diesem Jahr Rekordausgaben für Sponsoring haben, das war auch im letzten Jahr schon der Fall. Aber wir können nicht überall dabei sein. Bei der Fußball-WM zuvor waren wir mit Deutschland und Argentinien im Endspiel, die letzte Champions League haben wir mit Real Madrid gewonnen. Manchmal ist es auch Zufall, wer gerade den Sieger sponsert. ZEIT: Sie sagen, Sie geben viel mehr Geld für Sponsoring aus. Wohin fließen die vielen Adidas-Millionen? Rorsted: Die Topmannschaften und die Sportstars werden teurer, und wir investieren mehr in Sportarten und Athleten in den USA. ZEIT: In der Bundesliga unterstützen Sie ja nur noch Bayern München, den Rest überlassen sie Nike, Hummel, Puma & Co. Rorsted: In Deutschland fällt es auf, wenn wir etwas weniger vertreten sind, aber dafür sind wir sehr viel stärker in Amerika. Und wir wollen im Fußball nur noch einige große Vereine fördern, Real Madrid, Manchester United, Juventus Turin oder eben die Bayern. Die Symbole, also Stars und Mannschaften, sind durch die Digitalisierung deutlich globaler geworden. Bayern etwa hat die größte Fangemeinde in China. ZEIT: Die meisten neuen Fußballstars wie der Franzose Kylian Mbappé, aber auch die jungen deutschen Nationalkicker Joshua Kimmich und Leroy Sané laufen in Nike-Tretern auf. Hatten die Amerikaner den besseren Riecher als Adidas? Rorsted: Wir hatten vorher mehr in Mannschaften investiert. Jetzt investieren wir auch mehr in einzelne Spieler. Die Verträge laufen ja drei, fünf oder sieben Jahre. Der Umschwung wird sich bald zeigen. Aber eines sehen Sie richtig, bei Einzelspielern haben wir Aufholbedarf. ZEIT: Ist die sportliche Leistung eines Spielers für Sie wichtiger oder eher
seine Reichweite auf den Social-Media-Kanälen? Rorsted: Beides. Aber ohne sportliche Leistung geht es nicht. Wer möchte schon Verlierer sehen? ZEIT: Sie investieren seit einigen Jahren in Musiker wie Kanye West oder Pharrell Williams. Wie wichtig sind Stars abseits des Sports für die Marke? Rorsted: Extrem. Wir haben zwar unsere Identität im Sport, gleichwohl gibt es eine Reihe von Produkten, die von diesen kreativen Leuten getragen werden. Da wird die Marke aufgeladen. "Wir müssen digitaler werden" ZEIT: Der Erfolg von Adidas war zuletzt auf Lifestyle-Produkte zurückzuführen, die bei ihnen unter dem Label "Originals" laufen. 2016 sind die Umsätze dort um 45 Prozent hochgegangen, 2017 um 32 Prozent. Die Umsätze mit Sportausrüstung sind weit weniger gewachsen. Wird Adidas zur Modemarke? Rorsted: Ein gutes Drittel unseres Umsatzes sind Originals, aber das Modegeschäft schwankt viel stärker als etwa das mit Sportschuhen. In den letzten Jahren sind unsere Schuhe wie "Superstar" oder "Stan Smith" in der Tat stark gewachsen, dieses Jahr wird der Sport wieder stärker wachsen. Wir wollen kein Modeunternehmen werden. Wir sind ein Sportunternehmen. ZEIT: Kann man sich heute noch durch technische Innovationen von der Konkurrenz unterscheiden? Rorsted springt auf, geht zu einem Regal und holt zwei Schuhmodelle heraus: ein Boost-Modell und den Futurecraft 4D. Rorsted: Ja, diese Schuhe zeigen das sehr deutlich. Die Sohle mit Boost- Technologie wurde von BASF entwickelt. Die Dämpfung ist nachweisbar besser. Und der hier ist ein mit einem 3-D-Drucker gefertigter Schuh. In ein paar Jahren machen wir einen Scan des Fußes, dann wird der Schuh
individuell an den Fuß angepasst und gedruckt. Das Obermaterial bei Parley-Schuhen ist zudem komplett aus recyceltem Müll. Das gibt es bei der Konkurrenz nicht. ZEIT: Zahlt der Kunde mehr für Schuhe aus recycelten Materialien? Rorsted: Das hoffe ich. Es gibt ja einen Grund dafür, warum er teurer ist: Das Plastik muss eingesammelt und weiterverarbeitet werden. In diesem Paar Schuhe stecken elf Plastikflaschen. Für uns ist es die Zukunft: 2024 wollen wir für möglichst alle Produkte nur noch recyceltes Plastik verwenden. ZEIT: Aber das gilt nur für das Obermaterial der Schuhe, nicht für die Sohlen oder gar Bekleidung? Rorsted: Wir machen auch schon jetzt Textilien aus recyceltem Plastik, etwa die Champions-League-Trikots für unsere Topteams. Auch das werden wir ausbauen. Das Wichtigste ist: Man bewegt die ganze Firma, wenn man so ein Ziel setzt. Adidas auf Erfolgskurs Der Manager Kasper Rorsted, 56, kommt aus Dänemark. Er arbeitete elf Jahre beim Konsumgüterkonzern Henkel in Düsseldorf, wo er als Chef den Börsenkurs vervielfachte. Seit August 2016 führt er den Sportartikelhersteller Adidas in Herzogenaurach. Das Unternehmen Adidas steigerte 2017 seinen Umsatz zweistellig auf 21,2 Milliarden Euro und ist damit der zweitgrößte Sportartikelhersteller nach Nike. Auch 2018 wuchs Adidas bisher deutlich, vor allem die Umsatzrendite soll überproportional steigen. ZEIT: Eines Ihrer wichtigsten Ziele ist es, die Rendite zu erhöhen: Zehn Prozent reichen Ihnen noch nicht? Rorsted: Wir wollen Marktanteile und Marge steigern. Aber wir haben Nachholbedarf, auch im Vergleich zum Wettbewerb. Wir sind zehn Jahre lang extrem gewachsen, was den Umsatz betrifft, aber die Marge wuchs
nicht mit. Unsere Strategie setzt da an: Wir müssen digitaler werden, den Online-Shop stärken, da sein, wo unsere Kunden sind. Wir haben deshalb Schnelligkeit als eine unserer strategischen Säulen definiert. Wenn ein Produkt gut läuft, können wir während der Saison schneller nachproduzieren. ZEIT: Viele Händler reagieren empfindlich auf Ihren Online-Verkauf, weil der ihnen Umsätze raubt. Rorsted: Unser Ziel für 2020 sind 25 Milliarden Euro Umsatz, davon 4 Milliarden über unsere eigenen Online-Kanäle. Das heißt, 21 Milliarden werden immer noch stationär oder über die Webseiten unserer Händler gemacht. Letztes Jahr sind wir mit unseren Handelspartnern um zwei Milliarden gewachsen. ZEIT: Wir haben verschiedene Schuhe online gegoogelt. Beispiel Adidas "Superstar": Bei Ihnen kostet er 100 Euro, bei Amazon 66 Euro. Wie sehr schadet Ihnen das? Rorsted: Daran können wir leider nicht viel ändern, denn das entscheiden nicht wir, sondern die Händler. Aktuell haben wir keine direkten Geschäftsbeziehungen mit Amazon in Europa. "Nike ist amerikanisch, wir sind eben deutsch" ZEIT: An der Börse wird Adidas gefeiert, die jüngste Mitarbeiterumfrage zeigt das Gegenteil: Viele sind unzufrieden Rorsted: Die Zufriedenheit ist zwar gesunken, aber nach wie vor hoch. Die Digitalisierung verunsichert viele Mitarbeiter, weil sie nicht wissen, wie stark sie ihren Job berührt. Aber man kann sich der Digitalisierung nicht verschließen. Zudem haben wir die Bereiche wie Training nach Amerika verlagert, weil die Impulse für die Sportarten dort entstehen. Dazu kommt: In den vergangenen zwei Jahren ist Originals stark gewachsen, in diesem Jahr weniger. Der Mitarbeiter sieht natürlich:
Vorher lief es besser. Aber solche Zyklen sind ganz normal. ZEIT: Also ist die Unzufriedenheit kein Problem? Rorsted: Natürlich nehmen wir das ernst, wenn wir kritisches Feedback von den Mitarbeitern bekommen. Aber wenn wir sehen, dass der Konsument sich hauptsächlich mit digitalen Medien beschäftigt und online einkauft, dann können wir nicht sagen: Da gehen wir nicht hin. Es gibt Mitarbeiter, die sich mit diesem Wandel nicht wohlfühlen. ZEIT: Wie reagieren Sie darauf? Rorsted: Ich spreche viel mit Mitarbeitern auf allen Ebenen, versuche zu erklären. Am Ende ist Unternehmensführung keine Demokratie. Ich bin unseren Aktionären verpflichtet, und ich muss zusammen mit meinen Vorstandskollegen schauen, dass das Unternehmen langfristig gut dasteht. ZEIT: Sie fühlen sich den Aktionären mehr verpflichtet als den Mitarbeitern? Rorsted: Ich kann Arbeitsplätze nur schützen, wenn wir erfolgreich sind. Wir können nur neue Gebäude, zwei Kindergärten und ein neues Fitnessstudio bauen, wenn das Business läuft. Genau das machen wir in Herzogenaurach. Sehen Sie: Wir haben allein letztes Jahr 500 neue Stellen in Deutschland geschaffen. Insgesamt erhielten wir 1,2 Millionen Bewerbungen. Und kaum ein Mitarbeiter verlässt uns. Wir sind dieses Jahr wieder mehrfach als attraktivster Arbeitgeber ausgezeichnet worden. ZEIT: Wie wichtig ist es noch, dass Adidas als deutsche Marke wahrgenommen wird? Rorsted: Für viele Konsumenten ist das schon wichtig. Wir sollten darauf stolz sein und zu unserer Geschichte stehen. Nike ist amerikanisch, wir sind eben deutsch. Ich habe gerade in den USA wieder von den Dassler- Brüdern erzählt, das begeistert alle. Wir sind einmalig, weil wir aus einem kleinen Dorf in Franken kommen.
ZEIT: Sie waren elf Jahre sehr erfolgreich bei Henkel, dann sind Sie zu Adidas in die Provinz gewechselt ... Rorsted: Wo ich mich wohlfühle! ZEIT: ... können Sie sich vorstellen, noch mal was anderes zu machen? Rorsted: Ich war elf Jahre bei Henkel, und das sehr gerne. Aber wie ein Fußballtrainer habe ich irgendwann gesehen, dass meine Zeit um war. Ich liebe Sport, meine Marke war immer Adidas. Ich habe überhaupt keine Lust, etwas anderes zu machen. Sie sehen: Ich radle in Shorts ins Büro und arbeite mit sportbegeisterten Menschen. Jeder kennt unsere Marke. Ich habe das vor Adidas noch nie gesagt, und das sage ich auch nur einmal: Hier bei Adidas, das ist mein Traumjob. Startseite
Sie können auch lesen