Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Prof. Dr. Dr. Anton Ziegenaus:
                                  Der Mensch auf der Suche nach Wahrheit         35

                                  Historiker von hohem Rang im Dienst der Kirche
                                  – Würdigung zum 90. Geburtstag
                                  von Walter Kardinal Brandmüller              45

                                  Prof. Dr. Manfred Spieker:
                                  Er hat den Stimmlosen eine Stimme geben        48

Katholisches Wort in die Zeit                  50. Jahr Februar 2019

   DER FELS 2/2019                                                          33
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Liebe Leser,                          der Passion auch um seine Erlö-
                                                                                                        sung geht.
                                                                                                           Unsere Welt bietet ein kaum
                                                                      Christen leben ihre Zeit be-      noch überschaubares Angebot
                                                                  wusst – ohne Angst und Furcht,        an interessantem Zeitvertreib.
                                                                  aber in der Gewissheit, dass          Theater, Konzerte, Museen, Fit-
                                                                  der Herr einmal kommen wird.          nesseinrichtungen, Reisen und
                                                                  Überlegungen dazu sind immer          Kreuzfahrten über die Weltmee-
                                                                                                        re. Wer ständig auf den gepack-
 INHALT                                                           zeitgemäß, auch im schon begon-
                                                                  nenen Jahr 2019.                      ten Koffern sitzt, fragt der sich
                                                                      Der Philosoph und Schriftstel-    noch, was seine Seele braucht?
 Prof. Dr. Dr. Anton Ziegenaus:                                   ler Arthur Schopenhauer sagt in       Seele? Ist das nicht ein vergesse-
 Der Mensch auf der Suche                                         seiner Schrift „Über Schriftstel-     ner und unverständlicher Begriff
 nach Wahrheit . ...................................... 35        lerei und Stil“: „Zuvörderst gibt     geworden, der vielen so wenig
                                                                  es zweierlei Schriftsteller, solche   bedeutet wie „Erlösung von der
 P. Dr. Dr. Andreas Hirsch FSSP:                                                                        Sünde“? Wir kennen das Wort
 Maria – Hilfe der Christen ...................... 42             die der Sache wegen und solche,
                                                                  die des Schreibens wegen schrei-      noch vom Sprachgebrauch, wenn
 Diakon Raymund Fobes:                                            ben. Jene haben Gedanken ge-          wir sagen, einer Sache eine Seele
 Jesus Christus steht im Zentrum                                  habt oder Erfahrungen gemacht,        geben und meinen damit das Ei-
 der Weltgeschichte................................. 44                                                 gentliche, das Wesentliche.
                                                                  die ihnen mitteilenswert erschei-
 Historiker von hohem Rang im Dienst                              nen. Diese brauchen Geld, und            Und wenn das Leben hedonis-
 der Kirche – Würdigung zum                                       deswegen schreiben sie für Geld       tisch ausgekostet ist und Krank-
 90. Geburtstag von Walter                                        ... sobald man es merkt, soll man     heit und Pflegebedürftigkeit die
 Kardinal Brandmüller.............................. 45            das Buch wegwerfen: Denn die          Fortsetzung des bisherigen Le-
 Geistesschärfe, pointierte Antworten,                            Zeit ist edel.“                       bensstils nicht mehr erlauben,
 treffsichere Argumentation...................... 46                  Ein überdenkenswerter Satz,       bleibt uns dann noch die Kraft
                                                                  gerade in einer Zeit, in der wir      umzusteuern? Um diese Frage
 Prof. Dr. Manfred Spieker:                                                                             zu beantworten, hat Martha von
 Er hat den Stimmlosen                                            von einem Tsunami an Informa-
                                                                  tionen überschwemmt werden.           Jesinsky zwei Wochen lang in
 eine Stimme geben . .............................. 48
                                                                  „Die Zeit ist edel d.h. wertvoll      einem Alters- und Pflegeheim in
 Ursula Zöller:                                                   – und sie ist begrenzt“. Scho-        Zürich die Insassen beobachtet
 Reformer und Wegbereiter in der Kirche:                                                                und befragt. Sie kam zum Ergeb-
 Bruder Paulus Moritz.............................. 50
                                                                  penhauer verstand sich nicht
                                                                  als Christ. Aber auch Christen        nis: „Die meisten Menschen mei-
 Der Islam hat ein anderes Gottesbild .... 51                     fordert das Evangelium auf, das       ner Zielgruppe waren leicht bis
                                                                  geschenkte Leben zu nutzen. Das       schwer depressiv, beklagten sich
 Mit christlicher Haltung Orientierung
 geben . ................................................... 52   ist kein Aufruf zu rastloser und      über den Verlust ihrer körper-
                                                                  hektischer Aktivität, möglichst       lichen Kräfte und zeigten (fast)
 Hubert Gindert:                                                                                        kein Interesse an Ereignissen der
 Wie die Hintergründe der kirchlichen
                                                                  bis ins hohe Alter. Unser gan-
                                                                  zes Leben steht unter dem Wort:       Gegenwart. Auch Religion und
 Entwicklung verschleiert werden ........... 54                                                         Glaube interessierten sie wenig“
                                                                  „Denkt um und glaubt an das
 Jürgen Liminski:                                                 Evangelium.“ Die Forderung an         (SKS, 9.12.18, S.11).
 Paris auf dem Prüfstand                                          die Kirche, sich ständig zu refor-       Wir sollten die wesentlichen
 der Gelbwesten ..................................... 56          mieren, d.h. zur ursprünglichen       Dinge des Lebens, vor allem die
                                                                  Form zurückzukehren, gilt natür-      persönliche Beziehung zu Gott,
                                                                  lich für jeden Christen. Was heißt    nicht für „zuletzt“ aufschieben.
 Auf dem Prüfstand ................................. 60
                                                                  aber, sich um eine neue Gesin-        Es gibt auch ein anderes Bild
 Bücher.................................................... 62
                                                                  nung zu bemühen?                      von Kranken, Behinderten und
 Impressum „Der Fels“ Februar 2019 Seite 63
                                                                      Wer in die Kirche oder in ein     Alten, die nicht mehr am „akti-
 Redaktionsschluss ist jew. der 5. des Vormonats
                                                                  Konzerthaus geht, um die Pas-         ven Leben“ teilnehmen können,
 Titelbild: Darstellung Jesu im Tempel;                           sion Christi von Johannes Se-         nämlich der gelassenen Zuver-
 aus: Jungfrau der Armen,Nr. 1/ 59 Jahrg. 15.1.1994;              bastian Bach zu hören, kann sie       sicht. Das Geheimnis? Die Ge-
 Titelbildbeschreibung S. 62                                                                            borgenheit in Gott!
                                                                  evtl. mit der Partitur in der Hand
 Fotonachweise:                                                   mitverfolgen und am Ende eine
 35 wikipedia: Carl Van Vechten (1880–1964); 36 Eric              perfekte Leistung der Chöre und
 Gaba (User:Sting), July 2005. Louvre; 37 links: David
 Monniaux; rechts: Kirche in Not; 39 Kunstschätze des             Sänger, gewissermaßen einen
 Vatikans, D. Redig de Campos, Dt. Bücherbund Stutt-              musikalischen Leckerbissen, kon-
 gart, S. 32; 41 links: F. Papafava: Vatican,Edizioni Musei       statieren. Wenn er aber vom Ge-
 Vaticani, S. 52; rechts: wikimedia commons: Source
 Bonhams 42-43 Informationszentrum Berufe der Kirche,             schehen, das dargestellt wurde,
 Ich rufe dich bei deinem Namen, Tafeln 1, 2, 4, 5, 10; 43        innerlich unberührt bleibt und so
 (oben) wikimedia, The Yorck Project (2002); 45 privat;           aus dem Konzert herausgeht, wie
 46-47, 52-53 Forum Deutscher Katholiken; 48 Archiv;                                                          Mit den besten Wünschen
 49 Christa Petri; 50 U. Zöller; 51 Bistum Regensburg;            er hineingegangen ist, schrammt
 Quelle S. 64: Helmut Moll in Martyrologium „Zeugen               er an seinem Lebensziel vorbei.                        aus Kaufering
 für Christus“ I S.235 – 239.
                                                                  Er hat nicht erfasst, dass es bei                 Ihr Hubert Gindert

34                                                                                                                   DER FELS 2/2019
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Anton Ziegenaus:

          Der Mensch auf der Suche nach Wahrheit
                               Gott spricht zu ihm durch seinen Sohn

In      unserem Alltag kommen wir
        nie ohne die Frage aus, was
Recht und Wahrheit ist, was stimmt.
                                           Menschen ohne
                                           Wahrheitsverhältnis

Jede Unterschrift, die am Bankschal-        Josef Pieper1 widmet den Men-
ter geleistet wird, steht als Bestäti-   schen ohne Wahrheitsverhältnis eine
gung für die Wahrheit, dass wir Geld     eigene Abhandlung. Gemeint ist die
abgehoben oder einbezahlt haben.         Gestalt des Kallikles im platonischen
Jeder Richter sucht, oft unter dem       Dialog Gorgias. Da ist noch ein ge-
Aufgebot vieler Zeugen, den wah-         wisser Polos, ein Sophistenschreiber,
ren und wirklichen Sachverhalt. Na-      der die Mächtigen bewundert. Sok-
türlich gibt es Lüge und Trug, aber      rates hält nichts von solchen Typen,
dieser Missbrauch der Wahrheit stellt    die tun können, was sie wollen, aber
nicht die Tatsache in Frage, dass wir    nicht das, was sie eigentlich sollen.
im Verkehr ohne verlässliche Fahr-       Deshalb sind sie letztlich auch nicht
pläne der Bundesbahn oder ohne           mächtig. Sokrates bringt den Polos
stimmende Verkehrsschilder oder          zu dem ihn selbst überraschenden
ohne Angaben der richtigen Uhrzeit       Eingeständnis, dass elendig ist, wer
uns nicht im Leben zurecht finden.       Unrecht tut, ohne dafür bestraft zu      Evelyn Waugh *1903 - j1966
Niemand setzt sich ans Steuer sei-       werden (479e).
nes Autos, ohne sich vorher über den
richtigen Weg orientiert zu haben.          Dieses Ergebnis bringt nun den
Bei all’ unserem Tun fragen wir also     Kallikles in Rage. Er gibt sich als
nach Wahrheit, Richtigkeit und Ver-      Pragmatiker, als Realist, wie wir heu-
lässlichkeit, nach Sinn und Ziel, und    te sagen würden, und rät Sokrates,
erst nach Klärung dieser Fragen kön-     sein Philosophieren aufzugeben. Das
nen wir an die Durchführung eines        Stärkere ist das Bessere, während
Vorhabens gehen.                         Sokrates erklärt: Unrecht tun ist un-
                                         schöner als Unrecht leiden (489a-b).
   Nicht nur bei Themen des irdi-        Überlegen wir den Satz genau. An-
schen Lebens, hier auf Erden, fragen     gelogen zu werden, betrogen zu wer-
wir, was stimmt. Auch im religiösen      den, getötet zu werden ist demnach
Leben stellen sich diese Fragen. Es      weniger schlimm als zu lügen, zu
gibt auch existentielle Wahrheiten       betrügen, zu töten. Unrecht erleiden
wie das richtige Leben vor Gott.         ist besser als Unrecht tun. Kallikles,
„Was muß ich tun, um das ewige Le-       der Mann ohne Wahrheitsverhältnis,
ben zu erlangen?“ (Lk 18,18), fragt      versteht nicht, dass der Unrechttä-
ein junger Mann Jesus. Schließlich       ter das Böse an sich heranlässt und
nehmen die Märtyrer, die Zeugen der      in gewissem Sinn bejaht und daher
Wahrheit Christi, einen hohen Rang       schlimmer dran ist als der Unrecht
ein im Glauben der Kirche. Für sie       Erleidende.
ist das Leben mit Christus wichtiger
als das eigene Leben. Doch zeigt            Evelyn Waugh, ein englischer
ein Blick auf die Zeitgenossen, dass     Schriftsteller und Konvertit hat einen
solche Wahrheitsfragen nicht über-       modernen Kallikles gezeichnet2. In
all gestellt werden und anderes für      seinem Roman „Auf Wiedersehn mit
wichtiger befunden wird.                 Brideshed“ hat ein gewisser Moltram

DER FELS 2/2019                                                                                               35
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
die Absicht, ein schönes und reiches      mehr gebraucht. Wenn die Wahrheit         Stein ist geprägt von einer unermüd-
Mädchen aus der katholischen Aris-        nicht mehr gesucht wird, wird alles       lichen Suche nach Wahrheit.“ Edith
tokratie zu heiraten. Doch gibt es ein    gleich-gültig. Kallikles bindet sich      Stein war jüdischer Abstammung
Hindernis: Er ist nicht katholisch.       nicht an eine Wahrheit. Für ihn ist das   und vom jüdischen Glauben der
Um so größer die Freude, als er er-       Gute mit dem Angenehmen identisch         Mutter stark beeindruckt. Jedoch als
klärt, katholisch werden zu wollen.       (497d), ist eine Lust und Glückselig-     fünfzehnjährige Schülerin beschließt
Man empfiehlt ihm einen Jesuiten,         keit (495a). Sokrates hält dem entge-     sie, „nicht mehr zu beten“. Es be-
der mit Konvertiten schon häufiger        gen, dass dann auch das Kratzen bei       ginnt ihre atheistische Lebensphase.
Erfahrungen sammeln konnte.               Juckreiz zum glücklichen Leben ge-        Hinter diesem Entschluss steht der
                                          hört: „Sage mir nur zuerst, ob krätzig    mangelnde Glaube an das Dasein
                                          sein und das Jucken haben, wenn man       eines persönlichen Gottes, jedoch
                                          sich nur genug schaben kann und so        nicht Gleichgültigkeit oder geisti-
                                          gekitzelt sein Leben hinbringen, ob       ge Unbekümmertheit. Edith Steins
                                          das auch heißt, glückselig leben“         Drang, einer Sache auf den Grund zu
                                          (494c). Diese Gleichsetzung von           gehen, ihre Lernbegierde, beweisen
                                          Lust und Glückseligkeit ergibt – so       das Gegenteil. Da ihre Studienfreun-
                                          Sokrates –: „das Leben der Knaben-        de im Ersten Weltkrieg eingezogen
                                          schänder ist nicht abscheulich und        waren, meldete sie sich zum Pflege-
                                          schändlich und elend. Oder wirst du       dienst in einem Lazarett. Edith ließ
                                          wirklich wagen zu behaupten, dass         sich also in Anspruch nehmen. Ihre
                                          auch diese glückselig sind, wenn sie
                                          nur vollauf haben, wessen sie bedür-
   Doch nach einiger Zeit erklärt der     fen?“ – „Schämst du dich nicht, So-
Jesuit, Mr. Moltram sei der schwie-       krates, die Rede auf solche Dinge zu
rigste Fall, mit dem er je zu tun hat-    bringen?“ – Sokrates: „Bringe ich sie
te. Aber, er wolle doch in die Kirche     etwa darauf, Bester, oder der, wel-
aufgenommen werden. „Geben Sie            cher so ohne weiteres behauptet, wer
mir einfach ein Formular, und ich         nur Lust habe, gleichviel wie er Lust
werde auf der punktierten Linie un-       habe, der sei glückselig, und keinen
terschreiben.“                            Unterschied angibt, welche Lust gut
                                          ist und welche schlecht?“ (495a).
   Dieser Mr. Moltram ist nicht           Nach Sokrates ist eben die Lust und       Glaubenslosigkeit wurde durch die
dumm, auch nicht unaufrichtig. Es         das Gute nicht dasselbe. „Es ist,         Glaubensstärke einer Frau erschüt-
fehlt ihm das Gespür für die persön-      wie es scheint, dass eine Lust gut        tert, die den Tod ihres Mannes, eines
liche Verbindlichkeit der Wahrheit        ist, andere schlecht.“ Sokrates zieht
bzw. zwischen Wahrheit und Lüge           den Schluss: „Um des Guten willen
besteht bei ihm kein Unterschied. So      also muss man alles Übrige und so
verspricht man sich bei der Trauung       auch das Angenehme tun, nicht aber
lebenslange Treue und kann damit          das Gute wegen des Angenehmen“
vereinbaren, dass man sich beim No-       (500a).
tar für den Fall des Scheiterns der Ehe                                                Sokrates (*469 v. Chr. - 399 v.
finanziell absichert. Warum dauern           Das Traumbild des Lebens ist für          Chr.) war ein für das abendlän-
die zwischenstaatlichen diplomati-        Kallikles ein Herrscher, der an nichts       dische Denken unverzichtbarer
schen Verhandlungen manchmal jah-         gebunden ist. Am Schluss des Di-             griechischer Philosoph
relang? Man will feste Vereinbarun-       alogs kehrt Sokrates zu den Thesen
gen, aber nicht gebunden sein. Die        des Anfangs zurück: Unrecht zu er-
Macht will man nicht weggeben.            leiden ist besser als Unrecht zu tun.
                                          Diese nur schwer erkennbare und
   Während jedes Wort eine Wahrheit       noch schwerer im Leben durchzuhal-
in Anspruch nimmt, sieht man hier         tende geistige Einsicht entspringt der
nicht mehr den Schein-Charakter des       erzieherischen Absicht Platons.
Gesprächs, das in Wirklichkeit ein
Monolog ist3. Die Position des Geg-
ners kann nicht durch Argumente er-         Wahrheit als
schüttert werden, weil sie nicht auf        Bindungsbereitschaft
Argumenten beruht. Denken Sie nur           im Blick auf Edith Stein
an die Dauerthemen in der Kirche wie
Priesterweihe der Frau, die Sakra­          Bei der Seligsprechung Edith
mente für wiederverheiratete Ge-          Steins sagte Papst Johannes Paul II:
schiedene. Argumente werden nicht         „Der ganze Lebensweg von Edith

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Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Studienfreundes Ediths, in gläubiger      geworden wäre, aber „katholisch“          ten, Juden und Muslime verehren
Hoffnung trug. Das lange Tasten und       war für die „versteinerte“ Familie so     nur einen Gott. Sie gehören offen-
Suchen fand überraschend ein Ende,        etwas wie „auf den Knien rutschen“        sichtlich zu denen, die „nichts ande-
als sie abends bei einer Freundin,        und den „Priestern die Schuhe küs-        res kennengelernt“ haben, die Jesus
die wegen einer Verpflichtung weg-        sen“.                                     Christus, den ewigen Sohn Gottes,
ging, ein Buch von der hl. Teresia                                                  nicht kennen und lieben oder in ihm
von Avila aus dem Regal nahm und             Diese Spannung wiederholte sich        nur einen vorbildlich guten Men-
die ganze Nacht durch las. „Das ist       als Edith ins Kloster eintrat. Kurz vor   schen sehen. Wir Christen verehren
die Wahrheit“, stellte Edith am frü-      dem Klostereintritt besuchte Edith        den einen Gott, der in Ewigkeit Va-
hen Morgen fest. Daraufhin ließ sie       mit ihrer Mutter einen jüdischen          ter des Sohnes ist, in dem Gott sich
sich taufen. Später bemerkte sie im       Gottesdienst. Auf dem Heimweg             uns geoffenbart hat. Gott ist nicht
Rückblick auf diese Zeit: „Meine          kam es zu folgendem Zwiegespräch:         einsam, sondern in sich und nach au-
Sehnsucht nach der Wahrheit war ein       „War die Predigt schön?“. Edith: „Ja      ßen ewige Liebe zwischen Vater und
einziges Gebet.“                          – Man kann auch auf jüdisch fromm         Sohn im Heiligen Geist.
                                          sein? – Gewiss, wenn man nichts an-
   Ediths Mutter war eine sehr tüchti-    deres kennengelernt hat.“ – Nun kam          Sokrates fragt nach der rechten
ge und gläubige jüdische Frau. Edith      es verzweifelt zurück: „Warum hast        Weise zu leben. Kallikles plädiert da-
hatte deshalb Angst, der Mutter ihren     du es kennengelernt. Ich will nichts      für, die Begierden nicht einzuzwän-
Schritt zur katholischen Kirche mit-      gegen ihn sagen. Er mag ein guter         gen, sondern sie „so groß wie immer
zuteilen, sie war sogar darauf gefasst,   Mensch gewesen sein. Aber warum           möglich lassen und ihnen, woher es
mit Schimpf und Schande aus der Fa-       hat er sich zu Gott gemacht.“ Mut-        auch sei, Befriedigung bereiten“.
milie verstoßen zu werden. Als Edith      ter und Tochter, die sich in Liebe        (492d). Im Dienen sieht er eine Ein-
nach Breslau kam und zur Mutter           zugetan sind, entzweit auf einmal         schränkung des Glücks (491e). Edith
sagte „Ich bin katholisch“, geriet        Jesus Christus. Wer ihn kennt, muss       Stein weil sie erkannt hat: Jesu Wort
diese nicht in einen befürchteten hei-    ihn lieben, so die Tochter, die Mutter    „Ich bin das Leben“
ligen Zorn, sondern brach in Tränen       wirft ihm vor, dass er sich neben dem
aus. Die Frau, die nach dem Tod ih-       einzigen Gott zu Gott gemacht habe.          In der Sorge um die schwerkranke
res Mannes das Geschäft souverän          Zwischen beiden steht die Frage:          Mutter schreibt Edith aus dem Kar-
weiterführte, die Mutter von sieben       Was hältst Du von Christus?               mel in einem Brief, dass die Mutter,
Kindern, die von ihnen nie in Tränen                                                den Übertritt zum katholischen Glau-
gesehen wurde, weinte.                      Nicht selten hört man das Schlag-       ben und ihren Eintritt ins Kloster nie
                                          wort: Wir alle haben nur einen Herr-      verstehen konnte, weil der Mutter
   Noch eher hätte die Familie ver-       gott. Das heißt letztlich auch: Alle      wie den meisten Juden, der Glaube an
standen, wenn Edith evangelisch           Religionen sind gleich, denn Chris-       ein ewiges Leben geschwunden sei.
                                                                                    Ein andermal schreibt Edith Juden
                                                                                    können sich mit Energie für ein Ziel
                                                                                    einsetzen, aber bei einem Misserfolg
    Teresa von Avila (*1515 - j1582)                                                laufen sie Gefahr, sich selbst das Le-
    gründete in Spanien zahlreiche                                                  ben zu nehmen. Sie können nicht in
    neue Klöster der neuen strengen           Sr. Benedicta a Cruce Edith Stein     der Hoffnung auf das ewige Leben
    Observanz (sog. „unbeschuhte              (*1891 - j1942 im KZ Auschwitz):      eine irdische Not durchstehen. Edith
    Karmeliter“, Männer- und Frau-            Zur Wahrheit fand sie durch die       vergleicht eine jüdische Beerdigung,
    enorden). Besondere Bedeutung             Lektüre des Buches „Die Seelen-       bei der nur von den Verdiensten des
    hat ihr Werk „Die Seelenburg“.            burg“ von Teresa von Avila.           Verstorbenen gesprochen wird, mit
                                                                                    einem katholischen Leichenbegäng-
                                                                                    nis, das vom Trost des ewigen Le-
                                                                                    bens durchdrungen sei. Tatsächlich
                                                                                    ist nach Paulus (1 Kor 15,14) der
                                                                                    Glaube ohne Auferstehung sinnlos
                                                                                    und der jüdische Kanon des AT, das
                                                                                    nun die sog. protokanonischen Bü-
                                                                                    cher umfasst, weiß wenig vom Leben
                                                                                    nach dem Tod.

                                                                                       Jesus ist nicht nur das Leben, son-
                                                                                    dern auch der Weg. Edith Stein oder
                                                                                    – im Klosternamen – Teresia Bene-
                                                                                    dicta a Cruce ist den Weg wie Jesus
                                                                                    gegangen, den Weg des Kreuzes und
                                                                                    zwar nicht nur in dem Sinn, dass sie

DER FELS 2/2019                                                                                                       37
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
einen gewaltsamen Tod erlitt, son-       für meine Angehörigen, lebende und        bedeuten. Wie verschieden sind im
dern dass sie ihn als Sühne angebot.     tote, und alle, die mir Gott gegeben      konkreten Leben die Religionen!
Beim Klostereintritt hat E. Stein        hat, dass keiner von ihnen verloren
selbst um diesen Namen gebeten.          gehe.“                                      Nach Ediths Mutter sollte jeder
Sie schreibt: „Der tiefste Sinn (des                                               bei der Religion bleiben, in die er hi-
Zusatzes zum Namen: a Cruce) ist            Vergleichen Sie die Hingabebe-         neingeboren wurde. Die Frage nach
doch der, dass wir eine persönliche      reitschaft und die Kreuzesnachfolge       der Wahrheit stellt sich bei diesem
Berufung haben, im Sinn bestimm-         Teresia Benedictas a Cruce mit der        Standpunkt nicht. Aber kann sie für
ter Geheimnisse zu leben“4. E. Stein     Herrsch- und Geltungssucht und            das ganze Leben unterdrückt wer-
bot sich mehrmals Gott zur Sühne         Leidenschaftlichkeit des Kallikles.       den?
an: z.B. bittet sie am 24.3.1939 die     Teresia Benedicta hat bis zu ihrem
Priorin um die Erlaubnis, „mich dem      Tod die Wahrheit gesucht und ist ge-         Diese Vielfalt der Religionen
                                         wachsen in der Liebe zu dem, der die      führt in der Konsequenz zu einem
                                         Wahrheit ist. Wahrheitssuche gelingt      Relativismus, zu ihrer Privatisierung
                                         nur in der Bindungsfähigkeit, die wir     und inneren Auflösung. Konversi-
                                         bei Moltram und Kallikles vergeblich      onen gelten dann als überholt oder
                                         suchen. Edith Stein hat sich selbst an    als Fanatismus. Wenn es stimmt,
                                         Jesus Christus gebunden, auch an          dass der Mensch als fragendes, ver-
                                         sein Kreuz, und das freiwillig und        nunftbegabtes Wesen religiösen Fra-
                                         „mit Freude“.                             gen wie Leben nach dem Tod, Ver-
                                                                                   antwortung vor Gott als Herrn, oder
                                                                                   Schuld, Sühne und Gerechtigkeit,
                                           Gott offenbart sich                     nicht ausweichen kann – außer er
                                           in seinem Sohn                          beschränkt sein Denken –, lässt sich
                                                                                   auch die Lösung vorstellen: Nicht
                                            Bei der Frage, ob es Gott gibt,        der Mensch schafft Gott nach seinem
                                         verweisen der römische Staatsmann         Bild und Gutdünken, sondern Gott
                                         Cicero und schon früher Platon auf        offenbart sich den Menschen. Das ist
                                         die Tatsache, dass es kein Volk ohne      der Standpunkt der Offenbarungsre-
Herzen Jesu als Sühnopfer für den        Religion und Tempel gebe. Religion        ligionen (Judentum, Christentum):
wahren Frieden anzubieten: dass          gehört zum Menschen. Atheismus ist        Gott beruft den Abraham, führt sein
die Herrschaft des Antichrists, wenn     nicht natürlich, sondern ein künstli-
möglich, ohne einen neuen Weltkrieg      ches Gemächte.
zusammenbricht und eine neue Ord-
nung aufgerichtet werden kann. Ich          Aber die Frage stellt sich präziser:
möchte es heute noch, weil es die        Wie ist dieser Gott, wie verhält er
12. Stunde ist. Ich weiß, dass ich ein   sich zum Menschen und wie dieser
Nichts bin, aber Jesus will es, und er   zu ihm?
wird in diesen Tagen noch viele an-
dere dazu rufen“5.                          In der Seelsorge habe ich oft mit
                                         Menschen, die weit in der Welt he-
   Schließlich sei noch eine Passa-      rumgekommen sind, etwa mit Mon-
ge aus dem Testament6 vom 9. Juni        teuren großer Firmen, darüber dis-
1942, also aus Ediths Todesjahr, zi-     kutiert. Sie stellten verwundert fest:
tiert: „Schon jetzt nehme ich den        Überall gibt es Tempel als Zeichen        Volk durch Mose und die Prophe-
Tod, den Gott mir zugedacht hat, in      der Gottesverehrung, aber überall         ten. Er sieht über die Zeit der Un-
vollkommener Unterwerfung unter          zeigt diese ein anderes Gesicht. Die      wissenheit hinweg (vgl. Apg 17,30)
seinem heiligsten Willen mit Freude      Menschen suchen Gott und beten            und sendet nach den Propheten als
entgegen. Ich bitte den Herrn, dass er   ihn an, ihr Leben ist von der Religi-     höchsten Boten seinen Sohn (Hebr
mein Leben und Sterben annehmen          on geprägt, aber überall anders. Z.B.     1,1ff). Der Sohn ist der Offenbarer
möge zu seiner Ehre und Verherrli-       praktizieren die Azteken in Mexiko        des Vaters, der Sohn allein kennt
chung, Heiligung und Vollendung          oder die Phönizier Menschenopfer,         ihn: „Niemand hat Gott je gesehen;
unseres heiligen Ordens, namentlich      Kinder wurden dem Gott Molach ge-         dieser eingeborene Sohn, der an der
des Kölner und Echter Karmels, zur       opfert (vgl. 2 Kg 23,10). Dtn 18,10       Brust des Vaters ruht, er hat Kunde
Sühne für den Unglauben des jüdi-        verbietet solche Opfer7.                  gebracht“ (Joh 1,18). Ähnlich Joh
schen Volkes und damit der Herr von                                                6,46. „Alles ist mir übergeben von
den Seinen aufgenommen werde und            Ein weiteres Beispiel: An heid-        meinem Vater. Niemand kennt den
sein Reich komme in Herrlichkeit,        nischen Tempeln boten oft Huren           Sohn als der Vater und auch den Va-
für die Rettung Deutschlands und         ihre Dienste an, weshalb im AT Göt-       ter kennt niemand als der Sohn, und
den Frieden der Welt, schließlich        zendienst und Hurerei oft dasselbe        wem es der Sohn offenbaren will“

38                                                                                                  DER FELS 2/2019
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
(Mt 11,27). Hier wird sehr klar die
innige und ausschließliche Lebens-
gemeinschaft zwischen Vater und
Sohn (kennen!) ausgesprochen.

   Die Stimme vom Himmel weist
Jesus als „geliebten Sohn“ aus, an
dem der Vater sein „Wohlgefallen“
hat (Mk 1,11; 8,7; Mt 3,17; 17,5; Lk
3,23; 9,34; 2 Petr 117): Auf ihn sol-
len wir hören. Dieser Jesus ist unser
„Herr“ (1 Ko 8,6). Er soll „allen Völ-
kern“ verkündet werden (Mt 28,10;
Mk 16,15; Apg 1,8). Die Frage lautet:
Weshalb soll dieser Jesus von Naza-
reth für alle und jeden Einzelnen der
bestimmende Bezugspunkt sein. Mit
anderen Worten: Weshalb ist Jesus
Christus die einmalige Person für
alle, singulär und universell. Warum          Der Philosoph als Sucher nach der Wahrheit. Er will erkennen, was „die
also Jesus Christus?                          Welt im Innersten zusammenhält“(Goethe, Faust).

   Die einen würden sagen, und es
wurde in der Geschichte auch so
gesagt, Jesus hätte eine großartige
Lehre (siehe Bergpredigt) gebracht        Sie sind alle gleich wahr. Jede hat       der Halt im Leiden und im Sterben.
und ist deshalb einmalig. Aber – so       ihre Vor- und Nachteile. Es ist wie       Mahatma Gandhi soll einmal gesagt
muss man einwenden – eine Lehre,          auf einer Wiese mit vielerlei Blumen.     haben, von allen Religionen wisse
auch eine besondere Lehre zielt dar-      Dadurch – und nicht durch eine ein-       keine Überzeugendes zum Leid zu
auf, eingesehen und angenommen zu         zige schöne Blume – wird die Wiese        sagen außer das Christentum. Die
werden. Ist sie aber verstanden, wird     schön. Erst durch die Vielfalt kann       Sr. Benedicta a Cruce verstand den
der Initiator oder erste Entdecker        sich der Reichtum des Religiösen          Zusatz zu ihrem Namen als Adels-
bzw. Verkünder überflüssig, genauso       manifestieren. Gott ist und entzieht      bezeichnung. Der Segen kommt vom
wie der pythagoräische Lehrsatz gül-      sich in seiner Transzendenz, sein We-     Kreuz, das Kreuz bringt Segen.
tig bleibt, wenn Pythagoras nicht ge-     sen ist nicht fassbar. Wir Menschen
lebt und den Lehrsatz nicht entdeckt      können jeweils nur diese oder jene
hätte. Ein Lehrsatz kann auch unab-       Aspekte oder Seiten von ihm erken-          Die Veflochtenheit von
hängig vom Griechen Pythagoras in         nen, aber nicht ihn selbst. Diese Sicht     Vernunft und Glaube
einem anderen Kulturkreis, etwa in        erübrigt die Frage nach der Wahrheit
China, wieder erkannt werden. Die         einer Religion. Die Wahrheit gibt es         In der abendländischen Geistes-
Lehre Jesu ist gültig, auch wenn Je-      nicht und wird privatisiert. Jeder hat    geschichte hat sich das Bewusstsein
sus nicht gelebt hätte. oder – so an-     seine eigene Religion und seine eige-     von zwei Erkenntnisordnungen he-
dere – das Besondere an Jesus liegt,      ne Wahrheit. Allerdings können dann       rausgebildet: Vernunft und Glaube,
weshalb er für alle die bestimmende       manchmal tiefgreifende Einschnitte,       ratio et fides, wie eine Enzyklika Jo-
Gestalt ist, in einer außerordentlichen   etwa ein Todesfall oder eine Krank-       hannes Pauls II. heißt8. Der Mensch
Naturbegabung, etwa in einer religiö-     heit, zu tieferen Fragen anregen: Was     ist ein Wesen, das mit seiner Vernunft
sen oder altruistischen Genialität, so    ist nun wirklich, was ist wahr?           nach Wahrheit strebt. Aber diese Ver-
wie Mozart eine musikalische besaß                                                  nunft, wenn sie tatsächlich auf das
Oder: Die frühen Christen hätten das         Wir können zusammenfassend von         Ganze zielt, kann nicht ausschließen,
Beste aus allen Religionen der Um-        diesen Voraussetzungen ausgehen:          dass es eine absolute Wahrheit gibt.
welt herausgefiltert, das Christentum     Jesus ist der vom Vater bestätigte ge-    So ist der Mensch mit seiner Ver-
sei also die Essenz oder der Extrakt      liebte Sohn, Gott von Gott, wahrer        nunft immer auch ein Fragender und
aller Religionen. Bei dieser Argu-        Gott vom wahren Gott. Jesus kennt         Hörender.
mentation muss man allerdings fra-        den Vater.
gen, warum eine religiöse Naturbega-                                                  Wenn jedoch das Ziel der Philo-
bung nicht ein zweites Mal auftreten         Als Gott ist er als Offenbarer un-     sophie nicht in vielem Einzelwissen
könnte. Dann wäre die Singularität        überbietbar; intensiver, verlässlicher    besteht – dann wäre der Mensch ein
und Universalität Jesu Christi aufge-     als der Sohn kann niemand Gott of-        wandelndes Lexikon –, sondern in
hoben und beseitigt. Wieder andere        fenbaren. Deshalb ist auch seine Of-      der Liebe zur Weisheit, die auch die
bejahen die Vielheit der Religionen.      fenbarung wahr. Er ist auch tragen-       Frage nach dem Woher und Wozu

DER FELS 2/2019                                                                                                       39
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
umfasst, dann muss die Philosophie      Gespür für das Geheimnis, für das         14,5) ist, das wahre Brot (Joh 6,22),
auch das Ganze im Auge behalten,        rational nicht Erklärbare verloren.       der wahre Weinstock (Joh 15,1).
also auch Metaphysik betreiben, will    Diese Religion der Vernunft strich
sie nicht von vornherein ihren Blick    vor allem metaphysische Themen               Freilich, dieses „wahre Licht“ (Joh
verengen. Man darf mit W. Dilthey       wie Sinn des Leidens, Kreuz, Auf-         1,9) kam in die Welt, aber das Seine
sagen, dass, zu keiner Zeit die Macht   erstehung, Erlösung weg. Diese Ge-        nahm ihn nicht auf (Joh 1,11). Damit
der Metaphysik so groß war als in       heimnisse galten als Aberglaube. Es       die Aufnahme gelingt, bedarf es des
jenen Jahren, in denen sie mit der      kommt nicht von ungefähr, dass sich       Geschenkes der Gnade. Als Paulus
Theologie und der Kirche verbun-        erst in der Aufklärungszeit das Theo-     nach Philippi kam, heißt es von der
den war.“ In der Reformation ging       dizeeproblem, d.h. das Problem der        Purpurhändlerin Lydia: „Der Herr
diese Verbindung von Philosophie/       Rechtfertigung eines guten Gottes         öffnete ihr das Herz“ (Apg 16,14).
Metaphysik/Vernunft und Glaube          angesichts des Übels und des Leids        Ohne Gnade kommt kein Mensch
                                        in der Welt, in aller Schärfe stellte.    zum Glauben. Natürlich richtet sich
                                        Die Aufklärung entsprang dem Be-          die Gnade immer an den freien Willen
                                        dürfnis nach Klärung entscheidender       des Menschen, der zustimmen muss.
                                        Fragen des Menschen angesichts ei-        Einen wesentlichen Anteil bei der
                                        ner Pattsituation in der Wahrheits-       Aufnahme des Wortes Gottes hat der
                                        frage bei den Konfessionen nach der       Heilige Geist. Wie notwendig er ist
                                        Reformation. Alle Vernunftsysteme         – für die Verkündiger ebenso wie für
                                        haben also durch den Zwiespalt der        die Hörer –, sehen wir an der Weisung
                                        Konfessionen profitiert.                  Jesu an seine Jünger, vor der Geist-
                                                                                  sendung nicht von Jerusalem weg-
                                           Der Erkenntnisweg des Glaubens         zugehen zur Verkündigung (vgl. Apg
                                        löst zwar nicht die Geheimnisse alle-     1,4). „Der Geist der Wahrheit wird
                                        samt rational auf, lässt aber doch ihre   auch hinführen zur vollen Wahrheit ...
                                        Sinnhaftigkeit annähernd erkennen,        Er wird mich verherrlichen und von
                                        so das Geheimnis des Menschen in          dem Meinen wird er nehmen und es
verloren. Sie kennen das Wort Lu-       seinem Woher und Wohin. Johan-            euch verkünden“ (Joh 16,13ff).
thers von der Hure Vernunft. Doch       nes Pul II. führt in seiner Enzyklika
damit nahm auch die Wirkmacht des       Fides et Ratio aus: „Wo sonst als in         Die Apostel, vom Heiligen Geist
anderen Pendants, des Glaubens, ab.     dem Licht, das vom Geheimnis der          erleuchtet und geführt, zogen hinaus
Die Folge der Skepsis gegen die Ver-    Passion des Todes und der Auferste-       und bezeugten – wie auch die vielen
nunft war nämlich der Fideismus, die    hung ausstrahlt, könnte der Mensch        Märtyrer, – den Auferstandenen, die
Position des Nur-Glaubens oder des      die Antwort auf so dramatische Fra-       Wahrheit, die Jesus Christus ist. Die-
Glaubens allein oder des unbegrün-      ge suchen, wie die des Schmerzes,         ser Geist führt die Kirche durch die
deten Dezisionismus. Z. B.: Auf die     des Leidens Unschuldiger und des          Jahrhunderte bis heute. Heute wird
Frage, warum sie sich an Jesus Chris-   Todes?“ (a. 112). Blaise Pascal sagte     diese Wahrheit bezeugt und weiter-
tus halten, antwortet man häufig:       dasselbe, aber im verallgemeinenden       gegeben in der katholischen Kirche.
Weil es mir woanders nicht so aufge-    Sinn9: „Ohne Jesus Christus wissen        Gegen das Gerede vom Christentum,
gangen ist. Hier fehlt das Argument.    wir weder was unser Leben, noch           das als solches nicht greifbar ist und
Der Subjektivismus blüht!               was unser Tod, noch was Gott ist,         nur in den Ausprägungen diverser
                                        noch was wir selbst sind.“ Also auch      Konfessionen begegnet und gegen
   Sank hier aus dem Bereich der        Gott, dessen Dasein durch die Ver-        eine unbekümmert ökumenische Of-
Theologie schon die Achtung vor         nunft erkennbar ist, bliebe ohne die      fenheit in der Wahrheitsfrage darf das
dem Wert der Metaphysik zur Vor-        Offenbarung so sehr im Geheimnis          Zweite Vatikanum zitiert werden:
bereitung der Theologie, so kam         verborgen, dass er geradezu aus der          „Der einzige Mittler Christus
ein weiterer Schlag gegen die Meta-     Wirklichkeit verschwinden würde,             hat seine heilige Kirche, die
physik aus dem Bereich der Aufklä-      wie die Gottesvorstellungen der ver-         Gemeinschaft des Glaubens,
rungsphilosophie: Der Engländer To-     schiedenen Religionen belegen kön-           der Hoffnung und der Liebe,
land († 1722) leugnete jede von der     nen. Hier gilt das schon zitierte Wort       hier auf Erden als sichtbares
Vernunft unabhängige Autorität der      Jesu (Mt 11,27): „Niemand kennt den          Gefüge verfasst und trägt sie
Offenbarung und forderte die Entfer-    Sohn als der Vater, und auch den Va-         als solches unablässig ... Dies
nung jedes der Vernunft unzugängli-     ter kennt niemand als der Sohn, und          ist die einzige Kirche Christi,
chen Geheimnisses. Einem Buch gab       wem es der Sohn offenbaren will.“            die wir im Glaubensbekennt-
er den Titel: Christianity not myste-   Ähnlich Joh 1,18: „Niemand hat Gott          nis als die eine, heilige, katho-
rious. – Das Christentum frei vom       je gesehen; der eingeborene Sohn,            lische und apostolische beken-
Geheimnis. Unter diesen damals von      der an der Brust des Vaters ruht, er         nen. Sie zu weiden, hat unser
vielen akzeptierten Voraussetzun-       hat Kunde gebracht.“ So kann Chris-          Erlöser nach seiner Aufer-
gen, die Religion nur im Rahmen der     tus der Sohn von sich sagen, dass            stehung dem Petrus übertra-
Vernunft gelten zu lassen, ging das     er die Wahrheit und das Leben (Joh           gen (Joh 21,17), ihn und den

40                                                                                                 DER FELS 2/2019
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
Nicht nur in der Kindheitsgeschichte auch am Anfang           „Durch den Tod wird die Seele vom Leib getrennt; in
    des öffentlichen Wirkens Jesu bei der Taufe durch Jo-         der Auferstehung aber wird Gott unserem verwandel-
    hannes offenbart sich Gott als die Dreifaltigkeit.            ten Leib das unvergängliche Leben geben, indem er
                                                                  ihn wieder mit unserer Seele vereint.“ Der Bischof
                                                                  stirbt, versehen mit dem Sakrament der Krankensal-
                                                                  bung und begleitet mit den Gebeten der Kirche. Der
                                                                  Engel rettet die Seele im Kampf mit dem Teufel.

   übrigen Aposteln hat er ihre           das Wort des Hebräerbriefes (13,8)       Leib und Seele, stoßen wir auf die
   Ausbreitung und Leitung an-            gültig: „Christus gestern, heute und     abendländische Sicht.
   vertraut (vgl. Mt 28,18ff), für        in Ewigkeit“. Die beiden Ordnungen
   immer hat er sie als „Säule            der Erkenntnis bilden eine Einheit,         So ist der Mensch immer in Bewe-
   und Feste der Wahrheit“ er-            weil die Schöpfung und die Offen-        gung auf der Suche nach der Wahr-
   richtet (1 Tim 3,15). Diese            barung auf einen einzigen Ursprung       heit und nach dem, was ihm Halt
   Kirche, in dieser Welt als Ge-         zurückgehen, nämlich Gott.               gibt. Halt kann nur geben, was fest
   sellschaft verfasst und geord-                                                  ist. Auf wackligem Grund kann man
   net, ist verwirklicht in der ka-         Der geschichtliche Wandel der          nicht stehen und leben.         q
   tholischen Kirche (subsistit in        Kultur und der Lebensbedingungen
   ecclesia catholica)“.                  des Menschen kann den Eindruck           1
                                                                                     Tradition als Herausforderung, Kemp-
   Es gibt also nur eine Kirche, und      erwecken, dass auch die Wahrheit         ten 1963, S. 256-268.
diese existiert konkret in der katholi-   geschichtlich ist und sich ändert. Je-   2
                                                                                     Vgl. Pieper, a.a.O. 268.
schen Kirche und diese ist von Jesus      doch: Was wahr ist, bleibt wahr. Doch    3
                                                                                     Pieper, a.a.O. 265
Christus gegründet.                       kann sich der Zusammenhang im Ge-        4
                                                                                     Werke IX, 24.
                                          füge des Ganzen ändern. Z.B. meint       5
                                                                                     Vgl. A. Ziegenaus, Judentum und Chris-
   Auch wenn es zwei Erkenntniswe-        Nephesch (Seele) im Hebräischen          tentum, in: ders., Verantworteter Glaube.
ge gibt, gibt es nicht zwei Wahrhei-      den ganzen Menschen, mit Leib und        Theologische Beiträge 1, Buttenwiesen
ten. Angesichts des Historizismus,        Seele, im Griechischen und in der        1999, 239.
                                                                                   6
                                                                                     Werke X, 148f.
der Verzeitlichung und Vergeschicht-      abendländischen Philosophie einen        7
                                                                                     Vgl. Der Kleine Paul, 3, s.v. Moloch
lichung der Wahrheit drängt sich          Teil des Menschen, der aus Leib und      8
                                                                                     Vgl. Leo Cardinal Scheffczyk, Zur
nicht selten der Eindruck auf, die        Seele bestehe. In der Bezeichnung        Christozentrischen Anthropologie der
Wahrheit unterliege einem Wandel          „Seelsorge“ wirkt das hebräische         Enzyklika „Fides et ratio“, FS A. Ziegen-
und es gäbe eine doppelte Wahrheit.       Verständnis bei uns noch fort, in der    aus, Regensburg 2006, 17f.
Bei allem Wechsel der Zeiten bleibt       Definition: Tod ist die Trennung von     9
                                                                                     Pensees, Fragment 548

DER FELS 2/2019                                                                                                         41
Katholisches Wort in die Zeit - Der Fels
P. Andreas Hirsch FSSP:

                            Maria – Hilfe der Christen

W
                ir kennen viele Dar-      Schritte gehen können: unsere Sün-        seist Du Maria, voll der Gnade, der
                stellungen der allerse-   den in der heiligen Beichte bekennen      Herr ist mit Dir (Lk 1,28).
                ligsten Jungfrau und      und unser Leben nach den Gesetzen
                Gottesmutter Maria als    Gottes täglich neu ausrichten. Wir           Maria bringt Jesus zu den Men-
Schutzmantelmadonna. Dazu passt           dürfen in jeder Not Maria um ihre         schen, etwa wenn sie ihre Base Elisa-
das sehr schöne Lied „Maria, breit        mächtige Fürsprache mit folgendem         beth besucht, die Maria unter Führung
den Mantel aus“. Die ganze Chris-         Gebet anflehen: Maria, stelle Dich        des Heiligen Geistes als Mutter des
tenheit steht sicher unter dem Schutz-    bitte mit Deiner heiligen Reinheit vor    Herrn anredet (Lk 1,43). Herr steht
mantel der Gottesmutter: Wir sehen        uns und erflehe uns bei Deinem Sohn       in der Heiligen Schrift für Gott! Der
dort den Papst, Bischöfe, Priester,       heilige Gedanken und ein heiliges         zuvor von Elisabeth ausgesprochene
Kaiser, Könige, Fürsten und die ein-      Wollen. Die Dankbarkeit sollte dabei      Lobpreis Du bist gebenedeit unter den
fachen Gläubigen. Sie alle erfuhren       nie außer Acht bleiben. In vielen Ma-     Frauen und gebenedeit ist die Frucht
und erfahren den Schutz der Patro-        rienwallfahrtsorten ist der Dank der      Deines Leibes ist auch Teil des AVE
nin, die voller Güte und Barmherzig-      Menschen an Jesus und Seine Mutter        MARIA geworden. Johannes hüpft
keit ist. Jedes Kind sucht Schutz un-     auf kleinen Votivtafeln sichtbar aus-     vor Freude im Leib seiner Mutter Eli-
ter der Obhut seiner Mutter. Suchen       gedrückt. Geben wir unsere Dankbar-       sabeth (Lk 1,44) – ihm wird von Jesus
auch wir diesen Schutz bei Maria          keit an Gott, die Gottesmutter und die    die Erbschuld genommen: Johannes
mit dem schönen Gebet Unter dei-          Mitmenschen weiter, indem wir eifrig      wird dadurch erfüllt mit der Liebe des
nen Schutz und Schirm fliehen wir, o      beten und die Nächstenliebe üben.         dreifaltigen Gottes wie wir bei der
heilige Gottesgebärerin. Verschmähe                                                 Taufe. Durch die Vermittlung Mariens
nicht unser Gebet in unseren Nöten,          Durch Maria kommen wir zu Je-          werden Elisabeth und Johannes mit
sondern erlöse uns jederzeit aus allen    sus. Selbstverständlich dürfen, ja        der Gnade Jesu Christi, unseres Herrn
Gefahren. O, du glorwürdige und ge-       sollen wir uns immer auch direkt an       und Gottes, reich beschenkt.
benedeite Frau, unsere Mittlerin, un-     Jesus wenden – Er ist unser Herr und
sere Fürsprecherin. Versöhne uns mit      Gott. Jesus liebt es aber, wenn wir          Maria selbst lobt Gott und dankt
deinem Sohne, empfiehl uns deinem         Seine Mutter ehren, unter deren Herz      Ihm für Ihre Auserwählung und die
Sohne und stelle uns vor deinen Soh-      Er neun Monate gewohnt hat und de-        Erlösung mit dem Magnificat, das die
ne. Amen. Gott, der gütige und milde      ren Sorge Er sich als Kind anvertraut     Priester und Ordensleute jeden Tag
Vater, schenkt uns Barmherzigkeit,        hat. Maria sagte ihr JA zum Heilsplan     am Schluss der Vesper beten. Die Got-
wenn wir voller Reue umkehren und         Gottes, den ihr der Erzengel Gabriel in   tesmutter preist Gott für Seine Größe,
unter dem Mantel Mariens Zuflucht         Nazaret verkündet hat (Lk 1,26). Die      Seine Heiligkeit und Sein Erbarmen.
und Schutz suchen. Der Herr gewährt       Verkündigung des Herrn betrachten         Sie prophezeit ihre Seligpreisung über
uns die Gnade dazu und Maria ist un-      wir in jedem AVE MARIA, wenn wir          alle Zeiten hinweg, die in den vielen
sere Fürsprecherin am Throne Gottes,      die Gottesmutter mit den Worten des       Gebeten, Liedern, Gotteshäusern und
damit wir in aller Demut die weiteren     Erzengels Gabriel anreden: Gegrüßet       Wallfahrtsorten des ganzen Erdkreises

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durch die Gläubigen ihr dargebracht      kümmert Er selbst sich um die in je-      tätig. Rufen wir sie immer wieder an
werden. Damit stimmen wir in den         der Hinsicht Benachteiligten durch        und vergessen wir auch nicht, ihr und
Lobgesang Mariens mit ein. Wenn wir      gute Menschen, die Engel und die          ihrem Sohn innig zu danken.
Maria ehren, so preisen wir Gott und     Gottesmutter sowie durch Seine Gna-
danken Ihm für Sein reinstes und hei-    den und Seinen Frieden, den Er uns in        Bei der Hochzeit zu Kana (Joh 2)
ligstes Geschöpf. Im Magnificat be-      die Herzen einsenkt, wenn wir Ihn nur     vermittelt Maria das erste Wunder
singt die Gottesmutter den Sturz der     darum bitten: Vater, im Namen Deines      Jesu. Sie sagt voller Vertrauen zu den
Mächtigen, Reichen und Hochmüti-         geliebten Sohnes Jesus Christus bitten    Dienern Was Er euch sagt, das tut.
gen von ihren Thronen sowie die Sor-     wir Dich um Frieden in unseren Her-       Die Diener gehorchen Jesus und fül-
ge Gottes um die Armen. Damit sind       zen und in der Welt.                      len die Krüge mit Wasser und wissen
nicht nur diejenigen gemeint, die kaum                                             später, woher der Wein kommt. Auch
etwas oder nichts haben, sondern auch       An dem von Maria im Magnificat         die Jünger glauben an Jesus. Folgen
die Demütigen, die wissen, dass sie in   besungenen Erlösungsweg ist sie an        wir diesen Beispielen und bitten die
ihrer Armut alles Gott verdanken. Gott   den wesentlichen Stationen mit ihrem      Gottesmutter, dass sie uns Glaube,
erfüllt Seine Versprechen mit unfehl-    Sohn Jesus Christus innig vereint:        Hoffnung und Liebe bei ihrem Sohn
barer Sicherheit und schenkt uns Sei-    Maria zeigt in Bethlehem den Hirten       Jesus Christus erflehe.
ne Gnaden, wenn es am besten für uns     (Lk 2) und den Weisen aus dem Mor-
ist. Dafür bedarf es der Geduld. Nach    genland ihr göttliches Kind. Diese fal-      Maria geht den Kreuzweg ihres
der Sünde Adams musste die Mensch-       len nieder und beten Jesus an (Mt 2).     Sohnes mit und steht (Joh 19,25-27)
heit sehr lange auf den Erlöser warten   Bei der Darstellung Jesu im Tempel        unter Seinem Kreuz. Sie wird durch
– aber Er ist gekommen: Gott selbst      (Lk 2,22ff) dürfen Simeon und Han-        Johannes auf den Wunsch Jesu auch
wird Mensch in Jesus Christus und        na durch die Vermittlung des Heiligen     unsere Mutter, die sich um uns sorgt
tilgt unsere Sünden durch Sein Lei-      Geistes den göttlichen Erlöser Jesus      und immer für uns am Thron ihres
den und Seinen Tod am Kreuz. Zuvor       Christus sehen, den Seine Mutter Ma-      Sohnes eintritt. Grüßen wir Maria oft
führte Gott Sein Volk durch Mose und     ria zu ihnen bringt. Nachdem Maria        mit dem folgenden am Anfang schon
die Propheten auf Seinen Wegen. Jetzt    Jesus im Tempel gefunden hatte (Lk        erwähnten Gebet: Liebe Gottesmutter,
bleibt Er bei uns durch die Sakramen-    2,41ff), bewahrt sie alles, was sie er-   nimm uns mit in Deine Reinheit und
te – besonders in der heiligen Messe     fahren hatte, demütig in ihrem Herzen     Heiligkeit. Beschütze uns und erflehe
und durch Seine heiligen Worte. Jesus    und vertraut sich ganz der liebenden      uns ein heiliges Denken und ein hei-
Christus wird wiederkommen zu rich-      Führung Gottes an. Nehmen wir uns         liges Wollen bei Gott, unserem Vater.
ten die Lebenden und die Toten. Aber     die Gottesmutter zum Vorbild und bit-     Amen. Sind wir gut zueinander, wie
Er hat eine unendliche Geduld mit uns    ten sie immer wieder um diese Gna-        es uns Jesus ans Herz gelegt hat und
Sündern – wir können Sein zweites        de und ihren Schutz als die Hilfe der     wie es Jesus und Maria bis heute zu
Kommen nicht herbeizwingen und           Christenheit. Damals wie heute ist        uns sind, damit wir in der Gottes- und
das ist gut so. In der Zwischenzeit      Maria unermüdlich für die Menschen        Nächstenliebe wachsen.             q

DER FELS 2/2019                                                                                                      43
Diakon Raymund Fobes:

                     Jesus Christus steht im Zentrum
                            der Weltgeschichte
                    Hugo Rahner – ein zu Unrecht vergessener Theologe

Karl           Rahner (1904-1984)
               gehört wohl zu den
meistzitierten und -rezipierten Theo-
                                         schichte erschließt sich nach Rahner,
                                         wenn sie von dem menschgeworde-
                                         nen Gott Jesus Christus her betrach-
                                                                                  Die Verkündigung soll sich durch
                                                                                  Klarheit und Einfachheit auszeich-
                                                                                  nen und durch eine „von der Traditi-
logen der Gegenwart. Weit weniger        tet wird – wenn sie diese Menschwer-     on geheiligte und konsekrierte Spra-
ist heute sein Bruder Hugo bekannt,      dung ernst nimmt, die nicht nur den      che“.
der ebenfalls Jesuit war und sich in     Beginn der Kirche ausmacht, sondern         Dabei habe die Verkündigung die
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts   zum Zentrum der Weltgeschichte als       Aufgabe, den Zusammenhang der
vor allem als Patristiker (Theologie     solcher wird. In den Jahrtausenden       christlichen Wahrheiten zu verdeut-
der Kirchenväter der ersten christli-    vor der Menschwerdung zielt die Ge-      lichen. Sie solle die Welt als „Päda-
chen Jahrhunderte) und Kirchenhis-       schichte auf Christus hin – nach der     gogie auf Christus“ hin erschließen.
toriker einen Namen gemacht hatte.       Auferstehung und Himmelfahrt liegt       So geht es darum, die Welt durch
Während dieser Zeit war Hugo Rah-        ihr Wesen darin, dass nun in ihr das     Christus und die Kirche heim zu
ner – geboren 1900 – auch ein durch-     gnadenhaft gegebene und doch freie       Gott, dem Vater, zu holen – immer im
aus bekannter Theologe, zuweilen         Ja des Menschen zu Christus mög-         Blick auf das Ende der Welt, wo sie
sogar bekannter als sein Bruder Karl.    lich wird. Hugo Rahner entdeckt in       wieder endgültig und vollkommen
Dass er heute allerdings weitgehend      der griechischen Philosophie bereits     „Reich Gottes“ ist, also unter Gottes
vergessen ist, ist mehr als bedauer-     entscheidende Gedanken über Gott         liebevoller Herrschaft steht. Für Rah-
lich, denn Hugo Rahner hat Weg-          und die Welt, die durch das Chris-       ner ist entscheidend, dass Christus
weisendes in seiner Zeit gesagt und      tentum zur Fülle gelangen – durch        in Seiner Kirche konkret wirkt – so
geschrieben, was auch in heutiger        Christus geheiligt werden. Vorah-        in den Sakramenten. Eine wichtige
Theologie und Verkündigung seinen        nungen aus dem antiken Heidentum         Rolle spielt für ihn in diesem Zu-
Platz haben sollte. Am 21. Dezember      werden in Christus Wirklichkeit. Mit     sammenhang auch das Priestertum,
2018 jährte sich sein Todestag zum       der Menschwerdung Jesu Christi be-       denn im Priester, der in der Person
50. Mal.                                 ginnt in unserem Abendland durch         Christi handelt, ist der fleischgewor-
   Hugo Rahners Werke sind heu-          die Vereinigung jüdischen und grie-      dene Logos präsent. Der Priester hat
te kaum erhältlich – allenfalls sein     chisch-heidnischem Denkens in der        Anteil an der Inkarnation. Zur pries-
Buch „Der spielende Mensch“, das         Person Christi etwas Neues. Konkret      terlichen Persönlichkeit gehört aber
allerdings nur einen Bruchteil sei-      erschließt sich nun durch Christus       auch das existentielle Erfülltsein von
ner umfassenden Theologie darstellt.     das bereits zuvor erahnte Drama der      der Größe und Schönheit Gottes und
Deutlich mehr erfährt man über           Menschheitsgeschichte: Der paradie-      den Wahrheiten des Glaubens, damit
den Theologen in der Dissertation        sische Urzustand wurde durch die         auch die Hörer der Verkündigung von
von Pfarrer Johannes Holdt „Hugo         Sünde des Menschen (die Haltung          ihr berührt werden.
Rahner – sein geschichts- und sym-       weg von der Gottesliebe hin zur ego-        Kurz vor seinem 60. Geburtstag
boltheologisches Denken“ aus den         istischen Selbstliebe) zerstört. Gott    erkrankte Hugo Rahner schwer an
1990er Jahren. Betreut wurde diese       aber wendet dann durch Christus al-      Parkinson. So zog er sich in den letz-
Doktorarbeit von dem emeritierten        les zum Guten, sodass am Ende für        ten acht Jahren seines Lebens immer
Augsburger Dogmatiker Prälat Prof.       den Menschen guten Willens wieder        mehr zurück. Wahrscheinlich liegt
Dr. Anton Ziegenaus, dem Modera-         das Paradies steht.                      auch darin der Grund, dass er heute
tor der Theologischen Augsburger            Hugo Rahner war auch ein Theo-        nicht so bekannt ist wie sein Bruder.
Sommerakademie.                          loge, der sich viele Gedanken über       Dabei wäre es sicherlich für die heu-
   Zu Rahners großen Verdiensten         die Verkündigung des Glaubens            tige Theologie ein Gewinn, würde
gehört sein Nachdenken über das We-      machte. Seine Überlegungen sind          sie sich mehr mit ihm beschäftigen
sen der Geschichte. Er sah seine Auf-    ganz im Kontext seiner Geschichts-       – gerade auch deshalb, weil er ei-
gabe als historischer Theologe nicht     theologie zu sehen, die ja ihren Sinn    nen Weg der Verkündigung aufzeigt,
in erster Linie darin, für die Kirche    und ihr Ziel darin hat, dass die Welt    der sowohl dem Menschen Freude
relevante historische Ereignisse zu      durch die Kirche auf Gott hin steuert.   am Glauben vermittelt als auch fest
reflektieren, sondern fragte nach dem    Entscheidend ist daher, dass sich die    verwurzelt ist in dem in der Bibel of-
Sinn der Geschichte für den gläubi-      Verkündigung an der Bibel und an         fenbarten und der Kirche tradierten
gen Christen. Dieser Sinn der Ge-        der kirchlichen Tradition orientiert.    Christusgeheimnis.                 q

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Historiker von hohem Rang im Dienst der Kirche
           Würdigung zum 90. Geburtstag von Walter Kardinal Brandmüller

Im       Rückblick auf 90 Jahre darf
         Kardinal Walter Brandmül-
ler sich dankbar an seine Kindheit
                                              für die Menschen und hier beson-
                                              ders für die Kirche, hat sich Prälat
                                              Prof. Dr. Walter Brandmüller eine
                                                                                                    Jahrhundert fort. Er legte das Funda-
                                                                                                    ment zur Konziliengeschichte und
                                                                                                    brachte sie ein gewaltiges Stück vo-
und Jugendzeit in seiner Heimat er-           Lebensaufgabe gegeben, „Licht und                     ran.
innern und an eine lange Zeit wissen-         Schatten“ – so heißt eines seiner Bü-                    Wenn er bei Kongressen auftrat,
schaftlicher Arbeit. 1929 wurde er in         cher – in der Geschichte der Kirche                   wusste er die Zuhörer mit seinen Vor-
Ansbach geboren. Er wurde in der              aufzuzeigen und die antikatholische                   trägen zu faszinieren. Walter Brand-
evangelischen Konfession getauft,             Geschichtsschreibung zu entlarven.                    müller spürt als Historiker, dass die
aber katholisch erzogen. Nach sei-            Objektivität, Genauigkeit und aus-                    Kirche neue Aufbrüche braucht. Er
nem Abitur studierte er katholische           gewogenes Urteil fern von jeder                       ist ein Freund von klaren Aussagen
Theologie und empfing 1953 in Bam-            Parteinahme, Emotion und Aggres-                      und scheut sich nicht, Kritik zu üben,
berg die Priesterweihe. Anschließend          sion bestimmen sein Forschen und                      wenn er die Einheit im katholischen
war er in der Seelsorge tätig.                Schreiben. Ein Kirchenhistoriker,                     Glauben gefährdet sieht. Er war
                                              so dokumentiert er es in seinen Wer-                  seit 1981 Mitglied der Päpstlichen
   Freigestellt zur wissenschaftlichen                                                              Kommission der historischen Wis-
Arbeit wurde er 1963 mit einer Ar-                            ü l ler, Gründungsmi                  senschaften, seit 1998 Präsident des
                                                           m                         tgli
beit zum Thema Das Wiedererstehen                     ra nd                               ed        Päpstlichen Komitees für Geschichts-
                                                    B                                         de
katholischer Gemeinden in den Fürs-           tl er                                              s wissenschaft in Rom und von 1998
tentümern Ansbach und Bayreuth                                                                        bis 2006 Präsident der Internatio-
                                                                                          IK
                                         Wa

                                                                                             -A

promoviert. 1967 habilitierte er                                                                         nalen Kommission für verglei-
                                      al

                                                                                               ug
                                   din

sich mit einer Arbeit über das                                                                            chende Kirchengeschichte. Der
                                                                                                  sbu
                                Kar

Konzil von Pavia-Siena. 1969                                                                               Historiker von hohem Rang im
                                                                                                      rg

wurde er als Professor an                                                                                   Dienst der Kirche unterstützte
die damalige Philosophisch-                                                                                  selbstlos neue Gemeinschaf-
Theologische Hochschule                                                                                      ten, initiierte die Theologi-
Dillingen berufen. Nach                                                                                      sche Sommerakademie in der
deren Auflösung wurde er                                                                                     Diözese Augsburg, ist Mit-
1970 in Augsburg Ordinari-                                                                                   begründer des IK-Augsburg
us für Kirchengeschichte, wo                                                                                und stand diesem lange Zeit
er bis zu seiner Emeritierung                                                                              mit Rat und Tat zur Seite. Das
1997 lehrte. Während dieser                                                                               Forum Deutscher Katholiken ist
Zeit betreute er die Pfarrei Mariä                                                                      ihm dankbar für seine Vorträge
                                                                                           rg
                                          un

Himmelfahrt in Walleshausen. Die                                                                     beim Kongress „Freude am Glau-
                                                                                        bu

                                                Ge                                               gs
                                            d

Themen der Promotion und Habilita-                  rha                                     - Au    ben“, die Mitarbeiter des „Fels“ dan-
                                                        rd S                              K
tion wiesen schon auf die künftigen                          tumpf,                  es I           ken ihm für seine Beiträge. Alle, die
                                                                       Vorsitzender d
Schwerpunkte seiner wissenschaftli-                                                                 im Forum Deutscher Katholiken, im
chen Forschung hin.                             ken, muss über theologisches und Fels und in der Aktionsgemeinschaft
                                                philosophisches fundiertes Wissen mit den ihr angeschlossenen Initi-
   Geschichte ist für ihn nichts Ver-           verfügen, seine Sprache muss an der ativkreisen mitarbeiten, wünschen
staubtes, in Archiven abgelegt, dem             klassischen Literatur geschult sein. Kardinal Walter Brandmüller Gottes
Vergessen überlassen. Die Geschich-             Sein Faktenwissen ist verbunden mit reichsten Segen für die Zukunft, für
te lebt, ist in den Generationen veran-         den grundlegenden Einsichten in die sein weiteres, wie man sicherlich
kert und braucht doch den Historiker,           Seele des Menschen und in die Kräf- erwarten darf, unermüdliches Arbei-
der sie universal einordnet, ihre Ver-          te der Politik. Der verantwortungs- ten und Forschen, für sein priesterli-
ästelungen überblickt und in Mono-              bewusste Historiker Brandmüller ches Wirken und viel Freude an den
graphien gewissermaßen punktuell                führte das siebenbändige Standard- Früchten seiner Arbeit.
erfasst und den Lesern lebendig vor             werk „Kirchengeschichte Bayerns“
Augen führt. Von der Komplexität                von R. Bauerreis mit drei gewaltigen                   Die Redaktion des „Fels“, das Fo-
der Geschichte fasziniert, wissend              Bänden (Handbuch der Bayerischen rum Deutscher Katholiken, die theo-
um die Bedeutung der Geschichte                 Kirchengeschichte) zum 19. und 20. logische Sommerakademie Augsburg

DER FELS 2/2019                                                                                                                       45
Geistesschärfe, pointierte Antworten,
                    treffsichere Argumentation
         Ein Interview mit Walter Kardinal Brandmüller als Dokumentation

PAUL BADDE: Warum sind Kon-             Wie kamen Konservative denn in             Blut und Tränen die großen Revolu-
servative so hart und unbarm-           den Ruf, Dunkelmänner zu sein              tionen über die Menschen gebracht
herzig, Herr Kardinal?                  – im Gegensatz zu den liberalen            haben! Auch die Nazis sahen sich als
   KARDINAL WALTER BRAND-               Lichtgestalten?                            Revolutionäre. Revolutionäre sind
MÜLLER: Sind sie das? Ich habe             Soll ich darüber lachen? Dunkel-        Brandstifter.
noch keinen Menschen erlebt, der un-    männer sind Schießbudenfiguren aus
barmherzig war, weil er konservativ     der Mottenkiste sogenannter Auf-           Aber schauen Konservative nicht
ist. Es gibt barmherzige und unbarm-    klärer. Es sind Vorurteile, die jeder      gern nach hinten, wo Liberale
herzige Liberale und Konservative.      vernünftigen Begründung entbehren.         tatsächlich nach vorn und in die
Aber ist der Arzt barmherzig, der ei-   Als Finsterlinge wurden schon vor          Zukunft blicken? Warum?
nem Patienten die rettende Operation    über 200 Jahren alle verleumdet, die         Ich bin Historiker. Die Vergangen-
erspart und ihm Alkohol und Nikotin     sich dem Fortschrittswahn und dem          heit ist der Stoff der Erfahrung und
nach Belieben erlaubt? Der einem Di-    Zeitgeist widersetzten. Als Lichtge-       sehr konkret. Die Zukunft ist das
abetiker eine Sachertorte mitgibt?

Aber reden Konservative nicht
eher von der Sünde, wo Liberale
von Vergebung und Barmherzig-
keit sprechen?
   Das ist mir neu. Woher wissen Sie
das? Aus der Zeitung? Auch Liberale
reden von Sünde. Doch sie verstehen
meist etwas anderes darunter, das
stimmt. Bei ihnen sind es eher Park-
sünder und Diätsünden. Was ist also
Sünde?

Bitte sagen Sie es.
   Sünde ist eine sittlich minder-
wertige Haltung oder Handlung,
mit denen Menschen sich selbst und
anderen schaden. Dabei haben wir
doch alle schon erfahren, dass es uns
schlecht geht, wenn wir das Schlech-
te und Falsche tun; dass Betrug, Ehe-
bruch, Mord etc. noch keinen Men-
schen wirklich glücklicher gemacht
hat. Dostojewski hat ganze Romane
über dieses dunkle Geheimnis ge-        stalten haben sich hingegen damals         Reich der Träume und Verführer. Da
schrieben.                              schon die Jakobiner gern selbst sti-       lässt sich ungeprüft leicht alles be-
                                        lisiert, als sie für den Fortschritt die   haupten und versprechen. Nur auf
Aber haben Konservative nicht           Köpfe rollen ließen.                       der sicheren Basis geschichtlicher
dennoch eher Angst, wo Liberale                                                    Erfahrung lässt sich Zukunft bauen.
mutiger sind?                           Warum sind viele Liberale aber
   Woher das denn? Reden wir hier       auch 200 Jahre später vom Be-              Warum hat sich der Streit zwi-
vielleicht von den Elefanten, die mu-   griff der Revolution noch so fas-          schen Konservativen und Libera-
tig in den Porzellanladen stapfen?      ziniert?                                   len heute denn ausgerechnet am
Vorsicht im Umgang mit kostbarsten         Das müssen Sie die Liberalen fra-       Thema der Familie entzündet?
Gefäßen würde ich nie mit Ängst-        gen. Mich fröstelt bei dem Begriff.           Ideologien, die Mensch und Ge-
lichkeit verwechseln.                   Vergessen wir doch nicht, wie viel         sellschaft verändern wollen, fangen
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